Das Haager Abkommen von 1989 über das auf die Erbfolge anzuwendende Recht [1 ed.] 9783428487950, 9783428087952


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German Pages 446 Year 1996

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Das Haager Abkommen von 1989 über das auf die Erbfolge anzuwendende Recht [1 ed.]
 9783428487950, 9783428087952

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TIM BRANDI

Das Haager Abkommen von 1989 über das auf die Erbfolge anzuwendende Recht

Schriften zum Internationalen Recht Band 78

Das Haager Abkommen von 1989 über das auf die Erbfolge anzuwendende Recht Von

Tim Brandi

Duncker & Humblot • Berlin

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Wissenschaftlichen Gesellschaft Freiburg

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Braodi, Tim: Das Haager Abkommen von 1989 über das auf die Erbfolge anzuwendende Recht I von Tim Brandi. - Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum Internationalen Recht ; Bd. 78) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1995 ISBN 3-428-08795-X NE:GT

D25 Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-08795-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 E>

Meinen Eltern und Christione

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im März 1995 abgeschlossen und ist im Wintersemester 1995/96 von der juristischen Fakultät der Albert-LudwigsUniversität Freiburg als Dissertation angenommen worden. Sie ist mit dem Preis des Jahres 1996 der Georg F. Rössler-Stiftung im Verein der Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof e. V. ausgezeichnet worden. Die in ihr verarbeitete Rechtsprechung und Literatur befindet sich im wesentlichen auf dem Stand von Februar 1996. Mein herzlicher Dank gilt in erster Linie meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Rainer Frank:. Bereits während des Studiums habe ich eine interessante Zeit als studentische Hilfskraft an seinem Institut für ausländisches und internationales Privatrecht verbracht. Auch hat er mir wertvolle Hilfe bei der Organisation meines Studiums an der Columbia Law School in New York geleistet, von dem einiges in diese Arbeit eingeflossen ist. Ferner hat er mich im großen Umfang bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützt. So verdanke ich ihm insbesondere wichtige Anregungen für ihre inhaltliche Konzeption. Darüber hinaus hat er ihre Entstehung über die Jahre hinweg stets im gleichen Maße wohltuend kritisch wie großzügig fördernd begleitet. Weiter möchte ich an dieser Stelle besonders herzlich Herrn Prof. Dr. Peter Hay danken. Von ihm stammte die ursprüngliche Anregung zum Thema dieser Dissertation. Außerdem habe ich mich sehr über sein spontanes Angebot gefreut, die undankbare Aufgabe des Zweitgutachters zu übernehmen, als hieran Bedarf bestand. Ferner hat er mir den wertvollen Kontakt zu Herrn Prof. Eugene F. Scoles, dem Delegierten der U.S.A. auf der 16. Haager Konferenz, vermittelt, welcher mir dankenswerterweise seine privaten Memoranden und den Schriftwechsel der Mitglieder des Advisory Committee on Private International Law beim U.S.-Secretary of State zur Haager Erbrechtskonvention zur Verfügung gestellt hat. Weiterhin gilt mein Dank Herrn Prof. Dr. Dieter Henrich für die freundliche Überlassung der einschlägigen Sitzungsprotokolle des Deutschen Rates für IPR sowie der von Herrn Dr. K.J. Pirrung vom Bundesjustizministerium zur Haager Erbrechtskonvention erstellten Vermerke. Ferner möchte ich Herrn J.H.A. van Loon, dem Generalsekretär der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht, herzlichen Dank sagen für seine sehr hilfreichen Hinweise zum Thema dieser Arbeit.

8

Vorwort

Schließlich gilt mein herzlicher Dank der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Freiburg im Breisgau für die Gewährung eines Druckkostenzuschusses für die Drucklegung dieser Arbeit. Ich widme diese Arbeit meinen Eltern, ohne deren großzügige Unterstützung sie in dieser Form nicht möglich gewesen wäre. Daneben widme ich sie meiner lieben Christiane aus Dankbarkeit für ihre Geduld und Rücksichtnahme während der zurückliegenden Jahre. New York, im April 1996

Tim Oliver Brandi

Inhaltsübersicht Einleitung A. Einführung in die Fragestellung........................................................

23

B. Die Haager Erbrechtskonvention von 1989.......................................... I. Vorgeschichte und Entstehung.................................................... 11. Aufbau und inhaltliche Kernpunkte .............................................. 111. Bisheriger Zeichnungs- und RatiflZierungsstand......... .....................

26 26 28 32

1. Kapitel Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip? A. Ausgangssituation. ......................................................................... I. Problemeinführung .................................................................. 11. Grundlagen und historische Entwicklung der Anknüpfungsprinzipien... 111. Vergleich der Anknüpfungsprinzipien........................................... IV. Durchbrechung der Anknüpfungsprinzipien im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs .................................................

35 35 37 45

B. Objektive Anknüpfung des Erbstatuts in der Haager Erbrechtskonvention... I. Überblick.............................................................................. 11. Grundsatz: Kompromiß zw·ischen Staatsangehörigkeits- und Domizilprinzip (Art. 3) ....................................................................... 111. Sondervorschriften für Mehrrechtsstaaten...................................... IV. Renvoi (Artt. 4 und 17).............................................................

90 90 91 123 126

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention......................... I. Anpassungs- und Kontinuitätsinteresse.......................................... 11. Sicherheit, Vorhersehbarkeit und Stabilität der Verweisung ............... 111. Lex-Fori-Anwendung............................................................... IV. Internationaler Entscheidungseinklang .......................................... V. Ergebnis................................................................................

129 129 139 142 143 147

79

2. Kapitel

Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung? A. Ausgangssituation. ............................. ............................................ I. Problemeinführung .................................................................. 11. Grundlagen und historische Entwicklung der Anknüpfungsprinzipien...

148 148 149

10

Inhaltsübersicht

m. Vergleich der Anknüpfungsprinzipien........................................... IV. Durchbrechung der Anknüpfungsprinzipien im Interesse des internationalen Entscheidungseinklanges ............... .. . .. .. .. . . . . . . . .. . . . . . .. .. . . .... B. Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltung in der Haager Erbrechtskonvention bei objektiver Anknüpfung des Erbstatuts............................................ I. Grundsatz der Nachlaßeinheit (Artt. 3 und 7 I) ............................... 11. Ausnahme: Anknüpfung an das Situsrecht für besondere Regelungen der Erbfolge bei bestimmten Vermögensmassen (Art. 15) ................. m. Ausnahme: Renvoi des zweiten Grades (Art. 4) .............................. C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention......................... I. Parteiinteresse ........................................................................ 11. Situsinteressen ........................................................................ m. Innerer Entscheidungseinklang kontra Anknüpfungsgleichlauf............ IV. QualifIkationsfragen . .......... .. ... . .. ........................ .... . . . . .. . . . . ........ V. Internationaler Entscheidungseinklang .......................................... VI. Ergebnis................................................................................

159 189 206 206 208 219 220 220 221 223 226 226 238

3. Kapitel

Rechtswahl des Erblassers A. Ausgangssituation.......................................................................... I. Problemeinführung .................................................................. 11. Rechtswahl im geltenden Recht................................................... m. Vorzüge und Probleme einer Rechtswahl im internationalen Erbrecht..

240 240 241 262

B. Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention .................................... I. Allgemeines........................................................................... 11. Wahl zwischen Heimatrecht und Aufenthaltsrecht (Art. 5)................. m. Wahl der lex rei sitae? .............................................................. IV. Rechtswahl in Erbverträgen (Art. 11) ...........................................

291 291 293 305 315

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention......................... I. Erblasserinteressen .................................................................. 11. Schutzinteressen der Erben........................................................ m. Ergebnis................................................................................

320 320 327 336

4. Kapitel

Nachlaßverteßung und Nachlaßabwicklung A. Anwendungsbereich der Haager Erbrechtskonvention ............................ I. Entstehungsgeschichte.............................................................. 11. Regelung des Art. 7 11 und m.....................................................

337 337 340

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland ............................ I. Problemeinführung .................................................................. 11. Weite oder enge Anwendung der Haager Erbrechtskonvention? .........

348 348 349

m.

Inhaltsübersicht

11

Ergebnis................................................................................

386

C. Rechtsstellung des anglo-amerikanischen Erbschaftsabwicklers unter der Haager Erbrechtskonvention ............................................................ I. Einleitung .............................................................................. 11. Anerkennung eines anglo-amerikanischen Erbschaftsverwalters im deutschen Recht ...................................................................... m. Ergebnis................................................................................

387 387 390 403

Gesamtergebnis A. Zusammenfassung ........................................................................

404

B. Abschließende Bewertung ...............................................................

411

Literaturverzeichnis

413

Anhang

A. Convention on the Law Applicable to Succession to the Estates of Deceased Persons ...................................................................................

426

B. Convention sur la loi applicable aux successions a cause de mort..............

432

C. Übereinkommen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht............................................................................

438

Inhaltsverzeichnis Einleitung A. Einführung in die Fragestellung........................................................

23

B. Die Haager Erbrechtskonvention von 1989.......................................... I. Vorgeschichte und Entstehung.................................................... 11. Aufbau und inhaltliche Kernpunkte.............................................. 1. Anwendungsbereich ............................... ............................... 2. Anwendbares Recht ............................................................. 3. Erbverträge........................................................................ 4. Allgemeine Regelungen......................................................... III. Bisheriger Zeichnungs- und RatifIzierungsstand ..............................

26 26 28 28 30 31 32 32

1. Kapitel

Staatsangehörigkeits- oder DomizUprinzip? A. Ausgangssituation. ......................................................................... I. Problemeinführung .................................................................. 11. Grundlagen und historische Entwicklung der Anknüpfungsprinzipien... 1. Staatsangehörigkeitsprinzip im deutschen internationalen Erbrecht .. a) Entwicklung bis zum Inlcrafttreten des Bürgerlichen Gesetz-

buchs um 1900................................................................

b) IPR-Reform von 1986....................................................... 2. Domizilprinzip im anglo-amerikanischen internationalen Erbrecht... a) Entwicklung des Domizilprinzips......................................... b) Gründe für das Domizilprinzip...... ............................... ....... III. Vergleich der Anknüpfungsprinzipien .......................................... 1. Anknüpfung an das Recht der engsten Verbundenheit .................. a) Interessenlage: Kontinuitäts- oder Anpassungsinteresse? ........... b) Staatsangehörigkeitsprinzip im deutschen internationalen Erbrecht............................................................................. (1) Grundsatz: Vorrang des Kontinuitätsinteresses................... (2) Vorrang des Anpassungsinteresses in Ausnahmefällen bei ineffektiver Staatsangehörigkeit? .................................... c) Domizilprinzip im anglo-amerikanischen internationalen Erbrecht.. . .. . .. .. . . . . ... ........ .. .. . . . . . . . . . . . . . . .. .. ....... ..... ... . . . . . . .. . . (1) Grundsatz: Vorrang des Anpassungsinteresses................... (2) Berücksichtigung des Kontinuitätsinteresses im traditionellen britischen Common Law...............................................

35 35 37 37 37 39 41 41 43 45 46 46 48 48 50 54 54 55

Inhaltsverzeichnis (a) Traditionelle Domicile-Regeln des britischen Common

Law....................................................................

(b) Wechsel vom domicile of origin zum domicile of choice .

(3) Reformentwicklungen in den Commonwealth-Staaten.......... (4) Entwicklung im amerikanischen Recht............................. (5) Zwischenergebnis....................................................... 2. Staatsinteressen ................................................ ................... 3. Lex-fori-Anwendung........................... ................................. 4. Sicherheit, Vorhersehbarkeit und Stabilität der Verweisung ........... a) Allgemeines ................................................................... b) Ermittlung des Anknüpfungspunktes .................................... c) Verschiedenheit der nationalen Wohnsitzbegriffe . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . d) Anknüpfungsmanipulation.................................................. 5. Versagen der Anknüpfungsprinzipien . . . . .. . . .. . .. . .. . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. a) Staatsangehörigkeitsprinzip im deutschen Recht...................... (1) Mehrstaater.................................. ... .......................... (2) Staatenlose................................................................ (3) Lokale oder personale Rechtsspaltung ............................. b) Domizilprinzip im anglo-amerikanischen Recht....................... 6. Zusammenfassung............................................................... IV. Durchbrechung der Anknüpfungsprinzipien im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs ................................................. 1. Allgemeines: Positiver und negativer Kompetenzkonflikt............... 2. Renvoi im anglo-amerikanischen internationalen Erbrecht............. a) England. ........................................................................ b) Vereinigte Staaten............................................................ 3. Renvoi im deutschen internationalen Erbrecht............................ a) Bestimmung der maßgeblichen ausländischen Kollisionsnorm bei anglo-amerikanischen Mehrrecbtsstaaten............................... b) Regelung des Art. 4 I EGBGB ............................................ 4. Zwischenergebnis................................................................ B. Objektive Anknüpfung des Erbstatuts in der Haager Erbrechtskonvention... I. Überblick.............................................................................. H. Grundsatz: Kompromiß zwischen Staatsangehörigkeits- und Domizilprinzip (Art. 3) ....................................................................... 1. Entstehungsgeschichte.......................................................... a) Diskussionsverlauf innerhalb der Spezialkommission ............... b) Diskussionsverlauf innerhalb der Zweiten Kommission............. 2. Funktionsweise ................................................................... 3. Normzweck........................................................................ a) Anknüpfung an den Lebensmittelpunkt ................................. b) Kompromiß zwischen Domizilprinzip und Staatsangehörigkeitsgrundsatz . .. . . . . . .. ....... .. .... . ... ...... . . . . . . . . . ..... . . . . . .. . . . . . . . . .. . . . . . . . c) Kompromiß zwischen Rechtssicherheit und AnknüPfungsflexibilität... ................................................... ...................... 4. Anknüpfungskriterien ........................................................... a) Staatsangehörigkeit ..................................................... ..... (1) Allgemeines ...............................................................

13 55 57 58 61 62 63 64 66 66 67 68 70 70 70 71 72 73 76 78 79 79 80 80 84 87 87 88 89 90 90 91 91 91 94 96 98 99 99 101 102 102 102

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Inhaltsverzeichnis (2) Mehrstaater............................................................... (3) Staatenlose.. .............................................. ....... .... ..... b) Gewöhnlicher Aufenthalt ........................... .......... ...... ........ (1) Allgemeines .. ..... ............................... ..... ......... .......... (2) Funktionelle Interpretation: Mittelpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse ........................... ... ....... .............. ... (3) Voraussetzungen im einzelnen ....................................... (a) Aufenthaltsdauer....................... ........................ ..... (b) Physische Anwesenheit ........................................... (c) Daseinsmittelpunkt ................................................. (d) Bleibeabsicht ..................................... ................... c) Engere Verbindung.......................................................... (1) Allgemeines .............................................................. (2) Engere Verbindung und gewöhnlicher Aufenthalt (Art. 3 H) . (a) Problem der Abgrenzung beider Anknüpfungsmerkmale. (b) Beispielsfälle .. ..................................... ................. (c) Mögliche Kriterien für das Vorliegen einer engeren Verbindung zum Heimatrecht ........................................ (d) Weitere Voraussetzungen des Art. 3 H 2 ..................... (e) Würdigung ...................................... ..................... (3) Engere Verbindung und Heimatrecht (Art. 3 III a.E.).......... III. Sondervorschriften für Mehrrechtsstaaten...................................... 1. Lokale Rechtsspaltung (Art. 19).............................................. 2. Personale Rechtsspaltung (Art. 20) .......................................... IV. Renvoi (Artt. 4 und 17).............................................................

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C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention......................... I. Anpassungs- und Kontinuitätsinteresse................ . ... ................. ..... 1. Einordnung der Haager Erbrechtskonvention ............................. 2. Testfall: Gastarbeiter in Deutschland ............................... ......... a) Bedeutung der Bevölkerungsgruppe der Gastarbeiter für das internationale Erbrecht....................... ..... .......................... b) Interessenslage der Gastarbeiter ...................................... .... c) Berücksichtigung dieser Interessen im geltenden deutschen internationalen Erbrecht ................. .................................... ..... d) Berücksichtigung dieser Interessen in Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention ............................................................. 3. Statutenwechsel................................................................... H. Sicherheit, Vorhersehbarkeit und Stabilität der Verweisung ............... 1. Ermittlung des Anknüpfungspunktes ........................................ 2. Anknüpfungsmanipulation ..................................................... IH. Lex-Fori-Anwendung ................................................ .............. IV. Internationaler Entscheidungseinklang ..................................... . . .. . 1. Bedeutung des internationalen Entscheidungseinklangs im internationalen Erbrecht.............................................................. 2. Auswirkungen der Haager Erbrechtskonvention.......................... V. Ergebnis................................................................................

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Inhaltsverzeichnis

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2. Kapitel

Nacbla8einbeit oder Nacblaßspaltung? A. Ausgangssituation.......................................................................... I. Problemeinführung ................................................................... 11. Grundlagen und historische Entwicklung der Anknüpfungsprinzipien... 1. Nachlaßspaltung im anglo-amerikanischen Recht......................... a) Geschichtliche Ursprunge ..................... ... .......... ................ b) Neuere Entwicklung in den U.S.A. ...................................... 2. Nachlaßeinheit im deutschen Recht.......................................... III. Vergleich der Anknüpfungsprinzipien........................................... 1. Personale oder reale Anknüpfung?.......................................... a) Fragestellung.................................................................. b) Argumentation im geltenden deutschen und anglo-amerikanischen Kollisionsrecht........................................................ c) Interessen...................................................................... (1) Erblasserinteressen ...................... ....................... ........ (2) Erbeninteressen....... .. ............................... ......... ......... (3) Nachlaßgläubigerinteressen............. .......... .................... (4) Verkehrsinteressen............................................. ......... (5) Situsinteressen ............................................. ....... ....... d) Zwischenergebnis ............................................................ 2. Vorzüge und Nachteile der Anknüpfungsprinzipien in der praktischen Anwendung................................................................ a) Innerer Entscheidungseinklang................................... ......... (1) Allgemeines ............... ............................................... (2) Gültigkeit letztwilliger Verfügungen: Multiple wills im anglo-amerikanischen Recht....... .. .. . . . . . . . . .. . . . .. . . . . . . . .. . . . . . . . (3) Auslegung letztwilliger Verfügungen: Ausnahme vom Grundsatz der Nachlaßspaltung im anglo-amerikanischen Recht....................................................................... (4) Umfang der Nachlaßbeteiligung ..................................... (a) Berechnung von Pflichtteilen und Noterbrechten ........... (b) Folgen der Teilunwirksamkeit letztwilliger Verfügungen: Doctrine of election im anglo-amerikanischen Recht....... (5) Nachlaßabwicklung ..................................................... (6) Zwischenergebnis....................................................... b) Qualifikation von beweglichem und unbeweglichem Vermögen .. (1) Schwierigkeiten der Qualifikation ............ ................... .... (2) Equitable conversion im anglo-amerikanischen Recht .......... c) Anknüpfungsgleichlauf zwischen Erbstatut und Realstatut ..... .... (1) Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Immobiliarnachlasses im deutschen Recht............................................. (2) Bedeutung der Situsregel für die Abwicklung des Immobiliarnachlasses in den U.S.A........................................... d) Durchsetzbarkeitsinteresse ....................... :......................... e) Zusammenfassung ...........................................................

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Inhaltsverzeichnis IV. Durchbrechung der Anknüpfungsprinzipien im Interesse des internationalen Entscheidungseinldanges ................................................ 1. Überblick .......................................................................... 2. Positiver Kompetenzkonflikt................................................... a) Allgemeines ................................................................... b) Vorrang des Einzel- vor dem Gesamtstatut im deutschen IPR..... (1) Materielle Vermögensspaltung ....................................... (2) Kollisionsrechtliche Vermögensspaltung........................... 3. Negativer Kompetenzkonflikt ................................................. a) Allgemeines ................................................................... b) Renvoi im anglo-amerikanischen Kollisionsrecht ..................... (1) England. .... ...... ................. ....... ........... ............. ......... (2) Vereinigte Staaten....................................................... c) Renvoi im deutschen IPR................................................... d) QualifIkationsverweisung .................................................. 4. Zusammenfassung ...............................................................

B. Nachlaßeinheit und NachIaßspaltung in der Haager Erbrechtskonvention bei objektiver Anknüpfung des Erbstatuts .. . . . . . . . . .. . . . . . .. . .. .. ... .. . . . . . . . . . . . . . .. I. Grundsatz der Nachlaßeinheit (Artt. 3 und 7 I) ............................... 11. Ausnahme: Anknüpfung an das Situsrecht für besondere Regelungen der Erbfolge bei bestimmten Vermögensmassen (Art. 15) ................. 1. "Besondere Regelung der Erbfolge" ......................................... 2. "Bestimmte unbewegliche Sachen, Unternehmen oder andere besondere Arten von Vermögen" ............................................... 3. 'Wirtschaftliche, familiäre oder soziale Bestimmung"................... 4. Zwingender Charakter der besonderen Erbfolgeregelung? ............. 5. Zusammenfassung............................................................... III. Ausnahme: Renvoi des zweiten Grades (Art. 4) .............................. C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention......................... I. Parteiinteresse ........................................................................ 11. Situsinteressen ..... ................................................................... III. Innerer Entscheidungseinldang kontra AnknüpfungsgleichIauL.......... IV. Qualif1kationsfragen................................................................. V. Internationaler Entscheidungseinldang .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . ... 1. Rechtslage im Verhältnis zu Vertrags staaten .............................. 2. Rechtslage im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten........................ a) Negativer Kompetenzkonflikt............................................. b) Art. 4 der Erbrechtskonvention........................................... c) Positiver Kompetenzkonflikt............................................... (1) Exkurs: Anerkennung eines deutschen Urteils über Erbfolge in amerikanisches Grundstück........................................ (a) Allgemeines zur Anerkennung ausländischer Urteile im amerikanischen Recht................................. . . . . . . . . . .. . (b) Internationale Zuständigkeit des ausländischen Gerichts: Abgrenzung von "in rem jurisdiction" und "in personam jurisdiction" ......................................................... . (c) Qualifikation der Wirkung des deutschen Urteilsspruches

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Inhaltsverzeichnis (2) Bedeutung für Ratifikation der Haager Erbrechtskonvention durch Deutschland...................................................... VI. Ergebnis................................................................................

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3. Kapitel Rechtswahl des Erblassers A. Ausgangssituation.......................................................................... 240 I. Problemeinführung .................................................................. 240 11. Rechtswahl im geltenden Recht................................................... 241 1. Rechtswahl im deutschen internationalen Erbrecht: Art. 25 11 EGBGB............................................................................. 241 a) Entstehungsgeschichte ...................................................... 241 (1) Rechtslage vor der !PR-Reform...................................... 241 (2) Reformvorschläge der Wissenschaft................................ 242 (3) Referenten- und Regierungsentwurf ................................ 243 b) Funktion........................................................................ 245 c) Reichweite und praktische Bedeutung ................................... 246 2. Rechtswahl im anglo-amerikanischen Erbrecht ........................... 247 a) Rechtswahl im englischen Erbrecht...................................... 247 b) Rechtswahl im Recht der amerikanischen Bundesstaaten........... 249 (1) Restatement, Second, Contlict of Laws ... .............. ........... 249 (2) Einzelstaatliche Gesetzgebung........................................ .249 (a) Wahl der lex fori für lokales Vermögen ...................... 250 (b) § 2-602 Uniform Probate Code.... ............. .......... ...... 252 i) Vorbehalt zugunsten der Angehörigenschutzvorschriften der lex fori .. . . . . . .. ........ .. . . ........ . .. ...... .. . 252 ii) Beschränkung auf Bedeutung und rechtliche Wirkung der testamentarischen Verfügung................... 253 iii) Funktion. . . . . . . . . . .. ... .. . . . . . .. .. ...... .. . . ....... . . . . ...... . . . 256 (c) Rechtslage in den übrigen Bundesstaaten ..................... 256 (3) New Yorker Fallrecht.................................................. 257 (a) In re Estate of Clark ............................................... 257 (b) In re Estate of Renard. ....... ..... ......... ............ ........... 259 (c) Rechtswahl und Angehörigenschutz ........................... 261 ill. Vorzüge und Probleme einer Rechtswahl im internationalen Erbrecht.. 262 1. Dogmatische Grundlagen der Parteiautonomie im Erbrecht............ 263 a) Materiellrechtliche Privatautonomie ..................................... 263 b) Kollisionsrechtliche Anknüpfungsverlegenheit ........................ 265 2. Interessen.......................................................................... 266 a) Erblasserinteressen ................... ~...................................... 266 (1) Rechtssicherheit ......................................................... 266 (2) Kollisionsrechtliche Anwendungsinteressen: Wahl zwischen Staatsangehörigkeitsrecht und Wohnsitzrecht..................... 267 (3) Materiellrechtliche Anwendungsinteressen ........................ 268 (a) Wahl der lex rei sitae.............................................. 268 (b) Wahl des Güterrechtsstatuts...................................... 269 b) Verkehrs-, Ordnungs- und Forumsinteressen ............... ~......... 270 2 Brandi

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Inhaltsverzeichnis c) Nachlaßgläubigerinteressen........... ............................ ......... d) Erbeninteressen............................................................... (1) Überblick.................................................................. (2) Materiellrechtliche Schutzinteressen ................................ (a) Inhalt und Bedeutung im materiellen Recht .................. (b) Bedeutung für das Kollisionsrecht.............................. (3) Kollisionsrechtliche Schutzinteressen ............................... (4) Beschränkung der Rechtswahl ....................................... (a) Wahlmöglichkeit nur zugunsten der lex fori für lokales Nachlaßvermögen .................................................. (b) Vorbehaltsklausel zugunsten der Schutzvorschriften des objektiv anwendbaren Rechts.................................... (c) Beschränkung der Rechtswahl auf bestimmte Rechtsordnungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . .. . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . (5) Rechtswahl und Gesetzesumgehung ................................ (a) Manipulation der Rechtswahlbeschränkung .................. (b) Zulässige Abwahl des objektiv anwendbaren Rechts....... e) Ergebnis........................................................................

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B. Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention .................................... I. Allgemeines........................................................................... 1. Zweck der professio iuris im Rahmen der Haager Erbrechtskonvention. ............................................................................. 2. Überblick über die wählbaren Rechtsordnungen.......................... II. Wahl zwischen Heimatrecht und Aufenthaltsrecht (Art. 5)................. 1. Planungssicherheit. Statutenwechsel und Angehörigenschutz.......... a) Entstehungsgeschichte ................................ :..................... b) Grundsatz: Planungssicherheit trotz Statutenwechsels ............... c) Ausnahme: Vorrang des Angehörigenschutzes der lex fori? ....... (1) Vorbehalt des Art. 24 I c) ............................................. (a) Inhalt und Entstehungsgeschichte............................... (b) Würdigung ...................................... ....... .......... .... (2) Vorbehalt des Art. 24 I d)............................................. (a) Inhalt und Entstehungsgeschichte............................... (b) Auslegungsprobleme .............................................. (c) Würdigung........................................................... 2. Wirksamkeitsvoraussetzungen . . . . . .. . . . .. . . . . . .. . . . ... . .. . . .. . . . . . . . . . . . . . . . III. Wahl der lex rei sitae? .............................................................. 1. Entstehungsgeschichte.......................................................... a) Argumente für die Wahl der lex rei sitae ............................... b) Argumente gegen die Wahl der lex rei sitae ........................... c) Kompromißvorschläge ...................................................... 2. Grundsatz der Nachlaßeinheit (Artt. 5 I und 7 I) ......................... 3. Ausnahme: Materiellrechtliche Verweisung für einzelne Vermögensgegenstände (Art. 6)....................................................... a) Inhalt und Wirksamkeitsvoraussetzungen der Verweisung ......... b) Beispiele und Anwendungsprobleme .................................... (1) Verhältnis von Art. 5 und Art. 6 .................................... (2) Verhältnis von Art. 3 und Art. 6 ......................... ...........

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Inhaltsverzeichnis

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c) Würdigung..................................................................... IV. Rechtswahl in Erbverträgen (Art. 11) ........................................... 1. Wählbare Rechtsordnungen ................................................... 2. Inhaltliche Reichweite der Rechtswahl...................................... a) Abgrenzung von materiellen und formellen Gültigkeitsvoraussetzungen ............................................................. ......... b) Wirkungen und Erlöschensgrfinde des Erbvertrages................. 3. Vorbehalt zugunsten am Vertrag nicht beteiligter Dritter...............

313 315 315 316

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention......................... I. Erblasserinteressen .. .. . . . . . . . . . . . .. . . . . . ... . . . . .. . .. .. . . . . . . . .. ... . . . . . . . .. ... . . . . . . 1. Planungssicherheit für den Erblasser........................................ 2. Kollisionsrechtliche Anwendungsinteressen des Erblassers ............ 3. Materiellrechtliche Anwendungsinteressen des Erblassers ............. a) Koordination von Erbstatut und Ehegüterrechtsstatut................ b) Errichtung von gemeinschaftlichen Testamenten oder Erbverträgen ........................................................................... c) Wahl der lex rei sitae........................................................ 1I. Schutzinteressen der Erben........................................................ 1. Vorrang der zwingenden Normen des Rechts der engen persönlichen Verbundenheit des Erblassers ........................................ 2. Materiellrechtliche Schutzinteressen: Vorbehalt des Art. 24 I d) ..... 3. Kollisionsrechtliche Schutzinteressen: Vorbehalt des Art. 24 I c) .... a) Maßgeblicher Zeitpunkt für Vorliegen der engen Verbindung .... b) Fallbeispiele ................................................................... c) Konsequenzen für die deutsche Ratifikation ........................... 4. Rechtswahl in Erbverträgen .................................................. III. Ergebnis................................................................................

320 320 320 321 323 323

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4. Kapitel NachIaßverteUung und NachIaßabwicklung

A. Anwendungsbereich der Haager Erbrechtskonvention ............................ I. Entstehungsgeschichte.............................................................. 1I. Regelung des Art. 71I und III..................................................... 1. Erbberechtigte Personen, Art und Größe der Nachlaßbeteiligung, testamentarische Auflagen (Art. 7 II a»..................................... 2. Enterbung und Erbunwürdigkeit (Art. 711 b»............................. 3. Ausgleichungspflichten für Vorempfänge (Art. 71I c» ................. 4. Einschränkungen der Testierfreiheit (Art. 7 II d»........................ 5. Materielle Gültigkeit letztwilliger Verfügungen (Art. 71I e» .......... 6. "Grauzone" des Art. 7 III .................. ....................................

337 337 340

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland ............................ I. Problemeinfübrung.................................................................. 1I. Weite oder enge Anwendung der Haager Erbrechtskonvention? ......... 1. Probleme der internationalen Nachlaßabwicklung im geltenden Recht................................................................................

348 348 349

340 343 344 345 345 346

349

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Inhaltsverzeichnis a) Rechtsschutzerschwerung bei Abwicklung von Nachlässen ausländischer Erblasser......................................................... (1) Gleichlauftheorie ........................................................ (2) Ausnahmen ............................................................... b) Anpassungsprobleme zwischen Nachlaßverfahrens- und Nachlaßabwicklungsrecht . . . . . . . . . . . . ..... .... . . . . . . . . . . . . .. . . . . ...... . . . . . . . . . . .. (1) Art der Probleme und Lösungsmethoden .......................... (2) Beispiel: Sache Zannantonio.......................................... c) Internationaler Entscheidungseinklang und Einheit der Nachlaßabwicklung. . .. ... .. . . . . . . . . . . . . . . ........... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..... . . . . . . .. .. (1) Grundsatz ................................................................. (2) Einschränkungen........................................................ d) Zusammenfassung und Überleitung...................................... 2. Konsequenzen einer engen Anwendung der Haager Erbrechtskonvention.............................................................................. a) Fortbestand der alten Rechtsschutz- und Anpassungsprobleme. ... b) Schaffung neuer Anpassungsprobleme .................................. c) Wertungswiderspruche...................................................... d) Ergebnis........................................................................ 3. Konsequenzen einer weiten Anwendung der Haager Erbrechtskonvention . . . .. . ..... . . . . . . . . . . . . . . . . ..... . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .... . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vermehrte Anwendung der lex fori in deutschen Nachlaßverfahren........................................................................... (1) Objektive Ankn1lpfung unter dem Haager Abkommen ......... (2) Subjektive Anknüpfung unter dem Haager Abkommen........ (3) Vorteile einer Lex-fori-Anknüpfung ................................ (a) Allgemeines.......................................................... (b) Vergleich mit Ferids Vorschlag einer funktionellen Nachlaßspaltung . . . . . . . . . . . . . . . ... .. . .. .. . . .. . . . . . . . . . . . . .. .. . . . . . . . (c) Anknüpfung an das Recht des Lebensmittelpunktes des Erblassers....... . . . . . . . . . . . . . . . . ..... . . . .... . . . . . . . . . . . . . ...... . . . . . . b) Verringerter internationaler Entscheidungseinklang mit Heimatstaaten ausländischer Erblasser........................................... (1) Überblick.................................................................. (2) Kollisionsrechtlicher Entscheidungseinklang? .. .... . . . . . . . . . . . . . (3) Verfahrensrechtlicher Entscheidungseinklang? ................... (a) Ausweitung der Zuständigkeit der deutschen Nachlaßgerichte. . . . . . . . . . .......... . . . . . . . . . ... . . . .. . .. .... . . . . . . . . . . . . .. . . . . . (b) Verringerte Anerkennungsaussichten für deutsche Entscheidungen.......................................................... i) Anerkennungsvoraussetzungen nach staatsvertraglichen Regelungen............................................ ü) Anerkennungsvoraussetzungen nach innerstaatlichem Recht der Heimatstaaten........................... (4) Ergebnis................................................................... c) Bewertung nach Interessensgesichtspunkten .......... ................. (1) Überblick........... ... ............ ......................... .......... ..... (2) Privatinteressen.......................................................... (3) Verkehrs- und Ordnungsinteressen..................................

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m.

Inhaltsverzeichnis

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Ergebnis................................................................................

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C. Rechtsstellung des anglo-amerikanischen Erbschaftsabwicklers unter der Haager Erbrechtskonvention ............................................................ I. Einleitung.............................................................................. 1. Fragestellung...................................................................... 2. Überblick über Grundzüge der funktionellen Nachlaßspaltung im anglo-amerikanischen Recht................................................... ll. Anerkennung eines anglo-amerikanischen Erbschaftsverwalters im deutschen Recht...................................................................... 1. Derzeitige Rechtslage........................................................... a) Überblick über den Meinungsstand ...................................... b) Konsequenzen für die Erbscheinspraxis ................................ c) Versteckte Rückverweisung durch das anglo-amerikanische Recht? .......................................................................... 2. Auswirkungen der Haager Erbrechtskonvention.......................... a) Abwicklung des deutschen Mobiliarnachlasses anglo-amerikanischer Erblasser ............................................................... b) Abwicklung des deutschen Immobiliarnachlasses anglo-amerikanischer Erblasser............................................................. (1) Überblick.................................................................. (2) Reichweite der Verfügungsmacht des personal representative hinsichtlich ausländischen Nachlaßvermögens. ................... (a) Mobilien.............................................................. (b) Immobilien.............. .... ................. ............. ........... (3) Konsequenzen für die deutsche Praxis............................. m. Ergebnis................................................................................

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Gesamtergebnis A. Zusammenfassung ........................................................................

404

B. Abschließende Bewertung ...............................................................

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Literaturverzeicbnis

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Anhang

A. Convention on the Law Applicable to Succession to the Estates of Deceased Persons ...................................................................................

B. Convention sur la loi applicable aux successions a cause de mort..............

C. Übereinkommen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht............................................................................

426 432 438

Einleitung A. Einführung in die Fragestellung Während ihrer 16. Tagung im Oktober 1988 hat die Haager Konferenz den Entwurf eines Übereinkommens über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht vereinbart. 1 Dieser Abkommensentwurf stellt das Ergebnis von Vorarbeiten dar, die sich - mit einigen Unterbrechungen - über fast zwei Jahrzehnte hingezogen haben. Zweck dieses Erbrechtsübereinkommens ist es, ein international einheitliches System von Kollisionsnormen zur Feststellung des auf die Erbfolge anwendbaren Rechts einzuführen. Das Hauptthema der vorliegenden Arbeit wird sein, diesen Abkommensentwurf vorzustellen, zu analysieren und zu bewerten. Dabei soll hier jedoch kein erschöpfender Kommentar der Abkommensregelungen geboten werden. Ein solcher Kommentar findet sich bereits in dem sog. "Explanatory Report", der von dem kanadischen Kollisionsrechtler Waters erstellt wurde und der in den Materialien zum Erbrechtsübereinkommen abgedruckt ist. 2 Waters war von der für die Abkommensausarbeitung zuständigen Zweiten Kommission der 16. Haager Konferenz zum Berichterstatter gewählt worden. Die gleiche Funktion hatte Waters zuvor auch schon in der Spezialkommission innegehabt, die zunächst einen vorläufigen Abkommensentwurf erstellt hatte. 3 Hierzu hatte Waters den "Report of the Special Commission" verfaßt4 , der ebenfalls als ergänzende Informationsquelle zum 1 Siehe Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 514 ff. Der englische und französische Abkommenstext ist auch im Anhang der vorliegenden Arbeit abgedruckt. Dort ist auch die vom Bundesjustizministerium erstellte deutsche Abkommensübersetzung wiedergegeben. 2 Siehe Waters, Explanatory Report, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 526 ff. (nachfolgend zitiert als: Waters, Explanatory Report). 3 Siehe "Preliminary draft Convention on the law applicable to succession to the estates of deceased persons, adopted by the Special Commission on 8 October 1987", Preliminary Document No 12 of March 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 232 ff. 4 Auch dieser ist in dem Materialienband zum Erbrechtsabkommen abgedruckt; siehe Waters, Report of the Special Commission, Preliminary Document No. 12 of March 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 238 ff. (nachfolgend zitiert als: Waters, Report of the Special Commission).

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Einleitung

Erbrechtsabkommen herangezogen werden kann. Der Inhalt dieser beiden Berichte ist von den Konferenzteilnehmem zwar nicht nachträglich autorisiert worden. Gleichwohl besitzen sie den Vorzug der besonderen Authenzität. Außerdem geben sie umfassend Auskunft über Entstehungsgeschichte, Inhalt und Zweck aller Einzelvorschriften der Haager Erbrechtskonvention.

Im Unterschied hierzu wird die vorliegende Arbeit lediglich die zentralen Bestimmungen des Konventionsentwurfs herausgreifen. Diese sollen dafür in einem größeren rechtsvergleichenden Zusammenhang besprochen werden. Für diesen Rechtsvergleich werden hier das deutsche IPR und das anglo-amerikanische Kollisionsrecht herangezogen, wobei innerhalb des angelsächsischen Rechtskreises das Schwergewicht auf das englische und U.S.-amerikanische Recht gelegt wird. Diese Auswahl rechtfertigt sich dadurch, daß die Diskussionen auf der Haager Konferenz zur Ausarbeitung der Erbrechtskonvention hauptsächlich durch den Interessensgegensatz zwischen den kontinentaleuropäischen und angelsächsischen Staaten geprägt wurden. Da das internationale Erbrecht hier wie dort auf eine teilweise mehrere Jahrhunderte alte Tradition zurückschauen kann, haben sich innerhalb der Mitgliedsstaaten der beiden obigen Rechtskreise insoweit sehr unterschiedliche Anknüpfungssysteme entwickelt. Darüber hinaus ist man aufgrund der Traditionsgebundenheit dieser Materie in den nationalen Rechtsordnungen nur selten dazu bereit, auf liebgewonnene Rechtsgrundsätze zu verzichten. Beides hat die Arbeit der 16. Haager Konferenz erheblich erschwert. Daher soll der Zweck des Rechtsvergleichs in der vorliegenden Arbeit zum einen sein, einen plastischeren Eindruck von den Schwierigkeiten zu vermitteln, mit denen die 16. Haager Konferenz bei der Abkommensausarbeitung konfrontiert war. Darüber hinaus soll die rechtsvergleichende Methode hier dazu dienen, diejenigen Fragestellungen und Wertungsgesichtspunkte herauszuarbeiten, anband derer die Regelungen des Haager Abkommens analysiert und bewertet werden sollen. Der Aufbau der vorliegenden Arbeit wird sich dabei hauptsächlich an den vier zentralen Themen orientieren, welche im Mittelpunkt der Diskussionen auf der Haager Konferenz standen. Diese lassen sich wiederum auf die vier wichtigsten Unterschiede der erbrechtlichen Systeme innerhalb der dort vertretenen Staaten zurückführen, d.i.: 1. Staatsangehörigkeitsprinzip oder Anknüpfung an das Wohnsitz- bzw. Domizilrecht; 2. Nachlaßeinheit oder Nachlaß spaltung (d.h. Einheit des anwendbaren Rechts oder Sonderanknüpfung des Immobiliarvermögens); 3. projessio iuris oder fehlende Möglichkeit einer Rechtswahl; 4. unterschiedliches Verständnis darüber, was als "Erbrecht" im

A. Einführung in die Fragestellung

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Sinne des materiellen Rechts bzw. als "Erbstatut" im kollisionsrechtlichen Sinne anzusehen ist. 5 Diesen vier Fragestellungen entsprechend sollen auch in der vorliegenden Arbeit folgende vier Themenschwerpunkte behandelt werden: Das erste Kapitel wird die zentrale Vorschrift des Haager Abkommens zur objektiven Anknüpfung des Erbstatuts zum Gegenstand haben, deren Ausarbeitung entscheidend von dem Konflikt zwischen dem Staatsangehörigkeitsprinzip und dem Domizilprinzip geprägt war. Dafür sollen im ersten Kapitel zunächst diese beiden Anknüpfungssysteme anband des Beispiels des deutschen und anglo-amerikanischen Kollisionsrechts miteinander verglichen werden. Anschließend wird die entsprechende Vorschrift des Haager Abkommens analysiert und bewertet. Danach wird sich das zweite Kapitel dem Streit zwischen der Nachlaßeinheit und der Nachlaßspaltung widmen. Wiederum sollen hier zunächst beide Anknüpfungsprinzipien anband des deutschen und anglo-amerikanischen Rechts verglichen werden. Daran anschließend wird untersucht, welche Position die Haager Erbrechtskonvention in dieser Auseinandersetzung einnimmt. Thema des dritten Kapitels wird die Frage nach der Zulässigkeit bzw. nach den Vor- und Nachteilen einer Rechtswahl im Erbrecht sein. Hier stehen sich das deutsche und anglo-amerikanische Recht zwar weniger konträr gegenüber als bei den beiden vorangegangenen Themen. Gleichwohl bieten die nationalen Kollisionsrechte auch insoweit vielfältiges Anschauungsmaterial. Darauf aufbauend sollen wiederum die entsprechenden Regelungen des Haager Erbrechtsabkommens besprochen und bewertet werden. Etwas anders ist dagegen die Vorgehensweise im vierten Kapitel dieser Arbeit. Dieses wird zunächst den sachlichen Anwendungsbereich des Haager Abkommens analysieren. Danach wird es sich damit beschäftigen, welche Konsequenzen ein deutscher Abkommensbeitritt speziell für die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung aus Sicht der deutschen internationalen Erbrechtspraxis hätte.

5 Siehe die Zusammenstellung bei van Loon, MittRhNotK 1989, 10 f.

26

Einleitung

B. Die Haager Erbrechtskonvention von 1989 Bevor mit dem ersten Kapitel begonnen wird, soll an dieser Stelle jedoch zunächst etwas zu der Entstehungsgeschichte der Haager Erbrechtskonvention, zu ihrem Aufbau und inhaltlichen Kernpunkten sowie zu ihrem bisherigen Erfolg unter den Mitgliedsstaaten der Haager Konferenz gesagt werden.

I. Vorgeschichte und Entstehung Die Haager Konferenz hatte sich erstmals bereits in den Jahren 1904 und 1928 mit dem internationalen Erbrecht befaßt. Die beiden damals erarbeiteten Konventionsentwürfe sind allerdings nie in Kraft getreten. 1 Der Entwurf von 1904 war zwar noch von einigen Staaten gezeichnet worden. Derjenige von 1928 ist dagegen gänzlich erfolglos geblieben. Vor allem letzterer Konventionsentwurf hatte darunter gelitten, daß man damals darum bemüht war, zu vieles gleichzeitig zu tun, nämlich sowohl das auf die Erbfolge anwendbare Recht als auch die gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen zu vereinheitlichen. 2 Ein weiterer Versuch der Haager Konferenz, die Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des internationalen Erbrechts voranzutreiben, litt hingegen darunter, lediglich einen zu kleinen Ausschnitt aus diesem Sachbereich regeln zu wollen. Hierbei handelt es sich um das Haager Übereinkommen über die internationale Nachlaßverwaltung vom 2.10.1973. Dieses Abkommen hatte sich nämlich lediglich zum Ziel gesetzt, ein einheitliches internationales Zertifikat zu schaffen, das die Erben oder den Erbschaftsverwalter im Ausland bei der Vornahme von Handlungen zur Nachlaßabwicklung legitimieren würde. 3 Dagegen ließ es völlig offen, welches Recht darüber bestimmen soll, 'wer was und wie aus dem Nachlaß erhält' .4 Daher ist auch dieses Übereinkommen weitgehend erfolglos geblieben. 5 Außerdem konnte es lange Zeit nicht in Kraft treten, da nach dem Beitritt Portugals und der Tschechoslowakei zu1 Siehe zu diesen Entwürfen von Overbeck, Recueil des Cours 104 (1961 III), 530 ff., 554, sowie die Abkommenstexte ebd., 623 und 625. 2 Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 249 f.; van Loon, MittRhNotK 1989, 10. 3 Siehe zu diesem Übereinkommen u.a. Kegel, IPR, 673 f.; Lipstein, RabelsZ 39 (1975),37 ff.; Pirsching, PS Wengier, Bd. 11,321 ff.; Berenbrok, 159 ff. 4 van Loon, MittRhNotK 1989, 10. S In der deutschen Literatur ist das Nachlaßverwaltungsübereinkommen praktisch einmütig abgelehnt worden; siehe z.B. Kegel, IPR, ebd.; Pirsching, PS Wengler, ebd.; Berenbrok, ebd.

B. Die Haager Erbrechtskonvention von 1989

27

nächst noch die hierfür erforderliche Ratifikation eines dritten Staates fehlte. Erst dadurch, daß sich die Tschechoslowakei vor einigen Jahren in die beiden Nachfolgestaaten der Slowakei und der Tschechischen Republik spaltete, von denen bislang keiner das Abkommen gekündigt hat, ist das Nachlaßverwaltungsabkommen schließlich am 1.7.1993 wirksam geworden. 6 Wesentlich mehr Erfolg war dagegen einem anderen Haager Übereinkommen beschieden, welches ebenfalls nur einen Teilausschnitt aus dem internationalen Erbrecht regelt, nämlich das Haager Abkommen vom 5.10.1961 über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht. 7 Dieses Abkommen ist mittlerweile von 34 Staaten - einschließlich der Bundesrepublik Deutschland - ratifiziert worden. 8 Auf seiner Grundlage beruhen auch die entsprechenden Regelungen der Art. 26 I-III EGBGB. Während ihrer 15. Tagung im Jahre 1984 hatte die Haager Konferenz schließlich beschlossen, erneut das Projekt einer umfassenden Konvention über das auf die Erbfolge anzuwendende Recht auf ihre Tagesordnung zu nehmen. 9 Ausgangspunkt ihrer Vorarbeiten war dabei ein Fragenkatalog mit Kommentar, welcher von Droz bereits zur Vorbereitung des Haager Nachlaßverwaltungsabkommens von 1973 ausgearbeitet worden war10 , sowie die hierauf eingegangenen Antworten der Mitgliedstaaten der Haager Konferenz. 11 Dieser Kommentar wurde von van Loon aktualisiert. 12 Außerdem wurden hierzu erneut Stellungnahmen von den Mitgliedstaaten der Haager Konferenz eingeholt. 13

6 Siehe "Conference de La Haye de droit international prive. Nouvelles conventions (1951-1993). Etat des signatures et des ratifications au ler mars 1994", Rev. crit. dr. internat. prive 83 (1994), 216. 7 Siehe hierzu u.a. Kegel, IPR, 656 f.; von Overbeck, SchwJbIntR XIV (1958), 215 ff. S Siehe zum Stand von März 1994: Rev.crit.dr.internat.prive 83 (1994), 204 f. 9 Proceedings of the Fifteenth Session (1984), Bd. I, 33, B 1. 10 Siehe Droz, "Questionnaire sur le droit international prive des successions" und "Commentaire du Questionnaire sur le droit international prive des successions", in: Actes et Documents (1972), Twelfth Session, Bd. 11, Administration of estates, 11.-27 ff. und 11-34 ff., neu abgedruckt in: Proceedings of the Sixteenth Session, 10 ff. U Siehe "Replies of the Governments to the Questionnaire", Document of MayJune 1970, in: Actes et documents (1972), Twelfth Session, Bd. 11, Administration of estates, 11-67 ff.; neu abgedruckt in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd.lI, 53 ff. 12 Siehe van Loon, Commentary, 106 ff. 13 Siehe "Additional Replies of Governments to the Questionnaire", Preliminary Document No 3 of November 1986, in: Proceedings of the Sixteenth Session, 162 ff.

28

Einleitung

Auf der Grundlage dieser Vorarbeiten wurde eine Spezialkommission gebildet, die sich zu insgesamt drei Sitzungen im November 1986, im März!April 1987 und September/Oktober 1987 traf. 14 Die Spezialkommission, in der Delegationen von 27 Staaten vertreten waren, erarbeitete einen vorläufigen Konventionsentwurf. 15 Dieser wurde daraufhin von der Zweiten Kommission der 16. Haager Konferenz überarbeitet. Diese tagte vom 3. bis 20. Oktober 1988. In dieser Zweiten Kommission waren 31 Staaten vertreten. 16 Der endgültige Konventionsentwurf wurde dann auf der Vollversammlung vom 19. Oktober 1988 beschlossen.1 7 Er trägt heute das Datum des 1. August 1989 und damit des Tages, an welchem die Schweiz als erster Staat den Abkommenstext gezeichnet hat. 18

11. Autbau und inhaltliche Kernpunkte 1. Anwendungsbereich Das Übereinkommen ist insgesamt in fünf Kapitel unterteilt. Das erste Kapitel regelt den inhaltlichen und räumlichen Anwendungsbereich des Abkommens. Inhaltlich bestimmt dieses Übereinkommen das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht (Art. 11).19 Es enthält keine Regelungen zur gerichtlichen Zuständigkeit oder zur Anerkennung ausländischer Entscheidungen. Obwohl diese beiden Punkte in ihrer praktischen Bedeutung eng mit der Frage des anzuwendenden Rechts verknüpft sind, hatte man es angesichts der oben beschriebenen Erfahrungen aus der Anfangszeit der Haager Konferenz vorgezogen, sie nicht mit in den Regelungsbereich dieser Konvention einzuschließen. Damit sollte vermieden werden, daß die

14 Waters, Explanatory Report, § 3. 15 Siehe "Preliminary draft Convention on the law applicable to succession to the

estates of deceased persons, adopted by the Special Commission on 8 October 1987", Preliminary Document No 12 of March 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 232 ff. 16 Die Bundesrepublik Deutschland wurde in beiden Kommissionen durch Ministerialrat Pirrung aus dem Bundesjustizministerium vertreten. Siehe zu den Mitgliedern der Zweiten Kommission im übrigen die Aufstellung in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 306 ff. 17 Waters, Explanatory Report, §§ 6-10. 18 von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 138. 19 Artikel ohne Gesetzesangabe beziehen sich im folgenden auf die Vorschriften der Haager Erbrechtskonvention von 1989.

B. Die Haager Erbrechtskonvention von 1989

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ohnehin schon komplizierte Aufgabe, ein allseits akzeptables System einheitlicher Kollisionsnormen zu flnden, noch weiter erschwert würde. 20 Ferner gilt das Abkommen nicht für Fragen des ehelichen Güterrechts (Art. 1 11 C»21 und nicht für lebzeitige Verfügungen, durch die Rechte begründet werden, die in der Person des Begünstigten erst mit dem Tod des Verfügenden wirksam werden sollen (Art. 1 11 d».22 Darüber hinaus sind aus dem Anwendungsbereich des Abkommens zwei Sachbereiche ausgeschlossen, die eigentlich dem internationalen Erbrecht zuzurechnen sind, nämlich die Form letztwilliger Verfügungen (Art. I 11 a»23 und die Testierfähigkeit (Art. 1 11 b».24

20 Waters, Explanatory Report, § 23; van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 49. 21 Zwar wurde auf der Haager Konferenz ausführlich über die Probleme diskutiert, die sich daraus ergeben können, daß die Vermögensbeteiligung des überlebenden Ehegatten in vielen Rechtsordnungen auf güterrechtlichem, in vielen anderen dagegen auf erbrechtlichem Wege geregelt ist. Jedoch konnten die Delegierten keine Einigung darüber erzielen, ob und wie mit diesen Fragen innerhalb des Haager Abkommens verfahren werden soll. Daher wurde dieser Punkt schließlich gänzlich aus dem Anwendungsbereich des Abkommens herausgenommen (Waters, Explanatory Report, § 45). 22 Die deutsche Übersetzung dieser Vorschrift lautet (deutscher Text aus der Übersetzung des Abkommens durch das Bundesjustizministerium): "Das Übereinkommen ist nicht anzuwenden auf ... d) nicht im Rahmen des Erbrechts geschaffene oder übertragene Rechte und Güter, wie Gemeinschaftseigentum mehrerer Personen mit Übergang auf den Überlebenden, Rentenpläne, Versicherungsverträge und ähnliche Vereinbarungen". Diese Bestimmung wurde auf Drängen der anglo-amerikanischen Staaten eingefügt. Sie wollten sichergestellt wissen, daß durch die Regelungen des Abkommens zu Erbverträgen (vgl. Art. 8 bis Art. 12) nicht auch die sog. "will substitutes" erfaßt werden, die in der Praxis der Common Law Staaten mittlerweile eine erhebliche Rolle spielen. Hierbei handelt es sich um vertragliche Verfügungsformen, in denen schon zu Lebzeiten des Erblassers wirksam Rechte zugunsten des Begünstigten begründet werden, auch wenn der Begünstigte erst mit dem Tod des Verfügenden vollständig in dessen Rechtsposition eintritt. Beispiele dafür sind u.a. Lebensversicherungsverträge und die sog. "joint tenancy" (Waters, Explanatory Report, § 46). 23 Diese Materie wurde ausgeschlossen, weil hierzu bereits das Haager Testamentsformabkommen von 1961 existiert (Waters, Explanatory Report, § 41). 24 Die Testierfähigkeit wurde ausgeschlossen, da sich die Delegierten auf der Haager Konferenz nicht dazu in der Lage sahen, diese in einer für alle Teilnehmerstaaten akzeptablen Weise von der allgemeinen Geschäftsfähigkeit abzugrenzen (Waters, Explanatory Report, § 42; van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 51). .

30

Einleitung

Eine weitere wichtige Bestimmung zur inhaltlichen Reichweite des Abkommens fmdet sich in dessem zweiten Kapitel in den Art. 711 und Art. 7 III. Darin ist geregelt, daß sich der zwingende Anwendungsbereich des Erbrechtsabkommen nur auf die in Art. 7 11 a) bis e) aufgezählten Fragen der Nachlaßverteilung erstreckt. Hinsichtlich der darin nicht ausdrücklich genannten Sachbereiche wird es dagegen gemäß Art. 7 III in das Belieben eines jeden Vertragsstaates gestellt, ob er die Vorschriften des Übereinkommens auch insoweit anwenden möchte. 25 Dies hat zur Konsequenz, daß insbesondere der gesamte Komplex der Nachlaßabwicklung nicht in den zwingenden Anwendungsbereich des Abkommens fällt. Diese Regelung ist entscheidend geprägt von dem unterschiedlichen Verständnis innerhalb der kontinentaleuropäischen und anglo-amerikanischen Staaten darüber, was Bestandteil des "Erbrechts" bzw. des "Erbstatuts" ist. Auf die Gründe für diese Regelung und auf ihre Folgen wird im vierten Kapitel der vorliegenden Arbeit noch ausführlicher einzugehen sein. . Der räumliche Anwendungsbereich des Abkommens ist in Art. 2 geregelt. Dieser bestimmt, daß die Vorschriften des Übereinkommens für seine Mitgliedsstaaten auch dann gelten, wenn durch sie auf das Recht eines Nichtvertragsstaates verwiesen wird. Damit ist dieses Übereinkommen - wie auch die meisten anderen Haager Konventionen - als "loi unijonne" konzipiert. 26

2. Anwendbares Recht Das zweite Kapitel des Abkommens enthält dessen wichtigste Anknüpfungsnormen. Diese werden im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stehen: Art. 3 stellt die zentrale Kollisionsnorm des Übereinkommens dar und regelt das objektiv - d.h. mangels einer Rechtswahl - anwendbare Recht. Danach wird die Erbfolge in erster Linie an das Recht desjenigen Staates angeknüpft, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, soweit er diesem Staat beim Erbfall auch angehörte (Art. 3 I). Sollte dies nicht der Fall sein, beurteilt sich die Erbfolge auch dann nach dem Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes, wenn sich der Erblasser zumindest während der letzten fünf Jahre unmittelbar vor seinem Tod dort aufgehalten hat. Bei "offensichtlich engerer Verbindung" zum Heimatstaat ist "unter besonderen Umständen" jedoch dessen Recht maßgeblich (Art. 3 11). In allen anderen Fällen erfolgt eine Anknüpfung an das Recht der Staatsangehörigkeit bzw. an das Recht des Staates, zu dem der Erblasser eine 25 Waters, Explanatory Report, § 7.4. 26

Vgl. von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989),143.

B. Die Haager Erbrechtskonvention von 1989

31

noch "engere Verbindung" hatte (Art. 3 III). Ergänzend zu Art. 3 regelt die Vorschrift des Art. 4 einen Sonderfall des renvoi. Art. 5 enthält die bedeutsamste Rechtswahlbestimmung des Abkommens. Darin wird dem Erblasser gestattet, entweder das Heimatrecht oder das Recht am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltes - beides jeweils im Zeitpunkt der Rechtswahl oder des Todes - zu wählen (Art. 5 I). Diese Vorschrift wird wiederum ergänzt durch Art. 6, der eine materiellrechtliche Verweisung zugunsten anderer als der in Art. 5 I genannten RechtsordnUngen erlaubt. In Art. 7 I schließlich ist das die gesamte Konvention beherrschende Prinzip der Nachlaßeinheit verankert.

3. Erbverträge Die Artt. 8 bis 12 des dritten Kapitels enthalten besondere Anknüpfungsregeln zur Bestimmung des auf die vertragliche Erbfolge anzuwendenden Rechts. Art. 8 deftniert zunächst den Begriff des "Erbvertrags"27 für die Zwecke dieses Übereinkommens. Danach handelt es sich hierbei um "eine Vereinbarung, die schriftlich getroffen wird oder sich aus gegenseitigen Testamenten ergibt und die mit oder ohne Gegenleistung Rechte auf den künftigen Nachlaß einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. "28

Unter diese Defmition fallen vor allem der Erbvertrag und das gemeinschaftliche Testament des deutschen Erbrechts. 29 Derartige vertragliche bzw. gemeinschaftliche Verfügungsformen sind jedoch nicht in allen Rechtsordnungen bekannt. So sind sie z.B. in vielen romanischen Rechten verboten. Auch im anglo-amerikanischen Recht spielen sie nur eine geringe Rolle. 3o Gleichwohl waren die Delegierten der Haager Konferenz der Auffassung, daß das Abkommen auch für diese Verfügungsformen Regelungen zum anwendbaren Recht treffen sollte. 31

27 "Pacte successoral" in der französischen bzw. "agreement as to succession" in der englischen authentischen Textfassung des Abkommens. 28 Deutscher Text aus der Übersetzung der Schlußakte der 16. Haager Konferenz durch das Bundesjustizministerium. 29 Waters, Explanatory Report, § 91. 30 van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 56. Siehe hierzu ausführlich "Contracts of succession. Note drawn up by the Permanent Bureau", Preliminary Document No 11 of August 1987, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 223 ff. 31 Waters, Explanatory Report, § 28.

32

Einleitung

Die Artt. 9 bis 11 enthalten hierfür die entsprechenden Anknüpfungsregeln. Art. 9 gilt für solche Erbverträge, die nur den Nachlaß einer Person betreffen. Art. 10 betrifft den Fall, daß in dem Erbvertrag Regelungen zu den Nachlässen zweier Personen getroffen werden. Dabei besteht der wesentliche Regelungsinhalt von Art. 9 und Art. 10 darin, die allgemeinen Anknüpfungsregeln des Art. 3 und des Art. 5 auf die besondere Situation dieser vertraglichen Verfügungsformen hin zu modifizieren. Art. 11 gestattet zusätzlich dazu auch eine eigenständige Rechtswahl für die materielle Gültigkeit, die Wirkungen und Erlöschensgründe des Erbvertrages. 4. Allgemeine Regelungen Kapitel 4 und 5 des Übereinkommens enthalten ergänzende allgemeine Bestimmungen zu den vorangegangenen Kapiteln sowie die in Haager Konventionen üblichen Schlußklauseln. So regelt z.B. Art. 14 die Abgrenzung zwischen dem Erbstatut und dem Recht des anglo-amerikanischen "trust".32 Art. 15 enthält eine Vorbehaltsklausel vom Prinzip der Nachlaßeinheit zugunsten bestimmter materiell rechtlicher Sonderstatute. Art. 17 bestimmt, daß die Verweisungen des Abkommens vom Grundsatz her Sachnormverweisungen sind. Art. 19 und Art. 20 ergänzen die Anknüpfungsnormen des zweiten und dritten Kapitels im Falle der Verweisung auf Staaten mit lokaler oder personaler Rechtspaltung. Art. 24 gestattet den Vertragsstaaten, bei Ratifikation des Abkommens bestimmte Vorbehalte zu erklären, wodurch die Anwendung der Abkommensnormen in gewissen Punkten modifiziert werden. Art. 28 I schließlich bestimmt, daß das Abkommen erst dann in Kraft tritt, wenn es von drei Staaten ratifiziert worden ist.

III. Bisheriger Zeichnungs- und RatiflZierungsstand Bislang ist die Haager Erbrechtskonvention noch nicht in Kraft getreten. 33 Darüber hinaus ist ihr auch im übrigen bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur ein relativ geringer Erfolg beschieden gewesen:

32 Mit dieser Regelung soll auch der Anwendungsbereich der Erbrechtskonvention gegenüber .dem Haager Trustabkommen vom 1.7.1985 abgegrenzt werden (von Overbeck, SchwIbIntR XLVI (1989), 150); siehe zum Haager Trustabkommen u.a. Hayton, International and Comparative Law Quarterly 36 (1987), 260 ff.; Gaillard & Trautman, American Iournal of Comparative Law 35 (1987), 307 ff. 33 Siehe Rev.crit.dr.internat.prive 83 (1994), 225.

B. Die Haager Erbrechtskonvention von 1989

33

So ist das Haager Erbrechtsabkommen bisher erst von drei Staaten gezeichnet worden. Hierbei handelt es sich um die Schweiz, die Niederlande und Argentinien. 34 Davon hat bis jetzt nur die Niederlande das Ratifizierungsverfahren eingeleitet. 3S Diese will die Regelungen des Haager Abkommens unabhängig davon in das eigene Kollisionsrecht übernehmen, ob die erforderliche Gesamtzahl von drei Ratifikationen für das Inkrafttreten des Abkommens zusammenkommt. 36 Bemerkenswert ist bei dem niederländischen Gesetzentwurf dabei vor allem, daß die niederländische Regierung das Haager Erbrechtsabkommen lediglich für dessen zwingenden Anwendungsbereich LS.d. Art. 7 II - d.h. lediglich für die Nachlaßverteilung - in Kraft zu setzen beabsichtigt. 37 Dagegen enthält der Gesetzentwurf eigene - einseitige - Kollisionsnormen, die das auf die Nachlaßabwicklung anwendbare Recht regeln. Insoweit soll nach dem Gesetzesvorhaben in der Regel niederländisches Recht anwendbar sein, wenn der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in den Niederlanden hatte. 38

In Deutschland waren die Reaktionen auf das Haager Erbrechtsabkommen bislang recht gemischt, wobei das Übergewicht bei den ablehnenden Stellungnahmen lag. So hat sich insbesondere der Deutsche Rat für IPR sehr zurückhaltend zum Abkommen geäußert. 39 Auch aus Sicht des Bundesjustizministeriums kommt ein deutscher Abkommensbeitritt vorerst nicht in Betracht. 40 In der Literatur schließlich fmden sich sowohl ablehnende41 als auch Ebd. 3S Siehe den entsprechenden Gesetzentwurf und die Gesetzgebungsbegründung in: "Regeling van het conflictenrecht inzake de erfopvolging alsmede de vereffening en de verdeling van de nalatenschap, mede in verband met de bekrachtiging van het op 1 augustus 1989 te 's-Gravenhage tot stand gekomen Verdrag inzake het recht dat van toepassing is op erfopvolging (Trb. 1994, 49) (Wet conflictenrecht erfopvolging)" vom 5. September 1994, in: Tweede Karner der Staten Generaal 2, 23857, Vergaderjaar 1993-1994, Nr. 1-3. 36 Siehe die Gesetzesbegründung zum niederländischen Ratifikationsgesetz, in: Tweede Karner der Staten Generaal2, 23857, Vergaderjaar 1993-1994, Nr. 3, S. 1. Das niederländische internationale Erbrecht ist bislang - ebenso wie das meiste übrige niederländische IPR - nicht kodifiziert gewesen; siehe zum geltenden Recht ausführlich Ebke, RabelsZ 48 (1984), 319 ff. 37 Siehe Art. 1 des obigen Gesetzentwurfs. 38 Siehe Art. 4 und Art. 5 des obigen Gesetzentwurfs. 39 Vgl. die Stellungnahme zum ersten Vorentwurf des Haager Abkommens vom April 1987, in: Deutscher Rat für Internationales Privatrecht, Protokoll über die Sitzung vom 4.9.1987, S.3 ff.; sowie die Stellungnahme zum zweiten Vorentwurf vom Oktober 1987 in dem Protokoll über die Sitzung des Deutschen Rats für IPR im Juli 1988, S. 71 ff. 40 Schreiben vom 28.2.1989 an die Landesjustizverwaltungen, S. 3. 41 Kunz, ZRP 1990, 212; Ebenroth, Rz. 1227; v. Bar, Bd. 2, Rz. 355. 34

3 Brandi

34

Einleitung

befürwortende42 Äußerungen. Hierbei stützen sich die ablehnenden Stellungnahmen vor allem darauf, daß die Kernpunkte des Haager Abkommens im Widerspruch zu den Ergebnissen der gerade erst erfolgten deutschen IPRReform stünden. 43 Die Befürworter begrüßen dagegen, daß das Abkommen einige derjenigen Forderungen umsetzt, die von ihnen - ohne Erfolg - schon im Verlaufe der IPR-Reform vertreten worden waren. 44 Überwiegend positive Stellungnahmen liegen aus den Staaten des angloamerikanischen Rechtskreises vor. So hat sich z.B. die gemeinsame britischschottische Law Reform Commission eher befürwortend geäußert. 45 Die Law Reform Commission der Republik Irland hat sogar ein klares Votum zugunsten einer RatifIkation abgegeben. 46 Darüber hinaus hat das Advisory Committee on Private International Law beim United States Secretary of State auch für die U.S.A. einen Abkommensbeitritt empfohlen. 47 Im Gegensatz zu diesen wohlwollenden offiziellen Stellungnahmen waren die Reaktionen in der kollisionsrechtlichen Literatur dieser Staaten jedoch eher gemischt. 48

Kropholler, 372; Basedow/Diehl-Leistner, 41. Kunz, ZRP 1990, 214; Ebenroth, ebd. 44 Vgl. Kropholler, ebd.; BasedowlDiehl-Leistner, ebd. 45 United Kingdom, Consultation Paper, 11 - 14. 46 Ireland, Report, 104. 47 Dieser Beschluß wurde auf der Sitzung des Advisory Committee vom 11.12. 1992 gefaßt (Schreiben von Scoles, dem Vertreter der U.S.A. auf der 16. Haager Konferenz, vom 22.3.1993 an den Verfasser). 48 Ablehnend aus britischer Sicht z.B. North, Recueil des Cours 220 (1990 1), 282; ders., Private International Law Problems, 205. Eher zurückhaltend aus schottischer Sicht auch Robertson, Journal of the Law Society of Scotland 1989, 380. Befürwortend für die U.S.A. Franlcel, N.Y.L. Sch. J. Int'l & Comp. L. 12 (1991), 177 ff.; Gutierrez, Sept./Okt. 1991, 20 ff. Ablehnend dagegen Pedowitz, Probate & Property, Sept./Okt. 1991,21 ff. Vehement ablehnend (dabei aber das Abkommen leider teilweise mißverstehend) auch Schoenblum, Va. J. Int'l. L. 32 (1991),83 ff. 42 43

1. Kapitel

Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip? A. Ausgangssituation I. Problemeinführung Die zentrale Aufgabe, die sich den Teilnehmern der 16. Haager Konferenz stellte, war, ein für alle beteiligten Staaten akzeptables Kriterium für die objektive Anknüpfung des Erbstatuts zu finden. Diese Aufgabe stellte sich wie zu erwarten - als ausgesprochen schwierig dar. Denn die Konferenzteilnehmer mußten sich hier mit einer Problematik: auseinandersetzen, die das internationale Privatrecht auch außerhalb des Bereichs des Erbrechts bereits seit vielen Jahrzehnten beschäftigt: d.i. der Konflikt zwischen dem Staatsangehörigkeitsprinzip und dem Domizilprinzip. Diese beiden Anknüpfungsprinzipien sind in den jeweiligen nationalen Rechtsordnungen in der Regel schon seit langem fest verankert. 1 Manche Staaten, wie z.B. die Common Law Länder, blicken hier sogar auf eine bereits mehrere Jahrhunderte währende Rechtstradition zurück. Dementsprechend groß waren daher auch die Widerstände, die es zu überwinden galt, um die einzelnen Staatenvertreter auf der Haager Konferenz zu einem Verzicht auf althergebrachte Rechtsgrundsätze zu bewegen und um eine allseits akzeptable Kompromißlösung zu finden. Dieser Kompromißvorschlag für die objektive Anknüpfung des Erbstatuts, wie er von der 16. Haager Konferenz erarbeitet wurde, wird im Mittelpunkt des folgenden Kapitels stehen. Er soll hier ausführlich dahingehend analysiert und bewertet werden, inwieweit er für die deutsche Rechtspraxis in Fällen mit Auslandsberührung ein sinnvolles Kriterium zur Bestimmung des auf die Erbfolge anwendbaren Rechts darstellen würde. Um die Vor- und Nachteile des objektiven Anknüpfungskriteriums der Haager Konvention besser würdigen zu können, ist es allerdings erforderlich, vorher einen näheren Blick auf die derzeit geltende Rechtslage zu werfen. Diese wird, wie bereits oben erwähnt, vom Konflikt zwischen dem Staatsangehörigkeits- und dem Domizilprinzip 1 Ein umfassender - mittlelWeile aber etwas überholter - Überblick zur weltweiten Verbreitung des Staatsangehörigkeitsprinzips und des Domizilprinzips fmdet sich bei Bucher, SchwJblntR XXVIII (1972), 76 ff. 3·

36

1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

geprägt. Diese beiden Anknüpfungsprinzipien sollen daher im folgenden zunächst miteinander verglichen werden. Dabei werden das deutsche IPR als Beispiel für das Staatsangehörigkeitsprinzip und das anglo-amerikanische Kollisionsrecht als Beispiel für das Domizilprinzip herangezogen. Im einzelnen werden für diesen Vergleich zunächst die Grundlagen und die historische Entwicklung beider Anknüpfungsprinzipien skizziert. Danach sollen ihrer beider Vorzüge und Nachteile gegenüber gestellt werden. Abschließend ist zu besprechen, inwieweit es bislang gelungen ist, den Konflikt beider Anknüpfungsprinzipien im Wege nationalen Kollisionsrechts mit Hilfe des renvoi zu lösen. Wenn in diesem Kapitel dabei im Hinblick auf die objektive Anknüpfung des Erbstatuts allein auf den Konflikt zwischen dem Staatsangehörigkeits- und dem Domizilprinzip eingegangen wird, muß berücksichtigt werden, daß diese Gegenüberstellung an sich vereinfachend wirkt. Denn dieser Konflikt wird begleitet von der Auseinandersetzung zwischen den Anknüpfungsprinzipien der Nachlaßeinheit und der Nachlaßspaltung. Die Mehrzahl der Staaten, die dem Domizilprinzip folgen, nimmt nämlich gleichzeitig eine Nachlaßspaltung vor und knüpft die Erbfolge in unbewegliches Vermögen gesondert an die lex rei sitae an. 2 Umgekehrt ist das Staatsangehörigkeitsprinzip in der Regel mit dem Grundsatz der Nachlaßeinheit verbunden, bei dem die Erbfolge für den gesamten Nachlaß einheitlich an ein Recht angeknüpft wird. 3 In den folgenden Ausführungen soll jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit von der Überlagerung dieser vier verschiedenen Anknüpfungsprinzipien abgesehen und die Untersuchung zunächst allein auf den Vergleich von Staatsangehörigkeits- und Domizilprinzip beschränkt werden. Die Besprechung der Gesichtspunkte, welche mit der Entscheidung zwischen Nachlaßspaltung und Nachlaßeinheit verbunden sind, bleiben dem zweiten Kapitel dieser Arbeit vorbehalten.

2 So z.B. in allen Common Law Staaten, in Frankreich und in den dem Beispiel des französischen Code Civil folgenden Rechtsordnungen Belgiens und Luxemburgs. In der Schweiz, in Dänemark, Norwegen und Israel gilt das Domizilprinzip hingegen für den gesamten Nachlaß; vgl. Droz, Commentaire, 18 ff. und 22 f.; van Loon, Commentary, 106 ff. und 130 f. 3 Droz, ebd .. ; van Loon, ebd. Eine Ausnahme gilt aber z.B. in der Türkei, da nach Art. 22 I 2 des türkischen IPR-Gesetzes von 1982 der in der Türkei belegene unbewegliche Nachlaß - trotz der grundsätzlichen Geltung des Heimatrechtsgrundsatzes (vgl. Art. 2211) - in jedem Fall der türkischen Lex Tei sitae unterliegt (siehe hierzu Krüger, IPRax 1982, 252, 256).

37

A. Ausgangssituation

11. Grundlagen und historische Entwicklung der Anknüpfungsprinzipien 1. Staatsangehörigkeitsprinzip im deutschen internationalen Erbrecht a) Entwicklung bis zum InkrafUreten des Bürgerlichen Gesetzbuchs um 1900

Bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts hinein war in der deutschen Rechtsprechung und Kollisionsrechtswissenschaft - angeführt durch von Savigny - noch das Domizilprinzip vorherrschend gewesen. Dieses galt für den gesamten Bereich des Personalstatuts einschließlich des Erbstatuts. 4 Das Erbstatut wurde zum damaligen Zeitpunkt in Deutschland also' mehrheitlich noch an das Recht des letzten Wohnsitzes5 des Erblassers und nicht an dessen Heimatrecht6 angeknüpft. Etwas anderes galt nur im Geltungsbereich mancher einzelstaatlicher Gesetze und Staatsverträge. 7 Bald darauf aber setzte sich in der deutschen Kollisionsrechtslehre für die Anknüpfung des Erbstatuts - sowie des Personalstatuts insgesamt - zusehends das Staatsangehörigkeitsprinzip durch. 8 Dieser "Siegeszug"9 des Staatsangehörigkeitsgrundsatzes beruhte dabei auch auf dem Einfluß, den der italienische Staatsmann und Rechtsgelehrte Mancini und das von ihm entwickelte Konzept der nationalita" auf die damalige deutsche Rechtswissenschaft hatten. 10 Über die Entwürfe Gebhards zur Regelung des internationalen Privatrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch des deutschen Reiches kam es schließlich zur Verankerung des Heimatrechtsprinzips im EGBGB des Jahres 1900. 11 Die entsprechende 11

4 5

det.

Mansel, Rz. 31 m.w.N. Die Begriffe "Domizil" und "Wohnsitz" werden im folgenden synonym verwen-

6 Auch die Begriffe "Heimatrecht" und "Recht der Staatsangehörigkeit" werden im folgenden synonym gebraucht. Unter "Heimatrecht" wird hier demnach dasjenige Recht verstanden, dem die Anknüpfungsperson qua Staatsangehörigkeit angehört. Daher ist hier auch mit den Begriffen "Heimatrechtsprinzip" und "Staatsangehörigkeitsprinzip " jeweils dasselbe gemeint. 7 Siehe hierzu die Übersicht bei Mansel, ebd. m.w.N. 8 Ebd., Rz. 32. Siehe z.B. die Gutachten von Bähr und L. v. Bar auf dem 18. Deutschen Juristentag 1886 in: Verhandlungen des Achtzehnten deutschen Juristentages, Bd. I, Berlin 1886, 82 - 94, 95 - 103. 9 Mansel, Rz. 30. 10 Vgl. hierzu ausführlich ebd., Rz. 15 - 20 und Rz. 33; Jayme, Festschrift Zweigert, 145 ff.; ders., Recueil des Cours 177 (1982 IV), 39 - 49. 11 Vgl. Mansel, Rz. 32 - 35.

38

1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Regelung für die Anknüpfung des Erbstatus befand sich damals in den Artt. 24 1,25 S. 1 EGBGB a.F.12 Für diesen Umschwung hin zum Staatsangehörigkeitsprinzip waren verschiedene Gründe ausschlaggebend, die zum Teil mit dem neuerwachten Nationalgefühl und der erst wenige Jahre zuvor vollzogenen Gründung des Deutschen Reiches zusammenhingen. Dies läßt sich insbesondere aus den Argumenten ablesen, die Gebhard damals in seinen Entwürfen für das Staatsangehörigkeitsprinzip anführte13: So war für ihn ein entscheidendes Argument, daß mit der Herstellung der zivilrechtlichen Rechtseinheit in Deutschland kein Bedürfnis mehr nach einem territorial geprägten Anknüpfungskriterium wie dem Wohnsitz bestand. Daher sollte sich die Abkehr von der inneren Rechtszersplitterung auch durch eine Hinwendung zu dem personalen Anknüpfungspunkt der Staatsangehörigkeit dokumentieren. Des weiteren war er der Auffassung, daß das Personalstatut der durch eine Reihe gemeinsamer Eigenschaften wie Geographie, Sprache, Rasse, Sitten, Religion u.s.w. geprägten Volksindividualität der Nationen zu entsprechen habe. Dabei meinte er, daß die Zugehörigkeit zu einer Nation am deutlichsten durch das Kriterium der Staatsangehörigkeit vermittelt werde. 14 Schließlich sollte das Heimatrechtsprinzip nach den Vorstellungen Gebhards auch das Zusammengehörigkeitsgefühl der neugeschaffenen deutschen Nation fördern. Darüber hinaus waren für Gebhard bei der Entscheidung zugunsten des Staatsangehörigkeitsprinzips auch verschiedene praktische Gesichtspunkte ausschlaggebend. Insofern war für ihn eine wichtige Überlegung, daß die Staatsangehörigkeit eine größere Stabilität und Rechtsicherheit biete als der Wohnsitz, da sie nicht so leicht gewechselt und schneller festgestellt werden könne. Ferner wies er darauf hin, daß, da nach damaligem Recht der Erwerb 12 Aus politischen Gründen (Vermeidung von einseitigen Vorleistungen gegenüber dem Ausland, um dadurch Verhandlungsspielraum für spätere Staatsverträge zu behalten) wurde Art. 24 I EGBGB a.F. vom Gesetzgeber nicht als allseitige Heimatrechtsverweisung, sondern als einseitige, nur Deutsche betreffende Kollisionsnorm abgefaßt. Schon bald darauf aber wurde diese Vorschrift von Rechtsprechung und Lehre als allseitige Kollisionsnorm ausgelegt (Mansei, Rz. 34). 13 Siehe zum folgenden Gebhard, Text und Motive des Ersten und Zweiten Gebhardschen Entwurfs zur Regelung des internationalen Privatrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch des Deutschen Reiches (1881, 1887), in: Niemeyer, Zur Vorgeschichte des Internationalen Privatrechts im Deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch, München! Leipzig 1915; siehe auch die Zusammenfassungen bei Mansel, Rz. 33, und bei BasedowlDiehl-Leistner, 17. 14 Hierbei lehnte sich Gebhard an das sog. "Klima- und Geographie-Argument" an, das erstmals von Mancini zur Rechtfertigung des Heimatrechtsprinzips herangezogen worden war und in anderer Form auch heute noch verwendet wird (siehe Mansel, Rz. 18 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

A. Ausgangssituation

39

der deutschen Staatsbürgerschaft vor allem von familienrechtlichen Vorfragen abhing l5 , insoweit bei Auslandsdeutschen das deutsche Recht und nicht das ausländische Wohnsitzrecht gelten müsse. Außerdem verwies er darauf, daß in den meisten Nachbarstaaten Deutschlands ebenfalls das Heimatrechtsprinzip gelte. Eine weitere Ursache für die Entscheidung des BGB-Gesetzgebers zugunsten des Staatsangehörigkeitsgrundsatzes lag wahrscheinlich in der großen Auswanderungsbewegung, welcher sich das Deutsche Reich damals ausgesetzt sah. 16 Es ist zu vermuten, daß den emigrierten Auslandsdeutschen durch die Anknüpfung an das Heimatrecht weiterhin die Anwendung des deutschen Rechts auf deren persönliche Rechtsverhältnisse gesichert werden sollte. 17 Zwar wurde dieser Gesichtspunkt in so gut wie keiner der einschlägigen rechtswissenschaftlichen Abhandlungen aus jener Zeit erwähnt. 18 Jedoch wird man annehmen können, daß das Phänomen der Massenauswanderung den damals an der Gesetzgebung beteiligten Personen bekannt war und daher mit entscheidend für die Wahl des Staatsangehörigkeitsprinzips gewesen sein dürfte}9 b) IPR-Reform von 1986

In der rechtswissenschaftlichen Diskussion vor der IPR-Reform von 1986 war von verschiedenen Literaturstimmen gefordert worden, für die Bestimmung des Erbstatuts - ebenso wie für das gesamte übrige Personalstatut wieder zum Domizilprinzip zurückzukehren. 2o Als Anknüpfungspunkt wurde zu diesem Zweck das Kriterium des "gewöhnlichen Aufenthalts" vorgeschlagen. 21 Diese Vorschläge standen sichtlich unter dem Eindruck der seit 15 Vgl. das Gesetz vom 1.6.1870 über die ElWerbung und den Verlust der Bundes- und Staatsangehörigkeit. 16 Siehe hierzu die ausführlichen statistischen Angaben bei BasedowlDiehlLeistner, 20-25. 17 Ebd., 19. 18 Basedow/Diehl-Leistner, 28 f., weisen daraufhin, daß eine solche Problemsicht der rechtspositivistisch geprägten Methodik widersprochen hätte, die zum damaligen Zeitpunkt in der deutschen Rechtswissenschaft vorherrschend war. Erst nach dem ersten Weltkrieg hätten deutsche Rechtswissenschaftier erstmals auf den inneren Zusammenhang zwischen der Massenauswanderung aus Deutschland und der Entscheidung für das Staatsangehörigkeitsprinzip aufmerksam gemacht. So z.B. Nussbaum, Deutsches Internationales Privatrecht (1932), 108. 19 BasedowlDiehl-Leistner, 20, 28. 20 Vgl. u.a. Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 44 (1980),333-335; Grasmann, 249 ff. 21 Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 44 (1980), 335.

40

1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

den sechziger Jahren dieses Jahrhunderts stetig wachsenden Zahl von Ausländern, die längerfristig oder auf Dauer in der Bundesrepublik leben. 22 Dementsprechend wurde der Wechsel zum Aufenthaltsprinzip vor allem auch mit dem Gebot der stärkeren Integration dieser Ausländer begründet. Dies sollte mit der vermehrten Anwendung deutschen materiellen Rechts gefördert werden. 23 Zwar entschied sich der IPR-Reformgesetzgeber von 1986 bei einigen familienrechtlichen Fragen tatsächlich für eine - oft allerdings nur ergänzende - Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt. 24 Im Einklang mit der Mehrzahl der Stellungnahmen der Literatur zur IPR-Reform25 hat er jedoch für das Erbstatut (vgl. Art. 25 I EGBGB) - ebenso wie für den größten Teil des übrigen Personalstatuts - das Staatsangehörigkeitsprinzip beibehalten. Nur unter besonderen Umständen läßt das geltende IPR für die Anknüpfung des Erbstatuts eine Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsgrundsatzes zu. Dazu gehört zum einen der Fall, daß das ausländische Heimatrecht des Erblassers auf das Wohnsitzrecht zurück- oder weiterverweist (vgl. Art. 41 EGBGB). Zum anderen sind hierzu die Fälle zu rechnen. in denen die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungspunkt entweder nicht ausreicht (Verweisung bei Rechtsspaltung und Mehrstaatigkeit, vgl. Art. 4 III und Art. 5 I EGBGB) oder versagt (Verweisung bei Staatenlosigkeit. vgl. Art. 5 11 EGBGB). Die Gründe. die aus Sicht des Reformgesetzgebers für die Beibehaltung des Heimatrechtsprinzips maßgeblich gewesen sind. stehen teilweise im Einklang mit den Überlegungen, die bereits den Gesetzgeber von 1900 - abgesehen von den damaligen übersteigerten nationalstaatlichen Erwägungen - bei seiner gleichlautenden Entscheidung geleitet hatten26 : So genießt das Anknüpfungskriterium der Staatsangehörigkeit auch nach Meinung des Reformgesetzgebers von 1986 den praktischen Vorzug. stabiler. schwieriger zu manipulieren und leichter zu ermitteln zu sein als die Anknüpfungspunkte des Domizilprinzips. Siehe hierzu z.B. die statistischen Angaben bei BasedowlDiehl-Leistner. 30 f. Neuhaus/Kropholler. RabelsZ 44 (1980), ebd.; Neuhaus, FamRZ 1981, 742; Simitis. StAZ 1976, 14. 24 Überblick bei Kropholler, 257. Die Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips bezweckte dabei allerdings nicht eine Förderung der Anwendung des Inlandsrechts. Vielmehr diente sie entweder der verfassungsrechtlich gebotenen Gleichbehandlung von Mann und Frau (z.B. Art. 14 EGBGB n.F.) oder der Berücksichtigung eines besonderen Fürsorgebedürfnis der betroffenen Personen (z.B. Artt. 8, 10 Abs. 2. 18 Abs. 1); vgl. MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung. Rz. 515. 25 Vgl. u.a. Kühne. IPR-Gesetz-Entwurf. 156 f.; MPI, RabelsZ 44 (1980), 352; Firsching, Reform, 209; Geimer, DNotZ 1985, Sonderheft, 105 26 Siehe zum folgenden BT-Drucks. 10/504, 31. Die Begründung des IPR-Gesetzgebers folgt hierbei z.T. bis auf den Wortlaut dem IPR-Entwurf von Kühne (vgl. Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 64-66). 22 23

A. Ausgangssituation

41

Außerdem fördert das Heimatrechtsprinzip seiner Auffassung nach den äußeren Entscheidungseinklang mit den Heimatländern des weitaus überwiegenden Teils der in Deutschland lebenden Ausländer, welche ebenfalls dem Staatsangehörigkeitsgrundsatz folgen. Darüber hinaus trägt das Staatsangehörigkeitsprinzip nach seiner Meinung besser der Heimatverbundenheit der betroffenen Anknüpfungspersonen Rechnung, da die Mehrzahl der in Deutschland lebenden Ausländer letztlich in ihre Heimat zurückkehren wolle. Außerdem weist der Reformgesetzgeber darauf hin, daß sich das Staatsangehörigkeitsprinzip in Deutschland bislang insgesamt bewährt habe. Diese Entscheidung für die Beibehaltung des Staatsangehörigkeitsprinzips ist allerdings auch nach der IPR-Reform von 1986 weiterhin Gegenstand einer intensiven wissenschaftlichen Diskussion geblieben. So fordert auch heute noch eine Mindermeinung in der .deutschen Kollisionsrechtslehre für die Anknüpfung des Personalstatuts (einschließlich des Erbstatuts) die Einführung des Aufenthaltsprinzips de Lege jerenda. 27 Von anderen Autoren werden hingegen Möglichkeiten erwogen, wie man das Staatsangehörigkeitsprinzip bereits de Lege lata flexibler gestalten könne. 28 Auf beide Ansichten wird im weiteren Verlauf dieser Untersuchung noch näher einzugehen sein.

2. Domizilprinzip im anglo-amerikanischen internationalen Erbrecht a) Entwicklung des Domizilprinzips

Ebenso wie die Staatsangehörigkeit im deutschen Recht stellt der domicile in den Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises das wichtigste Anknüpfungskriterium für den gesamten Bereich des Personal statuts dar und gilt dort damit auch für die Anknüpfung der Rechtsnachfolge von Todes wegen. 29 Allerdings erfaßt es insoweit lediglich das Mobiliarvermögen, während sich die Erbfolge in unbewegliches Vermögen im anglo-amerikanischen Recht nach der jeweiligen Lex rei sitae richtet. 30 Die Ursprünge des anglo-amerikanischen Domizilprinzips liegen in den italienischen und französischen Statutenlehren des Mittelalters und des 16.

Vgl. Kropholler, 258; Basedow/Diehl-Leistner, 40 ff. Mansel, Rz. 557 ff.; Münchkomm-Sonnenberger, Rz. 509 f. und 518 f. 29 North, Recueil des Cours 220 (1990 I), 26 f.; ders., Private International Law Problems, 5 f. 30 Zum englischen Recht siehe Henrich: Großbritannien, in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 6; zum amerikanischen Recht siehe Firsching: U.S.A., in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 36. 27 28

42

1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Jahrhunderts. 31 In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts lassen sich auch erste englische Gerichtsurteile nachweisen, die für die Anknüpfung erbrechtlicher Sachverhalte der Maxime mobilia sequuntur personam folgen und hierbei das Anknüpfungskrlterium des domicile anwenden. 32 Schon bis zur Mitte des folgenden Jahrhunderts hatte sich das Domizilprinzip dann in der englischen Rechtsprechung für die Anknüpfung erbrechtlicher Fragen beim Mobiliarvermögen allgemein durchgesetzt. 33 Seine intensivste Fortentwicklung hat das Domizilprinzip im englischen Kollisionsrecht während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts erfahren. Damals formulierte das britische House of Lords anband mehrerer Leitentscheidungen, die vorwiegend erbrechtliche Sachverhalte zum Inhalt hatten, die inhaltlichen Kriterien des Common Law für die Bestimmung des domicile, welche in dieser Form zum Teil noch bis heute Gültigkeit haben. 34 Maßgeblich beeinflußt wurde die Rechtsprechung dabei von den Werken verschiedener zeitgenössischer britischer Autoren - vor allem von Dieeys "Law of Domicile" .35 Diese Kriterien, die im einzelnen noch genauer zu besprechen sein werden36 , wurden darauf hin auch von den übrigen Staaten des britischen Commonwealth übernommen. Außerdem haben sie auch die entsprechende amerikanische Rechtsprechung beeinflußt. Der Domizilbegriff des englischen Common Law ist allerdings - wie später noch näher auszuführen ist31 - inhaltlich maßgeblich von den besonderen sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen des damaligen britischen Empires geprägt gewesen. Dies hatte für seine weitere Fortentwicklung zweierlei zur Folge: Zum einen erschienen zumindest den Gerichten der amerikanischen Bundesstaaten bestimmte Aspekte dieser Common-LawRegeln als zum Teil nicht übertragbar auf die völlig anders gearteten Verhältnisse in den U.S.A. Dies führte dazu, daß der amerikanische Domizilbegriff im Verlaufe des 20. Jahrhunderts teilweise eine vom englischen Recht abweichende Entwicklung nahm. 38 Zum anderen hatte die deutliche historische 31 Graveson, Conflict of Laws, 187; vgl. hierzu auch de Winter, Recueil des Cours 128 (1969111), 362 ff. 32 Graveson, Conflict of Laws, ebd. 33 Ebd., 518. 34 Graveson, The Law of Domicile, 160; vgl. auch Boulanger, 68 ff. Die bekanntesten Fälle sind Bell v. Kennedy (1868) L.R. 1 Sc. and Div. 307, Udny v. Udny (1869) L.R. 1 Sc. and Div. 441, Whicker v. Hume (1858) 7 H.L.C. 124 und Moorhouse v. Lord (1863) 10 H.L.C. 272. 35 Graveson, The Law ofDomicile, 160; vgl. Dicey, Law ofDomicile (1879). 36 Siehe unten 1. Kapitel, A.m.l.c)(2)(a). 31 Siehe unten 1. Kapitel, A.m.1.c)(2)(b). 38 Vgl. Boulanger, 72 f.; siehe hierzu näher 1. Kapitel, A.m.1.c)(4).

A. Ausgangssituation

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Prägung des britischen Domizilbegriffs zur Konsequenz, daß dieser den Anforderungen der veränderten sozialen, wirtschaftlichen und politischen Situation in England und in den Commonwealth Staaten nach dem zweiten Weltkrieg in verschiedener Hinsicht nicht mehr gerecht zu werden vermochte. 39 Daher sind seit den fünfziger Jahren in diesen Ländern wiederholt Anläufe unternommen worden, die entsprechenden Regeln des britischen Conunon Law zu reformieren. Diese Reformversuche waren bislang vor allem in Australien und Neuseeland erfolgreich. In Großbritannien hält die Reformdiskussion dagegen im Augenblick noch an. 40 Diese Reformen bzw. Reformdiskussionen haben aber grundsätzlich nur die inhaltlichen Kriterien für die Bestimmung des domicile betroffen. 41 Es hat dabei jedoch nie ernsthaft in Frage gestanden, daß das Domizilprinzip als solches für die Anknüpfung des Personalstatuts - einschließlich der Anknüpfung des Erbstatuts bei Mobiliarvermögen - beibehalten werden sollte. 42 b) Gründe rDr das Domizilprinzip

Die Gründe dafür, warum die anglo-amerikanischen Staaten bislang das Domizilprinzip für die Anknüpfung der Mobiliarerbfolge beibehalten haben, lassen sich - ähnlich wie die Motive des deutschen Gesetzgebers für die Entscheidung zugunsten des Staatsangehörigkeitsprinzips - differenzieren nach solchen Gesichtspunkten, die mehr auf die enge Verbundenheit der Anknüpfungsperson abstellen, und anderen, die eher auf praktischen Erwägungen beruhen: . So wird von der Literatur zum einen das Argument genannt, daß das Domizilprinzip besser der individualistischen Tradition des Conunon Law Vgl. hierzu ausführlich Graveson, The Law of Domicile, 165 - 167. Vgl. hierzu ausführlich McClean, 16 ff.; North, Reeueil des Cours 220 (1990 1), 30 ff.; ders., Private International Law Problems, 16 ff.; Law Commission, The Law of Domicile. Siehe hierzu näher unten 1. Kapitel, A.III.1.c)(3). 41 Die irische Law Reform Commission hatte allerdings sogar vorgeschlagen, den Anknüpfungspunkt des domicile gänzlich abzuschaffen und durch den "gewöhnlichen Aufenthalt" ("habitual residence") zu ersetzen (vgl. ''Working Paper No 10 (1981) on Domicile and Habitual Residence as Connecting Pactors in the Conflict of Laws"; sowie "LRC 7 - Domicile and Habitual Residence as Conneeting Pactors in the Conflict of Laws (1983». Diese Vorschläge sind jedoch am Widerstand der irischen Regierung gescheitert (North, Recueil des Cours 220 (1990 I), 46; ders., Private International Law Problems, 20). 42 Für Großbritannien vgl. den gemeinsamen Bericht der britischen und der schottischen Law Commission, The Law of Domicile, 9 - 12.; für die U.S.A. und Kanada vgl. Scoles/Hay, 173 und Pn. 6. 39

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

entspreche, weil es der jeweiligen Anknüpfungsperson überlasse, sich durch die Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort selber dafür zu entscheiden, welches Recht gelten solle. 43 Dagegen bestünde beim Heimatrechtsprinzip die Gefahr, daß gegen den Willen der Anknüpfungsperson an ein Recht angeknüpft werde, zu dem sie keinerlei Beziehung mehr habe. 44 Daher ist der domicile aus Sicht der anglo-amerikanischen Länder besser dafür geeignet, das auf die personenrechtlichen und auf Teile der vermögensrechtlichen Verhältnisse anwendbare Recht zu bestimmen. Demgegenüber fällt dem Kriterium der Staatsangehörigkeit aus dortiger Sicht eher die Rolle zu, die politischen Rechte des Individuums bzw. seine staatsrechtliche Zuordnung zu einer bestimmten Rechtsordnung festzulegen. 45 Von noch größerer Bedeutung scheinen aber die Argumente zu sein, die das Domizilprinzip für das Common Law aus praktischen Gründen vorzugswürdig erscheinen lassen. Hierbei wird an erster Stelle darauf verwiesen, daß es sich bei verschiedenen wichtigen Common Law Ländern um Mehrrechtsstaaten mit lokaler Rechtsspaltung handelt (so z.B. die U.S.A., Großbritannien, Kanada und Australien). Diese Staaten haben grundsätzlich nur eine einheitliche Staatsangehörigkeit für den Gesamtstaat. 46 In den einzelnen Teilrechtsordnugen (so z.B. in den amerikanischen Bundesstaaten) gilt jedoch jeweils unterschiedliches materielles Recht. Für diese Staaten wäre das Heimatrechtsprinzip daher ohne ergänzende Hilfsregeln nicht dazu in der Lage, eindeutig zu bestimmen, welcher jeweiligen Teilrechtsordnung die betroffene Anknüpfungsperson zugeordnet werden soll.47

An zweiter Stelle unter den praktischen Gesichtspunkten werden die Vorteile des Domizilprinzips für Einwanderungsstaaten - wie Z.B. die U.S.A., Kanada und Australien - genannt. Mit Hilfe des Domizilprinzips 43 Graveson, Conflict of Laws, 188; ähnlich Cheshire/Nolth, 11. Aufl., 169. 44 Häufig wird in diesem Zusammenhang das bekannte dictum des britischen Autors Anton zitiert (vgl. Law Commission, The Law of Domicile, 11; Dicey/Morris, 11. Aufl., 168): "The principle of nationality achieves stability, but by the sacrifice of a man' s personal freedom to adopt the legal system of his own choice. The fundamental objection to the concept of nationality is that it may require the application to a man, against his own wishes and desires, of the laws of a country to escape from which he has perhaps risked his life." (Anton, Private International Law (1967), 160). 45 Law Commission, The Law of Domicile, 11. 46 Eine Ausnahme gilt jedoch in den U.S.A. Dort existiert auch eine Einzelstaatszugehörigkeit ("state citizenship"). Daher wird verschiedentlich erwogen, die Anknüpfung an das Heimatrecht eines U.S.-Amerikaners dahingehend zu konkretisieren, daß hiermit die state citizenship gemeint sei (vgl. Scoles/Hay, 173; siehe hierzu näher unten 1. Kapitel, A.III.5.a)(3). 47 Dicey/Morris, 11. Aufl., 169; Graveson, Conflict of Laws, 190; Law Commission, The Law of Domicile, 11; Cheshire/North, 11. Aufl., 169; Scoles/Hay, 172.

A. Ausgangssituation

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könnten diese Länder die neuzugewanderten ausländischen Staatsangehörigen in der Regel wesentlich rascher dem Geltungsbereich der Lex fori unterwerfen, als dies beim Staatsangehörigkeitsprinzip der Fall wäre. 48 Schließlich wird drittens damit argumentiert, daß es unter dem Domizilprinzip weniger Fälle gebe, wo dieses Anknüpfungskriterium versagen würde. Denn das Heimatrechtsprinzip sähe sich vor allem bei Mehrstaatern und Staatenlosen erheblichen Schwierigkeiten ausgesetzt, während vergleichbare Probleme beim Domizilprinzip nicht entstehen würden. 49

111. Vergleich der Anknüpfungsprinzipien Mit den obigen Argumenten, die im deutschen und anglo-amerikanischen Kollisionsrecht für das eine oder andere Anknüpfungsprinzip genannt werden, sind im Kern bereits die maßgeblichen Gesichtspunkte erwähnt worden, die bei der Entscheidung zwischen dem Staatsangehörigkeitsgrundsatz und dem Domizilprinzip gegeneinander abzuwägen sind. Im folgenden sollen diese Argumente nunmehr genauer auf ihre Schlüssigkeit hin analysiert werden. Dabei werden ihnen bestimmte Kategorien kollisionsrechtlicher Interessen50 zugeordnet. Diese sollen für die folgende Gegenüberstellung als Vergleichsmaßstab dienen. 51

Scoles/Hay, ebd.; Graveson, Conflict ofLaws, ebd. Law Commission, The Law of Domicile, 11. 50 Grundlegend zur Lehre der internationalprivatrechtlichen Interessen: Kegel, FS Lewald, 270 ff.; ders., IPR, 71 ff. Weiter ausgebaut wurde die Lehre Kegels u.a. von Lüderitz, 36 ff.; teilweise kritisch MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 75 ff. 51 In der folgenden Betrachtung werden vorerst noch zwei Fragestellungen ausgeklammert, die sonst häufig in diesem Zusammenhang diskutiert werden (vgl. Loussouam, Ann. Inst. Dr. int. 62-1 (1987), 328 ff.; Boulanger, 46 f.). Erstens soll hier nicht näher besprochen werden, welches der beiden Anknüpfungskriterien den besseren Gleichklang von gerichtlicher Zuständigkeit und anwendbarem Recht zu gewährleisten vermag. Zweitens soll an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben, welche Rolle den Interessen der Nachlaßgläubiger im Rahmen des jeweiligen Anknüpfungsprinzips zukommt. Auf beide Punkte wird jedoch unter etwas anderer Fragestellung wieder im vierten Kapitel dieser Untersuchung zurückzukommen sein (siehe unten 4. Kapitel, B.II.3.a)(3». 48

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

1. Anknüpfung an das Recht der engsten Verbundenheit a) Interessenlage: Kontinuitäts- oder Anpassungsinteresse?

Der Durchschnittsmensch hat ein Interesse daran, nach einer Rechtsordnung beurteilt zu werden, der er eng verbunden ist. 52 Dies gilt insbesondere für rechtliche Fragen, welche die betroffene Person nahe angehen, wie z.B. beim Erblasser die Regelung der Erbfolge in seinen Nachlaß. 53 Dieses Interesse läßt sich als "Parteiinteresse" bezeichnen. 54 Ein solches Interesse kann darauf beruhen, daß sich die jeweilige Person mit diesem Recht besonders eng verbunden fühlt, weil sie mit ihm am besten vertraut ist. Das Vertrautsein mit einer Rechtsordnung setzt allerdings voraus, daß man zumindest die wesentlichen Grundzüge der maßgeblichen materiellrechtlichen Regelungen kennt. Manchmal (oder sogar häutigS5) fehlt es allerdings an einer solchen Kenntnis. Selbst dann kann jedoch das Gefühl der engen Verbundenheit mit einer Rechtsordnung gegeben sein. Denn in der Regel entsprechen die wesentlichen Eigenarten einer Rechtsordnung der sozialen, ökonomischen und kulturellen Identität derjenigen Personen, für die und von denen diese Rechtsordnung geschaffen worden ist. 56 Kegel, IPR, 83. Ebd. 54 Ebd. S5 SO weisen z.B. die beiden niederländischen Notare Westbroek und de Lange in ihrer Besprechung der Haager Erbrechtskonvention darauf hin, daß nach ihren Erfahrungen bei Mandanten in Fällen mit Auslandsberührung in der Regel kaum Kenntnisse des jeweils einschlägigen materiellen Erbrechts vorhanden sind (Westbroeklde Lange, 92). 56 Mansel, Rz. 63. Kritisch zu diesem Argument aber Westbroeklde Lange, ebd.: Nach den Erfahrungen der Autoren aus ihrer Notariatspraxis würden emotionale und kulturelle Bindungen bei der Frage des anwendbaren Rechts - inbesondere beim Erbrecht - keine Rolle spielen. Vielmehr hätten die Mandanten insofern allein ihre eigenen materiellen finanziellen Interessen im Blick. Sie würden daher im Zweifelsfalle die Anwendung deIjenigen Rechtsordnung vorziehen, die am meisten ihren materiellen Interessen entspräche, auch wenn sie zu dieser keine besondere emotionale Bindung verspürten. Diese in vielen Fällen sicherlich zutreffende Beobachtung steht nach der hier vertretenen Auffassung gleichwohl nicht der Annahme entgegen, daß der Durchschnittsmensch ein Interesse daran hat, die Erbfolge in seinen Nachlaß nach einem Recht beurteilt zu sehen, dem er sich eng verbunden fühlt. Zwar wird es sicherlich zu weit gehen zu behaupten, daß sich in allen technischen Details einer Erbrechtsordnung wichtige Elemente der kulturellen Identität der Einwohner eines Landes widerspiegeln. Dennoch wird man annehmen müssen, daß nur die wenigsten Menschen akzeptieren würden, auf Dinge, 'die sie persönlich angehen, eine Rechtsordnung angewandt zu sehen, zu der sie keinerlei Beziehung haben. Ein solcher Schritt würde 52

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A. Ausgangssituation

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Ist die betroffene Person ihr gesamtes Leben über nur mit einer einzigen Rechtsordnung in Berührung gewesen, bereitet die Bezeichnung des Rechtes ihrer engsten Verbundenheit keine Schwierigkeiten. Hat sie aber ihren Wohnsitz im Verlaufe ihres Lebens in eine andere Rechtsordnung verlegt, ohne gleichzeitig die Staatsangehörigkeit zu wechseln, dann ist diese Zuordnung nicht mehr so eindeutig. In einem solchen Fall lassen sich demnach zwei Spielarten des Parteiinteresses unterscheiden57 : Die Person kann zum einen ein Interesse an der Fortgeltuilg des bisher für ihre rechtlichen Verhältnisse maßgeblichen Rechts haben. Dieses Interesse wird als sog. Kontinuitätsinteresse " bezeichnet. 58 Es entspringt dem Wunsch, daß die unter früherem Recht erlangte Rechtspositionen aufrecht erhalten werden bzw. früher vorgenommene Rechtsgeschäfte wirksam bleiben sollen. 59 Eine seiner deutlichsten Ausprägungen im geltenden deutschen IPR ist der Grundsatz, wonach sich die Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen nach dem Heimatrecht des Erblassers zum Errichtungszeitpunkt richtet (Art. 26 V 1 EGBGB).60 Das Kontinuitätsinteresse würde es also gebieten, auf die rechtlichen Verhältnisse der jeweiligen Person, auch nachdem diese ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt hat, weiterhin das Recht des Herkunftsstaates anzuwenden. Ein solches Interesse kann umso stärker wachsen, je größer das kulturelle Gefälle zwischen dem Herkunftsstaat und dem derzeitigem Aufenthaltsstaat ist. Denn entsprechend größer wird dann auch der Unterschied zwischen dem Herkunftsrecht und dem Wohnsitzrecht sein. 61 11

Ihnt gegenüber steht das sog. "Anpassungsinteresse" . Dieses zielt darauf ab, so rasch als möglich dem Recht der sozialen Umwelt unterstellt zu aus ihrer Perspektive zu Recht als willkürlich erscheinen. Vielmehr würde der Durchschnittsmensch die Anwendung eines bestimmten materiellen Rechtssatzes im Regelfall nur dann hinnehmen, wenn er mit der Rechtsordnung, welcher dieser entnommen ist, in irgendeiner Weise enger verbunden ist, so z.B. durch seinen Wohnsitz oder durch seine Staatsangehörigkeit. Diese Überlegungen stehen auch nicht zwingenderweise im Widerspruch zu den von Westbroek und de Lange genannten Erfahrungen. Denn in den von diesen Autoren geschilderten Fällen ging es offenbar vorrangig um die Frage, ob auf die Erbfolge das (niederländische) Wohnsitzrecht oder das (ausländische) Heimatrecht des Erblassers angewandt werden sollte. Es steht jedoch außer Frage, daß der Erblasser im Regelfall zu beiden diesen Rechtsordnungen zumindest eine gewisse persönliche Beziehung besitzen wird. 57 Vgl. Lüderitz, 36-40; Mansel, Rz. 63 ff. 58 Lüderitz, 38. 59 Ebd. 60 Ebd, 38 f. 61 Mansel, Rz. 66; vgl. hierzu auch Loussouam, Ann. Inst. Dr. int. 62-1 (1987), 318 f., und de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 I1I), 403.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

werden, in die man sich integrieren will oder in die man sich bereits eingegliedert hat. 62 Das Anpassungsinteresse beruht auf dem Wunsch, so weit wie möglich Teil der neuen sozialen Umwelt zu werden und die gleichen Rechte und Pflichten wie deren übrigen Bewohner zu haben. Es verlangt daher, anstelle des Herkunftsrechts das neue Aufenthaltsrecht anzuwenden. Häufig wird das Anpassungsinteresse dabei mit wachsender Aufenthaltsdauer im neuen Wohnsitzstaat und der im Regelfall damit verbundenen stärkeren Integration in die dortige Gesellschaft zunehmen. 63 b) Staatsangehörigkeitsprinzip im deutschen internationalen Erbrecht

(1) Grundsatz: Vorrang des Kontinuitätsinteresses Das Staatsangehörigkeitsprinzip ist grundsätzlich dem Kontinuitätsinteresse zuzuordnen. 64 Denn die Staatsangehörigkeit wechselt nicht automatisch mit der Verlagerung des Wohnsitzes in ein anderes Land. Vielmehr kann sie von der Anknüpfungsperson auf ihren eigenen Wunsch hin in der Regel nur mit einem relativ großen Aufwand gewechselt werden. 65 Obwohl das Staatsangehörigkeitsrecht in den verschiedenen Rechtsordnungen erheblich variiert66 , ist den Regelungen aller Länder nämlich gemeinsam, daß der Erwerb ihrer Staatsangehörigkeit im Wege der Einbürgerung an einen staatlichen Zustimmungsakt gekoppelt ist. 67 Diese Zustimmung ist oft an relativ restriktive Voraussetzungen gebunden. 68 Diese beinhalten häufig u.a. einen mehrjährigen (teilweise bis zu zwölfjährigen) Inlandsaufenthalt im Zeitraum unmittelbar vor Einreichung des Einbürgerungsantrags69 , den Nachweis einer bereits 62 Ebd., Rz. 63; vgl. Lüderitz, 37 f.; siehe hierzu auch de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 407. 63 Skeptisch zu dem letztgenannten Punkt allerdings Lüderitz, 41. 64 Mansel, Rz. 63; Kegel, IPR, 280; Lüderitz, 39. 65 Lüderitz, ebd.; Kegel, ebd.; vgl. Loussouarn, Ann. Inst. Dr. int. 62-1 (1987), 32l. 66 Vgl. zu den entsprechenden Regelungen in Belgien, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Österreich, Spanien, der Niederlande und der Schweiz die rechtsvergleichende Studie von de Groot, Staatsangehörigkeitsrecht im Wandel. 67 Loussouarn, Ann. Inst. Dr. int. 62-1 (1987), 32l. 68 Zumindest gilt dies solange, wie dem Einbürgerungskandidat nicht aus bestimmten Gründen, wie z.B. Geburt im Inland oder Abstammung von bzw. Ehe mit einem Angehörigen des Inlandsstaates, ein Optionsrecht oder ein Anspruch auf erleichterte Einbürgerung gewährt wird (vgl. de Groot, 215-237 mit Nachweisen zu den o.a. Ländern). 69 Die Niederlande, Belgien, Frankreich, Großbritannien und Italien fordern grundsätzlich einen fünfjährigen Inlandsaufenthalt; Deutschland, Österreich und

A. Ausgangssituation

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vorhandenen Integration in die Gesellschaft des Aufenthaltsstaates und das Vorhandensein ausreichender wirtschaftlicher Mittel zur eigenen Versorgung.70 Dabei kann die Einbürgerung in vielen Staaten aus Gründen der Gefährdung der öffentlichen Ordnung verweigert werden. 71 Außerdem setzt die Einbürgerung oft einen Verzicht auf die bisherige Staatsangehörigkeit voraus. 72 Angesichts solcher Hürden kann man mit einiger Sicherheit davon ausgehen, daß die Anknüpfungsperson die mit einer Einbürgerung verbundenen Mühen in der Regel nur dann auf sich nehmen wird, wenn sie die Brücken zu ihrem Heimatrecht tatsächlich abgebrochen hat. 73 Ob in dem umgekehrten Fall bei ihr immer ein Interesse an der Fortgeltung des alten Heimatrechts fortbesteht, ist zwar nicht ganz so gewiß, läßt sich aber auch nicht ausschließen. Ein solches Interesse kann z.B. dann fortbestehen, wenn die Anknüpfungsperson in ihrem Heimatland aufgewachsen ist und dort während der Kindheit ihre kulturelle Prägung erhalten hat. 74 Mit seiner Entscheidung für die Beibehaltung des Staatsangehörigkeitsprinzips hat der deutsche IPR-Reformgesetzgeber von 1986 demnach dem Kontinuitätsinteresse den Vorzug gegenüber dem Anpassungsinteresse gegeben. 75 Er tat dies im Einklang mit der herrschenden Literaturansicht16 aus der Erwägung heraus, daß das Kriterium der Staatsangehörigkeit am besten die seiner Ansicht nach typischerweise gegebene Heimatverbundenheit der betroffenen Anknüpfungspersonen berücksichtige. 77 Diese Heimatverbundenheit müsse nach Auffassung des Gesetzgebers solange vermutet werden, wie der Schritt zur Einbürgerung in den Aufenthaltsstaat nicht getan sei. 78 Diese Überlegungen hat der Gesetzgeber auf verschiedene empirische U ntersuchungen gestützt, wonach die in der Bundesrepublik lebenden Ausländer insbesondere die Gastarbeiter - vielfach auch nach längerem Inlandsaufenthalt

Spanien verlangen in der Regel eine doppelt so lange Dauer, nämlich zehn Jahre; die Schweiz setzt im Regelfall sogar einen zwölfjährigen Wohnsitz im Inland voraus (ebd., 239-247 m.w.N.). 70 Ebd., 250-256 und 263 f. mit Nachweisen zu den o.a. Ländern. 71 Ebd., 256-260 m.w.N. 72 Ebd., 260-263 m.w.N. 73 Ähnlich Kegel, IPR, 280. 74 Mansel, Rz. 63. 75 Mansel, ebd. 76 Siehe z.B. Mansel, Rz. 64; Kegel, IPR, ebd.; Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 65; vgl. auch Raape/Sturm, 117. 77 BT-Drucks. 10/504,31. 78 BT-Drucks., ebd.; so auch Mansel, ebd.; Jayme, FS Müller-Freienfels, 361. 4 Brand;

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

weiterhin den Wunsch hegen, eines Tages in ihre Heimatländer zurückzukehren. 79

(2) Vo"ang des Anpassungsinteresses in Ausnahmefällen bei ineffektiver Staatsangehörigkeit? Das Staatsangehörigkeitsprinzip birgt allerdings die Gefahr in sich, auf ein Recht zu verweisen, zu dem die Anknüpfungsperson unter Umständen keine nennenswerte Beziehung mehr besitzt. 8o Dieses Problem stellt sich insbesondere bei politischen Flüchtlingen, die oft gegen ihren Willen von dem Heimatstaat nicht aus ihrer ursprünglichen Staatsangehörigkeit entlassen werden, obwohl sie mit dieser nichts mehr zu tun haben wollen. 81 In solchen Fällen hat die Staatsangehörigkeit lediglich formellen Charakter und ist als Anknüpfungsmerkmal daher ungeeignet. 82 Derartige politische Flüchtlinge werden daher im deutschen IPR aufgrund entsprechender staatsvertraglicher Regelungen für die Anknüpfung ihres Personalstatuts nicht dem Heimatrecht, sondern dem Recht ihres Wohnsitzes unterstellt. 83 Gleiches gilt für asylberechtigte Ausländer84 und sog. "Kontingentflüchtlinge" .85 In diesen Fällen hat der deutsche IPR-Gesetzgeber demnach seine Vermutung modifiziert, daß die Staatsangehörigkeit einer Person immer auf das Recht der engsten Verbindung verweise. 86 Dementsprechend hat er hier an die Stelle des Heimatrechts die Anknüpfung an das Wohnsitzrecht treten lassen. Aber auch bei den übrigen in der Bundesrepublik lebenden Ausländern wird von verschiedenen Autoren in Frage gestellt, ob eine unterschiedslose Anknüpfung des Personal statuts (einschließlich des Erbstatuts) an die Staatsangehörigkeit gerechtfertigt sei. 87 Dabei wird vor allem darauf verwiesen, daß eine stetig steigende Anzahl unter diesen Ausländern bereits seit langer Zeit ihren Aufenthalt in der Bundesrepublik habe. So hätten bereits 1984 ca. 79 BT-Drucks., ebd.; vgl. hierzu Schrader/Nikles/Griese, 96, 112; Ansay/Martiny, 176. 80 Kropholler, 242. 81 Vgl. hierzu z.B. Mansel, Rz. 83; Kegel, IPR, 290-292. 82 Kropholler, ebd. 83 Vgl. Art. 12 des Genfer UN-Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge von 1951. 84 Vgl. § 3 I AsylverfahrensG. 85 V gl. § 1 I des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommener Flüchtlinge vom 22.7.1980. 86 Mansel, ebd. 87 Vgl. Mansel, 557 ff.; Kropholler, 258; Basedow/Diehl-Leistner, 40 ff.

A. Ausgangssituation

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57,4 % der Ausländer länger als 10 Jahre im früheren Bundesgebiet gelebt. Diese Zahl sei danach in den Jahren 1986 und 1989 auf 59,2% bzw. auf knapp 60 % gestiegen. 88 Dementsprechend müsse unter diesen Personen mit einem fortlaufendem Anwachsen des Anpassungsinteresses und einer zunehmenden Entfremdung gegenüber dem Heimatrecht gerechnet werden. Dies gelte insbesondere für die Mitglieder der sog. "zweiten Ausländergeneration" , die zum Teil ihr ganzes Leben in Deutschland verbracht hätten. 89 Aufgrund dieser Entwicklung fordern manche Autoren heute trotz der erst vor einiger Zeit erfolgten IPR-Reform, daß das Heimatrechtsprinzip de lege jerenda durch eine Regelanknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt90 oder zumindest durch eine kombinierte Anknüpfung an Heimat- und Aufenthaltsrecht91 ersetzt werden solle. Diese Vorschläge lehnen sich zum Teil an entsprechende Regelungen in der Haager Erbrechtskonvention an. 92 Deshalb soll her von ihrer Würdigung abgesehen werden, um nicht an dieser Stelle bereits die Bewertung des Haager Abkommens vorwegzunehmen. Daneben werden von anderen Autoren aber auch Möglichkeiten erwogen, wie man das Staatsangehörigkeitsprinzip bereits de lege lata der oben dargelegten rechtstatsächlichen Entwicklung anpassen könne93 : So meint vor allem Mansel trotz seiner grundsätzlichen Befürwortung des Heimatrechtsprinzips94, daß dieses in besonderen Einzelfällen durchbrochen und statt dessen an den inländischen gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft werden müsse. Dies habe nach seiner Auffassung dann zu erfolgen, wenn die gesetzgeberische Vermutung, daß die Staatsangehörigkeit das Recht der engsten Verbindung bezeichne, erwiesenermaßen nicht mehr zutreffe, da sich die Anknüpfungs-

88 Siehe Mansel, Rz. 561; Basedow/Diehl-Leistner, 33 f.; vgl. zu diesen Rechtstatsachen auch Lang, 7. 89 Mansel, ebd. 90 Kropholler, ebd. 91 BasedowlDiehl-Leistner, 41, schlagen für das Personalstatut folgende Anknüpfung vor: Anknüpfung an das Heimatrecht auch bei Aufenthaltsnahme in anderem Staat, solange gewöhnlicher Aufenthalt dort kürzer als fünf Jahre; danach Wechsel zur Anknüpfung an Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes; Ausnahmeklausel in beiden Fällen bei eindeutig engerer Verbindung zu dem jeweils anderen Recht. 92 Dies gilt insbesondere für den obigen Vorschlag von BasedowlDiehl-Leistner, 41. Aber auch Kropholler, 372, sieht die entsprechenden Regelungen des Haager Erbrechtsabkommen als unterstützenswert an. 93 Vgl. Mansel, Rz. 557 ff.; MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 509 f., 518 f. 94 Mansel, Rz. 55 - Rz. 74. 4'

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

person ihrem Heimatland entfremdet habe und mittlerweile vollständig im Inland verwurzelt sei. 95 Im Ergebnis läuft der Vorschlag Mansels damit auf eine Ausweitung der bisher nur bei Mehrstaatem angewandten Effektivitätsprüfung96 auf die Gruppe der Monostaater hinaus. 97 Eine solche Effektivitätsprüfung soll nach der Ansicht Mansels in einem gerichtlichen Verfahren auf Antrag der unmittelbar betroffenen Personen hin vorgenommen werden. Im Falle der Anknüpfung des Erbstatuts hätte diese Prüfung also auf den Antrag der potentiellen Erben hin zu erfolgen. 98 Die Durchführung dieser ausnahmsweisen Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht hält Mansel bereits jetzt de lege lata für zulässig, indem er sie methodologisch als eine teleologische Reduktion des Staatsangehörigkeitsprinzips einordnet. 99

Vergleichbare Konzepte sind bereits aus dem Kollisionsrecht der europäischen Nachbarstaaten Deutschlands bekannt lOO und werden auch von Mansel zur Stützung seines Lösungsansatzes angeführt: So enthält z.B. das schweizerische IPR seit der Reform von 1987 eine allgemeine Ausweichklausel, die für alle Kollisionsnormen des schweizerischen IPRG eine Abweichung von den gesetzlich vorgesehenen Anknüpfungskriterien gestattet, wenn der Sachverhalt offensichtlich eine sehr viel engere Beziehung zu einem anderen Recht hat. 10l Insbesondere aber in den Niederlanden wird von der Rechtsprechung Ebd., Rz. 564-569. Vgl. hierzu ausführlich ebd., Rz. 84 ff.; 97 So auch ausdrücklich ebd., Rz. 568 f. 98 Ebd., Rz. 570. Mansel stellt allerdings die berechtigte Frage, ob durch die erst auf Antrag der potentiellen Erben einzuleitenden Effektivitätsprüfung nicht u. U. das Vertrauen des Erblassers in die Anwendbarkeit eines bestimmten Rechts auf die Erbfolge nach seinem Tode verletzt werden könnte. Mansel läßt dies letztlich offen (vgl. ebd., Rz. 580). 99 Ebd., Rz. 578. Ähnlich aber anscheinend etwas restriktiver gemeint ist der Vorschlag von Sonnenberger: Er meint, daß lediglich in den seltenen Sonderfällen, wo sich aus der Anknüpfung des Personalstatuts an eine bloß "formale" Staatsangehörigkeit völlig sinnwidrige Ergebnisse ergeben würden, tnittels einer teleologischen Reduktion der jeweiligen Kollisionsnorm ganz ausnahmsweise von der Verweisung auf das Heimatrecht abgesehen und an den gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft werden dürfte (MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 509 f., 518 f.; ders., Referat und Thesen, in: Sonnenberger/v.Mangoldt, Anerkennung der Staatsangehörigkeit und effektive Staatsangehörigkeit natürlicher Personen im Völkerrecht und im internationalen Privatrecht, 9 ff., 17 f., 32.). 100 Vgl. hierzu auch Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986 I), 97 ff. 101 Vgl. Art. 15 des IPRG von: "Das Recht, auf welches dieses Gesetz verweist, ist ausnahmsweise nicht anwendbar, wenn der Sachverhalt offensichtlich nach den gesamten Umständen tnit diesem Recht in nur geringem, tnit einem anderen Recht jedoch in viel engerem Zusammenhang steht." Vgl. hierzu Mansel, Rz. 575 m.w.N. 95

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A. Ausgangssituation

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im Bereich des Personalstatuts schon seit längerem von der Regelanknüpfung an das Heimatrecht abgewichen und anstatt dessen das Wohnsitzrecht angewandt, wenn sich die Verbindung zum Heimatrecht als "ineffektiv" bzw. bloß "nominell" darstellt. 102 Dem Vorschlag Mansels ist jedoch entgegenzuhalten, daß sich für eine Ausweichklausel dieser Art im deutschen Kollisionsrecht keine gesetzliche Grundlage finden läßt. Der Gesetzgeber der IPR-Reform hat sich die in diese Richtung zielende Entwicklungen des schweizerischen und niederländischen Kollisionsrechts nämlich gerade nicht zu eigen gemacht. 103 Im Rahmen der IPR-Reform wurden in das deutsche Kollisionsrecht lediglich einzelne spezielle Berichtigungsklauseln integriert, wie z.B Art. 28 V und Art. 31 11 EGBGB, die aber nicht das Personal- bzw. Erbstatut betreffen. Die Schaffung einer allgemeinen Ausweichklausel ist vom Gesetzgeber dagegen als unvereinbar mit dem Gebot der Rechtssicherheit abgelehnt worden. 104 Es ist darüber hinaus auch kaum wahrscheinlich, daß die deutschen Gerichte dem Beispiel der niederländischen Rechtsprechung folgen und selber eine derartige ungeschriebene Ausweichklausel entwickeln würden. Denn im allgemeinen wenden die deutschen Gerichte die Mittel der Rechtsfortbildung im Bereich des internationalen Privatrechts wesentlich zurückhaltender an als im internen materiellen Recht. 105 Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, daß das deutsche IPR eine Durchbrechung des Heimatrechtsprinzips zugunsten des Wohnsitzrechts bei einer "ineffektiven" Staatsangehörigkeit nur in den besonderen Ausnahmefällen der politischen Flüchtlinge o.ä. zuläßt. In allen übrigen Fällen bleibt es dagegen bei der Geltung des Staatsangehörigkeitsgrundsatzes, selbst wenn bei der Anknüpfungsperson in der konkreten Situation kein entsprechendes Kontinuitätsinteresse vorhanden sein sollte.

102 Diese Regel wurde vorrangig für die Anknüpfung des Ehescheidungsstatuts entwickelt. Allerdings bestehen Tendenzen, sie auch auf das Erbstatut auszudehnen. Grundsätzlich wirkt diese Anknüpfungsregel aber nur als einseitige Kollisionsnorm zugunsten des niederländischen Wohnsitzrechts. Dagegen lassen sich bisher nur sehr wenige Fälle nachweisen, in denen die Rechtsprechung auch auf die Anwendung des niederländischen Heimatrechts zugunsten eines ausländischen Wohnsitzrechts verzichtet hat. Siehe zu allem ausführlich: Boele-Woelki, 58 ff.; Stille, 223 ff.; Ebke, RabelsZ 48 (1984), 326 ff.; Mansel, Rz. 560. 103 Kropholler, 242; MünchKomm-Sonnenberger, Rz. 519. 104 BT-Drucks. 10/504, 29. 105 Vgl. die Stellungnahme von Kropholler in der Aussprache des Deutschen Rats für IPR über den Entwurf des Haager Übereinkommens über das auf die Erbfolge anwendbare Recht, Protokoll der Sitzung vom 4. September 1987 in Kehl, S. 25.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

c) Domizilprinzip im anglo-amerikanischen internationalen Erbrecht (1)

Grundsatz: Vorrang des Anpassungsinteresses

Das Domizilprinzip der anglo-amerikanischen Staaten korrespondiert dagegen im Grundsatz eher mit dem Begriff des Anpassungsinteresses. Denn unter dem Domizilprinzip kann die Anknüpfungsperson bei entsprechender Verlagerung des Wohnsitzes selber eine Veränderung der Anknüpfung herbeiführen, ohne daß dazu ein zusätzlicher staatlicher Zustimmungsakt erforderlich wäre. 106 Das anglo-amerikanische Recht definiert den domicile einer natürlichen Person nämlich - zumindest im Prinzip - als denjenigen Ort, wo diese den Schwerpunkt ihrer tatsächlichen Lebensverhältnisse besitzt. 107 Dementsprechend ist für die Begründung eines neuen Domizils (eines sog. "domicile of choice") lediglich die physische Anwesenheit am neuen Aufenthaltsort und die Absicht erforderlich, dort für immer oder auf unbestimmte Zeit wohnen zu bleiben. 108 Dem Domizilprinzip liegt damit also grundsätzlich die Überlegung zugrunde, daß immer an diejenige Rechtsordnung anzuknüpfen sei, welche die Anknüpfungsperson selber als diejenige ihrer engsten persönlichen Verbundenheit gewählt habe. 109 Wie bereits oben erwähnt wurde, entspricht dies zum einen der individualistischen Denktradition des Common Law. lIO Zum anderen kommt dies vielfach auch den Bedürfnissen der Immigranten in den anglo-amerikanischen Einwanderungsstaaten entgegen, welche in der Regel an einer möglichst raschen Integration in die dortige Gesellschaft interessiert sein dürften. 111

106 Loussouarn, Ann. Inst. Dr. int. 62-1 (1987), 321; Law Commission, The Law of Domicile, 11 Fn. 12. 107 Siehe Dicey/Morris, 11. Aufl., Rule 4 (1), S. 116: "A person is, in general, domiciled in the country in which he is considered by English law to have his permanent horne." Ebenso zum amerikanischen Recht Scoles/Hay, 179; vgl. auch Weintraub, 12: "A person's domicile is the place with which he is most closely associated - his 'horne' with all the connotations of that word." 108 So zum britischen Recht Dicey/Morris, 11. Aufl., Rule 10, S. 128 ff. Das amerikanische Recht stellt an die Bleibeabsicht geringere Anforderungen und verlangt insofern lediglich die Absicht, am neuen Aufenthaltsort zumindest für eine gewisse Zeit den Mittelpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse zu begründen; Scoles/Hay , 181, 185; Restatement, Second, Conflict of Laws, § 15 und § 18. 109 Law Commission, The Law of Domicile, 11 Fn. 12: "The basic idea of domicile is that it denotes the country with which a person has the closest ties as a matter of choice." Ebenso de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 111), 407. 110 Graveson, Conflict of Laws, 188; siehe oben 1. Kapitel, A.II.2.b). 111 de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 I1I), 407.

A. Ausgangssituation

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(2) Berücksichtigung des Kontinuitätsinteresses im traditionellen britischen Common Law Zumindest für das britische Recht muß der soeben aufgestellte Grundsatz aber wieder relativiert werden. Verschiedene Elemente des britischen Domizilbegriffs, so wie er im Verlaufe des vergangenen Jahrhunderts von der dortigen Rechtsprechung entwickelt worden ist, spiegeln nämlich eine deutliche Bevorzugung des Kontinuitätsinteresses wieder. Zu deren besserem Verständnis soll hier zunächst ein kurzer Überblick der Regeln vorangestellt werden, mit denen das britische Recht den domicile natürlicher Personen bestimmt. (a) Traditionelle Domicile-Regeln des britischen Common Law Zwar wird der domicile im britischen Recht nach dem oben Gesagten im Prinzip als der Mittelpunkt der tatsächlichen Lebensverhältnisse der Anknüpfungsperson definiert. Jedoch ist zu beachten, daß es sich bei dem domicile des Common Law vornehmlich um einen rechtlich geprägten Begriff ("an idea oj law") handelt. 112 Daher muß der domicile nicht in jedem Fall auf den tatsächlichen Lebensmittelpunkt verweisen. 113 Die Funktion des domicile liegt nämlich darin, jeder natürlichen Person eine bestimmten Rechtsordnung zuzuweisen, deren jeweiligen Rechte und Pflichten sie treffen sollen. 114 Aus diesem Grund stellt das Common Law in Fällen, wo eine Person entweder aus rechtlichen Gründen keinen eigenen domicile oj choice erwerben kann oder wo sie ihren bisherigen Domizil aufgegeben hat, ohne einen neuen domicile oj choice zu erwerben, andere Domizilarten in Form rechtlicher Fiktionen zur Verfügung ("domicile oj origin" und "domicile oj dependency"). Auf diese Weise sollen die entstandenen Anknüpfungslücken geschlossen werden. 115 Demzufolge muß nach den traditionellen Regeln des Common Law zwischen drei verschiedenen Arten des domicile unterschieden werden: dem domicile oj origin, dem domicile oj choice und dem domicile oj dependency.

Dicey/Morris, 11. Aufl., 117. Ebd. 114 Besonders deutlich wird dies von lustice Holmes in der amerikanischen Entscheidung Bergner & Engel Brewing Co. v. Dreyfus, 172 Mass. 154, 157, 51 N.E. 531,532 (1898) ausgesprochen: "... what the law means by domicile is the one technically pre-eminent headquarters, which as a result either of fact or fiction every person is compelled to have in order that by aid of it, certain rights and duties which have attached to it by the law may be determined." 115 Graveson, Conflict of Laws, 190 f. 112

113

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Der domicile of origin wird von jedem Menschen bei seiner Geburt erworben und kann als solcher durch kein nachträgliches Ereignis verändert werden. Bei einem ehelichen Kind, das zu Lebzeiten seines Vaters geboren wird, richtet sich der domicile of origin nach dem domicile des Vaters zum Zeitpunkt der Kindesgeburt. In den übrigen Fällen, d.h. vor allem bei nichtehelichen Kindern, erwirbt das Kind seinen domicile of origin in dem Staat, wo seine Mutter zum Zeitpunkt der Geburt domiziliert war. 116 Der domicile of origin tritt in den Hintergrund, sobald die jeweilige Person entweder einen domicile of dependency oder einen domicile of choice erwirbt. Unter bestimmten Umständen, die sogleich noch näher zu benennen sind, kann er später aber wieder aufleben. Der domicile of dependency kann nur bei solche Personen zum Tragen kommen, denen - wie z.B. bei Minderjährigen - von Rechts wegen die für den Erwerb eines eigenen domicile of choice erforderliche Fähigkeit freier Willensbildung abgesprochen wird. Dementsprechend bestimmt sich der domicile of dependency dieser Personen nach dem jeweiligen domicile ihrer gesetzlichen Vertreter. Eine eigene Bedeutung gegenüber dem domicile of origin erlangt der domicile of dependency aber erst dann, wenn der gesetzliche Vertreter seinen domicile of choice an einen anderen als denjenigen Ort verlegt, wo er ihn zum Zeitpunkt der Geburt der betroffenen Anknüpfungsperson hatte. Ansonsten bleibt maßgeblicher Anknüpfungspunkt für diese Person weiterhin der domicile of origin. 117 Alle übrigen Personen haben die Fähigkeit, einen eigenen domicile of choice erwerben. Erforderlich hierfür sind der tatsächliche Aufenthalt ("residence") in einem bestimmten Gebiet und eine entsprechende Bleibeabsicht ("animus manendi").1l8 Ein Verlust des domicile of choice tritt ein, sobald dessen beiden Voraussetzungen, d.h. residence und animus manendi, gemeinsam aufgegeben werden. Es reicht also z.B. nicht der bloße Aufenthaltswechsel, wenn er nicht von der Aufgabe des bisherigen animus manendi begleitet wird. 1l9 Wird gleichzeitig mit der Aufgabe des alten domicile of choice ein neuer domicile of choice begründet, tritt letzterer an dessen Stelle. Ansonsten lebt für die Zeit, bis ein neuer domicile of choice begründet wird, der ursprüngliche domicile of origin wieder auf. 120 Diese zuletzt genannte Regel wird als .. doctrine of revival" bezeichnet. 116 Dicey/Morris, 11. Aufl., Rule 9, S. 125 ff.; Henrich: Großbritannien, in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 45. 117 Dicey/Morris, 11. Aufl., 149 ff. 118 Ebd., Rule 10, S. 128 ff. 119 McClean, 13. 120 Dicey/Morris, 11. Aufl., Rule 13, S. 147 f.

A. Ausgangssituation

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(b) Wechsel vom domicile of origin zum domicile of choice Diese traditionellen Regeln des Common Law wurden von der britischen Rechtsprechung während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert entwickelt. Die Gerichte wurden dabei von ihrer Vorstellung des typischen britischen Kolonialbeamten geleitet, der in femen Kolonien seine Dienste für die britische Krone verrichtet und dort für eine gewissen Zeit seinen Lebensunterhalt verdient, dabei aber in der ständigen Hoffnung lebt, möglichst bald in seine Heimat zurückzukehren. 121 Dieses Leitbild beruhte zum einen auf der Erfahrung, daß sich die britischen Kolonialbeamten zur damaligen Zeit nur selten in die Gesellschaft des Aufenthaltsstaates integrierten, sondern in der Regel weiter nach ihren gewohnten sozialen und rechtlichen Regeln lebten. Zum anderen wurde es von dem erheblichen KulturgefaIle zwischen den Kolonialgebieten und dem britischen Mutterland geprägt. Die britischen Gerichte des ausgehenden 19. Jahrhunderts nahmen daher an, daß bei den Kolonialbeamten ein großes Interesse daran bestehen würde, während des Auslandsaufenthaltes weiterhin dem heimischen britischen Recht unterstellt zu bleiben. 122 Die britische Rechtsprechung hat versucht, diesem vermuteten - aber nicht selten rein fiktiven 123 - Kontinuitätsinteresse auf der Weise entgegenzukommen, daß sie die Anforderungen an den Wechsel vom heimischen domicile of origin zu einem neuen ausländischen domicile of choice weit heraufschraubte. 124 Die hierfür entwickelten Regeln gelten im englischen Recht auch heute noch fast unverändert fort. So wird dort z.B. von einigen Gerichten auch heute noch verlangt, daß die für den Erwerb eines neuen domicile of choice erforderliche Bleibeabsicht darauf gerichtet sein müsse, für immer ("perpetually") in dem neuen Aufenthaltsstaat wohnen zu wollen. Danach würde also selbst die leiseste Hoffnung, eines Tages in die Heimat zurückkehren zu können, verhindern, daß die Anknüpfungsperson einen domicile of choice im Aufenthaltsstaat begründet. 125 Außerdem werden von

121 Graveson, The Law of Domicile, 160 f.; vgl. hierzu Steel v. Steel (1888) 15 R. 896 ("Nobody in his senses goes ever to Bunnah sine animo revertendi. ") oder Doucet v. Geoghegan (1878) 9 Ch.D. 441,453 ("It is weil known that everyone who goes to India does so for the express purpose of making money and returning to this country as soon as possible. "). 122 Kegel, IPR, 283; Mansel, Rz. 65 f. 123 Graveson, The Law of Domicile, 160. 124 Kegel, IPR, ebd.; vgl. hierzu auch Loussouam, Ann. Inst. Dr. int. 62-1 (1987), 319. 125 Law Commission, The Law of Domicile, 24 m.w.N. Diese Rechtsprechung ist allerdings durch einige jüngere Urteile in Frage gestellt worden. Diese verlangen für die Begründung eines domicile 0/ choice lediglich die Absic;ht, am neuen Aufenthalts-

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

der Rechtsprechung extrem hohe Beweisanforderungen an den Nachweis gestellt, daß der ursprüngliche domicile of origin zugunsten eines neuen domicile of choice aufgegeben wurde. Diese Beweisanforderungen sind wesentlich strenger als diejenigen, welche für den Nachweis eines Wechsels von einem domicile of choice zu einem neuen domicile of choice verlangt werden. 126 Diese Rechtsprechung hat dazu geführt, daß der domicile of origin im Ergebnis praktisch ebenso stabil ist wie das Anknüpfungskriterium der Staatsangehörigkeit. 127 In einem Punkt übertrifft der domicile of origin dabei die Staatsangehörigkeit sogar noch an Beständigkeit. Denn im Gegensatz zu dieser kann der domicile of origin infolge der doctrine of revival zwar vorübergehend außer Kraft gesetzt, aber nie endgültig aufgegeben werden. 128

(3) Rejormentwicklungen in den Commonwealth-Staaten Diese Grundsätze des englischen Common Law sind in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend als veraltet und reformbedürftig empfunden worden. 129 Seit den fünfziger Jahren dieses Jahrhunderts ist deshalb in mehreren Staaten des Commonwealth versucht worden, diese Regeln einer grundlegenden gesetzlichen Reform zu unterziehen. 130 Der erste britische Reformort "auf unbestimmte Zeit" ("indejinitely") bleiben zu wollen. Sie verneinen einen animus manendi nur dann, wenn der Aufenthalt im Ausland von vornherein klar zeitlich befristet ist oder wenn dessen Ende vom vorhersehbaren Eintritt eines zukünftigen Ereignis abhängig ist (vgl. In the Estate of Fuld (No. 3), [1968], 675, 684 f.). Daher ist die Rechtslage im heutigen englischen Recht insoweit unklar (Law Commission, ebd.). 126 Cheshire/North, 11. Aufl., 159 f.; Dicey/Morris, 11. Aufl., 127. Vgl. hierzu den Richter Lord Macnaghten in Winans v. A-G [1904] AC 287, 290: "Its character [d.h. des domicile %rigin (d. Verf.)] is more enduring, its hold stronger and less easily shaken off. " Allerdings besteht im englischen Recht auch beim Wechsel von einem domicile 0/ choice zu einem neuen domicile 0/ choice eine gegen den Erwerb des neuen Domizils sprechende Vermutung, wenn Religion und Kultur des Herkunftslandes deutlich von denen des Aufenthaltsstaates abweichen. Dies gilt nicht nur für Briten, die z.B. nach Indien gehen, sondern auch umgekehrt für Inder, die nach England kommen (siehe Dicey/Morris, 11. Aufl., 137 m.w.N. in Fn. 89-91). 127 Kegel, IPR, ebd.; Kropholler, 233; de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 403, 419. 128 de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 420 m.w.N. 129 Siehe hierzu Graveson, The Law of Domicile, 163 ff. 130 Siehe zum folgenden: McClean, 16 ff.; North, Recueil des Cours 220 (1990 I), 30 ff.; ders., Private International Law Problems, 11 ff.

A. Ausgangssituation

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versuch der Jahre 1954-63 blieb dabei zunächst noch erfolglos. 131 Jedoch kam es in den 70er und 80er Jahren zu einigen wichtigen Gesetzesänderungen in Neuseeland und Australien. 132 Im Jahre 1973 wurden dann auch in Großbritannien zumindest Teilbereiche des Domicile-Rechts reformiert. 133 Weitere Reformen fanden in den 70er Jahren in einigen kanadischen Provinzen statt. 134 In der Republik Irland wurde zu Beginn der 80er Jahre ebenfalls über entsprechende Reformprojekte diskutiert, die allerdings bislang nicht umgesetzt wurden. 135 Mit der Veröffentlichung der Reformvorschläge der britischen Law Commission von 1985 und 1987 136 hat schließlich auch in Großbritannien wieder eine neue intensive Diskussion über eine umfassende Änderung des Domicile-Rechts begonnen. 137 Diese Gesetzesreformen betrafen insbesondere die Rechtsfigur des domicile %rigin. Insofern waren zum einen die oben beschriebenen hohen Anforderungen an die Aufgabe des domicile %rigin zugunsten eines neuen domicile 0/ choice kritisiert worden. 138 Darüber hinaus hatte man bemängelt, daß die doctrine 0/ revival unter bestimmten Umständen zur Anknüpfong an eine Rechtsordnung führen könnte, zu der die Anknüpfongsperson keinerlei Verbindung mehr besitze oder zu der sie sogar nie eine Verbindung besessen

131 Er scheiterte vor allem an der überraschenden und massiven Intervention ausländischer Investoren und Geschäftsleute, die befürchteten aufgrund der neuen Regelungen unter das englische Steuerrecht zu fallen; siehe hierzu Graveson, The Law ofDomicile, 172 f.; Henrich, RabelsZ 25 (1960), 456, 490 ff. 132 Der Uniform Australian Domicile Act wurde in den Jahren 1979-82 von allen australischen Einzelstaaten und Territorien verabschiedet. Der neuseeländische Domicile Act trat 1981 in Kraft. 133 Diese Änderungen wurden durch den Domicile and Matrimonial Proceedings Act von 1973 eingeführt. Sie betrafen insbesondere die Abschaffung des domicile 0/ dependency der Ehefrau. Dieser ist auch durch die australischen und neuseeländischen Reformen sowie durch entsprechende Gesetzesänderungen in Irland und in einigen kanadischen Provinzen abgeschafft worden (vgl. McClean, 24 f.; North, Recueil des Cours 220 (1990 1),36 m.w.N.). 134 Dort erfolgten Reformen im Jahre 1978 aufgrund des Family Law Reform Act in Ontario und Prince Edward Island sowie im Jahre 1983 in Manitoba mittels des Domicile and Habitual Residence Act. 135 Siehe das Working Paper No. 10 (1981) und den Final Report LRC 7 (1983) der Irish Law Reform Commission. 136 Law Commission, The Law of Domicile. 137 Siehe North, Recueil des Cours 220 (1990 I), 43 f. m.w.N.; ders., Private International Law Problems,'16 ff. 138 North, Recueil des Cours 220 (1990 I), 28; Graveson, The Law of Domicile, 168 f.; Law Commission, The Law of Domicile, 24 ff.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

hatte. 139 Dementsprechend sind in Australien und in Neuseeland sowohl die doctrine of revival als auch die besonderen Anforderungen an die Aufgabe des domicile of origin abgeschafft worden. 140 Die britische Law Commission geht insofern sogar noch einen Schritt weiter und empfiehlt in ihren Reformvorschlägen den gänzlichen Verzieht auf die Rechtsfigur des domicile of origin. 141 Die Folge dieser Reformen bzw. Reformvorschläge ist demnach, daß für den Fall, daß die Anknüpfungsperson ihren Aufenthaltsstaat wechselt, es nunmehr solange bei der Anknüpfung an den domicile of choice bleiben soll, bis die Anknüpfungsperson einen neuen domicile of choice im. neuen Aufenthaltsstaat begründet hat. Des weiteren sollen von nun an auch keine besonderen Beweisanforderungen mehr an die erstmalige Begründung eines domicile of choice gestellt werden. 142 Ein zweiter wichtiger Bestandteil der Reformen in Australien und Neuseeland und der Vorschläge der britischen Law Commission besteht in der Verminderung der Anforderungen, die an das subjektive Element des domicile of choice - d.h. an die Bleibeabsieht - gestellt werden. Danach soll es für die 139 Law Commission, The Law of Domicile, 28; North, Recueil des Cours 220 (1990 I), 28 f.; Dicey/Morris, 11. Aufl., 126. Ein "klassisches" Beispiel hierfür ist die Fallkonstellation, die der Sache Udny v. Udny [1869] LR 1 Sc. & Div. 441 (einer Leitentscheidung zur doctrine 0/ revival) zugrunde lag: Der britische Colonel Udny, um dessen domicile es dort ging, war in Italien geboren worden, wo sein Vater als britischer Konsul gearbeitet hatte. Letzterer hatte zu diesem Zeitpunkt allerdings noch einen schottischen domicile. Abgesehen von den drei Jahren zwischen seinem fünfzehnten und achtzehnten Lebensjahr hatte Colonel Udny nie für längere Zeit in Schottland gelebt. Während seiner Ehe lebte er für einige Jahre in London. Später zog er nach Frankreich. Nach dem Tod seiner Frau wechselte er seinen Wohnsitz wieder nach England, wo er einen unehelichen Sohn zeugte und später dessen Mutter heiratete. Nunmehr mußte entschieden werden, wo Colonel Udny zu diesem Zeitpunkt seinen domicile hatte, um festzustellen, welches Recht für die Frage gelten solle, ob sein Sohn durch die nachfolgende Heirat legitimiert worden war. Das britische House of Lords entschied, daß Colonel Udny zu diesem Zeitpunkt einen domicile %rigin in Schottland gehabt habe. Denn dies sei der domicile seines Vaters im Augenblick der Geburt Colonel Udnys gewesen sei. Zwar habe Colonel Udny später einen domicile 0/ choice in England erworben. Doch sei dieser von ihm aufgegeben worden, als er nach Frankreich zog, ohne daß er danach einen neuen domicile 0/ choice erworben habe. Auf diese Weise wurde Colonel Udny also einem Recht unterstellt, mit dem er seit 50 Jahren keine Verbindung mehr gehabt hatte. 140 Australien: Uniform Australian Domicile Act, Section 6 und Section 11; Neuseeland: Domicile Act 1976, Section 11 und Section 12 (siehe McClean, 22 f.). Abgeschafft wurde die doctrine 0/ revival auch in der kanadischen Provinz Manitoba (North, Recueil des Cours 220 (1990 1),47 f. m.w.N.). 141 Law Commission, The Law of Domicile, 43 f. (Empfehlungen Nr. 3, 8, 10 und 13). 142 Ebd., 29; North, Recueil des Cours 220 (1990 1),40.

A. Ausgangssituation

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Begründung eines neuen domicile oj choice nun nicht mehr erforderlich sein,

daß die Anknüpfungsperson für immer ("permanently") in dem neuen

Aufenthaltsstaat leben will. Vielmehr soll es auch ausreichen, wenn sie dort lediglich auf unbestimmte Zeit ("indejinitely") wohnen möchte. 143 Danach wäre es also numnehr unschädlich, daß die Fortsetzung des Aufenthalts im neuen Wohnsitzstaat von gewissen Eventualitäten abhängig gemacht wird, deren Eintritt zum Zeitpunkt der Aufenthaltsnahme noch unsicher ist. 144 Lediglich wenn der Aufenthalt von vornherein einer klaren zeitlichen Befristung unterliegt oder einem zeitlich begrenzten Zweck dient, würde es demnach an der erforderlichen Bleibeabsicht fehlen. 145 (4) Entwicklung im amerikanischen Recht

Eine eigene Entwicklung hat das Anknüpfungskriterium des domicile im Recht der Vereinigten Staaten genommen. Ausgangspunkt waren auch dort die oben beschriebenen traditionellen Regeln des englischen Common Law. Diese wurden von der amerikanischen Rechtsprechung aber schon bald als zu starr und statisch angesehen. Bestimmte Eigenheiten der traditionellen Domieile-Regeln wurden daher von der amerikanischen Rechtsprechung modifiziert. Hierzu gehört zum Beispiel die Abschaffung der doctrine oj revival, die im Gefolge der Leitentscheidung In re Estate oj Jones 146 in den zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts erfolgte. 147 Ferner werden in den U.S.A. heutzutage auch an das subjektive Element des domicile oj choice geringere Anforderungen gestellt als im englischen Recht. Zwar fand sich insofern in der älteren amerikanischen Rechtsprechung ebenfalls noch die Formulierung, daß eine "permanent residence" am neuen Aufenthaltsort beabsichtigt sein müsse. 148 Jedoch verlangt die heute herrschende Meinung hierfür lediglich die

143 Siehe Uniform Australian Domicile Act, Section 9; Domicile Act 1976 (Neuseeland), Section 9; Law Commission, The Law of Domicile, 26, 43 (Empfehlung Nr. 11). 144 So z.B. bei der Absicht fortzuziehen, "falls sich der Gesundheitszustand verschlechtert" oder "falls man einmal reich werden sollte" (Law Commission, The Law of Domicile, 26). 145 Ebd. 146 In re Estate of Iones, 192 Iowa 78, 182 N.W. 227 (1921) 147 Vgl. Scoles/Hay, 201 ff.; Boulanger, 72 f. Daher wird nach amerikanischem Recht der domicile 0/ choice in jedem Fall so lange beibehalten, bis einer neuer domicile 0/ choice begründet worden ist (Firsching: U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 37c, S. 40/41). 148 Siehe Scoles/Hay, 185 m.w.N. in Fn. 3; Weintraub, 16.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Absicht, für eine unbestimmte Zeit bleiben zu wollen. 149 Darüber hinaus wird es im Anschluß an das "Restatement, Second, Conflict of Laws" mittlerweile sogar zunehmend als ausreichend angesehen, daß sich die Anknüpfungsperson an dem neuen Wohnsitz von vornherein nur für eine begrenzte Zeit niederzulassen wünscht. 150 Erforderlich ist nach dieser Auffassung daher allein, daß die Anknüpfungsperson den neuen Aufenthaltsort für diesen Zeitraum zum Mittelpunkt ihrer beruflichen, familiären und sozialen Beziehungen machen möchte. 151 Für diese erhöhte Flexibilität des amerikanischen Domizilbegriffs lassen sich vor allem zwei Ursachen anführen: Zum einen kommen hier die Bedürfnisse eines Einwanderungslandes zum tragen, das eine große Zahl von Immigranten möglichst rasch in den Geltungsbereich des eigenen Rechts einbeziehen möchte. lS2 Zum anderen ist insofern von Bedeutung, daß sich die Konturen des amerikanischen Domizilbegriffs maßgeblich im Rahmen des innerstaatlichen Kollisionsrechts, d.h. im Verhältnis der einzelnen amerikanischen Bundesstaaten untereinander, entwickelt haben. Hierbei haben die hohe Mobilität der Menschen innerhalb der U.S.A. und die relativ geringen Unterschiede im materiellen Recht der einzelnen Bundesstaaten dazu beigetragen, daß die Gerichte der Bindung der Anknüpfungsperson an das Recht des Herkunftsstaates nur eine vergleichsweise geringe Bedeutung beimessen. 153

(5) Zwischenergebnis

Insgesamt betrachtet läßt sich beim anglo-amerikanischen Domizilprinzip also eine deutliche Entwicklung hin zu einer größeren Anknüpfungsflexibilität feststellen. Am weitesten ist hierbei bislang das amerikanische Recht gegangen. Aber auch einige Staaten des britischen Commonwealth haben insoweit mittlerweile fast nachgezogen. In diesen Rechtsordnungen wird dem Gesichtspunkt des Anpassungsinteresses für die Bestimmung des Personalstatuts heutzutage also eindeutig das größere Gewicht beigemessen als dem Kontinuitätsinteresse. Anders ist die Situation dagegen zumindest vorerst noch im engli-

149 Vgl. Weintraub, ebd. ("to rernain for sorne indeftnite time"); Scoles/Hay, ebd. rn.w.N. in Fn. 4. 150 Vgl. Restaternent, Second, Conflict of Laws, § 18: Erforderlich sei die Absicht, "to rnake that place his horne for the time at least". 151 Scoles/Hay, 185 f. rn.w.N.; Weintraub, 16 rn.w.N. 152 Scoles/Hay, 203. 153 Ebd., 186 und 203; Boulanger, 72.

A. Ausgangssituation

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sehen Recht, wo der bislang fortgehende traditionelle Domizilbegriff in mehrerlei Hinsicht weiterhin von einer hohen Anknüpfungsstabilität geprägt ist.

2. Staatsinteressen Bei dem Konflikt zwischen dem Staatsangehörigkeits- und Domizilprinzip spielen - neben der soeben geschilderten unterschiedlichen Bewertung der maßgeblichen Parteiinteressen - häufig auch Staatsinteressen bevölkerungspolitischer Art eine große Rolle. So wurde bereits darauf hingewiesen, daß das Domizilprinzip von den Einwanderungsstaaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises (z.B. von den U.S.A.) auch deshalb bevorzugt wird, um mit seiner Hilfe die Integration der zugewanderten Ausländer in die lokale Gesellschaft zu fördern. 154 Dabei liegt die Entscheidung für das Domizilprinzip umso näher, je mehr Ausländer im Inland leben. Denn umso größer ist dann das Bedürfnis, die Ausländer in die heimische Bevölkerung zu integrieren. 155 Dementsprechend war - wie bereits oben angesprochen- auch im Verlaufe der Diskussion zur deutschen IPR-Reform wiederholt gefordert worden, angesichts der stetig zunehmenden Zahl von Ausländern, die auf Dauer in der Bundesrepublik wohnen, im Interesse einer integrativen Ausländerpolitik dem Wohnsitzprinzip den Vorzug zu geben. 156 Umgekehrt scheinen Auswanderungsstaaten eher dem Staatsangehörigkeitsprinzip zuzuneigen. 157 Sie wollen den emigrierten eigenen Staatsangehörigen auf diese Weise die Fortgeltung des bisherigen Heimatrechts garantieren (wohl um damit deren Bindung zum Heimatstaat aufrechtzuerhalten). Als Beispiele werden hierfür in der Literatur vor allem die klassischen Auswanderungsstaaten Italien und Griechenland genannt, die beide dem Heimatrechts154 Siehe oben 1. Kapitel, A.l1.2.b); vgl. auch Loussouam, Ann. Inst. Dr. int. 62-1 (1987),328 f.; de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 412; Raape/Sturm, 117; Scoles/Hay, 203. 155 Dies ist z.B. mit ein wesentlicher Grund dafür gewesen, warum sich die Schweiz im neuen IPR-Gesetz von 1989 zumindest für die im Inland lebenden Ausländer für das Wohnsitzprinzip entschieden hat (Lucius Huber, 194, 198). Dort betrug der Ausländeranteil an der Wohnbevölkerung im Jahre 1980 14% (vgl. Schaller, in: Universite de Lausanne, Faculte de droit (Hrsg.), Les etrangers en Suisse, Lausanne 1982, 9 f.). 156 Vgl. Flessner, in: Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung, Lausanner Kolloquium, 279; Neuhaus, FamRZ 1981, 742; Neuhaus/Kropholler, RabelsZ 44 (1980), 335; Simitis, StAZ 1976, 14. Eine ähnliche Diskussion gab es in Deutschland bereits zwischen den beiden Weltkriegen, als eine erhebliche Anzahl von Polen und Russen innerhalb der damaligen deutschen Grenzen lebte (vgl. Kegel, IPR, 281). 157 Loussouam, Ann. Inst. Dr. int. 62-1 (1987), 329.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

prinzip folgen. 158 Darüber hinaus kann man - wie oben erwähnt - auch das Deutsche Reich zur Zeit des Erlasses des Bürgerlichen Gesetzbuchs in diese Gruppe von Auswanderungsstaaten einordnen. 159 Wie die obigen Beispiele zeigen, haben derartige bevölkerungspolitische Erwägungen bei der Kollisionsnormbildung also häufig eine gewichtige Rolle gespielt. Jedoch fragt es sich, ob man damit den Zielen des IPR wirklich gerecht wird. Denn im Zentrum der Frage, welches Recht auf das Personalstatut anwendbar ist, sollte die Suche nach derjenigen Rechtsordnung stehen, welcher die Anknüpfungsperson tatsächlich am stärksten verbunden ist, und nicht nach derjenigen, der sie aus bevölkerungspolitischen Überlegungen am meisten verbunden sein sollte. Deshalb spricht einiges für die Erwägung, daß die oben genannten staatlichen Eigeninteressen die Ausgestaltung des Kollisionsrechts nicht beeinflußen sollten. 160 Dies hätte insbesondere im vorliegenden Zusammenhang, d.i. bei der Diskussion um die richtige Anknüpfung des Erbstatuts, zu gelten. Wenn überhaupt, dann können bevölkerungspolitische Motive nämlich allenfalls dort ein gewisses Gewicht entfalten, wo es um rechtliche Fragen geht, die für das Ausmaß der Integration der betroffenen Bevölkerungsgruppen tatsächlich von Bedeutung sind. Hierzu wird man zwar das Familienrecht rechnen können, wohl kaum aber das Erbrecht, da dessen wesentliche Rechtsfolgen - der Natur der Sache entsprechend - grundsätzlich erst nach Tode des Erblassers eintreten.

3. Lex-fori-Anwendung Ein anderer Gesichtspunkt, der bei dem Streit um die richtige Anknüpfung des Personal statuts häufig genannt wird, besitzt jedoch auch für das Erbstatut erhebliches Gewicht. Hiermit sind die praktischen Vorteile des Domizilprinzips gemeint, die daraus folgen, daß dieses öfter zur Anwendung der lex jori führt, da der Wohnsitz häufiger mit dem Gerichtsstand identisch ist als die Staatsangehörigkeit. 161 Auf diese Weise werden unter dem Domizilprinzip die praktischen Schwierigkeiten der Anwendung ausländischen Rechts (z.B. aufwendige Gutachten, hohe Rechtsstreitkosten, lange Verfalrrensdauer) deutlich verringert. Dementsprechend erfolgt die Ermittlung der Rechtslage und Loussouarn, ebd. BasedowlDiehl-Leistner, 19 ff. Siehe oben 1. Kapitel, A.II.1.a). 160 Vgl. Mansel, Rz. 59, der ausländerpolitischen Überlegungen bei der Bestimmung des auf das Personalstatut anwendbaren Rechts allerdings nicht jegliche Bedeutung abspricht, sondern ihnen aus den o.a. Gründen nur eine untergeordnete Rolle zugesteht. 161 Kropholler, 246 f.; Kegel, IPR, 281; Raape/Sturm, 117. 158

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A. Ausgangssituation

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die Rechtsdurchsetzung unter dem Domizilprinzip prinzipiell schneller und kostengünstiger als unter dem Heimatrechtsgrundsatz. 162 Dies liegt zum einen im Interesse der betroffenen Parteien. 163 Zum anderen bestehen insoweit auch entsprechende Verkehrs- und Ordnungsinteressen. l64 Denn die Gerichte, Behörden, Anwälte und Notare sind mit der Anwendung der lex fori in der Regel besser vertraut als mit der eines fremden Rechts. Außerdem ist in diesem Fall die Fehlerquote bei der Rechtsanwendung niedriger. 165 Demzufolge wird der Rechtsverkehr unter dem Domizilprinzip erleichtert und beschleunigt und das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit der Rechtsordnung steigt. Umgekehrt gilt, daß die aus der Anwendung ausländischen Rechts erwachsenden Schwierigkeiten unter dem Staatsangehörigkeitsprinzip mit steigender Ausländerzahl zunehmen. Deshalb gewinnen diese gegen das Heimatrechtsprinzip sprechenden Gesichtspunkte desto mehr an Gewicht, je größer die Zahl der im Inland lebenden Ausländer ist. 166 Angesichts des zunehmenden Ausländeranteils innerhalb der deutschen Bevölkerung sind die genannten praktischen Vorteile der Lex{ori-Anwendung daher auch von einigen Vertretern der deutschen Lehre während der Diskussion zur IPR-Reform als ein Argument für den Übergang zum Domizilprinzip ins Feld geführt geworden. 167 Der deutsche IPR-Reformgesetzgeber ist derartigen Überlegungen jedoch nicht gefolgt. Seiner Ansicht nach ist die als Vorzug des Domizilprinzips hervorgehobene häufigere Geltung des Inlandrechts nämlich kein Gesichtspunkt, der in dieser allgemeinen Form kollisionsrechtIich zu rechtfertigen wäre. Daher konnten ihn diese Vorteile des Domizilprinzips auch nicht von seiner Grundsatzentscheidung zugunsten des Heimatrechtsgrundsatzes abbringen. 168 Raape/Sturm, ebd. Lüderitz, 36, spricht hier vom "Ermittlungsinteresse ". Dieser Begriff greift jedoch etwas zu kurz, da es hierbei nicht nur um die Erleichterung der Ermittlung der Rechtslage geht, sondern auch um die Vereinfachung der Durchsetzung von Rechten. 164 Mansel, Rz. 58. 165 Raape/Sturm, 117; ebenso de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 409. 166 Vgl. Kegel, IPR, ebd. Dies war ein weiterer wichtiger Grund für die Entscheidung des schweizerischen Gesetzgebers zugunsten des W ohnsitzprinzips im IPR-Gesetz von 1989 (vgl. Lucius Huber, 194). 167 Vgl. Grasmann, 258 f.; Simitis, StAZ 1976, 10 ff.; Flessner, in: Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung, Lausanner Kolloquium, 279 - 283. 168 BT-Drucks. 10/504, 31; ebenso Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 66. Eine gewisse Bedeutung gestand der Reformgesetzgeber dem Gesichtspunkt der bevorzugten Lexfori-Anwendung allenfalls im Rahmen der Rückverweisung zu (BT-Drucks., ebd.). Deshalb hat er sich dort für die Regelung entschieden, daß bei einer Rückverweisung des ausländischen Rechts (z.B. der ausländischen Lex patriae) auf deutsches Recht die 162 163

5 Brandi

66

1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

4. Sicherheit, Vorhersehbarkeit und Stabilität der Verweisung a) Allgemeines

Auch das Staatsangehörigkeitsprinzip kann jedoch praktische Vorzüge für sich in Anspruch nehmen. Diese bestehen vorrangig darin, daß das Heimatrechtsprinzip in der Kollisionsrechtsanwendung das größere Maß an Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Anknüpfungsstabilität zu gewährleisten vermag. 169 Damit wird sowohl den Parteiinteressen als auch den Interessen des Rechtsverkehrs insgesamt gedient. Vor allem im Erbrecht besitzen diese Vorzüge eine besondere Bedeutung. Denn der Erblasser, d.i. die insofern wichtigste Partei, kann nach dem Tode auf die Verteilung seines Vermögens keinen Einfluß mehr nehmen. Daher liegt dem Erblasser an einer möglichst großen Vorhersehbarkeit der Anknüpfung, damit er verläßlich über sein Vermögen zu disponieren vermag. Aber auch die übrigen Parteien (Erben und Nachlaßgläubiger) haben entsprechende Interessen. Denn auch ihnen liegt daran, daß der Nachlaß möglichst rasch, ohne Streit und kostengünstig abgewickelt werden kann. Die oben genannten Vorzüge waren mit ausschlaggebend für die Entscheidung des deutschen IPR-Reformgesetzgebers zugunsten der Beibehaltung des Heimatrechtsprinzips.170 Sie waren ferner einer der entscheidenden Gründe dafür, warum die Beibehaltung des Staatsangehörigkeitsprinzips auch von der Mehrheit der Stellungnahmen zur IPR-Reform in der deutschen Literatur171 und insbesondere von Vertretern der NOtarschaft l72 befürwortet worden war. Selbst in der anglo-amerikanischen Kollisionsrechtslehre wird zugegeben, daß der Staatsangehörigkeitsgrundsatz das stabilere und einfacher festzustellende Anknüpfungsprinzip darstellt. 173 Jedoch erscheint aus dortiger Sicht die größere Anknüpfungsflexibilität des Domizilprinzips gleichwohl als vorzugswürdiger .174

Verweisungskette auf jeden Pali beim Inlandsrecht abzubrechen ist (vgl. Art. 412 EGBGB). Siehe hierzu näher unten 1. Kapitel, A.IV.3.b). 169 Dies ist allgemeine Auffassung: vgl. nur Raape/Sturm, 117; Loussouam, Ann. Inst. Dr. int. 62-1 (1987), 325. 170 BT-Drucks. 10/504, 31. 171 Vgl. MPI, RabelsZ 44 (1980), 345; Pirsching, Reform, 209; Kühne, IPRGesetz-Entwurf,66. 172 Vgl. Geimer, DNotZ 1985, Sonderheft, 105. 173 Vgl. Dicey/Morris, 11. Aufl., 168 f.

174 Ebd.

A. Ausgangssituation

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Im einzelnen beruhen die größere Anknüpfungsstabilität und Anknüpfungssicherheit beim Staatsangehörigkeitsprinzips auf drei Gründen. Dies sind einerseits die einfachere Ermittlung des Anknüpfungspunktes und die geringere Gefahr einer Anknüpfungsmanipulation beim Staatsangehörigkeitsprinzip und andererseits die Verschiedenhaftigkeit der Wohnsitzbegriffe in den nationalen Rechtsordnungen. b) Ermittlung des Anknüpfungspunktes

Der Staatsangehörigkeitsgrundsatz kann für sich vor allem in Anspruch nehmen, daß bei ihm die Voraussetzungen des maßgeblichen Anknüpfungskriteriums in der Regel leichter und sicherer festzustellen sind als beim Domizilprinzip.175 Die Frage, ob die Staatsangehörigkeit eines bestimmten Staates erworben worden ist, beurteilt sich nämlich gemäß international einheitlicher Praxis nach dem Recht desjenigen Staates, um dessen Staatsangehörigkeit es geht. 176 Dieses bestimmt daher letztlich auch, welche Anforderungen an den Nachweis des Staatsangehörigkeitserwerbs zu stellen sind. 177 Wird danach der Erwerb der Staatsbürgerschaft an einen formellen staatlichen Verleihungsakt geknüpft (so z.B. bei der Einbürgerung), dann ist als Beweis bloß die entsprechende Urkunde beizubringen. In ähnlicher Weise kann bei einem Staatsangehörigkeitserwerb durch Abstammung dieser durch einfache Vorlage der Geburtsurkunde nachgewiesen werden. Größere Beweisschwierigkeiten treten dagegen dort auf, wo der Staatsangehörigkeitserwerb nicht durch Präsentation einer entsprechenden Urkunde dargelegt werden kann. Dies ist z.B. bei Erwerb einer Staatsbürgerschaft durch Geburt im Staatsgebiet der Fall. Dort muß dann der Nachweis all derjenigen Tatsachen erbracht werden, die für den Staatsangehörigkeitserwerb erforderlich sind. 178 Demnach kann manchmal auch der Nachweis eines Staatsangehörigkeitserwerbs gewisse Schwierigkeiten bereiten. Insgesamt gesehen sind diese aber wesentlich geringer als die Beweisprobleme unter dem Domizilprinzip.

175 BT-Drucks., ebd.; Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 66; Raape/Sturm, 117; Loussouarn, Ann. Inst. Dr. int. 62-1 (1987), 325; skeptisch dagegen de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 404 (angesichts der an Massenvertreibungen und Grenzverschiebungen reichen Geschichte Europas und anderer Teile der Welt sei fraglich, ob die Staatsangehörigkeit tatsächlich im Regelfall einfacher zu ermitteln sei als der Wohnsitz). 176 Staudinger-Blumenwitz, Art. 5 n.F. EGBGB, Rz. 26. 177 Loussouarn, Ann. Inst. Dr. int. 62-1 (1987), 323 f. 178 Loussouarn, ebd.; Firsching, Deutschland, Grundzüge C., Kollisionsrecht, in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 42.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Beim Domizilprinzip ist nämlich für die Ermittlung des anwendbaren Rechts vielfach eine Überprüfung zahlreicher Tatsachenelemente erforderlich. Im anglo-amerikanischen Recht gilt dies namentlich für den Anknüpfungspunkt des domicile oj choice. Dort sind in der Rechtspraxis vor allem beim Nachweis des animus manendi häufig aufwendige Nachforschungen im Privatleben der jeweiligen Anknüpfungsperson erforderlich. 179 Nach bisherigem Recht existieren für die Feststellung der Bleibeabsicht auch keinerlei Beweis- oder Vermutungsregeln. Zwar gibt es bestimmte Indizien, die von der Rechtsprechung verschiedentlich als maßgebend für den Nachweis eines animus manendi beurteilt worden sind (z.B. lange Aufenthaltsdauer, Erwerb von Grundeigentum im Aufenthaltsstaat, Anwesenheit von Ehegatten und Kindern). Jedoch haben diese Indizien nicht in allen Fällen eine ausschlaggebende Bedeutung gehabt. 180 Im anglo-amerikanischen Rechtskreis wurden zudem bislang kaum Versuche zur Begrenzung dieser praktischen Schwierigkeiten unternommen. Die einzige nennenswerte Ausnahme fand sich in der ursprünglichen Fassung der Reformentwürfe der britischen Law Commission aus dem Jahre 1985. Von ihr war dort empfohlen worden, zur Beweiserleichterung für die Ermittlung des domicile oj choice eine gesetzliche Vermutungsregel aufzustellen, wonach bei Vorliegen eines 7-jährigen gewöhnlichen Aufenthaltes im Aufenthaltsstaat ein entsprechender animus manendi widerleglieh vermutet werden sollte. 181 Dieser Vorschlag stieß jedoch auf heftige Kritik. Ihm wurde vorgeworfen, die Gerichte bei der Sachverhaltswürdigung zu sehr einzuschränken. Daher ist er in der endgültigen Fassung der Reformvorschläge der Law Commission aus dem Jahre 1987 nicht mehr enthalten gewesen. 182 c) Verschiedenheit der nationalen Wohnsitzbegriffe

Ein weiterer wichtiger Nachteil des Domizilprinzips ist die unterschiedliche Ausprägung der Begriffe "Wohnsitz" und "Domizil" in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen. 183 Zwar stimmen die meisten Rechte insoweit überein, daß für den eigenständigen Erwerb eines Wohnsitzes bzw. Domizils grundsätzlich zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen, nämlich der Aufenthalt an einem Ort und der Wille, dort zumindest für einen gewissen Zeitraum North, Recueil des Cours 220 (1990 1),30; Cheshire/North, 11. Aufl., 152. Dicey/Morris, 11. Aufl., 136 mit Rechtsprechungsnachweisen und weiteren Beispielen. 181 Vgl. Law Commission, The Law of Domicile, 27; siehe dazu auch North, Recueil des Cours 220 (1990 I), 43 ff. 182 Law Commission, The Law of Domicile, 28. 183 Raape/Sturm, 117; Kropholler, 247. 179 180

A. Ausgangssituation

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bleiben zu wollen. l84 Praktisch alle weiteren Punkte sind jedoch unterschiedlich geregelt. Wie oben anband der divergierenden Entwicklung des Domizilbegriffs im Recht Großbritanniens, der übrigen Commonwealth-Staaten und der U.S.A. gezeigt wurde, macht sich dieses Problem bereits innerhalb des anglo-amerikanischen Rechtskreises bemerkbar. Noch verwirrender wird die Rechtslage aber, wenn man in diesen Vergleich auch andere Rechtsordnungen mit einbezieht. 185 Zwar ist auch der Erwerb der Staatsangehörigkeit praktisch in jedem Recht unterschiedlich geregelt. 186 Daher sieht sich der Rechtsanwender auch beim Staatsangehörigkeitsprinzip mit dem Problem konfrontiert, bei der Überprüfung dieses Anknüpfungspunktes immer wieder andere rechtliche Regeln anwenden zu müssen. Gleichwohl besteht insofern ein entscheidender Unterschied: Beim Domizilprinzip verwendet jedes Gericht für die Feststellung des Wohnsitzes nämlich die Regeln der eigenen lex fori. Daher können Gerichte verschiedener Staaten zu unterschiedlichen Ergebnissen desbezüglich kommen, wo die Anknüpfungsperson ihren Wohnsitz hat. Für das Heimatrechtsprinzip gilt dagegen international einheitlich der bereits oben genannte Grundsatz, daß sich die Frage des Erwerbs oder Verlusts einer Staatsangehörigkeit jeweils nach dem Recht desjenigen Landes richtet, um dessen Staatszugehörigkeit es geht. Dadurch wird garantiert, daß insofern in jeder beteiligten Rechtsordnung ein identisches Ergebnis erzielt wird. Auf diese Weise vermag das Staatsangehörigkeitsprinzip einen internationalen Entscheidungseinklang zu gewährleisten, von dem das Domizilprinzip mit seinen divergierenden nationalen Wohnsitzbegriffen weit entfernt iSt. 187 Dadurch Kropholler. ebd. Vgl. die eindrucksvolle Auflistung der zwischen den einzelnen nationalen Rechten divergierenden Punkte bei Kropholler, 247 f. : "Keine Einigkeit besteht insbesondere über folgende Fragen: ob der Aufenthalt mit einer festen Niederlassung verbunden sein muß oder ob das Umherziehen innerhalb eines bestimmten Bereiches genügt; was für ein Bezirk als Wohnsitz gilt (eine politische Gemeinde. ein Gerichtssprengel. ein Rechtsterritorium als ganzes); wie stark und auf welchen Zeitraum gerichtet der animus manendi sein muß und ob dieser Wille bei einer gewissen Dauer des Aufenthalts (unwiderlegbar?) vermutet wird; welcher Wille zur Aufgabe eines Wohnsitzes erforderlich ist. ...• ob man einen neuen Wohnsitz begründen kann. ohne den bisherigen aufzugeben. und umgekehrt den bisherigen aufgeben kann. ohne einen neuen zu begründen (ob man mehrere Wohnsitze oder keinen haben kann); ob es für bestimmte Zwecke (wie Handelsgeschäfte) einen besonderen Wohnsitz gibt; wieweit Beamte und Soldaten einerseits. beschränkt geschäftsfähige Personen andererseits in der Wahl ihres Wohnsitzes frei sind und - wenn nicht - ob sie einen gesetzlich fIXierten Wohnsitz haben (einen unabänderlichen oder veränderlichen) oder ob jemand anders ihren Wohnsitz bestimmen kann und wer dies ist." 186 So Kegel, IPR, 283. 187 Vgl. Kropholler. 248. 184

185

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

wird die Einfachheit und die Vorhersehbarkeit der Anknüpfung beim Heimatrechtsprinzip in entscheidender Weise gefördert. cl) Anknüpfungsmanipulation

Darüber hinaus bietet das Staatsangehörigkeitsprinzip grundsätzlich weniger Möglichkeiten zu einer Anknüpfungsmanipulation als das DomizilprinZip.188 Unter dem Domizilprinzip reicht es nämlich im Regelfall, den Wohnsitz in eine andere Rechtsordnung zu verlegen, um auf diese Weise einer als lästig empfundenen Regelung des bisher geltenden Rechts aus dem Wege zu gehen. Die größere Anknüpfungsstabilität des Heimatrechtsprinzips macht solche Gesetzesumgehungen dagegen im Grundsatz erheblich schwieriger. 189 Diesem Umstand kommt namentlich im internationalen Personen- und Familienrecht große Bedeutung zu, wo es um die Begründung oder Änderung auf Dauer angelegter Statusverhältnisse geht. l90 Aber auch im Bereich des internationalen Erbrechts kann ein Anreiz zu solchen Anknüpfungsmanipulationen entstehen, so z.B. wenn etwaige Pflichtteilsvorschriften des bislang maßgeblichen Rechts umgangen werden sollen. 191 5. Versagen der Anknüpfungsprinzipien a) Staatsangehörigkeitsprinzip im deutschen Recht

Ein Nachteil des Heimatrechtsprinzips liegt jedoch wiederum darin, daß die Staatsangehörigkeit häufiger als Anknüpfungskriterium versagt, als dies beim Wohnsitzprinzip der Fall ist. Hierbei handelt es sich um die Fälle des Überflusses des Anknüpfungskriteriums (Mehrstaater), seines Mangels (Staa66.

188 Kropholler, 247; MPI, RabelsZ 44 (1980), 345; Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf,

189 Dieser Grundsatz bedarf jedoch einer gewissen Einschränkung. Denn zumindest das gleichfalls dem Domizilprinzip zuzurechnende Anknüpfungskrlterium des "gewöhnlichen Aufenthalts" gestattet es den Gerichten aufgrund seines teilweise wertenden Charakters durchaus, eine allein zu Umgehungszwecken geschaffene Anknüpfung zu mißachten und es bei dem bislang anwendbaren Recht zu belassen. Das wertungsfreie Kriterium der Staatsangehörigkeit ermöglicht jedoch keine derartigen korrigierenden Eingriffe (vgl. Kropholler, 140 f.; Kötters, 87; Ebenroth, Erbrecht, Rz. 1247 f.). Hierauf wird weiter unten im Zusammenhang mit dem Thema der Rechtswahl noch ausführlicher einzugehen sein (siehe unten 3. Kapitel, A.III.2.d)(5)(a». 190 Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 66; so auch der deutsche IPR-Reformgesetzgeber, BT-Drucks. 10/504, 31. 191 Siehe hierzu ausführlich Ebenroth, Rz. 1247 f. und Rz. 1303 ff.

A. Ausgangssituation

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tenlose) und die seines konzeptionellen Versagens wegen der Verweisung auf einen Staat mit mehreren Rechtsordnungen (lokale oder personale Rechtsspaltung). Diese Fälle lassen sich mit der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit alleine nicht lösen, sondern erfordern zusätzliche Elemente der Anknüpfung, um das anwendbare Recht zu bestimmen. Hierin liegt einer der entscheidenden Gründe dafür, warum das Staatsangehörigkeitsprinzip auf internationaler Ebene und vor allem im anglo-amerikanischen Rechtskreis immer wieder heftiger Kritik ausgesetzt ist. 192 Auch vom deutschen IPR-Reformgesetzgeber sind diese Schwierigkeiten bedacht worden. Jedoch machen sie seiner Ansicht nach nicht die Aufgabe, sondern lediglich die Ergänzung des Staatsangehörigkeitsprinzips erforderlich. 193 Daher hat der Reformgesetzgeber für diese Fälle in Art. 5 I, Art. 5 11 und Art. 4 III EGBGB in weitgehender Fortschreibung des bereits vorher geltenden Rechts l94 Sonderregeln aufgestellt, die als Ergänzungsvorschriften zu der jeweiligen auf das Heimatrecht verweisenden Anknüpfungsnorm - hier also zu Art. 25 I EGBGB - heranzuziehen sind. Diese Ergänzungsvorschriften greifen dabei, wie im folgenden näher zu erläutern ist, zumeist wiederum auf Anknüpfungskriterien des Domizilprinzips zurück. (1) Mehrstaater

Hinsichtlich der Mehrstaater unterscheidet das deutsche IPR in Art. 5 I EGBGB zwischen solchen Personen, die zwei oder mehr ausländische Staatsangehörigkeiten besitzen, und Mehrstaatern, deren eine Staatsbürgerschaft die deutsche ist: Im Fall der in Art. 5 I 1 EGBGB geregelten mehrfachen fremden ausländischen Staatsangehörigkeit195 wird das Staatsangehörigkeitsprinzip dahingehend präzisiert, daß an die "effektive" Staatsangehörigkeit anzuknüpfen ist. Als gesetzliche Kriterien für die Bestimmung der effektiven Staatsangehörigkeit werden von Art. 5 I 1 EGBGB die Elemente des "gewöhnlichen Aufenthaltes" und des "Verlaufs des Lebens"196 der betroffenen Person

192 So z.B. de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 378 ff.; Law Commission, Tbe Law of Domicile, 11; ScoleslHay, 172. 193 BT-Drucks. 10/504, 31. 194 Siehe dazu Soergel-Kegel, Vor Art. 7 EGBGB a.F., Rz. 145 ff. und Art. 29 EGBGB a.F., Rz. 7 ff., 23 ff., 55 ff. 195 Siehe hierzu ausführlich Mansel, Rz. 95 - Rz. 111. 196 Mit letzterem Kriterium will der Gesetzgeber ermöglichen, daß nicht nur die bisherige, sondern auch die für die Zukunft· geplante Entwicklung der Lebens-

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

vorgegeben. Zwar ist diese Aufzählung nach dem Willen des Gesetzgebers nicht abschließend gemeint. 197 Gleichwohl wird dem Merkmal des gewöhnlichen Aufenthaltes insofern in aller Regel die ausschlaggebende Bedeutung zukommen. 198 Ist hingegen von den beteiligten Staatsangehörigkeiten eine die deutsche, so gibt gemäß Art. 5 I 2 EGBGB letztere den Ausschlag. Mit dieser Regelung ist der Gesetzgeber zu einer für lange Zeit vor der IPR-Reform von der herrschenden Meinung vertretenen, zuletzt aber vom BGH aufgegebenen Lösung zurückgekehrt. 199 Sie wurde von ihm aus Gründen der Rechtssicherheit und Praktikabilität gewählt. 2oo Diese Norm wird von der Literatur allerdings zu Recht heftig kritisiert. Sie verstößt mit ihrer strikten Bevorzugung der deutschen Staatsangehörigkeit nämlich vor allem gegen das dem Heimatrechtsprinzip zugrundeliegenden Bestreben, im Interesse der betroffenen Partei so weit wie möglich an das Recht der jeweiligen engsten persönlichen Verbindung anzuknüpfen. 201

(2) Staatenlose Bei Staatenlosen und bei Personen mit definitiv ungeklärter Staatsangehörigkeit ist die Anknüpfung an eine gegenwärtige Staatsangehörigkeit uomög-

verhältnisse der betroffenen Person berücksichtigt werden kann (vgl. BT-Drucks. 10/504, 41). 197 Arg. e. "insbesondere" in Art. 5 I 1 EGBGB. Weitere zu berücksichtigende Elemente sind z.B. die Ausübung politischer Rechte, die Erfüllung der Wehrpflicht sowie das Bestehen persönlicher, beruflicher oder sonstiger Bindungen (Kropholler, 235; vgl. auch MünchKomm-Sonnenberger, Rz. 4 m.w.N.). 198 Kropholler, ebd. 199 Vgl. Nachweise bei MünchKomm-Sonnenberger, Rz. 8 f.; Mansel, Rz. 112 Rz. 118. 200 BT-Drucks. 10/504, 40 f. Insbesondere soll sich die standesamtliche Praxis diese Vorschrift gewünscht haben (ebd.). Hierzu merkt Kropholler zutreffend kritisch an, daß sich das IPR im Bereich des Personalstatuts nicht so sehr an den Belangen der Standesbeamten ausrichten sollte als an denen der betroffenen Menschen (Kropholler, 236, Fn. 19) .. 201 Kropholler, 236 m.w.N. Darüber hinaus trägt diese Regelung im Bereich des Familien- und Personenrechts dazu bei, "hinkende", d.h. einseitig unwirksame Statusrechtsverhältnisse zu schaffen. Denn in vielen ausländischen Kollisionsrechtsordnungen besteht ebenfalls die Tendenz, im Falle der mehrfachen Staatsangehörigkeit jeweils die eigene inländische Staatsangehörigkeit zu bevorzugen (MünchKommSonnenberger, Rz. 11).

A. Ausgangssituation

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lich. 202 Das deutsche IPR knüpft in solchen Fällen daher statt dessen an den gewöhnlichen Aufenhalt oder hilfsweise an den schlichten Aufenthalt an. Dies ergibt sich zum einen aus den einschlägigen internationalen Übereinkommen, denen Deutschland beigetreten ist, so z.B. aus Art. 12 I des New Yorker Übereinkommen über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 und aus Art. 12 I der Genfer Flüchtlingskonvention. 203 Für die verbleibenden Fälle folgt dies aus Art. 5 11 EGBGB.204

(3) Lokale oder personale Rechtsspaltung Das Staatsangehörigkeitsprinzip verursacht weitere Probleme, wenn auf eine Rechtsordnung verwiesen wird, in der eine lokale205 oder personale206 Rechtsspaltung herrscht. Ähnlich wie bei Mehrstaatem bedarf es in diesen Fällen einer Präzisierung des anwendbaren Rechts, die das Staatsangehörigkeitsprinzip aus sich selbst heraus nicht zu leisten vermag. In Anlehnung an die in Haager Abkommen übliche Regelung207 wird hier von Art. 4 III EGBGB208 in folgender Weise unterschieden: 202 Die Anknüpfung an eine frühere Staatsangehörigkeit durch die ursprüngliche Fassung des Art. 29 EGBGB a.F. wurde schon 1938 aufgegeben, da sie im Falle der russischen Emigranten und vieler anderer von den Nachkriegswirren betroffenen Personen zu unangemessenen Ergebnissen geführt hatte (MünchKomm-Sonnenberger, Rz. 17 ff.). 203 An sich verwenden diese Übereinkommen nicht den Begriff "gewöhnlicher Aufenthalt", sondern denjenigen des "Wohnsitzes". Allerdings wird letzterer in den Abkommen selber nicht näher definiert, so daß seine Auslegung den Vertragsstaaten überlassen bleibt. Von der h.M. im deutschen IPR wird dieser Begriff daher nicht als ''Wohnsitz'' im Sinne des deutschen materiellen Rechts, sondern als "gewöhnlicher Aufenthalt" interpretiert (Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum IPRReformgesetz, BT-Drucks. 10/504, 41). Mit dieser Auslegung soll dem Gebot der autonomen Auslegung dieser Abkommen entsprochen und deren international einheitliche Anwendung erleichtert werden (Kropholler, 238). 204 Gemäß Art. 3111 EGBGB haben die o.a. Übereinkommen in ihrer Eigenschaft als internationale Staatsverträge Vorrang vor den nationalen deutschen Kollisionsvorschriften. Art. 5 11 EGBGB greift also nur in den wenigen Fällen, wo diese Übereinkommen nicht anwendbar sind (vgl. MünchKomm-Sonnenberger, Rz. 24). 205 Dieser Begriff bezeichnet den Fall, daß verschiedenes Recht in verschiedenen Teilen des Staatsgebietes gilt, so z.B. in den U.S.A., wo die Gesetzgebungskompetenz für weite Teile des Privatrechts bei den einzelnen Bundesstaaten liegt. 206 Hier gilt unterschiedliches Recht für verschiedene Personengruppen (z.B. für Mitglieder unterschiedlicher Religionsgemeinschaften), die dem betroffenen Staat angehören. 207 Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung zum IPR-Reformgesetz, BT-Drucks. 10/504,39. Hingewiesen wird dort auf Art. 14 des Haager Übereinkommens über die

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Art. 4 III 1 EGBGB regelt den Fall, daß der ausländische Mehrrechtsstaat selber ein gesamtstaatliches interlokales bzw. interpersonales Kollisionsrecht besitzt, das den Anwendungsbereich der jeweiligen Partikularrechte festlegt. Beispiele für Staaten mit lokaler Rechtspaltung, wo ein einheitliches interlokales Privatrecht existiert sind u.a. Spanien209 und Mexiko. 21o Hier bestimmt Art. 4 III 1 EGBGB211, daß im Falle der Verweisung auf einen solchen Mehrrechtsstaat dessen interlokalem bzw. interpersonalem Kollisionsrecht Folge zu leisten und an die von ihm als maßgeblich bestimmte Teilrechtsordnung anzuknüpfen ist. In anderen Mehrrechtsstaaten sind solche gesamtstaatlichen Kollisionsnormen jedoch nicht vorhanden. Hierzu gehören insbesondere die angelsächsischen Mehrrechtsstaaten mit lokaler Rechtsspaltung, wie z.B. die U.S.A.212 und das Vereinigte Königreich. 213 Dort legen die lokalen Partikularrechte selber ihren jeweiligen Anwendungsbereich fest. Deshalb kann man hier aus deutscher Sicht nicht dem ausländischen interlokalen Privatrecht folgen, weil es davon mehrere gibt und man daher nicht weiß, welchem man folgen Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiete des Schutzes von MindeIjährigen vom 5.10.1961, auf Art. 111 des Haager Übereinkommens über das auf die Form letztwilliger Verfügungen anzuwendende Recht vom 5.10.1961 und Art. 16 des Haager Übereinkommens über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht vom 2.10.1973. 208 Der Anwendungsbereich des Art. 4 III EGBGB erstreckt sich allerdings nicht nur auf die Fälle, wo das deutsche IPR dem Staatsangehörigkeitsgrundsatz folgt (wie z.B. in Art. 25 I EGBGB), sondern allgemein auf alle Fälle, wo eine deutsche Kollisionsnorm auf einen ausländischen Mehrrechtsstaat verweist. Siehe ausführlich zu Art. 4 III EGBGB: Hans Stoll, FS Keller, 511 ff. 209 Vgl. Jayme, RabelsZ 55 (1991), 303 ff.; ders., IPRax 1989, 287 f. 210 Vgl. Prinz v. Sachsen-Gessaphe, Das mexikanische internationale Erbrecht und seine Bedeutung für deutsch-mexikanische Nachlaßfälle (1987). 211 Bei der Anknüpfung durch Art. 25 I EGBGB an die Staatsangehörigkeit spielt die einschränkende Voraussetzung des Art. 4 III 1 EGBGB keine Rolle, die besagt, daß das ausländische gesamtstaatliche Kollisionsrecht für interlokale Kollisionsfälle nur dann anzuwenden sei, wenn die deutsche Kollisionsnorm nicht bereits selber die maßgebende Teilrechtsordnung bezeichnet. Hierbei dachte der IPR-Reformgesetzgeber vielmehr an "territoriale" Anknüpfungskriterien, wie z.B. den gewöhnlichen Aufenthalt oder den Lageort einer Sache. (Vgl. BT-Drucks. 10/504, 40; MünchKomm-Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rz. 86f). 212 Firsching: U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 35d m.w.N. 213 Vgl. Graveson, Conflict of Laws, 3; Cheshire/North, 12. Aufl., 9. Das "Vereinigte Königreich" umfaßt neben England, Wales und Schottland (diese drei zusammen bilden "Großbritannien") auch Nordirland, die Kanalinseln, die Isle of Man sowie die britischen Kolonien. In den verschiedenen Gebieten des Vereinigten Königreich gilt z.T. immer noch unterschiedliches Privatrecht (Kegel, IPR, 23).

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soll.214 Falls Art. 25 I EGBGB für die Anknüpfung der Erbfolge auf das Recht eines solchen Gesamtstaates verweist, muß das deutsche IPR demzufolge von sich aus die anwendbare Teilrechtsordnung bestimmen. Gemäß Art. 4 III 2 EGBGB ist hierfür an diejenige Teilrechtsordnung anzuknüpfen, mit welcher der Sachverhalt (hier: die Person des Erblassers215 ) am engsten verbunden ist. Im Falle der personalen Rechtsspaltung wird die Anknüpfung an das Heimatrecht dabei in der Weise konkretisiert, daß hiermit das Recht der jeweiligen religiösen bzw. ethnischen Gruppe gemeint ist, welcher die betroffene Person angehört. 216 Bei einer lokalen Rechtsspaltung zieht die h.M. dagegen für die Auslegung des Begriffs der "engsten Verbindung" die für Mehrstaater (vgl. Art. 5 I 1 EGBGB) geltenden Grundsätze heran. Demzufolge ist nach ihrer Auffassung in der Regel an dasjenige lokale Partikularecht anzuknüpfen, in dem die betroffene Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. 217 Eine Mindermeinung, welche vor allem vor der IPR-Reform weitverbreitet war218 , die aber auch heute noch einige Vertreter besitzt219 , will für die Konkretisierung der Verweisung demgegenüber auf diejenigen Rechtseinrichtungen zurückgreifen, die innerhalb des Mehrrechtsstaates für die Zuordnung der Anknüpfungsperson zu einem Partikularrecht gebräuchlich sind. So will diese Auffassung z.B. im Fall der U.S.A. die Zuordnung der Anknüpfungsperson zur jeweiligen einzelstaatlichen Rechtsordnung mittels der "state citizenship" bzw. mittels des domicile vornehmen. 220 Trotz ihres unterschiedlichen syste214 Kegel, IPR, 259. 215 Die Formulierung des Art. 4 III 2 EGBGB, soweit dort allgemein auf die engste Verbindung des "Sachverhalts" abgestellt wird, wird als wenig geglückt angesehen. Vielmehr ist nach h.M. in Fällen wie dem hier vorliegenden, wo es um die Konkretisierung einer personalen Anknüpfung geht, maßgebend, mit welcher Teilrechtsordnung die jeweilige Anknüpfungsperson die engste Verbindung besitzt. Vgl. Kropholler, 177; MünchKomm-Sonnenberger, Rz. 89; Hans StolI, FS Keller, 521; ders., Bemerkungen zu den Vorschriften über den "Allgemeinen Teil" im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Neuregelung des IPR (Art. 3-9, 11-12), IPRax 1984, 1, 3. 216 MünchKomm-Sonnenberger, Rz. 96. 217 MünchKomm-Sonnenberger, Rz. 91; Kropholler, 177; Kegel, IPR, 260; Hans StolI, FS Keller, 521; so auch der Reformgesetzgeber in seiner Gesetzesbegrundung, BT-Drucks. 10/504, 40. 218 Siehe die ausführlichen Rechtsprechungsnachweise bei MÜfichKomm-Sonnenberger, Rz. 91 Fn. 148; vgl. auch Firsching: U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 37c. 219 Vgl. Firsching, Einführung in das internationale Privatrecht, 85; AretzlKorth, Internationales Privat- und Verfahrensrecht, 13. 220 Firsching: U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 37b; ders., Einführung in das internationale Privatrecht, 85; Aretz/Korth, ebd. Das U.S.-

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

matischen Ausgangspunktes wird diese Mindermeinung allerdings in den meisten Fällen wohl auf das gleiche Ergebnis wie die herrschende Auffassung hinauslaufen. 221

b) Domizilprinzip im anglo-amerikanischen Recht

Die beim Staatsangehörigkeitsprinzip möglichen Probleme des Überflusses oder des Mangels an Anknüpfungspunkten können bei dem Domizilprinzip des anglo-amerikanischen Rechts nicht entstehen. Dort gilt nämlich der Grundsatz, daß jeder Mensch einen domicile hat und daß niemand - zumindest für den gleichen Anknüpfungszweck - mehr als einen domicile haben kann. 222 In der Praxis wird die Einhaltung dieses Grundsatzes durch die oben dargelegten materiellrechtlichen Regeln des anglo-amerikanischen Domizilbegriffs garantiert. 223 Das Problem eines mehrfachen oder fehlenden domicile gibt es im anglo-amerikanischen Recht demnach nicht. Auch der Fall der Verweisung auf ein Rechtssystem mit lokaler Rechtsspaltung bereitet beim Domizilprinzip keine Probleme. Während nämlich das "personale" Anknüpfungsmerkmal der Staatsangehörigkeit die Zugehörigkeit einer Person zu dem Personenverband aller Staatsangehörigen beschreibt und damit immer auf das gesamte Staatsgebiet verweist, bezieht sich der "territoriale"224 Begriff des Wohnsitzes bzw. des domicile zunächst nur auf den amerikanische Recht kennt neben der Bundeszugehörigkeit (''federal citizenship") auch eine Einzelstaatszugehörigkeit ("state citizenship"). Dabei ist an den Erwerb der jederal citizenship automatisch auch ein Erwerb der state citizenship desjenigen Bundesstaates gekoppelt, in dem die betroffene Person ihren domicile hat. Dementsprechend erfolgt die Zuordnung der Anknüpfungsperson zu einer Teilrechtsordnung innerhalb der U.S.A. mittels der state citizenship bzw. mittels des domicile. Siehe hierzu allgemein Firsching: U.S.A., in: FeridiFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 37a; Scoles/Hay, 173. Für den Fall, daß ein amerikanischer Erblasser mit letztem Domizil in den U.S.A. verstorben ist, will obige Mindermeinung die Verweisung auf das Heimatrecht somit dahingehend konkretisieren, daß an das Recht der state citizenship und damit also an das Recht des domicile zum Todeszeitpunkt anzuknüpfen sei (Firsching, ebd.; Aretz/Korth, ebd.) 221 Vgl. z.B IPR-Gutachten 1978, Nr. 39 (München), 419; IPR-Gutachten 1987/88, Nr. 47 (Berlin) , 454. Im Interesse einer einheitlichen Auslegung des Art. 4 III 2 EGBGB für alle Mehrrechtsstaaten erscheint allerdings die herrschende Meinung vorzugswürdig. 222 Cheshire/North, 11. Aufl., 143; Restatement, Second, Conflict of Laws, § 11 (2). 223 Siehe oben 1. Kapitel, A.III.1.c)(2)(a). 224 Zu den Prinzipien der "Personalität" und "Territorialität" im IPR siehe Kropholler, 131 ff.; Etter, 12 ff., 159 ff.

A. Ausgangssituation

77

Ort, wo die Anknüpfungsperson wohnt. Dadurch eignet sich dieses Anknüpfungskriterium auch dazu, in Staaten mit einer lokalen Rechtsspaltung die jeweils maßgebliche lokale Gebietseinheit mit eigener Rechtsordnung zu bestimmen. 225 Für viele Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises (wie z.B. die U.S.A. und Großbritannien) stellt dies einen der entscheidenden Gründe für die Beibehaltung des Domizilprinzips dar. 226 Schwierigkeiten können unter dem Domizilprinzip allerdings bei der Verweisung auf ein System mit personaler Rechtsspaltung entstehen. Da der domiciLe - wie bereits erwähnt - die Zugehörigkeit einer Person zu einem bestimmten geographischen Territorium beschreibt, versagt dieses Anknüpfungsmerkmal nämlich, wenn innerhalb dieses Territoriums für verschiedene Bevölkerungsgruppen unterschiedliche Rechtsordnungen gelten. 227 Die englische Rechtsprechung versucht dieses Problem dadurch zu lösen, daß sie soweit vorhanden - den interpersonalen Kollisionsnormen des Domizilstaates folgt und auf diese Weise dasjenige Gruppenrecht, welches von dem ausländischen interpersonalen Kollisionsrecht für anwendbar erklärt wird, als die maßgebliche Lex domicilii ansieht. 228 Der gleichen Methode folgt die Rechtsprechung in Irland, Schottland, den meisten kanadischen Provinzen229 und Australien. 23o In den Vereinigten Staaten wurden zwar vergleichbare Fälle bislang noch nicht entschieden. Jedoch wird angenommen, daß sich die Gerichte auch dort der Vorgehensweise der britischen Gerichte anschließen würden. 231

Cheshire/North, 11. Aufl., 143; Kropholler, 246. Law Commission, The Law of Oomicile, 11; Scoles/Hay, 172. 227 Loussouam, Ann. Inst. Or. int. 62-1 (1987), 332. 228 Kotia V. Nahas (1941) A.C. 403, 412 ff.; Antwort Großbritanniens in: Replies of the Governments to the Questionnaire, Oocument of May-June 1972, Auszug aus: Proceedings (1972), Twelfth Session, Bd. II, Administration of Estates, II-67 ff.; neu abgedruckt in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd. II, 85 f. m.w.N .. 229 Antworten der Staaten in: Replies of the Governments to the Questionnaire, Ooc. of May-June 1972, Auszug aus: Proceedings (1972), Twelfth Session, Bd. II, Administration of Estates, H-67 ff.; neu abgedruckt in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. H, 76 (Irland), 92 (Schottland), 63 (Kanada). 230 Haque v. Haque (No 1) (1962) 108 CLR 230; Antwort Australien in: Additional Replies of Governments to the Questionnaire, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. II, 163. 231 Antwort der Vereinigten Staaten in: Replies of the Governments to the Questionnaire, Ooc. of May-June 1972, Auszug aus: Proceedings (1972), Twelfth Session, Bd. II, Administration of Estates, H-67 ff.; neu abgedruckt in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. II, 68 m.w.N .. 225

226

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip? 6.Zusanunenf~ung

Hinsichtlich der jeweiligen Vor- und Nachteile von Domizilprinzip und Staatsangehörigkeitsgrundsatz läßt sich an diesem Punkt also folgendes Ergebnis festhalten: Beide Prinzipien streben danach, die Rechtsverhältnisse der betroffenen Person an dasjenige Recht anzuknüpfen, mit dem diese Person am engsten verbunden ist. Dabei genießt das Staatsangehörigkeitsprinzip den Vorteil der größeren Anknüpfungsstabilität. Das Domizilprinzip hat demgegenüber den Vorzug der größeren Flexibilität. Durch seine höhere Stabilität erzielt das Staatsangehörigkeitsprinzip häufig die sachgerechteren Ergebnisse, wenn die jeweilige Anknüpfungsperson im Falle einer - vielleicht nur kurzfristigen - Verlagerung ihres Lebensmittelpunktes in eine andere Rechtsordnung weiterhin nach ihrem bisherigen Heimatrecht beurteilt werden möchte ("Kontinuitätsinteresse"). Gleiches mag gelten, falls zwischen dem Herkunftsland und dem neuen Aufenthaltsstaat ein erhebliches Kulturgefälle besteht. Umgekehrt kommt das Domizilprinzip in der Regel mehr dem Interesse derjenigen Menschen entgegen, die nach einer Auswanderung möglichst rasch dem Recht des neuen Aufenthaltsstaat unterstellt werden wollen ("Anpassungsinteresse"). Allerdings muß insofern zwischen den einzelnen nationalen Domizilbegriffen differenziert werden. Denn insbesondere im englischen Recht verbindet sich mit der Rechtsfigur des domicile 0/ origin eine Anknüpfungsstabilität, die zum Teil noch diejenige des Staatsangehörigkeitsprinzips übertrifft. Die größere Stabilität des Staatsangehörigkeitsprinzips stellt auch einen praktischen Vorteil desselben dar, weil sie Anknüpfungsmanipulationen erschwert. Daneben hat der Heimatrechtsgrundsatz auch die Vorzüge der größeren Rechtssicherheit und der einfacheren Anwendbarkeit (leichtere Ermittlung des Anknüpfungspunktes, Schillern des Wohnsitzbegriffes). Ein entscheidender Nachteil des Staatsangehörigkeitsprinzips ist jedoch sein Versagen in den drei wichtigen Fällen der Mehrstaater, der Staatenlosen und der lokalen Rechtsspaltung. In diesen Fällen muß das Staatsangehörigkeitsprinzip auf Ergänzungsvorschriften zurückgreifen, die zum Teil wiederum dem Domizilprinzip entlehnt sind (z.B. gewöhnlicher oder schlichter Aufenthalt). Das Domizilprinzip kennt dagegen keine solchen Probleme (mit Ausnahme des Falls der personalen Rechtsspaltung), was ihm als Vorteil anzurechnen ist. Darüber hinaus hat das Domizilprinzip einen entscheidenden Vorzug für Staaten mit hohem Ausländeranteil, da es dort vergleichsweise häufiger zur Anwendung des Forumsrechts führt und damit die erheblichen praktischen Probleme der Anwendung ausländischen Rechts vermeiden hilft. Die Vor- und Nachteile dieser beiden Anknüpfungsprinzipien halten sich also in etwa die Waage. Eine abstrakte Entscheidung für das eine oder andere ist kaum möglich und soll daher hier auch nicht unternommen werden. Auf

A. Ausgangssituation

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die meisten der oben angesprochenen Punkte wird jedoch wieder am Ende dieses Kapitels zurückzukommen sein. Dort soll dann geprüft werden, ob und inwieweit die Regelungen der Haager Erbrechtskonvention zur objektiven Anknüpfung des Erbstatuts einen sinnvollen Kompromiß zwischen dem Staatsangehörigkeits- und Domizilprinzip darstellen.

IV. Durchbrechung der Anknüpfungsprinzipien im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs 1. Allgemeines: Positiver und negativer Kompetenzkonflikt Bevor allerdings die im Haager. Erbrechtsabkommen zur Behebung des Konfliktes zwischen dem Staatsangehörigkeits- und dem Domizilprinzip gewählte Lösung vorgestellt werden soll, erscheint es sinnvoll, sich zunächst noch einen Eindruck davon zu verschaffen, wie mit diesem Konflikt im geltenden nationalen IPR umgegangen wird. Ein solcher Konflikt kann im Verhältnis zwischen Deutschland und den U.S.A. bzw. England grundsätzlich in zwei verschiedenen Fallkonstellationen auftreten232 : Die erste Fallkonstellation soll hier als "positiver Kompetenzkonflikt"233 bezeichnet werden und beschreibt damit die Situation, daß beide beteiligten Rechtsordnungen an sich ihr eigenes materielles Erbrecht angewandt sehen wollen. Dies würde z.B. in dem Fall eintreten, daß ein deutscher Erblasser mit Wohnsitz bzw. domicile in den U.S.A. (bzw. England) verstirbt und nur bewegliches Nachlaßvermögen hinterläßt. Hier wäre aus deutscher Sicht gemäß Art. 25 I EGBGB deutsches Erbrecht anwendbar. Nach dem amerikanischen bzw. englischen Kollisionsrecht würde dagegen das Erbrecht des Wohnsitzstaates Anwendung finden. Die umgekehrte Fallkonstellation wird durch den Begriff des "negativen Kompetenzkonfliktes"234 beschrieben. Sie meint den Fall, daß keine der beteiligten Rechtsordnungen ihr eigenes Erbrecht angewandt sehen will, sondern beide jeweils auf die andere Rechtsordnung verweisen: so zum Beispiel, wenn ein amerikanischer bzw. englischer Staatsangehöriger mit Domizil in Deutschland verstirbt. Dort würde das deutsche IPR für die Regelung der Erbfolge nämlich auf das amerikanische bzw. englische Heimatrecht verweisen, dieses hingegen auf das deutsche Domizilrecht. 232 Im Interesse der Vereinfachung werden hier nur diese beiden folgenden Fallkonstellationen behandelt. In Wirklichkeit sind natürlich neich weitere Variationsmöglichkeiten denkbar, in denen drei oder mehr Rechtsordnungen betroffen sind. 233 Begriff nach Kropholler, 160.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Für den soeben beschriebenen Fall des positiven Kompetenzkonfliktes besteht unter dem geltenden Recht bislang keine Lösung. Sowohl die deutschen als auch die amerikanischen bzw. englischen Gerichte würden hier also ihr eigenes materielles Recht heranziehen, ohne dabei den Anwendungswillen des jeweils anderen beteiligten Rechts zu berücksichtigen. Aus Sicht des deutschen Rechts wäre in dieser Fallkonstellation insbesondere nicht die Regelung des Art. 3 III EGBGB ("Vorrang des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut") anwendbar, die unter bestimmten Umständen dem Anwendungswillen eines ausländischen Rechts Vorrang gewähren kann. Art. 3 III EGBGB greift nämlich nur dann ein, wenn das ausländische Recht für bestimmte Formen von Sondervermögen Geltung beansprucht und diese aus dem Anwendungsbereich des allgemeinen Personalstatuts herausnimmt. Dies ist z.B. der Fall, wenn das ausländische Recht dem Grundsatz der Nachlaßspaltung folgt und daher für im Inland belegene Grundstücke die eigene Lex rei sitae angewandt sehen will. 235 Art. 3 III EGBGB gilt nach allgemeiner Auffassung jedoch nicht, falls das ausländische Recht für einen Teil des Nachlasses ohne Rücksicht auf dessen Belegenheit ein anderes Erbstatut beruft, als es das deutsche IPR tut, d.h. wenn es z.B. die gesamte bewegliche Habe dem Recht des Erblasserdomizils unterstellt. 236 Das Problem des negativen Konpetenzkonfliktes wird dagegen sowohl im deutschen als auch im anglo-amerikanischen Kollisionsrecht in der Regel mit Hilfe des renvoi gelöst. Hierbei wird im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs von der einen Rechtsordnung die Rückverweisung durch die andere Rechtsordnung angenommen. Im einzelnen gehen das deutsche, englische und amerikanische Kollisionsrecht an diesem Punkt jedoch unterschiedliche Wege. Dies soll im folgenden näher dargelegt werden. 2. Renvoi im anglo-amerikanischen internationalen Erbrecht a) England

Zu der Frage, ob die englische Konfliktregel, wonach die Erbfolge in den beweglichen Nachlaß dem Recht des Erblasserdomizils unterliegt, eine reine Sachnorm-Verweisung oder eine Gesamtverweisung ist, die auch eine Berücksichtigung des Kollisionsrecht des Domizilstaates gebietet, ist die Rechtslage in England auch heute noch von einer gewissen Unsicherheit geprägt. Denn bisher hat sich dort zum Problem des renvoi - auch jenseits des Begriff nach Kropholler, ebd. Siehe hierzu näher unten (2. Kapitel, A.IV.2.b)(2». 236 MünchKomm-Sonnenberger, Art. 3 EGBGB, Rz. 22 m.w.N. 234

235

A. Ausgangssituation

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Gebiets des internationalen Erbrechts - noch keine völlig einheitliche Rechtsprechung etablieren können237 : So wird in der englischen Rechtsprechung zum einen die Ansicht vertreten, daß der englische Richter nur das interne Sachrecht des ausländischen Staates anzuwenden habe, ohne dabei dem ausländischen Kollisionsrecht Beachtung zu schenken. Nach dieser Auffassung dürfte also eine Rück- oder Weiterverweisung nicht beachtet werden. Zwar wurde diese Lösung vor allem in Fällen vertreten, die Sachfragen außerhalb des Bereichs des Personalstatuts betrafen. Jedoch wird in der englischen Literatur die Vermutung geäußert, daß es darüber hinaus viele nichtveröffentliche Urteile gebe, in denen auch für das internationale Erbrecht und weitere Gebiete des Personalstatuts unbewußt in der gleichen Weise verfahren worden sei, weil dort keine der Prozeßparteien die Beachtung des ausländischen Kollisionsrecht verlangt habe. 238 Zum anderen wurde in der englischen Rechtsprechung zeitweilig erwogen, hinsichtlich der Frage der Beachtung des renvoi ebenso zu verfahren, wie dies z.B. im deutschen Recht in Art. 4 I EGBGB und in anderen kontinentaleuropäischen Staaten getan wird. Dann müßte der englische Richter die Verweisung auf die ausländische Lex domicilii als Gesamtverweisung ansehen, die auch das ausländische Kollisionsrecht mit einschließt. Daraufhin müßte er prüfen, ob dieses auf das englische Recht zurück- oder auf ein drittes Recht weiterverweist. Diese Auffassung wird in der englischen Rechtsprechung allerdings heutzutage so nicht mehr vertreten. 239 Vielmehr folgen die englischen Gerichte heute mehrheitlich einem dritten Lösungsweg, nämlich der sog. "joreign court theory". 240 Hiernach hat der englische Richter die Frage des anwendbaren Rechts ebenso zu entscheiden, wie es der Richter des ausländischen Rechts, auf das die englische Kollisionsnorm verweist, in dem jeweiligen konkreten Fall tun würde. Dabei muß der englische Richter auch der ausländischen Lösung des Renvoi-Problems folgen. 237 Siehe zum folgenden ausführlich: Graveson, Conflict of Laws, 65 - 77; Dicey/ Morris, 11. Aufl., 73 - 91; Cheshire/North, 11. Aufl., 57 - 73. 238 Dicey/Morris, 11. Aufl., 74 f. und 83; Graveson, Conflict of Laws, 66. So auch Droz, Commentaire, 29. 239 Als Präzedenzfalle für diese ältere Auffassung lassen sich zwar die beiden Entscheidungen Re Johnson (1903) 1 Ch. 821 und Simmons v. Simmons (1917) 17 N.S.W.S.R. 419 anführen (vgl. Graveson, Conflict of Laws, 67). Jedoch sind diese spätestens seit der Leitentscheidung Re Askew (1930) 2 eh. 259 wieder überholt (vgl. Dicey/Morris, 11. Aufl., 75, 78, und Cheshire/North, 11. Aufl., 60). 240 Siehe die Rechtsprechungsübersicht bei Cheshire/North, 11. Aufl., 66 ff. Der joreign court theory wurde erstmals in der Sache Re Annesley (1926) Ch. 692 gefolgt. 6 Brandi

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Oomizilprinzip?

Verweist demnach das ausländische Recht, welches an sich nach der englischen Kollisionsregel anwendbar wäre, auf das englische Recht zurück und würde es das interne englische Recht für anwendbar erklären, ohne die englische Kollisionsnorm zu beachten, dann müßte auch der englische Richter das materielle englische Recht anwenden. Würde das ausländische Recht aber seinerseits eine Gesamtverweisung aussprechen und die Rückverweisung durch das englische Recht auf das ausländische berücksichtigen, dann müßte dem auch der englische Richter folgen. Er hätte dann also gleichfalls das ausländische materielle Recht anzuwenden. 241 Zwar gilt die joreign court theory nicht in allen Bereichen des englischen Kollisionsrechts. Gleichwohl ist eines ihrer wichtigsten Anwendungsgebiete die Bestimmung des auf die testamentarische und gesetzliche Erbfolge in bewegliches Vermögen anwendbaren Rechts. 242 Daher kann es in der Konsequenz der joreign court theory im englischen internationalen Erbrecht zu einer Durchbrechung des Domizilprinzips zugunsten des Staatsangehörigkeitsprinzips kommen, wenn die englische Domizilregel auf ein ausländisches Recht verweist, das seinerseits dem Heimatrechtsgrundsatz folgt. Als ein Beispiel hierfür läßt sich die Entscheidung Re Ross anführen. Dort war die Erblasserin, eine britische Staatsangehörige, mit Wohnsitz bzw. domicile in Italien verstorben. Sie hinterließ sowohl bewegliches Vermögen als auch unbewegliches Vermögen, das in Italien belegen war. In ihrem Testament hatte sie ihren Sohn von der Erbfolge ausgeschlossen. Diese Verfügung stand im Einklang mit dem englischen Erbrecht. Sie widersprach

Graveson, Conflict of Laws, 68 f. Cheshire/North, 11. Aufl., 72. Unter den übrigen Commonwealth-Staaten wird die foreign court theory zumindest auch in der australischen Rechtsprechung angewandt (siehe die Antwort Australiens in: Additional replies of Governments to the Questionnaire, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 163). In Irland und Schottland fehlt es dagegen bisher an Rechtsprechung zum Problem des renvoi (siehe Antwort Irlands in: Replies of the Governments to the Questionnaire, Ooc. of May-June 1970, Auszug aus: Proceedings (1972), Twelfth Session, Bd. 11, Administrations of Estates, 11-67 ff.; neu abgedruckt in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 76; siehe Antwort Schottlands in: Additional replies of Governments to the Questionnaire, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 179). Auch in den kanadischen Provinzen ist die Rechtslage bislang noch unklar (siehe Antwort Kanadas in: Replies of the Governments to the Questionnaire, Ooc. of MayJune 1972, Auszug aus: Proceedings (1972), Twelfth Session, Bd. 11, Administration of Estates, 11-67 ff.; neu abgedruckt in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 63). 241

242

A. Ausgangssituation

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jedoch italienischem Recht, wonach dem Sohn ein Noterbrecht in Höhe von 1/2 am Nachlaß zustand. 243 Der zuständige Richter wandte auf die Erbfolge in den Mobiliarnacblaß zunächst die Domizilregel des englischen Kollisionsrechts an, die ihn auf italienisches Recht verwies. Das italienische Kollisionsrecht, das dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgt, verwies ihn jedoch wieder zurück auf das englische Recht. Die Frage, ob das italienische Recht nun seinerseits wieder die Rückverweisung durch die englische Domizilregel annehmen würde, entschied er so, wie sie seiner Auffassung nach von einem italienischen Gericht beantwortet würde. 244 Da dieses den vom englischen Recht ausgesprochenen renvoi nicht beachtet und damit das interne englische Recht angewandt hätte, blieb es auch aus Sicht des englischen Gerichts bei der Geltung englischen Erbrechts. Demzufolge wurde die testamentarische Verfügung hinsichtlich des Mobiliarnachlasses als gültig angesehen. Auf diese Weise kam hier im Ergebnis also nicht das Domizilrecht der Erblasserin, sondern ihr Heimatrecht zur Anwendung. 245 Der joreign court theory liegt das Bestreben der englischen Gerichte zugrunde, in Fällen mit Auslandsberührung ein Höchstmaß an internationalem Entscheidungseinklang zu erreichen. 246 Speziell im Bereich des internationalen Erbrechts beruht ihre Anwendung darüber hinaus auch auf dem Bemühen, den tatsächlich vorhandenen oder vermuteten Absichten des Erblassers zur Verwirklichung zu verhelfen, d.h. die testamentarischen Verfügungen des Erblassers soweit wie möglich aufrechtzuerhalten. 247 Der oben angeführte Beispielsfall zum negativen Kompetenzkonflikt (englischer Erblasser verstirbt mit Domizil in Deutschland) müßte nach der joreign court theory daher ebenso gelöst werden, wie es das deutsche Recht tun würde. Letzteres würde - wie unten näher auszuführen sein wird - gemäß Art. 25 I EGBGB an sich englisches Recht für anwendbar erklären, würde dann aber gemäß Art. 4 I 1 EGBGB der Rückverweisung durch die englische 243 Re Ross (1930) 1 Ch 377. Ein weiterer einschlägiger Fall ist Re Annesley (1926) Ch 692. 244 (1930) 1 Ch 388, 389. 245 Ebenso entschied das Gericht hinsichtlich der Erbfolge in den italienischen Immobiliarnachlaß. Bloß war es dort die Situsregel des englischen Kollisionsrechts, die den Richter zunächst auf das italienische Recht verwies. 246 Graveson, Conflict of Laws, 74. 247 Ebd. Kritisch zu der foreign court theory aber Dicey/Morris, 11. Aufl., 85 ff.; Cheshire/North, 11. Aufl., 61 ff. Diese bemängeln insbesondere die erheblichen Schwierigkeiten in ihrer praktischen Anwendung, welche v.a. darauf beruhen, daß sich der jeweilige Standpunkt des ausländischen Rechts zur Frage des renvoi häufig nur schwer ermitteln läßt. 6'

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Domizilregel auf das deutsche Recht folgen. Diese Rückverweisung müßte daraufhin gemäß Art. 4 I 2 EGBGB beim deutschen materiellen Recht abgebrochen werden. Genauso müßte nach der joreign court theory auch das englische Gericht entscheiden. Auch aus dessen Sicht wäre hier im Ergebnis also deutsches Erbrecht anzuwenden. b) Vereinigte Staaten

Erheblich unsicherer ist die Rechtslage zu dem hier behandelten Fragenkomplex im amerikanischen Kollisionsrecht. Dort hat sich in Rechtsprechung und Lehre zum Problem des renvoi bislang keine eindeutig herrschende Auffassung herausbilden können: So stand man dem renvoi insbesondere in der älteren amerikanischen Rechtsprechung248 und Literatur249 deutlich ablehnend gegenüber. Dies läßt sich daraus erklären, daß sich das amerikanische Kollisionsrecht hauptsächlich aus interlokalen Konfliktsfällen heraus entwickelt hat. Da die Kollisionsnormen der einzelnen Bundesstaaten früher250 für die meisten Sachbereichen identisch waren, bestand für das Rechtsinstitut des renvoi demnach zunächst nur ein geringer Bedarf. 251 Auch das vom American Law Institut im Jahre 1934 herausgegebene erste "Restatement, Conflict of Laws" stand dem renvoi noch sehr zurückhaltend gegenüber und sah ihn grundsätzlich für unbeachtlich an. 252 Lediglich bei der Anknüpfung des auf Immobiliareigentum und auf die Wirksamkeit von Ehescheidungsurteilen anwendbaren Rechts sollte einer Rückverweisung seiner Auffassung nach gefolgt werden. 253 Dies galt jedoch nicht für die Bestimmung des für die Erbfolge in Mobiliarvermögen geltenden Rechts.

248 Vgl. In re Tallmadge, 109 Mise. 696, 181 N.Y.S. 336 (1919, Surrogate Court New York). 249 Vgl. Lorenzen, Col.L.Rev. 10 (1910), 190, 320, 344. 250 Zumindest galt dies bis zum Beginn der "Revolution" des amerikanischen Kollisionsrechts, in deren Verlauf sich das Kollisionsrecht in den einzelnen Bundesstaaten zum Teil recht weit auseinander entwickelt hat (vgl. dazu Scoles/Hay, 15 ff.). 251 Vgl. Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 26; IPR-Gutachten 1978, Nr. 39 (München), 422. 252 Vgl. Restatement, Conflict of Laws, Section 7 (siehe den Text in Firsching: U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 36e, S. 40/27, Fn. 3). 253 Vgl. Restatement, Conflict of Laws, Section 8: "(1) All questions to title of land are decided in accordance with the law of the state where the land is, including the Conflict of Laws rules of that state.

A. Ausgangssituation

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Bezüglich der Anknüpfung der Mobiliarerbfolge wurde der renvoi allerdings einige Zeit später durch die Entscheidung Taormina v. Taormina Corporation aus dem Bundesstaat Delaware für beachtlich erklärt. 254 Dieser Fall betraf einen Erblasser mit U.S.-amerikanischer Staatsangehörigkeit, der ursprünglich im Bundesstaat Mississippi domiziliert gewesen war und unter Hinterlassung beweglichen Vermögens in Delaware mit letztem Wohnsitz in Italien verstarb. Das erkennende Gericht ging dort in einer Hilfsbegründung von einer Weiterverweisung des italienischen Kollisionsrechts auf das Recht von Mississippi aus. Hierbei stütze es sich auf die aus dem englischen Recht bekannte joreign court theory. 255 Damit erkannte dieses Gericht die Beachtlichkeit einer Weiterverweisung entgegen der bis dato in den U.S.A. herrschenden Auffassung also auch bei der Erbfolge in Mobilien an. 256 Dem hat sich mittlerweile auch das Restatement, Conflict of Laws in seiner während der Jahre 1952-71 erstellten zweiten Fassung angeschlossen. Dieses enthält nunmehr in § 8 eine generelle Regelung, wonach ein renvoi unter einer der beiden folgenden Voraussetzungen beachtlich sein soll: (a) wenn die maßgebliche Kollisionsregel des Forums die Herstellung eines internationalen Entscheidungseinldang mit dem Lex-causae-Staat bezweckt, oder (b) wenn der Sachverhalt keinerlei relevante Beziehung zum Forum hat und alle übrigen beteiligten Rechtsordnungen einheitlicher Auffassung hinsichtlich des anwendbaren Rechts sind. 257 Als ein Beispiel für die erstgenannte Fallgruppe (2) All questions concerning the validity of a decree of divorce are decided in accordance with the law of the domicil of the parties, including the Conflict of Laws rules of that state". (zitiert nach Firsching: U.S.A., in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 36e, S. 40/27, Fn. 4). Für die erstgenannte Fallgruppe wurde der renvoi einige Zeit später auch von der wichtigen New Yorker Entscheidung In Re Schneider's Estate (198 Misc. 1017,96 N.Y.S. 2d 652, aff'd, 100 N.Y.S.2d 371 (Surr. Ct. 1950» und von verschiedenen Stellungnahmen in der Literatur befürwortet (siehe Falconbridge, Vand. L. Rev. 6 (1953), 708, 714; und Briggs, Yale L.J. 64 (1954),195,197, trotz seiner generellen Ablehnung des renvOl). Eine noch weitergehende Beachtung des renvoi befürwortete allerdings schon damals Griswold, Harv. L. Rev. 47 (1938), 1165. 254 109 A. 2d 400 (DeI. Ch. 1954). 255 VgI. die Ausführungen des Richters, 109 A 2d, 405: "When an American court is presented with a problem of the present character, I assume ... that it is appropriate to consider what an Italien Court would do in these circumstances." 256 So auch die Interpretation dieses Urteils durch Firsching: U.S.A., in: Ferid/ Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 36e, S. 40/30; IPR-Gutachten 1978, Nr. 39 (München),423. 257 Siehe Restatement, Second, Conflict of Laws, § 8: "Applicability of Choice-of-Law Rules of Another State (renvoi)

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

erwähnt das Restatement dabei insbesondere die Bestimmung des auf die testamentarische oder gesetzliche Mobiliarerbfolge anwendbaren Rechts. 258 Auch die übrige modeme amerikanische Kollisionsrechtslehre steht dem

renvoi mittlerweile etwas aufgeschlossener gegenüber. So wird die Frage der

Rückverweisung von den modemen Anknüpfungslehren zunehmend in die sogenannte "govemmental interest analysis miteinbezogen und als eines von mehreren Indizien dafür angesehen, ob das ausländische Recht im konkreten Fall selber angewandt werden möchte oder nicht. 259 Gleichwohl hat diese Entwicklung in der neueren Lehre bislang nichts daran geändert, daß die Beachtung eines renvoi von der herrschenden amerikanischen Rechtsprechung weiterhin strikt abgelehnt wird. 26O Dementsprechend ist das oben genannte Urteil Taormina v. Taormina Corporation hinsichtlich der Anerkennung des renvoi bezüglich der Anknüpfung der Mobiliarerbfolge bislang eine absolute Ausnahmeentscheidung geblieben. 261 W

Aus diesem Grunde muß davon ausgegangen werden, daß die herrschende Rechtsprechung in den U.S.A. in dem oben genannten Ausgangsbeispiel zum negativen Kompetenzkonflikt (amerikanischer Erblasser verstirbt mit Wohnsitz in Deutschland) die Rückverweisung durch das deutsche Kollisionsrecht auf das amerikanische Heimatrecht nicht beachten würde. 262 Damit wäre in (1) When directed by its own choice-of-law rule to apply 'the law' of another state, the forum applies the local law of the other state, except as stated in Subsections (2) and (3). (2) When the objective of the particular choice-of-law rule is that the forum reach the same result on the very facts involved as would the court of another state, the forum will apply the choice-of-law rules of the other state, subject to considerations of practicability and feasiblity. (3) When the state of the forum has no substantial relationship to the particular issue or the parties and the courts of all interested states would concur in selecting the local rule applicable to this issue, the forum will usually apply this rule. " 258 Restatement, Second, Conflict of Laws, § 8, Comment b, S. 22, und Comment h, S. 26. Allerdings ist fraglich, ob das Restatement insofern wirklich das in den amerikanischen Bundesstaaten geltende Recht wiedergibt. Ehrenzweig - ein scharfer Kritiker des Restatement - meint, daß dessen weitgehende BefüIWortung des renvoi im deutlichen Widerspruch zu der herrschenden amerikanischen Rechtsprechung stünde (vgl. Ehrenzweig, Private International Law, Bd. 1,142). Skeptisch in diesem Sinne äußert sich auch das IPR-Gutachten 1978, Nr. 39 (München), 424. 259 Vgl. Weintraub, 68 ff.; Scoles/Hay, 69 ff.; grundlegend hierzu van Mehren, 389-394. 260 Siehe die Nachweise bei Scoles/Hay, 68 Fn. 4. 261 Firsching: U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 36e, S. 40/29 f.; ders., Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 29 Fn. 3. 262 Vgl. auch die Antwort der U.S.A. in: Replies of the Governments to the Questionnaire, Doc. of May-June 1970, Auszug aus: Proceedings (1972), Twelfth Session,

A. Ausgangssituation

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diesem Fall aus Sicht der amerikanischen Gerichte deutsches materielles Erbrecht anzuwenden. 3. Renvoi im deutschen internationalen Erbrecht a) Bestimmung der maßgebHchen ausländischen Kollisionsnorm bei anglo-amerikanischen Mehrrechtsstaaten

Für die Beantwortung der Frage, ob es in dem obigen Ausgangsbeispiel zum negativen Kompetenzkonflikt (amerikanischer bzw. englischer Erblasser verstirbt mit Wohnsitz in Deutschland) aus deutscher Sicht zu einer Rückverweisung auf das deutsche Domizilrecht und damit zu einer Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips kommt, muß zunächst die insoweit maßgebliche Kollisionsnorm des Heimatstaates des Erblassers ermittelt werden. Dies wird dadurch erschwert, daß es sich sowohl bei den U.S.A. als auch beim Vereinigten Königreich um Mehrrechtsstaaten mit lokaler Rechtsspaltung handelt. Ebenso wenig wie dort ein einheitliches gesamtstaatliches Kollisionsrecht zur Lösung der interlokalen KonfliktfiUle existiert, gibt es dort nämlich ein einheitliches Kollisionsrecht zur Bestimmung des anwendbaren Rechts in Fällen mit Auslandsberührung. Auch die Entscheidung internationaler KollisionsrechtsfiUle richtet sich in den U.S.A. und im Vereinigten Königreich also nach dem Kollisionsrecht der jeweiligen Teilrechtsordnungen. 263 Daher muß in diesem Fall eine Unteranknüpfung vorgenommen werden, um festzustellen, auf das Kollisionsrecht welcher Teilrechtsordnung durch Art. 25 I EGBGB verwiesen wird. Art. 4 III 2 EGBGB konkretisiert diese Verweisung dahingehend, daß an das Recht anzuknüpfen sei, mit dem der Erblasser seine "engste Verbindung" gehabt hat. Wie bereits oben erwähnt, ist nach der heute h.M. in solch einem Fall in der Regel das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes maßgeblich. 264 Dieser lag in dem hier zugrundegelegten Beispielsfall zum Todeszeitpunkt jedoch in Deutschland und nicht in den U.S.A. bzw. im Vereinigten Königreich. 265 Deshalb kann die Verweisung auf das Heimatrecht hier allein Bd. 11, Administrations of Estates, 11-67 ff.; neu abgedruckt in Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11,68 m.w.N. 263 Vgl. Firsching: U.S.A., in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 35d und 37b; IPR-Gutachten 1978, Nr. 39 (München), 419. 264 MünchKomm-Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rz. 91; Kropholler, 177; Kegel, IPR, 260; Hans Stoll, FS Keller, 521; so auch der Reformgesetzgeber in seiner Gesetzesbegründung, BT-Drucks. 10/504,40. 265 Siehe zu den Voraussetzungen des gewöhnlichen Aufenthaltes im einzelnen unten 1. Kapitel, B.II.4.b)(3).

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

auf die Weise konkretisiert werden, daß damit das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes innerhalb eines der amerikanischen Bundesstaaten bzw. innerhalb einer der Teilrechtsordnungen des Vereinigten Königreich gemeint sein soll. 266 b) Regelung des Art. 4 I EGBGB

Diese Rechtsordnungen würden hier im Zweifelsfalle eine Rückverweisung auf das deutsche Recht aussprechen. Diese Rückverweisung wäre gemäß Art. 4 I EGBGB beachtlich. 267 Dabei würde der Befolgung der Rückverweisung nicht entgegenstehen, daß nach Art. 4 I EGBGB n.F. die Rück- oder Weiterverweisung durch eine ausländische Rechtsordnung nur dann befolgt werden soll, wenn dies nicht dem Sinn der Verweisung der deutschen Kollisionsnorm auf das ausländische Recht widerspricht. 268 Denn es ist allgemeine Auffassung, daß diese einschränkende Voraussetzung in dem hier vorliegenden Fall, d.h. wenn die ausländische Kollisionsnorm aufgrund einer anderen rechtspolitischen Wertung als das deutsche IPR die Erbfolge an ein anderes Recht als das der Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpft, der Beachtung des durch das ausländische IPR angeordneten renvoi nicht entgegensteht. 269 Darüber hinaus scheint es ebenfalls unbestritten zu sein, daß auch das unter Art. 4 III 2 EGBGB erforderliche Aufsuchen der "engsten Verbindung" für die Konkretisierung der deutschen Verweisung bei ausländischen Mehrrechtsstaaten die Beachtlichkeit eines renvoi durch die berufene Teilrechtsordnung nicht ausschließt. 27o Denn - anders als z.B. bei Art. 14 I Nr. 3 EGBGB, wo manche die Beachtung eines renvoi als dem Sinn der Verweisung widersprechend ablehnen271 - wird die individualisierte Anknüpfung an das Recht der engsten Verbindung bei Art. 4 III 2 EGBGB nicht aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit vorgenommen. Vielmehr soll hier nur das Vgl. Kegel, IPR, 260; MünchKomm-Sonnenberger, ebd. In der Bestimmung des Art. 4 I EGBGB hat der Reformgesetzgeber weitestgehend die Rechtsprechung zu Art. 27 EGBGB a.F. übernommen, welche die Rechtsfigur des renvoi bereits lange vor der IPR-Reform anerkannt hatte; vgl. Kühne, IPRGesetz-Entwurf, 41 ff.; Kropholler, 144; vgl. auch die Nachweise zu dieser älteren Rechtsprechung bei Staudinger-Graue, Art. 27 EGBGB a.F., Rz. 24 - 25. 268 Diese einschränkende Regelung war erst vom Rechtsausschuß in das IPRReformgesetz eingefügt worden (vgl. BT-Drucks. 10/5632, 6). Dies geschah auf einen Vorschlag von Hans Stoll, IPRax 1984,2, hin. 269 Vgl. Kropholler, 149 f. 270 Kropholler, 178; Kegel, IPR, 259; MünchKomm-Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rz. 92; Hans Stoll, FS Keller, 521 f. m.w.N. 271 Vgl. hierzu MünchKomm-Sonnenberger, Rz. 13 ff. 266 267

A. Ausgangssituation

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starre Anknüpfungsmerkmal der Staatsangehörigkeit in einem Fall, wo dieses versagt, näher konkretisiert werden. 272 Wenn daher in dem obigen Ausgangsbeispiel der amerikanische Erblasser mit letztem Domizil in Deutschland verstorben ist, dann muß der Rückverweisung durch das Kollisionsrecht desjenigen Bundesstaates, zu dem der Erblasser während seines U.S.A.Aufenthaltes zuletzt eine enge Verbindung gehabt hat, auf das deutsche Wohnsitzrecht gefolgt werden. 273 Mit der Beachtung der Weiter- bzw. Rückverweisung auf das Wohnsitzrecht nimmt der IPR-Reformgesetzgeber demzufolge in Kauf, daß die rechtspolitische Entscheidung für das Staatsangehörigkeitsprinzips in vielen Fällen zugunsten des Domizilprinzips relativiert wird. Man rechtfertigt dies zum einen damit, daß durch die Zulassung des renvoi der internationale Entscheidungseinklang zwischen den divergierenden Kollisionsrechtssystemen gefördert werden soll.274 Zum anderen wollte der Gesetzgeber auf diesem Wege aber auch den Verkehrsinteressen an einer Vereinfachung der Rechtspflege durch die vermehrte Anwendung des inländischen Sachrechts entgegenkommen. 275 Dies wird dadurch erreicht, daß gemäß. Art. 4 I 2 EGBGB bei einer Rückverweisung des ausländischen Rechts die Verweisungskette auf jeden Fall beim deutschen Recht abzubrechen und die Normen des inländischen materiellen Rechts anzuwenden sind. 276 Dies gilt selbst dann, wenn das ausländische IPR seinerseits eine Gesamtverweisung auf das deutsche Recht einschließlich dessen Kollisionsnormen ausspricht und dessen Rückverweisung auf sich selber annehmen würde. In diesen Fällen verstößt die Bevorzugung der Lex:fori-Anwendung durch Art. 4 I 2 EGBGB eigentlich gegen das Ideal des internationalen Entscheidungseinklangs und wird daher insofern zu Recht kritisiert. 277 4. Zwischenergebnis Für den oben genannten Ausgangsfall zum negativen Kompetenzkonflikt (amerikanischer bzw. englischer Erblasser verstirbt mit letztem Wohnsitz in 272 273 274 275

Hans Stoll, FS Keller, 521 f. m.w.N. Vgl. Kropholler, ebd. Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 43 f. Vgl. BT-Drucks. 10/504, 31. Dies war nach Ansicht mancher Autoren vielleicht auch der eigentliche Grund für die Anerkennung der Rückverweisung durch die Rechtsprechung zu Art. 27 EGBGB a.F. (vgl. Kropholler, 145 f.). 276 So auch schon die ganz herrschende Rechtsprechungspraxis zu Art. 27 EGBGB a.F. vor der IPR-Reform (vgl. Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 46). 277 Vgl. Kegel, IPR, 245; Kropholler, 152 m.w.N.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Deutschland) ist allerdings festzuhalten, daß zwischen dem deutschen IPR auf der einen Seite und dem amerikanischen bzw. englischen Kollisionsrecht auf der anderen Seite ein weitgehender Entscheidungseinklang herrscht. Denn aus Sicht aller beteiligten Rechtsordnungen wäre hier das deutsche materielle Recht anzuwenden. Dieser Entscheidungseinklang ist hier deshalb möglich, weil sich das deutsche IPR sich zur Frage der Rückverweisung jeweils gerade anders verhält als das englische bzw. das amerikanische Kollisionsrecht. Zumindest insoweit besteht zwischen diesen Rechtsordnungen also bereits auf der Grundlage des geltenden IPRs ein internationaler Entscheidungseinklang. Ungelöst ist dagegen bislang der Fall des positiven Kompetenzkonfliktes (deutscher Erblasser verstirbt mit letztem Wohnsitz in den U.S.A. bzw. in England). Hier beharren alle beteiligten Staaten auf der Geltung des jeweiligen eigenen Erbrechts. Insofern ist mit den Mitteln des nationalen Kollisionsrechts also bisher noch kein internationaler Entscheidungseinklang erzielt worden. Hier könnte die Haager Erbrechtskonvention also noch deutliche Verbesserungen erzielen.

B. Objektive Anknüpfung des Erbstatuts in der Haager Erbrechtskonvention I. Überblick Das Haager Erbrechtsübereinkommen vom 1. August 1989 regelt die objektive Anknüpfung des Erbstatuts in den Artikeln 3, 4, 19 und 20. Die Grundsatznorm zur objektiven Anknüpfung ist in Art. 3 enthalten. In ihr ist geregelt, welchem Recht das Erbstatut in denjenigen Fällen unterliegt, wo der Erblasser keine Rechtswahl über das anzuwendende Recht getroffen hat. Art. 3 erfaßt insoweit also sowohl die Fälle der gesetzlichen Erbfolge als auch diejenigen der testamentarischen Erbschaftsregelung, in denen der Erblasser keine bzw. keine gültige Rechtswahl getroffen hat. 1 Diese Vorschrift stellt wahrscheinlich die wichtigste rechtsvereinheitlichende Norm des Abkommens dar. 2 Die Vorschriften der Artikel 19 und 20 enthalten Sonderregeln für den Fall, daß durch Art. 3 auf das Recht eines Staates mit lokaler oder personaler

1

Waters, Explanatory Report, § 52.

2 Lagarde, Rev. crit. dr. internat. priv~ 78 (1989), 253.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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Rechtsspaltung verwiesen wird. 3 Art. 4 regelt schließlich einen besonderen Fall des renvoi. Weitere Vorschriften, die für die objektive Anknüpfung des Erbstatuts von Relevanz sein können, sind in den Artikeln 9 und 10 enthalten. Diese Normen bestimmen das auf Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente anwendbare Recht, falls der Erblasser für diese Verfügungen keine gesonderte Rechtswahl getroffen hat. Die Artikel 9 und 10 stützen sich dabei für die Bestimmung des objektiv anwendbaren Rechts weitestgehend auf das Regelungsmuster des Art. 3. Daher brauchen diese Vorschriften hier nicht näher im Detail besprochen zu werden.

11. Grundsatz: Komprorniß zwischen Staatsangehörigkeitsund Domizilprinzip (Art. 3) 1. Entstehungsgeschichte Die Ausarbeitung der Grundsatznorm des Art. 3 erwies sich auf der Haager Konferenz als ausgesprochen kompliziert und langwierig. Zwar konnte unter den Konferenzteilnehmem eigentlich schon recht früh eine vorläufige Einigung über die grundsätzliche Struktur dieser Vorschrift erzielt werden. Trotzdem wurde diese von einzelnen Delegationen danach immer wieder in Frage gestellt. Außerdem waren mehrere wichtige Einzelfragen bis zuletzt Gegenstand heftiger Diskussionen. a) Diskussionsverlauf innerhalb der Spezialkommission

Zu Beginn der ersten vorbereitenden Sitzung der Spezialkommission im November 1986 standen sich die unterschiedlichen Auffassungen zur richtigen Anknüpfung des Erbstatuts noch weitgehend unversöhnlich gegenüber. So befürworteten die Anhänger des Staatsangehörigkeitsprinzips ein Anknüpfungskriterium, das auf objektiven Elementen beruhen sollte und dessen Vorliegen von den Gerichten und Notaren entsprechend schnell, einfach und sicher zu überprüfen sein würde. Diese Eigenschaften würde ihrer Ansicht nach am ehesten das Staatsangehörigkeitsprinzip aufweisen. Die Vertreter der Staaten des Domizilprinzips hingegen forderten ein möglichst flexibles Kriterium zur Ermittlung des jeweiligen tatsächlichen Lebensmittelpunktes. 3 Die Artt. 19 und 20 gelten allerdings auch für den Fall, daß der Erblasser selber durch eine Rechtswahl i.S.d. Art. 5 das Recht eines Melurechtsstaates für anwendbar erklärt hat.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Dieses sollte nach ihrer Auffassung den Schwerpunkt auf die subjektiven Vorstellungen des Erblassers legen, zu welchem Recht er sich selber am meisten zugehörig fühlte. Diesen Anforderungen würde nach ihrer Meinung am ehesten das Domizilprinzip gerecht. 4 Während dieser ersten Sitzung der Spezialkommission hatte man sich dann jedoch zunächst grundsätzlich darauf geeinigt, das Domizilprinzip als Ausgangspunkt für die weitere Diskussion zu wählen. 5 Als mögliche Anknüpfungskriterien wurden dabei sowohl der "domicile" als auch - der Tradition der Haager Konventionen entsprechend - der "gewöhnliche Aufenthalt" (" habitual residence") in Erwägung gezogen. 6 Gegenstand der nachfolgenden Verhandlungen sollte daraufhin nur noch die Frage sein, in welcher Form das eine oder andere dieser beiden Anknüpfungskriterien durch weitere Elemente ergänzt werden könnte. Denn es wurde befürchtet, daß weder der domicile noch der gewöhnliche Aufenthalt für sich genommen ein hinreichend starker Anknüpfungspunkt für die Bezeichnung des tatsächlichen Lebensmittelpunktes des Erblassers sein würde. 7 Im einzelnen wurde hierbei sowohl an ergänzende objektive Elemente (z.B. eine bestimmte Mindestaufenthaltsdauer) als auch an zusätzliche subjektive Kriterien (z.B. besondere Anforderungen an die Bleibeabsicht) gedacht. 8 Diese Vorgehensweise stieß jedoch auf heftige Kritik bei der italienischen und vor allem bei der deutschen Delegation. 9 Von letzterer wurde in einer gesonderten schriftlichen Stellungnahme10 bemängelt, daß die Spezialkommission auf ihrer ersten Sitzung den jeweiligen Vor- und Nachteilen des Staatsangehörigkeitsprinzips und des Domizilprinzips nicht unvoreingenommen gegenüber gestanden hätte. Insbesondere wären dort die Vorzüge des StaatsanWaters, Report ofthe Special Commission, §§ 10 und 11. "Conclusions of the Special Commission of November 1986 on the law applicable to decedents' estates", Preliminary Document No 4 of December 1986, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. H, 191. 6 Vgl. ebd. 7 Ebd. 8 Ebd. Vgl. hierzu auch das auf Anforderung der Spezialkommission vom Ständigen Büro der Haager Konferenz erstellte Arbeitspapier: "A few suggestions for a possible deftnition of a connecting factor based on domicile or habitual residence" , Preliminary Document No 6 of February 1987, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. H, 197 ff. 9 Siehe den dem Verfasser vorliegenden Vermerk des deutschen Delegationsleiters Pirrung, Bundesministerium für Justiz, vom 18.9.1989, S. 3. 10 Vgl. "Observations, from the German point of view, on the deliberations of the Special Commission on the law applieable to decedents' estates", Preliminary Document No 5 of January 1987, in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd. H, 195. 4

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B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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gehörigkeitsprinzips nicht hinreichend gewürdigt worden. 11 Auf diese Kritik hin wurde eine entsprechende Grundsatzdiskussion in der zweiten Sitzung der Spezialkommission im März/April 1987 nachgeholt. 12 Darüber hinaus ist es vielleicht ebenfalls dieser deutschen Intervention zu verdanken gewesen, daß sich auf dieser und der darauf folgenden Sitzung der Spezialkommission im Oktober 1987 nach längerer Diskussion13 ein vorläufiger Kompromiß herauskristallisierte, der dem Staatsangehörigkeitsprinzip doch wieder etwas größeres Gewicht einräumte. Dieser Kompromißvorschlag entsprach von der Grundstruktur her bereits weitgehend dem Art. 3 der endgültigen Fassung der Konvention. 14 Nach diesem Kompromißvorschlag sollte, wenn Staatsangehörigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt des Erblassers das Anknüpfungskriterium des "domicile" war bereits auf der Tagung im Frühjahr 1987 fallengelassen worden15 - auf das gleiche Recht verweisen, dieses Recht anwendbar sein. Falls Staatsangehörigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt jedoch auseinander fallen würden, dann sollte dem Recht desjenigen Staates der Vorzug gegeben werden, in dem der Erblasser mindestens die letzten fünf Jahre vor seinem Tode den gewöhnlichen Aufenthalt gehabt hatte. Läge eine solche fünfjährige Aufenthaltsdauer nicht vor, wäre im Regelfall das Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers anzuwenden, solange dieser zum Todeszeitpunkt nicht wiederum eine engere Verbindung zu einem anderen Recht gehabt hatte.

Ebd. Vermerk von Pirrung vom 18.9.1989, ebd. 13 Siehe näher zum Dislrussionsverlauf: Waters, Report of the Special Commission, §§ 25 - 27. 14 Siehe Art. 3 des von der Spezialkommission am 8. Oktober 1987 angenommenen vorläufigen Konventionsentwurfs, in: Preliminary Document No 12 of March 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11,233: "(1) Succession is govemed by the law of the State in which a the time of his death the deceased was habitually resident, provided either (a) he was then anational of that State, or (b) he had had that habitual residence in that State for aperiod of not less that five years immediately preceding his death. (2) In other cases succession is govemed by the law of the State of which at the time of his death the deceased was anational, unless at that time the deceased was more closely connected with another State, in which case the law of that other State shall apply. " 15 Vgl. den Text des am 10. April verabschiedeten ersten vorläufigen Konventionsentwurf der Spezialkommission, Preliminary Document No 10 of April 1987, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 219. 11

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip? b) Diskussionsverlauf innerhalb der Zweiten Kommission

In der Spezialkommission hatte noch die Auffassung über die Stimmenmehrheit verfügt, die auch bei einer Divergenz von Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt ein möglichst einfach und sicher zu handhabendes Anknüpfungskriterium verlangte. Diese Staatenvertreter sprachen sich daher für die o.a. Fristenregelung aus, wonach in dem Fall, daß der Erblasser den Aufenthaltsstaat vor seinem Tode gewechselt hatte, von der bisherigen Regelanknüpfung an das Heimatrecht erst dann zu einer Anknüpfung an das neuen Aufenthaltsrechts übergegangen werden soll, wenn der Aufenthalt im neuen Wohnsitzstaat mindestens fünf Jahre gedauert hatte. Durch diese feste 5Jahresfrist erhoffte man sich demnach ein klare und einfache Bestimmung des in diesen Fällen anwendbaren Rechts. 16 In der im Oktober 1988 folgenden Vollversammlung der Zweiten Kommission sah sich dann jedoch die bisher unterlegene Staatengruppe - wozu insbesondere die Common Law Staaten, die skandinavischen und einige lateinamerikanische Länder gehörten - auf einmal in der Mehrheit. Diese Staaten waren mit der Starrheit der 5-Jahresfrist nicht einverstanden und forderten deshalb mit Nachdruck eine größere Anknüpfungsflexibilität für den Fall, daß der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Todeszeitpunkt länger als 5 Jahre in einem anderem Staat als dem Heimatstaat gehabt hatte. 17 Von ihnen wurde deshalb verschiedene Vorschläge eingebracht, mit deren Hilfe eine solche größere Anknüpfungsflexibilität erreicht werden sollte. So wurde z.B. vorgeschlagen, die Fristenlösung bei der Divergenz von Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt ganz abzuschaffen und in diesen Fällen immer

16 Waters, Report of the Special Commission, § 27.· Die Verwendung einer solchen 5-Jahresfrist in der Haager Erbrechtskonvention war erstmalig in dem Arbeitspapier des Ständigen Büros der Haager Konferenz vom Februar 1987 vorgeschlagen worden (vgl. "A few suggestions for a possible definition of a connecting factor based on domicile or habitual residence ", Preliminary Document No 6 of February 1987, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 199). Eine vergleichbare Fristenlösung fmdet sich auch in den Artikeln 3, 31 und 32 des Haager Abkommen über die internationale Nachlaßverwaltung vom 2.10.1973. Dort diente sie ebenfalls dazu, einen Kompromiß zwischen dem Staatsangehörigkeits- und dem Domizilprinzip zu erzielen (vgl. zu diesem Abkommen u.a. Lipstein, RabelsZ 39 (1975), 37 ff.; Kegel, IPR, 673 f.). Ferner wurde eine solche Regelung in der Nordischen Konvention vom 19.11.1934 bzgl. Erbschaft und Nachlaßteilung verwendet (vgl. Boulanger, 49 f.). 17 Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 255 f. Siehe z.B. die Stellungnahmen Großbritanniens und der U.S.A. in: Comments of the Govemments on Preliminary Document No 12, Preiiminary Document No 13 of September 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 287, 298.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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an das jeweilige Recht der engsten Verbindung anzuknüpfen. 18 Andere Vertreter dieser Staatengruppe empfahlen, die Regelanknüpfung an das Recht des mindestens 5-jährigen gewöhnlichen Aufenthaltes durch eine Ausweichklausel zu ergänzen, wonach in Ausnahmefällen an ein anderes Recht angeknüpft werden könnte, zu dem der Erblasser eine offensichtlich engere Beziehung hätte. 19 Ein dritter Vorschlag in dieser Reihe war, diese letztgenannte Ausnahmeklausel auf eine Sonderanknüpfung an das Heimatrecht zu beschränken. 20 Demgegenüber verlangten andere Staatenvertreter weiterhin auch für den Fall der Divergenz von Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt ein möglichst einfach und sicher anzuwendendes Anknüpfungskriterium. Sie wiesen wiederholt auf die ihrer Ansicht nach mit dem Einfügen einer zusätzlichen Ausnahmeklausel verbundene Rechtsunsicherheit hin. 21 Dabei war bemerkenswert, daß die Mitglieder dieser Staatengruppe, obwohl sie eigentlich in der Mehrzahl dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgten, die Einfügung einer Ausnahme von der Anknüpfung an den füntjährigen gewöhnlichen Aufenthalt ursprünglich selbst für den Fall ablehnten, daß diese Ausnahme nur für das Recht der Staatsangehörigkeit zulässig sein sollte. 22 Demnach ging es in dieser Phase der Debatte offenbar weniger um den im Ausgangspunkt alles bestimmenden Konflikt zwischen dem Domizil- und Staatsangehörigkeitsprinzip, als vielmehr darum, unabhängig hiervon einen Kompromiß zwischen den Befürwortern einer leicht und sicher anzuwendenden "hard and fast rule" und den Anhängern eines Maximums an Anknüpfungsflexibilität zu finden. 23 Die Lösung, auf die man sich dann schließlich doch noch einigen 18 Vgl. Stellungnahme der Teilnehmer der skandinavischen Staaten während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 2, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 352 f. 19 Gemeinsamer Formulierungsvorschlag von U.S.A., Großbritannien, Kanada, Australien und Finnland, Working Document No I, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 310. 20 Formulierungsvorschlag der Niederlande, Working Document No 3, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 310; ebenso die Variante des o.a. gemeinsamen Formulierungsvorschlags in Working Document No 1. 21 Vgl. die Stellungnahmen der Vertreter Italiens, Deutschlands, Frankreichs und Österreichs während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 2, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 355 f. 22 Vgl. die Stellungnahmen von Pirrung (Deutschland), Picone (Italien) und Duchek (Österreich) während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 2, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 355 357. 23 So auch die Bewertung des Diskussionsverlaufs durch Philip (Dänemark) in seiner Stellungnahme während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 2,357.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

konnte, war der bereits oben erwähnte von der niederländischen Delegation eingebrachte Formulierungsvorschlag24 , der eine Ausnahme von der Anknüpfung an das Recht des 5-jährigen gewöhnlichen Aufenthaltes nur für den Fall der offensichtlich engeren Beziehung an das Recht der Staatsangehörigkeit vorsieht. Diese Sonderanknüpfung an das Heimatrecht war - ironischerweise das Äußerste, was die Vertreter des Staatsangehörigkeitsprinzips zu konzidieren bereit waren, wenn das Gleichgewicht zwischen Anknüpfungsflexibilität und -stabilität in Art. 3 ihrer Ansicht nach nicht völlig in Frage gestellt werden sollte. 25

2. Funktionsweise In ihrer endgültigen Fassung lautet die Vorschrift des Art. 3 nunmehr folgendermaßen: "Artikel3 (1) Die Erbfolge unterliegt dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn der Erblasser in diesem Zeitpunkt diesem Staat angehörte. (2) Die Erbfolge unterliegt ebenfalls dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er sich unmittelbar vor seinem Tod während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren in diesem Staat aufgehalten hatte. Unter außergewöhnlichen Umständen ist jedoch, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes offensichtlich engere Verbindungen mit dem Staat hatte, dem er in diesem Zeitpunkt angehörte, das Recht dieses Staates anzuwenden. (3) In den anderen Fällen unterliegt die Erbfolge dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte, es sei denn, der Erblasser hatte in diesem Zeitpunkt engere Verbindungen mit einem anderen Staat, in welchem Fall das Recht dieses anderen Staates anzuwenden ist. "26

Hiernach soll also in folgender Weise angeknüpft werden: Wenn Staatsangehörigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt in einem Staat zusammenfallen, ist dessen Recht anwendbar (Art. 3 I). In diesem Fall besteht das einzige Moment der Auslandsberührung in der Regel darin, daß Teile des Nachlaßvermögens im Ausland belegen sind. 27 Allerdings ist zu beachten, daß die 24 Formulierungsvorschlag der Niederlande, Working Document No 3, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 310. 25 Waters, Explanatory Report, § 53. 26 Deutscher Text aus der Übersetzung der Schlußakte der 16. Tagung der Haager Konferenz vom Bundesjustizministerium. 27 Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 254; Scoles, Report, 6.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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Vorschrift des Art. 3 I nicht nur dann einschlägig ist, wenn gewöhnlicher Aufenthalt und Staatsangehörigkeit des Erblassers immer übereingestimmt haben. Vielmehr gilt Art. 3 I im Extremfall z.B. auch dann, wenn der Erblasser erst kurz vor dem Tode (wieder) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Heimatstaat genommen haben sollte. 28 Verlagert die Anknüpfungsperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt in ein anderes Land als ihren Heimatstaat, dann ist für ihre Erbfolge während der ersten fünf Jahre des dortigen Aufenthaltes im Grundsatz zunächst weiterhin ihr Heimatrecht maßgeblich (Art. 3 III). Dies gilt z.B. in dem Fall, daß sich jemand nur kurzfristig zu Berufszwecken im Ausland autbält. 29 Der Gesamtregelung des Art. 3 liegt demnach insofern die Überlegung zugrunde, daß man erst nach Ablauf eines Zeitraumes von fünf Jahren davon ausgehen kann, daß die Bezugsperson sich genügend in die soziale Umwelt ihres neuen Wohnsitzstaates integriert hat, um die Anwendung des Aufenthaltsrechts zu rechtfertigen. 3o Eine Ausnahme von dieser Vermutung kann jedoch zum Beispiel in dem Fall gegeben sein, daß der Erblasser beabsichtigte, auf Dauer in den neuen Aufenthaltsstaat zu immigrieren. Dann mag es gerechtfertigt sein, die Erbfolge gemäß der Ausweichklausel in Art. 3 III a.E. ausnahmsweise auch schon vor Ablauf der 5-Jahresfrist an das neue Aufenthaltsrecht anzuknüpfen. 31 Nach Ablauf dieser füntjährigen Aufenthaltsfrist findet dann in aller Regel das Aufenthaltsrecht Anwendung (Art. 3111).32 Dabei ist allerdings nicht erforderlich, daß der Aufenthalt des Erblassers im neuen Aufenthaltsstaat während des gesamten Zeitraumes von fünf Jahren die Qualität- eines "gewöhnlichen Aufenthaltes" gehabt hat. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des Art. 3 11 1. 33 Daher genügt es, daß der Erblasser innerhalb dieses Zeitraumes Waters, Explanatory Report, § 52; Ireland, Report, 53. Scoles, Report, 6. 30 Scoles, ebd. 31 Scoles, ebd.; Waters, Explanatory Report, § 54. 32 Will der Erblasser dann weiterhin sein altes Heimatrecht angewandt sehen, muß er eine entsprechende Rechtswahl gemäß Art. 5 der Haager Konvention treffen. 33 Die maßgebliche Formulierung des authentischen englischen Textes von Art. 311 1 lautet (Hervorhebungen durch d. Verf.): "Succession is also govemed by the law of the State in wbich the deceased at the time of bis death was habitually resident if he had been resident there for aperiod of no less that five years immediately preceding bis death. " In der authentischen französischen Fassung lautet diese Formulierung: "La succession est egalement regie par la loi de I'Etat dans lequelle defunt avait sa residence habituelle au moment de son deces, s'll avait reside dans cet Etat pendant une periode d'au moins cinq ans precedent immediatement son deces." 28

29

7 Brandi

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

in dem betreffenden Staat die meiste Zeit über bloß einen "schlichten" Aufenthalt34 besaß, solange dieser sich nur bis zum Todeszeitpunkt zu einem "gewöhnlichem Aufenthalt" verfestigt hat. 3S Auch nach Ablauf der 5-Jahresfrist kann die Erbfolge jedoch in besonderen Ausnahmefällen weiterhin an das bisherige Heimatrecht angeknüpft werden, wenn die Bezugsperson zu diesem offensichtlich engere Verbindungen gehabt hat (Art. 3112). In welchen Sonderfällen diese Ausweichldausel eingreift, wird an anderer Stelle noch näher erläutert. Auf jeden Fall aber sollen die Voraussetzungen dieser Vorschrift nach den Vorstellungen der Konferenzteilnehmer nur in ganz seltenen Ausnahmesituationen erfüllt sein. 36

3. Normzwec:k Art. 3 verfolgt dreierlei Zwecke. Erstens soll diese Vorschrift einen für die Anhänger beider Systeme akzeptablen Kompromiß zwischen dem Domizilprinzip und dem Heimatrechtsgrundsatz anbieten. 37 Zweitens soll sie gleichzeitig einen Ausgleich zwischen den Befürwortern umfassender Anknüpfungsflexibilität auf der einen und den Anhängern möglichst großer Verweisungs34 Der "gewöhnliche" Aufenthalt verlangt im Unterschied zum "schlichten" Aufenthalt, daß sich die jeweilige Bezugsperson im Aufenthaltsstaat auf Dauer oder zumindest regelmäßig aufhält. Für den "schlichten" Aufenhalt reicht dagegen eine bloß vorübergehende Anwesenheit (allg. M.; vgl. z.B. Kropholler, 251). 35 Waters, Explanatory Report, § 53; Ireland, Report, 54. Nach Ansicht von Waters, Explanatory Report, § 54 ist die Erfüllung dieser 5Jahresfrist allerdings ausgeschlossen, wenn der Inlandsaufenthalt für längere Zeit unterbrochen wurde. Waters nennt hierfür das Beispiel eines Immigranten, der nach einjährigem Aufenthalt im Einwanderungsstaat noch einmal für ein Jahr in seinen Heimatstaat zurückkehrt, um dort für seine Eltern zu sorgen. Danach zieht er wieder in seine neue Heimat, wo er vier Jahre nach dieser zweiten Ankunft verstirbt. Waters meint, hier dürften der erste e~ährige Aufenthalt und der zweite vieIjährige Aufenthalt nicht addiert werden, um die 5-Jahresfrist zu erfüllen. Diese Lösung hat Schoenblum, Va. J. Int'l. L. 32 (1991), 109, damit kritisiert, daß auf diese Weise der gewöhnliche Aufenthalt 'Geisel einer täglichen, ununterbrochenen physischen Anwesenheit würde'. Dem ist zuzustimmen. Es wäre nämlich sinnwidrig, an den "schlichten" Aufenthalt für die Erfüllung der 5-Jahresfrist strengere Anforderungen zu stellen als an den "gewöhnlichen" Aufenthalt (vgl. hierzu näher unten L Kapitel, B.II.4.b)(3)(a». Daher ist anzunehmen, daß die 5-Jahresfrist des Art. 3 11 1 auch bei einer zwischenzeitlichen längeren Unterbrechung des Aufenthaltes erfüllt wäre. Zumindest hätte dies dann zu gelten, wenn der Erblasser bereits bei der ersten Ankunft in seiner neuen Heimat dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet haben sollte. 36 Waters, Explanatory Report, § 53; Scoles, Report, 6. 37 Waters, Explanatory Report, § 25.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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stabilität bzw. Rechtssicherheit auf der anderen Seite herstellen. 38 Drittens geht es in dieser Vorschrift inhaltlich gesehen darum, die Erbfolge soweit wie möglich an das Recht des jeweiligen Lebensmittelpunktes des Erblassers anzuknüpfen. 39 a) Anknüpfung an den LebensmiUelpunkt

Einen Kompromiß zwischen Staatsangehörigkeitsprinzip und Domizilprinzip zu finden, bereitet solange keine Schwierigkeiten, wie die jeweiligen Kriterien beider Anknüpfungsprinzipien (d.h. hier Staatsangehörigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt) auf das gleiche Recht verweisen. Diese Fallkonstellation wird durch Art. 3 I erfaßt, der in diesem Fall das gemeinsame Heimat- und Aufenthaltsrecht für anwendbar erklärt. Der Regelung des Art. 3 I kommt jedoch eine größere Bedeutung zu, als nur etwas zu bestätigen, was auf den ersten Blick als selbstverständlich erscheint. Denn die Anknüpfung an das gemeinsame Heimat- und Aufenthaltsrecht erfolgt hier nicht so sehr deshalb, um damit die Anhänger beider Anknüpfungsprinzipien zufriedenzustellen, sondern vorrangig weil dieses Recht in jenem Fall eindeutig den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse des Erblassers bezeichnet. 40 Auf diese Weise wird durch die Regelung des Art. 3 I also gleichzeitig betont, daß es auch in den übrigen Fällen, wo Heimat- und Aufenthaltsrecht auseinanderfallen, das vorrangige Ziel der Anknüpfung sein muß, den jeweiligen tatsächlichen Lebensmittelpunkt des Erblassers zu ermitteln. 41 b) Kompromiß zwischen Domizllprinzip und Staatsangehörigkeitsgrundsatz

Für den Fall der Divergenz von Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt wird der Kompromiß zwischen beiden Anknüpfungsprinzipien mittels des zeitlichen Abgrenzungskriteriums der fünfjährigen Aufenthaltsfrist zu erreichen versucht. 42 Um eine Wechsel von der Anknüpfung an das Heimatrecht auf das neue Aufenthaltsrecht stattfinden zu lassen, hielt die Mehrheit der Teilnehmerstaaten eine solche Mindestaufenthaltsdauer von fünf Jahren für erforderlich. Vor allem die Delegationen der Einwanderungsstaaten hatten in der Spezialkommission zwar insofern wiederholt eine kürzere Frist (z.B. eine 2-Jahresfrist) für den Übergang vom Heimat- zum Aufenthaltsrecht Vgl. ebd. Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 254; Scoles, Report, 6. 40 Lagarde, ebd.; Scoles, ebd. 41 Lagarde, ebd. 42 Ebd. 38

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7*

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

gefordert. 43 Dies wurde jedoch von der Mehrheit der Konferenzteilnehmer mit der Begründung abgelehnt, daß man im Regelfall erst nach Ablauf von fünf Jahren von einer hinreichend engen Verbindung des Erblassers mit dem neuen Aufenthaltsrecht ausgehen könne. 44 Deutlich wird der Kompromißcharakter des Art. 3 im Hinblick auf den Ausgleich zwischen Staatsangehörigkeits- und Domizilprinzip vor allem dadurch, daß sowohl in dessen Abs. 2 als auch in Abs. 3 jeweils eine Ausnahme von der Regelanknüpfung an das Aufenthalts- bzw. Heimatrecht vorgesehen ist. 4S Dabei sind allerdings die Unterschiede zwischen beiden Klauseln zu beachten. Die Ausweichklausel des Art. 3 11 gilt nämlich nur zugunsten des Rechts der Staatsangehörigkeit und verlangt außerdem, daß "außergewöhnliche Umstände" vorliegen, in denen eine "offensichtlich engere Verbindung" zu dem Heimatrecht besteht. 46 Art. 3 III dagegen ermöglicht das Ausweichen auf jedes beliebige andere Recht - einschließlich des Aufenthaltsrechts - als das des regelmäßig anzuwendenden Heimatrechts. Hierfür ist lediglich notwendig, daß der Erblasser zu ersterem eine "engere Verbindung" besitzt47 , ohne daß hier das Erfordernis der "Offensichtlichkeit" bzw. der "außergewöhnlichen Umstände" besteht. 48

Waters, Report of the Special Commission, § 27. Vgl. Waters, ebd. 4S von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 144. 46 Die authentische englische und französische Textfassung spricht jeweils von "exceptional circumstances" und "manifestly more closely connected" bzw. von "circonstances exceptionelles" und "des liens manifestement plus etroits". 47 Die authentische englische und französische Textfassung spricht von "more closely connected" bzw. "des liens plus etroits". 48 Diese Differenzierung zwischen den Anforderungen an den Grad der engeren Verbundenheit in Art. 3 11 und Art. 3 III war während der Ausarbeitung der Konvention allerdings zeitweilig ziemlich umstritten. So verlangte vor allem die deutsche Delegation, daß auch die Ausweichklausel in Abs. 3 aus Gründen der Rechtssicherheit auf Fälle einer "offensichtlich" engeren Verbindung beschränkt werden sollte (Vgl. Stellungnahme von Pirrung (Deutschland) während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 4, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 368; Stellungnahme Deutschlands zu dem vorläufigen Konventionsentwurf der Special Commission, Comments of the Govemments on Preliminary Document No 12, Preliminary Document No 13 of September 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 284). Dies wurde aber von der großen Mehrheit der Teilnehmerstaaten abgelehnt (vgl. Minutes of the Second Commission, Minute No 4, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 368). 43

44

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

101

c) Kompromiß zwischen Rechtssicherheit und Anknüpfungsflexibilität

Den Kompromiß zwischen Rechtssicherheit und Anknüpfungsflexibilität versucht Art. 3 durch die Kombination einer Anknüpfungsleiter von einfach zu überprüfenden Regelanknüpfungen einerseits und flexiblen Ausnahmeklauseln andererseits zu erreichen. Die Teilnehmer der 16. Haager Konferenz gingen dabei offenkundig davon aus, daß Art. 3 I und die Regelanknüpfung des Art. 3 II 1 zusammen gesehen bereits die weitaus überwiegende Mehrzahl der möglichen Fallkonstellationen erfassen würden. 49 Für diese Fälle wurden daher möglichst einfach und sicher anzuwendende Anknüpfungskriterien gewählt, nämlich zum einen die Verweisung auf das gemeinsame Aufenthaltsund Heimatrecht und zum anderen die an eine feste fünfjährige Aufenthaltsfrist gekoppelte Regelanknüpfung an das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts. 50 Die Einfügung der beiden Ausnahmeklauseln in Art. 3 II und Art. 3 III stellt dagegen ein Zugeständnis an die Befürworter größtmöglicher Anknüpfungsflexibilität dar. Die damit verbundenen Einbußen an Rechtssicherheit sind vor allem bei Art. 3 III deutlich ausgeprägt, da dort auf das Erfordernis der "außergewöhnlichen Umstände" und der "Offensichtlichkeit" der engeren Verbindung verzichtet wurde. Zu diesen Einbußen war man bereit, da man davon ausging, daß Art. 3 III nur für die wenigen verbleibenden Sonderfälle eine Bedeutung haben würde, die nicht bereits über die beiden vorangehenden Absätze angeknüpft werden könnten. 51 Außerdem nahm man an, daß die persönlichen Verhältnisse der Anknüpfungsperson während der ersten fünf Jahre im neuen Wohnsitzstaat häufig noch im Fluß sein werden. 52 Daher wollte man für diese verbleibenden Fälle sichergehen, daß die Erbfolge dort 49 Hierbei slÜtzten die Konferenzteilnehmer sich auf eine Studie des Lyonnaiser Institut C.R.I.D.O.N., von deren Ergebnisse Revillard - eine Vertreterin der französischen Delegation - während der Sitzung der Zweiten Kommission berichtet hatte. In dieser Studie war die vorläufige Fassung des Art. 3 des Konventionsentwurfs der Spezialkommission vom 8. Oktober 1987, die noch nicht die Ausnahmeklausel hinsichtlich der ausnahmsweisen Anknüpfung an das Heimatrecht bei mehr als fünfjährigem Aufenthalt enthielt, auf 200 internationale Erbfälle angewandt worden. Nach den Ausführungen Revillards hätten Staatsangehörigkeit und gewöhnlicher Aufenthalt dabei in 26% der Fälle auf dasselbe Recht verwiesen. In den verbleibenden 74% hätte der gewöhnliche Aufenthalt länger als 5 Jahre in dem neuen - vom Heimatstaat abweichenden - Aufenthaltsstaat bestanden (siehe Stellungnahme von Revillard während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 2, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 356). 50 Waters, Explanatory Report, § 49; vgl. auch Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 255 f. 51 Waters, Explanatory Report, § 49; Fischer, RabelsZ 57 (1993), 16. 52 van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989),54.

102

1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

ebenfalls immer an das Recht des jeweiligen Lebensmittelpunkt des Erblassers angeknüpft wird. Aus diesem Grunde wurde bei der Formulierung des Art. 3 III darauf geachtet, diese Verweisungsvorschrift so flexibel wie möglich zu gestalten. S3

4. Anknüpfungskriterien Art. 3 benutzt zur Bezeichnung des anwendbaren Rechts drei verschiedene Anknüpfungskriterien, die in der soeben beschriebenen Weise miteinander kombiniert werden, nämlich die Staatsangehörigkeit, den gewöhnlichen Aufenthalt und die sog. "engere Verbindung". Bei den beiden erstgenannten Anknüpfungspunkten handelt es um bekannte und international gebräuchliche Kriterien, die den Rechtsanwender an sich vor keine grundsätzlich neuen Probleme stellen werden, auch wenn die Haager Erbrechtskonvention insoweit durchaus einige neue Detailfragen aufwirft. Dagegen dürfte die Anwendung des Kriteriums der "engeren Verbindung" zunächst noch gewisse Schwierigkeiten bereiten und zwar insbesondere im Hinblick auf seine Abgrenzung gegenüber dem Anknüpfungsmerkmal des "gewöhnlichen Aufenthaltes" .

a)Sbanmngehörlgkeü (1) Allgemeines

Die Erbrechtskonvention enthält selber keine Regelungen dafür, wie man die Staatsangehörigkeit des Erblasser bestimmt. Darüber zu entscheiden, nach welchen Regeln dies zu erfolgen hat, ist dem Forum überlassen. 54 Insoweit gilt - wie bereits oben erwähnt55 - die international einheitliche Praxis, daß sich der Erwerb und der ·Verlust einer Staatsangehörigkeit nach dem Recht desjenigen Staates richtet, um dessen Staatsbürgerschaft es geht. S6 Leider enthält die Erbrechtskonvention darüber hinaus auch keine - zumindest keine ausdrückliche - Vorschrift zur Regelung der Fälle der doppelten Staatsangehörigkeit bzw. der Staatenlosigkeit. Dies steht im Einklang mit der auch sonst in Haager Konventionen üblichen Vorgehensweise. 57 Zwar könnte 53 54 55

56 57

Waters, Explanatory Report, § 49. Waters, Explanatory Report, § 51. Siehe oben 1. Kapitel, A.Iß.4.b). Kegel, IPR, 283; Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986 1),67. Waters, Explanatory Report, § 51; Ireland, Report, 52.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

103

dies auf den ersten Blick die international einheitliche Anwendung der Erbrechtskonvention in Frage stellen. Jedoch lassen sich, wie im folgenden zu zeigen sein wird, die allermeisten Fälle dieser Art - trotz Fehlens einer entsprechenden ausdrücklichen Bestimmung - aus der Erbrechtskonvention selber lösen. (2)

Mehrstaoter

In den Fällen der doppelten bzw. mehrfachen Staatsbürgerschaft wird häufig die Vorschrift des Art. 3 I einschlägig sein. Denn oft wird der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt zum Todeszeitpunkt in einem derjenigen Staaten haben, dessen Staatsbürgerschaft er besitzt. Dann wäre auf die Erbfolge gemäß Art. 3 I das Recht dieses Staates anwendbar. 58 Zumindest insoweit würden die Fälle der Mehrstaatigkeit unter der Haager Konvention also keine besonderen Probleme bereiten. Fraglich ist jedoch, wie unter dem Haager Abkommen in den übrigen Fällen der Mehrstaatigkeit zu verfahren ist, in denen der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem derjenigen Staaten gehabt hat, denen er angehörte. In anderen Worten gesagt, ist also zweifelhaft, wie mit dem Problem der Mehrstaatigkeit innerhalb des Anwendungsbereichs der Art. 3 11 und Art. 3 III umzugehen ist: Von Overbeck ist der Auffassung, daß aus dem der Ausgestaltung des gesamten Art. 3 zugrundeliegenden "Prinzips der engsten Verbindung" ("principe de proximit~")59 gefolgert werden könne, daß im Rahmen der Art. 3 11 und III im Verhältnis zweier oder mehrerer Staatsangehörigkeiten zueinander jeweils der "effektiven" Staatsangehörigkeit der Vorrang einzuräumen sei. 60 Dieser Vorschlag erscheint zwar zunächst bestechend, steht aber Waters, ebd.; Ireland, Report, 53. Siehe hierzu allgemein Lagarde, Reeueil des Cours 196 (1986 1),9 ff., der den Siegeszug dieses Grundsatzes im europäischen Kollisionsreeht schildert. 60 von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 144. Von Overbeck differenziert hierbei zwar an sich nicht zwischen dem Anwendungsbereich des Art. 3 I und demjenigen der Art. 3 II und m. Allerdings folgt aus dem oben Gesagten eindeutig, daß im Rahmen des Art. 3 I in jedem Fall der Zugehörigkeit zu demjenigen Staat der Vorzug zu geben ist, wo der Erblasser gleichzeitig seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (was zudem in aller Regel seine effektive Staatsangehörigkeit sein wird). Daher besitzt der Vorschlag von Overbecks, immer der effektiven Staatsbürgerschaft den Vorrang zu gewähren, eigentlich nur für den Anwendungsbereich der Art. 3 II und Art. 3 III eine eigenständige Bedeutung. Ähnlich äußert sich auch die lrish Law Reform Commission, Report, 55, zu Art. 3 III der Haager Erbrechtskonvention. Danach sei unter Anwendung der dort 58

59

104

1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

an sich in Widerspruch dazu, daß es auf der 16. Haager Konferenz ausdrücklich abgelehnt worden war, im Hinblick auf Art. 3 Sonderregeln für Mehrstaater zu entwickeln. Vielmehr sollte die Lösung solcher Fälle nach dem Willen der Konferenzteilnehmer bewußt dem jeweiligen Forum überlassen werden, wobei insoweit auch auf die einschlägigen internationalen Abkommen verwiesen wurde. 61 Daher kann im Prinzip jeder Mitgliedsstaat des Haager Erbrechtsabkommens für sich selber entscheiden, wie er die Fälle der Mehrstaatigkeit im Rahmen des Art. 311 und Art. 3 III lösen will. Aufgrund der Verschiedenartigkeit der Lösungsansätze, die hierzu in den einzelnen nationalen Rechten vertreten werden62 , könnte dies zumindest auf den ersten Blick zur Folge haben, daß insoweit die Einheitlichkeit der Anwendung der Haager Erbrechtskonvention gefährdet würde. 63 Diese Gefahr könnte u. U. noch dadurch verstärkt werden, daß in vielen Rechtsordnungen - einschließlich des deutschen IPR (vgl. Art. 5 12 EGBGB) - eine Neigung besteht, im Falle der Mehrstaatigkeit jeweils der eigenen Staatszugehörigkeit den Vorrang zu gewähren. 64 Tatsächlich aber dürften sich wohl die allermeisten Fälle der Mehrstaatigkeit auch innerhalb des Anwendungsbereichs der Art. 3 11 und III auf befriedigende und für alle Mitgliedsstaaten einheitliche Weise lösen lassen. Im Hinblick auf die Verweisungsvorschrift des Art. 3 11 ist nämlich zu beachten, daß insofern eine ausnahmsweise Anknüpfung an eines der beiden Heimatrechte ohnehin nur dann in Frage käme, wenn der Erblasser zu einem von ihnen offensichtlich engere Beziehungen als zum Aufenthaltsrecht besitzt. Dann wird diese Staatsangehörigkeit gleichzeitig aber auch die "effektivere" der beiden sein. Insofern käme also eine einseitige Bevorzugung der Staatsangehörigkeit der lexjori - wie z.B. in Art. 5 I 2 EGBGB - nicht zum Zuge. Im Rahmen des Art. 3 III könnte eine einzelstaatliche Bestimmung wie der Art. 5 I 2 EGBGB zwar zunächst dazu führen, daß grundsätzlich an die eigene Staatsangehörigkeit der Lex jori angeknüpft werden müßte, selbst wenn diese nicht die effektive der beiden Staatsbürgerschaften ist. Gleichwohl wäre zu beachten, daß auch in solchen Fällen die Ausweichklausel des Art. 3 III a.E. enthaltenen Ausweichklausel im Falle der Mehrstaatigkeit an dasjenige Heimatrecht anzuknüpfen, zu dem der Erblasser seine engsten Beziehungen gehabt hätte. 61 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 51. Allerdings fand zu dieser Frage keine eigene Abstimmung und keine ausführlichere Diskussion statt (vgl. Minutes of the Second Commission, Minute No 16, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 453 f.). 62 Siehe hierzu z.B. die Länderübersicht bei Mansel, 123 ff. 63 Schoenblum, Va. J. Int'l. L. 32 (1991), 110 f. 64 Vgl. Kropholler, 235 f.; Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986 1),82 ff.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

105

der Haager Konvention gelten würde, wonach ausnahmsweise an ein anderes Recht anzuknüpfen ist, falls zu diesem eine engere Beziehung besteht. Insoweit würde also aus Art. 3 III selber folgen, daß letztlich der effektiveren der beiden Staatsangehörigkeiten der Vorrang zu gewähren ist. Zumindest gälte dies solange, wie der Erblasser nicht eine noch engere Beziehung zu einer dritten Rechtsordnung hätte. 65 Im Ergebnis führt also das in den Ausweichklauseln der Art. 3 11 2 und Art. 3 III verankerte Prinzip der engsten Verbindung tatsächlich dazu, daß im Anwendungsbereich dieser Vorschriften bei Doppelstaatem in den meisten Fällen an die effektive Staatsangehörigkeit angeknüpft werden müßte - soweit dort überhaupt eine Anknüpfung an das Heimatrecht in Frage kommen sollte. Insoweit wäre dem oben genannten Lösungsvorschlags von Overbecks also zuzustimmen. Zwar wäre es aus Gründen der Klarheit vorzuziehen gewesen, wenn in dem Haager Erbrechtsabkommen eine entsprechende ausdrückliche Regelung getroffen worden wäre. Jedoch ist zu erwarten, daß die Gerichte der Mitgliedsstaaten bei genauer Beachtung der Regelungen des Art. 3 auch so zu einer international einheitlichen Lösung der Mehrstaaterfälle gelangen werden.

(3) Staatenlose Bei einem staatenlosen Erblasser würden sowohl Art. 3 I als auch Art. 3 III der Haager Erbrechtskonvention mit ihrer Verweisung auf das Heimatrecht ins Leere führen. Allenfalls Art. 3 11 1 könnte dort einschlägig sein. 66 Dies würde aber voraussetzen, daß der Erblasser bereits seit mehr als fünf Jahren im Aufenthaltsstaat ansässig gewesen ist. In den übrigen Fälle, d.h. im Rahmen des Art. 3 I und III, müßte für die Anknüpfung an das - nicht vorhandene - Heimatrecht auf die hierfür im jeweiligen Forum geltenden Ersatzvorschriften zurückgegriffen werden. Für Deutschland wären dies Art. 12 I des New Yorker Übereinkommens über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954 oder - soweit dieses Abkommen nicht einschlägig ist Art. 511 EGBGB. Nach diesen Vorschriften wäre die Erbfolge bei einem Staatenlosen daher in jedem Fall, d.h. unabhängig von der 5-Jahresfrist von Art. 3 11 1 der Haager Erbrechtskonvention, an das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes (bzw. des schlichten Aufenthaltes) anzuknüpfen.

So im Ergebnis auch Ireland, Report, ebd. Unzutreffend daher Schoenblum, Va. J. lnt'l. L. 32 (1991), 93 Fn. 44, nach dessen Auffassung die Haager Erbrechtskonvention die Anknüpfung der Nachlässe von Staatenlosen im vollen Umfange dem jeweiligen Forum überlassen würde. 65

66

106

1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip? b) Gewöhnlicher Aufenthalt

(1) Allgemeines

Nach dem Vorbild zahlreicher anderer Haager Abkommen67 wurde auch in der Haager Erbrechtskonvention das Anknüpfungsmerkmal des "gewöhnlichen Aufenthaltes" ("habitual residence" bzw. "r~sidence habituelle") demjenigen des "Wohnsitzes" ("domicile") vorgezogen. 68 Der Grund für diese traditionelle Vorgehensweise der Haager Konferenz liegt zum einen in der Verschiedenhaftigkeit der einzelnen nationalen Wohnsitzbegriffe. 69 Diese hatte es von vornherein als aussichtslos erscheinen lassen, sich auf einen einheitlichen übernationalen Wohnsitzbegriff zu einigen. 7o Der Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes ist dagegen bislang weniger durch unterschiedliche Definitionen in den nationalen Rechtsordnungen festgelegt und erscheint damit eher einer international einheitlichen Auslegung zugänglich. 71 Ein weiterer Grund für die Bevorzugung des gewöhnlichen Aufenthaltes liegt in dessen Natur als ein allein - oder zumindest im wesentlichen72 - durch 67 Die Haager Konferenz hatte den Anknüpfungspunkt der "residence habitueUe" erstmalig in das Zivilprozeßübereinkommen von 1896 und in das MindeIjährigenVormundschaftsabkommen von 1902 gebraucht. Besonders in den Haager Übereinkommen, die in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ausgearbeitet wurden, nahm die Verwendung des "gewöhnlichen Aufenthaltes" erheblich zu. Zu den wichtigsten Beispielen gehören das Haager Unterhaltsabkommen von 1956 (vgl. Art. 11) und das Haager MindeIjährigenschutzabkommen (vgl. Artt. 1 und 2). Siehe ausführlich zu dieser Entwicklung de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 423 - 428, 437 454; Cavers, 247 f.; Raape/Sturm, 119; Baetge, 33 - 36. . 68 Waters, Explanatory Report, § 51. 69 Kropholler, 249; Cavers, 247. 70 Eine der wenigen Ausnahmen stellt der Versuch einer einheitlichen Definition des "Wohnsitzes" durch den Ministerrat des Europarates dar; vgl. "Resolution (72) 1 on the Standardization of the Legal Concepts of 'Domicile' and of 'Residence' (18 January 1972)", abgedruckt u.a. in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 201; auf deutsch übersetzt von Loewe, ÖJZ 1974, 144 ff. 71 Kropholler, ebd.; Raape/Sturm, 118. 72 Häufig wird gesagt, daß es sich bei dem gewöhnlichen Aufenthalt nicht um einen Rechtsbegriff handele, sondern daß dieses Kriterium allein einen tatsächlichen Zustand beschreibe; vgl. McClean, 28 m.w.N. ("a notion of fact rather than law"); ebenso de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 428; eher zweüelnd dagegen Cavers, 257 f. Dies ist allerdings nicht ganz zutreffend. Denn durch das Attribut "gewöhnlich" ("habitual") wird diesem Begriff auch ein wertendes Element hinzugefügt (MÜDchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 544; ähnlich Kropholler, 249; siehe hierzu ausführlich Baetge, 102 - 106).

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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Fakten auszufüllender Begriff. 73 Hierdurch erhofft man sich die Schwierigkeiten zu ersparen, die mit dem wesentlich stärker rechtlich geprägten Wohnsitzbegriff verbunden sind, wo z.B. für bestimmte Fallkonstellationen die Rechtsfiguren eines abgeleiteten74 bzw. ftktiven7s Wohnsitzes entwickelt worden sind. Mit dem faktenorientierten Kriterium des "gewöhnlichen Aufenthaltes" soll den Gerichten demgegenüber die Möglichkeit eingeräumt werden, umfassend die konkreten Umstände des Einzelfalles zu würdigen und den Zweck der jeweiligen Verweisungsnorm zu berücksichtigen, ohne hierbei von den technischen Details eines verrechtlichten Wohnsitzbegriffes abgelenkt zu werden. 76 Um den Gerichten diese Flexibilität zu erhalten, ist in den Haager Konventionen sowie in den übrigen internationalen Verträgen und nationalen Gesetzen, die diesen Anknüpfungspunkt verwenden, darüber hinaus bislang auf eine nähere Definition des "gewöhnlichen Aufenthaltes" verzichtet worden. 77 Dem hat sich auch die Haager Erbrechtskonvention angeschlossen, in der gleichfalls keine Definition dieses Begriffs zu finden ist. Allerdings wird durch diesen Verzicht auf eine einheitliche Definition die Gefahr geschaffen, daß die einzelnen nationalen Gerichte dieses Kriterium unterschiedlich auslegen und anwenden könnten. 78 Tatsächlich ist nämlich festzustellen, daß der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthalts" schon allein im deutschen Recht79 erst recht aber auf internationaler Ebeneso - bereits verschiedene Streitfragen ausgelöst hat. Einige davon könnten auch für die Haager Erbrechtskonvention von Relevanz sein und werden daher im folgenden anzusprechen sein.

Raape/Sturm, 118; vgI. auch de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 Ill), 425. So z.B. der abgeleitete Wohnsitz ("domicile 01 dependency") bei Minderjährigen und - früher - bei der Ehefrau im anglo-amerikanischen Recht. 7S SO z.B. der "domicile olorigin" des traditionellen englischen Domizilbegriffs. 76 ScoleslHay, 177; Cavers, 254. 77 ScoleslHay, ebd.; de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 Ill), 428; Kropholler, 248. Auch insoweit stellt allerdings die bereits oben erwähnte Resolution 72 (1) des Europäische Ministerrates von 1972 eine Ausnahme dar, wo der Begriff des "gewöhnlichen Aufenthaltes" zumindest teilweise näher umschrieben wird. Siehe hierzu sogleich im weiteren Verlauf des Textes. 78 So allgemein de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 Ill), 428; Raape/Sturm, 118 ("Nationale Ratten" könnten diesen Begriff "zernagen" .). Aus diesem Grund äußert sich Schoenblum, Va. J. Int'I. L. 32 (1991), 106 ff., sehr kritisch zu der Verwendung dieses Anknüpfungskriteriums in der Haager Erbrechtskonvention und zum Verzicht auf eine Defmition desselben darin. 79 VgI. Raape/Sturm, 118 m.w.N. 80 VgI. die Übersicht über die wichtigsten umstrittenen Punkte bei Schoenblum, Va. J. Int'I. L. 32 (1991), 107 ff. m.w.N. 73

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

(2) Funktionelle Interpretation: Mittelpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse Weitgehend Einigkeit scheint aber dahin zu bestehen, daß das Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthalts generell funktionell ausgelegt und bei seiner Anwendung damit vor allem der Zweck der jeweiligen Anknüpfungsnorm beachtet werden sollte. 81 Dies hätte demnach auch für die Interpretation dieses Begriffs in der Haager Erbrechtskonvention zu gelten. Dort müßte darüber hinaus auch das Gebot der abkommensautonomen Auslegung beachtet werden. 82 Bei der Verwendung dieses Merkmals zum Zwecke der Anknüpfung des Personalstatuts ist weitaus herrschende Auffassung, daß für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes vorrangig auf den Schwerpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse der Bezugsperson, d.h. auf ihren Daseinsmittelpunkt, abzustellen ist. 83 Außerdem herrscht insofern Übereinstimmung, daß eine gewisse, nicht zu kurz bemessene Aufenthaltsdauer erforderlich ist, um die für die Anknüpfung des Personalstatuts erwünschte Verweisungsstabilität zu erreichen. 84 In derselben Weise will auch der Berichterstatter Waters den Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes i.S.v. Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention definieren. Nach Waters' Auffassung würde sich der gewöhnliche Aufenthalt eines Erblassers nämlich folgendermaßen bestimmen: "Essentially it is the place of belonging of the de cujus .... it is the eentre 0/ his living, the plaee with whieh he is most elosely associated in his paUem o/life. For the purpose of determining this place, his family and personal ties are particularly 81 Kropholler, 251; vgl. auch Münchkomm-Sonnenberg~r, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 543. Dies kann dazu führen, daß dem "gewöhnlichen Aufenthalt" für unterschiedliche Anknüpfungszwecke eine unterschiedliche Bedeutung beigelegt wird; vgl. Cavers, 256; siehe auch de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 1II), 435 f., wo der Autor zwischen dem gewöhnlichen Aufenthalt zum Zwecke der Bestimmung des Personalstatuts ("soeial domieile") und dem Gebrauch dieses Kriteriums im internationalen Vertrags-, Zivilprozeß- und Steuerrecht differenziert. Ähnlich auch die Unterscheidung von Kropholler, 252, 254 ff. Siehe hierzu ausführlich Baetge, 86 - 101. 82 von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 144. 83 Kropholler, 254; de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 1II), 431; so allgemein auch Scoles/Hay, 178; Soergel-Kegel, Art. 29 EGBGB a.F., Rz. 31 (mit zahlreichen Rspr.-Nachweisen). Einen ausführlichen Überblick über den Meinungsstand im deutschen Recht und mehreren europäischen Rechtsordnungen gibt Baetge, 44 -73. 84 de Winter, Recueil des Cours 128 (19691II), 430; vgl. Kropholler, 253 f.; vgl. auch Scoles/Hay, 177.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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important elements. Intention appears to play a more muted role as an element in habitual residence than it traditionally has done in domicile ... 11 is a regular physical presence, enduring Jor some time, and a clearly stronger association than 'ordinary' and 'simple' residence ... However, the manifest hopes and plans of the de cujus are also elements that may be legitimately considered by the person who would have to know which State is the habitual residence. ,,85

Diese von Waters für den Zweck der Haager Erbrechtskonvention vorgeschlagene Umschreibung des gewöhnlichen Aufenthaltes deckt sich demnach weitgehend mit den Begriffsdefinitionen, die hierfür im deutschen86 und ausländischen87 Kollisionsrecht angeboten werden, soweit es um die Bestimmung des auf das Personalstatut anwendbaren Rechtes geht. Danach würde sich der gewöhnliche Aufenthalt also vorrangig nach zwei objektiven Elementen bestimmen. So wäre zum einen erforderlich, daß es sich bei dem jeweiligen Ort um den Daseinsmittelpunkt des Erblassers handelt. Zum anderen verlangt dieser Anknüpfungspunkt eine Anwesenheit von gewisser Dauer und Regelmäßigkeit. Hingegen sollen - anders als z.B. beim domicile des angloamerikanischen Rechts - die subjektiven Vorstellungen und Absichten des Erblassers für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes nur eine untergeordnete Rolle spielen. Diese einzelnen Elemente der Begriffsdefinition sollen nunmehr näher erläutert werden. (3) Voraussetzungen im einzelnen (a) Aufenthaltsdauer Bezüglich der zeitlichen Dimension ist grundsätzlich erforderlich, daß die physische Anwesenheit des Erblassers zum Todeszeitpunkt bereits eine gewis-

Waters, Explanatory Report, § 51 (Hervorhebungen durch d. Verf.). Vgl. Kropholler, 250 ff.; MünchKomm-Sonnenberger, Rz. 544 ff.; SoergelKegel, Art. 29 EGBGB a.P., Rz. 31 ff. (mit zahlreichen Rspr.-Nachweisen); Baetge, 44 - 54. 87 Vgl. de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 430 ff.; Scoles/Hay, 177 f.; Dicey/Morris, 1l. Aufl., 166 f.; Baetge, 55-72. Vgl. auch die vom Ministerrat des Europarates in seiner Resolution 72 (1) empfohlenen Kriterien für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes: "No 9: In determining whether a residence is habitual, account is to be taken of the duration and the continuity of the residence as weil as of other facts of a personal or professional nature which point to durable ties between a person and his residence. " (abgedruckt u.a. in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 201). 85

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

se Zeit angedauert hat. 88 Eine feste Frist läßt sich hierfür nicht nennen. 89 Im Unterschied zum einfachen Aufenthalt darf die Frist aber nicht nur gering sein. 90 Der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers kann aber auch schon vor Ablauf einer entsprechenden Zeitspanne bereits durch die bloße voraussichtliche Dauer und die zu erwartende Integration begründet worden sein. Dies kann sich aus den Umständen des Aufenthaltes und insbesondere aus einer entsprechenden Absicht des Erblassers bei der Aufenthaltsnahme ergeben. Daher könnte ein gewöhnlicher Aufenthalt bereits durch die voraussichtliche Aufenthaltsdauer und die zu erwartenden Integration des Erblassers in die Umwelt des Aufenthaltsstaates entstanden sein, wenn der Aufenthalt auf eine längere Zeitspanne angelegt war und künftig an die Stelle des bisherigen Daseinsmittelpunktes treten sollte. 91 Waters nennt hierfür das Beispiel eines Einwanderers, der kurze Zeit nach seiner Ankunft im neuen Aufenthaltsstaat verstirbt. 92 Innerhalb der Haager Erbrechtskonvention wird eine solche Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht aufgrund der bloß erwarteten Aufenthaltsdauer jedoch allenfalls bei Art. 3 I von praktischer Relevanz sein können. Sie käme also nur dort in Frage, wo der Erblasser entweder bereits die Staatsangehörigkeit des neuen Aufenthaltsstaates besitzt oder wo er - was die wahrscheinlichere Fallkonstellation ist - nach längerem Auslandsaufenthalt in das Land seiner Staatszugehörigkeit zurückkehrt. Bei Art. 3 11 wird dagegen in jedem Fall eine fünfjährige Dauer des Aufenthalts verlangt. Daher würde es bei dem von Waters genannten Beispiel des Einwanderers grundsätzlich bei der Anknüpfung an das Heimatrecht gemäß Art. 3 III bleiben, falls dieser weiterhin allein die Staatsangehörigkeit seines alten Heimatstaates besitzt. 93

88 Waters, Explanatory Report, § 51; Dicey/Morris, 11. Aufl., 166; Cruse v. Chittum (1974) 2 All E.R. 940, 942 ("a regular physical presence which must endure for some time"); Scoles/ Hay, 177. 89 Kropholler, 251; Dicey/Morris, 11. Aufl., 166. Lt. Baetge, 109 m.w.N., gehen Rechtsprechung und Literatur in Deutschland und Österreich meist von einer Aufenthaltsdauer von sechs Monaten aus. 90 Waters, ebd.; Kropholler, ebd. 91 Kropholler, 252; Soergel-Kegel, Art. 29 EGBGB a.F., Rz. 38 m.w.N.; BGHZ 78,293 = IPRspr. 1980 Nr. 94, 281; Dicey/Morris, 11. Aufl., 167 m.w.N. 92 Waters, Explanatory Report, § 54. 93 Eine Ausnahme gälte gemäß Art. 3 III a.E. allerdings, wenn der Erblasser bereits deutlich engere Beziehungen zum neuen Aufenthaltsrecht entwickelt haben sollte. Dann wäre das Recht des neubegrundeten gewöhnlichen Aufenthaltes anwendbar. Vgl. Waters, ebd.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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(b) Physische Anwesenheit Aus dem Attribut "gewöhnlich" folgt, daß sich der Erblasser an dem jeweiligen Ort regelmäßig, nicht aber ständig aufgehalten haben muß, um dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu besitzen. Die physische Anwesenheit kann also vorübergehend - u. U. auch mehrfach - unterbrochen worden sein. 94 Dies gilt zumindest solange, wie die Anknüpfungsperson zu diesem Ort hinreichend enge persönliche Beziehungen besitzt. 95 Fraglich ist jedoch, ob der gewöhnliche Aufenthalt unter Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention auch in einem solchen Staat gelegen sein kann, von dem die Anknüpfungsperson schon seit längerem abwesend ist bzw. in dem sie sich jeweils nur für kurze Zeit tatsächlich aufhält, während sie die meiste Zeit über im Ausland lebt. In der kollisionsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung ist verschiedentlich die Ansicht vertreten worden, daß zum Zwecke der Anknüpfung des Personalstatuts vorrangig auf das Maß der Integration in die soziale Umwelt und weniger auf die tatsächliche Anwesenheit bzw. Anwesenheitsdauer abzustellen ist. 96 Daraus ist z.B. gefolgert worden, daß ein ins Ausland entsandter deutsche Journalist, Firmenangehöriger oder diplomatischer Vertreter oder der seinen Lebensabend in Spanien verbringende deutsche Pensionär für die Anknüpfung des Personalstatuts weiterhin seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben kann. Zumindest gelte dies solange, wie die äußeren Umstände eine Aufrechterhaltung der sozialen Beziehungen zur alten Heimat anzeigen und noch keine wirkliche Integration in das Gastland erfolgt sei. 97

94 Waters. ebd.; Soergel-Kegel. Art. 29 EGBGB a.F .• Rz. 38 f. m.w.N.; Kropholler. 251; Dicey/Morris. ebd. 95 So allgemein zum deutschen Recht: MünchKomm-Sonnenberger. Internationales Privatrecht. Einleitung. Rz. 544; BGH NJW 1975. 1068. 96 Vgl. Kropholler. 253; de Winter. Recueil des Cours 128 (1969 III). 431 f.; vgl. auch BGH ebd. Siehe hierzu ausführlich Baetge. 47-54. 97 Kropholler. ebd.; ähnlich die von de Winter. Reeueil des Cours 128 (1969 III). ebd .• gebildeten Beispiele. Danach behalte ein Italiener. der in Italien weiterhin ein Haus habe. wo seine Ehefrau und seine Kinder wohnen würden. während er in Holland arbeite. seine "social domicile" weiterhin in Italien. Entsprechendes gelte für einen holländischen Studenten. der für eine gewisse Zeit im Ausland studiere; oder für einen Angehörigen des holländischen auswärtigen Dienstes. der seinen Dienst im Ausland verrichte. während seine Kinder in Holland zur Schule gehen. wo er regelmäßig seinen Urlaub verbringt. Ähnlich auch der BGH ebd. Danach verhindere ein jährlich neunmonatiger Auslandsaufenthalt eines Kindes in einem Internat nicht. daß dieses seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland bei seiner sorgebereehtigten Mutter hat. wenn der Auslandsaufenthalt nur als Notlösung gedacht ist.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Auch bei der Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes LS.v. Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention sollen die persönlichen Bindungen des Erblassers nach Ansicht des Berichterstatters Waters eine vorrangige Rolle spielen. 98 Daher spräche an sich einiges dafür, auch dort der fehlenden tatsächlichen physischen Anwesenheit bzw. der geringen Aufenthaltsdauer im Heimatstaat bei Vorhandensein entsprechender persönlicher Bindungen ein geringeres Gewicht beizumessen, solange noch keine Integration in das soziale Umfeld des neuen Aufenthaltsstaates stattgefunden hat. Gleichwohl fragt es sich, ob es nicht hieße, das Anknüpfungsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthaltes zu sehr zu überdehnen, wenn auf eine physische Anwesenheit gänzlich verzichtet und auch bei langjährigem - wenn auch zeitlich befristeten - Auslandsaufenthalt weiterhin von einem gewöhnlichen Aufenthalt im Inland ausgegangen würde. 99 Diese Frage ist - zumindest inzidenter - auch auf der 16. Haager Konferenz angesprochen worden. Dabei weisen die Stellungnahmen verschiedener Konferenzteilnehmer darauf hin, daß nach ihrer Ansicht die soeben genannten Beispiele innerhalb des Art. 3 11 nicht durch die Regelanknüpfung des Satz 1, sondern durch die Ausweichklausel des Satz 2 erfaßt würden. 1Oo Nach ihrer Auffassung soll hier also gerade nicht das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes gelten, sondern das Heimatrecht, da zu diesem offensichtlich engere Beziehungen bestünden. Daraus muß gefolgert werden, daß in diesen Fällen nach Meinung der Verfasser des Haager Erbrechtsabkommens der gewöhnliche Aufenthalt dort liegt, wo sich der Erblasser die meiste Zeit über tatsächlich aufgehalten hat, und nicht in demjenigen Staat, zu dem er womöglich die engeren persönlichen oder familiären Beziehungen besaß. Zumindest hätte dies dann zu gelten, wenn die - ständige oder ,deutlich überwiegende - physische Anwesenheit des Erblassers am Aufenthaltsort länger als die in Art. 3 11 1 vorgesehenen fünf Jahre gedauert hätte. Das würde bedeuten, daß für die Anwendung der Raager Erbrechtskonvention der

Vgl. Waters, Explanatory Report, § 51. Zweifelnd auch Siep, 60 m.w.N., der annimmt, daß in solchen Fällen der Daseinsmittelpunkt grundsätzlich im ausländischen Aufenthaltsstaat liegt. 100 Vgl. hierzu die Fallbeispiele (die unten noch näher besprochen werden sollen; siehe 1. Kapitel, B.II.4.c)(2)(b», welche von mehreren Konferenzteilnehmern zur Erläuterung der Vorschrift des Art. 311 genannt worden sind; siehe Waters, Explanatory Report, § 53; von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 144; Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 256; van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 53; Stellungnahme von Hayton (Großbritannien) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 2, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 354; offenlassend allerdings Scoles, Report, 6. 98

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oben beschriebenen weiten Auslegung des gewöhnlichen Aufenthaltes nicht gefolgt werden könnte. (c) Daseinsmittelpunkt Gleichwohl würde im übrigen auch für die Haager Erbrechtskonvention gelten, daß das wichtigste Definitionsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthaltes darin besteht, daß dieser Ort den Daseinsmittelpunkt, d.h. den Mittelpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse des Erblassers darstellt. 101 Für die Bestimmung dieses Daseinsmittelpunktes müßten insbesondere die persönlichen und familiären Bindungen des Erblassers zu berücksichtigt werden. 102 Eine gewisse Beachtung würden dabei zwar wohl auch seine beruflichen Verhältnisse verlangen. 103 Jedoch sollte man in dem Fall, daß familiäre und berufliche Beziehungen des Erblassers auf unterschiedliche Rechtsordnungen verweisen (z.B. bei Auseinanderfallen von Wohn- und Arbeitsort eines im Grenzgebiet lebenden Pendlers), vorrangig auf den Schwerpunkt der familiären Lebensverhältnisse abstellen. 104 Dies folgt aus dem personalen Charakter des materiellen Erbrechts. 105

101 Ygl. Waters, Explanatory Report, § 51: "the centre of bis living, the place with wbich he is most closely associated in bis pattern of life. " Siehe zum deutschen Recht Soergel-Kegel, Rz. 31 m.w.N.: der Ort, "wo eine Person ihren Daseinsmittelpunkt, den Mittel- oder Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse hat." Ebenso MünchKomm-Sonnenberger, Rz. 544; v. Bar, Internationales Privatrecht I, Rz. 528; siehe ausführlich Baetge, 47 - 54. Siehe zum anglo-amerikanischen Recht Scoles/Hay, 178: "the center of a person's personal and family life". 102 Waters, Explanatory Report, § 51. 103 So zumindest die allgemeine Empfehlung des Europarates von 1972 zur rechtsvereinheitlichenden Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes (No 9: "account is to be taken of ... other facts of a personal or professional nature ... ), siehe Proceedings of the Sixteenth Session, Bd.lI, 201; ebenso zum deutschen Recht BGH NJW 1975, 1068. 104 So allgemein zur Anknüpfung des Personalstatuts auch Kropholler, 254; Baetge, 115 m.w.N.; Soergel-Kegel, Rz. 33 m.w.N .. Nach Auffassung von SoergelKegel, Rz. 31 sollte letztlich entscheidend sein, "wo jemand zur Ruhe kommt, wo er schläft." Ebenso anscheinend auch Waters, Report of the Special Commission, § 28: "It [d.i. das Anknüpfungsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthaltes] appears to ... epitomize where he [d.i. der Erblasser] sleeps at night, how long he has been sleeping there, and the prospects for bis continuing to sleep there." (Ergänzungen durch d. Yerf.). Differenzierend Spickhoff, IPRax 1995, 185, 187. 105 Siehe bierzu näher unten 2. Kapitel, A.IIl.l. 8 Brandi

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Zwar ist generell umstritten, inwieweit die Möglichkeit eines doppelten gewöhnlichen Aufenthaltes besteht, d.h. ob die Anknüpfungsperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt gleichzeitig an zwei verschiedenen Orten haben kann. 106 Zumindest für die Anknüpfung des Personalstatuts scheint aber überwiegende Auffassung zu sein, daß jede Person aus Gründen der Verweisungsstabilität nur einen gewöhnlichen Aufenthalt haben sollte. 107 Darüber hinaus wird insoweit aus der Definition des gewöhnlichen Aufenthaltes als Mittelpunkt der persönlichen Lebensverhältnisse gefolgert, daß die Möglichkeit eines doppelten gewöhnlichen Aufenthaltes sogar begrifflich ausgeschlossen ist. 108 Letzterer Auffassung scheint sich auch der Berichterstatter Waters für die Anwendung von Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention angeschlossen zu haben. 109 Ferner konnte bislang generell noch keine Einigkeit darüber erzielt werden, ob eine Person überhaupt keinen gewöhnlichen Aufenthalt haben kann. 110 Der Explanatory Report schweigt leider zu dieser Frage. Man wird aber wohl annehmen müssen, daß sich letztlich bei jeder Person irgendein Daseinsmittelpunkt wird ermitteln lassen können. (d) Bleibeabsicht Es ist weitgehend herrschende Auffassung, daß die subjektiven Absichten und Vorstellungen der Anknüpfungsperson bei der Ermittlung des gewöhnlichen Aufenthaltes grundsätzlich nur eine untergeordnete Rolle spielen. 111 Dies Ansicht wird auch von Waters für die Zwecke von Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention vertreten. ll2 Daher ist es nicht erforderlich, den Willen des Erblassers auf eine entsprechenden Bleibeabsicht hin zu überprüfen, wenn 106 Befürwortend u.a.: Dicey/Morris, 11. Aufl., 167; Cavers, 63 f. Ablehnend u.a.: Scoles/Hay, 178; v. Bar, Rz. 528; Hans Stoll, RabelsZ 22 (1957), 187,190 ("graue Theorie"); MünchKomm-Sonnenberger, Art. 5 EGBGB, Rz. 32. Ausführlich hierzu Baetge, 137 - 142. 107 Siehe u.a. Kropholler, 254; de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 433. 108 Vgl. Kropholler, ebd.; Scoles/Hay, ebd. 109 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 51: "A person can have only one habitual residence, because it is the centre of his living". 110 Bejahend u.a.: Dicey/Morris, 11. Aufl., 167; zweifelnd dagegen Kropholler, 255. Ausführlich hierzu Baetge, 142 - 147. 111 Scoles/Hay, 177; Dicey/Morris, ebd.; MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 546; Soergel-Kegel, Rz. 37; a.A. von Bar, Rz. 529; Überblick über den Meinungsstand im deutschen Recht bei Siep, 66 ff., und Baetge, 132. 112 Waters, Explanatory Report, § 51.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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bereits anband der Aufenthaltsdauer und der sozialen Integration zweifelsfrei festgestellt werden kann, daß der betreffende Ort sein Daseinsmittelpunkt ist. 113 Gleichwohl kann den Vorstellungen des Erblassers für die Ermittlung des Daseinsmittelpunktes durchaus eine wesentliche indizielle Wirkung zukommen. 114 Denn in der Regel wird dieser am besten dazu in der Lage sein, zu beurteilen, wo sein Lebensmittelpunkt liegt. Ein eigenes Gewicht gewinnt der Erblasserwille dabei vor allem in denjenigen Fällen, wo die tatsächliche Verweildauer bzw. das anband äußerer Umstände feststellbare Maß der Integration in die soziale Umwelt noch gering ist. Wenn der Erblasser also an einem Ort vermutlich jahrelang bleiben und dort seinen Lebensmittelpunkt begründen wollte, kann er dort eben in Rücksicht auf diesen Umstand schon mit seiner Ankunft einen gewöhnlichen Aufenthalt erworben haben, selbst wenn er kurz darauf versterben sollte. ll5 Außerdem wird der entgegenstehende Wille der Anknüpfungsperson dann zu beachten sein, wenn die Anwesenheit am Aufenthaltsort unfreiwillig erfolgt. Daher wird z.B. bei Strafgefangenschaft, Haft in Arbeitslagern, Verschleppung, Ausweisung u.s. w. in der Regel kein gewöhnlicher Aufenthalt am erzwungenen Aufenthaltsort begründet werden. 116 c) Engere Verbindung (1) Allgemeines

Sowohl Art. 3 11 2 als auch Art. 3 III a.E. der Haager Erbrechtskonvention sehen eine Ausnahme von der jeweiligen Regelanknüpfung vor, wenn der Erblasser zu einem anderen Recht eine "engere Verbindung" besitzt. Insoweit wirkt das Kriterium der "engeren Verbindung" in beiden Vorschriften als ein korrigierendes Element, mit dessen Hilfe festgestellt wird, ob ein Bedarf besteht, die Regelanknüpfung an das Aufenthalts- bzw. Heimatrecht zu durch113 Ebenso allgemein MünchKomm-Sonnenberger, ebd.; Kropholler, 252; de Winter, Recueil des Cours 128 (1969 III), 430. 114 Waters, Explanatory Report, § 51; so allgemein auch MünchKomm-Sonnenberger, ebd.; Baetge, 133; insoweit übereinstimmend auch von Bar, ebd. 115 Waters, Explanatory Report, § 54; vgl. auch Kropholler, ebd.; Baetge, ebd.; Dicey/Morris, 11. Aufl., 167. 116 Siehe Siep, 73 - 81, und Baetge, 121 - 129, mit ausführlichem Überblick über den Meinungsstand in der deutschen und ausländischen Literatur und Rechtsprechung; ebenso z.B. Kropholler, 255; Kegel, IPR, 299 (der dies allerdings eher aus dem Gesichtspunkt des "Daseinsmittelpunktes" herleitet). S·

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

brechen. In Art. 3 III wirkt dieses Kriterium darüber hinaus jedoch auch als ein eigenständiges Anknüpfungsmerkmal, welches selber überhaupt erst das ausnahmsweise anwendbare Recht aus dem Kreis der potentiell einschlägigen Rechtsordnungen auswählt. 117 In beiden Vorschriften soll dabei derjenige die Beweislast für das Vorliegen einer engeren Verbindung tragen, der sich auf das Eingreifen der jeweiligen Ausweichklausel beruft. 118 Ebenso wie beim Begriff des gewöhnlichen Aufenthaltes enthält die Haager Erbrechtskonvention kein nähere Angaben darüber, wie das Merkmal der "engeren Verbindung" zu definieren ist. Der Berichterstatter Waters schlägt jedoch folgende Begriffsbestimmung vor: "'Close connection' ... is concerned with that place which is the centre of the de cujus' personai and family life, the place to which he does return, or plans to return, because it is, as he regards it, bis ultimate horne. "119

Waters definiert die engere Verbindung LS.v. Art. 311 und III im wesentlichen also auf die gleiche Weise wie den gewöhnlichen Aufenthalt, nämlich als Daseinsmittelpunkt des Erblassers. Dementsprechend sind nach der Ansicht von Waters hierbei grundsätzlich auch die gleichen Faktoren zu berücksichtigen wie bei der Feststellung des gewöhnlichen Aufenthalts. 120 Als Beispiele nennt Waters die Staatsangehörigkeit des Erblassers, den Wohnort seiner nächsten Angehörigen, die persönlichen Bindungen, Art und Ort der beruflichen Anstellung bzw. der Erwerbstätigkeit des Erblassers, die Beständigkeit seines Aufenthaltes an einem bestimmten Ort, den Schwerpunkt der Belegenheit seines persönlichen Vermögens, seine Reisen und die Gründe dafür. 121

(2) Engere Verbindung und gew6hnlicher Aufenthalt (Art. 3 11 2) (a) Problem der Abgrenzung beider Anknüpfungsmerkmale In Art. 3112 der Haager Konvention soll in Sonderfällen an das Heimatrecht anstelle des Aufenthaltsrechts angeknüpft werden, wenn der Erblasser zu ersterem eine offensichtlich engere Beziehung hatte. Hier ergibt sich das Problem, daß der Ausnahmetatbestand der "engeren Verbindung" letztlich die gleiche Funktion erfüllt und die gleichen Charakteristika aufweist wie das Waters, Explanatory Report, § 50. Vgl. ders., Report of the Special Commission, § 28; United Kingdorn, Consultation Paper, 18. 119 Waters, ebd. 120 Ders., Explanatory Report, § 51. 121 Ebd. 117 118

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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Regelanknüpfungsmerkmal des "gewöhnlichen Aufenthalts". An sich dienen nämlich beide Kriterien dazu, mittels einer flexiblen Einzelfallprüfung dasjenige Recht festzustellen, mit dem der Erblasser nach den konkreten Umständen des Sachverhalts am engsten verbunden ist. 122 Außerdem werden beide vom Explanatory Report im Kern als Daseinsmittelpunkt des Erblassers deftniert. Gleichwohl ist es nur mit Mühe vorstellbar, daß eine Person noch engere Beziehungen mit einem anderen Staat als mit ihrem gewöhnlichen Aufenthalt - d.h. mit ihrem Daseinsmittelpunkt - haben könnte. 123 Zumindest auf den ersten Blick also scheint hier die Kombination dieser beiden Anknüpfungskriterien nur wenig Sinn zu machen. Deshalb stellt sich die Frage, wie diese beiden Merkmale im konkreten Fall voneinander abgegrenzt werden können und sollen. (b) Beispielsfalle

Die Teilnehmer der 16. Haager Konferenz hatten jedoch verschiedene speziftsche Fallgruppen im Auge, als sie die Einfügung der Ausweichklausel des Art. 3112 beschlossen. Die Kriterien, die für das Vorliegen einer engeren Verbindung LS.d. Art. 311 2 und für die Abgrenzung derselben zum gewöhnlichen Aufenthalt maßgeblich sein sollen, können daher womöglich aus diesen Fallgruppen abgeleitet werden. Im einzelnen handelt es sich hierbei um folgende Beispielsfalle: Die britischen Delegation stützte ihren Vorschlag, in den Art. 3 II eine Ausweichklausel zugunsten des Heimatrechts einzufügen, vor allem auf das Beispiel der zahlreichen britischen Pensionäre, die ihren Lebensabend auf den Kanarischen Inseln oder Balearen verbrächten, dort aber nur mit ihren Landsleuten verkehren würden. Diese hätten nach Ansicht der britischen Vertreter kaum Verständnis dafür, daß die Erbfolge in ihr Vermögen nach Ablauf der 5-Jahresfrist des Art. 3 II 1 dem spanischen Aufenthaltsrecht unterstellt würde. 124 Das britische Delegationsmitglied Hayton nannte als weiteres Beispiel den Fall eines Technikers, der berufsbedingt zeitweilig im Ausland leben würde. Seine dortige Anstellung beruhe auf einem befristeten Arbeitsvertrag, der ursprünglich auf drei Jahre begrenzt gewesen wäre, dann aber einmal 122 Aus diesem Grunde äußert sich Schoenblum, Va. J. Int'l. L. 32 (1991), 107 Fn. 99, kritisch gegenüber der Regelung des Art. 3 n 2. Vgl. hierzu auch allgemein Lagarde, Recueil des Cours 196 (19861), 98. 123 Ebenso Ireland, Report, 96. 124 Vgl. Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 256; von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 144.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

verlängert worden sei. Nach fünf Jahren Aufenthalt im Ausland sei er verstorben. Abgesehen von seiner beruflichen Tätigkeit habe er keine engeren Beziehungen zum Gastland entwickelt. 12S Eine Variante dieses Beispiels wird vom Berichterstatter Waters in seinem Explanatory Report angeführt: Auch danach habe der Erblasser im ausländischen Gastland während des mehr als fünfjährigen Aufenthaltes allein aus beruflichen Gründen gelebt. Er habe jedoch keinerlei kulturellen Beziehungen zum Aufenthaltsstaat entwickelt und sei in keiner Weise in die dortige Gesellschaft integriert gewesen. Er habe außerdem noch berufliche Beziehungen zu seinem Heimatstaat gehabt, wo seine Kinder zur Schule gegangen seien. Für die Zeit nach Beendigung des befristeten beruflichen Engagements im Ausland habe der Erblasser in jedem Fall die Rückkehr in seinen Heimatstaat geplant gehabt. 126 In diesen Fallbeispielen stellt sich zunächst die Frage, ob der jeweilige Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatte oder ob dieser noch in seinem Heimatstaat lag. Nach dem oben zu den Definitionsmerkmalen des gewöhnlichen Aufenthalt Gesagten127 könnte man bei einer weiten Auslegung dieses Begriffs durchaus annehmen, daß sich der Daseinsmittelpunkt des Erblassers und damit auch sein gewöhnlicher Aufenthalt noch im alten Heimatstaat befanden. Hierfür ließe sich insbesondere anführen, daß in diesen Beispielen bis zum Todeszeitpunkt keinerlei Integration in die Gesellschaft des Gastlandes stattgefunden hatte. Die Teilnehmer der Haager Konferenz scheinen hier aber offensichtlich davon ausgegangen zu sein, daß der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers zum Zeitpunkt seines Ablebens im Gastland lag. 128 Insoweit scheinen sie für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltes also letztlich eher dem Ort der (überwiegenden) physischen Anwesenheit die ausschlaggebende Bedeutung zuzusprechen. Damit müßte für die Anwendung des Art. 3 also davon ausgegangen werden, daß im Falle einer mehr als fünfjährigen - ständigen bzw. deutlich überwiegenden - Anwesenheit an einem Ort dort in aller Regel

125 Siehe Stellungnahme von Hayton (Großbritannien) während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 2, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 354; siehe ebenso den von van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 53, gebildeten Beispielsfall; ähnlich auch das Beispiel bei Droz, Journal des Notaires et des Avocats 182 (1989), 514 f. 126 Waters, Bxplanatory Report, § 53. Den gleichen Pall nennt Scoles, der Vertreter der U.S.-amerikanischen Delegation, in: Scoles, Report, 6. 127 Siehe oben 1. Kapitel, B.II.4.b)(3). 128 Allein Scoles, Report, 6, läßt dies für das von ihm genannte Beispiel offen.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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auch der gewöhnliche Aufenthalt liegt.129 Die übrigen Faktoren, wie z.B. die familiären und persönlichen Bindungen des Erblassers, die auf eine engere Verbindung zum Heimatrecht schließen lassen könnten, wären dann vorrangig im Rahmen der Ausweichklausel des Art. 3 II 2 zu berücksichtigen und würden lediglich in Ausnahmefällen zur Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit führen. (c) Mögliche Kriterien für das Vorliegen einer engeren Verbindung zum Heimatrecht Im Einzelnen würden in den obigen Fallbeispielen dabei folgende Gesichtspunkte für das Vorliegen einer näheren Verbindung zum Heimatrecht sprechen: Zumindest in dem Beispiel des zeitweilig beruflich im Ausland tätigen Erblassers dürfte insofern ein wichtiger Faktor sein, daß der Erblasser die feste Absicht hatte, nach Abschluß seines beruflichen Engagements sofort wieder in seinen Heimatstaat zurückzukehren. Für eine solche Rückkehrabsicht lagen dort zudem äußerlich deutlich erkennbare Indizien vor und zwar v.a. die Befristung des Arbeitsvertrages. Hinzu käme dort, daß der Auslandsaufenthalt des Erblassers allein auf beruflichen Gründen basierte, während seine sozialen und familiären Bindungen überwiegend noch auf sein Heimatland wiesen. 130 In dem oben genannten Beispiel der britischen Rentnerkolonien im Süden Europas fehlt es bei den betroffenen Personen jedoch häufig an einer entsprechenden Rückkehrabsicht. Denn sie wünschen ja gerade, ihren Lebensabend fern der verregneten britischen Heimat zu verbringen. Ein maßgebliches 129 Ähnlich Ireland, Report, 96: "If the concept of habitual residence merely embraced residence of a certain minimum degree of duration and intensity, then we would have no difficulty in accepting the notion that a person could have a closer connection with a particular State other than with the State in wbich he is habitually resident. " 130 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 53; van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 53. So besonders deutlich auch Scoles, Report, 6: "An example of the exceptional and unusually strong ties to the State of nationality sufficient to overcome the habitual residence would be the situation in wbich the person maintained only one residence but this residence was clearly dictated by business interests and not the center of bis personal family Iife as indicated by facts such as bis children remained at school in bis State of nationality and he and bis spouse ... persistently maintained other relationsbips wbich evidenced a firm intention to return as soon as the foreign residence is no longer necessary for business purposes. "

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Kriterium für die engere Verbindung zum Heimatstaat könnte in diesen Fällen dagegen die fehlende soziale Eingliederung in die Gesellschaft des Aufenthaltsstaates sein. Denn oft leben die Mitglieder solcher Rentnerkolooien in einer Art "kulturellem Ghetto", innerhalb dessen sie nur mit eigenen Landsleuten verkehren und weiter die Lebensgewohnheiten ihrer Heimat pflegen. m Darüber hinaus werden die Mitglieder dieser "Rentnerkolooien" wahrscheinlich häufig auch noch enge persönliche und familiäre Beziehungen zum Heimatstaat haben, wo im Zweifelsfalle ihre nächsten Anverwandten und vor allem ihre Kinder wohnen dürften. Schließlich wird mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit dort auch noch ein Großteil ihres persönlichen Vermögens belegen sein. Diese Beispiele zeigen daher einerseits, daß im Rahmen der Ausnahmeklausel des Art. 3 11 2 letztlich immer alle Umstände des Einzelfalls geprüft und berücksichtigt werden müssen, um festzustellen, ob zum Heimatrecht eine engere Verbindung als zum Aufenthaltsrecht gegeben ist. Zum anderen deuten sie aber auch an, welche Gesichtspunkte häufig für das Vorliegen einer solchen engeren Verbindung sprechen dürften. Hierbei handelt es sich erstens um eventuell vorhandene Rückkehrabsichten des Erblassers, zumindest soweit diese äußerlich klar erkennbar sind und sich auf einen bestimmten Zeitpunkt beziehen, an dem die Rückkehr erfolgen soll; zweitens um die fehlende Integration der Anknüpfungsperson in die Gesellschaft des Aufenthaltsstaates; und drittens um das Fortbestehen enger familiärer oder persönlicher Bindungen zum Heimatstaat. (d) Weitere Voraussetzungen des Art. 3 11 2 Darüber hinaus nennt Art. 3 11 2 aber noch zwei weitere Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit die Ausweichklausel zugunsten des Heimatrechts eingreift. So ist zum einen erforderlich, daß die Verbindung zum Heimatrecht "offensichtlich"132 enger ist. Zum anderen läßt Art. 3 II 2 eine ausnahmsweise Anknüpfung an das Heimatrecht nur unter "außergewöhnlichen Umständen" zu. 133 Der Begriff der "offensichtlich" engeren Verbindung läßt sich auf zweierlei Weise interpretieren. Zum einen ist denkbar, daß hiermit die Klarheit bzw. die Evidenz der engeren Verbindung zum Heimatrecht angesprochen werden Vgl. Westbroeklde Lange, 92 f. "Manifestly" bzw. "manifestement" im englischen und französischen Originaltext. 133 "In exceptional circumstances" bzw. "dans des circonstances exceptionelles" im englischen und französischen Originaltext. 131

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soll. Diese Interpretation wird anscheinend von Westbroek und de Lange vertreten. Nach ihrer Auffassung würde der Begriff "offensichtlich" nämlich verlangen, daß das Vorliegen einer engeren Beziehung zum Heimatrecht für außenstehende Dritte klar erkennbar sein muß. 134 Andererseits ließe sich aber auch die Ansicht vertreten, daß mit diesem Begriff vor allem das Maß der Intensität der Beziehung zum Heimatrecht betont werden soll. Eine solche Interpretationsweise wird von der irischen Law Reform Commission vorgeschlagen. 135 In der Regel werden diese beiden Auslegungsmöglichkeiten aber wohl zu demselben Ergebnis führen. Denn die Tatsache der engeren Beziehung des Erblassers zum Heimatrecht wird zumeist und vor allem dann besonders klar zu erkennen sein, wenn diese Beziehung deutlich intensiver ist als seine innere Verbindung zum Aufenthaltsrecht. 136 Aus dem zusätzlichen Erfordernis "außergewöhnlicher Umstände" leiten Westbroek und de Lange ab, daß die Ausweichklausel des Art. 3112 nur dann eingreifen solle, wenn die Anwendung des Aufenthaltsrechts "außerhalb des gewöhnlichen Erwartungshorizontes" läge. 137 Sie verweisen hierfür auf das oben genannte Beispiel des Technikers, der nach einmaliger Verlängerung seines auf drei Jahre befristeten Arbeitsvertrages am ausländischen Aufenthalts- bzw. Arbeitsort verstarb. Dieser Erblasser habe noch mitten im Berufsleben gestanden und in keiner Weise damit gerechnet, im ausländischen Aufenthaltsstaat zu versterben. Ihn hätte die Anwendung des ausländischen Erbrechts demnach gewissermaßen "überfallen".138 Unter Anwendung dieses Kriteriums würden diese Autoren es dagegen umgekehrt bei der Regelanknüpfung an das Aufenthaltsrecht belassen wollen, wenn dies den "gewöhnlichen Erwartungen" entspräche. Zur Erläuterung bilden sie hierfür ein Gegenbeispiel, wo der berufsbedingte Auslandsaufenthalt sehr viel längerfristiger angelegt gewesen ist und der Erblasser die Absicht hat, erst nach seiner Pensionierung in sein Heimatland zurückzukehren. Wenn der Erblasser hier während seines Auslandsaufenthaltes einige Jahre vor Eintritt in den Ruhestand versterben würde, wäre die Anwendung des ausländischen Erbrechts weniger überraschend und es müßte demnach bei der Regelanknüpfung des Art. 3 11 1 verbleiben. 139

134 135 136 137 138 139

Westbroeklde Lange, 91. Ireland, Report, 95 f. So grundsätzlich auch ebd., 95. Westbroeklde Lange, 91. Ebd. Ebd.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

(e) Würdigung Die Ausweichldausel des Art. 3 11 2 bietet demnach also ein Korrektiv zugunsten einer Anknüpfung an das Heimatrecht in Situationen, wo aufgrund der ständigen oder weitaus überwiegenden Auslandspräsenz des Erblassers zwar an sich eine Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht geboten wäre, wo aber gleichzeitig verschiedenen Indikatoren vorliegen, die auf eine noch engere Verbindung zum Heimatrecht hindeuten. Auf diese Weise wird demzufolge eine noch flexiblere Anknüpfung des Erbstatuts ermöglicht, als dies allein durch das Anknüpfungsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthalts gewährleistet werden könnte. Allerdings besitzen die oben genannten Kriterien für das Vorliegen einer engeren Verbindung zum Heimatrecht den Nachteil, daß ihre Überprüfung im konkreten Fall häufig Schwierigkeiten bereiten und aufwendige Sachverhaltsermittlungen erfordern kann. Dies gilt vor allem für einen so "weichen" Faktor wie die sozialen und kulturellen Bindungen der Anknüpfungsperson. 140 Aber auch das Erfordernis der "außergewöhnlichen Umstände" bedarf wohl noch einer weiteren Präzisierung, als dies durch den oben beschriebenen Interpretationsansatz von Westbroek und de Lange bislang geleistet wird. Jedoch dürfte es dabei wohl auch keine praktikable Lösung sein, bei Zweifelsfiillen im Ergebnis einfach offen zu lassen, ob der Erblasser aufgrund entsprechender Beziehungen zum Heimatstaat dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt LS.d. Art. 311 1 besessen hat oder ob eine "offensichtlich engere Verbindung" zum Heimatrecht LS.d. Art. 3112 vorlag. 141 Denn nach ihrem eindeutigen Wortlaut soll die Ausweichldausel des Art. 3112 nur "in ganz

140 Westbroeklde Lange, 92, stellen daher die Frage, ob es nicht vor allem aus Gründen der Rechtssicherheit sinnvoller sei, für die Feststellung der engeren Verbindung i.S.d. Art. 3 ß und ßI allein auf die wirtschaftlichen Bindungen des Erblassers abzustellen, da diese im Regelfall einfacher zu überprüfen seien. Gleichwohl gelangen sie zu dem Ergebnis, daß insofern auch die kulturellen und emotionalen Beziehungen des Erblassers berücksichtigt werden müssen. Sie leiten diese Folgerung zum einen aus den oben genannten Stellungnahmen der Teilnehmer der Haager Konferenz ab. Zum anderen stützen sie diese Auslegung auf die Ausweichklausel des Art. 3 ßI a.E. Diese würde ihrer Ansicht nach nämlich aufhören, eine Ausnahme zu sein, wenn man vorrangig die wirtschaftlichen Bindungen des Erblassers berücksichtigen würde. Denn gerade Immigranten - für die diese Ausweichklausel geschaffen sei - hätten nach ihrer Auffassung häufig kaum wirtschaftliche Bindungen zum neuen Aufenthaltsstaat, weil diese bei der dortigen Ankunft in der Regel kaum über finanzielle Mittel verfügen würden (ebd.) 141 So aber anscheinend Scoles, Report, 6.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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seltenen Ausnahmefällen anwendbar sein. 142 Daher bedürfte eine Abweichung von der Regelanknüpfung des Art. 3 11 1 in jedem Fall eines besonderen Begründungsaufwandes.

(3) Engere Verbindung und Heimatrecht (Art. 3 III a.E.) Geringere Probleme dürfte die Anwendung .des Anknüpfungsmerkmals "engere Verbindung" dagegen in Art. 3 III a.E. bereiten. Dort besitzt es nämlich die Aufgabe, eine Ausnahme von der Anknüpfung an das Recht der Staatsangehörigkeit zu eröffnen, wenn der Erblasser zum Todeszeitpunkt engere Bindungen mit einem anderen Recht als dem Heimatrecht besaß. Dadurch stehen sich hier für die Regelanknüpfung das starre Anknüpfungsmerkmal der Staatsangehörigkeit und für die Ausweichklausel das flexible Kriterium der engeren Verbindung gegenüber, deren Tatbestandsmerkmale eindeutig voneinander abgegrenzt werden können. Die Mitglieder der 16. Sitzung der Haager Konferenz wollten mit dieser Bestimmung vor allem die Fallgruppe der erst kürzlich eingewanderten Immigranten erfassen. Diese bringen häufig ihre Familie in den neuen Aufenthaltsstaat mit und besitzen in der Regel keinerlei Absichten, in ihre Heimat zurückzukehren. Daher wäre es nach Ansicht der Konferenzteilnehmer in einem solchen Fall nicht gerechtfertigt, die Erbfolge weiter nach dem alten Heimatrecht zu beurteilen. 143 Nach ihrem Wortlaut kann die Ausnahmeklausel des Art. 3 III a.E. zwar zugunsten jeder beliebigen Rechtsordnung wirken, solange zu dieser eine engere Verbindung als zum Heimatrecht besteht. Wie aber das obige Beispiel des Immigranten zeigt, wird eine solche engere Verbindung in der Regel wohl mit dem Recht des neu begründeten gewöhnlichen Aufenthaltes bestehen.

111. Sondervorschriften für Mehrrechtsstaaten 1. Lokale Rechtsspaltung (Art. 19) Art. 19 enthält die in Haager Konventionen übliche "federal state clause" .144 Er enthält also ergänzende Bestimmungen für den Fall, daß die Vgl. Waters, Explanatory Report, § 53. Vgl. Waters, Report of the Special Commission, § 27; van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 54; Scoles, Report, 6. Ebenso Gutierrez, Probate & Property, Sept./Okt. 1991,22. 144 Waters, Explanatory Report, § 122. 142 143

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Anknüpfungsvorschriften des Abkommens - einschließlich des Art. 3 - auf ein Land mit lokaler Rechtsspaltung verweisen. 145 Entgegen der obigen widersprüchlichen Bezeichnung gilt Art. 19 allerdings nicht nur für föderal strukturierte Staaten, sondern darüber hinaus auch für jene Länder, in denen eine lokale Rechtsspaltung existiert, ohne daß sie nach einer bundesstaatlichen Ordnung aufgebaut sind (wie z.B. das Vereinigte Königreich). 146 Wird durch Art. 3 also auf ein Rechtssystem mit lokaler Rechtsspaltung verwiesen, sind gemäß Art. 19 11 vorrangig - soweit vorhanden - die eigenen interlokalen Kollisionsnorm dieses Staates heranzuziehen, um die jeweils anwendbare Teilrechtsordnung zu bezeichnen. Allerdings ist hierfür erforderlich, daß innerhalb dieses Gesamtstaates einheitliche, für alle Teilrechtsordnungen verbindliche interlokale Kollisionsnormen existieren. 147 Entscheidet dagegen jede Teilrechtsordnung aus eigener Kompetenz über die Reichweite ihres materiellen Rechts (wie z.B. die amerikanischen Bundesstaaten oder die kanadischen Provinzen), dann greift die Bestimmung des Art. 1911 ins Leere. In diesem Fall sind die interlokalen Kollisionsnormen der nachfolgenden Art. 19 III bis Art. 19 VII anzuwenden: Art. 19 III a) konkretisiert die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt zum Todeszeitpunkt (vgl. Art. 3 I und Art. 311 1) dahingehend, daß hiermit diejenige Teilrechtsordnung gemeint ist, in der der Erblasser zu diesem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Hiermit spricht die Haager Konvention etwas aus, was sich letztlich von selbst versteht. Denn aufgrund seines territorialen Charakters bezeichnet das Merkmal des gewöhnlichen Aufenthaltes immer den konkreten einzelnen Ort, an dem sich der Daseinsmittelpunkt der Anknüpfungsperson befindet. 148 Damit läßt sich dieses Anknüpfungskriterium im Falle einer lokalen Rechtspaltung eigentlich schon aus sich heraus auf die jeweils maßgebliche Teilrechtsordnung hin konkretisieren. 149 Schwierigkeiten könnte dieses Merkmal aber in dem Ausnahmefall bereiten, wo der Erblasser - z.B. als fahrender Händler - zwar einen gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet des Gesamtstaates besaß, dabei aber ständig zwischen den einzelnen Teilrechtsordnungen umher zog. Hier könnten vor allem bei der 145 Art. 19 konkretisiert in diesen Fällen nicht nur die Abkommensvorschriften zur objektiven Anknüpfung des Erbstatuts, sondern auch dessen Regelungen zur Rechtswahl (wie z.B. Art. 5). 146 Waters, Explanatory Report, § 122. 147 Waters, Explanatory Report, § 124. 148 Kropholler, 246, spricht insofern vom "beschränkten räumlichen Substrat" des gewöhnlichen Aufenthaltes. 149 Ebd.

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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Berechnung der 5-Jahresfrist des Art. 311 1 Unklarheiten entstehen. Dafür bietet Art. 19 VII 1 Abhilfe dergestalt, daß die fünfjährige Aufenthaltsfrist auch dann erfüllt sein soll, wenn sich der Aufenthalt des Erblassers während dieser Zeit zumindest innerhalb des Gebietes des Gesamtstaates befand. Das anwendbare Recht ist dann das Recht derjenigen Teilrechtsordnung, wo der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ist kein solcher gewöhnlicher Aufenthalt vorhanden, dann gilt entweder das Recht der Teilrechtsordnung, wo sich der letzte schlichte Aufenthalt des Erblassers befand, oder ein anderes Recht, falls er dazu eine engere Verbindung besaß (Art. 19 VII 2). Nach Art. 19 III b) ist die Anknüpfung an das Recht der Staatsangehörigkeit zum Todeszeitpunkt (vgl. Art. 3 I, 11 2, III) dahingehend zu verstehen, daß hiermit auf das Recht derjenigen Teilrechtsordnung verwiesen wird, in welcher der Erblasser in diesem Augenblick seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte bzw. - hilfsweise - zu der er in diesem Moment die engste Verbindung besaß. Letztere Variante könnte vor allem im Falle des Art. 3 III relevant werden. ISO Hätte z.B. ein Erblasser mit U.S.-amerikanischer Staatsbürgerschaft zum· Todeszeitpunkt seit vier Jahren aus beruflichen Gründen im Ausland gelebt, dann müßte an sich gemäß Art. 3 III an das Recht seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft angeknüpft werden. Da der Erblasser aber seit vier Jahren ununterbrochen im Ausland gelebt hat, besitzt er in den U.S.A. keinen gewöhnlichen Aufenthalt mehr. Damit müßte an das Recht desjenigen Bundesstaates angeknüpft werden, zu dem er zuletzt noch seine engsten sozialen bzw. familiären Beziehungen hatte. 151 Art. 19 IV enthält die entsprechende Konkretisierungsregel für die Anknüpfung an das Recht der engsten Verbindung (vgl. Art. 3 III a.E.). Hierunter soll wiederum das Recht derjenigen Teilrechtsordnung zu verstehen sein, mit der der Erblasser am engsten verbunden gewesen ist. 2. Personale Rechtsspaltung (Art. 20) Art. 20 ergänzt die Verweisungsvorschriften des Haager Abkommens, falls diese auf ein Rechtssystem mit personaler Rechtspaltung verweisen. Auch insoweit werden vorrangig die eigenen interpersonalen Kollisionsregeln des Vgl. hierzu Schoeoblum, Va. J. Iot'l. L. 32 (1991), 112 f. Schoenblum weist zwar zu Recht darauf hin, daß das Anknüpfungsmerkmal "engste Verbindung" in diesem Fall mit einigen Unsicherheiten behaftet sein kann. Jedoch mißversteht er den Zusammenhang von Art. 3 und Art. 19, wenn er daraus eine Benachteiligung der Staatsangehörigen von Mehrrechtsstaaten herleitet (vgl. ebd., 113). 150 151

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

ausländischen Mehrrechtsstaates für maßgeblich erklärt (Art. 20 S. 1). Falls solche nicht vorhanden sind, soll das Recht derjenigen Personengruppe maßgeblich sein, mit welcher der Erblasser am engsten verbunden gewesen ist (Art. 20 S. 2). Hier werden also die drei Anknüpfungsmerkmale "Staatsangehörigkeit", "gewöhnlicher Aufenthalt" und "engsten Verbindung" jeweils auf die gleiche Weise konkretisiert.

IV. Renvoi (Artt. 4 und 17) Die Haager Erbrechtskonvention ist als 10i uniforme konzipiert. Dies bedeutet, daß das Recht, auf welches durch die Kollisionsnormen des Abkommens verwiesen wird, auch dann anwendbar ist, wenn dies das Recht eines Nichtvertragsstaates sein sollte (vgl. Art. 2). Demzufolge kann sich bei dem objektiven Anknüpfungskriterium in Art. 3 die Frage stellen, inwieweit einem renvoi gefolgt werden müßte, falls das IPR dieses Nichtvertragsstaates wiederum eine Rück- oder Weiterverweisung aussprechen sollte. Dieses Problem wurde sowohl in der Spezialkommission lS2 als auch in der Zweiten Kommission lS3 intensiv diskutiert. Dabei wurden drei verschiedene Lösungswege in Erwägung gezogen. Der erste bestand darin, auch in dem vorliegenden Erbrechtsabkommen die in Haager Konventionen übliche Lösung zu wählen. Diese hätte dahin gehend gelautet, die Beachtung eines renvoi im Interesse einer einheitlichen Anwendung der Abkommensregelungen gänzlich auszuschließen. Die zweite Möglichkeit wäre gewesen, zu dieser Frage in dem Erbrechtsübereinkommen keine Stellung zu beziehen und es den Gerichten der Mitgliedsstaaten zu überlassen, hierfür adäquate Antworten zu entwickeln. Der dritte Lösungsvorschlag, welcher in der Spezialkommission zunächst gescheitert war lS4 , sich in der. Zweiten Kommission dann aber doch noch durchsetzen konnteiSS , ist nunmehr in den Vorschriften der Artikel 4 und 17 zu finden: Art. 17 nennt die generelle Regel, wonach sich die Verweisungen des Haager Erbrechtsabkommens grundSätzlich nur auf das interne materielle Recht der für anwendbar erklärten Rechtsordnung beziehen. IS6 Art. 4 stellt IS2 Vgl. Waters, Report ofthe Special Commission, § 67. IS3 Vgl. ders., Explanatory Report, §§ 57-59, 117-119. IS4 Ders., Report of the Special Commission, ebd. ISS Ders., Explanatory Report, § 59. IS6 Art. 17 lautet in der Übersetzung durch das Bundesjustizministerium: "Vorbehaltlich des Artikels 4 bedeutet in diesem Übereinkommen der Ausdruck Recht die in einem Staat geltenden Rechtsnonnen unter Ausschluß derjenigen des Internationalen Privatrechts. "

B. Objektive Anknüpfung in der Haager Erbrechtskonvention

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hierzu jedoch eine Ausnahme auf für den Fall, daß das nach Art. 3 anzuwendende Recht das Recht eines Nichtvertragsstaates ist und das Kollisionsrecht dieses Staates für die gesamte Erbfolge oder einen Teil derselben auf das Recht eines anderen Nichtvertragsstaates verweist, der wiederum sein eigenes Recht anwenden würde. In diesem Fall soll der Mitgliedsstaat diese Weiterverweisung beachten und ebenfalls das Recht dieses dritten Staates anwenden. is7 Art. 4 gilt damit sowohl in dem Fall, daß die Weiterverweisung durch das IPR des ersten Nicht-Mitgliedsstaates für die gesamte Erbfolge gilt, als auch wenn diese Weiterverweisung nur für einen Teil des Nachlasses angeordnet wird. Letztere Variante, in deren Folge es zu einer Nachlaßspaltung kommen kann, soll erst im nächsten Kapitel dieser Arbeit näher besprochen werden. Hier interessiert vielmehr der erstgenannte Anwendungsfall, wo die Weiterverweisung für die Erbfolge in den Gesamtnachlaß ausgesprochen wird. Lagarde nennt hierfür das folgende Beispiel: Der Erblasser, ein italienischer Staatsangehöriger, ist nach mehr als fünfjährigem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verstorben. Er hat u.a. in Frankreich bewegliches Nachlaßvermögen hinterlassen. Frankreich ist der Haager Erbrechtskonvention beigetreten, Deutschland und Italien aber nicht. Nunmehr hat ein französisches Gericht über die Erbfolge in den französischen Mobiliarnachlaß zu entscheiden. is8 Gemäß Art. 3 11 1 müßte das französische Gericht an sich deutsches Erbrecht anwenden. Das deutsche IPR würde in diesem Fall jedoch für die Anknüpfung der Erbfolge auf das italienische Heimatrecht des Erblassers verweisen. Auch das italienische IPR folgt dem Staatsangehörigkeitsprinzip und würde diese Verweisung daher annehmen. Hier würde Art. 4 der Haager Konvention es dem französischen Richter gestatten, den zwischen dem

iS7 Art. 4 lautet in der Übersetzung durch das Bundesjustizministerium: "Ist das nach Artikel 3 anzuwendende Recht das Recht eines Nichtvertragsstaats und verweist das Internationale Privatrecht dieses Staates für die gesamte Erbfolge oder einen Teil auf das Recht eines anderen Nichtvertragsstaats, der sein eigenes Recht anwenden würde, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden .• Art. 4 basiert in seiner endgültigen Form auf einem gemeinsamen Vorschlag der französischen und italienischen Delegation (siehe Working Document No 7, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. n, 311). Die in Art. 4 vorgesehene Vorgehensweise hatte schon zuvor den Zuspruch der deutschen Delegation gefunden (vgl. die deutsche Stellungnahme zum Konventionsentwurf der Spezialkommission, in: Comments of the Governments on Preliminary Document No 12, Preliminary Document No 13 of September 1988, in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd. n, 285). 158 Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 257 f.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

deutschen und italienischen Recht bereits bestehenden Entscheidungseinklang zu beachten und seinerseits italienisches Erbrecht anzuwenden. Es bestand Einigkeit unter den Konferenzteilnehmern, daß der Anwendungsbereich des Art. 4 unter allen Umständen auf die vom seinem Wortlaut erfaBten Fallkonstellationen beschränkt bleiben müsse. 159 Sollte daher das IPR des zweiten Nichtvertragsstaates eine Weiterverweisung auf das Recht eines dritten Nichtvertragsstaates aussprechen, dann wäre die Vorschrift des Art. 4 insgesamt unanwendbar und es dürfte dieser Weiterverweisung nicht gefolgt werden. Entsprechend wäre zu verfahren, falls das Recht des zweiten Nichtvertragsstaates eine zirkuläre (Rück-)Verweisung auf das Recht des zuallererst mit dieser Frage befaßten Mitgliedsstaates anordnen würde. Auch hier müßte es demnach bei der Anwendung des internen Rechts des ersten Nichtvertragsstaates bleiben, d.h. bei dem Recht desjenigen Staates, das durch Art. 3 der Konvention ursprünglich für anwendbar erklärt würde. 160 Die in Art. 4 enthaltene Regelung stellt innerhalb der Haager Konventionen bislang eine völlige Neuheit dar. 161 Ihre Funktion liegt darin, den zwischen einigen nationalen Rechtsordnungen bereits bestehenden internationalen Entscheidungseinklang zu respektieren und diesen nicht durch eine strenge Anwendung der Verweisungsnormen der Haager Erbrechtskonvention, die ihrerseits wiederum dem Ziel des internationalen Entscheidungseinklangs folgt, zu zerstören. 162 Allerdings stieß diese Vorschrift auf heftigen Widerstand bei verschiedenen Konferenzteilnehmern - insbesondere bei der dänischen Delegation -, welche der Lehre vom renvoi ablehnend gegenüberstanden. Die hartnäckigen Bemühungen der dänischen Vertreter führten daher schließlich dazu, daß in das Abkommen die Vorbehaltsregelung des Art. 24 I b) eingefügt wurde. 163 Darin wird es einem Mitgliedsstaat gestattet, der Haager Konvention unter dem Vorbehalt beizutreten, daß seine eigenen Gerichte die Regelung des Art. 4 nicht anwenden würden. Sollte Deutschland sich zu einem Abkommensbeitritt entschließen, wäre davon abzuraten, einen solchen Vorbehalt zu erklären. Denn insgesamt gesehen stellt Art. 4 eine sinnvolle Regelung dar. Zwar würde die Abkommensanwendung infolge der hierdurch erforderlichen Überprüfung der Kollisionsrechte zweier Nichtvertragsstaaten etwas erschwert. Jedoch ist das Rechtsinstitut des renvoi den deutschen Gerichten als solches bereits bekannt, Waters, Explanatory Report, § 57. Ebd. 161 Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 257; van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 54. 162 Waters, Explanatory Report, §§ 58-59. 163 Ebd., § 142. 159

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c. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

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so daß dieser Vorgang für sie nichts grundsätzlich Neues darstellen würde. Ferner kommt dem Gesichtspunkt des internationalen Entscheidungseinklangs gerade im Erbrecht eine besondere Bedeutung zu, da man es dort oft mit über mehrere Rechtsordnungen verstreuten Nachlässen zu tun hat. Ein eben solcher Fall wird durch Art. 4 geregelt. Daher ist der von dieser Vorschrift angestrebte internationale Entscheidungseinklang sehr zu begrüßen.

c. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention Im folgenden soll eine Bewertung der objektiven Anknüpfungsregeln der Haager Erbrechtskonvention vorgenommen werden. Vorrangig wird es dabei um die zentrale Vorschrift des Art. 3 gehen. Ziel dieser Bewertung ist es festzustellen, inwieweit eine Ratifizierung der Haager Erbrechtskonvention für die Bundesrepublik Deutschland sinnvoll wäre. Bewertungsmaßstab sollen dabei diejenigen Kriterien sein, anhand derer das Staatsangehörigkeits- und das Domizilprinzip zu Anfang dieses Kapitels miteinander verglichen wurden.

J. Anpassungs- und Kontinuitätsinteresse 1. Einordnung der Haager Erbrechtskonvention Wie oben erläutert, haben im internationalen Erbrecht sowohl das Domizilprinzip als auch der Staatsangehörigkeitsgrundsatz zum Ziel, die Erbfolge im Parteiinteresse an dasjenige Recht anzuknüpfen, mit dem der Erblasser am engsten verbunden ist. Dabei wurde oben zwischen zwei Spielarten des Parteiinteresses unterschieden, nämlich dem "Kontinuitätsinteresse" auf der einen und dem" Anpassungsinteresse" auf der anderen Seite. Hierbei wurde festgestellt, daß die Anknüpfungsstabilität des deutschen Staatsangehörigkeitsprinzips eher dem Kontinuitätsinteresse entgegenkommt. Denn für den Fall, daß der Erblasser seinen Aufenthalt in einen anderen Staat als seinen Heimatstaat verlagert, sorgt es für die Fortgeltung des bisher maßgeblichen Heimatrechts. Umgekehrt wurde darauf verwiesen, daß die Flexibilität des angloamerikanischen Domizilprinzips mehr dem Interesse der Anknüpfungsperson an einer Anpassung in die neue rechtliche Umwelt des Aufenthaltsstaates entspricht. Auch Art. 3 des Haager Erbrechtsabkommens kommt eher dem Anpassungsinteresse des Erblassers entgegen. Dies beruht darauf, daß die Vorschrift des Art. 3 von ihrer Ausgestaltung her letztlich eher dem Domizilprinzip

9 Brandi

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

zuzurechnen ist.' Entgegen den Äußerungen verschiedener' Konferenzteilnehmer und anderer Kommentatoren stellt die Regelung des Art. 3 nämlich keinen wirklich ausgewogenen Kompromiß zwischen dem Domizilprinzip und dem Staatsangehörigkeitsgrundsatz dar. 2 Vielmehr ist innerhalb des Art. 3 eine deutliche Dominanz der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt festzustellen. 3 Dies spiegelt sich zum einen in der unterschiedlichen Ausgestaltung der Ausweichklauseln der Art. 3 11 und III wieder. 4 Dort ist das Abweichen von der Regelanknüpfung an das Aufenthaltsrecht in Art. 3 11 an wesentlich engere Voraussetzungen geknüpft als die Ausnahme von der Regelanknüpfung an das Heimatrecht in Art. 3 III. Während nämlich Art. 311 bei mehr als fünfjährigem gewöhnlichen Aufenthalt eine Ausnahme zugunsten des Heimatrechts nur unter "außergewöhnlichen Umständen" und bei "offensichtlich engerer Verbindung" erlaubt, genügt umgekehrt in Art. 3 III für die Abweichung vom Staatsangehörigkeitsgrundsatz schon eine bloße "engere Verbindung". Zum anderen führt Art. 3 im Ergebnis auch dadurch zu einer Bevorzugung des Aufenthaltsprinzips, daß im Falle eines Inkrafttretens der Haager Konvention die Mehrzahl der Erbrechtsfälle mit Auslandsberührung wahrscheinlich gemäß der Bestimmung des Art. 311 1, d.h. an das Aufenthaltsrecht, angeknüpft werden müßte. Dies besagen zumindest zwei Stellungnahmen zum Abkommen aus französischerS und niederländischer6 Sicht. Wie weiter unten noch näher auszuführen sein wird, dürfte wahrscheinlich das, Hiermit setzt sich in der Haager Erbrechtskonvention eine Entwicklung zugunsten des Domizilprinzips fort, die auch in den anderen nach dem zweiten Weltkrieg abgeschlossenen Haager Übereinkommen festzustellen ist (vgl. Fischer, RabelsZ 57 (1993), 4 f.). 2 So aber Waters, Explanatory Report, § 49 ("a delicate fabric resulting from a compromise"); ebenso Ireland, Report, 52; so auch noch van Loon, MittRhNotK 1989, 12 ("subtiler Komprorniß"); ähnlich auch die Einschätzung von Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 254; Frankei, N.Y.L. Sch. J. Int'l & Comp. L. 12 (1991), 177, Text bei Fn. 79; Scoles, Comments on Hague Convention on the Law Applicable to Succession to the Estates of Deceased Persons, Schreiben an John Wallace, Director of Probate and Trust Division der American Bar Association, vom 18.9.1989, S. 2. 3 Kunz, ZRP 1990, 214; van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 53; ebenso anscheinend die Bewertung von United Kingdom, Consultation Paper, 3; Fischer, RabelsZ 57 (1993), 5; von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 142; Kropholler, 372. 4 Ebenso Kunz, ZRP 1990, 214. s Vgl. Droz, Journal des Notaires et des Avocats 182 (1989), 514. 6 Vgl. Westbroek/de Lange, 94.

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

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selbe für die deutsche Nachlaßpraxis gelten, falls Deutschland dem Abkommen beitreten würde. 2. Testfall: Gastarbeiter in Deutschland a) Bedeutung der Bevölkerungsgruppe der Gastarbeiter rur das internationale Erbrecht

Eine Ratifikation des Haager Erbrechtsabkommens würde aufgrund der deutlichen Bevorzugung des Aufenthaltsprinzips in Art. 3 also erhebliche Veränderungen für das deutsche internationale Erbrecht mit sich bringen. 7 Es fragt sich, welche Auswirkungen dies im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage hätte. Die wichtigste Fallgruppe, die hiervon betroffen würde, wären die in Deutschland lebenden Gastarbeiter und übrigen Ausländer. Aufgrund des stetigen Anwachsens dieser Bevölkerungsgruppe ist nämlich anzunehmen, daß die meisten Erbfälle mit Auslandsberührung, mit denen die deutsche Praxis in der Zukunft konfrontiert werden wird, die Nachlässe von Gastarbeitern zum Gegenstand haben werden. Dagegen hat die Fallgruppe der Auslandsdeutschen insofern mittlerweile deutlich an Bedeutung verloren. Seit vielen Jahren übertrifft die Einwanderung in die Bundesrepublik nämlich die Auswanderung deutlich an Gewicht. 8 Hierbei fällt außerdem auf, daß selbst unter den Personen, die Deutschland auf Dauer verlassen, der mit Abstand größte Anteil nicht von Deutschen, sondern von Ausländern gestellt wird. 9 Ferner ist festzustellen, daß die Zahl der Ausländer in der Bundesrepublik auch nach der Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten weiterhin deutlich zugenommen und z.B. im Jahre 1992 einen Anteil von

Ebenso Kunz, ZRP 1990, 214. BasedowlDiehl-Leistner, 30. Vg!. für den Zeitraum von 1965 bis 1992 z.B. die Graphik zu den Wanderungen zwischen Deutschland und dem Ausland, in: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994, im Abschnitt "3. Bevölkerung"; für den Zeitraum von 1980 bis 1992 siehe die Tabellen 3.36 und 3.39.1, ebd. Danach standen sich z.B. im Jahre 1980 767,8 Tsd. Zuzüge zum Bundesgebiet und 466,3 Tsd. Fortzüge aus dem Bundesgebiet gegenüber (Einwanderungsüberschuß: 301,5 Tsd). Bis zum Jahre 1992 waren diese Zahlen auf 1489,4 Tsd. für die Zuzüge und 701,4 Tsd. für die Fortzüge angestiegen (Einwanderungsüberschuß: 788 Tsd.). 9 So betrug der Anteil der Deutschen an den Auswanderern im Jahre 1992 nur 12,3% (1991: 14,5%); siehe Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994 und Statistisches Jahrbuch 1993, jeweils Tabelle 3.39.1. Für das Jahr 1988 hatten Basedow/Diehl-Leistner, ebd. m.w.N., noch einen Deutschenanteil unter den Auswanderern von knapp 15 % genannt. 7

8

9"

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

knapp 6,5 Mio. bzw. 8 % an der Gesamtbevölkerung erreicht hatte. 10 Für das internationale Erbrecht ist dabei von besonderer Relevanz, daß auch die Zahl der Ausländer, die in der Bundesrepublik versterben, bereits jetzt recht deutlich zunimmt. So verstarben im Jahre 1992 allein im früheren Bundesgebiet 10.882 Ausländer. Diese Zahl hatte im Jahr davor noch 10.297 Personen betragen. ll Außerdem ist insofern von Bedeutung, daß die in Deutschland lebenden Ausländer durchaus nicht immer zu den Ärmsten der Armen gehören, sondern oft zu den mittleren Einkommensbeziehern zählen. 12 Dementsprechend dürfte auch der wertmäßige Umfang der in der Zukunft abzuwickelnden Gastarbeiternachlässe nicht zu unterschätzen sein. b) InteressensIage der Gastarbeiter

Zu der besonderen Interessenslage der in Deutschland lebenden Gastarbeiter und übrigen Ausländer ist mittlerweile eine Vielzahl statistischer Daten erhoben worden. Deren Ergebnisse sind, was den jeweiligen Rang des Anpassungs- und Kontinuitätsinteresse unter diesen Personen betrifft, bekanntermaßen recht widersprüchlich: So kann man z.B. als einen Indikator für das Ausmaß des Anpassungsinteresses die Dauer des Inlandsaufenthaltes wählen. 13 Denn vieles spricht für die Annahme, daß die Ausländer desto mehr in die deutsche Gesellschaft integriert sein werden, je länger sie in der Bundesrepublik leben. Entsprechend größer dürfte dann auch ihr Interesse an einer Anpassung in die hiesige rechtliche und soziale Umwelt sein. So lebten z.B. im Jahre 1992 bereits 3,4 Mio. bzw. 52% (1991: 3,3 Mio. bzw. 56,7%) der Ausländer bereits länger als 10 Jahre in Deutschland. 14 Dabei ist der Anteil der Personen, die bereits mehr als 10 Jahre im Inland leben, vor allem unter 10 Siehe Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994, Tabelle 3.21. Der Bevölkerungsanteil der Ausländer ist über die letzten Jahrzehnte hinweg stetig gestiegen. Im Jahre 1987 betrug er noch (bezogen auf das alte Bundesgebiet) 4,2 Mio. bzw. 6,9%, danach im Jahre 19894,8 Mio. bzw. 7,7% und 19905,3 Mio. bzw. 8,4%. Die erste verfügbare Statistik für das Gebiet von Gesamtdeutschland nach der Wiedervereinigung bezieht sich auf das Jahr 1991 und nennt eine Ausländerzahl von knapp 5,9 Mio. bzw. einen Anteil von 7,3% an der Gesamtbevölkerung (siehe zu allem Statistisches Bundesamt, ebd.). II Siehe Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994 und Statistisches Jahrbuch 1993, jeweils Tabelle 3.32. 12 Basedow/Diehl-Leistner, 34 mit weiteren Nachweisen zu einer Erhebung aus dem Jahre 1978. 13 Vgl. Basedow/Diehl-Leistner, 33; Mansel, Rz. 561. 14 Siehe jeweils Tabelle 3.21 in: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994,72, und Statistisches Jahrbuch 1993, 72.

c.

Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

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den jugendlichen Ausländern sehr hoch. 15 Die Mitglieder dieser Personengruppe haben daher ihre persönlichkeitsprägenden Kindes- und Jugendjahre allein oder zumindest vornehmlich in Deutschland verbracht. Entsprechend weit dürften sie bereits in die deutsche Gesellschaft integriert sein. Zumindest die Länge der Aufenthaltsdauer deutet demnach darauf hin, daß bei einem erheblichen Teil der Ausländer bereits ein großes Maß an Integration in das inländische kulturelle und soziale Umfeld vorliegt. Diesen Daten stehen jedoch wiederum andere gegenüber, die darauf hinweisen, daß unter den in Deutschland lebenden Ausländern gleichwohl noch ein hohes Maß an Kontinuitätsinteresse fortzubestehen scheint. Nach einer im Jahre 1985 durchgeführten Umfrage fühlten sich nämlich nur ca. 8 % der befragten Ausländer stärker als Deutsche denn als Angehörige der eigenen Nationalität; 80% sahen sich demgegenüber eher als Angehörige der eigenen Nationalität an und bei ca. 12 % war das Zugehörigkeitsgefühl zu beiden Nationalitäten gleich stark ausgebildet. 16 Nach der gleichen Umfrage gaben 47,6 % der befragten Gastarbeiter an, keine Freizeitkontakte zu Deutschen zu haben. Dagegen sagten drei Viertel von ihnen, daß sie täglich oder mehrmals in der Woche mit Landsleuten zusammentreffen würden. 17 Letzteres deutet daher auch darauf hin, daß die Gastarbeiter noch im hohen Maße in einer Art von kulturellem bzw. sozialem "Ghetto" leben. Ferner bestand die Absicht zur Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit im Jahre 1985 nur bei 7,3 % der in einer Repräsentativuntersuchung befragten Ausländer. Als gegen eine Einbürgerung sprechende Beweggründe wurden dabei am häufigsten der Wunsch angegeben, Staatsangehöriger des Heimatlandes zu bleiben (38,7 %), sowie die fortbestehende Absicht, in die Heimat zurückzukehren (23,6%).18 Etwas uneinheitlich sind die Zahlen zur Rückkehrwilligkeit der Gastarbeiter. 19 Jedoch wird angenommen, daß mindestens zwei Drittel von ihnen die Absicht hat, nicht auf unbegrenzte Zeit hier zu 15 Lt. Basedow/Diehl-Leistner, 34 m.w.N., lebten 1986 62,1 % unter den 1520jährigen Ausländern schon seit mehr als 10 Jahre in der Bundesrepublik. Unter den 10-15jährigen waren es zum damaligen Zeitpunkt sogar 70,8%. 16 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Repräsentativuntersuchung '85, 483 f. (zitiert nach: Lang, 9). 17 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Repräsentativuntersuchung '85, 422 ff., 441 ff. (zitiert nach: Lang, 76 Pn. 199, und Mansel, Rz. 61). 18 Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Repräsentativuntersuchung '85, 483-488 (zitiert nach: Mansel, Rz. 61; und Lang, 12) 19 In den von Mansel, Rz. 68 Pn. 194 zitierten Untersuchungen aus den 70er und 80er Jahren schwanken die Angaben zur Zahl der Ausländer, die auf Dauer in der Bundesrepublik bleiben wollen, zwischen 6% und 24,8%.

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bleiben. 20 Dabei ist allerdings ungeklärt, inwieweit es sich in diesen Fällen nicht häufig bloß um Rückkehrillusionen handelt. Denn oft scheinen die von den Befragten für die eigene Rückkehr gesetzten Bedingungen vorerst nicht realisierbar zu sein. 21 Angesichts dieser widersprüchlichen Ergebnisse ist für die Bevölkerungsgruppe der in der Bundesrepublik lebenden Gastarbeiter zu Recht festgestellt worden, daß diese sich in einem "ambivalenten Schwebezustand zwischen Zugehörigkeit zum Heimatland und Anpassung an die neue Umgebung" befinden. 22 Insbesondere was die Ausgestaltung ihrer familiären Beziehungen betrifft, leben die Gastarbeiter nämlich weder ganz nach den Traditionen ihrer kulturellen und rechtlichen Heimat noch völlig nach den Werten ihres Aufenthaltsstaates. 23 Innerhalb der erst im Erwachsenenalter in das Bundesgebiet zugezogenen sog. "ersten" Ausländergeneration kann dabei oft noch das Kontinuitätsinteresse Vorrang haben. Dagegen wird bei den im Aufenthaltsstaat aufgewachsenen Mitgliedern der sog. "zweiten" und "dritten" Gastarbeitergeneration häufig das Interesse an der Anpassung an die hiesige Lebensumwelt überwiegen. 24 c) Berücksichtigung dieser Interessen im geltenden deutschen internationalen Erbrecht

Das geltende deutsche internationale Erbrecht trägt dieser vielschichtigen und komplexen Interessenslage nur unzureichend Rechnung. 25 Denn das Staatsangehörigkeitsprinzip berücksichtigt allein das Kontinuitätsinteresse. Es geht also davon aus, daß die weit überwiegende Mehrheit der in Deutschland lebenden Gastarbeiter weiterhin nach ihrem Heimatrecht beurteilt werden will. 26 Dabei berücksichtigt es jedoch nicht, daß die Bindungen ausländischer Erblasser (vor allem der zweiten Gastarbeitergeneration) an das deutsche Aufenthaltsrecht nach einem langjährigem Inlandsaufenthalt deutlich enger sein können als an das Heimatland. Daher ist die strikte Verweisung auf das Mansel, Rz. 68. Mansel, ebd. 22 MPI, RabelsZ 44 (1980), 346; Mansel, Rz. 73. 23 Mansel, ebd .. 24 Mansel, Rz. 68 f. und Rz. 561 m.w.N .. 25 Kropholler, 372; anders die hemchende Meinung, siehe z.B. Mansel, ebd.; Kegel, IPR, 280; MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 514; Staudinger-Blumenwitz, Art. 5 EGBGB n.P., Rz. 18. 26 So ausdrücklich die Begründung des IPR-Reformgesetzgebers, siehe BTDrucks 10/504, 31. 20 21

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Heimatrecht unter dem Gesichtspunkt des kollisionsrechtlichen Prinzips der engsten Verbindung zu starr. 27 Dem läßt sich auch nicht der sogenannte "Einbürgerungseinwand " entgegenhalten. Denn es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß jedem Ausländer, der 'die Brücke zur Heimat abbrechen will', die Möglichkeit zum Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit offensteht. 28 Er wäre in einem solchen Fall nämlich mit den recht streng gefaßten Einbürgerungstatbeständen der §§ 8 ff. RuStAG konfrontiert. 29 Es ist daher nicht überraschend, daß bislang nur ein verschwindend geringer Anteil unter den in Deutschland lebenden Ausländern den Weg der Einbürgerung beschritten hat. 30 An diesen Schwierigkeiten hinsichtlich des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit hat sich auch seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts am 1. 1. 199t3 1 nicht viel geändert. 32 Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, daß einem Wechsel der Staatsangehörigkeit häufig ganz andere Gründe als die enge Verbundenheit zum

Kropholler, ebd. So aber grundsätzlich Kegel, IPR, ebd. 29 Siehe hierzu BergmannlKorth, Rz. 79 ff., 83 ff. und 178 ff. 30 So wurden zwischen 1980 und 1987 - bei damals ca. 4 Millionen in der Bundesrepublik lebenden Ausländern - im Jahr durchschnittlich 37.382 Personen eingebürgert, davon 23.275 aufgrund eines Rechtsanspruchs und 14.107 durch Ermessensentscheidung gern. §§ 8 und 9 RuStAG. Vor allem die Zahl der Ermessenseinbürgerungen, die als zeitliche Mindestvoraussetzung rur den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit einen lO-jährigen inländischen Aufenthaltes verlangen, ist gemessen an der Gesamtzahl der Ausländer mit mindestens zehnjährigem Aufenthalt verschwindend gering. Er betrug z.B. im Jahre 1985 nur 0,5% (Zahlen nach Lang, 11 m.w.N.). Das sprunghafte Anwachsen der Einbürgerungszahl seit 1987 (damals 37.810; 1988: 46.783; 1989: 68.526) beruht hingegen v.a. auf der entsprechenden Zunahme der Anspruchseinbürgerungen von Aussiedlern aus Polen und der ehemaligen Sowjetunion (vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1991, 73, Tabelle 3.21). 31 § 85 AuslG schafft unter bestimmten Voraussetzungen einen neuen "Regel"Anspruch auf Einbürgerung nur rur 16- bis 23-jährige Ausländer, § 86 AuslG entsprechend - allerdings zeitlich befristet bis zum 31.12.1995 - rur Ausländer mit mehr als 15-jährigem gewöhnlichem Aufenthalt im Inland (vgl. Bertold Huber, NVwZ 1990, 1113, 1121). 32 So wurden im Jahre 1991 zwar 141.630 und im Jahre 1992 179.904 Ausländer eingebürgert. Jedoch ist auch darin wiederum eine große Zahl an Anspruchseinbürgerungen von Spätaussiedlern aus der ehern. Sowjetunion (1992: 82.819), Polen (1992: 17.525) und Rumänien (1992: 36.970) enthalten. Dagegen wurde im Jahre 1992 z.B. nur 7.344 Ausländer mit türkischer Staatsangehörigkeit eingebürgert (vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994, Tabelle 3.23). 27 28

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Heimatrecht entgegenstehen können. 33 Eine wesentliche Rolle scheint hierbei z.B. zu spielen, daß viele Ausländer nicht dazu bereit sind, mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit gleichzeitig auf ihre bisherige Staatsbürgerschaft zu verzichten. 34 Ferner ist denkbar, daß die Einbürgerung dem Antragsteller infolge einer unerwünschten politischen Betätigung versagt wird. 35 Schließlich ist darauf verwiesen worden, daß die Eltern ausländischer, in der Bundesrepublik geborener Kinder einen Staatsangehörigkeitswechsel ihrer Abkömmlinge anscheinend häufig ablehnen und letztere deshalb um des Familienfriedens willen auf den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft verzichten. 36 Auch die Rechtswahlmöglichkeit des Art. 25 11 EGBGB zugunsten des deutschen Erbrechts wird dem Anpassungsinteresse langjährig in Deutschland lebender Ausländer in der Regel nicht hinreichend Rechnung tragen. Denn diese Rechtswahlmöglichkeit ist nur bei inländischem Immobiliarvermögen von Bedeutung. Für den Restnachlaß bliebe es aber in jedem Fall bei der Geltung des ausländischen Heimatrechts. d) Berücksichtigung dieser Interessen in Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention

Demgegenüber würde die bevorzugte Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht in Art. 3 des Haager Abkommens das A.ß.passungsinteresse der ausländischen Erblasser in erheblich größerem Umfang berücksichtigen. Im Jahre 1992 wohnten nämlich bereits 60% (3,9 Mio.) der in Deutschland lebenden Ausländer seit mehr als 6 Jahren im Inland. 37 Dieser Anteil liegt bei den mehr

Kühne, Parteiautonomie, 70. So auch Kegel, IPR, ebd. In diesem Zusammenhang wird öfters darauf verwiesen, daß viele türkische Gastarbeiter den Verzicht auf ihre türkische Staatsangehörigkeit als unzumutbar empfänden, da sie bei einem solchen Schritt mit dem Verbot des Landerwerbs für Ausländer im Geltungsbereich des türkischen Dorfrechts konfrontiert würden (vgl. Löwer, ZAR 1993, 159). Siehe allgemein zur Diskussion um die Nachteile der Doppel- und Mehrstaatigkeit: Dethloff, JZ 1995, 64 ff.; Renner, ZAR 1993, 18 ff.; Blumenwitz, ZAR 1993,151 ff.; Löwer, ZAR 1993,156 ff. 35 So auch Mansel, Rz. 571. 36 Ebd., Rz. 61 und Rz. 571. 37 Siehe Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994, Tabelle 3.21. Im Jahre 1986 lag der Anteil der seit mehr als 6 Jahren im früheren Bundesgebiet wohnenden Ausländer sogar bei 76,5% (siehe Basedow/Diehl-Leistner, 33, Tabelle 8). Seit Ende der 80er Jahre hat die Zuwanderung von Ausländern in das Bundesgebiet aber deutlich zugenommen. Daher hat sich der prozentuale Anteil der Ausländer mit langjährigem Inlandsaufenthalt entsprechend verringert. 33

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als 40jährigen Ausländern sogar noch deutlich höher. 38 Beides zusammengenommen deutet darauf hin, daß die große Mehrheit der Ausländernachlässe im Falle eines deutschen Abkommensbeitritts gemäß Art. 3 11 1 der Regelanknüpfung an das deutsche Aufenthaltsrecht unterliegen würde. Dies käme vor allem dem Anpassungsinteresse der Erblasser der zweiten Gastarbeitergeneration weitaus mehr entgegen als die Anwendung des ausländischen Heimatrechts. Aber auch darüber hinaus böte die fein abgestufte Anknüpfungsleiter des Art. 3 insgesamt bessere Möglichkeiten, die jeweilige individuelle Interessenslage unter den betroffenen ausländischen Erblassern zu berücksichtigen. So könnte die Erbfolge gemäß Art. 3 11 2 in Sonderfällen auch weiterhin an das Heimatrecht angeknüpft werden, wenn zu diesem noch deutlich engere Beziehungen fortbestehen sollten. Eine solche Abweichung von der Regelanknüpfung an das Aufenthaltsrecht käme womöglich zumindest bei den Erblassern der ersten Gastarbeitergeneration in Betracht. Dabei müßte allerdings beachtet werden, daß die Ausweichklausel zugunsten der Staatsangehörigkeit nur unter "außergewöhnlichen Umständen" bei einer "offensichtlich engeren Verbindung" zum Heimatrecht angewandt werden darf. Diese Voraussetzungen dürften deshalb selbst bei den Mitgliedern der ersten Gastarbeitergeneration häufig nicht erfüllt sein. Zwar besitzen diese oft noch enge emotionale und kulturelle Bindungen an ihre Heimat. Außerdem haben sie häufig von dem in Deutschland angesparten Geld ein Haus oder eine Wohnung in ihrer Heimat erworben. Gleichwohl wohnen und arbeiten sie seit vielen Jahren in Deutschland. Hier leben in der Regel auch ihre engsten Verwandten einschließlich ihres Ehegatten und ihrer Kinder. Ferner dürfte sich hier der größte Teil ihres Mobiliarvermögens befinden. Schließlich ist insofern auch zu berücksichtigen, daß die von ihnen angegebenen Rückkehrabsichten häufig nur unbestimmt oder gar bloße Rückkehrillusionen sind. Aus all diesen Gründen wäre daher selbst bei den Gastarbeitern der ersten Ausländergeneration unter Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention in der Regel an das inländische Aufenthaltsrecht anzuknüpfen. Ausnahmen kämen dort demnach allenfalls in besonders zu begründenden Fällen in Betracht. Insgesamt gesehen würde die Haager Erbrechtskonvention aber ermöglichen, die besondere Interessenslage der ausländischen Erblasser im Hinblick auf das Prinzip der engsten Verbindung in flexiblerer Weise zu berück-

38 Siehe hierzu im einzelnen die Angaben zum Jahre 1986 in Tabelle 8 bei BasedowlDieW-Leistner, 33: Danach lebten damals 85% der 40-45jährigen Ausländer seit mehr als 10 Jahren im Inland; für die 45-50jährigen beträgt der entsprechende Anteil 87,8 %, für die 50-55jährigen 88,4 %, für die 55-60jährigen 87,6 % und für die mehr als 75jährigen 82,4%.

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sichtigen als das geltende deutsche internationale Erbrecht. Insofern wäre ein deutscher Abkommensbeitritt also zu begrüßen.

3. Statutenwechsel In einer bestimmten Hinsicht trägt die Haager Erbrechtskonvention dem Gesichtspunkt des Kontinuitätsinteresses allerdings eindeutig nicht genügend Rechnung. Hierbei geht es um das Problem des Statutenwechsels bei der Bestimmung des für die materielle Gültigkeit letztwilliger Verfügungen maßgeblichen Rechts: Wie bereits oben erwähnt, bestimmt Art. 3 das mangels Rechtswahl anzuwendende Recht auch für den Fall der testamentarischen Erbfolge. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Ermittlung des anwendbaren Rechts ist also auch insofern der Tod des Erblassers. Für die objektive Anknüpfung der testamentarische Erbfolge kann sich daher das Problem des Statutenwechsels stellen. Dieses tritt dann ein, wenn es aufgrund einer Veränderung der Anknüpfungskriterien zwischen dem Zeitpunkt der Testamentserrichtung und dem Todeszeitpunkt zu einem entsprechenden Wechsel des anwendbaren Rechts kommt. Der wichtigste Fall hierfür wird voraussichtlich derjenige sein, daß der Erblasser nach Errichtung eines Testaments seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einen anderen Staat als seinen Heimatstaat verlegt und nach mehr als fünfjährigem Aufenthalt im Aufenthaltsstaat verstirbt. Da das gemäß Art. 3 anwendbare Recht laut Art. 711 e) der Haager Erbrechtskonvention auch für die materiellen Gültigkeitsvoraussetzungen einer letztwilligen Verfügung gilt, könnte ein bis dahin nach dem Heimatrecht wirksames Testament nunmehr nach dem Aufenthaltsrecht ungültig sein. Häufig wird der Erblasser sich des Wechsels des Erbstatuts aber nicht bewußt sein, so daß sein Vertrauen in die Wirksamkeit des Testaments verletzt und seine Nachlaßplanung vereitelt werden könnte. Dieses Problem wurde auf der 16. Sitzung der Haager Konferenz anscheinend nicht gesehen. Diskutiert wurden die mit dem Wechsel des Erbstatuts bei testamentarischer Erbfolge verbundenen Schwierigkeiten lediglich im Zusammenhang mit der Rechtswahl. 39 Daß sich die gleichen Fragen aber auch bei der objektiven Anknüpfung stellen können, wurde offenbar nicht bedacht.

39 Dies führte hinsichtlich der Rechtswahlmöglicbkeiten dazu, daß auf der Tagung der 11. Kommission in Art. 5 - entgegen dem Vorentwurf - auch die Wahl des Heimatoder Aufenthaltsrechtes zum Zeitpunkt der Wahl selber für zulässig erklärt wurde (Waten, Explanatory Report, § 61).

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Es dürfte in einem solchen Fall wohl ausgeschlossen sein, eine stillschweigende bzw. konkludente Rechtswahl zugunsten des Errichtungsstatuts anzunehmen. Denn die einschlägige Vorschrift der Haager Konvention (Art. 5) verlangt eine ausdrückliche Rechtswahl. 4o Es bliebe daher allein zu prüfen, ob das gemäß Art. 3 objektiv anwendbare Recht eine Aufrechterhaltung der Verfügung durch entsprechende Auslegung oder Umdeutung zuläßt. Ist dies nicht der Fall, wird man die Verfügung als unwirksam ansehen müssen. Insofern bietet die Regelung der Haager Erbrechtskonvention eindeutige Nachteile gegenüber dem geltenden deutschen Recht. Denn dieses vermeidet das Problem des Statutenwechsels dadurch, daß es gemäß Art. 26 V 1 EGBGB für die materiellen Gültigkeitsvoraussetzungen einer letztwilligen Verfügung das "hypothetische"41 Erbstatut zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung für maßgeblich erklärt. Auf diese Weise wird das Vertrauen des Erblassers in die Wirksamkeit seiner Verfügung erheblich besser geschützt. Unter dem Haager Abkommen könnte der Erblasser die Schwierigkeiten des Statutenwechsels dagegen allein dadurch umgehen, daß er zusammen mit der Testamentserrichtung selber das auf die Erbfolge anwendbare Recht bestimmt. Dies würde aber voraussetzen, daß er vorher entsprechend anwaltlich beraten worden ist.

11. Sicherheit, Vorhersehbarkeit und Stabilität der Verweisung 1. Ennittlung des Anknüpfungspunktes

Ein weiterer Nachteil der Haager Konvention im Vergleich zum geltenden Recht liegt in der geringeren Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit, die zwangsläufig mit der flexiblen Anknüpfungsleiter des Art. 3 verbunden ist. Abgesehen vom Fall des Art. 3 I, der Auslandsberührungen in der Regel nur durch Auslandsvermögen des Erblassers aufweist, gibt es innerhalb des Art. 3 keine eindeutige gesetzliche Anknüpfungsregel mehr. 42 Denn die Anknüpfungsmerkmale des gewöhnlichen Aufenthalts und der engeren Verbindung verlangen immer eine umfassende Prüfung aller Sachverhaltsumstände. Insofern stellt auch die Regelung des Art. 3112 keine Ausnahme dar. Die Ausweichklausel zugunsten der an sich einfacher festzustellenden Staats40 Siehe Wortlaut von Art. 511 1: "the designation shall be expressed" bzw. "cette designation doit etre exprimee" (Hervorhebungen durch d. Verf.). Vgl. auch Waters, Explanatory Report, § 65. 41 Vgl. Kropholler, 378 f. 42 Vermerk von Pirrung, Bundesministerium für Justiz, vom 18.9.1989, S. 6.

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angehörigkeit greift nämlich nur dann ein, wenn gleichzeitig das Tatbestandsmerkmal der "offensichtlich engeren Verbindung" erfüllt ist. Noch stärker ausgeprägt ist diese Rechtsunsicherheit in Art. 3 III, wo - infolge des Verzichts auf die strengeren Voraussetzungen des Art. 3 11 2 - die beiden Anknüpfungspunkte des Heimatrechts und des Rechts der engeren Verbindung fast gleichberechtigt gegenüber stehen. Infolge dieser offenen Verweisungen ist es daher leider nicht ganz ausgeschlossen, daß Gerichte von Staaten des Staatsangehörigkeitsprinzips und des Domizilprinzips versucht sein könnten, die Ausweichldauseln des Art. 3 soweit wie möglich zu dehnen und es jeweils bei dem für sie gewohnten Anknüpfungspunkt zu belassen. 43 Darüber hinaus könnte Art. 3 eventuelle Erbprätendenten dazu verleiten, einen Rechtsstreit zu beginnen, in dem es im wesentlichen um die Lebensumstände und die inneren Einstellungen einer Person geht, die nicht mehr unter den Lebenden weilt, um auf diese Weise eine für sie günstigere Verteilung des Nachlasses zu erreichen. 44 Zwar dürften die Gerichte der anglo-amerikanischen Staaten mit derartigen Schwierigkeiten weitgehend vertraut sein. Außerdem versprechen sich verschiedene Kommentatoren aus dem Bereich des Common Law von der Einführung der Anknüpfungsregeln der Haager Konvention sogar eine deutliche Vereinfachung gegenüber ihrer derzeitigen Rechtslage. 45 Anders wird sich die Situation aber voraussichtlich für die deutsche Rechtspraxis darstellen. Hier werden vor allem die Notare mit bisher ungewohnten Schwierigkeiten bei der Ermittlung der für die Anknüpfung des Erbstatuts erheblichen Tatsachen konfrontiert werden. Etwas besser wird die Lage allenfalls für die Gerichte der streitigen und freiwilligen Gerichtsbarkeit sein, denen für derartige Aufgabe zumindest die allgemeinen Mittel der gerichtlichen Beweiserhebung zur Verfügung stehen. 46 Die im Vergleich zum deutschen Staatsangehörigkeitsprinzip geringere Rechtssicherheit ist daher der Preis, welcher für das von Art. 3 gebotene höhere Maß an Anknüpfungsflexibilität gezahlt werden muß. Allerdings stellt Pirrung, ebd. von Overbeek, SchwJblntR XLVI (1989), 145. 45 Siehe United Kingdom, Consultation Paper, 13; FrankeI, N.Y.L. Sch. J. Int'l & Comp. L. 12 (1991), 177, Text bei Fn. 170. Dabei wird insbesondere von englischer Seite als Fortschritt angesehen, daß Art. 3 der Haager Konvention die komplizierten Regelungen zum domicile ersetzen würde (siehe United Kingdom, ebd.; vgl. hierzu aus irischer Sicht auch Ireland, Report, 94 ff.) Kritisch dagegen North, Reeueil des Cours 220 (1990 I), 281 ("the result is complexity and uncertainty"); ders., Private International Law Problems in Common Law Jurisdictions, 204 f.; Schoenblum, Va. J. Int'l. L. 32 (1991), 114 ("a menu of amorphous, manipulable concepts "). 46 So die Einschätzung im Vermerk von Pirrung, Bundesministerium für Justiz, vom 18.9.1989, S. 6. 43

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das Abkommen mit der Zulassung der Rechtswahl selber ein Mittel zur Umgehung dieser Schwierigkeiten zur Verfügung.47 Dies ist insofern von Bedeutung, als der Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit der Anknüpfung insbesondere dann Berücksichtigung verlangt, wenn der Erblasser über seinen Nachlaß testamentarisch verfügt hat und dementsprechend auf die Wirksamkeit seiner Nachlaßplanung vertraut. Für eben diesen Fall aber bietet das Abkommen die Möglichkeit einer projessio iuris.

2. Anknüpfungsmanipulation Ein anderer Nachteil, der dem Domizilprinzip an sich häufig vorgehalten wird48 , trifft auf die objektiven Anknüpfungsregeln des Haager Abkommens allerdings nicht zu: Zwar mögen die Anknüpfungspunkte des Domizilprinzips generell einfacher zu wechseln und damit vielleicht leichter zu manipulieren sein als die Staatsangehörigkeit. Jedoch läßt sich letzteres für das Anknüpfungsmerkmal des gewöhnlichen Aufenthaltes nur mit Einschränkungen sagen. Denn aufgrund des Attributes 11 gewöhnlich n hat dieses Anknüpfungsmerkmal zum Teil wertenden Charakter. 49 Daher würde es den Gerichten erlauben, eine allein zu Umgehungszwecken (z.B. zwecks Vermeidung von Ptlichtteilsrechten) geschaffene Anknüpfung zu mißachten. so Ferner würden auch die übrigen Tatbestandsmerkmale des Art. 3 eine Anknüpfungsmanipulation über den Weg der objektiven Anknüpfung weitgehend verhindern können. 51 Um eine Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht zu erwirken, müßte der Erblasser nämlich zumindest fünf Jahre am Aufenthaltsort gelebt haben. Selbst dann könnte er aber nicht sicher sein, daß das Aufenthaltsrecht tatsächlich zur Anwendung gelangen würde. Denn ein von diesen Maßnahmen nachteilig betroffener Erbe könnte dann immer noch darlegen, daß die Aufenthaltsnahme allein zu Umgehungszwecken erfolgte und daß der Erblasser in Wirklichkeit noch eng mit seinem Heimatrecht verbunden war. In solch einem Fall würde das angerufene Gericht aller Voraussicht nach die

47 von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 145. 48 Vgl. u.a. die Gesetzesbegründung des IPR-Reformgesetzgebers, BT-Drucks.

10/504, 31; Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 66. 49 MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 544; ähnlich Kropholler, 249. so Vgl. hierzu auch Kötters, 87; Ebenroth, Erbrecht, Rz. 1247 f., und zur Gesetzesumgehung im IPR allgemein Kropholler, 140 f. 51 So auch Ireland, Report, 100.

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1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Erbfolge gemäß Art. 3 11 2 an das bisherige Heimatrecht anknüpfen. Dadurch würde die Anknüpfungsmanipulation vereitelt. 52

111. Lex-Fori-Anwendung Abgesehen von den weiter oben beschriebenen Anwendungsproblemen könnte die Haager Erbrechtskonvention jedoch insgesamt gesehen dazu beitragen, die Abwicklung von Ausländernachlässen in Deutschland erheblich zu vereinfachen und zu beschleunigen. Denn durch das Übergewicht des Domizilprinzips in Art. 3 würde die Fremdrechtsanwendung im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage deutlich verringert. Hiermit könnten die mit der Anwendung ausländischen Rechts verbundenen praktischen Erschwernisse (z.B. aufwendige Gutachten, lange Verfahrensdauer) weitgehend vermieden werden. Dementsprechend würden die Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung schneller, sicherer und kostengünstiger als unter dem geltenden Staatsangehörigkeitsgrundsatz. Dies läge in Interesse sowohl der betroffenen Parteien als auch des inländischen Rechtsverkehrs insgesamt. Diese Vorteile einer vermehrten Lex{ori-Anwendung waren auch schon im Vorfeld der IPR-Reform des Jahres 1986 von verschiedenen Autoren hervorgehoben worden. 53 Gleichwohl ließ sich der damalige IPR-Gesetzgeber von diesen Argumenten nicht überzeugen. 54 Seit diesem Zeitpunkt hat sich der Bedarf nach einer entsprechenden Gesetzesreform infolge des weiteren Ansteigens der Ausländerzahl aber eher noch vergrößert. Dies gilt insbesondere auch für das internationale Erbrecht. Denn infolge der besonderen Altersstruktur der in Deutschland lebenden Ausländer steht der deutschen Nachlaßrechtspflege in den kommenden Jahrzehnten aller Voraussicht nach eine Lawine aufwendiger FreUldrechtsnachlässe bevor55 : So waren im Jahre 1986 nur ca. 200.000 unter den in Deutschland lebenden Ausländer älter als 60 Jahre. Dagegen betrug die Größe der Altersgruppe der 30-50jährigen, die von heute aus gesehen in ca. 15 Jahren ins Vgl. ebd. Vgl. u.a. Grasmann, 258 f.; Simitis, StAZ 1976, 10 ff.; Flessner, in: Schweizerisches Institut für Rechtsvergleichung, Lausanner Kolloquium, 270 - 283. 54 Vgl. BT-Drucks. 10/504,31. Ebenso z.B. Mansel, Rz. 58. Nach seiner Ansicht ist die bevorzugte Anwendung der Lex fori kein legitimer Abwägungsgesichtspunkt und zwar auch nicht aus dem Blickwinkel des Parteiinteresses, da der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG die paritätische Berücksichtigung der verschiedenen berührten Rechtsordnungen verlange. Gegen eine derartige verfassungsrechtliche Fundierung des IPR aber überzeugend v. Bar, Internationales Privatrecht I, 209 f. 55 So auch BasedowlDiehl-Leistner, 38 f.; Kropholler, 372 Fn. 3. 52 53

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Sterbealter kommen, damals über 1,7 Millionen. Von diesen lebten 1986 wiederum über 1,3 Mio. bzw. 76,2% länger als 10 Jahre in der alten Bundesrepublik. 56 Angesichts der gebotenen Skepsis gegenüber den oft nur vagen Rückkehrabsichten der Gastarbeiter schätzen die Autoren Basedow und Diehl-Leistner daher, daß in den Jahren 2006-2026 allein aus dieser Bevölkerungsgruppe ca. 50.000 Nachlaßverfahren pro Jahr mit Auslandsrechtsbezug in der Bundesrepublik zu erwarten seien. 57 In Anbetracht der Tatsache, daß bereits jetzt mehr als 10.000 Ausländer pro Jahr in Deutschland versterben58 , erscheint diese Prognose ziemlich realistisch. Unter dem geltenden Recht wäre in diesen Fällen nur bei der vergleichsweise kleinen Gruppe der Staatenlosen, politischen Flüchtlinge, Kontingentflüchtlinge und Asylberechtigten sowie im Falle der Rückverweisung auf das deutsche Wohnsitzrecht und bei einer entsprechenden Rechtswahl für inländisches Immobiliarvermögen (Art. 25 11 EGBGB) deutsches Erbrecht anwendbar. Für die große Mehrheit der Ausländernachlässe würde unter der derzeitigen Rechtslage aber ausländisches Erbrecht gelten, obwohl der tatsächliche Lebensmittelpunkt der meisten Gastarbeiter in Deutschland liegt, obwohl hier ihre nächsten Angehörigen wohnen und obwohl sich hier im Zweifel der größere Teil des Nachlaßvermögens befinden wird. Unter praktischen Aspekten gesehen schafft die Fremdrechtsanwendung in diesen Fällen daher nur wenig Nutzen, würde den Beteiligten aber ein erhebliches Maß an Geduld und Mühe abverlangen. 59 Diese Schwierigkeiten könnten durch einen deutschen Beitritt zum Haager Erbrechtsabkommen erheblich verringert werden.

IV. Internationaler Entscheidungseinklang Zwiespältig zu beurteilen sind jedoch die Auswirkungen, die das Haager Abkommen auf den internationalen Entscheidungseinklang haben würde.

56 Siehe zu diesen Angaben BasedowlDiehl-Leistner, 38. Vergleichbare Daten hat die Volkszählung des Jahres 1987 ergeben. Danach lebten am 25.5.1987 167.295 Ausländer im Alter von mehr als 60 Jahren in Deutschland. Der Anteil der 4060jährigen betrug damals etwas über 1 Mio., und der Anteil der 20-40jährigen 1,6 Mio. (siehe Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994, Tabelle 3.13). 57 Basedow/Diehl-Leistner, 39. 58 Im Jahre 1992 verstarben allein im führen Bundesgebiet 10.882 Ausländer (siehe Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994, Tabelle 3.32). 59 Vgl. Basedow/Diehl-Leistner, ebd.

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1. Bedeutung des internationalen EntscheidungseinkIangs im internationalen Erbrecht Das Ideal des internationalen Entscheidungseinklanges stellt eines der grundlegenden Ziele der Kollisionsnormbildung dar. Es besagt, daß der Ausgang eines Rechtsstreites mit Auslandsberührung nicht einfach vom Ort des Verfahrens abhängen darf. Vielmehr soll durch internationale Rechtsvereinheitlichung oder durch eine entsprechende Ausgestaltung der nationalen Gesetzgebung sichergestellt werden, daß derselbe bzw. gleichartige Sachverhalte in den verschiedenen beteiligten Rechtsordnungen gleich entschieden oder zumindest an das gleiche Recht angeknüpft werden. 60 Seine besondere Bedeutung für das internationale Erbrecht erlangt dieses Leitbild dadurch, daß bei Erbfällen mit Auslandsberührung häufig Nachlaßgegenstände in verschiedenen Rechtsordnungen belegen sind, so daß in entsprechend großem Umfange die Gefahr mehrerer Gerichtsverfahren mit unterschiedlichem Ausgang besteht. An der Verwirklichung dieses Ideals besteht weniger ein Ordnungsinteresse61 als vielmehr ein Interesse der beteiligten Parteien. Denn die interne Privatrechtsordnung wird durch internationale Entscheidungsdisharmonie nicht beeinträchtigt und für die internationale Ordnung ist der nationale Gesetzgeber primär nicht zuständig. 62 Wohl aber hat unter den beteiligten Parteien vor allem der Erblasser ein Interesse daran, daß seine Nachlaßplanung in allen berührten Rechtsordnungen einheitlich verwirklicht wird. Ein entsprechendes Interesse an der einheitlichen Durchsetzung ihrer Rechte besitzen auch die Erben und Nachlaßgläubiger. Dieses Parteiinteresse an internationaler Entscheidungsharmonie ist - auch im internationalen Erbrecht umso ausgeprägter, desto mehr die Mobilität der Menschen und der grenzüberschreitende Rechtsverkehr zunimmt.

Im geltenden deutschen IPR wird das Ideal des internationalen Entscheidungseinklanges durch eine entsprechend ausgestaltete nationale Gesetzgebung zu erreichen versucht. Mit der Beibehaltung des Staatsangehörigkeitsprinzips wird dabei vor allem auf das ebenfalls an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Kollisionsrecht der Heimatstaaten der Mehrzahl der hier lebenden Ausländer bzw. Gastarbeiter (Türkei, Italien, Griechenland, das ehemalige Jugoslawien u.s.w.)63 Rücksicht genommen. 64 Im Verhältnis zu den Staa-

60

Kropholler, 33, 36.

61 So aber Kegel, IPR, 86. 62 MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 79. 63 Im Jahre 1992 stammten die meisten der insgesamt knapp 6,5 Mio. in Deutsch-

land lebenden Ausländer aus der Türkei (1,85 Mio.), dem ehemaligen Jugoslawien

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

145

ten dagegen, die das Erbstatut für das bewegliche Vermögen an den Wohnsitz und für das unbewegliche Vermögen an das Lagerecht anknüpfen, wird der Entscheidungseinklang im derzeitigen deutschen Kollisionsrecht - zumindest in gewissem Umfange - durch die Berücksichtigung der Rück- oder Weiterverweisung erzielt. 65

2. Auswirkungen der Haager Erbrechtskonvention Die Konsequenzen, welche ein deutscher Beitritt zum Haager Erbrechtsabkommen für den Entscheidungseinklang mit dem Ausland mit sich bringen würde, sollen im Detail erst im zweiten und vierten Kapitel der vorliegenden Arbeit untersucht werden. 66 An dieser Stelle sollen daher insofern nur die wichtigsten Aspekte zusammengefaßt werden: Danach ist unter der wohl wahrscheinlicheren Voraussetzung, daß sich das Haager Übereinkommen auf internationaler Erbene zunächst nur zögerlich durchsetzen wird, festzuhalten, daß die Auswirkungen eines deutschen Abkommensbeitritts eher ambivalenter Natur wären. Zwar würde der Entscheidungseinklang im Verhältnis zu den Staaten des Domizilprinzips infolge der überwiegenden Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht in Art. 3 erheblich verbessert. Dies ist insofern von nicht zu unterschätzender Bedeutung, als sämtliche anglo-amerikanische Staaten und viele der unmittelbaren Nachbarländer Deutschlands (so nämlich Frankreich, Belgien, Luxemburg, Dänemark und die Schweiz) ihrerseits dem Domizilprinzip folgen. Dagegen würde der Entscheidungseinklang gegenüber den Staaten des Staatsangehörigkeitsprinzips und damit gegenüber den wichtigsten Heimatländern der in Deutschland lebenden Gastarbeiter deutlich gemindert. 67 (1,02 Mio.), Italien (557 Tsd.), Griechenland (346 Tsd.) und Polen (285 Tsd.); vgl. Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994, Tabelle 3.21. 64 Vgl. BT-Drucks. 10/504,31. 65 Siehe oben 1. Kapitel, A.IV.3.b). 66 Siehe unten 2. Kapitel, C.V., und 4. Kapitel, B.II.3.b). 67 Eine Besonderheit würde allerdings im Hinblick auf die Anknüpfung der Nachlässe türkischer Gastarbeiter gelten. Für diese Fallgruppe ergibt sich die Geltung des Staatsangehörigkeitsprinzips unter geltendem Recht nämlich nicht nur aus dem nationalen deutschen und türkischen IPR (zu letzterem vgl. Art. 22 des türkischen IPRGesetzes vom 20. Mai 1982, abgedruckt in Kriiger, IPRax 1982, 252, 256). Vielmehr gilt im Verhältnis zwischen diesen beiden Staaten auch noch das alte Nachlaßabkommen aus dem Jahre 1929 (RGBI. 193011 758 ff.), das in Anlage zu Art. 20 des dt.türk. Konsularvertrages vom 28.5.1929 (RGBI. 193011 748 ff.; neu bekannt gemacht am 29.5.1952; BGBI. 195211608) abgeschlossen worden war (siehe zu dem Nachlaßabkommen u.a. Kremer, IPRax 1981, 205; Staudinger-Firsching, Vorbem. zu 10 Brandi

146

1. Kapitel: Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?

Gegenüber den letztgenannten Staaten des Heimatrechtsgrundsatzes könnte der Entscheidungseinklang also nur dann gewahrt bleiben, wenn diese sich gleichfalls entschließen könnten, der Haager Erbrechtskonvention beizutreten. Insofern besteht allerdings im Augenblick nur wenig Anlaß zur Hoffnung. 68 Zwar haben sich mehrere dieser Länder (Italien, Griechenland, Polen) an der Ausarbeitung des Haager Abkommens beteiligt.69 Bislang (Stand: März 1994) hat jedoch keines dieser Länder das Haager Abkommen gezeichnet oder ratifiziert. 7o Außerdem waren die Türkei und das ehemalige Jugoslawien auf der 16. Haager Konferenz sogar von vornherein nicht vertreten. Andererseits darf das Leitziel des internationalen Entscheidungseinklanges aber auch nicht zu statisch verstanden und allein auf die derzeitige Situation im internationalen Erbrecht bezogen werden. 71 Sollte das Haager Erbrechtsabkommen nämlich doch Erfolg haben und von einer größeren Zahl von Staaten ratifiziert werden, würde dies durch die einheitliche objektive Anknüpfung des Erbstatuts ein deutlich größeres Maß an Rechtsvereinheitlichung und Entscheidungseinklang mit sich bringen, als dies unter dem geltenden Recht möglich ist. Dies gälte insbesondere auch im Verhältnis zu den Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises, denen gegenüber - wie oben aufgezeigt72 - mit den Mitteln des nationalen IPR bislang nur ein unzureichender Entscheidungseinklang erzielt worden ist. Daher sollte Deutschland spätestens dann, wenn z.B. andere wichtige Staaten der Art. 24 - Art. 26 EGBGB a.F., Rz. 453; Dethloff, JZ 1995, 72). Gemäß § 14 dieses Nachlaßabkommens richtet sich die Erbfolge in den Mobiliarnachlaß eines deutschen oder türkischen Staatsangehörigen nach dem jeweiligen Heimatrecht. Dagegen unterliegt der lmmobiliarnachlaß der jeweiligen Lex rei sitae. An sich würde dieses bilaterale Abkommen bei einem deutschen Beitritt zur Haager Konvention mit letzterer kollidieren. Jedoch gewährt Art. 23 I etwaigen Abkommen, welche die Mitgliedsstaaten der Erbrechtskonvention mit anderen Staaten bereits abgeschlossen haben oder abschließen werden, zumindest solange Vorrang, wie die Parteien dieser anderen Abkommen ihrerseits nichts anderes vereinbart haben. Daher würde obiges Nachlaßabkommen weiterhin solange zwischen der Türkei und Deutschland fortgelten, wie diese beiden Staaten nicht etwas anderweitiges beschließen. Zu Art. 23 der Haager Erbrechtskonvention und der verworrenen Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, die in ihrer endgültigen Fassung auf einem deutschen Vorschlag beruht, siehe ausführlich Waters, Explanatory Report, §§ 135 - 138. 68 So auch die Einschätzung von Pirrung, Bundesministerium für Justiz, Vermerk vom 18.9.1989, S. 3 f. 69 Siehe Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 306 f. 70 Vg1. die Übersicht zum Stand der Zeichnungen und Ratifikationen hinsichtlich des Haager Erbrechtsabkommens von 1989, in: Rev. crit. dr. internat. prive 83 (1994), 225. 71 Vgl. Kropholler, 35. 72 Siehe oben 1. Kapitel, A.IV.4.

c. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

147

Europäischen Union oder des anglo-amerikanischen Rechtskreises die Erbrechtskonvention ratifiziert haben sollten, gleichfalls einen Abkommensbeitritt erwägen. 73

V. Ergebnis Insgesamt betrachtet wären mit der Einführung von Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention in das deutsche IPR also vor allem drei Nachteile verbunden: Erstens würde das unter dem gegenwärtigen Staatsangehörigkeitsprinzip herrschende relativ hohe Maß an Rechtssicherheit um einiges gemindert. Zweitens müßten Einbußen hinsichtlich des internationalen Entscheidungseinklangs im Verhältnis zu den wichtigsten Heimatstaaten der in Deutschland lebenden Gastarbeiter hingenommen werden, solange diese Länder nicht gleichfalls dem Abkommen beitreten würden. Drittens schließlich ist das Problem des Statutenwechsels bei objektiver Anknüpfung der testamentarischen Erbfolge im Haager Abkommen nur unbefriedigend gelöst. Dem stünden aber drei mindestens ebenso wichtige Vorzüge gegenüber. Denn zum einen böte die flexible Anknüpfungsleiter des Art. 3 erheblich bessere Möglichkeiten als das geltende starre Staatsangehörigkeitsprinzip, die besondere Interessenslage der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer zu berücksichtigen. Insbesondere käme das darin bevorzugte Aufenthaltsprinzip dem Anpassungsinteresse der großen Zahl derjenigen Ausländer entgegen, die bereits seit vielen Jahren in Deutschland wohnen und hier wahrscheinlich auch versterben werden. Zum anderen würde die durch Art. 3 ermöglichte Lex{ori-Anknüpfung bei inländischem gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers dazu führen, die Abwicklung von Ausländernachlässen erheblich zu vereinfachen und zu beschleunigen. Auf diese Weise könnte vermieden werden, daß die deutsche Nachlaßrechtspflege in den kommenden Jahrzehnten von einer großen Welle komplizierter Fremdrechtsnachlässe überrannt würde. Darüber hinaus ist als Vorzug des Haager Abkommens anzusehen, daß dieses eine vielversprechende Möglichkeit bieten würde, im Bereich des internationalen Erbrechts endlich zu einem gewissen Maß an internationaler Rechtsvereinheitlichung zu gelangen. Insofern könnte es vor allem im Verhältnis zu den Common Law Staaten dazu beitragen, die Systemunterschiede hinsichtlich der objektiven Anknüpfung des Erbstatuts zu überbrücken, wenn diese - wie nicht auszuschließen ist14 - dem Haager Erbrechtsabkommen gleichfalls beitreten würden. 73 So Pirrung, Bundesministerium für Justiz, in seinem Schreiben an den Deutschen Rat für IPR vom 28.2.1989, S. 3. 74 Siehe oben Einleitung, B.III. 10·

2. Kapitel

Nacblaßeinheit oder Nachlaßspaltung? A. Ausgangssituation I. Problemeinführung Das zweite wichtige Thema auf der 16. Haager Konferenz war die Frage, ob die Erbfolge im Sinne der Nacblaßeinheit für das gesamte Nacblaßvermögen einheitlich an das Personalstatut des Erblassers angeknüpft werden solle, oder ob, wie es das Prinzip der Nacblaßspaitung vorsieht, für das unbewegliche Nacblaßvermögen statt dessen das jeweilige Lagerecht zu gelten habe. Bei diesem Streittbema waren die Mehrheitsverbältnisse unter den Teilnehmerstaaten ähnlich verteilt wie bei der Auseinandersetzung um die Frage "Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip?" .1 Denn die überwiegende Mehrzahl derjenigen Staaten, die dem Domizilprinzip folgen, nehmen für die Anknüpfung der Erbfolge auch eine Nacblaßspaitung vor. 2 Hierzu gehören insbesondere die anglo-amerikanischen Rechtsordnungen sowie Frankreich und einigen weitere Staaten, die dem französischen Rechtssystem folgen (z.B. Belgien und Luxemburg). Umgekehrt gilt in den meisten Staaten, die dem Staatsangehörigkeitsprinzip anhängen, gleichzeitig auch der Grundsatz der N acblaßeinheit. 3

1 Für einen umfassenden und aktuellen Überblick über die weltweite Verteilung der Systeme der Nachlaßeinheit und Nachlaßteilung im einzelstaatlichen Kollisionsrecht und in internationalen Verträgen siehe: Haopei Li, Recueil des Cours 224 (1990 V), 27 - 44. 2 Eine Ausnahme ist jedoch Dänemark, wo die Erbfolge für das gesamte Nachlaßvermögen einheitlich an das Wohnsitzrecht angeknüpft wird. Siehe Ebenroth, Rz. 1321 m.w.N. 3 Eine Ausnahme war Österreich zumindest bis zur Einführung des neuen IPRGesetzes vom 1.1.1979, da dort bis zu diesem Zeitpunkt die Rechtsnachfolge in unbewegliches Vermögen der Lex Tei silae und die Rechtsnachfolge in bewegliches Vermögen dem Heimatrecht des Erblassers unterstellt war. Siehe Firsching: Österreich, in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 10, 17 ff., 31 ff. Eine teilweise Nachlaßspaltung ordnet auch Art. 22 I des türkischen IPR-Gesetzes von 1982 an. Danach gilt für den unbeweglichen Nachlaß, der in der Türkei belegen

A. Ausgangssituation

149

Entsprechend der Vorgehensweise im vorausgegangenen Kapitel sollen auch hier zunächst die Vor- und Nachteile beider Prinzipien anband des deutschen und des anglo-amerikanischen Kollisionsrechts miteinander verglichen werden. Etwas umfänglicher als im vorausgegangenen Kapitel wird dabei auch auf die Ausnahmen zu den jeweiligen Anknüpfungsprinzipien und auf deren Rechtfertigung einzugehen sein. Der Vergleich dieser beiden Prinzipien im derzeit geltenden Recht liefert die Kriterien, auf deren Grundlage im zweiten und dritten Abschnitt dann die entsprechenden Regelungen in der Haager Konvention analysiert und bewertet werden können. Das folgende Kapitel wird sich dabei auf die Diskussion dieser beiden Prinzipien im Rahmen der objektiven Anknüpfung des Erbstatuts konzentrieren. Zwar sind die hier zu besprechenden Gesichtspunkte an sich auch bei der subjektiven Anknüpfung mittels Rechtswahl von Bedeutung. Jedoch soll hierauf erst später im Zusammenhang mit den übrigen die Rechtswahl betreffenden Fragen näher eingegangen werden.

11. Grundlagen und historische Entwicklung der Anknüpfungsprinzipien 1. Nachlaßspaltung im anglo-amerikanischen Recht a) Geschichtliche Ursprünge

Die Nachlaßspaltung im anglo-amerikanischen Kollisionsrecht hat ihre Wurzeln in einer entsprechenden Differenzierung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen auf der Ebene des materiellen Erbrechts. Im alten englischen Recht gingen die Rechte am unbeweglichen Vermögen nämlich beim Erbfall ursprünglich unmittelbar auf die Erben über. Außerdem war das unbewegliche Vermögen damals von der Haftung für die Erblasserschulden befreit. Das bewegliche Vermögen dagegen unterlag schon seit dem frühen englischen Recht der administration durch den personal representative, d.h. einer Form von gesetzlicher Nachlaßverwaltung, unter der die Rechte am Nachlaß an einen Erbschaftsverwalter übergehen, der den Nachlaß erst nach Befriedigung der Nachlaßgläubiger an die Erben herausgibt. Ein weiterer Unterschied zwischen der Behandlung des beweglichen und des unbeweglichen Vermögens im alten englischen Erbrecht war, daß lediglich über ersteres testamentarisch verfügt werden konnte. 4 ist, in jedem Fall türkisches Erbrecht. Im übrigen unterliegt der Nachlaß dem jeweiligen Heimatrecht des Erblassers (siehe Krüger, IPRax 1982,256). 4 Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 11 - 17; Boulanger, 38.

150

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Die Sonderbehandlung der Erbfolge in unbewegliches Vermögen hatte ihren Ursprung in dem feudalen Lehenssystem, welches mit der normannischen Eroberung Eingang in das englische Recht gefunden hatte. Unter dem Lehenssystem konnten Grund und Boden nicht Bestandteil des Vermögens einer Person sein. Vielmehr unterlagen sie den Beschränkungen und Bindungen des in einem bestimmten Gebiet hemchenden Lehensrechtes. Dies wirkte sich wiederum auf die Herausbildung der kollisionsrechtlichen Anknüpfungspunkte aus. Indem die Erbfolge in unbewegliches Vermögen nämlich nicht dem domicile des Erblassers, sondern der lex rei sitae unterstellt wurde, sollte verhindert werden, daß das unbewegliche Vermögen dem am jeweiligen Lageort hemchenden Lehensrecht entzogen würde. S Beide Prinzipien des alten englischen Erbrechts, d.h. sowohl die unterschiedliche Behandlung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen im materiellen Recht als auch die unterschiedliche Anknüpfung im Kollisionsrecht, wurden bald von den einzelstaatlichen Rechten der U.S.A. übernommen. 6 Dort fiel die Situsregel, d.h. die Anknüpfung des unbeweglichen Vermögens an die lex rei sitae, auf besonders fruchtbaren Boden. Denn das Grundeigentum hatte infolge der wichtigen Funktion der Landwirtschaft für die Entstehung und Geschichte der Vereinigten Staaten in der dortigen Rechtskultur eine besondere, geradezu "mythisch" zu nennende Bedeutung erlangt. 7 So wurde die Situsregel von den amerikanischen Gerichten schon bald nahezu ausnahmslos auf alle Rechtsfragen - einschließlich der Erbfolge angewandt, die unbewegliches Vermögen betrafen. 8 Auch die amerikanischen Kommentatoren - unter ihnen insbesondere Story mit seinem einflußreichen Werk Commentaries on the Conflict 0/ Laws - befürworteten die getrennte Anknüpfung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen. 9 Auf das Wirken von Story ist es außerdem zurückzuführen, daß die vom Souveränitätsgedanken geprägte comitas-Lehre der niederländischen Kollisionsrechtsschule Eingang in das amerikanische Kollisionsrecht fand. 10 Unter derem Einfluß wurde die Geltung der Situsregel im amerikanischen Recht insbeson-

S Symeonides, La. L. Rev. 47 (1987),1029, 1035; Scoles, Recueil des Cours 209 66. (1988 6 Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 17. Eine Ausnahme bildete aber Louisiana. 7 Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 66. 8 AIden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 589. 9 Siehe Story, 372 - 377, 398. Für eine kritische Auseinandersetzung mit Story siehe Hancock. 17 Stan. L. Rev. 1095. 10 Vgl. hierzu ScoleslHay, 12; Kegel, IPR, 116.

m,

m,

A. Ausgangssituation

151

dere auch mit der Rücksichtnahme auf die Territorialhoheit des Belegenheitsstaates gerechtfertigt. 11 Zwar wurde die Nachlaßspaltung im englischen und amerikanischen materiellen Erbrecht bald Schritt für Schritt beseitigt12 , jedoch besitzt die kollisionsrechtliche Nachlaßspaltung dort auch heute noch eine fast uneingeschränkte Geltung. 13 So existieren in beiden Rechtsordnungen bislang nur wenige Ausnahmen zum System der Nachlaßspaltung. Eine der beiden Ausnahmen, die dem englischen und dem amerikanischen Recht gemeinsam sind, betrifft die Auslegung von testamentarischen Verfügungen. Insoweit wird nämlich, falls die Anwendung von gesetzlichen Auslegungsregeln erforderlich Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 11), 67; Veit Stoll, 98. Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 11 - 18; McGovernl KurtzlRein, Wills, 2 f., 591 ff.; PowelllRohan, Bd. 9, § 994. Im Recht der U.S.A. scheinen nur einige wenige Einzelstaaten - wenn überhaupt - Reste einer materiellrechtlichen Nachlaßspaltung beibehalten zu haben. McGovernlKurtzlRein, 3. Staudinger-Graue, Art. 28 EGBGB a.F., Rz. 9 und 26, nennt (Stand von 1981) insoweit die Bundesstaaten AIabama, Delaware, Kentucky, Maine, Massachusetts, Rhode Island, Virginia, West Virginia und den District of Columbia, weist aber darauf hin, daß auch in diesen Staaten eine Tendenz zur Angleichung der für Liegenschaften und Fahrnis geltenden Normen besteht. Ein Sachgebiet des materiellen Erbrechts, in dem ursprünglich streng zwischen Mobilien und Immobilien unterschieden wurde, ist die Regelung der gesetzlichen Nachlaßbeteiligung des überlebenden Ehegatten. Desbezüglich hat der Verfasser der vorliegenden Untersuchung Hinweise auf eine entsprechende DiffereJ)Zierung nur noch im Recht von Delaware (Delaware Code Annotated Title 12 Section 502 (1992» gefunden. Dort wird dem überlebenden Ehegatten, falls neben ihmIihr auch Kinder oder Eltern des Erblassers erben, hinsichtlich des beweglichen Nachlasses ein Anteil in Höhe eines bestimmten Geldwertes gewährt, hinsichtlich des unbeweglichen Nachlasses dagegen ein lebenslängliches Nutzungsrecht. 13 Für das englische Recht siehe Dicey/Morris, 11. Aufl., 1005 - 1009, 1021; Für das amerikanische Recht siehe Restatement, Second, Conflict of Laws, §§ 236,239, 241, 242, 260, 263-265. Eine wachsende Anzahl an Vertretern der anglo-amerikanischen Lehre kritisiert jedoch die strikte Anwendung der Situsregel auf alle die Erbfolge in Immobiliarvermögen betreffenden Fragen. Sie befürworten eine flexiblere Bestimmung des anwendbaren Rechts nach der Methode der inrerest analysis. Siehe ScoleslHay, 797; Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 11), 69 - 70; Hay, Tbe Situs Rule, 109, 110; AIden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 595 f.; Weintraub, 430; Gareth Miller, 1988 Conv. & Prop. Law., 43 f. Eine Änderung der bisherigen, von der Nachlaßspaltung beherrschten Rechtslage deutet sich in Australien an. Dort hat die australische Law Reform Commission in ihrem im Jahre 1992 vorgelegten Bericht zur Reform des australischen Kollisionsrechts vorgeschlagen, die Nachlaßspaltung abzuschaffen und die Erbfolge für den gesamten Nachlaß einheitlich an den letzten domicile des Erblassers anzuknüpfen; vgl. Tbe Law Reform Commission, Report No. 58: Choice of Law (1992), Draft Bill clause 12(5); siehe hierzu auch Nygh, RabelsZ 58 (1994), 727, 737 f. 11

12 Vgl.

152

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

ist, einheitlich an das Recht des Erblasserdomizils angeknüpft, selbst wenn der Nachlaß auch außerhalb des Domizilstaat belegenes Immobiliarvermögen umfaßt. 14 Darüber hinaus kann es im englischen und im amerikanischen Kollisionsrecht auch im Falle des renvoi zu einer Durchbrechung der Nachlaßspaltung kommen. 15 b) Neuere Entwicklung in den U.S.A.

Eine weitere wichtige Ausnahme zum Grundsatz der kollisionsrechtlichen Nachlaßspaltung gewinnt seit einiger Zeit im Recht der amerikanischen Bundesstaaten zunehmende Verbreitung. Dort galt das Prinzip der Nachlaßspaltung bisher - ebenso wie im englischen Recht l6 - an sich uneingeschränkt auch für das bei testamentarischer Erbfolge auf die zwingende Nachlaßbeteiligung des überlebenden Ehegatten anwendbare Recht. Heutzutage trifft dies jedoch nur noch für die knappe Mehrheit der amerikanischen Bundesstaaten ZU. 17 Beinahe die Hälfte der amerikanischen Bundesstaaten ist aber im Verlaufe der letzten Jahrzehnte dem Beispiel des Uniform Probate Code l8 folgend dazu Siehe unten 2. Kapitel, A.ill.2.a)(3). Siehe unten 2. Kapitel, A.IV.3.b). 16 DiceylMorris, 11. Aufl., 1017 (Rule 142) und 1021 (Rule 143). Insofern hat sich im britischen Kollisionsrecht auch durch die Einführung der Regelungen zur zwingenden Nachlaßbeteiligung durch den 1975 Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act nichts geändert, der den Nachlaßgerichten die Möglichkeit gibt, auf Antrag einem nahen Verwandten des Erblassers bei Bedürftigkeit Unterhalt in Form von Geldzahlungen aus dem Nachlaß zu gewähren. Siehe J.G. Miller, 39 I.C.L.Q. 261,269 - 284 (1990). 17 Vgl. Scoles, U. Fla. L. Rev. 8 (1955), 165; Restatement, Second, Conflict of Laws, §§ 241,242, 265. Das Restatement schränkt jedoch die von ihm festgestellte Regel zur Anknüpfung der Nachlaßbeteiligung des überlebenden Ehegatten etwas dahingehend ein, daß hinsichtlich unbeweglichen Vermögens u. U. auch das Recht des gemeinsamen domicile der Ehegatten zur Anwendung gelangen könnte, falls das betreffende Gericht den Eindruck gewinnen würde, daß der verstorbene Ehegatte das außerhalb des gemeinsamen domicile belegene unbewegliche Vermögen nur deshalb gekauft habe, um insofern das Erbrecht des domicile zu umgehen. Allerdings zitiert das Restatement für diese Einschränkung keinen Rechtsprechungsnachweis. Restaternent, Second, Conflict of Laws, § 242 Comment c. 18 Bei dem Uniform Probate Code handelt es sich um ein Modellgesetz, das im August 1969 von der National Conference of Commissioners on Uniform State Laws und von der American Bar Association verabschiedet und daraufhin den amerikanischen Einzelstaaten zur Einführung empfohlen wurde. Der Regelungsbereich des Uniform Probate Code greift sehr weit: Er umfaßt nicht nur materielles und prozessuales Nachlaßrecht, sondern beschäftigt sich auch mit der Vermögensverwaltung unter Vormundschaft stehender Personen, mit trusts und mit verschiedenen nichttestamenta14 IS

A. Ausgangssituation

153

übergegangen, die zwingende Nachlaßbeteiligung ("elective share") des überlebenden Ehegatten für den gesamten Nachlaß einheitlich an das Recht des Erblasserdomizils anzuknüpfen. Im Uniform Probate Code (UPC) findet sich die entsprechende Regelung hierzu in § 2-201. 19 Diese Vorschrift hat sowohl einen materiellrechtlichen als auch einen kollisionsrechtlichen Regelungsgehalt. Im ersten Absatz wird festgelegt, daß der überlebende Ehegatte eines Erblassers, der im Forum domiziliert war, auf seinen Wunsch statt des testamentarisch zugewiesenen Nachlaßanteils einen nelective share n, d.h. eine zwingende Nachlaßbeteiligung in rischen Gestaltungsformen der Vermögens- und Nachlaßplanung. Der Text des Uniform Probate Code wird von seinen Verfassern regelmäßig überarbeitet. Er ist von 14 Bundesstaaten (Alaska, Arizona, Colorado, Florida, Hawai, ldaho, Maine, Michigan, Minnesota, Montana, Nebraska, New Mexico, North Dakota und Utah) in seiner Gesamtheit und in fast allen anderen Bundesstaaten zumindest in Teilen verabschiedet worden. Siehe Averill, 1 - 9. Eine knappe Skizze der wesentlichen Grundsätze und eine Würdigung des Uniform Probate Code fmdet sich auch in: Firsching, FS Ferid, 480 - 490. 19 In der Fassung vor der Revision von 1990 lautete § 2-201 UPC, so wie er als Modell für die meisten der an ihn angelehnten einzelstaatlichen Vorschriften diente: "Section 2-201 [Right to Elective Share.] (a) If a married person domiciled in this state dies, the surviving spouse has a right of election to take an elective share of one-third of the augmented estate under the limitations and conditions hereinafter stated. (b) If a married person not domiciled in this state dies, the right, if any, of the surviving spouse to take an elective share in property in this state is govemed by the law of the decedent' s domicile at death. " (Uniform Probate Code. OfficiaI 1991 Text with Comments, Appendix VII, 10. Aufl. 1992,552) Im Zuge der Revision von 1990 wurde diese Vorschrift zwar im materiellrechtlichen Teil verändert; ihr kollisions rechtlicher Regelungsgehalt blieb aber unberührt. Sie lautet nunmehr, soweit hier von Interesse: "Section 2-201. Elective Share. (a) [Elective-Share Amount] The surviving spouse of a decedent who dies domiciled in this State has a right of election, under the limititations and conditions stated in this Part, to take an elective-share amount equal to the value of the elective-share percentage of the augmented estate, determined by the length of time the spouse and the decedent were married to each other, in accordance with the following schedule: ... [Gemäß der nachfolgenden Skala erhält der überlebende Ehegatte als zwingende Nachlaßbeteiligung einen Anteil von 3 % des Nachlaßwertes nach dem ersten Ehejahr bis zu 50% nach 15 Ehejahren und mehr.] ... (c) [Non-Domiciliary.] The right, if any, of the surviving spouse of a decedent who dies domiciled outside this State to take an elective share in property in this State is governed by the law of the decedent's domicile at death." (Uniform Probate Code, a.a.O, 67).

154

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Höhe eines bestimmten Prozentsatzes des Nachlaßwertes erhalten soll.20 In dem ursprünglich zweiten bzw. nunmehr dritten Absatz heißt es, daß sich die zwingende Nachlaßbeteiligung des überlebenden Ehegatten eines Erblassers, der nicht im Forum domiziliert war, nach dem Recht des jeweiligen Erblasserdomizils zum Todeszeitpunkt richten soll. Für Ehegatten eines Erblassers mit Domizil im Forum, d.h. wo die lex fori und die Lex domicilii zusammenfallen, wird der kollisionsrechtliche Sachverhalt von § 2-201 UPC also nur indirekt geregelt und anstatt dessen direkt die maßgebliche Sachnorm des Forums benannt. Für Ehegatten eines Erblassers mit Domizil außerhalb des Forums hingegen wird in Form einer kollisionsrechtlichen Verweisungsvorschrift auf das Sachrecht des ausländischen Erblasserdomizils verwiesen. Zusammengefaßt ist der kollisionsrechtliche Regelungsgehalt dieser beiden Teilvorschriften demnach, daß sich die zwingende Nachlaßbeteiligung des Ehegatten nach dem Recht des jeweiligen Erblasserdomizils zum Todeszeitpunkt richtet. Dabei trifft der Wortlaut des § 2-201 UPC keine Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen. Deshalb wird diese Vorschrift allgemein so interpretiert, daß sie für die zwingende Nachlaßbeteiligung des Ehegatten an die Stelle der Nachlaßspaltung und der Situsregel eine einheitliche Anknüpfung an das Domizilrecht für beide Vermögensarten setzen will. 21 Unter den amerikanischen Einzelstaaten war die Regelung des § 2-201 UPC bisher relativ erfolgreich. Sie hat sich bislang in 19 Bundesstaaten durchsetzen können, die diese Vorschrift entweder insgesamt übernommen oder zumindest deren kollisionsrechtlichen Regelungsgehalt in innerstaatliches Recht umgesetzt haben. 22 Auch in der gerichtlichen Praxis werden die dem 20 Die Gewährung eines elective share stellt heutzutage im Recht der amerikanischen Bundesstaaten die weitaus überwiegende Regelung zur zwingenden Nachlaßbeteiligung des überlebenden Ehegatten dar. In 8 Staaten (Arizona, Kalifornien, Idaho, Louisiana, Nevada, New Mexico, Texas, Washington) wird derselbe Zweck dagegen durch das güterrechtliche Institut des community property erfüllt. Vgl. McGovemlKurtzlRein, Wills, Trusts and Estates, 116 ff., 133 ff.; Clausnitzer, 109 ff. 21 Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 11), 80; Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, Bd. 1,270. Einem anderen Ansatz als dem des Uniform Probate Code folgt das Recht des Staates New York. Dort wird die einheitliche Anknüpfung an das Recht des Erblasserdomizils für bewegliches und unbewegliches Vermögen nur für den Fall angeordnet, daß Erblasser zum Todeszeitpunkt im Staate New York domiziliert war. Ansonsten bleibt es bei der Geltung der Situsregel und der Nachlaßspaltung. Vgl. N.Y. Est. Pow. & Trust § 5-1.1-A(d)(6) und (7) sowie § 3-5.1(b)(1) (1993). 22 Diese Staaten sind: Alabama (Code of Alabama § 43-8-70 (1992»; Alaska (Alaska Stat. § 13.11.070 (1992»; Colorado (Colo. Rev. Stat. § 15-11-201 (1992»; Delaware (Delaware Code Ann. § 901 (1992»; Maine (Me. Rev. Stat. Ann. tit. 18-A,

A. Ausgangssituation

155

§ 2-201 UPC entsprechenden einzelstaatlichen Kollisionsnormen anscheinend weitgehend befolgt, soweit dies aus der - bislang allerdings nur spärlich verfügbaren23 - Rechtsprechung ersichtlich ist. 24 In der amerikanischen Kollisionsrechtslehre hat die Regelung des § 2-201 UPC allerdings eher ein gemischtes Echo ausgelöst. 25 Was die Gründe für diese partielle Abkehr von der Situsregel anbelangt, so ergibt sich aus den Materialien zu § 2-201 UPC, daß die Verfasser des Uniform Probate Code hierbei anscheinend vorrangig von der Motivation geleitet wurden, in diesem Teilbereich des amerikanischen Nachlaßrechts die bislang bestehende Rechtszersplitterung zu vermindern. 26 Das Nachlaßrecht § 2-201(1992»; Michigan (Mich. Comp. Laws Ann. § 700.282 (1992»; Minnesota (Minn. Stat. Ann. § 524.2-201 (1992»; Montana (Mont. Code Ann. § 72-2-702 (1991»; Nebraska (Neb. Rev. Stat. § 30-2313 (1992»; New Jersey (N.J. Stat. Ann. §§ 3B:8-1 und 3B:8-2 (1992»; North Dakota (N.D. Cent. Code § 30.1-05-01 (1992»; Pennsylvania (Purdon's Pennsylvania Stat. Ann. §§ 2202 und 2203 (1992»; South Carolina (Code of Laws of South Carolina Ann. § 62-2-201 (1991»; South Dakota (South Dakota Codified Laws § 30-5A-1 (1992»; Utah (Utah Code Ann. § 75-2-201 (1992»; Wyoming (Wyoming Stat. § 2-5-101 (1992». West Virginia hat bereits die neue Version dieser Vorschrift übernommen (West Virginia Code § 42-3-1 (1992». 23 Der Untersuchung liegt der Stand der über die Computerdatenbank Westlaw verfügbaren Rechtsprechung zum Zeitpunkt Sommer 1993 zugrunde. 24 So hatte z.B. das oberste einzelstaatliche Gericht in South Dakota in dem Fall In re Estale ofLingscheit (387 N.W.2d 738 (S.D. 1986» darüber zu entscheiden, ob es dem überlebenden Ehegatten an dem im Forum belegenen Immobiliarvermögen eine zwingende Nachlaßbeteiligung in der Höhe gewähren sollte, wie sie ihm vom Recht des Erblasserdomizils, das sich in einem anderen Bundesstaat befand, zugesprochen wurde. Grundsätzlich war das Gericht bereit, auf das im Forum belegene unbewegliche Nachlaßvermögen die Lex domicilii eines anderen Bundesstaates anstelle der eigenen Lex forillex rei sitae anzuwenden. Jedoch ließ es die Klage des überlebenden Ehegatten letztlich daran scheitern, daß nach seiner Auffassung die dem § 2-201 UPC entsprechende Vorschrift South Dakotas eine Anwendung des ausländischen Domizilrechts nur hinsichtlich der Frage nach der Rechtsnatur und dem Umfang der zwingenden Nachlaßbeteiligung des Ehegatten verlangen würde. Jedoch bliebe es dem Verfahrensrecht des Forums überlassen zu bestimmen, welche formellen und zeitlichen Anforderungen an den Antrag auf Gewährung des eLective share zu stellen seien. Hier hatte der Ehegatte seinen Antrag nach Ansicht des Gerichts zu spät gestellt. Eine weitere Entscheidung liegt aus dem Staate New York vor; vgl. In re Economides, 126 Misc. 2d 879,483 N.Y.S. 2d 886 (1984). 25 Befürwortend Scoles/Hay, 824, und Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 11), 79-82; vom Standpunkt der interest analysis Methode aus hingegen eher ablehnend Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, 271. 26 Siehe den Kommentar zu der älteren Version des § 2-201: "Uniformity of law on the problems covered by this Part is much to be desired. It is especially important that states limit the applicability of mIes protecting spouses so that only estates of

156

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

fällt nämlich traditionellerweise unter die Gesetzgebungskompetenz der amerikanischen Bundesstaaten. 27 Dementsprechend variiert die Rechtslage in den einzelnen Bundesstaaten zum Teil sehr deutlich. Zumindest für die Regelung der zwingenden Nachlaßbeteiligung des überlebenden Ehegatten soll daher nunmehr jeder Bundesstaat gemäß § 2-201 UPC den Geltungsbereich seines eigenen materiellen Erbrechts auf Nachlässe von Erblassern mit Domizil im Forumstaat beschränken. Auf diese Weise soll also der äußere Entscheidungseinklang zwischen den amerikanischen Bundesstaaten gefördert werden. Die Materialien zum Uniform Probate Code schweigen sich allerdings darüber aus, warum dieser Gesichtspunkt lediglich für das auf die zwingende Nachlaßbeteiligung des überlebenden Ehegatten anwendbare Recht gelten so1l28 und nicht auch für andere Regelungsbereiche des Erbrechts, wie z.B. die gesetzliche Erbfolge, die nach diesem Modellgesetz weiterhin dem Prinzip der Nachlaßspaltung unterliegen soll. 29 Von der recht erfolgreichen Durchsetzung des § 2-201 UPC und den beiden weiteren oben genannten Ausnahmen abgesehen, ist jedoch festzuhalten, daß die Situsregel und die kollisionsrechtliche Nachlaßspaltung im amerikanischen Kollisionsrecht im übrigen unverändert fortgelten. 30 Hieran hat auch weder die wiederholte Kritik durch verschiedene Vertreter der amerikanischen

domiciliary decedents are involved." (Uniform Probate Code. Official 1991 text with Comments, Appendix VII, 10. Aufl. 1992, 552). 27 Vgl. Pirsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 14. 28 Die einheitliche Anknüpfung an das Recht des Erblasserdomizils wird seit der 1990er Revision des Uniform Probate Code allerdings von § 2-401 UPC auch auf die Rechte naher Angehöriger des Erblassers auf homeslead allowance, jamily allowance und exempl property ausgedehnt. Hierbei handelt es sich um die unterhaltsähnliche Zahlung bestimmter Geldbeträge bzw. die vorzugsweise Zuweisung bestimmter beweglicher Gegenstände aus dem Nachlaß an den Ehegatten und die Kinder des Erblassers während der Zeit der Nachlaßverwaltung. Diese neue Vorschrift hat abersoweit ersichtlich - noch keinen Eingang in die einzelstaatliche Gesetzgebung gefunden. 29 Vgl. § 2-102 Uniform Probate Code. 30 Aiden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 591; Dies gilt auch für das Restatement, Second, Conflict of Laws, welches ansonsten viele der neueren Entwicklungen der Revolution im amerikanischen Kollisionsrecht rezipiert hat. Vgl. Restatement, Second, Conflict of Laws, § 235, 239, 241, 242. Die Entscheidung Howard v. Reynolds, 283 N.E.2d 629 (1972) hingegen stellt eines der wenigen Beispiele für die Anwendung der modemen inleresl analysis Methode in der amerikanischen kollisionsrechtlichen Rechtsprechung auf die Bestimmung des auf die Erbfolge anwendbaren Rechts dar. Siehe auch die Besprechung dieses Urteils in Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, 327-329.

A. Ausgangssituation

157

Lehre3 ! noch die mit der "Revolution" des amerikanischen Kollisionsrechts 32 einhergehende Aufweichung und Flexibilisierung vieler anderer herkömmlicher Anknüpfungsregeln etwas ändern können.

2. Nachlaßeinheit im deutschen Recht Ähnlich wie im anglo-amerikanischen Recht wurde die Geschichte des Prinzips der Nachlaßeinheit auch im deutschen Kollisionsrecht durch eine in etwa parallel verlaufende Entwicklung des zugrundeliegenden materiellen Rechts bestimmt. Ursprünglich kannten die germanischen Feudalrechte unterschiedliche Erbfolgeregeln für bewegliches und unbewegliches Vermögen. 33 Mit der Rezeption des römischen Rechts fanden jedoch die Grundsätze der Universalsukzession und des unmittelbaren Vermögensanfalls an den Erben Eingang in das deutsche Recht und wurden schließlich die grundlegenden Prinzipien des Erbrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch. 34 Auf der Ebene des Kollisionsrechts herrschte auch im deutschen Rechtsraum zunächst der Grundsatz der Nachlaßspaltung und galt somit für Grundstücke die Lex rei sitae und für bewegliches Vermögen die Lex domicilii des Erblassers. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts begann sich aber das Prinzip der Nachlaßeinheit mehr und mehr durchzusetzen, um dann im Verlaufe des 19. Jahrhunderts endgültig die Vorherrschaft zu erlangen. 35 Diese Entwicklung wurde maßgeblich von Wächter36 und Savigny 37 beeinflußt. 38 Sie trugen dazu bei, daß sich im Bereich des Erbrechts die Idee des einheitlichen Erbstatuts herausbildete, wonach auf den gesamten Nachlaß nur ein einheitliches Recht anwendbar ist. 39 Zunächst führte dies allerdings noch zu einer Vorherrschaft der Anknüpfung an das Wohnsitzrecht. 40 Erst im Verlaufe der Vorberatungen für das Bürgerliche 3! Vgl. z.B. Weintraub, 414 - 448; Aiden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 589 ff.; Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 63-77; für kritische Stimmen in der englischen kollisionsrechtlichen Literatur siehe: Morris, 85 L.Q.R. (1969), 339 ff.; Gareth Miller, 1988 Conv. & Prop. Law., 30 ff. 32 Siehe hierzu z.B. ScoleslHay, 15-44. 33 Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfalle, 9. Siehe ausführlich StaudingerBöhmer, 11. Aufl. 1954, § 1922 Nr. 108 - 112. 34 Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfalle, 9 f., 18 f.; Staudinger-Böhmer, § 1922 Nr. 113 - 121. 35 Kegel, IPR, 262; Reichelt, 14. 36 Vgl. von Wächter, AcP 25 (1842), 198 ff. 37 Vgl. von Savigny, 301 - 303. 38 Reichelt, 14, 28 - 34; Niggemann, 40 f. 39 Reichelt, 14; Kegel, IPR, 262: "Das Gesamtstatut siegte über das Einzelstatut. " 40 Niggemann, 40 f.; Kegel, IPR, 649.

m,

158

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Gesetzbuch setzte sich dann das Heimatrecht als einheitliches Personal- und Erbstatut im EGBGB von 1900 durch. 41 Während der Diskussion zur IPR-Reform stand die Beibehaltung des Prinzips der Nachlaßeinheit zu keinem Zeitpunkt in Zweife1. 42 Die grundsätzliche Entscheidung zugunsten der Nachlaßeinheit wurde deshalb auch vom Reformgesetzgeber in Art. 25 I EGBGB erneut bestätigt. 43 Er begründete dies zum einen damit, daß die Nachlaßeinheit das internationalprivatrechtliche Gegenstück zur materiellrechtlichen Universalsukzession darstelle. 44 Zum anderen verwies der Reformgesetzgeber auf die bei der Nachlaßspaltung mit der Aufspaltung des Gesamtnachlasses in Teilnachlässe verbundenen praktischen Schwierigkeiten. 4s Der Reformgesetzgeber erkannte zwar an, daß die Nachlaßabwicklung nach einem einzigen Recht dann Probleme mit sich bringen könne, wenn zum Nachlaß Grundstücke gehören würden, die in verschiedenen Ländern belegen seien. 46 Gleichwohl konnte dies den Gesetzgeber nicht zur einer generellen Anknüpfung des Immobiliarnachlasses an die lex rei silae bewegen. Vielmehr war er der Auffassung, daß ein insoweit bestehendes Interesse an der Nachlaßspaltung in genügendem Maße mittelbar durch die beiden wichtigsten Ausnahmen zur Nachlaßeinheit berücksichtigt würde, die im deutschen Kollisionsrecht auch schon vor dem IPR-Reformgesetz von 1986 galten und die darin beibehalten wurden. 47 Hierbei handelt es sich zum einen um die Beachtung einer teilweisen Rück- bzw. Weiterverweisung durch das Heimatrecht des Erblassers für außerhalb des Heimatstaates belegenes Immobiliarvermögen (Art. 4 I EGBGB n.F.).48 Zum anderen ist dies der nunmehr in Art. 3 III EGBGB n.F. verankerte Grundsatz des Vorrangs des Einzelstatuts vor dem Gesamtstatut. 49 Über diese beiden schon vor der IPR-Reform geltenden Ausnahmen zur Nachlaßeinheit hinaus kann nach dem neuen Recht aber auch die Rechtswahlvorschrift des Art. 25 11 EGBGB zu einer Nachlaßspaltung führen. Diese gestattet nämlich dem Erblasser, für sein in Deutschland belegenes unbewegliches Vermögen deutsches Erbrecht zu wählen. Sollte in diesem Falle auf den 41 Siehe oben 1. Kapitel, A.n.l.a) 42 Vgl. Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 156; Lauterbach, 6. 43 Siehe BT-Drucks. 10/504, 75. 44

Ebd.

4S Ebd. 46

Ebd.; ebenso Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 156.

47 BT-Drucks. 10/504,75. 48 Siehe hierzu näher unten 2. Kapitel, A.IV.3.c). 49 Siehe hierzu näher unten 2. Kapitel, A.IV.2.b)(1).

A. Ausgangssituation

159

übrigen Nachlaß ein ausländisches Erbrecht anwendbar sein, weil es sich um einen Erblasser fremder Staatsangehörigkeit handelt, dann würden für die beiden Nachlaßteile zwei verschiedene Rechtsordnungen gelten. Infolge dieser drei bedeutsamen50 Durchbrechungen der Nachlaßeinheit spielt die Nachlaßspaltung daher mittlerweile auch im deutschen Kollisionsrecht eine gewichtige Rolle. 51 Dies wird im folgenden Vergleich der Vorzüge und Nachteile beider Anknüpfungsprinzipien zu berücksichtigen sein.

111. Vergleich der Anknüpfungsprinzipien 1. Personale oder reale Anknüpfung? a) FragesteUung

Im materiellen Erbrecht beruht die Vermögenszuordnung - vor allem bei der gesetzlichen Erbfolge und beim Pt1ichtteilsrecht - auf einem personalen Rechtsverhältnis zwischen Erblasser und Begünstigtem. 52 Gleichzeitig handelt es sich bei der Abwicklung und Verteilung des Nachlasses um einen sachenrechtlichen Vorgang. Das materielle Erbrecht kann daher auf zweierlei Weise in das Gesamtsystem des Privatrechts eingeordnet werden, nämlich "als logische Fortsetzung des Familienrechts oder als Bestandteil der sachenrechtlichen Ordnung" .53 Je nachdem, worin man den Schwerpunkt des Regelungsbereichs des Erbrechts sieht, gelangt man im Kollisionsrecht zu einer personalen oder zu einer realen bzw. gemischt personal-realen Anknüpfung der Erbfolge. 54 Im ersten Fall knüpft man die Erbfolge einheitlich an das so Weitere Ausnahmen beruhen auf zwei Konsularverträgen, die gemäß Art. 3 11 EGBGB Vorrang vor den Kollisionsnormen des EGBGB haben: Gemäß § 14 des Annexes zum Deutsch-Türkischen Konsularvertrag vom 28. Mai 1929 (vgl. RGBI. 1930 11 748 ff., 758 ff.; neu bekannt gemacht am 29.5.1952; BGBI. 1952 11 608) richtet sich die Erbfolge in den unbeweglichen Nachlaß von deutschen und türkischen Staatsangehörigen, der sich auf dem Staatsgebiet einer der beiden Vertragsstaaten befindet, nach der jeweiligen Lex rei sitae. Nur die Erbfolge in das bewegliche Vermögen fällt danach unter das Heimatrecht des Erblassers (siehe zu dem Nachlaßabkommen Kremer, IPRax 1981,205). Eine entsprechende Regelung ist auch in Art. 28 m des zwischen Deutschland und der ehemaligen U.d.S.S.R. am 25. April 1958 abgeschlossenen Konsularvertrages enthalten (BGBI. 11 1959, 232, 469). Keiner der beiden Verträge scheint allerdings bisher in der deutschen Rechtsprechung eine besondere Bedeutung erlangt zu haben. Vgl. Dömer, DNotZ 1988, 97. SI Dömer, DNotZ 1988, 98. 52 Veit StolI, 96. 53 Neumayer, 660. 54 Veit StolI, ebd.; Kühne, Parteiautonomie, 90.

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Personalstatut des Erblassers an. So geschieht es zumindest vom Grundsatz her im deutschen IPR. In dem zweitgenannten Fall unterstellt man das unbewegliche Nachlaßvermögen dem Belegenheitsrecht und gelangt so zu einer Nachlaßspaltung. Dies ist im Prinzip die vom anglo-amerikanischen Recht gewählte Lösung. 55 In andere Worte gefaßt mag man die Wahl zwischen der personalen oder realen Anknüpfung der Erbfolge demnach als Entscheidung darüber verstehen, welches das zur Regelung der Erbfolge "angemessenste" bzw. am besten "passende" Recht ist. Somit geht es bei der Entscheidung zwischen Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung also letztlich um die zentrale Frage des klassischen Kollisionsrechts, nämlich darum, das mit dem Sachverhalt der Rechtsnachfolge von Todes wegen "am engsten verbundene Recht" zu ermitteln. 56 Welche Form der Anknüpfung für Regelung der Erbfolge die angemessenere ist, soll im folgenden zunächst anband einer Untersuchung der maßgeblichen kollisionsrechtlichen Interessen bestimmt werden. Anschließend soll vertieft auf die praktischen Vor- und Nachteile beider Anknüpfungsprinzipien eingegangen werden. Zuvor ist aber ein Blick darauf zu werfen, wie die Entscheidung für das eine oder andere Anknüpfungsprinzip im geltenden deutschen und anglo-amerikanischen Kollisionsrecht begründet wird. Neumayer, ebd .. Früher drückte man dieses Ziel häufig damit aus, daß es darum gehe, den "Sitz" (so Savigny) bzw. den "Schwerpunkt" (so Otto von Gierke) eines Rechtsverhältnisses zu bestimmen; Kegel, IPR, 81. Zum "Prinzip der engsten Verbindung" siehe z.B. Kropholler, 22 ff. Kritisch dazu siehe Flessner, 78 f. Diesem Begriff des deutschen IPR entsprechen - bis auf wenige Unterschiede - im Kollisionsrecht der U .S.A. das Prinzip der "most signijicant relationship ., dort eingeführt vor allem durch das Restatement, Second, Conßict of Laws, (vgl. dort §§ 145, 188 und § 6 Comment c) und in der englischen kollisionsrechtlichen Rechtsprechung der Begriff der "most real connection ". Für eine kritische Würdigung des Begriffs der most signijicant relationship und einen Vergleich mit Savignys Formel des "Sitz des Rechtsverhältnisses" siehe Scoles/Hay, 34 - 40; siehe hierzu auch Siehr, Am. 1. Comp. L. 30 (1982) 37, 40 ff. Zur most real connection siehe Dicey/Morris, 11. Aufl., 1191 ff. (zu Rule 180). Positivrechtlich verankert ist das Prinzip der engsten Verbindung im geltenden deutschen IPR insbesondere im internationalen Schuldvertragsrecht (vgl. Art. 28 I I, n und V EGBGB). Eine gewisse Rolle spielt es darüber hinaus im Personalstatut bei Mehrstaatem (Art. 5 I 1 EGBGB), bei der Konkretisierung der Verweisung auf Mehrrechts systeme (Art. 4 III 2 EGBGB) und im internationalen Ehewirkungsrecht (Art. 14 I Nr. 3 EGBGB). In ausländischen Kollisionsrechtsordnungen spielt das Prinzip der engsten Verbindung teilweise eine noch weitergehende Rolle; siehe dazu die ausführliche rechtsvergleichende Darstellung der Durchsetzung dieses Prinzips in Europa bei Lagarde, Recueil des Cours 196 (1986 I), 9 - 238. 55

56

A. Ausgangssituation

161

b) Argumentation im geltenden deutschen und angloamerikanischen Kollisionsrecht

Auf die Motive des deutschen IPR-Reformgesetzgebers für die Beibehaltung des Grundsatzes der Nachlaßeinheit ist bereits oben eingegangen worden. Danach begründete der Reformgesetzgeber seine Entscheidung hauptsächlich mit der Parallelität zur materiellrechtlichen Universalsukzession und mit den praktischen Schwierigkeiten eines in mehrere Teilnachlässe aufgeteilten Gesamtnachlasses. 57 Die Begründung des Regierungsentwurfs stützt sich hierbei offenkundig auf den IPR-Gesetzentwurf von Kühne. Diese hatte noch deutlicher als der Regierungsentwurf betont, daß die Nachlaßeinheit vor allem dem durch die sachrechtliche Universalsukzession in den Vordergrund gerückten Parteiinteresse, in dessen Mittelpunkt die Figur des Erblassers stehe, Rechnung trage. 58 Neben den praktischen Nachteilen der Nachlaßspaltung sind es somit also insbesondere die Betonung des personalen Charakters des Erbrechts und die Orientierung an der Person des Erblassers, die im deutschen IPR die Entscheidung für die Nachlaßeinheit tragen. Im anglo-amerikanischen Recht dagegen wird zwar hinsichtlich der Anknüpfung der Erbfolge in das bewegliche Vermögen ähnlich wie im deutschen IPR die Anknüpfung an den Schwerpunkt der Lebensverhältnisse der Person des Erblassers in den Mittelpunkt gestellt. Die Erbfolge in bewegliches Vermögen soll sich deshalb unabhängig von der Belegenheit der Vermögensgegenstände einheitlich nach dem Recht des Erblasserdomizils richten. 59 Hinsichtlich der Erbfolge in unbewegliches Vermögen ändert sich jedoch die Blickrichtung von der Person des Erblassers auf den einzelnen Vermögensgegenstand. Auf diese Weise gelangt man für diese Gegenstände zu einer realen Anknüpfung. Anders als beim beweglichen Nachlaßvermögen wird hier argumentiert, daß beim unbeweglichen Vermögen nicht das Domizilrecht, sondern die Lex rei sitae das größte Interesse daran habe, den Nachlaß entsprechend ihrer Gerechtigkeitsprinzipien verteilt zu sehen. 6o Als Begrün-

BT-Drucks. 10/504, 75. Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 156. 59 Siehe Restatement, Second, Conflict of Laws, § 260 Comment c, § 263; Scoles/Hay, 824; Dicey/Morris, 11. Aufl., 1005, 1009. 60 Restatement, Second, Conflict of Laws, § 6 Comment c, § 236 Comment a; für das englische Recht vgl. Dicey/Morris. 11. Aufl., 1007. Jedoch relativiert das amerikanische Restatement, Second, Conflict of Laws an mehreren Stellen seine Stellungnahme zugunsten der Situs regel. Danach könnten in manchen Fällen andere Rechtsordnungen als die lu rei sitae ein noch größeres Interesse an der Anwendung des eigenen Erbrechts haben. Dies könnte z.B. der Staat sein, wo der Erblasser und die am Nachlaß Berechtigten (Erben etc.) ihren gemeinsamen domicile haben. 57 58

11 Brandi

162

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

dung hierfür wird insbesondere auf die alleinige und ausschließliche physische Macht des Situsstaates über das betreffende Grundstück verwiesen. 61 Ferner wird betont, daß die Frage des anwendbaren Rechts von erheblicher Bedeutung für die wirtschaftlichen Interessen des Situsstaates sei und zwar vor allem insofern, als dadurch die freie Zirkulationsfähigkeit von Grundstücken auf dem Immobilienmarkt beeinflußt werden könne. 62 Schließlich ist das wohl wichtigste Argument für die Situsregel, daß durch die Anwendung des Lagerechts im Interesse des Rechtsverkehrs die Verfügung über Grundstücke und anderes Immobiliarvermögen erheblich erleichtert würde. 63

Im Ergebnis ruckt das deutsche IPR also die Person des Erblassers und dessen Parteiinteresse an einer einheitlichen Anknüpftmg des Erbstatuts in den Vordergrund. Dagegen betont man im anglo-amerikanischen Kollisionsrecht zumindest beim Immobiliarnachlaß - die starke wirtschaftliche und rechtliche Einbettung von Grundstücken in ihre räumliche Umwelt und begründet die Anwendung der Lex rei sitae mit den entsprechenden Interessen des Rechtsverkehrs und des Situsstaates. c) Interessen

Die vorstehenden Ausführungen zeigen, daß es bei der Entscheidung zwischen Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltwig zwischen folgenden widerstreitenden Interessen abzuwägen gilt:

Restatement, Second, Conflict of Laws, § 236 Comment a; siehe auch § 239 Comments g, i. 61 Restatement, Second, Conflict of Laws, Introductory Note to § 214 (Vorläufiger Entwurf Nr. 5, 24. April, 1959, zitiert in: CramtonlCurrie/Kay, 32; vgl. auch Aiden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 594 f. 62 Selbst Autoren, welche die unflexible Anwendung der Situs regel kritisieren, sehen diesen Gesichtspunkt als ein Argument an, das im Einzelfall für die Anwendung des Situsrechts sprechen kann; vgl. Weintraub, 438; Aiden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 595 f. 63 Leflar/McDougaVFelix, § 165, 474-475; Pedowitz, Probate & Property 1991, 24; Restatement, Second, Conflict of Laws, § 236 Comment a. Auch Kritiker der Situsregel, die Anhänger der inleresl analysis melhod sind, messen diesem Gesichtspunkt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts Bedeutung zu. Allerdings wollen sie das Situs recht nur dann und insoweit anwenden, wie dies aus Gründen des Verkehrsschutzes im Einzelfall konkret erforderlich ist; vgl. Weintraub, 414; Aiden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 592.

A. Ausgangssituation

163

(1) Erblasserinteressen Für eine einheitliche personale Anknüpfung des Erbstatuts läßt sich insbesondere das Parteiinteresse des Erblassers anführen. 64 Denn dieser hat - wie bereits oben ausgeführt65 - ein Interesse daran, daß sich die Erbfolge in sein Vermögen nach derjenigen Rechtsordnung richtet, mit der er am engsten verbunden ist. Dies kann je nach den konkreten Fallumständen entweder das Recht seines Wohnsitzes oder sein Heimatrecht sein. Im Regelfall wird dieses Parteiinteresse gegen eine Nachlaßspaltung gerichtet sein. Denn es ist wenig wahrscheinlich, daß der Erblasser mit dem Situsrecht seines Immobiliarnachlasses in gleicher Weise verbunden sein wird wie mit seinem Heimat- oder Wohnsitzrecht. Dies gilt zumindest dann, wenn der Erblasser mit dem Lagerecht keine weitere Beziehung innehat als die bloße Belegenheit der Sache: so z.B. wenn es sich bei dem ausländischen unbeweglichen Vermögensgegenstand um ein Feriengrundsruck oder um ein reines finanzielles Anlageobjekt handelt. 66 Darüber hinaus würde der Erblasser die einheitliche Anknüpfung der Rechtsnachfolge wahrscheinlich auch aus praktischen Erwägungen vorziehen. Denn zumeist wird die Regelung der testamentarischen Erbfolge um vieles einfacher sein, wenn der gesamte Nachlaß einheitlich einem Recht unterliegt. 67 Umgekehrt ist die Gefahr einer Vereitelung der Nachlaßplanung entsprechend höher, wenn für den Nachlaß eine Mehrzahl von Rechten gilt. Diese Gesichtspunkte dürften aus der Perspektive des Erblassers häufig die Vorteile überwiegen, welche die Abwicklung des Immobiliarnachlasses nach dem Lagerecht (Vermeidung von Konflikten mit Sachenrechts- bzw. Verfahrensordnung) mit sich brächte. Auf diese praktischen Aspekte wird unten noch näher einzugehen sein. 68

(2) Erbeninteressen Ähnlich gelagert ist die Interessenslage bei den Erben. Auch sie haben ein kollisionsrechtliches Parteiinteresse daran, daß ihre Rechtsnachfolge in den Nachlaß des Erblassers einem Recht unterliegt, mit dem sie eng verbunden sind. Denn hierbei handelt es sich um einen Vorgang, der für sie erhebliche vermögensrechtliche Konsequenzen haben könnte. Zwar ist es aus PraktikabiVeit StoII, 96. Siehe oben 1. Kapitel, A.ill.1.a). 66 Vgl. Veit StoII, ebd.; Kühne, Parteiautonomie, 89 f. 67 Niggemann, 153 f. 68 Siehe unten 2. Kapitel, A.ill.2.

64 65

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

litätsgründen nicht möglich, die Erbfolge, die Erbenhaftung oder das Pflichtteilsrecht für jeden Erben gesondert nach derjenigen Rechtsordnung zu beurteilen, welcher der jeweilige Erbe am engsten verbunden ist. 69 Häufig dürften der Erblasser und seine Angehörigen ihre engste Verbindung jedoch mit derselben Rechtsordnung haben. In diesem Fall entspräche die einheitliche Anknüpfung der Erbfolge an das Recht des Lebensmittelpunktes des Erblassers also auch unmittelbar dem Parteiinteresse der Erben. Aber selbst wenn Erblasser und Erben nicht mit derselben Rechtsordnung am engsten verbunden sind, würde das Parteiinteresse der Erben dem System der Nachlaßspaltung entgegenstehen. Denn unter der Nachlaßspaltung hängt das Ergebnis der Verteilung der Erbschaft ganz maßgeblich von der räumlichen Lage (Belegenheitsort) und der rechtlichen Struktur (beweglich oder unbeweglich?) der Nachlaßgegenstände ab. Wertungsmäßig gesehen hat jedoch weder das eine noch das andere etwas mit der Frage zu tun, wer in welcher Höhe am Nachlaß beteiligt sein sollte. Das gilt insbesondere für die gesetzliche Erbfolge und das Pflichtteilsrecht, in deren beider Mittelpunkt die Familie des Erblassers steht. 7o Das Parteiinteresse der Erben gebietet daher, diese Fragen nach einem Recht zu beurteilen, dem die Erben als Person nahestehen. Deshalb würde es gegen ihre Interessen verstoßen, auf diese Frage ein Recht womöglich allein deshalb anzuwenden, weil sich dort ein als unbeweglich zu qualifizierender Nachlaßgegenstand befmdet, ohne daß die Erben irgendeine weitergehende Verbindung mit dieser Rechtsordnung hätten.'1 Außerdem böte die Nachlaßspaltung einem böswilligen Erblasser die Möglichkeit, die Anknüpfung der Erbfolge durch Verschiebung des Vermögens (Verkauf von Mobilien und Kauf von Grundstücken) bzw. durch Umstrukturierung desselben (Einbringung von Grundstücken in eine Gesellschaft) zu manipulieren. 72 Dies könnte ebenfalls gegen die Erbeninteressen verstoßen. Darüber hinaus sprechen auch bei den Erben praktische Gesichtspunkte gegen eine Nachlaßspaltung. Aus ihrer Sicht bestehen die praktischen Nachteile der Nachlaßspaltung vor allem darin, daß es durch das Aufeinandertreffen der für die einzelnen Nachlaßmassen geltenden unterschiedlichen Rechtsordnungen zu materiellrechtlichen Spannungen und Unzuträglichkeiten 69 Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 157. Eine solche Form der Anknüpfung würde die Gefahr einer völligen Zersplitterung des anwendbaren Rechts schaffen. Darüber hinaus wäre sie häufig bereits logisch nicht durchführbar. Denn dafür muß zunächst einmal festgelegt werden, wer überhaupt zum Kreis der zu berücksichtigenden Erben gehört. Da sich das aber nach materiellem Recht bestimmt, setzt dies gerade voraus, daß das anwendbare Recht bereits feststeht. 70 Niggemann, 88, 91, 97. 71 Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 11), 68 72 Niggemann, 97.

A. Ausgangssituation

165

kommt. Hierdurch kann die Abwicklung des Gesamtnachlasses erheblich erschwert werden. Außerdem entsteht dadurch die Gefahr einer Verfälschung des Erblasserwillens und von Ungerechtigkeiten bei der Nachlaßverteilung. 73

(3) Nachlaßgläubigerinteressen Anders als bei Erblasser und Erben spielen bei den Nachlaßgläubigern im vorliegenden Zusammenhang etwaige Gesichtspunkte des Parteiinteresses kaum eine Rolle. Für sie sind hier allein praktische Erwägungen entscheidend. Aus ihrer Sicht halten sich die Vor- und Nachteile des einen oder anderen Anknüpfungsprinzips insofern in etwa die Waage. 74 Zwar bereitet bei der Nachlaßspaltung die Zuordnung der Nachlaßverbindlichkeiten zu den einzelnen Nachlaßmassen einige theoretische Schwierigkeiten.'5 Diese beruhen darauf, daß die Anknüpfung des Erbstatuts bei der Nachlaßspaltung allein auf die Aktiva des Nachlasses abstellt (bewegliches oder unbewegliches Vermögen?), während sich die Passiva grundsätzlich auf die Person des Erblassers und damit auf den Gesamtnachlaß beziehen. 76 Jedoch verlieren diese Probleme im Ergebnis ihre Schärfe dadurch, daß - so zumindest im deutschen Recht - im Grundsatz von einer solidarischen Haftung aller Teilnachlässe für die Gesamtheit der Nachlaßschulden ausgegangen wird. 77 Dadurch wird im Interesse der Nachlaßgläubiger sichergestellt, daß diese ihre Forderungen grundsätzlich gegen jeden Teilnachlaß geltend machen können. 78 Auf diese Weise verlagert sich das Problem darauf, inwieweit die Erben eines Teilnachlasses, der zur Begleichung der Nachlaßschulden überwertmäßig in Anspruch genommen wurde, hierfür von den übrigen Teilnachlässen und deren Erben Ersatz verlangen kann. 79 Demzufolge berührt die Problematik der Zuordnung der Nachlaßschulden zu den einzelnen Nachlaßmassen im Ergebnis mehr die Interessen der Erben als diejenigen der Nachlaßgläubiger. Für einige der Nachlaßgläubiger bringt die Nachlaßspaltung sogar Vorteile mit sich. Dies gilt vor allem für diejenigen Gläubiger, die in dem Situsstaat eines zum Nachlaß gehörenden Grundstücks ansässig sind, das außerhalb des Heimat- bzw. Wohnsitzstaates des Erblassers belegen ist. Unter einem System Siehe hierzu näher unten 2. Kapitel, A.III.2. Niggemann, 156. 75 Kühne, Parteiautonomie , 90. 76 MünchKomm-Birk, Art. 25 EGBGB, Rz. 127. 77 Dömer, DNotZ 1988, 107; Henle, 180; siehe dazu näher unten 2. Kapitel, A.III.2.a)(5). 78 Niggemann, 116 m.w.N.; Henle, 167. 79 Niggemann, 156. Siehe auch hierzu näher unten 2. Kapitel, A.III.2.a)(5). 73

74

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

der Nachlaßspaltung müssen die Erben nämlich im Zweifelsfall die Handlungen zur Annahme bzw. Ausschlagung der Erbschaft oder zur Herbeiführung einer Haftungsbeschränkung für den unbeweglichen Nachlaßteil gesondert vor den dortigen Gerichten vornehmen. Dies wäre für die im Situsstaat ansässigen Gläubiger leichter zu verfolgen, als wenn sie insoweit Erkundigungen im Wohnsitz- bzw. Heimatstaat des Erblassers einziehen müßten. 80

(4) Verkehrsinteressen Die reale Anknüpfung des Immobiliamachlasses liegt auf jeden Fall im praktischen Interesse des Rechtsverkehrs. 81 Dies gilt z.B. für das deutsche Recht, wo Rechtsgeschäfte mit Grundstücken einem strengen Grundbuchverfahrensrecht unterliegen, welches eng auf das deutsche Sachenrecht abgestimmt ist. Dort kann die Nachlaßeinheit dann zu Schwierigkeiten führen, wenn gemäß Art. 25 I EGBGB ein ausländisches Erbrecht anwendbar ist, dessen Regeln mit den Prinzipien des deutschen Sachenrechts kollidieren. Im Ergebnis kann hierdurch die Verkehrsschutzfunktion des deutschen Grundbuchwesens beeinträchtigt werden. 82 Derartige Probleme können durch eine reale Anknüpfung der Erbfolge in den Immobiliamachlaß vermieden werden.

(5) Situsinteressen Die reale Anknüpfung des unbeweglichen Nachlaßvermögens läßt sich jedoch - anders als in der anglo-amerikanischen Lehre verschiedentlich behauptet83 - nicht auf entsprechende Interessen des Situsstaates stützen. Denn die unterschiedliche materiellrechtliche Erbfolge für bewegliches und unbewegliches Vermögen ist, wie bereits oben dargelegt, nicht nur im deutschen, sondern auch im anglo-amerikanischen Erbrecht84 schon vor langer Zeit beseitigt worden. Damit haben aber etwaige politische bzw. wirtschaftspolitische Interessen des Belegenheitsstaates zu existieren aufgehört, die früher einmal der materiellrechtlichen Unterscheidung zwischen der Erbfolge in Mobilien und Immobilien zugrunde gelegen haben mochten. Daher können diese heute auch nicht mehr für die Rechtfertigung einer unterschiedlichen Behandlung beider Vermögensarten auf kollisionsrechtlicher Ebene heran80 81 82 83 84

Niggemann. 101. 108. Kegel. IPR. 648; Veit Stoll. 97 f. Siehe hierzu näher unten 2. Kapitel. A.III.2.c). Siehe hierzu die Nachweise oben 2. Kapitel. A.III.1.b) in Fn. 62. Siehe oben 2. Kapitel. A.II.l.a) in Fn. 12.

A. Ausgangssituation

167

gezogen werden. 85 Daneben vermag auch der Verweis auf die faktische Souveränität des Situsstaates über die in seinem Territorium belegenen Grundstücke86 eine Anknüpfung der Erbfolge an das Situsrecht nicht zu begründen. Denn diese Souveränität besteht ebenso hinsichtlich beweglichen Vermögens, ohne daß dafür ebenfalls eine Anknüpfung an das Situsrecht in Betracht gezogen würde. Auch im übrigen ist es der anglo-amerikanischen Kollisionsrechtslehre bislang nicht gelungen, den Fortbestand etwaiger Interessen des Situsstaates an einer pauschalen Anwendung des Lagerechts auf die Erbfolge in den Immobiliarnachlaß aufzuzeigen. Dies gilt selbst für die sogenannten "rules 0/ perpetuities", auf die in diesem' Zusammenhang häufig verwiesen wird. 87 Diese erbrechtlichen Vorschriften reglementieren testamentarische Verfügungen, welche die freie Veräußerlichkeit des Nachlasses durch eine langfristige Bindung des Nachlaßvermögens, z.B. in einem trust, einschränken. 88 Zwar hat man früher den Zweck der ruies against perpetuities vielfach darin gesehen, im wirtschaftspolitischen Interesse des Situsstaates zu verhindern, daß in dessen Territorium befmdliches unbewegliches Nachlaßvermögen infolge entsprechender Anordnungen des Erblassers auf lange Zeit in der Hand einer Person bzw. einer Familie gebunden bleibt und damit dem Grundstücksverkehr entzogen wird. 89 Hierauf gestützt ließ sich daher ursprünglich womöglich auch auf ein entsprechendes Interesse des Situsstaates verweisen, insoweit sein eigenes Recht zur Anwendung zu bringen. Jedoch wird man die eigentliche Funktion dieser rules against perpetuities heute eher darin sehen müssen, einen gerechten Ausgleich zwischen den Interessen des Erblassers und der ihn überlebenden Angehörigen hinsichtlich der Entscheidungsbefugnis über das rechtliche und wirtschaftliche Schicksal des Nachlasses herzustellen. 90 Daraus folgt dann aber auch, daß die Interessen des Situsstaates im Hinblick auf die Frage des anwendbaren Rechts heute keine ausschlaggebende Bedeutung mehr haben können. Vielmehr sind insoweit - wie in anderen erbrechtlichen Fragen auch - vorrangig die Interessen der privaten Parteien maßgeblich.

DiceylMorris, 11. Aufl., 1007; Kegel, IPR, 267. Siehe oben 2. Kapitel, A.m.1.b) in Fn. 61. 87 Vgl. AIden, Tex. L. Rev. 65 (1987),595; Hancock, 17 Stan. L. Rev. 1095, 1100 f. (1965); vgl. auch Restatement, Second, Conflict ofLaws, § 239 Comment f. 88 Siehe hierzu allgemein Henrich: Großbritannien, in: FeridlFirsching, internationales Erbrecht, Rz. 121 f.; Firsching: U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 51c. 89 Simes, Univ. ofPenn. L. Rev. 103 (1955), 707, 708 f. m.w.N. 90 McGovernlKurtzlRein, WiIIs, 505,508 m.w.N.; Simes, 723. 85

86

168

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Etwaige Interessen des Situsstaates an der Anwendung des eigenen Rechts können demnach allenfalls dort bestehen, wo der Situsstaat aus wirtschaftspolitischen oder anderen Gründen auch auf materiellrechtlicher Ebene eine Vermögensspaltung vornimmt, d.h. wo der Situsstaat für einige bestimmte Güter den Grundsatz der Universalsukzession aufgibt und eine materiellrechtliche Sondererbfolge anordnet. Hier mögen die Gründe, welche den Gesetzgeber zur Anordnung der materiellrechtlichen Vermögensspaltung veranlaßt haben, durchaus so gewichtig sein, daß sie auch auf internationalprivatrechtlicher Ebene Anerkennung verlangen und eine Anwendung des Situsrechts erfordern. Hierbei handelt es sich jedoch bloß um seltene Ausnahmefälle. Ein Beispiel hierfür sind die besonderen höferechtlichen Erbfolgeregelungen, die in einigen Rechtsordnungen - einschließlich des deutschen Rechts - auch heute noch fortexistieren. 91 d) Zwischenergebnis

Zusammenfassend läßt sich also festhalten, daß nur die Interessen des Rechtsverkehrs uneingeschränkt für eine reale Anknüpfung des Immobiliarvermögens und damit für die Nachlaßspaltung angeführt werden können. Den Erblasser- und Erbeninteressen entspricht es dagegen eher, den Nachlaß einheitlich an das Personalstatut des Erblassers anzuknüpfen. Die Interessen der Nachlaßgläubiger sprechen weder in klarer Weise für das eine noch für das andere Anknüpfungsprinzip. Ferner können auch die Interessen des Situsstaates allenfalls in seltenen Ausnahmefällen die Anwendung des Lagerechts rechtfertigen. Im Ergebnis erfordert die Entscheidung zwischen der Nachlaßeinheit und der Nachlaßspaltung daher vor allem eine Abwägung zwischen den Verkehrsinteressen auf der einen und den Erblasser- und Erbeninteressen auf der anderen Seite. Diese Abwägungsentscheidung hat neben den oben dargelegten allgemeinen Wertungsgesichtspunkten aber auch zu berücksichtigen, welche Vor- und Nachteile die beiden Anknüpfungsprinzipien konkret in der praktischen Rechtsanwendung haben. Diese praktischen Gesichtspunkte wurden in den obigen Ausführungen bislang nur kurz angesprochen. Sie sollen daher im folgenden noch genauer analysiert werden.

91

Siehe hierzu näher unten 2. Kapitel, A.IV.2.a)(1) und B.II.I.

A. Ausgangssituation

169

2. Vorzüge und Nachteile der Anknüpfungsprinzipien in der praktischen Anwendung a) Innerer Entscheidungseinklang

(1) Allgemeines Der wichtigste praktische Nachteil der Nachlaßspaltung besteht darin, daß sie mit dem kollisionsrechtlichen Ideal des inneren Entscheidungseinklangs unvereinbar ist. Mit diesem Begriff bezeichnet man das Bemühen, einzelne Teile eines zusammengehörigen Lebenssachverhaltes möglichst derselben Rechtsordnung zu unterstellen. Dieses Prinzip beruht auf der Erwägung, daß innerhalb einer Rechtsordnung Rechtssätze, die einen einheitlichen Lebenssachverhalt betreffen, in der Regel inhaltlich aufeinander abgestimmt sind und daß deshalb Rechtssätze, die aus unterschiedlichen Rechtsordnungen stammen, häufig nicht zueinander passen. Daher kann die Anwendung von Rechtssätzen aus mehreren unterschiedlichen Rechtsordnungen auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt zu Normwidersprüchen zwischen diesen verschiedenen Rechtssätzen führen. 92 Dies sollte soweit wie möglich vermieden werden. Die Nachlaßspaltung erzeugt häufig solche Normwidersprüche. Denn wenn infolge einer Nachlaßspaltung zwei oder mehr Rechte auf den Gesamtnachlaß Anwendung finden, ist das rechtliche Schicksal für jeden Teilnachlaß gesondert nach dem jeweils für ihn maßgeblichen Recht zu beurteilen. 93 Die Teilnachlässe sind damit also autonom und völlig getrennt voneinander abzuwickeln und zu verteilen. Diese Zersplitterung des Nachlasses kann dazu führen, daß im Rahmen der Abwicklung und Verteilung des Gesamtnachlasses erbrechtliehe Normen verschiedener Rechtsordnungen aufeinandertreffen, die nicht zueinander passen. Dadurch drohen komplizierte Anpassungsprobleme, welche die Einfachheit und Vorhersehbarkeit der Rechtsanwendung erheblich beeinträchtigen können. Darüber hinaus werden durch diese Normwidersprüche aber auch Aspekte der materiellrechtlichen Gerechtigkeit des internen Sachrechtes berührt. Denn die soeben beschriebene rechtliche Zersplitterung des Nachlasses steht im Widerspruch dazu, daß es sich hierbei um die Abwicklung und Verteilung einer Vermögensmasse handelt, die wirtschaftlich gesehen eigentlich eine Einheit darstellt. Aus diesem Grund kann das Nebeneinander verschiedener ErbKegel, IPR, 87. Für das deutsche Recht siehe BGHZ 24, 352, 355 und BGHZ 50, 63; Henle, 38 ff. Rechtsvergleichend siehe Droz, Commentaire, 20. Zum englischen Recht siehe Gareth Miller, 1988 Conv. & Prop. Law., 30 ff. 92 93

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

statute auch zu materiellrechtlichen Verzerrungen führen, die von den Beteiligten möglicherweise als ungerecht empfunden werden. 94 Diese mit der Nachlaßspaltung verbundenen Probleme treten sowohl bei der testamentarischen als auch bei der gesetzlichen Erbfolge auf. Darüber hinaus erschweren sie nicht nur die Nachlaßverteilung, sondern auch die Nachlaßabwicklung. Welcher Art diese Schwierigkeiten im Einzelfall sind und auf welche Weise man ihnen im deutschen und anglo-amerikanischen Recht zu begegnen versucht, soll hier etwas ausführlicher besprochen werden.

(2) Gültigkeit letztwilliger Verfügungen: Multiple wills im anglo-amerikanischen Recht Die getrennte Anknüpfung der einzelnen Nachlaßmassen unter der Nachlaßspaltung hat z.B. zur Folge, daß die Gültigkeit einer testamentarischen Verfügung für jeden Nachlaßteil gesondert nach dem jeweils anwendbaren Recht zu beurteilen ist. 9s Daher kann ein und dieselbe letztwillige Verfügung für den einen Nachlaßteil gültig und für einen anderen unwirksam sein. 96 Dies kann wiederum zur Folge haben, daß die Unwirksamkeit der Verfügung hinsichtlich des einen Nachlaßteils auch die Unwirksamkeit bezüglich der anderen Nachlaßmasse nach sich zieht. Auf diese Weise wird also im Ergebnis u.U. die gesamte testamentarische Erbfolgeregelung hinfällig. 97 Im anglo-amerikanischen Rechtskreis hat sich in Reaktion auf diese Probleme für Nachlässe, die über mehrere Rechtsordnungen verteilt liegen, im 94

Niggemann, 162 f.

9S Für das deutsche Recht: Dörner, DNotZ 1988, 101; für das anglo-amerikani-

sche Recht: Boulanger, 177 - 179; Aiden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 614 - 616 mit ausführlichen Rspr .-Nachweisen. 96 Hinsichtlich der formellen Gültigkeitsvoraussetzungen letztwilliger Verfügungen ist diese Gefahr aber dadurch erheblich vermindert worden, daß in Deutschland wie in vielen Staaten auch als Folge der Ratifizierung des Haager Testamentsformabkommens von 1961 eine alternative Anknüpfung dieser Rechtsfragen an das Heimat-, Wohnsitz-, Aufenthaltsrecht des Erblassers, an das Recht des Errichtungsortes oder für unbewegliches Vermögen an das Lagerecht zugelassen ist. Kegel, IPR, 656 f. Ähnlich ist die Rechtslage in England infolge des Wills Act von 1963 und in den meisten Bundesstaaten der U.S.A., die § 2-506 des Uniform Probate Code übernommen haben. Siehe ScoleslHay, 805. 97 Nach der h.L. im deutschen IPR kann die Unwirksamkeit einer Verfügung unter einem Erbstatut in den Geltungsbereich des anderen Erbstatuts ausstrahlen, wobei diese Frage gemäß der h.L von dem letzteren Statut beantwortet wird, also von jenem, welches die Verfügung an sich als wirksam beurteilt. Dörner, DNotZ 1988, 101 f. m.w.N.; Henle, 62 f.

A. Ausgangssituation

171

beträchtlichen Umfang der Gebrauch von sog. "multiple wills· eingebürgert. 98 Hierbei verfaßt der Erblasser für jeden Nachlaßteil, der einem eigenen Recht unterliegt, getrennte Verfügungen in je einem eigenen Dokument. Diese Teiltestamente werden jeweils dort hinterlegt, wo es für den betroffenen Nachlaßteil zu einem Nachlaßabwicklungsverfahren kommen kann. Im Regelfall enthalten die jeweiligen Einzelverfügungen keinen Hinweis auf die anderen Nachlaßmassen und die darüber getroffenen Verfügungen. 99 Dadurch soll zum einen aus erbschaftssteuerrechtlichen Gründen ein Bekanntwerden des Gesamtwertes des Nachlasses vermieden werden. Zum anderen soll die Nachlaßabwicklung dadurch in der Weise erleichtert werden, daß die mit dem jeweiligen Teilnachlaß befaßten Behörden lediglich mit dem im eigenen Forum belegenen Nachlaßvermögen beschäftigen und sich hierbei nach dem ihnen vertrauten Forumsrecht richten können. loo Schließlich erhofft man sich durch den Gebrauch von multiple wills auch den Vorteil, daß der Erblasser die Verfügungen über die einzelnen Teilnachlässe besser auf das jeweils maßgebliche Recht hin abzustimmen vermag und sich auf diese Weise die Chancen für die Wirksamkeit seiner testamentarischen Verfügungen erhöhen. lol Diesen Vorteilen stehen allerdings auch manche praktische Nachteile gegenüber. So kann z.B. die Wahrung einer völligen Vertraulichkeit hinsichtlich der in den übrigen Rechtsordnungen belegenen Vermögensmassen wiederum Probleme bei der Gesamtkoordinierung der Nachlaßplanung und -abwicklung mit sich bringen. 102 Aus diesen Gründen steht die amerikanische kollisionsrechtliche Literatur dem Rechtsinstitut der multiple wills insgesamt eher zwiespältig gegenüber .103 Selbst im anglo-amerikanischen Rechtsraum steht das Hilfsmittel einer getrennten Verfügung für jeden Teilnachlaß in Form von multiple wills allerdings nur solchen Erblassern zur Verfügung, die entsprechend anwaltlich beraten worden sind. Für den Normalfall ist hier ebenso wie im deutschen Recht jedoch anzunehmen, daß sich ein Erblasser bei der Errichtung eines 98 Vgl. Lawrence, 745; Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, Bd. I, 553 ff.; Kruse, Colo.Law. 18 (1989), 1519 ff.; Kaufmann, Prob.L.J. 11 (1992), 29 ff.; Baker, International Legal Practitioner 1985, 115, 118. 99 Dies geht jedoch nur, wenn die Verfahrensrechte der betroffenen Rechtsordnungen für die Eröffnung von Testamenten nicht die Einreichung aller errichteten letztwilligen Verfügungen verlangen, wie es z.B. das New Yorker Recht vorsieht. Siehe Lawrence, 746 Fn. 21. 100 Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, Bd. I, 554; Lawrence, 746. 101 Schoenblum, ebd.; Kruse, Colo.Law. 18 (1989), 1520. 102 Siehe hierzu im einzelnen: Schoenblum, ebd., 554 f. 103 Eher befürwortend z.B. Lawrence, 745 f.; dagegen eher ablehnend Schoenblum, ebd., 556.

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Testaments allein von den ihm bekannten Grundsätzen desjenigen Rechtes leiten lassen wird, mit dem er sich am engsten verbunden fühlt. Er würde dabei aller Voraussicht nach nicht bedenken, daß es unter Umständen zur Anwendung eines anderen Rechts auf Teile seines Nachlasses kommen kann mit den entsprechenden Risiken einer teilweisen oder völligen Unwirksamkeit seiner testamentarischen Nachlaßplanung. Die Nachlaßspaltung birgt daher im Vergleich zur Nachlaßeinheit ein deutlich größeres Risiko in sich, die Nachlaßplanung des Erblassers teilweise oder sogar vollständig zu vereiteln. Dies ist als ein besonders schwerwiegender Nachteil anzusehen. Denn diejenige Person, um deren Vermögen es hierbei vorrangig geht, d.i. der Erblasser, kann in dem Fall, daß die Unwirksamkeit seiner Nachlaßplanung erst nach seinem Tode ersichtlich wird, nicht mehr korrigierend in die Abwicklung und Verteilung des Nachlasses eingreifen. Daher wird man die Nachlaßspaltung gerade bei der testamentarischen Erbfolge als besonders unerwünscht ansehen müssen. 104

(3) Auslegung letztwilliger Verfügungen: Ausnahme vom Grundsatz der Nachlaßspaltung im anglo-amerikanischen Recht Die Nachlaßspaltung wirft darüber hinaus Probleme bei der Auslegung letztwilliger Verfügungen auf, falls die Anwendung gesetzlicher oder ergänzender Auslegungsregeln erforderlich wird. So kann sich z.B. in dem Fall, daß der Erblasser bestimmte Vermögensgegenstände seinen "Erben" zuwendet, die Frage stellen, ob zu den "Erben" in dem vom Erblasser intendierten Sinne auch ein nichteheliches Kind desselben zählt oder nicht. Diese Auslegungsfrage wird in den einzelnen Rechtsordnungen unterschiedlich beantwortet. Deshalb stellt sich hier die Frage nach dem anwendbaren Recht. Unter der Nachlaßspaltung, wo mehrere Rechte über den Nachlaß herrschen, wäre es denkbar, daß diesem vom Erblasser an sich einheitlich gemeinten Ausdruck für jede einzelne Nachlaßmasse eine andere Bedeutung zugesprochen würde. lOS Dadurch würde die Erbfolge für jeden Teilnachlaß einen anderen Weg nehmen. Im anglo-amerikanischen Kollisionsrecht werden diese Probleme seit langem intensiv diskutiert. Dort wird deshalb speziell für die Auslegung l06 Boulanger, 177. Kegel, IPR, 663. 106 Im amerikanischen Kollisionsrecht ist der genaue Inhalt des Begriffs "Testamentsauslegung" ("construction ') allerdings mehrdeutig und umstritten. Siehe Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, Bd. 1, 424 - 430; Scoles/Hay, 809 - 812; Firsching: U:S.A., in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 39k. Gemäß der vom Restatement, Second, Conflict of Laws, verwendeten 104 105

A. Ausgangssituation

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letztwilliger Verfügungen eine doppelte Ausnahme von den gewöhnlichen Anknüpfungsregeln zugelassen: So wird dem Erblasser zum einen gestattet, selber das auf die Auslegung seiner letztwilligen Verfügung anwendbare Recht zu wählen. Er kann dabei bestimmen, daß insoweit für seinen gesamten Nachlaß, auch wenn dieser unbewegliches Vermögen enthält, das über mehrere Staaten verteilt liegt, einheitlich nur ein einziges Recht maßgeblich sein SOll.107 Dieses gewählte Recht braucht keine anderweitige Beziehung zu seinem Nachlaß zu haben. 108 Begründet wird diese Rechtswahlmöglichkeit mit dem Argument, daß der Erblasser, wenn er das auf die ergänzende bzw. gesetzliche Testamentsauslegung anwendbare Recht bestimmt, nichts anderes macht, als eine Kurzfassung dessen auszusprechen, was er selber im Detail hätte ausformulieren können. 109 Zum anderen gilt im anglo-amerikanischen Recht für den Fall, daß der Erblasser keine Rechtswahl getroffen haben sollte, die widerlegliche Vermutung, daß für die Testamentsauslegung hinsichtlich des gesamten Nachlasses im Zweifel das Recht des Erblasserdomizils zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung maßgeblich sein soll. Dies soll zumindest solange gelten, wie dem Testament nicht zu entnehmen ist, daß der Erblasser seine Anordnungen anband eines anderen Rechts als seines Domizilrechtes vorgenommen hat. 110 BeTerminologie, die anscheinend am meisten Verbreitung gefunden hat, meint "construction" lediglich den Vorgang der Anwendung von gesetzlichen Auslegungsregeln

in dem Palle, daß der tatsächliche Erblasserwille nicht aus den übrigen Umständen des Sachverhalts ermittelt werden kann. Nur hier stellt sich nach Ansicht des Restatement die Prage nach dem anwendbaren Recht. Die davor gelagerte Ermittlung des tatsächlichen Erblasserwillens anhand der Umstände der Testamentserrichtung wird hingegen "interpretation" genannt. Insoweit geht es nach Auffassung des Restatement bloß um die Prüfung von Tatsachen, bei der sich die Prage nach dem anwendbaren Recht nicht stellen würde. Restatement, Second, Conflict of Laws, § 240 Comment a bis Comment d; 107 Für das englische Recht siehe: Dicey/Morris, 11. Aufl., 1022 (Rule 144). Für das amerikanische Recht siehe: Restatement, Second, Conflict of Laws, § 240 Comment f. Eine entsprechende Rechtswahlmöglichkeit besteht auch gemäß § 2-703 (früher § 2-602) des Uniform Probate Code, der von einer größeren Zahl von Bundesstaaten der U.S.A. in innerstaatliches Recht umgesetzt worden ist; siehe Hendrickson, Real Prop., Prob. & Trust J. 18 (1983), 407, 418 - 424. 108 Restatement, Second, Conflict of Laws, § 240 Comment e; Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, 430. 109 Restatement, Second, Conflict of Laws, ebd .. 110 Für das englische Recht siehe: Dicey/Morris, 11. Aufl., 1022 - 1024; Cheshire/North, 11. Aufl., 852. Im amerikanischen Kollisionsrecht ist dies allerdings sehr strittig. Einen Überblick über den früheren Meinungsstand bietet Pirsching: U.S.A., in: PeridlPirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 39k - 391. Pür die Anwendung des Domizilrechts heute z.B.: Restatement, Second, Conflict of Laws, § 240 Comment f; Scoles/Hay, 810 f. (zumindest solange es sich um lediglich für das

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

gründet wird diese Vermutungsregel damit, daß der Erblasser wahrscheinlich mit dem an seinem Wohnsitz herrschenden Recht am besten vertraut sei und seine testamentarische Verfügung daher im Zweifel anband dieser Rechtsordnung abgefaßt habe dürfte. 111 Außerdem wird darauf hingewiesen, daß es nicht den Intentionen des Erblassers entsprechen könne, einem von ihm. einheitlich benutzten Ausdruck für jenen Nachlaßteil eine andere Bedeutung beizulegen. 112 Diese doppelte Ausnahme vom Grundsatz der Nachlaßspaltung hat im anglo-amerikanischen Recht jedoch nur eine beschränkte Reichweite. Sie steht nämlich stets unter dem Vorbehalt der Anerkennung des Auslegungsresultats durch das Situsrecht des jeweiligen Immobiliarnachlasses. 113 Würde also z.B. die Auslegung zu einer Verteilung des Immobiliarnachlasses führen, die im Widerspruch zu den Regeln des Situsrechts hinsichtlich der zwingenden Nachlaßverteilung stünde, dann hätte das Situsrecht insoweit auf jeden Fall das letzte Wort. 114

(4) Umfang der Nachlaßbeteiligung (a) Berechnung von Pflichtteilen und Noterbrechten Besondere Schwierigkeiten bereitet der mangelnde innere Entscheidungseinklang unter der Nachlaßspaltung auch bei der Bestimmung des Umfanges der Nachlaßbeteiligung der erbberechtigten Personen. Hier kann die Nachlaßspaltung dadurch zu Ungerechtigkeiten führen, daß die Erben - bedingt durch die rechtliche Autonomie der Teilnachlässe - Vorteile erlangen oder Nachteile erleiden, die ohne die Aufspaltung des Nachlasses nicht eingetreten wären und die nicht nur auf die Unterschiedlichkeit der auf die Teilnachlässe anzuwendenden Erbstatute zurückzuführen sind. llS Diese materiell rechtlichen VerzerVerhältnis der Erbberechtigten untereinander relevante Fragen handelt; ansonsten, falls auch Dritte - wie l.B. Nachlaßgläubiger - betroffen sind, gelten für hrunobilien die Auslegungsregeln des Situsrechts.); vgl. auch Beauchamp v. Beauchamp, 574 SO.2d 18 (Miss. 1990). Dagegen in jedem Fall für die Anwendung des Situsrechts, soweit hrunobiliarvermögen betroffen: Babb v. Rand, 345 A.2d 495 (Me. 1975); In re Good's Will, 106 N.E.2d 36 (N.Y. 1952). Einen interest-analysis-Ansatz wiederum befürworten Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, Bd. 1, 429, und Weintraub, 447. 111 CheshirelNorth, 11. Aufl., 851. 112 Restatement, Second, Conflict of Laws, § 240 Comment f. 113 Dicey/Morris, 11. Aufl., 1023 -1025; CheshirelNorth, 11. Aufl., 852 f. 114 Dicey/Morris, 11. Aufl., 1023 .. 115 Henle,43.

A. Ausgangssituation

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rungen beruhen darauf, daß ungeachtet der gleichzeitigen Anwendung mehrerer Erbstatute nur der Nachlaß eines einzigen Erblassers zur Verteilung ansteht. Hinsichtlich dessen Verteilung wird sich der Erblasser bei seiner Nachlaßplanung im Regelfall nicht vom Nebeneinander mehrerer unterschiedlicher Normenkomplexe leiten gelassen haben. Vielmehr wird für ihn hierbei eher das Ziel einer sinnvollen Disposition über seinen als wirtschaftliche Einheit gedachten Nachlaß bestimmend gewesen sein. 116 Aus diesem Grunde können unter der Nachlaßspaltung insbesondere bei der Anwendung solcher erbrechtlicher Vorschriften Schwierigkeiten entstehen, welche - wie z.B. Ptlichtteils- und Noterbrechte - die Rechtsstellung eines Erbberechtigten unter Bezugnahme auf den rechnerischen Wert des Gesamtnachlasses deftnieren. Dort läßt sich eine isolierte Verteilung der einzelnen Nachlaßteile nicht immer durchführen. Vielmehr wird unter Umständen eine Gesamtbetrachtung erforderlich, bei der die Teilnachlässe unter Wahrung ihrer prinzipiellen rechtlichen Selbständigkeit für bestimmte Einzelfragen der Abwicklung rechnerisch zu einem Gesamtnachlaß zusammengefaßt werden, der den Bezugspunkt für eventuelle Korrekturen der Abwicklung der Einzelmassen liefert. ll7 Dies ist z.B. dann geboten, wenn auf einen Nachlaß, über den insgesamt testamentarisch verfügt wurde, infolge einer Nachlaßspaltung zwei verschiedene Erbstatute anwendbar sind, von denen eines eine gesetzlich vorgesehene Mindestbeteiligung gewährt, das andere aber nicht. Dann kann nämlich eine strikte Realisierung der zwingenden Nachlaßbeteiligung an dem einen Nachlaßteil im Rahmen des auf ihn anwendbaren Erbstatuts zu einer Verfälschung des Erblasserwillens führen, wenn der Erblasser in der letztwilligen Verfügung die mangelnde Berechtigung an der einen Nachlaßmasse durch einen entsprechenden Anteil an der anderen Nachlaßmasse kompensiert hat. 118 In so einem Fall stellt sich daher die Frage, ob die bei isolierter Betrachtung bestehende zwingende Nachlaßbeteiligung des Pflichtteils- bzw. Noterbberechtigten an dem einen Nachlaßteil unter Berücksichtigung der Rechte der betroffenen Personen am gesamten Nachlaß in dem Maße - ggf. bis auf Null - zu kürzen ist, wie der Erblasser ihn an der anderen Nachlaßmasse durch

Dörner, DNotZ 1988, 100. Dörner, ebd., 101; Henle, 45. 118 Siehe das Beispiel bei Henle, 146: Das Erblasservermögen besteht aus zwei Nachlaßteilen A und B mit je gleichem Wert. Laut Testament des Erblassers ist sein Sohn Erbe des Teilnachlasses A und seine Tochter Erbin des Teilnachlasses B. Nach dem Recht von A besteht ein Noterb- bzw. Pflichtteilsrecht zugunsten der Tochter. Das Recht von B kennt keine zwingende Nachlaßbeteiligung für Abkömmlinge. 116

ll7

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

testamentarische Zuwendung bedacht' hat. 119 Derartige Probleme können allein unter der Nachlaßspaltung entstehen. Unter der Nachlaßeinheit, die von einer einheitlichen Anknüpfung des Gesamtnachlasses ausgeht, würden sie dagegen von vornherein vermieden. 120 (b) Folgen der Teilunwirksamkeit letztwilliger Verfügungen:

Doctrine of election im anglo-amerikanischen Recht

Vergleichbare Probleme hinsichtlich der Berechnung der Nachlaßbeteiligung können darüber hinaus auch bei einer durch Nachlaßspaltung bedingten Teilunwirksamkeit letztwilliger Verfügungen entstehen. Mit dieser Problematik mußte sich insbesondere die anglo-amerikanische Rechtsprechung wiederholt beschäftigen. Dort war mehrfach darüber zu entscheiden, welche Folgen für den Umfang der Nachlaßbeteiligung der betroffenen Personen eintreten, falls ein Testament zwar nach dem Recht des Erblasserdomizils Gültigkeit hatte, aber nach dem Recht des Situsstaates eines zum Nachlaß gehörenden Grundstücks unwirksam war. Der Erblasser hatte in diesen Fällen jeweils über seinen gesamten Nachlaß verfügt und hatte dabei hinsichtlich jedes Teilnachlasses mehrere Personen bedacht. Nach den Regeln der gesetz-

119 fu der deutschen kollisionsrechtlichen Literatur wird eine solche Kürzung überwiegend befürwortet. Siehe Dömer, DNotZ 1988, 103 f.; ausführlich dazu Henle, 146 ff. Irn englischen Recht wird in diesem Zusammenhang vor allem diskutiert, ob im Falle der gesetzlichen Erbfolge ein Erbe, der nach den beiden Erbstatuten, die den Nachlaß beherrschen, erbberechtigt ist, sich bei der gesetzlichen Erbfolge nach englischem Recht hinsichtlich des in England belegenen unbeweglichen Nachlasses anrechnen lassen muß, was er bereits im Ausland aus dem einem anderen Erbstatut unterliegenden Nachlaßteil erhalten hat. Siehe Gareth Miller, 1988 Conv. & Prop. Law., 30 ff. Die englische Rechtsprechung lehnt eine solche Anrechnung ab; siehe die von Miller, ebd., besprochene Entscheidung Re Collens [1986] 2 W.L.R. 919; [1986] 1 All E.R. 612. 120 Ähnliche Probleme ergeben sich hinsichtlich der Anrechnung von Zuwendungen, die der Erblasser bereits unter Lebenden an einzelne Erben gemacht hat. Hier ist zunächst zu klären, welches Recht überhaupt über die Notwendigkeit eines etwaigen Ausgleichs der Vorempfange entscheiden soll. Sodann ist fraglich, zu Lasten welchen Nachlaßteils ein solcher Ausgleich vorzunehmen ist, d.h. welchem Nachlaßteil der jeweilige Vorempfang zuzurechnen ist. Und schließlich muß entschieden werden, in welcher Höhe der Ausgleich der Vorempfange pro betroffenen Nachlaßteil zu erfolgen hat. Diese Fragen werden im deutschen Recht kontrovers diskutiert; vgl. Staudinger-Firsching, Vor Art. 24-26 EGBGB, Rz. 368 ff.; Henle, 116 ff., 126 ff.; Soergel-Kegel, Vor Art. 24 EGBGB, Rz. 108; Dömer, DNotZ 1988, 104 ff.

A. Ausgangssituation

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lichen Erbfolge des Situsstaates sollte an dem dort befindlichen Grundstück jedoch nur eine dieser Personen erbberechtigt sein. Damit stellte sich in diesen Fällen jeweils folgende Frage: Soll der nach dem gesetzlichen Erbrecht des Situs an dem Grundstück berechtigte Erbe dieses Grundstück zusätzlich zu den ihm testamentarisch aus dem im Domizilstaat befmdlichen beweglichen Vermögen zugewandten Gegenständen erhalten? Oder soll er gezwungen werden, eine "election "121 vorzunehmen, d.h. soll er sich entscheiden müssen, entweder auf das Grundstück zu verzichten oder für den infolge der Unwirksamkeit der testamentarischen Verfügung eingetretenen wertmäßigen Mehranfall zugunsten der in dem Testament bedachten anderen Personen soweit eine Kürzung seines Anteils am Mobiliarnachlaß in Kauf zu nehmen, als es zum Ausgleich deren Ausfalls nötig ist? Diese Frage konnte in der englischenl22 und amerikanischen l23 Rechtspre121 Zur doctrine 0/ election siehe allgemein Firsching: U .S.A., in: FeridlFirsching, futernationales Erbrecht, Rz. 39h, Rz. 132-136; Henrich: Großbritannien, in: FeridlFirsching, futernationales Erbrecht, Rz. 42, Rz. 256. 122 Kollisionsrechtlich stellt sich zunächst die Frage, welches Recht darüber zu befinden hat, ob der testamentarisch Bedachte eine election treffen muß. Nach englischem Recht entscheidet hierüber das Recht des letzten Erblasserdomizils (Cheshire/ North, 11. Aufl., 854 m.w.N.). Ist danach englisches materielles Erbrecht anwendbar, muß der testamentarisch Bedachte grundsätzlich eine Wahl zwischen dem durch letztwillige Verfiigung zugewandten beweglichen Vermögen und dem gesetzlichen Erbanteil an dem ausländischen Grundvermögen treffen (Vgl. Re Ogilvie [1918] 87 L. J. Ch. 363; [1918] 1 Ch. 492; CheshirelNorth, 11. Aufl., 854 - 856). Anders ist dies aber, wenn die unwirksame Verfiigung eines Erblasser mit ausländischem Domizil in England belegenes Grundvermögen betrifft. Dann braucht derjenige, der nach der englischen Lex rei sitae Erbe des englischen Grundvermögens wird, nicht zu wählen. Er wird Erbe des Grundvermögens und kann zusätzlich Rechte aus der testamentarischen Verfiigung über das bewegliche Vermögen geltend machen. Das Recht des ausländischen Erblasserdomizils wird hier überhaupt nicht befragt (vgl. Re De Virte [1915] 1 Ch. 920; CheshirelNorth, 11. Aufl., 855). Hierin zeigt sich eine besondere Bevorzugung des gesetzlichen Erbens von englischem Grundvermögen (Cheshire/ North, ebd.; siehe hierzu auch Grahl-Madsen, futernational and Comparative Law Quarterly 28 (1979), 598, 605, 617 f). 123 Im Kollisionsrecht der amerikanischen Bundesstaaten liegen für den im Text genannten Beispielsfall widersprüchliche Leitentscheidungen vor. So mußte in der alten Entscheidung Vandyke's Appeal, 60 Pa. 481 (1869) der aufgrund der teilweisen Unwirksamkeit begünstigte Erbe entweder auf das bewegliche oder auf das unbewegliche Vermögen soweit verzichten, wie dies zum Ausgleich der übrigen testamentarisch bedachten Erben nötig war. Bei den ähnlich gelagerten McGehee-Fällen dagegen, die einen über vier Bundesstaaten verteilten Nachlaß betrafen, sind zwei oberste einzelstaatliche Gerichte bei identischem Sachverhalt zu entgegengesetzten Ergebnissen gekommen: fu einem der beiden Urteile mußte der durch die Teilunwirksamkeit begünstigte Erbe auf den Mehranfall verzichten, in dem anderen dagegen nicht; siehe McGehee v. McGehee, 127 S.E.684 (N.C. 1925) und McGehee v. 12 Brandi

178

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

chung bislang keiner einheitlichen Lösung zugeführt werden. Auch diese Probleme sind nur mit dem Prinzip der Nachlaßspaltung verbunden. Unter der Nachlaßeinheit treten sie dagegen nicht auf.

(5) Nachlaßabwicklung Die bislang genannten Problemfälle betrafen vorrangig die Nachlaßverteilung. Sie hatten also damit zu tun, welchen Einfluß der fehlende Entscheidungseinklang auf die Bestimmung der erbberechtigten Personen und auf die Berechnung der Höhe ihrer Nachlaßbeteiligung haben kann. Ähnliche Schwierigkeiten können aber auch schon zuvor bei der Abwicklung des Nachlasses entstehen l24 : Im Falle einer Nachlaßspaltung unterliegt nämlich z.B. auch die Regelung des Erbgangs für jeden Teilnachlaß einer anderen Rechtsordnung. Damit gelten hinsichtlich der Annahme und Ausschlagung der Erbschaft sowie hinsichtlich der Beschränkung der Nachlaßhaftung für jeden Teilnachlaß unterschiedliche Vorschriften. 125 Dadurch können die Erben im Falle eines überschulMcGehee, 136 A. 905 (Md. 1927). Die McGehee-Fälle sind besprochen in Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, Bd. 1, 306 - 309. Siehe hierzu allgemein mit weiteren Rspr.-Nachweisen: Scoles/Hay, 824 - 826; Scoles, Ind. L. J. 30 (1955), 293 ff.; Firsching, Firsching: U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 39h. 124 Die folgenden Ausführungen beschränken sich insoweit auf das deutsche Recht. Denn im anglo-amerikanischen Recht wird der Regelungskomplex der Nachlaßabwicklung ("administration") systematisch streng von der Nachlaßverteilung getrennt und unterliegt deshalb eigenen materiell- und kollisionsrechtlichen Regelungen. Daher sind das anglo-amerikanische und das deutsche Recht an diesem Punkt nicht direkt miteinander vergleichbar. 125 So gilt z.B. im französischen Recht für die Ausschlagung der Erbschaft keine Frist (vgl. Artt. 789, 2262 Code Civil; Ebenroth, Rz. 379). Das deutsche Recht läßt die Erbschaftsausschlagung dagegen nur sechs Wochen ab Kenntnis vom Erbfall lang zu (vgl. § 1944 BGB). Die Beschränkung der Nachlaßhaftung erfolgt im französischen Recht über den Weg der Erbschaftsannahme unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung; letztere ist an bestimmte Fristen gebunden (vgl. Artt. 774, 795 Code Civil; Henle, 103 f.; Ebenroth, Rz. 11.82). Entsprechend ist die Rechtslage im italienischen Recht, vgl. Art. 485-488 Codice Civile; vgl. zu letzterem auch BayObLG 2.12.1965, BayObLGZ 1965,423 = NJW 1967,447 = DNotZ 1967,51 = IPRspr. 1964-65 Nr. 297. Im deutschen Recht hat die Inventarerrichtung hingegen als solche keine haftungsbeschränkende Wirkung. Vielmehr erhält sie dem Erben lediglich das Recht, später durch Beantragung von Nachlaßkonkurs, Nachlaßvergleich oder Nachlaßverwaltung sein persönliches Vermögen der Nachlaßschuldenhaftung zu entziehen. Dabei besteht

A. Ausgangssituation

179

deten Nachlasses Gefahr laufen, ungewollt in die persönliche Haftung für die Erblasserschulden zu geraten. Wenn nämlich die Erbschaftsausschlagung bzw. die für die Haftungsbeschränkung erforderlichen Handlungen auch nur für einen der Teilnachlässe nicht wirksam nach dem jeweils maßgeblichen Recht vorgenommen werden, dann droht dieser Teilnachlaß zur "Einbruchsstelle" für die persönliche Nachlaßschuldenhaftung des Erben zu werden. 126 Gewisse Probleme können auch bei der Zuordnung der Nachlaßschulden zu den durch die Nachlaßspaltung entstandenen Teilnachlässen entstehen. Hierbei ist nämlich zum einen fraglich, welcher Teilnachlaß für welche der Verbindlichkeiten einzustehen hat. Zum anderen stellt sich das Problem, in welcher Höhe - pro-rata oder in vollem Umfange? - sich die Nachlaßgläubiger für ihre Forderungen aus dem jeweiligen Teilnachlaß sollen befriedigen können. 127 Allerdings scheinen die zuletzt genannten Punkte im Ergebnis eher nur von theoretischer Bedeutung zu sein. Denn die äußerst geringe Zahl gerichtlicher Entscheidungen zu diesem Themenkomplex läßt darauf schließen, daß private Nachlaßplanung und Kautelarjurisprudenz insoweit offenbar mit Erfolg allzu große Konflikte vermeiden. 128 Darüber hinaus sind diese Fragen in der deutschen Kollisionsrechtslehre mittlerweile einer befriedigenden Lösung zugeführt worden, die sowohl den Interessen der Nachlaßgläubiger als auch denen der Erben gerecht wird. 129 (6) Zwischenergebnis

Die vorstehenden Ausführungen haben also gezeigt, wie ausgesprochen vielgestaltig und komplex die praktischen Probleme sind, die unter der Nachim deutschen Recht für den Antrag auf Nachlaßverwaltung oder Nachlaßkonkurs keine zeitliche Beschränkung (vgl. zu allem Ebenroth, Rz. 1117, 1129, 1144). 126 Henle, 104 f.; vgl. auch Niggemann, 101. 127 Vgl. Niggemann, 111. 128 MünchKomm-Birk, Art. 25 EGBGB, Rz. 127. 129 Nach h.M. haften die einzelnen Teilnachlässe im Interesse des Gläubigerschutzes nach außen grundsätzlich im vollen Umfange solidarisch für alle Nachlaßverbindlichkeiten. Wird ein Teilnachlaß dabei mehr in Anspruch genommen, als es ihm im Verhältnis seiner Größe zum Wert des Gesamtnachlasses zukommt, ist für diesen Teilnachlaß ein entsprechender Rückgriff gegenüber den übrigen Teilnachlässen möglich. Von der solidarischen Gesamthaftung sind nur solche Nachlaßverbindlichkeiten ausgenommen, die lediglich einem einzelnen Teilnachlaß zuzuordnen sind (z.B. Grundpfandrechte und Vermächtnisse); vgl. zu allem Dömer, DNotZ 1988, 106 ff.; Henle, 173 ff.; Staudinger-Firsching, Vor Art. 24 bis 26, Rz. 374 ff.; MünchKomm-Birk, Art. 25 EGBGB, Rz. 145 f.; Soergel-Kegel, Vor Art. 24, Rz.108. 12·

180

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

laßspaltung aus dem Aufeinandertreffen von Rechtssätzen unterschiedlicher Rechtsordnungen entstehen können. Fast alle Bereiche des materiellen Erbrechts können hiervon betroffen sein. Für den Erblasser droht dadurch im äußersten Falle die gesamte Nachlaßplanung zunichte gemacht zu werden. Aus Sicht der Erben besteht die Gefahr erheblicher Komplikationen bei der Abwicklung und Verteilung der Erbschaft. Alles zusammengenommen läßt daher den Eintritt einer Nachlaßspaltung als wenig wünschenswert erscheinen. 130 Bei alledem ist zwar zu beachten, daß sich viele der oben genannten Schwierigkeiten auch unter der Nachlaßeinheit nicht immer völlig vermeiden lassen. Wenn der Nachlaß über mehrere Rechtsordnungen verstreut liegt, besteht nämlich das Risiko, daß die Gerichte der einzelnen Belegenheitsstaaten jeweils ein anderes Recht auf den im eigenen Forum befmdlichen Nachlaßteil anwenden. Damit käme es zu einer Nachlaßzersplitterung und somit faktisch ebenfalls zu einer Nachlaßspaltung mit den oben beschriebenen Folgen. 131 Demzufolge läßt sich die Nachlaßeinheit in der Praxis selbstverständlich solange nicht oder nur kaum durchsetzen, wie das nationale Erbrecht der einzelnen Staaten nicht vereinheitlicht ist. Wenn aber, wie im Falle der Haager Erbrechtskonvention, die Wahl zwischen der Einführung eines international einheitlichen Systems der Nachlaßeinheit oder eines solchen der Nachlaßspaltung besteht, dann wäre ersteres aus dem Gesichtspunkt des inneren Entscheidungseinklangs heraus eindeutig vorzuziehen.

130 In der amerikanischen Kollisionsrechtslehre wird diesem Gesichtspunkt jedoch ein deutlich geringeres Gewicht beigemessen als im deutschen IPR. Dies gilt selbst für diejenigen amerikanischen Autoren, welche der Situsregel gegenüber an sich sehr kritisch eingestellt sind; vgl. Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 11), 63 - 77, und AIden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 592 - 597. Beide Autoren erwähnen lediglich am Rande, daß die Zersplitterung des anwendbaren Rechts zu einer Verletzung der geschützten Erwartungen ("reasonable expectations") der Erben führen könnte (Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 11), 68; AIden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 597). Wahrscheinlich läßt sich dies damit erklären, daß die Abwicklung von Nachlässen, die über mehrere Bundesstaaten verteilt liegen, in den U.S.A. ohnehin unter einer erheblichen Zersplitterung des anwendbaren Verfahrens- und materiellen Erbrechts leidet, da grundSätzlich in jedem Bundesstaat, in dem sich Nachlaßvermögen befUldet, ein eigenes Abwicklungsverfahren durchgeführt werden muß; vgl. dazu ScoleslHay, 854 ff., 859 ff., 872 ff. 131 Vgl. hierzu auch Ferid, Recueil des Cours 142 (1974 11), 120 ff.; Ferid, FS Cohn, 39 f.

A. Ausgangssituation

181

b) Qualif"lkation von beweglichem und unbeweglichem Vermögen (1)

Schwierigkeiten der Qualifikation

Zusätzliche Probleme birgt das Prinzip der Nachlaßspaltung außerdem durch seine Differenzierung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen in sich. Unter. der Nachlaßspaltung muß nämlich für die Bestimmung der anwendbaren Kollisionsnorm zunächst entschieden werden, ob es sich bei dem jeweiligen Nachlaßbestandteil um einen beweglichen oder unbeweglichen Vermögensgegenstand handelt. Das anglo-amerikanische Kollisionsrecht benutzt für diese Unterscheidung die Kriterien der "movables" und "immovables"132, manchmal auch die von "personal property" und "real property".133 Das deutsche Kollisionsrecht unterscheidet insofern zwischen "beweglichem" und "unbeweglichem" Vermögen. 134 Bei bestimmten Vermögensgütern bestehen erhebliche Meinungsverschiedenheiten, wie diese zu qualifizieren sind. Dies gilt sowohl für das deutsche als auch für das angloamerikanische Recht. 135 Hierzu gehören insbesondere Grundpfandrechte, Miet- und Pachtverträge über Grundstücke 136 sowie Gesamthands- und Ge-

ScoleslHay, 745. So z.B. N.Y. Est., Powers & Trusts Law § 3-5.1(b) und (i) (McKinney 1976). Hierbei handelt es sich aber eigentlich um dem materiellen Recht vorbehaltene Rechtsbegriffe (Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 83). Die beiden Begriffspaare sind nicht ganz kongruent. Vor allem der Begriff der immovables scheint weiter zu sein als derjenige der rea/ty, da in den U.S.A. und in England (dort allerdings strittig) unter den ersteren für Zwecke des Kollisionsrechts auch mortgages (Grundpfandrechte) und leaseholds (pacht und dingliche Nutzungsrechte) gefaßt werden, während diese Rechte im materiellen Recht als persona/ty klassifiziert werden. Siehe Boulanger, 58; Firsching, ebd., 83 f.; Gareth Miller, 1988 Conv. & Prop. Law., 30, 36-38; ScoleslHay, 745. 134 So in Art. 25 11 und Art. 15 11 Nr. 3 EGBGB. 135 Für das deutsche Recht siehe hierzu umfassend Veit StolI, 107 - 131. Für das anglo-amerikanische Recht siehe Gareth Miller, 1988 Conv. & Prop. Law., 30, 3638; ScoleslHay, 745; Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 11),67. 136 Grundstücksmietverträge und -pachtverträge (leaseholds) werden in England und den U.S.A. als immovables angesehen. Das gleiche gilt für Grundpfandrechte (mortgages) in den U.S.A.; siehe oben Fn. 133. In England ist die Rechtsprechung bei Grundpfandrechten allerdings zerstritten; vgl. Gareth Miller, ebd. Auch im deutschen Recht ist die Qualifikation von Grundpfandrechten und Miet- bzw. Pachtverträgen über Grundstücke strittig: Siehe Veit StolI, 119 - 121, 125 (Grundpfandrechte: unbewegliches Vermögen; Miet- und Pachtverträge: bewegliches Vermögen); Dömer, DNotZ 1988, 95 f. (Miet- und Pachtverträge: unbeweglich); Neuhaus, RabelsZ 19 (1954), 565 (Grundpfandrechte: beweglich). 132 133

182

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

sellschaftsanteile an Erbengemeinschaften bzw. Personengesellschaften, deren Vermögen im wesentlichen aus Immobilien besteht. 137 Auch diese Qualifikationsprobleme sprechen daher gegen den Grundsatz der Nachlaßspaltung. 138 Wie groß die praktische Relevanz dieser Schwierigkeiten ist, zeigen bereits die relativ vielen Gerichtsentscheidungen139 , die sich mit diesen Fragen beschäftigen mußten. l40 Hinzu kommt, daß angesichts der Schnellebigkeit der modemen Wirtschaftswelt fortlaufend mit der Entwicklung neuer rechtlicher Gestaltungsformen für die Investition in Grundvermögen gerechnet werden muß (z.B. neue Arten von Immobilienfonds oder von kooperativen Beteiligungsformen an Wohnobjekten etc.). Unter der Nachlaßspaltung werden dadurch stets aufs neue entsprechende QualifIkationsprobleme aufgeworfen.

(2) Equitable conversion im anglo-amerikanischen Recht Im anglo-amerikanischen Rechtskreis wird die QualifIkation von Nachlaßgegenständen darüber hinaus noch durch den umstrittenen Anwendungsbereich des Rechtsinstituts der Wequitable conversion erschwert. 141 Dieses Rechtsinstitut beruht auf dem aus dem Bereich der equity herrührenden Grundsatz: "The law will regard as done what oUght to have been done" .142 Dieser Rechtssatz stammt an sich aus dem materiellen Recht. Er kann jedoch auch für die Qualifikation von Nachlaßgegenständen im Kollisionsrecht von Bedeutung sein. Eigentlich ist für letzteres nach anglo-amerikanischem Recht der Tod des Erblassers der maßgebliche Zeitpunkt. Unter dem Grundsatz der W

137 Die Qualifikation dieser Rechte ist im deutschen Kollisionsrecht besonders strittig, siehe Veit StolI. 125 - 129, mit Überblick über den Streitstand in Literatur, Rechtsprechung und Gutachtenpraxis in Fn. 244 auf S. 129. 138 Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 67 f.; ders., Prob. & Prop. 1989, 59; ders., Am. J. Comp. Law 42 (1994), 102 f .• 105; a.A. Schoenblum, 32 Va.J. Int'l. L. (1991), 90 f. und 95 f. 139 Im deutschen Recht betreffen diese Entscheidungen insbesondere die Qualifikation von Gesamthands- bzw. Gesellschaftsanteilen von Miterbengemeinschaften und Personengesellschaften mit Grundvermögen; vgl. BGHZ. 24, 352 ff.; LG Kassel IPRspr. 1958/59, Nr. 146; KG IPRspr. 1971. Nr. 113a; ORG Berlin IPRspr. 1971, Nr. 113b. In der amerikanischen Praxis ist dagegen vor allem die Qualifikation von Wassergewinnungsrechten, Anteilen an Immobilieninvestmenttrusts, und von Mineralöl- bzw. Mineralienabbaurechte strittig; siehe Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 m.67. 140 So auch Niggemann, 89. 141 Vgl. Boulanger, 58. 142 Weintraub. 431.

m,

A. Ausgangssituation

183

equitable conversion kann die Qualiflkation jedoch durch rechtliche Vorgänge beeinflußt werden, die an sich erst für die Zeit nach dem Tod des Erblassers geplant gewesen sind. Dies gilt zum Beispiel für den Fall, daß der Erblasser sich zu Lebzeiten zur Übertragung von Grundstückseigentum verpflichtet hatte, die Übereignung zum Zeitpunkt des Erbfalls aber noch nicht durchgeführt worden war. Hier besteht die Möglichkeit, daß das Gericht, obwohl die Auflassung des Grundstücks zum Todeszeitpunkt noch nicht stattgefunden hatte, unter Anwendung des Prinzips der equitable conversion die Übereignung der Immobilien und deren Umwandlung in Mobiliarvermögen als bereits geschehen ansieht und damit zur Anwendung der lex domicilii anstelle der lex rei sitae gelangt. 143 Die equitable conversion spielt im englischen und amerikanischen Recht allerdings eine unterschiedlich große Rolle. Denn in der englischen Leitentscheidung In re Berchtoldl44 wurde die Anwendbarkeit dieses Rechtsinstituts für den Bereich des Kollisionsrechts bereits relativ früh verneint. Für das englische Recht ist ihr Geltungsbereich daher auf das interne Sachrecht beschränkt. Verschiedene amerikanische Gerichte haben die equitable conversion aber auch im Kollisionsrecht wiederholt herangezogen, um damit die Anknüpfung der Erbfolge an das Domizilrecht anstelle des Lagerechts zu begründen. 145 Dies ist von einigen Vertretern der amerikanischen Lehre heftig kritisiert worden. l46 Sie werfen den betreffenden Gerichten vor, mit der Anwendung dieser Doktrin lediglich ihre eigentlichen Motive für eine Umgehung der Situsregel zu verbergen versucht zu haben. 147 Allerdings ist selbst die amerikanische Rechtsprechung in sich gespalten. So hat zum· Beispiel ein texanisches Gericht in der wichtigen Leitentscheidung Toledo Society for Crippled Children v. Hickock die Anwendbarkeit der equitable conversion für

143

Ebd.

144 [1923] 1 Ch. 192.

145 Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, Bd. I, 331 mit Rechtsprechungsnachweisen. 146 Führend unter ihnen ist Moffatt Hancock, der diesem Thema drei ausführliche Aufsätze gewidmet hat: In the Parish of St. Mary le Bow, in the Ward of Cheap, Stan. L. Rev. 16 (1964), 561 ff.; Equitable Conversion and the Land Taboo in Conflict of Laws, Stan. L. Rev. 17 (1965), 1095 ff.; Conceptual Devices for Avoiding the Land Taboo in Contlict of Laws: The Disadvantages of Disingenuousness, Stan. L. Rev. 20 (1967), 1 ff. Diese Aufsätze wurden neu abgedruckt in: Hancock, Modem Choice-of-Law, 1984. Kritisch auch Weintraub, 431 - 434. 147 Hancock, Modem Choice-of-Law, 244, 276, 309-316, 368-369; Weintraub, 432. Beide Autoren befürworten in diesem Zusammenhang die Anwendung der interest analysis Methode.

184

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

das Kollisionsrecht des Staates Texas vemeint. 148 Es kann daher heute auch für das arnerikanische Recht nicht mehr mit Sicherheit gesagt werden, inwieweit die Rechtsfigur der equitable conversion dort für das Kollisionsrecht noch eine praktische Relevanz besitzt. 149 c) Anknüpfungsgleichlauf zwischen Erbstatut und Realstatut

(1) Schwierigkeiten bei der Abwicklung des 1mmobiliamachlasses im deutschen Recht Bislang wurden lediglich die praktischen Nachteile der Nachlaßspaltung genannt. Diese hat jedoch auch einen wichtigen Vorteil. Dieser besteht darin, daß die Nachlaßspaltung für die Anknüpfung des Immobiliamachlasses einen Gleichlauf von Erb- und Realstatut zu erzeugen vermag. Auf diese Weise können etwaige Spannungen zwischen einem ausländischen Erbrecht und dem inländischen Sachenrecht vermieden werden. ISO Derartige Konflikte zwischen dem inländischen Sachenrecht und einem ausländischen Erbrecht entstehen vor allem dann, wenn das ausländische Erbstatut einen Typus von Nachlaßbeteiligung vorsieht, wie er in der inländischen sachenrechtlichen Ordnung unbekannt iSt. ISI Hierdurch wird in erster Linie die Arbeit der inländischen 148 261 S.W.2d 692 (1953), cert. denied, 347 U.S. 936 (1954). Hierbei hat sich das Gericht zum Teil auch auf die englische Entscheidung In re Berchtold gestützt. 149 AIden meint, daß die Lehre von der equitable conversion mittlerweile von den amerikanischen Gerichten weitestgehend aufgegeben worden sei (AIden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 604). Hingegen warnt Schoenblum davor, die praktische Relevanz dieses Rechtsprinzips zu unterschätzen. Darüber hinaus empfiehlt der Autor es sogar für den Nachlaßplaner als ein probates Mittel, um unter Umgehung der Situsregel zur Anwendung des gegebenenfalls besser geeigneten Domizilrechts zu gelangen (Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, 335). 150 Vgl. zum folgenden ausführlich Staudinger-Stoll, Internationales Sachenrecht, Rz. 107 ff. . 151 So z.B. in dem Fall, daß der in Deutschland belegene hnmobiliarnachlaß in das Vermögen einer ungeteilten Erbengemeinschaft französischen Rechts ("indivision") fällt. Die indivision ist nämlich weder mit der gesamthänderischen Miterbengemeinschaft des deutschen Erbrechts noch mit der Bruchteilsgemeinschaft des deutschen Sachenrechts vergleichbar. Gleichwohl wird die indivision vom deutschen Sachenrecht anerkannt. Sie ist im Grundbuch als "Bruchteilsgemeinschaft nach französischem Recht" einzutragen. Vgl. hierzu Schlechtriern, 54 ff.; Henle, 106 Fn. 3 m.w.N.; Niggemann, 124 m.w.N.; Ebenroth, Rz. 835. Ähnliche Probleme bereitet das gesetzliche Nießbrauchrecht, das dem überlebenden Ehegatten in mehreren romanischen Rechtsordnungen zuerkannt wird. Vgl. dazu Greif, Der Nießbrauch des überlebenden Ehegatten nach schweizerischem, italienischem und französischem Recht im Erbschein nach § 2369 BGB, MDR 1965,447 ff.;

A. Ausgangssituation

185

Rechtsanwendungsstellen (Notare, Nachlaßgerichte und Grundbuchämter) erschwert. Denn diese müssen zunächst den genauen Inhalt des fremden Erbstatuts ermitteln. Sodann muß beim Grundbuchamt entschieden werden, ob die durch das ausländische Erbstatut angeordnete dingliche Rechtsstellung vom inländischen Recht anerkannt wird. Darüber hinaus hat das Grundbuchamt zu klären, in welcher Weise das ausländische Rechtsinstitut gegebenenfalls in das Grundbuch einzutragen ist. Darüber hinaus wird von diesen Problemen aber auch· der inländische Grundstücksverkehr betroffen. Denn selbst wenn es den Rechtsanwendungsstellen gelingen sollte, die genannten Schwierigkeiten zufriedenstellend zu lösen, müssen Dritte, die Rechte an dem Immobiliarnachlaß erwerben wollen, unter Umständen Nachforschungen in dem jeweiligen ausländischen Recht betreiben, um sich ein genaues Bild von der rechtlichen Stellung der eingetragenen Erben zu verschaffen. Dadurch wird die Verkehrsschutzwirkung des Grundbuchs bei Geltung eines ausländischen Erbrechts im Vergleich zu rein inlandsrechtlichen Rechtsgeschäften eingeschränkt. Dementsprechend wird die Abwicklung des Immobiliarnachlasses erschwert. Dies läuft hauptsächlich dem Interesse des inländischen Grundstücksverkehrs zuwider. Daneben werden hiervon auch die Interessen des Erblassers und der Erben beeinträchtigt. Diesen Schwierigkeiten wurde auch vom deutschen Gesetzgeber eine gewisse Bedeutung zuerkannt. Er hat aus diesem Grund im Zuge der IPRReform von 1986 mit der Einführung des Art. 25 11 EGBGB die Möglichkeit geschaffen, hinsichtlich der Erbfolge für in Deutschland belegenes Immobiliarvermögen deutsches Erbrecht zu wählen. Aus den Gesetzesmaterialien zu Art. 2511 EGBGB geht dabei hervor, daß durch diese Rechtswahlmöglichkeit vorrangig dem Erblasser die Nachlaßplanung erleichtert werden SOIl.152 Nach dem oben Gesagten würde von einer solchen projessio iuris jedoch in erster Linie der inländische Rechtsverkehr profitieren. 153

(2) Bedeutung der Situsregel für die Abwicklung des Immobiliarnachlasses in den U.S.A. Vor allem aber im amerikanischen Kollisionsrecht wird den Problemen, die sich aus der Anwendung ausländischen Erbrechts auf die Abwicklung des Immobiliarnachlasses für den Grundstücksverkehr ergeben können, großes Ebenroth, Rz. 168 und 171 m.w.N.; Staudinger-Stoll, Internationales Sachenrecht, Rz. 125; Ferid, Internationales Privatrecht, Rz. 7-32; Griem, 193 - 207. 152 Siehe BT-Drucks. 10/5632,44. 153 Veit StoII, 55; Dörner, DNotZ 1988, 93 f.

186

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Gewicht beigemessen. Sie werden dort vielfach sogar als entscheidendes Argument für die Beibehaltung der Situsregel genannt. IS4 Allerdings wären diese Probleme - wenn es die Situsregel dort nicht gäbe - anderer Natur als im deutschen Recht. Dies ist auf die Eigenarten des amerikanischen Grundbuchwesens ("title recording system") zurückzuführen, das hier zum besseren Verständnis des Nachfolgenden kurz vorgestellt werden soll: Nach dem amerikanischen Sachenrecht ist für die Begründung und Übertragung von Rechten an Liegenschaften keine Grundbucheintragung erforderlich. ISS Daher sind die amerikanischen title records in mehrerlei Hinsicht nicht mit dem Grundbuch des deutschen Rechts vergleichbar. So gibt es dort keine umfassende und abschließende registermäßige Erfassung sämtlicher Rechtsänderungen an Immobilien. Vielmehr werden in den Grundbuchämtern lediglich die entsprechenden notariellen Urkunden aufbewahrt und Listen mit den Namen der jeweiligen Eigentümer - soweit bekannt - geführt. Diese Listen geben häufig kein lückenloses Bild der Rechtslage an dem betreffenden Grundstück wieder. Denn wegen der fehlenden konstitutiven Wirkung der Registrierung der Übertragungsurkunde und aufgrund der Mühseligkeit und der Kosten des Verfahrens unterlassen es viele Grundstückseigentümer , das Grundbuch bei einer Änderung der Rechtslage aktualisieren zu lassen. Dementsprechend fehlt den Grundstücksregistern auch die Verkehrsschutzwirkung, die dem Grundbuch des deutschen Rechts zukommt. Jemand, der an der Eigentumslage an einem bestimmten Grundstück interessiert ist (z.B. ein potentieller Käufer), muß sich die jeweilige Rechtslage daher im einzelnen aus den vorhandenen Übertragungsurkunden und Eigentümerlisten erschließen. Wegen der Mühseligkeit dieses Verfahrens wird diese Arbeit deshalb in der Regel von professionellen title searchers gegen Entgelt durchgeführt. Eine Lücke in der Kette der Eigentumstitel kann vor allem auch auf die Weise begründet werden, daß hinsichtlich des betroffenen Grundstücks ein Eigentumswechsel durch eine Rechtsnachfolge von Todes wegen stattgefunden hat, die nicht registriert wurde. In einem solchen Fall muß der title searcher also selber außerhalb des Grundbuchs nachforschen, wie die Erbfolge im einzelnen vonstatten gegangen ist, um festzustellen, ob die nachfolgend eingetragenen Eigentümer tatsächlich die wahren berechtigten Personen gewesen sind. Gäbe es im amerikanischen Recht die Situsregel nicht, d.h. könnte für die Erbfolge ein anderes Recht als das Situsrecht maßgeblich sein, müßte der title searcher zu diesem Zweck zunächst erst einmal die anwendbare Rechtsordnung und deren Inhalt feststellen. Hierbei könnte es sich dann IS4 LeflarlMcDougallFelix, § 165,474 - 475; Pedowitz, Probate & Property 1991, 21, 24; Restatement, Second, Conflict of Laws, § 236 Comment a. ISS Siehe hierzu und zum Folgenden: PowelllRohan, Bd. 6A, §§ 908 und 909; Hinkel, 313 ff.

A. Ausgangssituation

187

natürlich auch um das Recht eines anderen Bundesstaates oder um ein ausländisches Recht handeln. Dadurch würde die Arbeit der title searchers gegen~ über der geltenden Rechtslage erheblich erschwert. In entsprechender Weise würde hiervon die Leichtigkeit des Grundstücksverkehrs beeinträchtigt. 1S6 Daraus erklärt sich, warum sich im amerikanischen Recht vor allem Vertreter der Praxis so hartnäckig für die Beibehaltung der Situsregel einsetzen. 1S7 d) Durchsetzbarkeitsinteresse Verschiedentlich wird in der deutschen kollisionsrechtlichen Literatur als ein weiterer Vorteil der Situsregel bzw. der Nachlaßspaltung auch der Gesichtspunkt des "Durchsetzbarkeitsinteresses" genannt}S8 Damit soll besagt werden, daß die Anwendung des Situsrechts die Durchsetzbarkeit der deutschen Gerichtsentscheidung im Belegenheitsstaat des Immobiliarnachlasses erhöhen würde, da auf diese Weise die Chancen für die Anerkennung der deutschen Entscheidung steigen würden. 1S9 Ähnlich lautet auch eine regelmäßig im anglo-amerikanischen Recht anzutreffende Argumentation. Dort wird die Anwendung des Situsrechts nämlich häufig mit der ausschließlichen physischen Macht und Souveränität des Situsstaates über das betroffene Grundstück begründet. 16O Zumindest auf den ersten Blick gesehen spricht der Gesichtspunkt des Durchsetzbarkeitsinteresses zwar durchaus für eine Anwendung der lex rei sitae auf die Beurteilung der dinglichen Rechtslage bei Sachen und Rechten. Ein Urteil, das eine vom Lagerecht abweichende dingliche Rechtsfolge aussprechen würde, wäre dort nämlich infolge der faktischen Herrschaftsmacht des Situsstaates tatsächlich nicht durchsetzbar .161 Jedoch kann man mit dem Durchsetzbarkeitsinteresse nicht die Vornahme einer Nachlaßspaltung rechtfertigen, unter der lediglich das unbewegliche Nachlaßvermögen der lex rei IS6

414.

Vgl. Restatement, Second, Conflict of Laws, § 236 Comment a; Weintraub,

Siehe z.B. Pedowitz, Probate & Property 1991,24. Vgl. z.B. Veit StoII, 98; Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 156 f.; Niggemann, 136 ff. Allgemein gesprochen ist mit dem Begriff des "Durchsetzbarkeitsinteresses· gemeint daß das IPR nur zu solchen Entscheidungen führen soll, die nachfolgend auch unmittelbar durch Zwangsvollstreckung vollzogen werden können (Kegel, IPR, 89). IS9 Vgl. Niggemann, ebd. 160 Restatement, Second, Conflict of Laws, Introductory Note to § 214 (Vorläufiger Entwurf Nr. 5, 24. April, 1959, zitiert in: CramtonlCurrielKay, 32; vgl. auch Aiden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 594 f. 161 Kegel, IPR, 89. IS7

IS8

188

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

sitae unterstellt wird. Denn das Argument des Durchsetzbarkeitsinteresses gilt in gleicher Weise oder zumindest ähnlicher Weise auch für bewegliche

Nachlaßgegenstände, da diese ebenfalls der faktischen Souveränität des Situsstaates unterliegen. Man müßte also, wenn man diesem Argument folgt, konsequenterweise auch die Erbfolge in den Mobiliarnachlaß nach dem Belegenheitsrecht beurteilen. 162

Darüber hinaus kann der Gesichtspunkt des Durchsetzbarkeitsinteresses die Vornahme einer Nachlaßspaltung auch aus folgendem Grunde nicht rechtfertigen: Selbst wenn nämlich ein deutsches Gericht auf die Erbfolge in das in einem Nachlaßspaltungsstaat belegene Grundstück nicht das Heimatrecht des Erblassers, sondern die lex Tei sitae anwenden würde, hätte die deutsche Entscheidung dadurch im Situsstaat insgesamt gesehen keine größere Aussicht auf Anerkennung. Zwar wird in manchen Rechtsordnungen, die der Nachlaßspaltung folgen, insbesondere im französischen Recht l63 , die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Urteile ausdrücklich davon abhängig gemacht, daß das nach dem eigenen IPR maßgebliche Recht angewandt worden ist. Gleichwohl gilt auch dort - ebenso wie z.B. in den Nachlaßspaltungsstaaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises l64 - als weitere Anerkennungsvoraussetzung, daß das ausländische Gericht für die Entscheidung des Falls international zuständig gewesen ist, was sich jeweils nach den Zuständigkeitsregeln des Anerkennungsstaates beurteilt. 165 In praktisch allen Staaten der Nachlaßspaltung nehmen die Gerichte jedoch für sich die ausschließliche internationale Zuständigkeit zur Beurteilung der Erbfolge in inländische Grundstücke in Anspruch. 166 Daher hätten die deutschen Gerichte aus Sicht der Gerichte der Nachlaßspaltungsländer nicht die erforderliche Zuständigkeit, um über die Erbfolge in ein im Anerkennungsstaat belegenes Grundstück zu befmden. Aus diesem Grunde würde die Anerkennung eines entsprechenden deutschen Urteils dort im Ergebnis aJ,so ohnehin scheitern, gleichgültig welches Recht das deutsche Gericht angewandt haben sollte.

162 Ebd., 649; ähnlich auch Aiden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 594.

163 Siehe Cass.Civ., 7.1.1964, Rev.crit. 1964, 344 m. Anm. Batiffol; vgl. auch BatiffollLagarde, No. 726, S. 582 ff.; Niggemann, 137. 164 Siehe hierzu ausfiihrlich unten 2. Kapitel, C.V.2.c)(I). 165 Zum französischen Recht vgl. BatiffollLagarde, No. 718, S. 562 - 564. 166 Zu Frankreich siehe Niggemann, ebd., mit ausfiihrlichen Rspr.-Nachweisen; Schröder, Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 10 (1971), 183 mit Rspr.-Nachweisen in Fn. 181; vgl. auch BatiffollLagarde, No. 674, S.46O. Zum anglo-amerikanischen Recht siehe wiederum unten 2. Kapitel, C.V.2.c)(I).

A. Ausgangssituation

189

e)Zusanunenfassung Was die praktischen Vor- und Nachteile von Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltung angeht, läßt sich also folgendes festhalten: Mit dem Durchsetzbarkeitsinteresse kann die Nachlaßspaltung nicht gerechtfertigt werden. Vielmehr lassen sich zu ihren Gunsten allein die für eine Vereinfachung des Grundstücksverkehrs sprechenden Interessen anführen und zwar vor allem die entsprechenden Verkehrsinteressen sowie mittelbar auch die auf eine Vereinfachung der Nachlaßabwicklung zielenden Interessen des Erblassers und der Erben. Vorrangig sprechen die Erben- und Erblasserinteressen aber für das Prinzip der Nachlaßeinheit. Denn unter der Nachlaßeinheit werden zum einen die mit der Unterscheidung von Mobilien und Immobilien verbundenen Schwierigkeiten vermieden. Zum anderen garantiert die Nachlaßeinheit den inneren Entscheidungseinklang bei Abwicklung und Verteilung des Nachlasses. Insgesamt scheinen demnach die gewichtigeren praktischen Erwägungen zumindest auf den ersten Blick eher für das Prinzip der Nachlaßeinheit als für die Nachlaßspaltung zu sprechen. Gleichwohl läßt sich nicht ohne weiteres allgemein und abstrakt entscheiden, welcher dieser verschiedenen Gesichtspunkte letztlich am schwersten wiegt. Denn die mit den beiden Anknüpfungsprinzipien verbundenen Vorzüge und Mängel können in den einzelnen Rechtsordnungen durchaus unterschiedliches Gewicht besitzen. Dies hat sich oben z.B. daran gezeigt, welche unterschiedliche Bedeutung dem Gesichtspunkt des Anknüpfungsgleichlaufs von Erb- und Realstatut im deutschen und amerikanischen Recht zukommt. Daher soll hier eine endgültige Abwägungsentscheidung zwischen der Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltung erst zum Schluß dieses Kapitels im Zusammenhang mit der Bewertung der Haager Erbrechtskonvention vorgenommen werden.

IV. Durchbrechung der Anknüpfungsprinzipien im Interesse des internationalen Entscheidungseinldanges 1. Überblick Um die im Haager Erbrechtsabkommen zur Behebung des Konfliktes zwischen Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltung gewählte Lösung angemessen bewerten zu können, ist es erforderlich, sich zuvor einen Eindruck davon zu verschaffen, wie mit diesem Konflikt unter dem derzeit geltenden autonomen IPR umgegangen wird. Daher soll hier zunächst untersucht werden, ob und ggf. inwieweit die Nachlaßeinheit im deutschen IPR und die Nachlaßspaltung im anglo-amerikanischen Recht durchbrochen werden, wenn beide Prinzipien

190

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

miteinander kollidieren. Oben wurde bereits die Lösung des Konfliktes zwischen Staatsangehörigkeits- und Domizilprinzip im deutschen und angloamerikanischen Kollisionsrecht hinsichtlich der Anknüpfung des Mobiliarvermögens dargestellt. 167 Daher konzentriert sich die folgende Betrachtung darauf, wie der Konflikt zwischen Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltung für die Anknüpfung der Erbfolge in das Immobiliarvermögen geregelt wird. 168 Wie bei der Anknüpfung der Mobiliarerbfolge kann auch hier zwischen den beiden Fallkonstellationen des "positiven" Kompetenzkonfliktes (d.h. beide Rechte wollen angewandt werden) und des "negativen" Kompetenzkonfliktes (d.h. keines der beiden will angewandt werden) unterschieden werden. Als positiver Kompetenzkonflikt ließe sich hier der Fall anführen, daß ein deutscher Erblasser mit Wohnsitz in Deutschland ein Grundstück in den U .S.A. hinterläßt. Hier gälte für die Erbfolge in das amerikanische Grundstück nach dem deutschen Staatsangehörigkeitsgrundsatz im Prinzip deutsches Erbrecht, nach der amerikanischen Situsregel hingegen das Erbrecht des Belegenheitsstaates. Ein negativer Kompetenzkonflikt würde dagegen in der Situation vorliegen, daß ein amerikanischer Staatsangehöriger mit Domizil in den U .S.A. ein Grundstück in Deutschland hinterläßt. Dort würde das deutsche IPR für die Regelung der Erbfolge auf amerikanisches Erbrecht verweisen, letzteres hierfür dagegen auf das deutsche Lagerecht. 2. Positiver Kompetenzkonflikt a) Allgemeines

Der Fall des positiven Kompetenzkonfliktes würde von einem amerikanischen (und ebenso von einem englischem) Gericht als solcher überhaupt nicht wahrgenommen. Vielmehr würde dieses Gericht auf das im eigenen Forum belegene Grundstück ohne zu zögern sein eigenes Erbrecht anwenden. 169 Umgekehrt wäre es denkbar, daß auch das deutsche Kollisionsrecht auf der Anwendung des eigenen Erbrechts auf die Erbfolge in das amerikanische Grundstück beharren würde. Zwar könnte eine unmittelbare Durchsetzung der Siehe oben 1. Kapitel, A.IV. Strenggenommen handelt es sich hierbei weniger um einen Konflikt zwischen den beiden Prinzipien der Nachlaßeinheit und -spaltung als vielmehr um den zwischen zwei unterschiedlichen Kollisionsnormen, nämlich der Anknüpfung an das Heimatrecht und der Verweisung auf das Lagerecht. 169 Vgl. Firsching: U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 36e, S. 40/28. Siehe auch Boulanger, 81 (mit Nachweisen hierzu im französischen Recht), der dies als ein Anzeichen für die Stärke der Situsregel in den Staaten der Nachlaßspaltung interpretiert. 167 168

A. Ausgangssituation

191

Anwendung deutschen Erbrechts letztendlich immer an der Souveränität des ausländischen Staates über das dort belegene Grundstück scheitern. Jedoch bestünde für das deutsche IPR die Möglichkeit, die Nachlaßeinheit und das Staatsangehörigkeitsprinzip zumindest mittelbar durchzusetzen zu suchen. Zu diesem Zweck könnte es eine Regelung anbieten, wonach diejenigen Erben, die im Rahmen der Nachlaßverteilung im Situsstaat durch die Anwendung des dortigen Rechts im Vergleich zu der Rechtslage im deutschen Recht benachteiligt würden, hierfür durch eine entsprechende vorzugsweise Befriedigung aus dem in Deutschland befmdlichen Nachlaß entschädigt werden könnten. 170 Dies ist jedoch nicht der vom deutschen IPR eingeschlagene Lösungsweg. 171 Denn in Wirklichkeit verzichtet es in derartigen Fällen auf die Durchsetzung der Nachlaßeinheit und des Staatsangehörigkeitsprinzips. Vielmehr verlangt es vom deutschen Gericht, den Anwendungswillen der ausländischen Zex rei sitae zu beachten und gleichfalls an das Lagerecht anzuknüpfen. Auf diese Weise erzielt das deutsche Kollisionsrecht internationalen Entscheidungseinklang mit dem Situsrecht. Dabei nimmt es allerdings gleichzeitig den Eintritt von Nachlaßspaltung in Kauf. Das ist der praktisch wichtigste Anwendungsbereich des in Art. 3 III EGBGB verankerten Grundsatzes des Vorranges des Einzel- vor dem Gesamtstatut, der im folgenden näher erläutert werden soll.

170 Vgl. Francescakis, 66. Siehe für Beispiele von Rechtsordnungen, die ein solches "droit de pretevement" kennen (allerdings nur zugunsten eigener Staatsangehöriger und zugunsten der Anwendung der eigenen Iex fort): Boulanger, 357 - 362; Droz, Commentaire, 19 - 21; van Loon, Commentary, 113. 171 Auch das im Rahmen der deutschen IPR-Reform von 1986 abgeschaffte privilegium germanicum des Art. 25, S. 2 EGBGB a.F. diente nicht dem Zweck der Durchsetzung des Prinzips der Nachlaßeinheit gegenüber ausländischen Staaten, die der Nachlaßspaltung anhängen (so aber Boulanger, 359). Vielmehr bezweckte es auf indirektem Wege, die Anwendung deutschen Rechts auf den Nachlaß deutscher Erblasser mit letztem Wohnsitz im Ausland zu erzwingen (Siehr, IPRax 1987, 4). Hierfür gestattete Art. 25 S. 2 EGBGB a.F. dem deutschen Erben eines ausländischen Erblassers mit letztem Wohnsitz in Deutschland, als Erbteil das zu verlangen, was er unter deutschem Recht erhalten würde. Dies sollte nur dann nicht möglich sein, wenn in dem umgekehrten Fall des mit letztem Wohnsitz in dem jeweiligen Ausland verstorbenen deutschen Erblassers das ausländische 'Kollisionsrecht deutsches Erbrecht für anwendbar erklären würde. Diese mißratene Vergeltungsnorm stieß bereits bevor der IPR-Reform auf einhellige Ablehnung in der kollisionsrechtlichen Literatur; vgl. Kegel, IPR, 5. Aufl., 613 f.; Beitzke, 66.

192

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

b) Vorrang des Einzel- vor dem Gesamtstatut im deutschen IPR

Art. 3 III EGBGB stellt die sprachlich modifizierte Fassung der Vorgängerregelung in Art. 28 a.F. EGBGB dar. Diese Vorschrift erlangt ihre größte Bedeutung im internationalen Erbrecht. l72 In ihren Anwendungsbereich fallen zwar nach mittlerweile weitaus herrschender Auffassung nicht nur die materiellrechtliche, sondern auch die rein kollisionsrechtliche Vermögensspaltung. 173 Bei letzterer Fallgruppe ist die rechtspolitische Rechtfertigung für die Durchbrechung des Staatsangehörigkeitsprinzips aber weiterhin sehr umstritten. (1) Materielle Vermögensspaltung

Zum einen ordnet Art. 3 III EGBGB den Vorrang solcher materiellrechtlicher Vorschriften des Situsrechts vor dem erbrechtlichen Gesamtstatut an, die zugunsten einzelner Personen ein Sondervermögen an besonderen Vermögensgegenständen begründen und diese einer eigenen Erbfolge unterstellen. 174 In diesen Fällen kommt es also auf der materiellrechtlichen Ebene zu einer Vermögensspaltung und zur Aufgabe des Prinzips der Universal sukzession. 175 Zu dieser Fallgruppe zählen unstreitig Fideikommisse, Rentengüter, Anerbengüter, Erbhöfe u.S.W .. 176 Nach dem Willen des Reformgesetzgebers ist Art. 3 III EGBGB dabei auch auf entsprechende Sondervermögen des deutschen Rechts anwendbar, wie z.B. das deutsche Höferecht. 177 Die herrschende Meinung rechnet hierzu auch das Sonderrecht der Vererbung von Gesellschaftsanteilen an Personengesellschaften, wie es vom BGH herausgearbeitet worden ist. 178

Kropholler, 162. Siehe z.B. Veit Stoll, 105; Kropholler, 163; aA heute praktisch nur noch Kegel, IPR, 6. Aufl., 267 ff. Zu weiteren möglichen Fallgruppen - unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Kollisionsrechts der lateinamerikanischen Staaten siehe außerdem Tiedemann, Internationales Erbrecht, 50 - 58. 174 BT-Drucks. 10/504, 36; Kropholler, 162. 175 MünchKomm-Birk, Art. 25 EOBOB, Rz. 100. 176 Kropholler, 162. 177 So begründete der Reformgesetzgeber die im wesentlichen unveränderte Beibehaltung des alten Art. 28 EOBOB a.F. mit dem Argument, daß auf andere Weise das deutsche Höferecht nicht durchgesetzt werden könne; BT-Drucks. 10/504, 36. Kritisch zu diesem Argument u.a. Kegel, IPR, 265 f.; Tiedemann, Internationales Erbrecht, 40. 178 Palandt-Heldrich, Art. 3 EOBOB, Rz. 13; MünchKomm-Birk, ebd. 172

173

A. Ausgangssituation

193

Der Belegenheitsstaat verfolgt mit diesen materiell rechtlichen Sondervorschriften in der Regel bestimmte politische bzw. wirtschaftspolitische Ziele. 179 Art. 3 III EGBGB erkennt diese Interessen des Belegenheitsstaates an der Sonderbehandlung einzelner Vermögensgegenstände an und spricht ihnen vorrangige Bedeutung gegenüber dem Grundsatz der personalen Anknüpfung des Erbstatuts zu. Aus diesem Grunde wird vielfach angenommen, Art. 3 III EGBGB verkörpere das Prinzip der "Näherberechtigung " . Danach solle in diesen Fällen wegen der "Nähe" der lex rei sitae zu dem in Rede stehenden Vermögensgegenstand das Gesamtstatut vor dem Lagerecht weichen. 180 Zutreffender erscheint es jedoch, diesen Regelungsbereich des Art. 3 III EGBGB mit dem Phänomen der "Eingriffsnormen" zu vergleichen. 181 Hierbei geht es um die im deutschen Kollisionsrecht und auch auf internationaler Ebene intensiv diskutierte Frage, inwieweit bestimmte ordnungsrelevante materiellrechtliche Vorschriften einer Rechtsordnung allein aufgrund ihrer politischen bzw. wirtschaftspolitischen Zielrichtung von sich aus in Fällen mit Auslandsberührung Beachtung verlangen und ob derartige ausländische Normen insoweit auch im Inland zu beachten sind. 182 In diesem Zusammenhang stellt Art. 3 III EGBGB demnach also klar, daß eine von ordnungspolitischen Zielen geprägte materiellrechtliche Vermögensspaltung der lex rei sitae für dort belegenes Vermögen Vorrang gegenüber der Gesamtverweisung durch Art. 25 I EGBGB besitzen soll. 183

(2) Kollisionsrechtliche Vermögensspaltung Außerdem erfaßt Art. 3 III EGBGB nach weitaus herrschender Meinung auch die rein kollisionsrechtliche Vermögensspaltung. In diesem Fall befmden sich Bestandteile des Nachlasses in einer Rechtsordnung, die - wie z.B. das 179 180

163.

Kegel, !PR, 266; Veit StoII, 103. Neuhaus, Grundbegriffe, 286; ebenso, wenn auch zweifelnd: Kropholler, 161,

Veit StoII, 104; Kegel, !PR, 266. Siehe hierzu z.B. Kropholler, 16 - 21, 88 - 90, 417 - 425; MünchKommSonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 30 - 60; für einen Vergleich der kontinentaleuropäischen Rechtsfigur der Emgriffsnormen bzw. "/ois de police" mit dem amerikanischen interest analysis Ansatz, siehe Guedj, Am. J. Comp. Law 39 (1991), 657 ff. 183 Veit StoII, 104. Aus diesem Grunde sollte Art. 3 m EGBGB konsequenterweise so ausgelegt werden, daß diese Sondervorschriften nur dann dem Gesamtstatut vorgehen, wenn auch der Situsstaat ihnen für internationale Sachverhalte vorrangige Bedeutung zuspricht, indem er sie also selbst dann anwendet, wenn für den betreffenden Nachlaß nach seinem eigenem Kollisionsrecht eigentlich ein ausländisches Erbstatut berufen wäre. Veit StoII, ebd.; Kegel, !PR, 266. 181

182

13 Brandi

194

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

anglo-amerikanische Recht - für bestimmte Vermögensgegenstände auf der kollisionsrechtlichen Ebene der Situsregel folgt und das eigene Erbrecht angewandt sehen will, ohne daß der kollisionsrechtlichen Nachlaßspaltung jedoch eine entsprechende materiellrechtliche Sonderbehandlung des betroffenen Vermögens zugrundeliegt. Diese Fallgruppe war von der Rechtsprechung im Wege der Auslegung in den Art. 28 EGBGB a. F. trotz des insofern unklaren Gesetzeswortlautes und der verwirrenden Gesetzgebungsgeschichte 184 sowie gegen den Widerstand vieler Vertreter der Lehre 185 hineininterpretiert worden. Angesichts der eindeutigen Billigung dieser Rechtsprechung durch den Reformgesetzgeber186 muß davon ausgegangen werden, daß heute auch Art. 3 III EGBGB trotz seines insoweit gleichfalls wenig erhellenden Wortlauts diese Fallgruppe mitumfassen SOIl.187 Fraglich ist aber, auf welche rechtspolitischen Erwägungen diese weite Interpretation des Art. 3 III EGBGB gestützt werden kann. Für diese Fallgruppe erscheint es nämlich noch weniger gerechtfertigt, die Durchbrechung der personalen Anknüpfung mit dem Grundsatz der "Näherberechtigung" zu begründen: Die Tatsache, daß der Gegenstand sich im Situsstaat befindet, kann als Grundlage einer besonders engen Verbindung zur lex rei sitae nicht genügen. Ebensowenig erscheint als Ausdruck einer besondere "Nähe" zum Situsstaat ausreichend, daß dieser der Situsregel folgt und deshalb auf sein eigenes Erbrecht verweisen würde. Ansonsten müßte nämlich dem Recht des Belegenheitsstaates auch in dem Fall der Vorrang eingeräumt werden, daß der Situsstaat sein Erbrecht nicht qua Situsrecht, sondern als Recht des Erblasserdomizils angewandt sehen möchte. Es ließe sich aber nur schwerlich begründen, warum ein Londoner Grundstück der englischen Rechtsordnung näher sein solle als ein Kopenhagener Grundstück dem dänischen Recht. 188 Darüber hinaus fehlen, wie bereits oben in anderem Zusammenhang dargelegt wurde l89 , bei einer bloß kollisionsrechtlichen Vermögensspaltung etwaige besondere wirtschaftspolitische Ordnungsinteressen des Situsstaates, die eine enge Verbundenheit seiner Rechtsordnung mit dem betroffenen Vermögensgegenstand begründen könnten. Siehe Wochner, 161 ff. Vgl. Wochner, ebd.; Kegel, IPR, 5. Aufl. 1980,248 f. 186 BT-Drucks. 10/504, 36 f. 187 Veit StolI, 105. Kegel, IPR, 6. Aufl., 267 ff., hält jedoch an seiner engeren Auslegung des Art. 3 III EGBGB nach wie vor fest. Kritisch gegenüber der Entscheidung des Refonngesetzgebers auch u.a.: Kropholler, 163; Veit StolI, ebd.; Siehr, IPRax 1987, 6. 188 Wochner, 181. Das dänische IPR unterstellt die Erbfolge der lex domicilii für das gesamte Vennögen. Hier greift die Regelung des Art. 3 III EGBGB nach allgemeiner Auffassung nicht ein (Kegel, lPR, 268). 184 185

A. Ausgangssituation

195

Auch mit dem Argument des "Durchsetzbarkeitsinteresses"190 kann die Anwendung des Art. 3 III EGBGB auf die rein kollisionsrechtliche Vermögensspaltung nicht überzeugend begründet werden. 191 Denn das Interesse an der Vermeidung undurchsetzbarer Rechtsfolgen ist nicht größer, wenn das ausländische Situsrecht die Anwendung des eigenen Rechts allein für unbewegliche Vermögensgegenstände vorschreibt, als in denjenigen Fällen, wo es für den gesamten Nachlaß das eigene Recht als Domizilrecht beruft. Wollte man den Gesichtspunkt der Durchsetzbarkeit als ausschlaggebend ansehen, müßte man daher konsequenterweise der Anwendung der Lex rei sitae in jedem Fall den Vorrang gewähren, gleichgültig aus welchem Grund sie für anwendbar erklärt wird. 192 Hinzu kommt, daß, wie bereits oben angesprochen wurde l93 , es keinesfalls garantiert ist, daß die Anerkennungsaussichten einer deutschen Entscheidung im Belegenheitsstaat durch die Anwendung des Situsrechts steigen würden. Denn in vielen Nachlaßspaltungsstaaten sehen sich die Gerichte für die Regelung der Erbfolge in Grundstücke, die im eigenen Forum belegen sind, als international ausschließlich zuständig an. Deshalb würde die Anerkennung eines entsprechenden deutschen Urteils bereits daran scheitern, daß dem deutschen Gericht hierfür aus der Sicht des Situsstaates die internationale Zuständigkeit fehlen würde, ohne daß die Anwendung des Situsrechts hieran etwas ändern könnte. 194 Ein überzeugendes Argument dafür, warum der Anwendungswille der ausländischen Lex rei sitae berücksichtigt werden sollte, könnte daher allein darin bestehen, daß auf diese Weise die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen verringert werden kann. 195 Denn gerade weil ein deutsches Urteil im Situs189 Siehe oben 2. Kapitel, A.III.1.c)(5). 190 Siehe zu diesem Gesichtspunkt bereits oben 2. Kapitel, A.III.2.d). 191 Vgl. Kegel, IPR, 268; Kropho11er, 163; Staudinger-Graue, Art. 28 EGBGB a.F., 11. Aufl. 1981, Rz. 2; Tiedemann, Internationales Erbrecht, 52; Wochner, 177 f. Diesen Gesichtspunkt hatte anscheinend aber der Reformgesetzgeber im Auge, als er die Neuregelung des Art. 3 III EGBGB mit der Verzahnung des Erbrechts mit dem Sachenrecht begründete; vgl. BT-Drucks. 10/504,36 f. In diesem Sinne auch ErmanHohloch, Art. 3 EGBGB, Rz. 13. 192 Tiedemann, ebd.; Kegel, ebd. 193 Siehe oben 2. Kapitel, A.III.2.d). 194 Ähnlich Wochner, 177 f., zu Art. 28 EGBGB a.F .. 195 Erman-Hohloch, Art. 3 EGBGB, Rz. 13; ähnlich, aber zurückhaltender: MünchKomm-Sonnenberger, Art. 3 EGBGB, Rz. 15; aA Wochner, 178 f.; Veit Sto11, 103. Etwas anders wird die Funktion des Art. 3 III EGBGB hingegen von Tiedemann, Internationales Erbrecht, 41 m.w.N., beschrieben. Danach sei es Zweck der Norm zu respektieren, daß in erster Linie das jeweilige Einzelstatut (z.B. bei Sachen die Lex rei sitae) über Vermögensgegenstände herrsche und daher das Gesamtstatut (wie z.B. das Erbstatut) seine Herrschaft über den Vermögensgegenstand nur durch Anerkennung 13"

196

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

staat im Zweifelsfalle wenig Aussicht auf Anerkennung hätte, ist mit einiger Sicherheit zu erwarten, daß es dort bei streitiger Rechtslage ebenfalls zu einem Gerichtsverfahren kommen würde, in dem erneut über die Erbfolge in das dort belegene Grundstück zu entscheiden wäre. Indem das deutsche Kollisionsrecht in solch einer Situation gleichfalls die lex rei sitae für anwendbar erklärt, erzeugt es hiermit internationalen Entscheidungseinklang mit dem Recht derjenigen Rechtsordnung, in welcher eine konkurrierende Entscheidung über denselben Sachverhalt mit größter Wahrscheinlichkeit ebenfalls zu erwarten ist. 196 Im Ergebnis wird man daher die Einbeziehung der kollisionsrechtlichen Vermögensspaltung in den Anwendungsbereich des Art. 3 III EGBGB allein mit dem Gesichtspunkt des internationalen Entscheidungseinklangs rechtfertigen können. Dies mag daher als der maßgebliche Grund dafür angesehen werden, warum das deutsche IPR in Fällen des positiven Kompetenzkonfliktes auf die Durchsetzung der einheitlichen personalen Anknüpfung des Erbstatuts verzichtet. Allerdings ist die Herstellung des Entscheidungseinklangs in diesem Fall damit nur in der Weise möglich, daß der Eintritt einer Nachlaßspaltung in Kauf genommen wird. 3. Negativer Kompetenzkonflikt a) Allgemeines

Der Fall des negativen Kompetenzkonfliktes, in dem beide beteiligten Rechtsordnungen für die Anknüpfung der Erbfolge in das Immobiliarvermögen auf die jeweils andere zurückverweisen, wird sowohl im deutschen als auch im anglo-amerikanischen Recht mittels der Lehre vom renvoi gelöst. Dabei wird im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs von der einen Rechtsordnung die Rückverweisung durch die andere angenommen. Theoretisch müßte hierdurch für das die Rückverweisung annehmende Recht immer eine Durchbrechung des jeweils herrschenden Anknüpfungsprinzips eintreten. Das heißt, für das deutsche Recht müßte es in der Folge der teilweisen Rückverweisung zu einer Nachlaßspaltung, für das anglo-amerikanische Recht hingegen zu einer einheitlichen personalen Anknüpfung des Gesamtnachlasses kommen. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, findet tatsächlich seitens des Einzelstatuts gewinne. Dieser Argumentation ist jedoch entgegenzuhalten, daß sie letztlich nur auf eine petitio principii hinausläuft. Denn sie gibt keine Gründe dafür an, warum es denn erforderlich bzw. sinnvoll sein soll, dem Einzelstatut die Befugnis über die Anerkennung des Gesamtstatuts zuzugestehen. 196 Vgl. allgemein zu diesem Gesichtspunkt Kropholler, 34.

A. Ausgangssituation

197

jedoch nur im deutschen Recht eine Durchbrechung der Nachlaßeinheit statt. Im anglo-amerikanischen Kollisionsrecht bleibt es dagegen unter der joreign court doctrine" häufig - so zumindest im Verhältnis zu Deutschland - bei der Anknüpfung an das Situsrecht und damit bei der Nachlaßspaltung. b) Renvoi im anglo-amerikanischen Kollisionsrecht (1)

EngUmd

Wie bereits oben in dem Kapitel zur objektiven Anknüpfung des Erbstatuts dargelegt, entwickelten die englischen Gerichte als Lösung des renvoi Problems die sogenannteforeign court theory.197 Eine der Leitentscheidungen hierfür ist das in der Sache Re Duke of Wellington ergangene Urteil l98 : In diesem Fall hatte der Duke of Wellington, ein britischer Staatsangehöriger mit domicile in England, zwei Testamente hinterlassen, wovon eines sein in Spanien belegenes Vermögen und das andere englisches Vermögen betraf. In dem erstgenannten Testament hinterließ er sein spanisches Grundvermögen derjenigen Person, die sein Nachfolger sowohl in seinem englischen wie auch in seinem spanischen Herzogtum werden würde. Da er unverheiratet und kinderlos verstarb, gab es keinen Nachfolger, der beide Herzogstitel gleichzeitig übernahm. Damit ging die Verfügung über das spanische Grundvermögen ins Leere. Es stellte sich daraufhin die Frage, welches Recht für die Ergänzung der Lücke in dem Testament herangezogen werden sollte. Nach der englischen Situsregel wäre hier das spanische Recht anwendbar gewesen, nach dem spanischen Kollisionsrecht hingegen das englische Heimatrecht des Erblassers. Unter Heranziehung der foreign court theory gelangte das englische Gericht hier schließlich zur Anwendung des englischen materiellen Rechts. So stellte es sich zunächst auf den Standpunkt des spanischen Gerichts und ließ sich auf das englische Recht verweisen. Daraufhin stellte das englische Gericht die Frage, ob das spanische Gericht seinerseits die Rückverweisung durch das englische Recht annehmen würde. Nach der Würdigung widersprüchlicher Gutachten zum insoweit unklaren Inhalt des spanischen Kollisionsrechts gelangt es schließlich zu dem Ergebnis, daß ein spanisches Gericht hier die Rückverweisung nicht annehmen würde, so daß es damit letztlich bei der Anwendung englischen Erbrechts blieb. 199

197 198 199

Siehe oben 1. Kapitel, A.IV.2.a). [1947] eh. 506; [1947] 2 All E.R. 854. Kritisch zu dieses Urteil allerdings Dicey/Morris, 10. Aufl., 71.

198

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Die Anwendung der joreign court theory wird in diesen Fällen hauptsächlich mit dem Durchsetzbarkeitsinteresse und dem Streben nach internationalem Entscheidungseinklang begründet. Aus diesen Gründen sei die Verweisung durch das englische Kollisionsrecht auf das Lagerecht des Immobiliarvermögens derart zu interpretieren, daß damit dasjenige materielle Erbrecht gemeint sein soll, welches im Ergebnis auch von den Gerichten des Situsstaates aufgrund dessen Kollisionsrechts angewandt würde. 2OO Nicht nur in der Entscheidung Re Duke oj Wellington, sondern auch in dem Urteil Re ROSS201 führte die Anwendung der joreign court theory dabei im Ergebnis dazu, daß das Prinzip der Nachlaßspaltung vom zuständigen Gericht aufgegeben und ein einheitliches Recht auf den gesamten Nachlaß angewandt wurde. 202 Dazu kam es allerdings nur deshalb, weil das Kollisionsrecht des ausländischen Situs seinerseits den renvoi durch das englische Recht nicht akzeptierte. Hätte hingegen in diesen Fällen das ausländische Grundstück in einer renvoi-freundlichen Rechtsordnung - wie z.B. in Deutschland203 - gelegen, wäre es insofern bei der Anwendung des Lagerechts und somit auch bei der Nachlaßspaltung geblieben. Denn dann hätte das englische Gericht seinerseits - ebenso wie das ausländische Gericht im Situsstaat - der Rückverweisung durch das englische Recht folgen und das Situsrecht anwenden müssen.

(2)

Vereinigte Staaten

Zwar herrscht im Kollisionsrecht der U.S.A. grundsätzlich eine deutlich größere Zurückhaltung gegenüber der Doktrin vom renvoi als im englischen Recht. 204 Gleichwohl haben sich Rechtsprechung und Lehre205 auch dort Dicey/Morris, 10. Aufl. 74 f.; Graveson, Conflict ofLaws, 63 f. [1930] 1 Ch. 377. Dort hatte der englische Richter gleichfalls im Ergebnis englisches Erbrecht angewandt und damit dem Testament der Erblasserin - einer britischen Staatsangehörigen mit letztem domicile in Italien - dadurch zur Gültigkeit verholfen, daß es die Anwendung der italienischen Vorschriften zum Noterbrecht vermied, die ihrem Sohn das Recht auf die Hälfte des italienischen Grundvermögens und des in Italien und England belegenen beweglichen Vermögens zugesprochen hätten. 202 Boulanger, 85. 203 Siehe unten 2. Kapitel, A.IV.3.c). 204 Siehe oben 1. Kapitel, A.IV.2.b). 205 Siehe Briggs, Yale L.l. 64 (1954), 195, 197; Falconbridge, Vand. L. Rev. 6 (1953), 708, 714; Beale, 57; Leflar, 10, 343; Restatement, Second, Conflict of Laws, § 223. Das Restatement beschränkt die Anwendung des renvoi insoweit allerdings auf Verfügungen unter Lebenden, obwohl die von seinen Autoren insofern für die Anerkennung des renvoi angegebenen Grunde gleichermaßen für das auf die Erbfolge 200 201

A. Ausgangssituation

199

zumindest für den hier interessierenden Fall, in dem es um die Ermittlung des auf die Erbfolge in ein außerhalb des Forumsstaates belegenes Grundstück geht, wiederholt für eine Beachtung des renvoi durch das Kollisionsrecht des Situsstaates ausgesprochen. Von den einschlägigen Gerichtsurteilen ist insofern insbesondere die New Yorker Leitentscheidung In Re Schneider's Estate206 zu nennen: Dort hatte der Erblasser, ursprünglich schweizerischer Staatsangehöriger, vor seinem Tode die U.S.-amerikanische Staatsbürgerschaft erworben. Außerdem befand sich zum Todeszeitpunkt sein domicile im Staate New York. Seine testamentarischen Verfügungen umfaßten u.a. auch schweizerisches Grundvermögen. Dieses Testament war zwar gültig nach New Yorker Recht, verstieß jedoch gegen die schweizerischen Vorschriften zum Noterbrecht. Die in New York ernannte Willensvollstreckerin hatte das Grundstück noch vor der Testamentseröffnung in der Schweiz verkauft und den Erlös nach New York geschafft. Auf diese Weise erlangte das New Yorker Gericht die örtliche Zuständigkeit für die Entscheidung dieses Falles. Das New Yorker Gericht interpretierte die Verweisung durch das New Yorker Kollisionsrecht auf das Recht des Situs des schweizerischen Grundvermögens als Gesamtverweisung. Aus dem schweizerischen Kollisionsrecht las es wiederum eine Rückverweisung auf das New Yorker Recht heraus. Dementsprechend sah es das Testament unter Anwendung des New Yorker Erbrechts als gültig an. 207 Allerdings wird in den Urteilsgründen nicht ausdrücklich gesagt, ob das Gericht bei der Anerkennung der Rückverweisung der Lehre des einfachen renvoi oder der englischen foreign court doctrine folgte. Das New Yorker Gericht äußerte sich also nicht ausdrücklich zu der Frage, ob es sich bei der Prüfung der Rückverweisung darauf beschränkte, lediglich die schweizerische Kollisionsnorm für das auf die Erbfolge anwendbare Recht anzuwenden, oder ob es dabei gemäß der foreign court theory auch prüfte, inwieweit ein schweizerisches Gericht seinerseits die Rückverweisung durch das New Yorker Recht annehmen würde. Allerdings enthält das Urteil zumindest einige indirekte Hinweise, die dafür sprechen, in Immobilien anwendbare Recht Geltung beanspruchen; vgl. Restatement, Second, Conflict of Laws, § 8 Comment hund § 239 Comment bund f. 206 Siehe In Re Schneider's Estate, 96 N.Y.S.2d 652,'656 f., a.tJ'd, 100 N.Y.S.2d 371 (Surr. Ct. 1950). 207 In Wirklichkeit war die einschlägige schweizerische Rechtslage zum damaligen Zeitpunkt ziemlich unübersichtlich. Verkompliziert wurde sie zudem durch einen damals zwischen den U.S.A. und der Schweiz geltenden Staatsvertrag. Einige Autoren meinen daher, daß das New Yorker Gericht das schweizerische Kollisionsrecht mißverstanden hätte und eigentlich schweizerisches Erbrecht hätte anwenden müssen; siehe Falconbridge, Vand. L. Rev. 6 (1953), 727 - 731; Firsching: U.S.A., in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 36e S. 40/29.

200

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

daß das Gericht letztlich von der englischenjoreign court theory ausgegangen ist. 208

Auch in der etwas aktuelleren New Yorker Entscheidung In re Estate oj Strauss209 wird für die Anknüpfung der Erbfolge in ausländisches Immobiliarvermögen einem renvoi des Lagerechts gefolgt. Dabei spricht dieses Urteil

zwar gleichfalls nicht mit der wünschenswerten Deutlichkeit aus, an welche Variante des renvoi dabei gedacht wird. Soweit aus der knappen Stellungnahme des Gerichts ersichtlich, scheint aber auch diese Entscheidung eher der joreign court theory zuzuneigen. 210

Ferner ist in diesem Zusammenhang auf die Entscheidung Nolan v. Borger aus dem Bundesstaat Ohio zu verweisen. Diese Entscheidung betraf zwar nicht unmittelbar die Anknüpfung der Erbfolge. Vielmehr ging es dort um eine vom Erblasser beabsichtigte lebzeitige Schenkung von Grundvermögen, welches in einem anderen Bundesstaat (Missouri) belegen war. Gleichwohl wird man auch dieses Urteil im vorliegenden Zusammenhang als ein beachtenswertes Präjudiz ansehen können. In ihm folgte das Gericht sogar ausdrücklich der joreign court theory. Zur Frage des anwendbaren Rechts und zur Beachtlichkeit des renvoi heißt es nämlich dort: "The Court of the forum looks to the whole law of Missouri and in order to avoid the circular problem [des renvoi; d. Verf.], it decides the case as if it were sitting in the 'choice of law' state, namely Missouri. "211 Die Stellungnahmen in der amerikanischen Literatur, welche die Anerkennung eines renvoi in der hier interessierenden Fallkonstellation befürworten würden, lassen leider manchmal ebenfalls an Deutlichkeit zu wünschen übrig, an welche Variante des renvoi dabei vom jeweiligen Autor gedacht 208 Ebenso Firsching, U.S.A., in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 36e S. 40/28. Diese Hinweise bestehen insbesondere darin, daß das Gericht in den Entscheidungsgründen mehrfach den Aufsatz von Griswold, 47 Harv. L. Rev. 1165 (1938), zitiert, in dem dieser Autor die englische joreign court theory propagiert hatte. Darüber hinaus beruft sich das Gericht ausdrücklich auch auf "English authorities on the subject". Vgl. In Re Schneider's Estate, 96 N.Y.S.2d 657, 66l. Anders aber Lawrence, 36, der die Schneider Entscheidung als ein Beispiel für die Lehre vom einfachen renvoi zitiert. 209 347 N.Y.S.2d 840 (Surr. Court, 1973). 210 Diese Entscheidung betraf die Anknüpfung der testamentarischen Erbfolge in die Frankfurter Grundstücke eines anscheinend während der Nazizeit in die U.S.A. emigrierten deutschen Erblassers. Unter Anwendung der Situsregel folgt der New Yorker Surrogate's Court dabei zunächst der Verweisung auf das deutsche Situsrecht. Daran anschließend äußert er sich zur Frage des renvoi lediglich mit dem knappen Satz: "It was shown that under the doctrine of renvoi Germany accepts United States references to German law in the case of real property." 347 N.Y.S.2d 844. 211 203 N.E.2d 274,278 (Ohio Prob. CL, Montgomery Co. 1963).

A. Ausgangssituation

201

wurde. Insgesamt besteht für den ausländischen Beobachter aber der Eindruck, daß die joreign court theory hierbei die größere Zahl an Befürwortern zu besitzen scheint. Lediglich Scoles und Hay befürworten für die Ermittlung des auf die Erbfolge in ausländisches Immobiliarvermögen anwendbaren Rechts ausdrücklich die Lehre vom einfachen renvoi. 212 Dagegen scheinen Weintraub213 und Leflar214 , zwei andere Vertreter der modemen amerikanischen Kollisionsrechtslehre, in diesem Fall eher der joreign court theory folgen zu wollen. In die gleiche Richtung gehen auch die Stellungnahmen zweier Vertreter der älteren Lehre. 215 Im Ergebnis läßt sich daher für das amerikanische Kollisionsrecht feststellen, daß dort Rechtsprechung und Lehre - wenngleich im Grundsatz eigentlich renvoi-feindlich eingestellt - zumindest für die Frage des auf die Erbfolge in ausländische Grundstücke anwendbaren Rechts eine Rückverweisung durch das Situsrecht als beachtlich ansehen würden. 216 Darüber hinaus wird man annehmen müssen, daß dabei mehrheitlich der englischen joreign court theory gefolgt würde. 217 Man wird diese ausnahmsweise Berücksichtigung eines renvoi wohl damit erklären können, daß es durchaus dem amerikanischen Rechtsdenken entspricht, zumindest bei Grundstücksangelegenheiten eine Rückverweisung durch das Situsrecht anzuerkennen. Denn nach dem herrschenden amerikanischen Rechtsverständnis hat der Situsstaat grundsätzlich das größte Interesse an der Regelung der rechtlichen Verhältnisse des Grundstücks. Daraus läßt sich dann letztlich konsequent folgern, daß aus Sicht des amerikanischen Rechts die Gerichte außerhalb des Situsstaates die Frage des anwendbaren Rechts ebenso entscheiden sollten, wie es die Gerichte am Lageort tun. 218

Für die Regelung des Verhältnisses von Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltung bei Fällen mit Auslandsberührung hat dies damit dieselben Konsequen212 Scoles/Hay, 69 Fn. 10. Das Restatement, Second, Conflict of Laws, schließlich bezieht keine klare Stellung zu der vorliegenden Frage; vgl. § 8 Commentg. 213 Vgl. Weintraub, 70. 214 Vgl. Leflar, 343. 215 Briggs, Yale L. J. 64 (1954), 205; Falconbridge, Vand. L. Rev. 6 (1953) .. 714. 216 So auch Firsching, U.S.A., in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 36e S. 40/27 u. 40/30. 217 So auch die Antwort der U.S.A. zu Droz, Questionnaire on the Private International Law concerning Succession, Doc. of September 1969, Auszug aus: Proceedings of the Twelfth Session, Bd. 11, Administration of Estates, neu abgedruckt in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 68. 218 Ähnlich Firsching, U.S.A., in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 36e S. 40/27.

202

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

zen wie im englischen Kollisionsrecht. Auch für das amerikanische Kollisionsrecht hängt nämlich die Antwort auf die Frage, ob es bei Beachtung der Rückverweisung durch das Situsrecht zu einer einheitlichen Anknüpfung des Erbstatuts kommt oder nicht, davon ab, wie sich das ausländische Kollisionsrecht seinerseits zur Rückverweisung durch das amerikanische Recht verhält. c) Renvoi im deutschen IPR

Das deutsche Kollisionsrecht würde in dem oben genannten Beispiel, in dem ein U.S.-Amerikaner mit domicile in den Vereinigten Staaten bei seinem Tode ein Grundstück in Deutschland hinterläßt, gemäß Art. 4 I 2 EGBGB die Teilrückverweisung auf deutsches Erbrecht für das in Deutschland belegene Immobiliarvermögen annehmen und die Verweisungskette beim internen deutschen Recht abbrechen. Durch die Annahme der Rückverweisung will auch das deutsche IPR den internationalen Entscheidungseinklang fördern. 219 Allerdings bricht es die Verweisungskette beim internen deutschen Recht ab, um auf diese Weise den deutschen Gerichten die Prüfung der oft nur schwierig zu beantwortenden Frage zu ersparen, ob es sich bei der Rückverweisung des fremden Rechts um eine Sachnorm- oder ihrerseits um eine Gesamtverweisung handelt. 220 Zwar wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Abbruch der Rückverweisung beim deutschen Recht gemäß Art. 4 I 2 EGBGB unter Umständen das Ziel des internationalen Entscheidungseinklanges gefährden kann. 221 Zumindest für das oben genannte Fallbeispiel ist aber festzustellen, daß zwischen dem anglo-amerikanischen und dem deutschen Kollisionsrecht im Ergebnis das Ziel des äußeren Entscheidungseinklang erfüllt wird. Denn auf der Grundlage der joreign court theory würde ein englisches und wahrscheinlich auch ein amerikanisches Gericht seinerseits die Regelung des Art. 4 I 2 EGBGB befolgen und die Verweisungskette beim deutschen internen Erbrecht beenden. Für das deutsche Kollisionsrecht bedeutet dies aber, daß die Lösung des Problems des negativen Kompetenzkonfliktes im Verhältnis zum anglo-amerikanischen Recht hier nur unter Aufgabe des Prinzips der Nachlaßeinheit möglich ist. Das deutsche Kollisionsrecht verzichtet insofern also nicht nur auf die Durchsetzung des Staatsangehörigkeitsprinzips, sondern auch auf die der Nachlaßeinheit. Dagegen würde es für das englische bzw. amerikanische Gericht in dem obigen Fall unter der joreign court theory letztlich bei der 219 220 221

Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 43-44. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 10/504,39. Siehe oben 1. Kapitel, A.IV.3.b).

A. Ausgangssituation

203

gewohnten Nachlaßspaltung bleiben. Im Verhältnis zum anglo-amerikanischen Recht präsentiert sich hier daher im Ergebnis das deutsche IPR als dasjenige, das mehr an Einbußen hinnehmen muß, damit der internationale Entscheidungseinklang hergestellt wird. d) QualifIkationsverweisung

Um den internationalen Entscheidungseinklang so weit wie möglich zu verwirklichen, überläßt das deutsche IPR es außerdem dem ausländischen Recht zu bestimmen, ob und inwieweit es zu einer Teilruckverweisung durch die getrennte Anknüpfung des Immobiliarvermögens kommen soll.222 Liefert das ausländische Recht selber die Begriffskriterien für die Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen223 , so werden diese auch von einem deutschen Gericht angewandt. Überläßt das ausländische Recht die Qualifikation der Vermögensart hingegen dem jeweiligen Lagerecht,dann folgt das deutsche Gericht auch dieser Qualifikationsverweisung. 224 Eine solche Qualifikationsverweisung wird insbesondere vom anglo-amerikanischen Kollisionsrecht ausgesprochen. Dies überläßt nämlich nach herrschender Auffassung die Zuordnung einer Sache oder eines Rechtes zum unbeweglichen Vermögen dem Recht desjenigen Landes, welches die Sache oder das Recht seinem Rechtsgebiet zuschreibt, d.h. in dessen Territorium der Vermögensgegenstand nach dem eigenen Verständnis des Situsstaates belegen ist. 225 Hinterläßt der amerikanische Erblasser in dem obigen Fallbeispiel also 222 Veit StolI, 99. 223 So z.B. das französische Recht; siehe Boulanger, 60 - 61. 224 BGHZ 24, 352, 355; BFH IPRspr. 1986 Nr. 112, 254, 255; Neuhaus, RabelsZ 19 (1954), 557, 561; MünchKomm-Sonnenberger, Art. 4 EGBGB, Rz. 53; Veit StolI, 99; aA Kegel, IPR, 250 f. 225 Für das U.S.-Recht siehe Scoles/Hay, 745; Restatement, Second, Conflict of Laws, Introductiop., Chapter 9 Top. 2; Toledo Society jor Crippled Children v. Hickok, 261 S.W.2d 692 (1963). Für das englische, Recht siehe Dicey/Morris, 10. Aufl., 899 (Rule 114). Dieser Rechtssatz, so wie er praktisch in allen Lehrbüchern des anglo-amerikanisehen Kollisionsrechts zu fmden ist, ist jedoch zumindest hinsichtlich des englischen und kanadischen Rechts durch zwei detaillierte Fallrechtsstudien in Frage gestellt worden. Die Analyse von Smith, Mod. L. Rev. 26 (1963) 16, 25 - 31, betrifft das englische Kollisionsrecht. Smith kommt darin zu dem Ergebnis, daß die englischen Gerichte nicht in allen F~llen eine QualifIkationsverweisung auf das Lagerecht aussprechen würden bzw. daß sie nicht bereit wären, jede vom englischen Recht abweichende Qualifikation des Situsrechts zu hinzunehmen. So würden die englischen Gerichte z.B. die Qualifikation eines Grundstücks als "beweglich" nicht akzeptieren

204

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

in Deutschland nicht ein Grundstück, sondern z.B. eine Hypothek bzw. einen Anteil an einer Personengesellschaft mit Grundvermögen, dann überläßt das amerikanische Kollisionsrecht es dem deutschen Recht zu entscheiden, ob es sich hierbei um unbewegliches Vermögen handelt und ob damit infolge der amerikanischen Situsregel deutsches Erbrecht anzuwenden ist. Die Qualifikationsverweisung dient der Vermeidung von Qualifikationskonflikten und damit der Herstellung von internationalem Entscheidungseinklang. Ein reibungsloses Funktionieren des Systems der Nachlaßspaltung zumindest im Verhältnis der Nachlaßspaltungsstaaten untereinander - ist nämlich nur dann möglich, wenn über die Qualifiltation der jeweils anzuknüpfenden Vermögensgegenstände zwischen allen beteiligten Rechtsordnungen Einigkeit besteht. Dieses Ziel wird dadurch erreicht, daß alle beteiligten Rechtsordnungen nach dem Grundsatz der Qualifikationsverweisung demselben Recht die Entscheidungskompetenz für die Qualifikation des betroffenen Gegenstandes zusprechen. 226 Ein deutsches Gericht, das für in Deutschland belegenes Nachlaßvermögen die Qualifikationsverweisung durch das anglo-amerikanische Kollisionsrecht annehmen wollte, sah sich allerdings zumindest bis zum Zeitpunkt der IPRReform von 1986 vor die Schwierigkeit gestellt, daß das Begriffspaar "bewegliches" und "unbewegliches Vermögen" bis dahin im deutschen IPR nicht verwendet wurde. Diese Begriffe finden sich zwar in einigen Vorschrif(wohl weil dies der "natürlichen" Rechtsauffassung des englischen Forums entgegenlaufen würde). Genaugenommen würden die englischen Gerichte daher nur die Qualifikation bestimmter Sachen (wie z.B. zum Hof gehörendes Vieh) und bestimmter Rechte (leider sagt Smith nicht, welche Rechte dies sind) dem jeweiligen Situsrecht überlassen. Noch enger wird die QualifIkationsverweisung von Hering, 112 - 121, 134 - 138, in seiner Studie zum englischen und kanadischen Kollisionsrecht interpretiert. Nach seiner Auffassung sei in Wirklichkeit nur in einigen bestimmten Zweifelsfällen dem Situsrecht eine QualifIkationsbefugnis eingeräumt. Alle als "interests in land" zu qualifIZierenden Vermögensgegenstände, d.h. solche die vom Forum bereits selber als unbeweglich qualifIZiert werden, unterlägen nämlich nicht der QualifIkationsverweisung. Sie würden auf jedem Fall dem Situsrecht unterstellt, gleichgültig wie dieses sie seinerseits qualifIZieren würde. Zu diesen "interests in land" gehöre nicht nur das Grundstückseigentum, sondern auch die Grundstückspacht und Bergbaukonzessionen. Eine QualifIkationsverweisung würde demzufolge nur (1) für "interests in things" ausgesprochen, deren Qualifikation als beweglich oder unbeweglich nach dem Forumsrecht ungewiß sei (z.B. Hypotheken), und (2) für Rechte, die mit solchen "interests in things" verbunden seien (z.B. die durch eine Hypothek gesicherte Forderung).

226 Rabel, 16; Kropholler, 101. Dicey/Morris, 10. Aufl., 902, sehen die Funktion der QualifIkationsverweisung dagegen eher in der Vermeidung undurchsetzbarer Rechtslagen.

A. Ausgangssituation

205

ten des materiellen Rechts227 und des Verfahrensrechts 228 wieder. Aber die für den dortigen spezifischen Begriffskontext entwickelten Definitionen lassen sich nicht ohne weiteres auf die Ebene des Kollisionsrechts übertragen. 229 Dadurch entstand damals eine beträchtliche Unsicherheit, wie diese Begriffe im Falle einer Qualifikationsrückverweisung durch das anglo-amerikanische Recht gegeneinander abzugrenzen seien. 230 Zwar wurde mittlerweile der Begriff des "unbeweglichen Vermögens" im Rahmen der IPR-Reform auch in das deutsche Kollisionsrecht eingeführt (vgl. Art. 2511 und Art. 1511 Nr. 3 EGBGB). Gleichwohl ist nicht auszuschließen, daß diese Unsicherheiten auch in Zukunft fortbestehen werden, da der genaue Bedeutungsumfang dieses Begriffs auch im heutigen deutschen IPR noch nicht endgültig geklärt ist. 231 Indem die deutschen Gerichte die Rückverweisung durch das anglo-amerikanische Recht auf deutsches Recht auch für die Frage der Qualifikation des betroffenen Vermögensgegenstandes annehmen, bestimmen sie also letztendlich selber über den Umfang der Teilrückverweisung und der Nachlaßspaltung. Das hat den Vorteil, daß auf diese Weise dasjenige Recht für die Qualifikation zuständig ist, aus dessen Rechtsordnung der jeweilige Vermögensgegenstand entstammt. Dies war in den Fällen, die den Entscheidungen der deutschen Gerichte zur Qualifikationsverweisung zugrundelagen, von entscheidender praktischer Bedeutung. Denn diese hatten meistens spezialgesetzliche Rückerstattungs- und Lastenausgleichsansprüche für die Wiedergutmachung von Nazi- und Krlegsunrecht zum Gegenstand232 , die nur mit großer Mühe anband des anglo-amerikanischen Rechts hätten qualifiziert werden können. 233 227 Den §§ 90 ff. BGB liegt allerdings genaugenommen die Unterscheidung zwischen "beweglichen Sachen" und "Grundstücken" zugrunde. 228 So in den §§ 857, 864 und 865 ZPO. 229 Veit Stoll, 111. 230 Siehe die ausführlichen Rechtsprechungsnachweise bei Veit Stoll, 112 Fn. 202206, und bei Krzywon, BWNotZ 1986, 154 ff. Die hierzu in den 50er bis 70er Jahren ergangene Rechtsprechung betraf hauptsächlich die QualifIkation von Rückerstattungs-, Wiedergutmachungs-, Lastenausgleichsansprüchen wegen entzogenen Eigentums an Liegenschaften oder die QualifIkation von Anteilen an Erbengemeinschaften bzw. Personengesellschaften mit Grundvermögen bzw. mit solchen Rückerstattungsansprüchen. Vgl. auch Jayme, 17 ZfRV (1976), 92 ff.; Neubaus, RabelsZ 19 (1954), 557 ff. 231 Siehe oben 2. Kapitel, A.II1.2.b)(1). Dies rührt u.a. auch daher, daß bei dem Bemühen, den Begriff des "unbewegliches Vermögen" in Art. 2511 EGBGB genauer zu umgrenzen, oft auf die Diskussion der QualifIkationsverweisung zurückgegriffen wird. Vgl. u.a. Veit Stoll, 110 - 112. 232 Siehe oben 2. Kapitel, A.IV.3.d) in Fn. 230. 233 Boulanger, 337.

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

4. Zusammenfassung Nach derzeitigem Recht ist der Konflikt zwischen dem deutschen IPR und dem anglo-amerikanischen Kollisionsrecht hinsichtlich der Anknüpfung der Erbfolge in Immobilien demnach zumindest insoweit zufriedenstellend gelöst, als in den meisten Fällen des positiven und negativen Kompetenzkonfliktes zwischen diesen Rechtsordnungen ein internationaler Entscheidungseinklang herrscht. Unbefriedigend aus der Sicht des deutschen Rechts ist daran allerdings, daß dies nur unter Verzicht auf die Nachlaßeinheit möglich ist. Da die Nachlaßspaltung, wie oben gezeigt wurde, in der Praxis letztlich die größeren Schwierigkeiten bereitet, besteht insofern unter der derzeitigen Rechtslage also noch ein deutlicher Verbesserungsbedarf. Im folgenden ist daher zu untersuchen, ob und inwieweit eine solche Verbesserung durch die Haager Erbrechtskonvention ermöglicht würde.

B. Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltung in der Haager Erbrechtskonvention bei objektiver Anknüpfung des Erbstatuts Für ein besseres Verständnis der Bedeutung von Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltung in der Haager Erbrechtskonvention ist es sinnvoll, zwischen den Regeln der Konvention zur objektiven und zur subjektiven Anknüpfung per Rechtswahl zu unterscheiden. Im vorliegenden Kapitel werden insofern daher lediglich die Normen der Haager Konvention zur objektiven Anknüpfung des Erbstatuts besprochen. Das Verhältnis von Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltung im Rahmen der subjektiven Anknüpfung soll dagegen erst im nächsten Kapitel im Zusammenhang mit den übrigen die Rechtswahl im Erbrecht betreffenden Fragen untersucht werden.

I. Grundsatz der Nachlaßeinheit (Artt. 3 und 7 I) Die Mitglieder der Spezialkommission konnten sich bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt darauf einigen, daß in der Konvention für die objektive Anknüpfung des Erbstatuts das Prinzip der Nachlaßeinheit gelten solle.! 1 Conclusions of the Special Commission of November 1986, 191, 193; van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 52; Waters, Explanatory Report, § 24. Das Abstimmungsergebnis in der Spezialkommission hierzu war 19 Stimmen für - einschließlich Frankreich, U.S.A. und England - und keine Stimme gegen die Nachlaßeinheit, bei drei Enthaltungen. Siehe dazu und zum Gang der

B. Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung in der Haager Konvention

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Diese Grundsatzentscheidung wurde daraufhin auch im weiteren Verlauf der Abkommensausarbeitung nicht wieder in Frage gestellt. 2 In der endgültigen Textfassung der Konvention ist das Prinzip der Nachlaßeinheit in Art. 7 I verankert. Dieser besagt, daß das gemäß Art. 3 objektiv angeknüpfte Recht für den gesamten Nachlaß unabhängig von dem Lageort der einzelnen Vermögensgegenstände gilt. Aber trotz - oder vielleicht gerade aufgrund - der Einmütigkeit der Entscheidung zugunsten der Nachlaßeinheit bei objektiver Anknüpfung des Erbstatuts äußern sich die Materialien der Konvention nur recht spärlich zu den Motiven hierfür. Der Explanatory Report nennt nur zwei Kritikpunkte an der Nachlaßspaltung: Zum einen verweist er auf die Gefahr, daß es durch mangelnden inneren Entscheidungseinklang zwischen den einzelnen Nachlaßmassen zu materiellrechtlichen Normenwidersprüchen kommen kann, die von den Beteiligten möglicherweise als ungerecht empfunden werden. Zum anderen kritisiert er die häufig fragwürdige Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen bzw . die Leichtigkeit, mit der Gegenstände in die eine oder andere Vermögensform umgewandelt werden können. 3 Es spricht manches dafür, daß sich das Prinzip der Nachlaßeinheit unter den Delegierten der Haager Konferenz nicht nur wegen der Überzeugungskraft dieser gegen die Nachlaßspaltung sprechenden Argumente so rasch durchsetzen konnte. Vielmehr könnte insoweit auch die personelle Besetzung der Delegationen der Nachlaßspaltungsstaaten eine gewisse Rolle gespielt haben: Der Delegationsleiter der U.S.A. bei der 16. Haager Konferenz, Prof. Scoles, ist nämlich ein Vertreter der neueren Lehrmeinung im amerikanischen Kollisionsrecht, welche zum Teil heftige Kritik am Prinzip der Nachlaßspaltung äußert. 4 Auch Prof. Lagarde, der Vertreter Frankreichs neigt anscheinend eher dem Prinzip der Nachlaßeinheit zu. 5 So wurden also zumindest zwei wichtige Nachlaßspaltungsstaaten bei der Aushandlung der Erbrechtskonvention von Delegationsmitgliedern repräsentiert, die ihrem jeweiligen Heimatrecht insofern eher kritisch gegenüber stehen. Darüber hinaus äußerte sich auch die britische Delegation zumindest für den Fall der objektiven Anknüpfung des Erbstatuts bereits sehr früh im Verlaufe der Abkommensausar-

Diskussion in der Spezialkommission auch Haopei Li, Recueil des Cours 224 (1990 V), 46 f. 2 Waters, Explanatory Report, § 24. 3 Ebd. 4 Vgl. Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 11), 67 ff. Für Nachweise zu anderen Vertretern dieser Lehrmeinung siehe oben 2. Kapitel, A.II.1.b) in Fn. 31. 5 Vgl. Lagarde, Rev.crit.dr.internat.prive 78 (1989), 275. Anders allerdings noch BatiffoVLagarde, No. 638, S. 394.

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

beitung zugunsten des Grundsatzes der Nachlaßeinheit. 6 Dies alles zusammengenommen führte daher dazu, daß die Nachlaßspaltung auf der Haager Konferenz - wenigstens im Hinblick auf die objektive Anknüpfung des Erbstatuts7 praktisch von Anfang an keinen einflußreichen Fürsprecher mehr besaß.

11. Ausnahme: Anknüpfung an das Situsrecht für besondere Regelungen der Erbfolge bei bestimmten Vennögensmassen (Art. 15) Ebenso früh aber, wie auf der Haager Konferenz grundsätzliche Einigkeit über das Prinzip der Nachlaßeinheit herrschte, wurde von verschiedenen Teilnehmern der Konferenz verlangt, daß die spätere Konvention zumindest für einige materiellrechtliche Sonderregelungen hinsichtlich bestimmter unbeweglicher Vermögensmassen, die außerhalb des Staates des nach Art. 3 oder Art. 5 anwendbaren Rechts belegen seien, eine ausnahmsweise Anknüpfung an das Situsrecht zulassen solle. 8 Zweck, Form und Reichweite einer solchen Ausnahmeklausel wurden in der Spezialkommission intensiv diskutiert. Außerdem wurden hierzu z. T. sehr unterschiedliche Vorschläge unterbreitet. 9 Nachdem dann aber bereits in der Spezialkommission eine Einigung über die Grundzüge dieser Ausnahmeregel zustande kam, wurde diese Entscheidung danach in der Zweiten Kommission nicht mehr in Frage gestellt. Dementsprechend wurden dort nur noch einige redaktionelle Änderungen vorgenommen. 1O In ihrer endgültigen Fassung lautet diese Ausnahmeklausel (Art. 15) nunmehr folgendermaßen: Das nach dem Übereinkommen anzuwendende Recht berührt nicht besondere Regelungen der Erbfolge, denen bestimmte unbewegliche Sachen, Unternehmen oder andere besondere Arten von Vermögen wegen ihrer wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Bestimmung nach dem Recht des Staates unterliegen, in dem sie belegen sind. 11

Danach ist also in solchen Fällen, wo der Situsstaat aus den o.a. wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Gründen für besondere auf seinem Territo6 Siehe die Stellungnahme Großbritanniens zu dem Entwurf der Spezialkommission, Comments of the Governments on Preliminary Document No 12, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11,298. 7 Anders aber bei der Rechtswahl; siehe dazu unten 3. Kapitel, B.rn.l. 8 Conclusions of the Special Commission of November 1986, 191, 193. 9 Vgl. Waters, Report of the Special Commission, § 6l. 10 Vgl. Minutes of the Second Commission, Minute No. 11, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 421-23. 11 Deutscher Text aus Übersetzung der Schlußakte der XVI. Tagung der Haager Konferenz vom Bundesminister der Justiz.

B. Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung in der Haager Konvention

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rium belegene Vermögenskategorien eine von den allgemeinen erbrechtlichen Regelungen abweichende Erbfolge anordnet, dem jeweiligen Situsrecht hierfür gegenüber dem im übrigen durch die Konvention für einheitlich auf den gesamten Nachlaß anwendbar erklärten Recht der Vorrang zu gewähren. 12 Art. 15 begründet auf diese Weise also eine Ausnahme vom Prinzip der Nachlaßeinheit. Nach dem allgemein gefaßten Wortlaut dieser Bestimmung gilt diese Ausnahme dabei nicht nur im Bereich der objektiven Anknüpfung des Erbstatuts, sondern auch für das durch Rechtswahl bestimmte Recht. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, entspricht Art. 15 von seinem Inhalt und von seiner Funktion her zum Teil der Regelung des Art. 3 III EGBGB im geltenden deutschen IPR.13 Allerdings ist sein Anwendungsbereich im Ergebnis deutlich enger gefaßt.

1. "Besondere Regelung der Erbfolge" Art. 15 gewährt bestimmten "besonderen Regelungen der Erbfolge"14 den Vorrang gegenüber dem im übrigen auf den Nachlaß anwendbaren Recht. Der Explanatory Report nennt hierfür als wichtigstes Beispiel solche materiellrechtlichen Sonderregelungen, nach denen landwirtschaftliche Familien- oder Kleinbetriebe bei der Erbfolge nicht zerschlagen werden dürfen, sondern als Ganzes auf den nächsten männlichen Nachkommen übergehen sollen. 15 Lagarde und von Overbeck erwähnen als weitere Anwendungsfälle die Regelungen des französischen und schweizerischen Rechts, die dem überlebenden Ehegatten oder anderen erbberechtigten Personen das Recht zusprechen, bei der Nachlaßverteilung eine vorzugsweise Zuteilung ("attribution prejerentielle") von landwirtschaftlichen Betrieben oder von Familienbetrieben zu verlangen. 16 12 Waters, Explanatory Report, § 110. 13 So auch Kunz, ZRP 1990, 214. 14 "Particular inheritance regime" bzw. "regimes successoraux particuliers" in der englischen bzw. französischen authentischen Textfassung der Konvention. 15 Waters, Explanatory Report, § 110. 16 Lagarde, Rev.crit.dr.internat.prive 78 (1989), 275. So kann z.B. gemäß Artt. 832 ff. des französischen Gode Civil der überlebende Ehegatte oder ein gesetzlicher bzw. testamentarischer Erbe beim Nachlaßgericht beantragen, daß ihm eine vorzugsweise Zuteilung bestimmter Nachlaßgegenstände gewährt wird. Hiervon werden v.a. erfaßt: (1) landwirtschaftliche Betriebe, die - unabhängig von ihrer Größe - eine wirtschaftliche Einheit darstellen; (2) Handels-, Industrie- oder Handwerksbetriebe, die als Familienuntemehmen geführt werden; (3) das bewegliche Inventar eines vom Erblasser gepachteten und von seinem Erben fortgeführten Landwirtschaftsbetriebs. Die entsprechenden Vorschriften der Artt. 620 ff. des Schweize14 Braodi

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Mangels anderweitiger Hinweise in Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Art. 15 wird man annehmen müssen, daß es für die Anwendung dieser Ausnahmeklausel keinen Unterschied macht, ob es sich bei dem jeweiligen materiellrechtlichen Sonderstatut um eine Regelung der lex lori oder eines Drittstaates handelt. Daher ist davon auszugehen, daß im Falle eines Beitritts Deutschlands ein deutsches Gericht über Art. 15 auch dem in einigen deutschen Bundesländern fortgeltende Höfe- und Anerbenrecht gegenüber dem anderweitig auf den Nachlaß anwendbaren Recht Vorrang einzuräumen hätte,11 Allerdings läßt Art. 15 im Gegensatz zu Art. 3 III EGBGB einen Vorrang des Situsrechts nur in denjenigen Fällen zu, in denen dieses für die jeweilige Vermögensmasse eine materiellrechtliche Sonderregelung der Erbfolge enthält. Dies ergibt sich daraus, daß der Wortlaut des Art. 15 das Vorliegen einer "besonderen Regelung der Erbfolge" verlangt. Anders als Art. 3 III EGBGB erfaßt Art. 15 daher nicht den Fall der rein kollisionsrechtlichen Vermögensspaltung. Er greift also nicht ein, wenn der Situsstaat lediglich auf der kollisionsrechtlichen Ebene die Anwendung des eigenen Erbrechts für bestimmte auf seinem Territorium befmdliche Vermögensgegenstände anordnet, ohne daß dem eine materiellrechtliche Ausnahmeregelung zugrundeliegt.

2. "Bestimmte unbewegliche Sachen, Unternehmen oder andere besondere Arten von Vermögen" Was die Art der betroffenen Vermögensgegenstände anbelangt, verlangt Art. 15, daß es sich hierbei um "bestimmte unbewegliche Sachen, Unternehmen oder andere besondere Arten von Vermögen" handeln muß. 18 Hinsichtlich des Sammelbegriffs "besondere Arten von Vermögen" nennt der Explanatory Report das Beispiel geschichtlich besonders wertvoller Kunstgegenstände imFamilienbesitz, die aufgrund einer ursprünglichen testamentarischen Verfügung von Generation zu Generation i~er nur in gerader Verwandschaftslinie übertragen werden dürfen. 19 Zur Erläuterung des Begriffs "bestimmte unbewegliche Sachen" verweist der Explanatory Report auf die rischen Zivilgesetzbuchs gewähren vergleichbare Vorzugsrechte, sind aber auf Landwirtschaftsbetriebe beschränkt. 17 Dies entspricht auch der heute herrschenden Meinung zu der entsprechenden Regelung in Art. 3 m EGBGB; vgl. MünchKomm-Sonnenberger, Art. 3 EGBGB, Rz. 28m.w.N. 18 "Certain immovables, enterprises or other special categories of assets" bzw. "certains immeubles, entreprises ou autres categories speciales de biens" in der jeweiligen authentischen Textfassung. 19 Waters, Explanatory Report, § 112.

B. Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung in der Haager Konvention

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bereits oben erwähnten Fälle erbrechtlicher Sonderregelungen für landwirtschaftliche Klein- bzw. Familienbetriebe. 2o Für den Begriff des "Unternehmen" gibt der Explanatory Report folgende allgemeine Definition: "'Bnterprises' is intended to refer to large operations like the artisan. industrial or commercial operations conducted as enterprises or corporations to be found. for instance. in Poland. the Federal Republic of Germany and Belgium where a community of persons enjoy property by membership of the group. and inheritance is by the group. so to speak. rather than by individuals [.] or operations which are otherwise subject to a special regime for commercial reasons. Were individual inheritance to be permitted the conception of an enterprise would be destroyed. 1121

Hier soll dem Recht des Situsstaates also dann der Vorrang eingeräumt werden, wenn nach dessen Regeln für das betreffende Unternehmen ein Sondererbrecht gilt, welches verhindern soll, daß es mit dem Tode eines Gesellschafters zur Auflösung des Unternehmens kommt. Es ist anzunehmen, daß der Explanatory Report mit dem Verweis auf das Beispiel des deutschen Rechts dabei wohl das von BGH und Lehre entwickelte Sondererbrecht zur Rechtsnachfolge in Personengesellschaftsanteile gemeint hat. 22 Wichtig ist, daß Art. 15 von "bestimmten" unbeweglichen Sachen, Unternehmen, und "anderen besonderen" Arten von Vermögen spricht. Damit wird klargestellt, daß Art. 15 nicht auf solche Vorschriften anwendbar ist, die soweit diese überhaupt noch existieren - für alle unbewegliche Sachen besondere Erbfolgeregelungen enthalten. 23 Dies würde zudem dem Grundanliegen der Konvention widersprechen, die Nachlaßspaltung soweit wie möglich abzuschaffen.

20

Bbd.

21 Bbd. 22 Siehe dazu u.a. LangelKuchinke. 94 - 109 m.w.N.; Bbenroth, Rz. 857 ff. Insofern entspricht Art. 15 der Konvention also der h.M. zu Art. 3 III BGBGB; vgl. oben 2. Kapitel, A.IV.2.b)(1). 23 United Kingdom, Consultation Paper, 74. Dies ist hingegen strittig bei Art. 3 III BGBGB. Dort befürwortet MünchKomm-Sonnenberger. Art. 3 BGBGB. Rz. 19 f .• auch die Binbeziehung von Vorschriften des Belegenheitsstaates, die für jede Art von unbeweglichem Vermögen ein Sondererbrecht vorsehen; ablehnend hingegen Kegel. IPR.267.

212

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

3. "Wirtschaftliche, familiäre oder soziale Bestimmung"

Art. 15 verlangt weiterhin, daß die jeweiligen Vermögensmassen eine besondere "wirtschaftliche, familiäre oder soziale Bestimmung"24 haben müssen. Hierbei handelt es sich leider um ein ziemlich unbestimmtes Kriterium, welches nur wenig zur Klärung des Anwendungsbereichs von Art. 15 beiträgt. Der Explanatory Report betont zwar, daß diese Begriffe eng ausgelegt werden sollten. 25 Aber auch der vom Explanatory Report unternommene Versuch, den genaueren Inhalt dieser Kriterien näher abzustecken26 , scheitert angesichts der Weite dieser Begriffe. 27 Eine gewisse Bedeutung erlangen diese Kriterien allenfalls dadurch, daß sie zumindest solche sachrechtlichen Vorschriften vom Anwendungsbereich des Art. 15 ausschließen, die lediglich auf Erwägungen der "nationalen Sicherheit" beruhen. Während der Sitzung der Zweiten Kommission war nämlich auf Betreiben der mexikanischen Delegation beraten worden, ob nicht auch bestimmte Gegenstände, die aufgrund ihrer Bedeutung für die "nationale Sicherheit" besonderen Erwerbsbeschränkungen für Ausländer unterliegen, vom Geltungsbereich des gemäß der Konvention auf den Nachlaß anwendbaren Rechts ausgenommen werden sollten. Hierbei wurde z.B. an Vorschriften des Situsstaates gedacht, die Ausländern den Erwerb von Grenzgrundstükken oder von Beteiligungen an Unternehmen der öffentlichen Versorgung untersagen. Dieser mexikanische Vorschlag wurde jedoch von der Mehrheit der Konferenzteilnehmer abgelehnt. Diese wollten den Anwendungsbereich von Art. 15 auf rein erbrechtliche Regelungen begrenzen und die o.a. Art von Erwerbsbeschränkungen allenfalls als eine Frage des ordre public behandelt

24 Der authentische englische bzw. französische Text lautet "economic, family or social considerations" bzw. "leur destination economique. familiale ou sociale". 25 Waters, Explanatory Report. § 112. 26 Waters umschreibt den Zweck dieser Kriterien folgendermaßen: "To understand this phrase one has to return to the fundamental concerns of the Convention itself. The Convention is concerned with the protection of the family's indefeasible inheritance rights. with economic wealth that affects people when wealth passes from generation to generation. such as in. the form of small family businesses, and with social concerns such as the well-being of groups of peoples within society. Social concerns could also be reflected in the attempt of the state to maintain the standards and values of society as those elements are reflected in laws conceming inheritance and the family. Economic concerns . .. are intended to embrace the enterprises to which reference was earlier made, but there again the concern of the Convention was with groups of persons in the context of inheritance." (Waters. ebd.) 27 Schoenblum. Va. J. Int'l. L. 32 (1991). 149 f.

B. Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung in der Haager Konvention

213

sehen, die von Art. 18 geregelt würde. 28 Im Ergebnis ist auf diese Weise also klar gestellt worden, daß derartige nicht-erbrechtliche Regelungen des Situsstaates von Art. 15 nicht erfaßt werden sollen. 4. Zwingender Charakter der besonderen Erbfolgeregelung? Eine während der Verhandlungen der Zweiten Kommission intensiv diskutierte Frage war, ob das materiellrechtliche Sonderstatut des Situs von international oder zumindest innerstaatlich zwingender Wirkung sein müsse. Die niederländische Delegation hatte insoweit den Vorschlag eingebracht, daß das Prinzip der Nachlaßeinheit in der Erbrechtskonvention nur dann durchbrochen werden sollte, wenn der Situsstaat dem jeweiligen materiellrechtlichen Sonderstatut eine international zwingende Wirkung verliehen habe. Erforderlich sei also, daß die erbrechtliehe Sonderregelung nach dem Situsrecht auf Sachverhalte mit Auslandsberührung zwingend anwendbar sei, unabhängig von dem im übrigen nach den allgemeinen Anknüpfungsnormen des Situsstaates anwendbaren Recht. 29 Hiermit wurde von der niederländischen Delegation Bezug genommen auf eine kontinentaleuropäische Rechtsfigur , welche im französischen Recht ~ [ois de police ~ bzw. ~ [ois d'application immediate" und im deutschen Recht "Eingriffsnormen" genannt wird. 3o Dieser Vorschlag stieß jedoch auf heftigen Widerstand. Ihm wurde entgegengehalten, daß es dem Abkommenszweck der Vereinfachung der Nachlaßplanung und damit auch dem Nutzen der Konvention abträglich sein würde, zu verlangen, daß der Gesetzgeber des Situs den jeweiligen Sonderstatuten (international) zwingende Wirkung verliehen haben müsse, wenn derselbe gesetzgeberische Zweck mit nichtzwingenden Normen erreicht werden könnte, die dem Erblasser mehr Dispositionsfreiheit lassen würden. International zwingend anwendbare Eingrlffsnormen des Situs würden die Vorschriften der Konvention auch ohne Art. 15 immer verdrängen. Deshalb sollten die nationalen Gesetzgeber und Gerichte durch Art. 15 nicht noch dazu ermuntert 28

§ 61.

Waters, Explanatory Report, § 111; Waters, Report of the Special Commission,

29 Siehe Working Document No 58, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 318. 30 Siehe Stellungnahme von Struycken (Niederlande) während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 11, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 422. Zur Bedeutung der Eingriffsnormen für das deutsche Kollisionsrecht siehe z.B. Kropholler, 16 - 21, 88 - 90, 417 - 425; MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 30-60; für einen Vergleich des kontinentaleuropäischen Begriffs der lois de police mit dem amerikanischen interest analysis Ansatz, siehe Guedj, Am. J. Comp. Law 39 (1991), 657 ff.

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

werden, mehr Eingriffsnormen zu schaffen als unbedingt erforderlich. 31 Der niederländische Vorschlag wurde daraufhin mit knapper Mehrheit abgelehnt. 32 Damit blieb jedoch ungeklärt, ob überhaupt eine und ggf. welche Art von zwingender Wirkung dem erbrechtlichen Sonderstatut für die Anwendung von Art. 15 zueigen sein muß. Denn einige Konferenzteilnehmer waren während der Diskussion über den niederländischen Änderungsvorschlag der Auffassung gewesen, daß Art. 15 auch unabhängig hiervon bereits implizit eine international zwingende Wirkung verlangen würde. 33 Andere hingegen meinten, Art. 15 würde selbst für solche erbrechtliche Regelungen gelten, die nicht einmal im internen Recht eine zwingende Wirkung hätten, demnach also durch testamentarische Verfügung abbedungen werden könnten. 34 Die Mitglieder der Zweiten Kommission hatten somit ihre Abstimmungsentscheidung gegen den niederländischen Vorschlag offensichtlich auf divergierende Interpretationen der zu diesem Zeitpunkt bereits bestehenden - und nachfolgend unverändert gebliebenen - Fassung von Art. 15 gestützt. Dementsprechend meint der Explanatory Report zu Recht, daß diese Frage von den Konferenzteilnehmern letztendlich wohl absichtlich offen gelassen worden ist. 3s Dennoch könnte sich in der Zukunft im Falle des Inkrafttretens der Konvention die Frage stellen, welche Anforderungen an die zwingende Wirkung 31 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 113; siehe die Stellungnahme von Lagarde (Frankreich), während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 11, in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd. 11, 422. 32 Siehe Minutes of the Second Commission, Minute No 11, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd.lI, 423. Dieses Abstimmungsergebnis wurde später mit großer Mehrheit bestätigt; vgl. Waters, Explanatory Report, § 113. 33 Siehe die Stellungnahmen von Picone (Italien) und de Magalhaes Colla~o (portugal) während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 11, in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd. 11,423. 34 Siehe die Stellungnahmen von Lagarde (Frankreich) und Pirrung (Deutschland), während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 11, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 422; siehe auch die Stellungnahme Deutschlands zu dem Entwurf der Spezialkommission, Comments of the Govemments on Preliminary Document No 12, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11,285. Pirrung verwies in diesem Zusammenhang auf die Auslegungsregeln der §§ 2049 und 2312 BGB, wonach, wenn der Erblasser angeordet hat, daß einer der Miterben das Recht haben soll, ein zum Nachlaß gehörendes Landgut zu übernehmen, im Zweüel anzunehmen ist, daß das Landgut bei der Miterbenauseinandersetzung und bei der Plichtteilsberechnung zu dem Ertragswert (anstelle des im Regelfall höheren Verkehrswertes) angesetzt werden soll (Stellungnahme von Pirrung während der Sitzung der 11. Kommission, ebd.). 3S Waters, Explanatory Report, § 113.

B. Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung in der Haager Konvention

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des erbrechtlichen Sonderstatuts gestellt werden müßten, damit dieses von dem Anwendungsbereich des Art. 15 erfaßt würde. Insofern wird man nach Ansicht des Verfassers mit Sicherheit annehmen können, daß Art. 15 zumindest keine international zwingende Wirkung des Sonderstatuts im Sinne der "Eingriffsnormen • erfordert. Der genaue Inhalt dieser Rechtsfigur ist nämlich selbst im kontinentaleuropäischen Rechtskreis, wo sie ihren Ursprung hat, noch ziemlich umstritten. 36 Darüber hinaus ist das Konzept der Eingriffsnormen im anglo-amerikanischen Rechtskreis bislang weitgehend unbekannt geblieben. 37 Daher erschiene es unzulässig, in Art. 15 das Erfordernis einer international zwingenden Wirkung im Sinne eines loi d'application immediate hineinzulesen, wenn bislang auf internationaler Ebene über dessen Inhalt keine Einigkeit herrscht. Vielmehr wäre zu erwarten gewesen, daß ein solches Erfordernis im Normtext oder in den Abkommensmaterialien explizit genannt würde. Für diese Überlegung spricht auch, daß die beiden einzigen internationalen Kollisionsrechtsabkommen, die bisher die Rechtsfigur der lois d' application immediate übernommen haben, dies ausdrücklich getan haben. 38 Weniger klar ist jedoch, ob die jeweilige materiellrechtliche Sonderregelung zumindest im internen Recht zwingende Wirkung haben muß oder ob selbst dies nicht erforderlich ist. Verschiedene Konferenzteilnehmer haben betont, daß Art. 15 allgemein als Ausnahmevorschrift zu verstehen und eng auszulegen sei. Daher würden nach ihrer Ansicht nur solche Sonderregelungen erfaßt, die Vermögensgegenstände von wirklich besonderer Bedeutung für den Situsstaat beträfen. 39 Im vorliegenden Zusammenhang spräche dies daher dafür, den Geltungsbereich von Art. 15 auf intern zwingende Normen zu beschränken, da andernfalls am Vorliegen wirklich bedeutender und schützenswerter Interessen des Situs gezweifelt werden müßte. Jedoch zeigt ein näherer Blick auf die bereits erwähnten Regelungen des deutschen, französischen und schweizerischen Rechts, die dem Schutze von Landwirtschafts- und Familienbetrieben dienen, daß die Unterscheidung zwischen intern zwingendem und nicht zwingendem Gesetzesrecht in diesem Gebiet nur wenig als Indikator für die Stärke der Interessen des Situs am Schutz dieser erbrechtlichen Sondervermögen taugt. So kann die Sondererbfolge bei manchen dieser Vorschriften vom Erblasser durch testamentarische Vgl. Guedj, Am. J. Comp. Law 39 (1991), 662 - 675, 681 - 685. Ebd. 38 Diese Rechtsfigur fmdet sich zum einen wieder in Art. 7 der EG-Schuldvertragsübereinkommens; siehe dazu u.a. Kropholler, 422 f.; Kegel, IPR, 188 f., m.w.N .. Zum anderen taucht sie auf in Art. 16 des Haager Abkommensentwurfs über das auf die Stellvertretung anwendbare Recht; siehe hierzu Müller-Freienfels, RabelsZ 43 (1979), 80 ff. 39 Scoles, Report, 11; so wohl auch Waters, Explanatory Report, § 112. 36 37

216

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Verfügung ausgeschlossen werden4o , andere ähnliche Vorschriften lassen dies dagegen nicht ZU. 41 Selbst innerhalb des teils landesrechtlich und teils bundesrechtlich geregelten deutschen Anerbenrechts sind sowohl zwingende42 als auch dispositive43 Regelungen zu finden. Zwingende und nichtzwingende Vorschriften scheinen hier demnach den gleichen gesetzgeberischen Zweck zu erfüllen. Es ist daher nicht unbedingt ersichtlich, daß die entsprechenden Interessen des Situsstaates in dem einen Fall gewichtiger sind als in dem anderen. 44 Als Indikator für das Gewicht der Interessen des Situs an der Anwendung seiner entsprechenden Vorschriften muß deshalb die bloße Existenz dieser Vorschriften ausreichen. Ob sie eine materiellrechtlich zwingende Wirkung haben oder nicht, sollte dabei unerheblich sein.

Im Ergebnis wird man Art. 15 demnach dahingehend auslegen können, daß auch solche erbrechtlichen Sonderstatute erfaßt werden sollen, die im materiellen Recht lediglich dispositiver Natur sind. 45 Eine intern oder gar international zwingende Wirkung dieser Vorschriften wäre demzufolge nicht erforderlich.

40 So z.B. die Vorschriften der Artt. 832 ff. des französischen Code Civil zur anribution preferentielle. 41 So anscheinend die entsprechenden Vorschriften des schweizerischen Zivilgesetzbuchs, vgl. dort Art. 621 bis. 42 Zwingend in diesem Sinne sind z.B. die Vorschriften der in der ehemaligen britischen Besatzungszone als partielles Bundesrecht fortgeltende Höfeordnung vom 24.4.1947; siehe Lange/Kuchinke, 1081 - 1083 43 Art. 64 11 EGBGB bestimmt, daß die landesrechtlichen Anerbengesetze das Recht des Erblassers nicht beschränken dürfen, hinsichtlich des dem Anerbenrecht unterliegenden Grundstück durch Verfügung von Todes wegen den ungeteilten Übergang des Hofes auszuschließen (vgl. hierzu Palandt-Edenhofer, Art. 64 EGBGB, Rz. 1 f.). So gestattet z.B. das in Baden-Württemberg bzw. dem früheren Land Württemberg-Hohenzollern geltende Anerbengesetz dem Erblasser in Art. 6 11 den Ausschluß des Anerbenrechts oder andere abweichende Bestimmungen durch letztwillige Verfügung. 44 1m Zweifelsfalle wird ein Gesetzgeber, der dem Erblasser das Recht eingeräumt hat, den ungeteilten Übergang des Sondervermögens testamentarisch auszuschließen, hierbei von der Überzeugung geleitet gewesen sein, daß es wenig Sinn macht, einem Erblasser die Fortführung seines Hofes bzw. Unternehmens gegen dessen Willen aufzunötigen, wenn dieser einem solchen Zwang ohne weiteres durch entsprechende Verfügungen unter Lebenden ausweichen könnte. 45 So auch Lagarde, Rev.crit.dr.internat.prive 78 (1989), 266; Westbroek/de Lange, 147.

B. Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung in der Haager Konvention

217

5. Zusammenfassung Im Vergleich zu dem verwandten Art. 3 III EGBGB im heutigen deutschen IPR ist Art. 15 also insofern deutlich enger gefaßt, als dieser eine Ausnahme zur Nachlaßeinheit nur in den Fällen einer materiellrechtlichen Vermögensspaltung zuläßt, nicht aber bei einer rein kollisionsrechtlichen Vermögensspaltung. Andererseits reicht Art. 15 dadurch etwas weiter, daß er im Gegensatz zu Art. 3 III EGBGB46 auch solche materiellrechtlichen Sonderregelungen des Situsstaats erfaßt, die bloß dispositiver Natur sind. Gleichwohl dürfte Art. 15 in der Praxis nur einen engen Anwendungsbereich haben, da die Zahl entsprechender materieller erbrechtlicher Sonderstatute mittlerweile stark gesunken ist. 47 Allerdings haben die bisherigen Ausführungen auch gezeigt, daß die endgültige Textfassung des Art. 15 an einigen Punkten eine gewisse Unbestimmtheit aufweist. Für die praktische Anwendung dieser Vorschrift läßt dies daher leider trotz ihrer engen inhaltlichen Reichweite ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit erwarten. 48 Dies gilt insbesondere für diejenigen Staaten, denen eine Regelung wie die des Art. 3 III EGBGB bisher nicht vertraut gewesen ist. Es ist außerdem nicht auszuschließen, daß manche Nachlaßspaltungsländer sich dazu verleitet sehen könnten, bestimmte Rechtsinstitute, für welche nach ihrem angestammten Rechtsverständnis schon immer die Situsregel galt, mittels des Art. 15 dem Anwendungsbereich des Grundsatzes der Nachlaßeinheit zu entziehen. 49 46 Dort wird man wohl eine international zwingende Wirkung des Sonderstatuts verlangen müssen; siehe oben 2. Kapitel, A.IV.2.b)(1) in Fn. 183. 47 Vor allem die ehedem eine große Rolle spielenden Fideikommisse, Lehen und Anerbengüter sind heute praktisch ausgestorben. Vgl. Kegel, IPR, 262, 265. 48 Siehe dazu Scoles' scharfe Kritik: "This article is a particularly unhappy instance of imprecise drafting without adequate consideration by the Conference." Scoles, Report, 11. 49 Vgl. hierzu z.B. Waters, Report of the Special Commission, § 62; van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 53; Ireland, Report, 76. Dort wird die Frage diskutiert, inwieweit das traditionelle homestead right des überlebenden Ehegatten im amerikanischen Erbrecht bzw. das ähnlich geartete Recht des Ehegatten gemäß § 56 des irischen Succession Act 1965 unter Art. 15 der Haager Erbrechtskonvention fällt: Das amerikanische homestead right gewährt dem überlebenden Ehegatten (und z.T. auch den Erblasserkindern) das Recht, das Familienheim nach Eintritt des Erbfalles unbelastet von Nachlaßschulden zu übernehmen. Siehe hierzu allgemein Scoles, U. Fla. L. Rev. 8 (1955), 152 ff.; Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, Bd. 1,379 ff.; Firsching: U.S.A., in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 93; Corpus Juris Secundum, Bd. 40, St. Paul (Minn.), 1991, Stichwort "homestead", §§ 133 ff. Der Berichterstatter Waters meint in seinem Bericht zum Abkommensvorentwurf der Spezialkommission, daß das homestead right

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Diesen Schwierigkeiten könnte man allenfalls dadurch entgegensteuern, daß man bei der Auslegung und Anwendung dieser Regelung die beiden folgenden Punkte berücksichtigt, welche zum Teil bereits oben erwähnt wurden: Zum einen ist zu beachten, daß es sich bei Art. 15 nur um eine Ausnahmevorschrift handelt, die in jedem Fall eng auszulegen ist. so Diese Vorschrift sollte daher bei Inkrafttreten der Konvention allein auf außergewöhnliche Fälle von materiellrechtlichen Sonderregelungen angewandt werden, die von wirklich herausragender Bedeutung für den Situsstaat sind. Zum anderen sollte man berücksichtigen, daß die Funktion von Art. 15 nach den Vorstellungen der Konferenzteilnehmer anscheinend insbesondere darin liegen soll, die Zerschlagung bestimmter wirtschaftlicher Werte zu verhindern. Dies läßt sich daraus folgern, daß das wichtigste Beispiel, welches im Explanatory Report und in den übrigen Stellungnahmen zu Art. 15 immer wieder genannt wird, die Sonderregelungen der Erbfolge in Personengesellschaftsanteile, in Familien- und landwirtschaftliche Kleinbetriebe sind. SI Insofern ging es den Konferenzteilnehmern also wohl vor allem darum, eine Regelung zu schaffen, mit deren Hilfe bestimmte Vermögenseinheiten davor geschützt werden sollen, blinden Auges auf dem Altar der Nachlaßeinheit geopfert zu werden, wenn sie für den Situsstaat eine wichtige wirtschaftliche oder soziale Funktion erfüllen. Es sollten daher diese Art von Sonderregelungen der Erbfolge in Personengesellschaftsanteile, in Familien- und landwirtschaftliche Kleinbetriebe als eine Art von "Kernbereich" des Art. 15 angesehen werden. Dies hätte zur Konsequenz, daß man sich bei der Einbeziehung anderer Arten von materiellrechtlichen Sonderregelungen in den Anwendungsbereich des Art. 15 an diesem Leitbild zu orientieren hätte. Dabei sollte infolge des Ausnahmecharakters dieser Vorschrift in jedem Fall sehr zurückhaltend vorgegangen werden.

von Art. 15 erfaßt würde (Waters, ebd.; ebenso van Loon, ebd.). Allerdings greift Waters diesen Punkt in seinem Explanatory Report zur endgültigen Abkommensfassung nicht wieder auf. Das Recht des überlebenden Ehegatten nach § 56 des irischen Succession Act 1965 besteht darin, daß der Ehegatte von dem Erbschaftsverwalter die Übergabe des Familienheims in Erfüllung seiner gesetzlichen oder testamentarischen Erbansprüche verlangen kann. Die irische Law Reform Commission diskutiert in ihrer Stellungnahme zur Haager Erbrechtskonvention ebenfalls, ob dieses Rechtsinstitut von Art. 15 erfaßt wird, läßt diese Frage aber im Ergebnis offen (siehe Ireland, ebd.). so Scoles, Report, 11; Waters, Explanatory Report, § 112. SI Siehe oben 2. Kapitel, B.lI.L

B. Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung in der Haager Konvention

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111. Ausnahme: Renvoi des zweiten Grades (Art. 4) Als zweite Ausnahme der Konvention zum Prinzip der Nachlaßeinheit bei objektiver Anknüpfung des Erbstatuts ist die Vorschrift des Art. 4 zu nennen. Wie bereits oben erläutert wurde, regelt diese eine besondere Konstellation des renvoi des zweiten Grades. 52 Danach ist für den Fall, daß Art. 3 des Abkommens auf das Recht eines Nichtvertragsstaates verweist und dieses auf das Recht eines anderen Nichtvertragsstaates weiterverweist, welcher seinerseits die Verweisung annimmt, im Ergebnis das Recht dieses zweiten Nichtvertragsstaates anzuwenden. Hier kann es zur Nachlaßspaltung kommen, falls es um die Erbfolge in einen unbeweglichen Nachlaßgegenstand geht, der in einem Nichtvertragsstaat belegen ist, und wenn nicht nur dieser, sondern auch der andere beteiligte Nichtvertragsstaat der Nachlaßspaltung folgt. Dies wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn ein deutsches Gericht - nach einem Beitritt Deutschlands zur Erbrechtskonvention - die Erbfolge hinsichtlich eines in England belegenen Grundstück zu prüfen hätte, das einem Erblasser gehört, der nach mehr als fünfjährigem gewöhnlichen Aufenthalt in Frankreich gestorben ist. Hier würde das deutsche Gericht durch Art. 3 11 des Abkommens auf französisches Recht verwiesen. Sollte Frankreich das Haager Erbfolgeabkommen in diesem Falle noch nicht ratifiziert haben, würde die Situsregel des französischen IPR für die Erbfolge in das Grundstück auf das englische Recht weiterverweisen. Sollte auch England dem Abkommen noch nicht beigetreten sein, würde das englische Recht seinerseits diese Verweisung annehmen; Dies müßte vom deutschen Gericht gemäß Art. 4 des Abkommens berücksichtigt werden. Dann wäre auch aus deutscher Sicht auf das Grundstück englisches Erbrecht anwendbar, während für die Erbfolge in den Restnachlaß gemäß Art. 3 11 französisches Recht gelten würde. Wie oben bereits ebenfalls ausgeführt wurde, war die Regelung des Art. 4 unter den Konferenzteilnehmern ziemlich umstritten. 53 Hierbei war es vor allem der soeben beschriebene Fall des partiellen renvoi, welcher auf heftigen Widerstand stieß. Insbesondere die Delegation Dänemarks kritisierte, daß auf diese Weise das Prinzip der Nachlaßeinheit unnötig eingeschränkt würde. 54 Es war daher hauptsächlich dieser Kritikpunkt, mit dessen Hilfe es der dänischen Delegation schließlich durchzusetzen gelang, daß in Art. 24 I b) der Konvention die Möglichkeit geschaffen wurde, dem Abkommen unter dem Vorbehalt beizutreten, Art. 4 nicht anzuwenden. 55 52 53 54 55

Siehe oben 1. Kapitel. A.IV. Siehe ebd. Vgl. Waters. Explanatory Report. § 60. Vgl. Waters. ebd .• § 142.

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

c. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention Bei objektiver Anknüpfung des Erbstatuts gilt in der Haager Konvention demnach ebenso wie im derzeitigen deutschen IPR der Grundsatz der Nachlaßeinheit. Ebenso wie das deutsche IPR durchbricht die Haager Konvention diesen Grundsatz aber im Falle des teilweisen renvoi und bei bestimmten Sonderstatuten des Situsrechts. Beide diese Ausnahmen sind in der Erbrechtskonvention jedoch enger gefaßt als im deutschen Recht. Insgesamt fällt also auf, wie ähnlich die Haager Konvention dem deutschen Recht in diesen Punkten ist. Der entscheidende Unterschied ist insofern allein, daß die Nachlaßeinheit im Haager Abkommen - zumindest bei der objektiven Anknüpfung des Erbstatuts - noch konsequenter verwirklicht wird. Es fragt sich, ob das Abkommen aus diesem Grunde im Vergleich zum geltenden Recht die bessere Regelung darstellt.

I. ParteÜDteresse Wie oben dargelegtl, spricht das Parteiinteresse von Erblasser und Erben eindeutig für eine einheitliche personale Anknüpfung des Erbstatuts im Sinne der Nachlaßeinheit. Infolge ihrer grundsätzlichen Entscheidung für die Nachlaßeinheit befmden sich daher sowohl das geltende deutsche IPR als auch die Haager Erbrechtskonvention im Einklang mit diesem Parteiinteresse. Die Haager Konvention hält das Prinzip der Nachlaßeinheit aber noch konsequenter durch. Sie wird dem Parteiinteresse von Erblasser und Erben daher in einem noch weitergehenden Maße gerecht. Insoweit gebührt der Haager Konvention also der Vorzug. Bedauerlich ist jedoch, daß der Grundsatz der Nachlaßeinheit von der Haager Konvention nur innerhalb ihres begrenzten zwingenden Anwendungsbereichs (vgl. Art. 7 11) mit einer für alle Vertragsstaaten verbindlichen Wirkung durchgesetzt wird. Damit würde bei Inkrafttreten des Abkommens nur für die in Art. 711 genannten Sachfragen, die dem Bereich der Nachlaßverteilung zuzurechnen sind2 , zwingend eine einheitliche personale Anknüpfung

Siehe oben 2. Kapitel, A.m.l.c)(l). Der zwingende Anwendungsbereich des Haager Abkommens umfaßt gemäß Art. 7 11 vor allem die Erbberechtigung und die Art und Größe der Nachlaßbeteiligung, die Enterbung und Erbunwürdigkeit, eventuelle Ausgleichungspflichten für Vorempfänge unter Lebenden und schließlich die Einschränkungen der Testierfreiheit sowie die materiellen Gültigkeitsvoraussetzungen letztwilliger Verfügungen. Siehe hierzu ausführlich unten 4. Kapitel, A.II. 1

2

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

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gelten. Dagegen würden verschiedene Sachbereiche, bei denen eine einheitliche Anknüpfung an das Personalstatut des Erblassers ebenfalls angemessen gewesen wäre (z.B. Testamentsauslegung3, Nachlaßabwicklung und Nachlaßhaftung4), in den sogenannten "Graubereich " des Art. 7 III fallen. 5 Es ist den Vertragsstaaten insofern freigestellt, ob sie die Anknüpfungsregeln des Abkommens auch auf diese Sachfragen anwenden wollen. Von den kontinentaIeuropäischen Staaten könnte dies zwar mit einiger Gewißheit erwartet werden. Bei den anglo-amerikanischen Ländern dürfte hiermit jedoch leider kaum zu rechnen sein. Allerdings ist es auf jeden Fall als Erfolg der 16. Haager Konferenz zu bewerten, daß man sich dort - einschließlich der anglo-amerikanischen Staaten sowie 'Frankreichs und der übrigen dem französischen System folgenden Länder - wenigstens hinsichtlich des zwingenden Anwendungsbereichs der Konvention auf den Grundsatz der Nachlaßeinheit hat einigen können. Zumindest insoweit würde der Grundsatz der Nachlaßeinheit bei Inkrafttreten der Konvention im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander in einem weitergehenden Maße verwirklicht, als es unter der derzeitigen Rechtslage geschieht. Darüber hinaus ist im Hinblick auf einen möglichen Beitritt Deutschlands zu beachten, daß es den deutschen Gerichten unbenommen bliebe, die Anknüpfungsregeln der Konvention auch auf diejenigen Materien anzuwenden, die zwar nicht in den zwingenden Anwendungsbereich des Abkommens fallen, die aber nach deutschen Rechtsverständnis zum Geltungsbereich des Erbstatuts gehören. Es würde sich sogar anbieten, daß der deutsche Gesetzgeber aus KlarstellungsgrüDden bereits bei der Ratifikation des Abkommens eine entsprechende ausdrückliche Erklärung abgeben würde. Zwar hätte eine solche einseitige Ausweitung des Anwendungsbereichs keinerlei verpflichtende Wirkung für die übrigen Vertragsstaaten. 6 Zumindest aber böte ein Beitritt Deutschlands zur Haager Erbrechtskonvention auf diese Weise die Chance, das Prinzip der Nachlaßeinheit wenigstens im deutschen Kollisionsrecht konsequenter als bisher zu verwirklichen.

11. Situsinteressen Sowohl das geltende deutsche IPR als auch die Haager Konvention berücksichtigen im hinreichenden Umfange etwaige Interessen des Situsstaates, soweit diese in besonderen Fällen für eine ausnahmsweise Anknüpfung der Siehe oben 2. Kapitel, A.I1I.2.a)(3). Siehe oben 2. Kapitel, A.I1I.2.a)(5). 5 Siehe unten 4. Kapitel, A.II.6. 6 Waters, Explanatory Report, § 74. 3

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222

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

Erbfolge an das Situsrecht sprechen könnten. Das deutsche IPR enthält zu diesem Zweck eine Ausnahmeregelung in Art. 3 III EGBGB. Die Haager Konvention hat eine vergleichbare Regelung in Art. 15. Beide Regelungen gewähren dem Situsrecht Vorrang gegenüber der einheitlich personalen Anknüpfung des Erbstatuts, falls der Situsstaat aus wichtigen sozialen oder wirtschaftspolitischen Gründen im internen Erbrecht eine Durchbrechung des Grundsatzes der Gesamtrechtsnachfolge anordnet. Hier entsprechen sich also kollisionsrechtliche und materiellrechtliche Vermögensspaltung. Dies ist, wie oben bereits ausgeführt wurde7 , die einzige Fallkonstellation, in welcher die Interessen des Situsstaates eine Ausnahme vom Prinzip der Nachlaßeinheit gebieten können. Beide Ausnahmeregelungen sind jedoch - zumindest was die Berücksichtigung vorrangiger Situsinteressen anbelangt - zu weit geraten. Art. 3 III EGBGB enthält nämlich den Nachteil, die einheitliche Anknüpfung des Erbstatuts auch in Fällen einer rein kollisionsrechtlichen Vermögensspaltung zu durchbrechen. Dies kann jedoch nicht mit entsprechenden Situsinteressen gerechtfertigt werden. Insoweit erweist sich allenfalls der Gesichtspunkt des internationalen Entscheidungseinklanges als ein tragfähiges Argument. 8 Dagegen weist Art. 15 der Haager Erbrechtskonvention nach der hier vertretenen Auslegung dieser Vorschrift den Mangel auf, die Anwendung des Situsrechts auch dann anzuordnen, wenn das materiellrechtliche Sonderstatut im internen Recht lediglich dispositiver Natur ist. Hier hätten die Teilnehmer der 16. Konferenz wohl besser daran getan, dem Vorschlag der niederländischen Delegation entsprechend die Durchbrechung der Nachlaßeinheit auf solche Fälle zu begrenzen, in denen das materiellrechtliche Sonderstatut mit einer international zwingenden Wirkung ausgestattet ist. Mit anderen Worten gesagt wäre es sinnvoller gewesen, diese Ausnahmeregelung ausdrücklich auf solche Vorschriften des Situs zu beschränken, denen die Wirkung von Eingriffsnormen bzw. von [ois d'applicanon immediate zukommt. Unter der jetzigen Fassung des Art. 15 besteht daher die Gefahr, daß der Grundsatz der Nachlaßeinheit in der praktischen Anwendung der Konvention durch die Gerichte in einem zu weit gehenden Maße aufgeweicht werden könnte, wenn diese bestimmten Regelungen des Forums- bzw. Situsrechts Vorrang gegenüber einem ausländischen Erbstatut einräumen möchten.

7 8

Siehe oben 2. Kapitel, A.III.1.b)(5). Siehe oben 2. Kapitel, A.IV.2.a)(2).

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

223

111. Innerer Entscheidungseinklang kontra Anknüpfungsgleichlauf Im Hinblick auf die praktischen Vor- und Nachteile von Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltung stehen sich, wie oben erläutert wurde, vor allem die Interessen der Erben und des Erblassers auf der einen und die Interessen des Rechtsverkehrs auf der anderen Seite gegenüber. Die Interessen des Rechtsverkehrs verlangen insoweit beim Immobiliarnachlaß einen Gleichlauf der Anknüpfung von Erbstatut, Realstatut und Grundbuchverfahrensrecht. 9 Erblasser- und Erbeninteressen hingegen gebieten, die Erbfolge für den gesamten Nachlaß einheitlich an eine Rechtsordnung anzuknüpfen, um auf diese Weise Disharmonien und Ungerechtigkeiten bei Nachlaßabwicklung und -verteilung zu vermeiden. 10 Zumindest innerhalb ihres zwingenden Anwendungsbereichs verwirklicht die Haager Erbrechtskonvention das kollisionsrechtliche Ideal des inneren Entscheidungseinklanges in konsequenterer Weise als das derzeitige deutsche internationale Erbrecht. Die Lösung des Haager Abkommens befindet sich damit insoweit in größerem Einklang mit den entsprechenden Erblasser- und Erbeninteressen. Umgekehrt berücksichtigt das deutsche Kollisionsrecht durch die Beachtung einer teilweisen Rückverweisung auf deutsches Belegenheitsrecht (vgl. Art. 4 I 2 EGBGB) die Interessen des Rechtsverkehrs in Deutschland an einem Anknüpfungsgleichlauf zwischen Erb- und Realstatut in größerem Maße als die Haager Konvention. Bei einem Beitritts Deutschlands zur Haager Erbrechtskonvention würde man daher in den Fällen, wo der Erblasser Staatsangehöriger einer Rechtsordnung ist, die ihrerseits der Nachlaßspaltung folgt, nicht mehr über den Weg der teilweisen Rückverweisung zu einer Anwendung deutschen Erbrechts auf deutsches unbewegliches Nachlaßvermögen gelangen. Dies bedeutet aber nicht zwangsläufig, daß es dadurch insgesamt zur vermehrten Anwendung ausländischen Erbrechts auf deutsches Immobiliarvermögen und damit zu einer entsprechenden Belastung des Grundstücksverkehrs kommen muß. Denn die wohl überwiegende Zahl von Erbrechtsfällen mit Auslandsberührung, mit denen die deutschen Rechtsanwendungsstellen sich in der Zukunft werden beschäftigen müssen, wird wahrscheinlich die Abwicklung von Gastarbeiternachlässen zum Gegenstand haben. Mit wachsender Dauer des Aufenthaltes der Gastarbeiter in Deutschland wird daher wegen der Bevorzugung der Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht in Art. 3 11 der Konvention vermehrt einheitlich deutsches Recht auf den gesamten Nachlaß An9 10

Siehe oben 2. Kapitel, A.m.2.c). Siehe oben 2. Kapitel, A.m.2.a).

224

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

wendung finden. 11 In diesen Fällen wären demzufolge sogar die beiden Ziele des inneren Entscheidungseinklangs und des Anknüpfungsgleichlaufs gleichzeitig erfüllt. Gleichwohl kann es gemäß Art. 3 der Konvention zur Anknüpfung an ausländisches Erbrecht in solchen Fällen kommen, in denen unter derzeitigem Recht eine Rückverweisung auf die deutsche lex rei sitae stattfmden würde: so nämlich vor allem bei Berührung mit Rechtsordnungen des angloamerikanischen oder französischen Kollisionsrechtssystems. Für diese Fälle müßte der deutsche Gesetzgeber demnach entscheiden, welches der beiden Ziele für den deutschen Rechtsverkehr schwerer wiegt: Herstellung des inneren Entscheidungseinklangs für den gesamten Nachlaß oder Wahrung eines Anknüpfungsgleichlauf zwischen Erb- und Realstatut im Hinblick auf das in Deutschland belegene unbewegliche Nachlaßvermögen? Für eine Bevorzugung des Anknüpfungsgleichlaufs beim inländischen Immobiliarnachlaß könnte sprechen, daß dort die Interessen des inländischen Rechtsverkehrs an der Anwendung der lex fori besonders ausgeprägt sind. Im Gegensatz zum beweglichen Nachlaß handelt es sich nämlich beim Immobiliarnachlaß um Vermögensrechte, die ihrem Inhaber Rechtsbefugnisse zuweisen, die notwendig im Inland auszuüben sind und die damit nach dem Tode des Erblassers früher oder später zwangsläufig im Inland die Frage nach der Rechtsnachfolge aufwerfen. 12 Außerdem sind im deutschen Recht die Grundbuchämter in die Übertragung von Rechten an Grundstücken zwingend mit konstitutiver Wirkung einbezogen. Zwar erfolgt die erbrechtliche Gesamtrechtsnachfolge in das Grundstückseigentum als solche außerhalb des Grundbuchs, jedoch hat eine anschließende Verfügung des Erben durch Verkehrsgeschäft notwendigerweise über das Grundbuch zu erfolgen. 13 Daher erscheint die Gefahr von Spannungen zwischen dem ausländischen Erbstatut und dem inländischen Sachen- und Verfahrensrecht beim unbeweglichen Nachlaßvermögen zunächst deutlich größer als bei dem Mobiliarnachlaß. Dies könnte auf den ersten Blick dafür sprechen, die Erbfolge in den Immobiliarnachlaß soweit wie möglich an das inländische Erbrecht anzuknüpfen. Dem steht jedoch entgegen, daß die Probleme in der Gestalt von Normenwidersprochen zwischen Erb- und Realstatut im deutschen Recht auch beim inländischen beweglichen Nachlaß auftreten können. Dieser Fall kann nämlich dann eintreten, wenn für den beweglichen Inlandsnachlaß ein Fremdrechtserbschein gemäß § 2369 BGB ausgestellt wird. Auch dort kann die korrekte Bezeichnung der jeweiligen Art der Nachlaßbeteiligung erhebliche 11 Siehe hierzu ausführlicher oben 1. Kapitel, C.I.2.d). 12 13

bömer, DNotZ 1988, 94. Veit StoII, 56.

c. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

225

Schwierigkeiten bereiten, wenn die vom ausländischen Erbstatut angeordnete Rechtsfolge dem deutschen Erb- und Sachenrecht fremd ist. 14 Zwar besitzt der Erbschein bei der Verfügung des Erben über bewegliches Nachlaßvermögen nicht dieselbe notwendig konstitutive Bedeutung wie das Grundbuch beim unbeweglichen Nachlaß. Ihm kommt aber eine vergleichbare Funktion für den Schutz gutgläubiger Erwerber und damit für den Schutz des inländischen Rechtsverkehr insgesamt zu wie der Grundbucheintragung für Grundvermögen. Hinsichtlich des beweglichen Nachlaßvermögens kann der Rechtsverkehr daher durch die Anwendung ausländischen Erbrechts im Ergebnis in einem ähnlichen Maße erschwert werden wie beim Immobiliarnachlaß. Die sich aus den Spannungen zwischen einem ausländischen Erbstatut und dem inländischen Erb-, Sachen- und Verfahrensrecht ergebenden Probleme sind also bei beweglichem und unbeweglichem Nachlaßvermögen weitgehend vergleichbar. Das Gebot des Anknüpfungsgleichlaufs spricht deshalb allenfalls dafür, das Erbstatut bei Auslandssachverhalten insgesamt mehr an die lex fori anzuknüpfen, so wie es z.B. das in Art. 3 11 der Haager Konvention verankerte Aufenthaltsprinzip vorsieht. Der Gesichtspunkt des Anknüpfungsgleichlaufs gebietet nach dem oben Gesagten jedoch nicht zwingendermaßen eine Sonderbehandlung des Immobiliarnachlasses. Darüber hinaus ist bei der Abwägung zwischen den Zielen des inneren Entscheidungseinklangs und des Anknüpfungsgleichlaufs auch folgendes zu berücksichtigen: Wie der obige rechtsvergleichende Überblick gezeigt hat, sind die aus einem mangelnden inneren Entscheidungseinklang entstehenden Schwierigkeiten ausgesprochen komplex und vielfältig. Sie berühren praktisch jeden Bereich des materiellen Erbrechts. Auf diese Weise übertreffen sie die Probleme, die sich beim Immobiliarnachlaß aus dem Konflikt zwischen einem ausländischen Erbstatut und dem inländischen Sachenrecht ergeben können, deutlich an Zahl und Vielgestaltigkeit. Daher spricht einiges für die Annahme, daß sowohl die Nachlaßplanung als auch die Abwicklung und Verteilung der Erbschaft durch einen mangelnden inneren Entscheidungseinklang insgesamt mehr erschwert werden können als durch einen mangelnden Anknüpfungsgleichlauf von Erb- und Realstatut beim Immobiliarnachlaß. Auch aus diesem Grund sollte dem kollisionsrechtlichen Ideal des inneren Entscheidungseinklangs demzufolge bei der Abwägung zwischen beiden Gesichtspunkten im Ergebnis das größere Gewicht zugesprochen werden. Da die Haager Erbrechtskonvention den inneren Entscheidungseinklang insgesamt konsequenter verwirklicht als das geltende deutsche Recht, wäre ein deutscher Beitritt demnach auch aus diesen Gründen zu befürworten. 14 Siehe z.B. Kegel, IPR, 668 f.; Gottheiner, RabelsZ 21 (1956), 36, 67 ff. Siehe ausführlich Griem, 162 ff. IS Brandi

226

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

IV. Qualifikationsfragen Die Haager Erbrechtskonvention bietet ferner den Vorteil, daß es ihr besser gelingt als dem derzeitigen deutschen IPR, die mit der Unterscheidung zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen verbundenen Qualifikationsprobleme zu vermeiden. Denn unter der Haager Konvention kann sich die Frage nach der Unterscheidung zwischen Mobilien und Immobilien lediglich im Fall eines teilweisen renvoi im Rahmen von Art. 4 stellen. Unter geltendem deutschen Recht dagegen können diese QualifIkationsprobleme sowohl bei der beschränkten Rechtswahl gemäß Art. 25 11 EGBGB als auch im Falle der teilweisen Rückverweisung sowie im Rahmen von Art. 3 III EGBGB relevant werden. Allerdings wirft die Haager Konvention wiederum andere QualifIkationsfragen auf. Insofern weckt vor allem die Regelung des Art. 15 der Konvention Bedenken. Die Unbestimmtheit dieser Vorschrift läßt für ihre praktische Anwendung nämlich leider ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit befürchten. Es bleibt daher allein zu hoffen, daß die Gerichte der Mitgliedsstaaten sich bei der Auslegung dieser Vorschrift an deren Funktion als Ausnahmebestimmung orientieren und diese so weit wie möglich nur auf den im wesentlichen unbestrittenen Kembereich anwenden werden. 1S

V. Internationaler Entscheidungseinklang 1. Rechtslage im Verhältnis zu Vertragsstaaten Bei Inkrafttreten der Haager Erbrechtskonvention würde im Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander ein international einheitliches System erbrechtlicher Kollisionsnormen gelten, das weitestgehend dem Prinzip der Nachlaßeinheit verpflichtet ist. Zumindest gälte dies hinsichtlich des für alle Teilnehmerstaaten zwingenden Anwendungsbereich des Abkommens im Sinne von Art. 711. Unter dem geltenden Recht ist dagegen aus deutscher Sicht ein internationaler Entscheidungseinklang gegenüber den Nachlaßspaltungsstaaten nur unter Aufgabe der Nachlaßeinheit erzielbar. 16 Das Haager Abkommen böte insofern also den Vorteil, daß es innerhalb seines zwingenden Anwendungsbereichs zumindest im Verhältnis zwischen seinen Mitgliedsstaaten

IS 16

Siehe dazu oben 2. Kapitel. B.II.5. Siehe oben 2. Kapitel. A.IV.4.

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

227

gleichzeitig die Ziele der Nachlaßeinheit und des internationalen Entscheidungseinklangs verwirklichen würde. Dadurch, daß der zwingende Anwendungsbereich des Abkommens auf die in Art. 7 11 genannten Punkte beschränkt wurde, hat die potentiell rechtsvereinheitlichende Wirkung der Haager Erbrechtskonvention jedoch von vornherein eine deutliche Einschränkung erfahren. Bei den von Art. 7 11 ausgenommenen Sachbereichen handelt es sich im wesentlichen um den Erbgang und die Nachlaßabwicklung. Es kann leider nicht erwartet werden, daß die Common Law Staaten im Falle eines Beitritts bereit sein würden, die Haager Erbrechtskonvention auch hierauf anzuwenden. Denn der Erbgang und die Nachlaßabwicklung unterliegen im anglo-amerikanischen Recht als Teil der "administration" eigenen materiellrechtlichen und kollisionsrechtlichen Regelungen17 und werden systematisch streng von der Nachlaßverteilung ("distribution") unterschieden. Selbst wenn Deutschland daher den Anwendungsbereich der Konvention für sich gemäß Art. 7 III auf das gesamte Erbstatut im Sinne des deutschen Rechts ausdehnen würde, bliebe es für anglo-amerikanischen Ländern insoweit bei den herkömmlichen Anknüpfungsregeln. Welche Konsequenzen dies für den Rechtsverkehr zwischen Deutschland und den anglo-amerikanischen Ländern hätte, soll im vierten Kapitel dieser Untersuchung noch genauer analysiert werden. An dieser Stelle bleibt lediglich darauf hinzuweisen, daß die Zersplitterung des Erbstatuts hinsichtlich der Abwicklung des Immobiliamachlasses auch unter der Haager Erbrechtskonvention fortbestehen würde.

2. Rechtslage im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten Ferner muß realistischerweise davon ausgegangen werden, daß sich die Haager Erbrechtskonvention - wie die meisten anderen Haager Übereinkommen auch - allenfalls nur zögerlich durchsetzen wird. Daher ist für die deutsche Entscheidung für oder gegen eine Ratifikation auch von Bedeutung, ob sich bei einem Beitritt Deutschlands die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Verhältnis zu den übrigen Staaten, welche der Konvention (noch) nicht beitreten wollen, eher erhöhen oder vermindern würde. Diese Frage besitzt besonderes Gewicht im Hinblick auf die Anknüpfung unbeweg17 Maßgebliches Recht ist das Recht desjenigen Staates, dessen Gerichte den mit der Nachlaßabwicklung betrauten Erbschaftsverwalter (personal represemative) eingesetzt haben. Vgl. Restatement, Second, Conflict of Laws, § 316; Dicey/Morris, 12. Aufl., Rule 128. Da nach anglo-amerikanischem Verständnis in der Regel in jedem Staat, wo Nachlaßvermögen belegen ist, ein eigenes Abwicklungsverfahren durchgeführt wird (vgl. ScoleslHay, 859 ff., 872 ff.), bedeutet dies in der Praxis, daß für die administration im Regelfall das jeweilige Forums- bzw. Situsrecht gilt. IS*

228

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

lichen Nachlaßvermögens. 18 Denn wie oben festgestellt wurde, besteht insofern derzeit zumindest im Verhältnis zu den anglo-amerikanischen Staaten praktisch völliger Entscheidungseinklang - auch wenn dafür allerdings aus deutscher Sicht auf die Nachlaßeinheit verzichtet werden muß. 19 Es fragt sich daher, ob dieser internationale Entscheidungseinklang auch dann gewahrt bliebe, wenn Deutschland dem Haager Abkommen beitreten würde, die anglo-amerikanischen Staaten aber nicht. Dies soll nunmehr untersucht werden. a) Negativer Kompetenzkonflikt

Oben wurde als Beispiel des negativen Kompetenzkonfliktes der Fall genannt, daß ein Erblasser mit amerikanischer (englischer) Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt in den U.S.A. (in England) u.a. ein Grundstück in Deutschland hinterläßt. Unter dem derzeit geltenden Rechts würden hier beide beteiligten Rechtsordnungen für die Erbfolge in das Grundstück deutsches Recht und im übrigen das Recht des Erblasserdomizils anwenden. 20 Unter der Haager Erbrechtskonvention dürfte ein deutsches Gericht hingegen die teilweise Rückverweisung auf deutsches Erbrecht für das inländische Grundstück nicht beachten und hätte amerikanisches bzw. englisches Recht auf den gesamten Nachlaß anzuwenden. Die englischen und wohl auch die amerikanische Gerichte würden hier allerdings zu dem gleichen Ergebnis gelangen. Denn unter der joreign court theory müßten sie den Fall genauso entscheiden wie das deutsche Gericht und hätten damit gleichfalls die Kollisionsnormen der Haager Konvention zu befolgen. Der internationale Entscheidungseinklang bliebe also gewahrt. Gleichzeitig würde eine Nachlaßspaltung vermieden. Für diesen Beispielsfall wäre die Rechtslage unter dem Haager Übereinkommen dem derzeitigen Recht also sogar überlegen. Ebenso wäre dieser Fall auch im Verhältnis zu Frankreich - einem anderen wichtigen Nachlaßspaltungsstaat - zu lösen, wenn allein Deutschland der Konvention beiträte, Frankreich aber nicht: Würde ein Erblasser mit französischer Staatsangehörigkeit und gewöhnlichem Aufenthalt in Frankreich neben dem Mobiliarnachlaß auch ein Grundstück in Deutschland hinterlassen, dann hätte das deutsche Gericht gemäß Art. 3 i. V.m. Art. 7 I qer Konvention französisches Recht auf den Gesamtnachlaß anzuwenden. Ein französisches Gericht 18 Welche Konsequenzen insoweit für die Anknüpfung der Erbfolge in den beweglichen Nachlaß eintreten würden, soll ebenfalls erst im vierten Kapitel dieser Arbeit untersucht werden. 19 Siehe oben 2. Kapitel, A.IV.4. 20 Siehe oben 2. Kapitel, A.IV.3.

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

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käme mit großer Wahrscheinlichkeit zu demselben Ergebnis. Denn nach französischen IPR wäre für den Mobiliarnachlaß französisches Domizilrecht maßgeblich. Und hinsichtlich des Grundstücks würde ein französischer Richter die Rückverweisung durch das deutsche IPR bzw. durch die Haager Erbrechtskonvention beachten. 21 b) Art. 4 der Erbrechtskonvention

Einen Sonderfall des negativen Kompetenzkonfliktes regelt Art. 4 der Haager Erbrechtskonvention. Diese Vorschrift würde z.B. dann eingreifen, wenn ein amerikanischer Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt in den U.S.A. ein Grundstück in England hinterläßt und Nachkommen in Deutschland hätte, die hier vor einem Gericht über das Erbe streiten. 22 In diesem Fall müßte das deutsche Gericht gemäß Art. 3 I i.V.m. Art. 4 der Haager Konvention die Weiterverweisung des amerikanischen Rechts beachten und hätte daher ebenso wie ein amerikanisches oder englisches Gericht - im Ergebnis englisches Recht auf die Erbfolge in das englische Grundstück anzuwenden. Unter dem derzeitigen deutschen Recht würde diese Fallkonstellation gemäß Art. 25 I i. V.m. Art. 4 I 1 EGBGB ebenso gelöst. 23 Auf diese Weise wird also in beiden Fällen zwischen allen drei beteiligten Rechtsordnungen internationaler Entscheidungseinklang erreicht. 24 Allerdings ist dies auch bei Art. 4 der Haager Erbrechtskonvention nur auf Kosten der Nachlaßeinheit möglich. In diesem Fall besitzt das Ideal des internationalen Entscheidungseinklangs jedoch insgesamt mehr Gewicht als die gegen eine Nachlaßspaltung sprechenden Gesichtspunkte. Denn in dem obengeoannten Beispiel liegt der Lebensmittelpunkt des Erblassers in dem ersten Nichtvertragsstaat und das betroffene unbewegliche Vermögen in dem zweiten Nichtvertragsstaat. Daher wird es in diesen beiden Nichtvertragsstaaten mit größerer Wahrscheinlichkeit zu einem Nachlaßverfahren kommen als in dem Vertragsstaat Deutschland. Es läge demnach eindeutig im Interesse der beteiligten Parteien, daß ein deutsches Gericht in diesem Fall das gleiche Recht anwenden würde wie die Gerichte in den beiden anderen beteiligten Nichtvertragsstaaten. 21 V gl. die Antwort Prankreichs zu: Oroz, Questionnaire on Succession in Private International Law, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 72; Ebenroth, Rz. 1322 m.w.N.; siehe allgemein zum renvoi im französischen IPR auch BatiffollLagarde, No. 302, S. 494 f .. 22 Ein deutsches Gericht könnte hierfür durchaus gemäß § 27 ZPO international zuständig sein. 23 Vgl. Kropholler, 153. 24 Vgl. Kropholler, ebd. und 156 Pn. 37. Vgl. auch Restatement, Second, Conflict of Laws, § 8 Comment 1, und Oicey/Morris, 10., Aufl., 76.

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung? c) Positiver Kompetenzkonflikt

Als Beispiel des positiven Kompetenzkonfliktes wurde oben der Fall genannt, daß ein Erblasser mit deutscher Staatsangehörigkeit (mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland) ein Grundstück in den U.S.A. bzw. in England hinterläßt. Unter derzeitigem deutschen IPR würde ein deutsches Gericht gemäß Art. 3 III EGBGB das Erbrecht des jeweiligen Situsstaates auf die Erbfolge in das Grundstück anwenden. Dasselbe würde ein amerikanisches bzw. englisches Gericht nach dem dortigen Recht tun, wenn diese Staaten dem Haager Abkommen nicht beiträten. Im Falle eines Beitritts Deutschlands wäre dagegen für das deutsche Gericht gemäß Art. 3 I des Abkommens insoweit deutsches Erbrecht maßgeblich. Es würde dann also nicht mehr berücksichtigen, daß ein amerikanisches bzw. englisches Gericht jeweils sein eigenes Erbrecht anwenden würde. In diesem Fall bestünde also unter der Haager Konvention grundsätzlich eine größere Gefahr als unter der derzeitigen Rechtslage, daß es im deutschen Forum und im Situsstaat zu widersprechenden Entscheidungen kommen könnte. Dadurch wäre der internationale Entscheidungseinklang zwischen dem deutschen IPR und dem jeweiligen Situsrecht nicht mehr gewahrt. Dennoch ist fraglich, inwieweit die Interessen der Beteiligten hierdurch wirklich entscheidend beeinträchtigt würden. Denn die Folgen dieses mangelnden Entscheidungseinklanges könnten dadurch gemildert werden, daß im internationalen Prozeßrecht an sich weltweit eine wachsende Tendenz zu verzeichnen ist, die Anerkennung ausländischer gerichtlicher Entscheidungen unabhängig davon zu gewähren, auf welches materielles Recht sie im Einzelfall gestützt wurden. 25 Daher bestünde zumindest auf den ersten Blick eine begründete Aussicht darauf, daß das Deutschland erlassene Urteil auch im Belegenheitsstaat als wirksam anerkannt würde. Der Verstoß gegen den internationalen Entscheidungseinklang würde damit also für den Betroffenen im Ergebnis an Bedeutung verlieren. In der Realität trifft diese Erwägung allerdings nicht ganz zu. Denn tatsächlich stünde in einem solchen Fall der Anerkennung der deutschen Gerichtsentscheidung häufig als Hindernis entgegen, daß das Situsgericht aus seiner Sicht dem deutschen Richter die erforderliche internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über die Erbfolge in das Grundstück absprechen würde.

25 Heldrich, 226; Berenbrok, 81; BatiffoVLagarde, No. 726, S. 583 mit Nachweisen zu mehreren Rechtsordnungen. Eine wichtige Ausnahme stellt allerdings das französische Recht dar; vgl. BatiffoVLagarde, ebd.

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

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Dies soll in dem folgenden Exkurs anband des amerikanischen Rechts näher dargelegt werden.

(1) Exkurs: Anerkennung eines deutschen Urteils über Erbfolge in amerikanisches Grundstück (a) Allgemeines zur Anerkennung ausländischer Urteile im amerikanischen Recht Zum besseren Verständnis der nachstehenden Erläuterungen ist hier von folgendem Beispielsfall auszugehen26 : Der Erblasser E, deutscher Staatsangehöriger, verstirbt mit seinem letzten Wohnsitz in München. Hinterblieben ist sein Sohn S, den E in seinem Testament als Alleinerben seines umfangreichen Vermögens eingesetzt hat. Außerdem soll die entfernte Verwandte V ein in den U.S.A. belegenes Grundstück in Form eines Vermächtnisses erhalten. Jedoch kommt S der Aufforderung V's, das Grundstück zu übertragen, nicht nach. Deshalb erstreitet V vor dem gemäß § 27 ZPO zuständigem27 Landgericht München ein Leistungsurteil auf Übereignung des Grundstücks. Dieses Urteil sucht V nun im Situs-Staat zu vollstrecken. Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines derartigen Urteils bestimmt sich in den U.S.A. nach den Regeln des Common Law. 28 Es bedarf 26 Dieses etwas vereinfachte Beispiel ist dem von Otte, IPRax 1993, 142, 144, berichteten Fall nachgebildet, der dort nach dem derzeit geltenden deutschen Recht gelöst wird. 27 Die internationale Zuständigkeit der deutschen Prozeßgerichte in Erbschaftssachen richtet sich nach den Vorschriften der ZPO zur örtlichen Zuständigkeit. Vorrangig zu beachtende Staatsverträge existieren nicht. Insbesondere ist auch das Brüsseler Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27.9.1968 nach seinem Art. 1 11 Nr. 1 auf dem Gebiet des Erbrechts nicht anwendbar. Siehe auch Tiedemann, Internationales Erbrecht, 64 ff. Die internationale Zuständigkeit des deutschen Prozeßgerichts gemäß § 27 ZPO umfaßt auch im Ausland belegene Nachlaßgegenstände. BGH, IPR-Rspr. 1968 und 1969, Nr. 158, S. 391. 28 Der Uniform Enforcement of Foreign Judgements Act von 1964, der ein erleichtertes Anerkennungsverfahren durch Registrierung vorsieht, gilt trotz des irreführenden Titels nur für inneramerikanische Urteile. Scoles/Hay, 971; Otte, IPRax 1993, 145. Auch der Uniform Foreign Money Judgements Recognition Act von 1964 ist hier nicht einschlägig. Denn obwohl auf ausländische Urteile anwendbar, erfaßt dieses von 21 amerikanischen Bundesstaaten übernommene Modellgesetz nur solche Urteile, die

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

hierfür in den meisten amerikanischen Bundesstaaten einer Vollstreckungsklage, die auf das ausländische Urteil gestützt wird. Das Vollstreckungsurteil ergeht in einem Prozeßverfahren29 , in welchem der Beklagte nur in begrenztem Umfange Einwendungen vorbringen kann. 3o Eine revision au fond fmdet nicht statt. 3 ! Daher könnte im vorliegenden Fall von S vor einem amerikanischen einzelstaatlichen Gericht gegen eine Anerkennung des deutschen Leistungsurteils nicht vorgebracht werden, daß das deutsche Gericht auf die Erbfolge in das amerikanische Grundstück ein anderes, nämlich deutsches Recht angewandt hat, als es ein amerikanisches Gericht unter der Situsregel tun würde. 32 (b) Internationale Zuständigkeit des ausländischen Gerichts: Abgrenzung von "in rem jurisdiction" und "in personam jurisdiction"

Eine hier mögliche Einwendung wäre allerdings, daß das deutsche Gericht nicht die erforderliche internationale Zuständigkeit für den Erlaß des Leistungstitels gerichtet auf Übereignung des amerikanischen Grundstücks hatte, da das Grundstück sich außerhalb des deutschen Forums befand. Die amerikanische Gerichtspraxis überprüft die internationale Zuständigkeit des ausländischen Gerichts zum Zwecke der Urteilsanerkennung nach seinen eigenen, d.h. den amerikanischen Zuständigkeitsregeln. 33 Danach ist hinsichtlich gerichtlicher Verfahren, die Rechte an unbeweglichen Sachen betreffen, in folgender Weise zu differenzieren34 :

auf die Zahlung einer Geldsumme gerichtet sind. Vgl. ScoleslHay, 1001; Lowenfeld, 391. 29 Siehe ScoleslHay, 959. 30 Die insoweit geltenden Regeln des Common Law für die Anerkennung ausländischer Urteile werden u.a. in Restatement, Second, Conflict of Laws, §§ 92 und 98 genannt: Danach ist insbesondere erforderlich, (a) daß das ausländische Urteil in einem streitigen und fairen Verfahren ergangen ist, (b) daß das ausländische Gericht international, örtlich und sachlich zuständig war, und (c) daß rechtliches Gehör in angemessener Weise gewährt wurde. Siehe auch ütte, IPRax 1993, 145 f.; ScoleslHay, 956 - 959, 999 - 1003. 3! ütte, IPRax 1993, 145 m.w.N .. 32 V könnte theoretisch allenfalls Verstöße gegen den ordre public des amerikanischen Forums bzw. Situs rügen. Restatement, Second, Conflict of Laws, § 98 Comment g. Diese Einwendungsmöglichkeit wird von den amerikanischen Gerichten aber grundsätzlich sehr restriktiv interpretiert. ScoleslHay, 1002, Fn. 5. 33 ütte, IPRax 1993, 146 m.w.N.; Ehrenzweig/Jayme, 85. 34 Die folgenden Regeln des amerikanischen Common Law haben sich zwar in Bezug auf das Verhältnis der Gerichte der verschiedenen amerikanischen Bundes-

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

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Die Zuständigkeit für "in rem" Verfahren hinsichtlich unbeweglicher Vermögensgegenstände liegt ausschließlich bei den Gerichten des Belegenheitsstaates. 35 In rem Verfahren haben die Feststellung bzw. die Regelung der dinglichen Rechtslage an einem Vermögensgegenstand mit Wirkung gegenüber dem gesamten Rechtsverkehr zum Gegenstand;36 In einem solchen Verfahren wird die Änderung der dinglichen Rechtslage am betroffenen Vermögensgegenstand unmittelbar durch das gerichtliche Urteil bewirkt.37 "ln personam" Verfahren hingegen betreffen Ansprüche gegen eine Person, und zwar auch solche, die auf die Übertragung von Rechten an Sachen

staaten untereinander entwickelt. Sie lassen sich aber in entsprechender Weise auch auf internationale Fälle übertragen. 35 Pennoyer v. Neff, 95 U.S. 714 (1878). Bestätigt wurde dies vom U.S. Supreme Court hinsichtlich eines in rem Verfahren zur Feststellung der Erbfolge in ein Grundstück in Clarke v. Clarke, 178 U.S. 186,20 S.Ct. 873 (1900). Die Entscheidung des U.S. Supreme Court in Pennoyer v. Neffwird allgemein als Ausgangspunkt des traditionellen starren Souveranitätsgrundsatzes hinsichtlich der Jurisdiktionsgewalt amerikanischer Gerichte über Personen und Sachen angesehen; Reese/Rosenberg/Hay, 45; atte, IPRax 1993, 146. Dieser Grundsatz befmdet sich aber seit der Entscheidung International Shoe Co. v. State 0/ Washington (326 U.S. 310, 66 S.Ct. 154 (1945» für die Jurisdiktionsgewalt über Personen und seit der Entscheidung Shaffer v. Heimer (433 U.S. 186,97 S.Ct. 2569 (1977» auch für dingliche Klagen in deutlicher Auflösung. Nunmehr muß sich jede Form der Gerichtszuständigkeit an dem bundesstaatlichen Verfassungsgrundsatz des due process 0/ law messen lassen. Dieser ist nur dann erfüllt, wenn der Beklagte bestimmte minimal contacts zum Forum besitzt, so daß die Ausübung der Jurisdiktionsgewalt als fair anzusehen ist und für den Beklagten voraussehbar war; Scoles/Hay, 219, 224 - 231, 241 - 244; ein knapper, instruktiver Überblick über die Rechtsentwicklung fmdet sich bei Kane, 38 - 64. Es besteht allerdings Einigkeit darüber, daß in echten in rem Verfahren (im Unterschied zu quasi in rem Verfahren), in denen sich der Streit zwischen den Parteien auf die Rechtsverhältnisse an dem im Forum befmdlichen Vermögensgegenstand beschränkt, dem Gebot des due process dadurch Genüge getan ist, daß sich der streitbefangene Gegenstand im Forum befmdet. Damit wird die Zuständigkeit der Gerichte des Situs für dingliche Klagen bei unbeweglichen Vermögensgegenständen auch unter dem due process Gebot bejaht; Scoles/Hay, 225; Casad, § 9.01. Außerdem gilt der Grundsatz, daß ausschließlich die Gerichte des Situs für in rem Verfahren bezüglich unbeweglicher Vermögensgegenstände zuständig sind, auch unter dem due process Gebot fort; Scoles/Hay, 226 f. m.w.N .. Es läßt sich im übrigen feststellen, daß sich die amerikanische Literatur insgesamt eher vorsichtig zu den Auswirkungen von Shaffer v. Heimer auf die herkömmlichen Regeln zur in rem Zuständigkeit äußert; vgl. Scoles/Hay, 225 m.w.N.; Casad, ebd. 36 Scoles/Hay, 217 f., 225 f.; Black's Law Dictionary, 6. Aufl., 1991, Stichwort "ln rem"; atte, IPRax 1993,146 m.w.N .. 37 atte, ebd.

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

gerichtet sind. 38 Hierfür sind u.a. die Gerichte am Wohnsitz des Beklagten zuständig. 39 Nach diesen Grundsätzen gilt als Regel, daß auch Gerichte außerhalb des Belegenheitsstaates den Beklagten aus einem obligatorischen Anspruch (z.B. einem Grundstückskaufvertrag) zur Übertragung von Grundstückseigentum verurteilen können, wenn dieser ihrer in personam jurisdiction unterliegt. 40 Derartige Leistungs- bzw. in personam Urteile würden am Situs also anerkannt. 41 Auf der anderen Seite folgt daraus jedoch auch, daß einem auswärtigem in rem Urteil, d.h. einer direkt auf Änderung der Rechtslage an der Sache gerichteten Entscheidung, im Situsstaat mangels Zuständigkeit des Erstgerichts die Anerkennung versagt bleiben würde. 42 Zwar ist diese Differenzierung zwischen in rem jurisdiction und in personam jurisdiction zum Zwecke der Urteilsanerkennung bei grundstücks-

bezogenen Urteilen seit geraumer Zeit etwas in Fluß geraten. So ist in einigen Bundesstaaten eine wachsende Tendenz zu vermerken, auswärtigen Entscheidungen von Gerichten, die in personam Jurisdiktionsgewalt über den Beklag38 Justice Story in: Tyler v. Judges 0/ Court 0/ Registralion, 175 Mass. 71, 76, 55 N.E. 812, 814 (1900), zitiert nach: Scoles/Hay, 217 f.; Black's Law Dictionary, 6. Auf!., 1991, Stichwort •In personam •. 39 Milliken v. Meyer, 311 U.S. 457, 61 S.Ct. 339 (1940), rehearing denied 312 U.S. 712, 61 S.Ct. 548 (1941). ScoleslHay, 218 m.w.N .. Dies gilt nach weitgehend unstreitiger Ansicht in der amerikanischen Literatur auch unter Anwendung des Verfassungsgebots des due process; Scoles/Hay, 270 f. m.w.N .. 40 Hierbei handelt es sich um die Ausübung der ursprünglich nur den equity Gerichten zustehenden in personam Jurisdiktionsgewalt, den Beklagten zur Vertragserfüllung ("specijic performance") zu verurteilen. Diese kann nur durch gegen die Person des Schuldners - nicht aber gegen die in einem anderen Staat belegene Sache - gerichtete Maßnahmen vollstreckt werden; siehe ScoleslHay, 350 ff. 41 So z.B. in MaUer 0/ Estate 0/ Mack, 373 N.W.2d 97, 99 (Iowa 1985) mit umfangreichen Rspr.-Nachweisen; Higginbotham v. Higginbotham, 222 A.2d 120, 92 N.J.Super. 18, 35 (New Jersey 1966). So auch der U.S. Supreme Court in einem obiter dictum in der alten Leitentscheidung Fall v. Eastin, 215 U.S. 12, 30 S.Ct. 8 (1909) (Näheres zu dieser Entscheidung sogleich unten); siehe außerdem Weintraub, 420. In diesem Fall könnte der Vollstreckungsgläubiger also im Situsstaat im Wege des summarischen Verfahrens einen Leistungstitel der dortigen Gerichte erlangen. 42 Vgl. FaU v. Eastin, 215 U.S. 1, 30 S.Ct. 3 (1909); Scoles/Hay, 351 m.w.N; Casad, § 9.01[1][a); AIden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 602. Die Fall v. Eastin Entscheidung ist in der Literatur heftig kritisiert worden: Vgl. Weintraub, 425; Hancock, Stan. L. Rev. 18 (1966), 1299; Currie, U. Chi. L. Rev. 21 (1954), 620. Der U.S. Supreme Court hat die in ihr und in Clarke v. Clarke, 178 U.S. 186, 20 S.Ct. 873 (1900), eingenommene Position aber bis heute beibehalten. Außerdem werden beide Entscheidungen bis heute von der Mehrheit der Gerichte als maßgebliche Präzedenzfälle befolgt; vgl. AIden, Tex. L. Rev. 65 (1987), 590 f.

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

235

ten haben, auch dann anzuerkennen, wenn das Urteil nicht lediglich einen obligatorischen Anspruch auf Übertragung von Grundstückseigentum zuerkennt, sondern direkt die Eigentumslage am Grundstück im Forum des Zweitgerichts zu regeln beansprucht und damit eigentlich eine in rem Rechtsfolge ausspricht. 43 Jedoch ist diese Entwicklung bisher im wesentlichen auf die gerichtliche Aufteilung von ehelichem Vermögen im Rahmen der Scheidung beschränkt geblieben. 44 Hingegen ist die gerichtliche Aufteilung von Nachlaßvermögen hiervon bislang anscheinend noch nicht erfaßt worden. Manche Gerichte haben es sogar ausdrücklich abgelehnt, diese Aufweichung der herkömmlichen Anerkennungsregeln auch auf die gerichtliche Regelung der Erbfolge auszudehnen. 45 Im Ergebnis muß daher für den amerikanischen Rechtsraum wohl weiterhin davon ausgegangen werden, daß Urteile, die mit dinglicher (in rem) Wirkung die Erbfolge an Grundstücken außerhalb des Forumsstaates zu regeln beanspruchen, im Situsstaat mangels Zuständigkeit des Erstgerichts nicht anerkannt würden.

(c) Qualifikation der Wirkung des deutschen Urteilsspruches Vor diesem Hintergrund würden dieAnerkennungschancen des von V in dem obigen Beispielsfall erstrittenen Urteils, das ihm den eingeklagten Vermächtnisanspruch zuerkannt hat, hauptsächlich davon abhängen, ob die deutsche Entscheidung von einem amerikanischem Gericht als ein in personam Urteil oder als eine Entscheidung mit in rem Wirkung qualifiziert würde: Nach deutschem materiellrechtlichem Verständnis handelt es sich zwar bei dem Vermächtnis eindeutig um einen obligatorischen Anspruch, der auf die Übertragung von Grundeigentum gerichtet ist. 46 Das amerikanische Gericht, das über die Anerkennung zu befinden hat, könnte jedoch versucht sein, insoweit auf seine eigenen erbrechtlichen Grundsätze zurückzugreifen. Im amerikanischen Erbrecht wird nämlich - anders als im deutschen Recht begrifflich nicht zwischen einer Erbschaft mit dinglicher und einem Ver43 So z.B. in Maller 0/ Estate 0/ Mack, 373 N.W.2d 97, 99 (lowa 1985) m.w.N.; Fagone v. Fagone, 508 SO.2d 644 (Lousiana 1987). Allerdings wird die aus der

Anerkennung folgende Rechtskraftwirkung auf das Verhältnis zwischen den Streitparteien beschränkt angesehen, während ein echtes in rem Urteil an sich erga omnes wirkt; vgl. Scoles/Hay, 967, und Casad, § 9.01[1][a] m.w.N .. 44 Siehe die in der obigen Fußnote genannten Urteile. 45 So z.B. Miller v. Miller, 715 S.W.2d 786, 789 f. (fex. App.-Austin 1986); vgl. auch Matter 0/ Estate 0/ Mack. 373 N.W.2d 97 (lowa 1985). 46 Vgl. Ebenroth, Rz. 446.

236

2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

mächtnis mit rein obligatorischer Wirkung unterschieden. 47 Überwiegend wird dort die Zuwendung von beweglichen und unbeweglichen Einzelgegenständen als "devise" bezeichnet. 48 Nach den erbrechtlichen Regeln der amerikanischer Bundesstaaten gilt, daß der Titel am unbeweglichen Teil des Nachlasses unmittelbar mit dem Tode auf die jeweilige durch die testamentarische Zuwendung "devise" begünstigte Person übergeht, auch wenn der Nachlaß zunächst der Verwaltung eines Erbschaftsverwalters ("personal representative") zum Zwecke der vorrangigen Befriedigung der Nachlaßgläubiger unterliegt. 49 Insoweit kommt der testamentarischen Zuwendung "devise" also durchaus eine dingliche Rechtswirkung zu. Deshalb ist nicht auszuschließen, daß das amerikanische Gericht nach seinem eigenen Rechtsverständnis die Zuwendung eines Grundstücks in Form eines Vermächtnisses im Sinne des deutschen Rechts als mit dinglicher Wirkung ausgestattet qualifizieren würde. Damit würde das deutsche Urteil nach amerikanischen Verständnis beanspruchen, unmittelbar auf die Rechtslage am amerikanischen Grundstück einzuwirken. 50 Aus der Sicht des amerikanischen Gerichts würde es sich bei der deutschen Entscheidung also um ein Urteil mit in rem Wirkung handeln, so daß nach den oben dargelegten Grundsätzen der deutschen Entscheidung aller Wahrscheinlichkeit nach die Anerkennung versagt würde. 51

(2) Bedeutung für Ratifikation der Haager Erbrechtskonvention durch Deutschland Die Klage aus einem Vermächtnisanspruch ist nur einer der Fälle, in denen

§ 27 ZPO bei deutschem Erblasserwohnsitz einem deutschen Gericht der

streitigen Gerichtsbarkeit die internationale Zuständigkeit zur Entscheidung über Rechtsfragen zusprechen würde, welche die Erbfolge in ein amerikani-

47 Firsching: U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 85; Otte, IPRax 1993, 145. 48 So z.B. im amerikanischen Uniform Probate Code, § 1-201 (7). Ursprünglich war dieser Begriff auf die Zuwendung von unbeweglichen Vermögensgegenständen beschränkt. Heute werden daneben gleichberechtigt und in austauschbarer Weise auch die Begriffe "bequest" und "legacy" verwandt. McGovernlKurtzlRein, 1 f. 49 McGovernlKurtzlRein, 591 f.; Firsching, U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 85. 50 Zu dieser Auslegung könnte sich das amerikanische Gericht in diesem Fall u. U . auch durch die deutsche Zwangsvollstreckungsregelung des § 894 ZPO verleitet sehen, wonach die Willenserklärung des Erben auf Übereignung des Grundstücks mit Rechtskraft des Urteils als erteilt gelten würde. 51 Otte, IPRax 1993, 147.

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

237

sches Grundstück beträfen. Hinsichtlich der Anerkennungsaussichten der übrigen in § 27 ZPO genannten Klageansprüche wird man folgendermaßen differenzieren müssen: Ein Zahlungsurteil aus einem Pflichtteilsanspruch dürfte wohl auch nach amerikanischem Recht als ein Urteilsspruch mit rein obligatorischer Natur qualifiziert werden und hätten demnach wahrscheinlich Aussicht auf Anerkennung. Bei Klagen auf Herausgabe gegen den Erbschaftsbesitzer ist die Qualifikation durch ein amerikanisches Gericht nur schwer vorauszusagen. Zumindest eine Klage auf Feststellung des Erbrechts hätte dort aber mit ziemlicher Sicherheit nur wenig Anerkennungschancen. Denn nach amerikanischem Recht bestimmt sich die Zuständigkeit für Feststellungsklagen nach der Rechtsnatur des Anspruchs bzw. des Rechtsverhältnisses, dessen Feststellung begehrt wird. Es gelten insoweit also die allgemeinen Zuständigkeitsregeln. 52 Aus diesen Gründen würde eine auf Feststellung der dinglichen Erbfolge in ein amerikanisches Grundstück gerichtete deutsche Entscheidung in den U.S.A. wahrscheinlich als ein in rem Urteil qualifiziert und hätte demnach kaum Aussicht auf Anerkennung. Man wird daher aus den obigen Beispielsfällen wohl allgemein folgern können, daß bei deutschen Gerichtsurteilen, welche die Erbfolge in ein amerikanisches Grundstück betreffen, in den U.S.A. - mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte aus amerikanischer Sicht - insgesamt nur wenig Hoffnung auf Anerkennung besteht. Aus diesem Grunde erscheint es sehr wahrscheinlich, daß die streitenden Parteien in den U.S.A. ein weiteres Gerichtsverfahren anstrengen müßten, in dem erneut über die Erbfolge in das dort belegene Grundstück entschieden würde. Unter der Hypothese, daß lediglich Deutschland der Raager Erbrechtskonvention beitritt, die U.S.A. aber nicht, bestünde dann die Gefahr, daß es dort zu einer Entscheidung mit einem abweichenden materiellrechtlichen Ergebnis kommt. Im Gegensatz zur gegenwärtigen Rechtslage wäre der internationale Entscheidungseinklang zwischen Deutschland und den U.S.A. in diesen Fällen demnach nicht mehr gewährleistet. Das gleiche würde für das Verhältnis Deutschlands zu den meisten anderen Nachlaßspaltungsstaaten gelten, wenn diese der Haager Konvention ebenfalls nicht beiträten. Denn auch dort hätte eine entsprechende deutsche Gerichtsentscheidung nur wenig Aussicht auf Anerkennung. Dies trifft z.B. für das englische Recht zu. Dort gilt nämlich ebenfalls die strikte Regel, daß ein ausländisches Gericht aus Sicht des englischen Rechts keine internationale Zuständigkeit zum Erlaß eines Urteils zur Regelung der Erbfolge an einem

52 Corpus Juris Secundum, Bd. 26, Stichwort "Declaratory Judgements", § 112, S. 251 f.

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2. Kapitel: Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung?

englischen Grundstück mit in rem Wirkung besitzt. 53 In entsprechender Weise stellt sich die Rechtslage im französischen Recht dar. 54 Im Ergebnis würde ein Beitritt Deutschlands zur Haager Erbrechtskonvention daher die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen im Verhältnis zu diesen Staaten, soweit die Erbfolge in dort belegene Grundstücke betroffen ist, gegenüber dem geltenden Recht erhöhen. In dieser Hinsicht brächte eine deutsche Ratifikation demnach einen eindeutigen Nachteil mit sich.

VI. Ergebnis Ein Nachteil der Haager Erbrechtskonvention im Hinblick auf das Verhältnis von Nachlaßeinheit und Nachlaßspaltung besteht also darin, daß sie keine wirkliche Lösung für das Problem des positiven Kompetenzkonfliktes anzubieten hat. Im geltenden deutschen IPR wird in diesem Fall gemäß Art. 3 III EGBGB der Anwendungswillen des ausländischen Situsrechts respektiert. Allerdings muß dafür der Eintritt von Nachlaßspaltung in Kauf genommen werden. Die Haager Erbrechtskonvention verlangt dagegen die einheitliche personale Anknüpfung des Erbstatuts, führt damit aber zu einem Konflikt mit dem Kollisionsrecht der Nachlaßspaltungsstaaten, soweit diese dem Abkommen nicht beitreten sollten. Ein weiterer Nachteil des Abkommens ist dessen begrenzter Anwendungsbereich. Hierdurch wird leider ein weiter Bereich des Erbstatuts nicht von der einheitlichen personalen Anknüpfung erfaßt wird. Demgegenüber ist der entscheidende Vorzug der Haager Konvention, daß es zumindest innerhalb ihres zwingenden Anwendungsbereichs, d.h. für das Gebiet der Nachlaßverteilung, gelungen ist, konsequent das Prinzip der Nachlaßeinheit zu verwirklichen. Dies ist zum einen insofern bemerkenswert, als diese Kompromißlösung auch von den Nachlaßspaltungsstaaten mitgetragen wurde. Zum anderen ist beachtlich, daß die Nachlaßeinheit in der Haager Konvention noch konsequenter durchgehalten wird als im geltenden deutschen IPR. Auf diese Weise gelingt es der Haager Konvention nicht nur, die mit der Unterscheidung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen verbundenen Schwierigkeiten besser zu vermeiden. Wichtiger ist noch, daß dadurch das Ziel des inneren Entscheidungseinklangs in einem weitergehen53 Dicey/Morris, 11. Aufl., 456 (Rule 41(2»; Boyse v. Colclough (1854) 1 K.&J. 124, zitiert nach Dicey/Morris, 460. Auch im englischen Recht gilt der allgemeine Grundsatz, daß ein ausländisches Urteil nur dann anerkannt wird, wenn das ausländische Gericht für die Entscheidung dieses Falles nach den Regeln des englischen Kollisionsrechts international zuständig gewesen ist. Siehe Dicey/Morris, 11. Aufl., 437 (Comment zu Rule 37).54 Siehe hierzu bereits oben 2. Kapitel, A.III.2.d) in Fn. 165f.

c. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

239

den Maße verwirklicht wird als im derzeit geltenden Recht. Darüber hinaus wird auf diese Weise auch das Parteiinteresse des Erblassers und der Erben an einer einheitlichen personalen Anknüpfung des Erbstatuts besser berücksichtigt. Im Ergebnis stehen sich bei der Haager Erbrechtskonvention also die konsequente Umsetzung der Nachlaßeinheit mit all ihren Vorteilen für einen wichtigen Teilbereich des Erbstatuts auf der einen Seite und gewisse Risiken für den internationalen Entscheidungseinklang im Verhältnis zu den Nichtvertragsstaaten sowie hinsichtlich der aus dem Anwendungsbereich des Abkommens ausgeschlossenen Sachbereiche auf der anderen Seite gegenüber. Zwischen diesen beiden Gesichtspunkten hätte der Gesetzgeber also bei der Entscheidung über einen deutschen Beitritt abZUWägen. Dabei würden die Mängel der Konvention allerdings desto mehr an Gewicht verlieren, je mehr Nachlaßspaltungsstaaten sich gleichfalls zu einer Ratifikation entschließen könnten. Insoweit läßt sich darauf verweisen, daß nach derzeitigem Verfahrensstand zumindest in den U.S.A., in Großbritannien und in der Republik Irland die Aussichten auf einen Beitritt relativ gut stehen. ss

SS

Siehe oben Einleitung, B.III.

3. Kapitel

Rechtswabl des Erblassers A. Ausgangssituation I. Problemeinführung Das dritte wichtige Thema, mit dem sich die Teilnehmer der 16. Haager Konferenz auseinandersetzen mussten, betraf die Frage, ob und inwieweit dem Erblasser die Befugnis eingeräumt werden solle, selber das auf die Erbfolge anwendbare Recht zu bestimmen. Viele der Teilnehmerstaaten betraten mit diesem Thema kollisionsrechtliches Neuland. Denn unter den Mitgliedsstaaten der Haager Konferenz hat die Möglichkeit einer erbrechtlichen projessio iuris bislang nur relativ wenig Verbreitung gefunden. 1 Derzeit ist sie nämlich allein - und auch dort nur in beschränktem Maße - im deutschen Recht (Art. 25 II EGBGB), in der Schweiz2 , in Italien3 und im Recht verschiedener amerikanischer Bundesstaaten4 zulässig. 1 Für einen Überblick über die internationale Verbreitung der erb rechtlichen Rechtswahl siehe Haopei Li, Recueil des Cours 224 (1990 V), 66 - 77. 2 Das neue schweizerische Bundesgesetz über das internationale Privatrecht vom 18.12.1987 (IPRG) gewährt sowohl Schweizern mit Wohnsitz im Ausland als auch Ausländern mit Wohnsitz in der Schweiz eine beschränkte Verweisungsfreiheit: Gemäß Art. 87 11 IPRG können Auslandsschweizer entweder nur das in der Schweiz belegene Vermögen oder den gesamten Nachlaß durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag der Zuständigkeit Schweizer Gerichte oder dem schweizerischen Recht schlechthin unterstellen (objektiv wäre auf den Nachlaß des Auslandsschweizers vorbehaltlich eines renvoi - an sich dessen ausländisches Wohnsitzrecht anwendbar; vgl. Art. 91 I IPRG). Gemäß Art. 90 11 IPRG kann ein Ausländer durch letztwillige Verfügung oder Erbvertrag den Nachlaß seinem Heimatrecht zum Zeitpunkt der Rechtswahl unterstellen (in diesem Fall wäre objektiv gemäß Art. 90 I IPRG an sich das schweizerische Recht als Recht des Erblasserwohnsitzes anwendbar). Diese Rechtswahl ist allerdings unbeachtlich, wenn der Ausländer im Zeitpunkt des Todes diesem Staat nicht mehr angehört oder Schweizer Bürger geworden ist. Vgl. hierzu Overbeck, IPRax 1988, 329 ff.; Krzywon, BWNotZ 1989, 153 ff. 3 Siehe Art. 46 des neuen italienischen IPR-Gesetzes vom 31. Mai, 1995, welches am 1. September 1995 in Kraft getreten ist (vgl. Gazzetta Ufficiale Nr. 128 vom 3. Juni, 1995; zum vorangegangenen Reformentwurf siehe Winkler, Jahrbuch des

A. Ausgangssituation

241

In diesem Abschnitt soll zunächst anhand einer rechtsvergleichenden Darstellung ein Überblick über Vorteile und Gefahren der Rechtswahl im Erbrecht gegeben werden. Dabei werden hierfür als exemplarische Beispiele wiederum das deutsche und anglo-amerikanische Erbrecht herangezogen. Dieser rechtsvergleichende Überblick wird zeigen, daß das zentrale Problem in diesem Zusammenhang die Kollision zwischen den Planungsbedürfnissen des Erblassers und den Schutzinteressen seiner nahen Angehörigen ist. Daran anschließend werden die einschlägigen Vorschriften der Haager Erbrechtskonvention vorgestellt und bewertet.

11. Rechtswahl im geltenden Recht 1. Rechtswahl im deutschen internationalen Erbrecht: Art. 25 n EGBGB Das deutsche IPR gestattet dem Erblasser nur in einem begrenzten Umfang, selber das auf die Erbfolge anwendbare Recht zu bestimmen. Art. 25 11 EGBGB erlaubt nämlich lediglich, für das in Deutschland belegene unbewegliche Vermögen deutsches Recht zu wählen. a) Entstehungsgeschichte

(1) Rechtslage vor der [PR-Reform Die beschränkte Rechtswahlmöglichkeit des Art. 25 11 EGBGB war im Zuge der IPR-Reform von 1986 eingeführt worden. Sie stellt das Ergebnis einer jahrzehntelangen Diskussion über das Für und Wider einer professio iuris im deutschen internationalen Erbrecht dar. 5 Nach Ansicht einer Mindermeinung in der Literatur war die Rechtswahl bereits unter der alten italienischen Rechts (Bd. 4) 1991, 101, 108). Gemäß Art. 46 I des neuen italienischen !PR-Gesetzes bestimmt sich die Erbfolge grundSätzlich nach dem Heimatrecht des Erblassers. Art. 46 n 1 gestattet dem Erblasser jedoch, anstatt dessen das Recht seines Wohnsitzes zum Wahlzeitpunkt zu wählen. Diese Rechtswahl ist gemäß Art. 46 11 2 allerdings unwirksam, falls der Erblasser zum Todeszeitpunkt seinen Wohnsitz nicht mehr in dem Staat des gewählten Rechts hat. Darüber hinaus steht die Rechtswahl eines italienischen Erblassers gemäß Art. 46 n 3 unter dem Vorbehalt der zwingenden Angehörigenschutzvorschriften des italienischen Erbrechts zugunsten derjenigen Erben, die ihren Wohnsitz zum Todeszeitpunkt in Italien haben. 4 Siehe Kötters, 111 ff.; Hendrickson, Real Prop., Prob. & Trust J. 18 (1983), 407 ff. 5 Einen ausführlichen Überblick über die Diskussion bietet Linde-Rudolf, 55 - 74; siehe auch die zusammenfassende Darstellung bei Veit StoII, 51 - 54. 16 Brandi

242

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Fassung des Art. 25 EGBGB zulässig. Begründet wurde dies zum einen mit der Testierfreiheit und der Parallele zum internationalen Schuldvertragsrecht, wo man gleichfalls die materiellrechtliche Privatautonomie zur kollisionsrechtlichen Parteiautonomie verlängerte. 6 Zum anderen wurde argumentiert, daß zwischen den herkömmlichen Anknüpfungspunkten im Erbrecht ein Argumentationsgleichgewicht bestünde und daß die Rechtswahl deshalb erforderlich sei, um diese Anknüpfungsverlegenheit zu beseitigen. 7 Die herrschende Meinung und insbesondere der BGH lehnten dagegen eine Rechtswahl im Erbrecht unter Hinweis auf das überwiegende Schutzbedürfnis der Pflichtteilsberechtigten ab. 8

(2) Rejormvorschllige der Wissenschaft Im Rahmen der Reformdiskussion wurden von Seiten der Wissenschaft jedoch verschiedene Modelle für eine Zulassung der Rechtswahl im Erbrecht vorgeschlagen. Dabei gingen diese Entwürfe grundsätzlich von der objektiven Anknüpfung an das Heimatrecht des Erblassers zum Todeszeitpunkt aus und eröffneten daneben die Möglichkeit, für den gesamten Nachlaß oder einen Teil desselben ein anderes Recht zu wählen. Folgende Modelle wurden dabei diskutiert: Das Max-Planck-Institut unterbreitete den großzügigsten Entwurf. Danach sollte jedes Recht wählbar sein, zu dem eine objektive Beziehung besteht. Ausdrücklich wurde dabei zugelassen, daß die Rechtswahl für Vermögenswerte, die in verschiedenen Staaten belegen sind, ländermäßig getrennt erfolgen dürfe. 9 Später modifizierte das Max-Planck-Institut seinen Vorschlag etwas. 10 Nunmehr sollte der Erblasser die Wahl haben zwischen seinem derzeitigem oder zukünftigem Heimatrecht, dem Recht des derzeitigen oder zukünftigen gewöhnlichen Aufenthalts, dem Recht, welchem die güterrechtlichen Wirkungen seiner Ehe unterliegen, der Lex rei sitae für unbewegliches Vermögen und dem Recht des Unternehmenssitzes für Betriebsvermögen. Das Besondere an diesem zweiten Entwurf des Max-Planck-Instituts war eine Vorbehaltsklausel zugunsten der Pflichtteilsberechtigten. Danach sollte dem Ehegatten, den Eltern oder den Abkömmlingen des Erblassers die nach dem Heimatrecht des Erblassers vorgesehene zwingende Nachlaßbeteiligung Dölle, RabelsZ 30 (1966), 205, 218 f., 222, 225. Kühne, Parteiautonomie, 61 ff.; Kühne, JZ 1973, 403, 404 f. 8 BGH NJW 1972, 1001, 1003. 9 MPI, RabelsZ 44 (1980), 344, 352. 10 Dies geschah in Reaktion auf den Regierungsentwurf, der sich der Zulassung der Rechtwahl vollkommen verschlossen hatte; vgl. BT-Drucks. 10/504,74 f. 6

7

A. Ausgangssituation

243

allerdings nur in Gestalt eines Geldanspruchs - ungeachtet des Vorliegens einer abweichenden Rechtswahl zustehen, wenn die berechtigte Person zum. Zeitpunkt des Erbfalles die deutsche Staatsangehörigkeit oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hätte und wenn sie vom Erblasser Unterhalt verlangen könnte. ll Ähnlich weitgehend waren die Vorschläge von Kühne und Neuhausl Kropholler. Letztere wollten dem Erblasser die Wahl zwischen Heimatrecht oder Aufenthaltsrecht zum. Zeitpunkt der Rechtswahl und der lex rei sitae für die Erbfolge in unbewegliches Vermögen gewähren. 12 Der Vorschlag von Kühne gestattete darüber hinaus auch die Wahl des Güterrechtsstatuts, falls der Erblasser zum. Zeitpunkt der Rechtswahl verheiratet war. 13 Deutlich zurückhaltender war hingegen der Entwurf des Deutschen Rats für IPR. Dieser hatte sich zu Beginn der Reformdiskussion noch völlig gegen eine Parteiautonomie im Erbrecht ausgesprochen. 14 Später wollte er dann zumindest die Wahl des Aufenthaltsrechts anstelle des Heimatrechts zulassen. 15

(3) Referenten- und Regierungsentwurj Der unveröffentlichte Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium baute weitgehend auf dem Entwurf von Kühne auf, blieb jedoch etwas hinter diesem zurück. Danach sollte es dem Erblasser gestattet sein, anstelle seines Heimatrechtes entweder das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes zum. Zeitpunkt der Rechtswahl oder - falls er verheiratet ist - das Recht des Ehegüterrechtsstatuts zu wählen. Dieser Referentenentwurf brachte auch erstmals die Vorbehaltsklausel zugunsten der Pflichtteilsberechtigten ins Spiel, wie sie sich später in verfeinerter Form im modifizierten Vorschlag des MPI wiederfand. 16 MPI, RabelsZ 47 (1983), 656 ff. NeuhauslKropholler, RabelsZ 44 (1980), 326, 333. 13 Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 153. Kühne hatte seinen Entwurf eines IPRGesetzes 1979 im Auftrage des Bundesjustizministeriums vorgelegt. Die Reaktionen auf diesen Entwurf waren gespalten. Einige Stellungnahmen befürworteten eine Rechtswahl (siehe oben Vorschläge des MPI und von NeuhauslKropholler). Andere warnten vor der Gefahr der Benachteiligung Pflichtteilsberechtigter; vgl. Reinhart, ZvglRWiss. 80 (1981), ISO, 162 - 167. 14 Lauterbach, Vorschlagstext in § A, S. 1, Begründung aufS. 13. 15 Beitzke, 13, 66 f.; siehe jedoch das ablehnende Gutachten von Firsching, Reform, in: Beitzke, 221 - 224. 16 Vgl. Pirrung, 170. Nach dieser Vorbehaltsklausel hätten der Ehegatte, die Eltern oder die Abkömmlingen des Erblassers, falls ihnen nach dem Heimatrecht des Erblassers zum Todeszeitpunkt Rechte zuständen, die durch eine letztwillige VerfüII

12

16*

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Der Regierungsentwurf von 1983 verzichtete völlig auf eine Rechtswahl und beließ es bei der zwingenden Anknüpfung an das Heimatrecht,l1 Der Regierungsentwurf setzte sich zwar mit den obigen Vorschlägen einer Wahlmöglichkeit zugunsten des Aufenthaltsrechts, des Ehegüterrechtsstatuts und der lex rei sitae für Immobiliarvermögen auseinander. Insoweit gestand er ein, daß sich für die Zulassung einer Rechtswahl die materiellrechtliche Testierfreiheit und das Bedürfnis nach einer Harmonisierung von Erb- und Güterrechtsstatut anführen ließen. Jedoch lehnte er diese Rechtswahlmöglichkeiten letztlich wegen überwiegender Interessen der Pflichtteilsberechtigten ab. Nach seiner Einschätzung sei die Gefahr zu groß, daß der Erblasser durch entsprechende Manipulationen die Rechte des schutzwürdig erscheinenden Personenkreises (Abkömmlinge, Ehegatten und Eltern des Erblassers) benachteiligen könnte. 18 Der Vorschlag einer Vorbehaltsklausel zugunsten der Ptlichtteilsberechtigten, wonach diese ihre nach der gesetzlichen Anknüpfung unentziehbaren Rechte ungeachtet einer Rechtswahl geltend machen können, konnte den Reformgesetzgeber nicht überzeugen. Er stützte seine ablehnende Haltung zum einen darauf, daß eine solche Wahlmöglichkeit im Ergebnis nicht über eine materiellrechtliche Verweisung hinausgehen würde. Zum anderen wären nach seiner Auffassung für eine derartige Vorbehaltsklausel unverhältnismäßig aufwendige Folgeregelungen auf dem Gebiet des Verfahrensrechts erforderlich. 19 In dem Regierungsentwurf von 1983 stand die Frage nach der Zulassung einer Wahl des lex rei sitae auch in einer Wechselbeziehung dazu, ob der umstrittene Grundsatz des Vorrangs des Einzel- vor dem Gesamtstatut beibehalten werden sollte oder nicht. In der Reformdiskussion war vielfach die Streichung des Art. 28 EGBGB a.F. zugunsten einer allseitigen Rechtswahlmöglichkeit des Lagerechts gefordert worden. 2o Der Regierungsentwurf hingegen beließ es bei der bisherigen Rechtslage und begründete seine Ablehnung der Wahl des Lagerechts damit, daß ein entsprechendes Interesse des Erblassers an der ADwendung des ausländischen Situsrechts bereits hinreichend durch Art. 3 III EGBGB n.F. berücksichtigt würde. 21

gung desselben nicht beeinträchtigt werden könnten, diese Rechte ungeachtet der Rechtswahl des Erblassers geltend machen können. 17 BT-Drucks. 10/504, 11. 18 BT-Drucks. 10/504,74. 19 Ebd. 20 Vgl. Nachweise bei Veit StolI, 54 Fn. 179,2. Teil, und Fn. 181, 1. Teil. 21 BT-Drucks. 10/504, 75.

A. Ausgangssituation

245

Erst der Rechtsausschuß des Bundestages fügte im praktisch letzten Augenblick des Gesetzgebungsverfahrens den Art. 25 11 EGBGB hinzu, der die Wahl deutschen Rechts für inländisches Immobiliarvermögen zuläßt. Es besteht die starke Vermutung, daß dies auf entsprechenden Druck der deutschen Notare hin geschah22 , die sich hiervon eine Vereinfachung der notariellen Praxis und der Nachlaßabwicklung erhofften. 23

b) Funktion

Entsprechend lautete auch die vom Rechtsausschuß für die Einführung von Art. 25 11 EGBGB angegebene Begründung. Man erkannte zwar die Gefahr der Zunahme von Nachlaßspaltungsfällen, die von Art. 25 11 EGBGB ausgeht. Jedoch erhoffte man sich durch die Möglichkeit der Rechtswahl eine Vereinfachung der Rechtsanwendung, indem sich der Erblasser bei der Verfügung über inländische Grundstücke ausschließlich nach deutschem Recht richten könne. 24 Durch die Beschränkung der Rechtswahl auf die Wählbarkeit deutschen Rechts sollte gleichzeitig auch den oben dargelegten Bedenken des Regierungsentwurfs hinsichtlich des Schutzes der Pflichtteilsberechtigten Rechnung getragen werden. 25 Wie schon an anderer Stelle erwähnt26 , wird der von Art. 25 11 EGBGB ausgehende Vorteil der Vereinfachung allerdings in erster Linie nicht dem Erblasser, sondern den betroffenen Rechtsanwendungsstellen (Notare, Nachlaßgerichte und Grundbuchämter) zugute kommen, da diese sich insoweit an dem ihnen bekannten Inlandsrecht orientieren können. 27 Dies liegt allerdings mittelbar auch im Interesse des Erblassers. Denn für ihn gewinnt auf diese Weise die Umsetzung seiner Nachlaßplanung zumindest im Hinblick auf das inländische Immobiliarvermögen an Vorhersehbarkeit. 28 Darüber hinaus würden durch die Anwendung der Lex rei sitae auf das inländische Immobiliarvermögen auch die hiesigen Nachlaßgläubiger und andere an den Rechts22 Vgl. hierzu Linde-Rudolf, 74, und Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 22, mit weiteren Einzelheiten. 23 Aus diesem Grund befürwortete z.B. Geimer in seinem Vortrag auf dem deutschen Notartag von 1985 eine solche Rechtswahlmöglichkeit; siehe Geimer, DNotZ 1985, Sonderheft, 101, 115. 24 BT-Drucks. 10/5632,44. 25 BT-Drucks. 10/5632,44. 26 Siehe oben 2. Kapitel, A.III.2.c)(1). 27 Vgl. auch Kötters, 32 f.: "Damit ist ratio legis der Rechtswahl im Erbrecht weder die Parteiautonomie noch eine Anknüpfungsverlegenheit, . . . . Ausschlaggebend waren vielmehr Verkehrs- und Ordnungsinteressen. " 28 Veit Stoll, 55.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

verhältnissen am Nachlaß interessierte Dritte profitieren. Denn infolge des Anknüpfungsgleichlaufs von Erb- und Realstatut bliebe die Verkehrsschutzfunktion des deutschen Grundbuchwesens in vollem Umfange intakt. 29 c) Reichweite und praktische Bedeutung

Nach allgemeiner Auffassung folgt aus dem eindeutigen Wortlaut des Art. 2511 EGBGB und aus der Geset.zesbegründung, daß diese Rechtswahlmöglichkeit nicht verallgemeinerungsfähig ist und die Wahl eines ausländischen Rechts nicht zuläßt. 30 Sie eröffnet dem Erblasser also eindeutig nur die Wahl deutschen Rechts und dies auch nur für im Inland belegenes unbewegliches Vermögen. 31 Da bei einem deutschen Erblasser ohnehin deutsches Erbrecht gilt, hat die einseitige Rechtswahlmöglichkeit des Art. 25 11 EGBGB demnach nur für ausländische Erblasser mit unbeweglichem Nachlaßvermögen in Deutschland eine praktische Bedeutung. 32 Allerdings kann auch in einem solchen Fall deutsches Erbrecht Anwendung finden, wenn es zu Vgl. hierzu auch oben 2. Kapitel, A.Iß.2.c)(1). Siehr, IPRax 1987, 7; Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 22 m.w.N. 31 Zum "unbeweglichen Vermögen" im Sinne von Art. 2511 EGBGB rechnet man unstreitig das Eigentum am Grundstück einschließlich seiner wesentlichen Bestandteile (§§ 93, 94 BGB) und die mit dem Eigentum an einem Grundstück verbundenen Rechte (§ 96 BGB) sowie die mit dem Boden verbundenen Erzeugnisse. Ferner gehört dazu das Sondereigentum an einer Wohnung (§ 1 11 WEG) und an nicht zu Wobnzwecken dienenden Räumen eines Gebäudes (§ 1 III WEG). Außerdem rechnet man hierzu aufgrund des engen wirtschaftlichen Zusammenhanges auch das mit einem Grundstück verbundene Zubehör (§§ 97, 98 BGB). Unstreitig als "unbeweglich" qualifiziert werden schließlich grundstücks gleiche Rechte, wie z.B. das Erbbaurecht (§ 11 ErbbaurechtsVO). Siehe Palandt-Heldrich, Art. 15 EGBGB, Rz. 22, und Art. 25 EGBGB, Rz. 7; Veit Stoll, 115; Dömer, DNotZ 1988, 94; MünchKomm-Birk, Art. 25 EGBGB, Rz. 64. Darüber hinaus ist der Begriff des "unbeweglichen Vermögens" strittig; vgl. dazu ausführlich Veit Stoll, 109 - 131. Die h.M. rechnet dazu zwar auch beschränkte dingliche Rechte und insbesondere Grundpfandrechte; siehe ebd., 120 f. m.w.N.; MÜDchKomm-Birk, ebd.; Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 35; Dömer, DNotZ 1988, 95. Dagegen schließt die h.M. obligatorische Forderungen, die sich auf unbewegliches Vermögen beziehen, wie z.B. Ansprüche auf die Übertragung von Grundstückseigentum, sowie Anteile an Gesamthandsgemeinschaften mit unbeweglichem Vermögen (Erbengemeinschaften oder Personengesellschaften) von dem Anwendungsbereich des Art. 25 11 EGBGB aus; Veit Stoll, 124 - 129; MünchKomm-Birk, Rz. 65; Tiedemann, ebd., 35 f.; Reinhart, BWNotZ 1987, 101; a.A. jedoch Dömer, ebd., 96 f.; Krzywon, BWNotZ 1987, 5; teilweise a.A. auch Lichtenberger, FS Ferid,285. 32 Tiedemann, RabelsZ 55 (1991), 20. 29

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A. Ausgangssituation

247

einer teilweisen oder vollständigen Rückverweisung durch das ausländische Heimatrecht kommt. In diesem Fall hätte die Rechtswahl selbst für den ausländischen Erblasser also nicht viel mehr als rein deklaratorischen Charakter. Die Rechtswahl könnte dann allenfalls insofern von Nutzen sein, als sie den ausländischen Erblasser vor Änderungen seines Heimatrechts schützen und ihm womöglich die Kosten für ein Gutachten zur Prüfung der Rückverweisung ersparen würde. 33 Eine wirkliche praktische Relevanz besitzt die Rechtswahlmöglichkeit in Art. 25 11 EGBGB daher nur für diejenigen Ausländer, deren Heimatrecht nicht - für den gesamten Nachlaß oder nur für das Immobiliarvermögen - auf deutsches Recht zurückverweist. Sie käme daher vor allem für die in Deutschland lebenden Gastarbeiter aus Italien, Griechenland, Spanien, Portugal und Jugoslawien in Betracht, sofern diese inländische unbewegliche Vermögenswerte erworben haben sollten. 34 2. Rechtswahl im anglo-amerikanischen Erbrecht Die Rechtsordnungen des anglo-amerikanischen Rechtskreises bieten hinsichtlich der Zulässigkeit einer erbrechtlichen Rechtswahl kein einheitliches Bild. Das Recht Englands und der übrigen Staaten des Commonwealth verhält sich insofern sehr zurückhaltend. Nur einige amerikanische Bundesstaaten lassen im beschränkten Umfange eine erbrechtliche Rechtswahl zu. a) Rechtswahl im englischen Erbrecht

Das englische Kollisionsrecht35 läßt eine erbrechtliehe Rechtswahl im eigentlichen Sinne nicht zu. 36 Dem Erblasser ist lediglich gestattet, das auf die Ebd. Nur wenig praktische Bedeutung besitzt diese Rechtswahlmöglichkeit hingegen für die in Deutschland lebenden türkischen Staatsangehörigen. Denn gemäß § 14 des dt.-türkischen Nachlaßabkommens von 1929 (ROBI 1930 11 758 ff.; neu bekannt gemacht am 29.5.1952; BOBI. 1952 11 608; vgl. zu diesem Abkommen allgemein Kremer, IPRax 1981, 205) würde sich die Erbfolge in den in Deutschland befindlichen unbeweglichen Nachlaß eines türkischen Staatsangehörigen ohnehin kraft objektiver Anknüpfung nach dem deutschen Belegenheitsrecht richten. 35 Ebenso das australische und schottische Recht; vgl. die Antworten Australiens und Schottlands, in: "Additional replies of Oovernments to the Questionnaire", Preliminary Document No 3 of November 1986, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, S. 164 und 180. 36 Allerdings gestattet das Recht Englands und der übrigen Commonwealth Staaten dem Erblasser, das auf einen testamentary trust anwendbare Recht zu wählen. Vgl. die Antworten Australiens und Englands, in: "Additional replies of Oovernments 33

34

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Auslegung einer testamentarischen Verfügung anwendbare Recht zu bestimmen. 37 Diese Regel gilt gleichermaßen für bewegliches und unbewegliches Vermögen. 38 Praktische Bedeutung erlangt diese Wahlmöglichkeit für den Fall, daß die Anwendung gesetzlicher Auslegungsregeln oder von Regeln zur ergänzenden Testamentsauslegung erforderlich wird. 39 Hingegen umfaßt diese Wahlmöglichkeit in keinem Falle das für die Gültigkeit letztwilliger Verfügungen maßgebliche Recht. 4o Daher steht das vom Erblasser für die Testamentsauslegung gewählte Recht insoweit stets unter dem Vorbehalt der zwingenden Vorschriften des nach den gesetzlichen Anknüpfungsregeln anwendbaren Rechts. Würde also z.B. die Auslegung nach dem gewählten Recht zu einer Verteilung des Nachlasses führen, die in Widerspruch zu den Regeln des Domizil- bzw. Belegenheitsrechts zur zwingenden Nachlaßbeteiligung der nächsten Angehörigen stünde, dann hätten letztere insoweit Vorrang. 41

to the Questionnaire", ebd., S. 164 und 177. Angesichts der weiten Verbreitung, die der trust als rechtliches Gestaltungsinstrument im anglo~amerikanischen Recht gefunden hat, dürfte diese Rechtswahlmöglichkeit für die Nachlaßplanung in diesen Staaten erhebliche praktische Bedeutung besitzen. 37 Dicey/Morris, 11. Aufl., 1022 (Rule 144); Cheshire/North, 11. Aufl., 851 f. 38 Dicey/Morris, 11. Aufl., 1024. Daher stellt diese Rechtswahlmöglichkeit eine Ausnahme zum Prinzip der Nachlaßspaltung im englischen Recht dar; siehe 2. Kapitel, A.III.2.a)(3). 39 Vgl. Dicey/Morris, 11. Aufl.,1022f. 40 Ebd., 1023. Anders zwar anscheinend noch die Entscheidung Re Allen's Estate [1945] 2 All E. R 264. Spätere Rechtsprechung hat aber dies aber eindeutig verneint; vgl. Philipson-Stow v. Inland Revenue Court [1961] A. C. 727, 748; 760; Re Levick's Will Trust, [1963] 1 W. L. R. 311. 41 Dicey/Morris, ebd.; Cheshire/North, 11. Aufl., 852. Dicey/Morris nennen hierzu das Beispiel eines Erblassers mit letztem Domizil in Frankreich, aus dessen Testament sich entnehmen läßt, daß es für Auslegungsfragen englischem Recht unterliegen soll. Die Auslegung des Testaments nach englischem Recht ergibt zwar, daß der gesamte Nachlaß, der nur aus Mobiliarvermögen besteht, an Freunde des Erblassers gehen soll. Jedoch bestimmt in diesem Fall das französische Erbrecht als Recht des Erblasserdomizils über den Umfang des testamentarisch verfügbaren Nachlasses. Den beiden Kindern des Erblassers stünde nach französischem Recht zwei Drittel des Nachlasses in der Form von Noterbrechten zu. Daher müssen die Einzelverfügungen zugunsten der Freunde soweit gekürzt werden. daß zwei Drittel des Nachlasses den Kindern zur Verfügung stehen (Dicey/Morris. ebd.).

A. Ausgangssituation

249

b) Rechtswahl im Recht der amerikanischen Bundesstaaten

Im Recht der amerikanischen Bundesstaaten stellt sich die Rechtslage zur erbrechtlichen projessio iuris ziemlich unübersichtlich dar. Es ist zu differenzieren zwischen (a) den Staaten, in denen eine Rechtswahl durch gesetzliche Regelungen zugelassen worden ist, (b) solchen Staaten, wo die Rechtswahl kraft Richterrecht erlaubt ist und (c) denjenigen, wo die oben dargelegte Regel des Common Law fortgilt, wie sie auch das "Restatement, Second, Conflict of Laws" vertritt. Entsprechendes Fallrecht, das sich intensiver mit der Frage der Zulässigkeit und Reichweite der erbrechtlichen Rechtswahl auseinandersetzt, liegt bislang nur aus dem Staate New York vor. (l)

Restatement, Second, Conflict oj Laws

Das Restatement, Second, Conflict of Laws folgt der soeben für das englische Recht erläuterten Regel des Common Law, wonach der Erblasser lediglich das für die Auslegung einer testamentarischen Verfügung maßgebliche Recht selber bestimmen kann. 42 Auch unter dem Restatement gilt dies sowohl für bewegliches als auch für unbewegliches Vermögen. 43 Dabei braucht das gewählte Recht im übrigen keinerlei Verbindung mit dem jeweiligen Sachverhalt zu haben. 44

(2) Einzelstaatliche Gesetzgebung Mehrere amerikanische Bundesstaaten haben per gesetzlicher Regelung eine erbrechtliche Rechtswahl zugelassen, die in ihrer inhaltlichen Reichweite deutlich über das hinausgeht, was das Restatement erlaubt. 45 Im Regelfall ist die kollisionsrechtliche Verweisungsfreiheit allerdings auch dort in irgendeiner Weise beschränkt. Eine solche Beschränkung kann zum einen den Kreis 42 43

Siehe hierzu auch IPR-Gutachten 1978 Nr. 39 (München). Für Immobiliarvermögen siehe Restatement, Second, Conflict of Laws, § 240

(1):

"A will insofar as it devises an interest in land is construed in accordance with the rules of construction of the state designated for this purpose in the will. " Für Mobiliarvermögen siehe ebd., § 264 (1): "A will insofar as it bequeaths an interest in movables is construed in accordance with the locallaw of the state designated for this purpose in the will. " 44 Ebd., § 240 Comment e. 45 Siehe zum folgenden Kötters, 111 - 116; Hendrickson, Real Prop., Prob. & Trust J. 18 (1983), 407, 418 - 424.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

der wählbaren Rechtsordnungen betreffen. Gleichzeitig kann die Wahl auf bestimmtes Nachlaßvermögen beschränkt sein. Ferner können bestimmte Regelungsbereiche des materiellen Erbrechts - und zwar vor allem die zwingende Nachlaßbeteiligung der Erblasserangehörigen - aus der Reichweite der kollisionsrechtlichen Verweisungsfreiheit ausgeschlossen worden sein. Die einzelstaatliche Gesetzgebung der Bundesstaaten läßt sich hiernach in folgende Gruppen einteilen: (a) Wahl der lex fori für lokales Vermögen Zu der ersten Gruppe von Bundesstaaten gehören insbesondere New YorIc46 , Illinoig47 und Florida48 • Diese Staaten lassen eine Rechtswahl für grundsätzlich49 alle Fragen des Erbstatuts (der "distribution") im Sinne des anglo-amerikaoischen Rechts zu. Jedoch kann dort nur die lex fori gewählt werden und dies auch nur für im Forum belegenes Nachlaßvermögen. Praktische Bedeutung hat diese Rechtswahlmöglichkeit daher nur für die Anknüpfung des in diesen Bundesstaaten belegenen beweglichen Vermögens eines außerhalb dieser Bundesstaaten domizilierten Erblassers. 50 Denn das im Forum belegene Immobiliarvermögen unterliegt bereits aufgrund der SitusN.Y. Estates, Powers & Trusts Law § 3-5.1(h) (McKinney 1981): "Whenever a testator, not domiciled in this state at the time of death, provides in bis will that he elects to have the disposition of bis property situated in this state govemed by the laws of this state, the intrinsic validity, including the testator' s general capacity , effect, interpretation, revocation or alteration of any such disposition is determined by the locallaw of this state. " 47 Illinois Annotated Statutes, Ch. 110 1/2, § 7.6 (Smith-Hurd 1978): "If a nonresident decedent who is a citizen of the United States or a citizen or a subject of a foreign country provides in bis will that the testamentary disposition of tangible or intangible personal estate having a situs within this State ... is to be construed and regulated by the laws of this State, the validity and effect of such disposition shall be determined by such laws .... " 48 Plorida Annotated Statutes § 731.106(2) (West 1976): "When a nonresident decedent who is a citizen of the United States or a citizen or subject of a foreign country provides in bis will that the testamentary disposition of bis tangible or intangible personal property having a situs within this state, or of bis real property in this state, shall be construed and regulated by the laws of this state, the validity and effect of the dispositions shall be determined by Plorida law. 46

"

Wie allerdings weiter unten noch zu zeigen sein wird, ist zumindest in der New Yorker Rechtsprechung die inhaltliche Reichweite der Rechtswahl bisher nicht endgültig geklärt. 50 In Illinois ist die Rechtswahlmöglichlceit sogar ausdrücklich auf das bewegliche Vermögen beschränkt; siehe oben Illinois Annotated Statutes, Ch. 1101/2, § 7.6. 49

A. Ausgangssituation

251

regel der Lex fori, und hätte der Erblasser sein Domizil im Forumsstaat, wäre dessen Erbrecht auf den Mobiliarnachlaß auch ohne Rechtswahl anwendbar. Nur wenig weiter reicht die Rechtswahl unter dem Recht von Connecticut. 51 Auch dort ist die Wahl auf die Lex fori, d.h. auf das Recht Connecticuts beschränkt. Außerdem sind von dieser Wahlmöglichkeit erb rechtliche Ansprüche ausgenommen, die nach dem Recht des Erblasserdomizils hinsichtlich solcher Vermögenswerte bestehen, die im Domizilstaat belegen sind. Nach Ansicht mancher Autoren liegt der wesentliche Zweck dieser Art von Rechtswahlvorschriften darin, auswärtige Wirtschaftskraft in der Gestalt beweglicher Vermögenswerte in das Forum zu locken. 52 In gewisser Weise bestätigt wird diese Vermutung durch die beiden wichtigsten Urteile des New Yorker Fallrechts für diese Fragen53 , auf die weiter unten noch näher einzugehen sein wird. Diese hatten nämlich bezeichnenderweise die Erbfolge in umfangreiche Wertpapierdepots, die in New Yorker Banken belegen waren, von Erblassern mit auswärtigem Domizil zum Gegenstand.

51 Connecticut General Statutes Annotated § 45a-287(c) (West 1993):

''Whenever a testator of a will which is proved in this state pursuant to this section expressly provided in his will that he elects to have the administration and disposition of his estate govemed by the laws of this state, then the validity, effect and interpretation of such will, and the administration and disposition of such estate. wherever situated. including rights of creditors and rights of inheritance. shaD be determined by the laws of this state in the same manner as if such testator had been domiciled in this state at the time of his death, except as otherwise provided in this section. The rights of persons who are creditors of the testator or of his estate or who may possess or claim rights of inheritance to or elections against the testator' s estate pursuant to the laws of the jurisdiction in which the testator was domiciled at the time of his death shaD be govemed by and subject to the laws of such jurisdiction as to any real or tangible property situated in such jurisdiction or as to any bank accounts which are maintained or other intangible property of the testator the evidences of which are situated in such jurisdiction at the time of the testator' s death. " 52 Weintraub, 465; Schoenblum, Va. J. Int'l. L. 32 (1991), 119. 53 Vgl. In re Clark, 21 N.Y.2d 478,236 N.E.2d 152, 288 N.Y.S.2d 993 (1968); In re Jane Renard, 108 Misc. 2d 31, 437 N.Y.S. 2d 860 (Surr. Ct. 1981), aß'd, 56 N.Y. 2d 973,453 N.Y.S. 2d 625 (1982).

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

(b) § 2-602 Uniform Probate Code Einem anderen Ansatz folgen § 2-602 Uniform Probate Code und die einzelstaatlichen Gesetze, die diese Regelung übernommen haben. 54 Nach diesen Vorschriften kann zwar für das gesamte Erblasservermögen - unabhängig vom Lageort - jedes beliebige Recht gewählt werden. Dafür ist die inhaltliche Reichweite der Rechtswahl in anderer Weise eingeschränkt: i) Vorbehalt zugunsten der Angehörigenschutzvorschriften der lex fori Zum einen stellt die neuere Fassung des § 2-602 UPC von 1975 die Rechtswahl ausdrücklich unter den Vorbehalt der Vorschriften des Forums zur zwingenden Nachlaßbeteiligung des Erblasserangehörigen (elective soore, exempt property und allowances) und unter den Vorbehalt von wany other public policy W des Forumsstaates. 55 Der Wortlaut der älteren Fassung des § 2602 UPC beschränkte diesen Vorbehalt lediglich auf die wpublic policyw des

54 Die ältere Fassung des § 2-602 UPC ist von 3 Staaten übernommen worden: Montana (Montana Code Annotated § 72-2-504 (State of Montana 1992», Minnesota (Minnesota Statutes Annotated § 524.2-602 (West 1975» und New Jersey (N.J. Statutes Annotated § 3B:3-33 (West 1993». Die neuere Fassung des § 2-602 UPC gilt in folgenden 10 Staaten: Alabama (Code of Alabama § 43-8-221 (State of Alabama 1982», Alaska (Alaska Statutes § 13.11.225 (State of Alaska 1972», Arizona (Arizona Revised Statutes Annotated § 14-2602 (West 1973», Colorado (West's Colorado Revised Statutes Annotated § 15-11-602 (West 1989», Idaho (ldaho Code § 15-2-602 (Michie 1971», Maine (Maine Revised Statutes Annotated, tit. 18A, § 2-602 (West 1981», Michigan (Michigan Compiled Laws Annotated § 700.133 (West 1980», Nebraska (Nebraska Revised Statutes § 30-2340 (State of Nebraska 1979», North Dakota (North Dakota Century Code § 30.1-09-02 (2-602) (Allen Smith Company 1976», Utah (Utah Code § 75-2-602 (Allen Smith Company 1978». 55 § 2-602 Uniform Probate Code ["Choice of Law as to Meaning and Effect of Wills. "] in der Fassung seit 1975: "The meaning and legal effect of a disposition in a will shall be determined by the local law of a particular state selected by the testator in his instrument unless the application of that law is contrary to the provisions relating to the elective share described in Part 2 of this Article, the provisions relating to exempt property and allowances described in Part 4 of this Article, or any other public policy of this State otherwise applicable to the disposition. " Seit der 1991er Revision des Uniform Probate Code trägt diese Vorschrift die Bezeichnung § 2-703 "Choice of Law· as to Meaning and Effect of Goveming Instrument".

A. Ausgangssituation

253

Forums. 56 Jedoch ist dem Kommentar zur neueren Fassung des § 2-602 UPC zu entnehmen, daß der dort hinzugefügte Vorbehalt hinsichtlich der Angehörigenschutzvorschriften lediglich als ein Beispiel für ~policies ~ des Forumsstaates gemeint war, die durch die Rechtswahl des Erblassers nicht beeinträchtigt werden dürften. 57 Anscheinend sollte diese Ergänzung also nur eine klarstellende Funktion haben, ohne inhaltlich etwas an der vorhandenen Vorschrift zu ändern. Dies würde bedeuten, daß nach dem Willen der Verfasser dieses Modellgesetzes auch unter der älteren Fassung von § 2-602 UPC die Rechtswahl unter dem Vorbehalt der Normen des Forums zur zwingenden Nachlaßbeteiligung der Erblasserangehörigen stehen sollte. Diese Vorbehaltsklausel führt dazu, daß § 2-602 UPC zumindest im Hinblick auf die Anknüpfung der zwingenden Nachlaßbeteiligung der Erblasserangehörigen in jedem Falle nicht mehr als eine bloß materiellrechtliche Verweisungsbefugnis gestattet. 58 Denn insofern gehen die Verweisungsmöglichkeiten des Erblassers nicht über das hinaus, was ibm das zwingende materielle Recht des Forums erlaubt. Damit findet für den Schutz der Angehörigen des Erblassers immer das Recht des Forumsstaates Anwendung, gleichgültig welche Rechtsordnung der Erblasser im übrigen gewählt haben sollte. 59 ii) Beschränkung auf Bedeutung und rechtliche Wirkung der testamentarischen Verfügung Darüber hinaus läßt § 2-602 UPC nach seinem Wortlaut die Rechtswahl nur für ~the meaning anti legal ejJect~ einer testamentarischen Verfügung zu. Es ist unklar, ob und inwieweit die inhaltliche Reichweite der Rechtswahl auch auf diese Weise über die Vorbehaltsklausel hinaus eine Einschränkung 56 § 2-602 Uniform Probate Code ["Choice of Law as to Meaning and Effeet of Wills. "J in der Fassung vor 1975: "The meaning and legal effect of a disposition in a will shall be determined by the local law of a partieular state seleeted by the testator in his instrument unless the application of that law is eontrary to the publie poliey of this state otherwise applicable to the disposition. " 57 Siehe den Kommentar zu § 2-602 in Uniform Probate Code, Offieial1991 Text, 10. Aufl., Appendix VII, S. 576: "In 1975, the Joint Editorial Board recommended the addition of explieit referenee to the elective share deseribed in Artiele 11, Part 2, and the exemptions and allowanees deseribed in Artiele 11, Part 4, as embodying polieies of this state whieh may not be eireumvented by a testator's ehoiee of applieable law." 58 So auch Firsehing, Reform, 214 Fn. 3. 59 Siehe allgemein zum Begriff der materiellreehtliehen Verweisung z.B. Kropholler, 259.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

erfahren soll. Zwar erfaßt die Verweisungsbefugnis des Erblassers unter § 2602 UPC hiermit auf jeden Fall das auf die Auslegung testamentarischer Verfügungen anwendbare Recht. Denn dies scheint zweifellos mit dem Begriff "the meaning ... oj a disposition" gemeint zu sein. Insoweit entspräche diese Vorschrift also der oben erläuterten Regel des Common Law zur Verweisungsbefugnis für Auslegungsfragen. 60 Fraglich ist aber, ob § 2602 UPC dem Erblasser auch eine darüber hinausgehende Rechtswahlbefugnis einräumt. Insbesondere ist unklar, ob von dieser Verweisungsmöglichkeit abgesehen von den zwingenden Angehörigenschutzvorschriften des Forums auch Vorschriften erfaßt werden sollen, welche die materiellrechtliche Testierfreiheit des Erblassers einschränken. Insofern stellt sich also die Frage, wie der Begriff "legal effect oj a disposition" ausgelegt werden soll. Leider sind die Stellungnahmen in der amerikanischen Literatur hierzu sehr widersprüchlich: Schoenblum äußert an einer Stelle61 die Auffassung, der in § 2-602 UPC gebrauchte Begriff "legal effect" würde auch zwingende Vorschriften umfassen, wie z.B. jorced shares, Noterbrechte und die mortmain Regeln des anglo-amerikanischen Rechts62 • An anderer Stelle meint Schoenblum hingegen, der Wortlaut von § 2-602 UPC würde die "substantive validity", d.h. die materielle Gültigkeit testamentarischer Verfügungen, von der Rechtswahlbefugnis des Erblassers ausschließen. 63 Diese beiden Äußerungen widersprechen sich. Denn die mortmain Vorschriften und die Regelungen zum jorced share des überlebenden Ehegatten werden im amerikanischen Kollisionsrecht gewöhnlich gerade als Fragen der "substantive validity" letztwilliger Verfügungen angesehen. 64 An wieder anderer Stelle differenziert Schoenblum zwischen testamentarischen Rechtswahlklauseln für reine Auslegungsfragen und solchen Rechtswahlklauseln, die zwingende Vorschriften des objektiv anwendbaren Rechts, wie z.B. denjorced share des überlebenden Ehegatten, außer Kraft setzen würden. § 2-602 UPC wird von Schoenblum hier nur im 60 Das Restatement zitiert § 2-602 UPC in seinen Reporter's Notes ausdrücklich als Beispiel für seine oben dargelegte Regel zur Verweisungsbefugnis des Erblassers hinsichtlich des auf die Auslegung anwendbaren Rechts; vg1. Restatement, Second, Conflict of Laws, § 240, Reporter's Note, und § 264, Reporter's Note. Auch Scoles/Hay nennen den § 2-602 UPC als ein Beispiel für die entsprechende Regel des CommonLaw; vgl. ScoleslHay, 809. 61 Schoenblum, Va. J. Int'1. L. 32 (1991), 118. 62 Diese schränken testamentarische Verfügungen zugunsten wohltätiger Einrichtungen ein, die zu Lasten der nächsten Angehörigen des Erblassers gehen. Vg1. hierzu Firsching: U.S.A., in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 3ge. 63 Ebd., Fn. 182. 64 Vgl. Restatement, Second, Conflict of Laws, § 239 Comment f; Scoles/Hay, 813 f.

255

A. Ausgangssituation

Zusammenhang mit der erst genannten Art von Rechtswahlklauseln zitiert. 65 Somit scheint Schoenblum § 2-602 UPC letztlich wohl eher dahingehend zu interpretieren, daß diese Vorschrift lediglich die Common Law Regel zur Verweisungsbefugnis bei Auslegungsfragen wiedergeben soll. Dagegen meint Hendrickson, § 2-602 UPC würde eine weitergehende

projessio iuris gestatten als das oben erläuterte New Yorker Recht. 66

Hendrickson geht somit offensichtlich davon aus, daß diese Vorschrift eine über bloße Auslegungsfragen hinausgehende Rechtswahl ZUläßt. In diese Richtung scheint man auf den ersten Blick auch den offiziellen Kommentar zu § 2-602 UPC interpretieren zu können. 67 Denn dort heißt es ebenfalls, daß § 2-602 UPC eine weiterreichende Rechtswahl gestatten solle als die vergleichbaren Vorschriften New Yorks und Illinois. Andererseits spricht der offizielle Kommentar davon, daß diese Vorschrift dem Erblasser die Möglichkeit einer Rechtswahl "for purposes oj interpreting his will zugestehen würde. Dies spräche wiederum dafür, daß die Verweisungsbefugnis letztlich doch nur für Auslegungsfragen bestünde. Ferner nennen die von dem offiziellen Kommentar erwähnten Vorschriften New Yorks und Illinois - im Gegensatz zu § 2-602 UPC - ausdrücklich auch die wvaüdityw testamentarischer Vorschriften. Es bleibt wiederum unklar, ob der enger gefaßte Wortlaut von § 2602 UPC damit auch eine entsprechende inhaltliche Einschränkung der Rechtswahlbefugnis des Erblassers widerspiegeln soll. W

Es kann also letztlich nicht geklärt werden68 , ob § 2-602 UPC lediglich die Regel des Common Law zur Verweisungsbefugnis des Erblassers für das auf Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, 430 f. und Pn. 18. Mit Bezug auf die einzelstaatlichen Vorschriften, die § 2-602 UPC übernommen haben, heißt es bei Hendrickson, Real Prop., Prob. & Trust J. 18 (1983), 422: "These states have apparently favored broad choice-of-Iaw directions, limited only by contrary elective share and exempt property provisions." Ihm folgt Kötters, 112 f. 67 Siehe UllÜorm Probate Code, Official 1991 Text, 10. Aufl., Appendix VII, S. 576: "New York Estates, Powers & Trusts Law Sec. 3-5.1(h) and Illinois Probate Act Sec. 896(b) direct respect for a testator's choice of locallaw with reference to personal and intangible property situated in the enacting state. This provision goes further and enables a testator to select the law of a particular state for purposes of interpreting his will without regard to the location and property covered thereby. " 68 Die Unsicherheiten bei der Bestimmung der inhaltlichen Reichweite von § 2602 UPC beruhen wahrscheinlich darauf, daß im amerikanischen Recht keine Einigkeit über den genauen Inhalt der Begriffe ·substantive validity·, ·legal effect·, ·construction· und "interpretation" im Zusammenhang mit der Bestimmung des auf die testamentarische Erbfolge anwendbaren Rechts herrscht. Verschiedene Autoren beklagen insofern, daß die Gerichte diese Begriffe und die damit verbundenen unterschiedlichen Anknüpfungsregeln nicht genügend differenzieren würden; vgl. Scoles/ Hay, 810 und selbst Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, 432. Es steht leider zu befürchten, daß auch die Verfasser des UllÜorm Probate Code, die 65

66

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

die Testamentsauslegung anwendbare Recht wiedergibt69 oder ob diese Vorschrift grundsätzlich auch eine weiterreichende Rechtswahl gestatten soll.70 Zumindest aber im Hinblick auf die Bestimmung des auf den Angehörigenschutz anwendbaren Rechts kann diese Frage letztlich offen bleiben. Denn insoweit wird die Verweisungsbefugnis unter § 2-602 UPC in jedem Falle durch die zwingenden Schutzvorschriften des Forums eingeschränkt. iii) Funktion

Der offizielle Kommentar zu § 2-602 UPC äußert sich wiederum nur in sehr knappen Worten darüber, was die Funktion dieser Rechtswahlvorschrift sein soll. Erwähnt wird lediglich, daß auf diese Weise dem Erblasser die Nachlaßplanung erleichtert werden soll.71 Auch den Materialien zu den einzelstaatlichen Vorschriften, die auf § 2-602 UPC beruhen, ist zur Frage des Zwecks der dem Erblasser eingeräumten Verweisungsbefugnis nicht mehr zu entnehmen. Diese beschränken sich nämlich in der Regel darauf, lediglich den Text des offiziellen Kommentars zum Uniform Probate Code wörtlich wiederzugeben. (c) Rechtslage in den übrigen Bundesstaaten Für die übrigen amerikanischen Bundesstaaten fehlen entsprechende gesetzliche Vorschriften zur erbrechtlichen Rechtswahl. In der Mehrzahl von ihnen besitzt die materiellrechtliche Testierfreiheit nach Einschätzung von Hendrickson jedoch einen solch hohen Rang, daß die dortigen Gerichte durchaus bereit sein würden, eine kollisionsrechtliche Rechtswahl für im Forum belegenes Nachlaßvermögen zuzulassen. 72 Hinsichtlich der verbleibenden einzelstaatlichen Gesetzgeber und die oben zitierten Kommentatoren mit dem Gebrauch dieser Begriffe jeweils unterschiedliches gemeint haben könnten. Ähnliche begriffliche Verwirrungen scheinen auch in der englischen Kollisionsrechtsliteratur zu bestehen; vgl. dazu Dölle, RabelsZ 30 (1966), 212 f. 69 So anscheinend Hanisch, 474. 70 So wohl IPR-Gutachten 1978 Nr. 39 (München) zu der älteren Fassung des § 2602 UPC. 71 Siehe den Kommentar zu § 2-602 in Uniform Probate Code, Official1991 Text, 10. Aufl., Appendix VII, S. 576: "So long as local public policy is accomodated, the section should be accepted as necessary and desirable to add to the utility of wills. " 72 Hendrickson, Real Prop., Prob. & Trust J. 18 (1983), 423 f. rechnet hierzu (Stand 1983) die Bundesstaaten Arkansas, Delaware, Georgia, Mississippi, Missouri, Nevada, New Hampshire, North Carolina, Ohio, Oklahoma, Rhode Island, South

A. Ausgangssituation

257

Bundesstaaten nimmt Hendrickson an, daß dort eine kollisionsrechtliche Rechtswahl nicht möglich wäre. 73 Allerdings würde zwnindest in einigen von ihnen voraussichtlich der Regel des Restatement, Second, Conflict of Laws zur Verweisungsmöglichkeit bei Auslegungsfragen gefolgt werden. 74

(3) New Yorker Fallrecht Im Staate New York sind in den vergangenen Jahrzehnten zwei wichtige Leitentscheidungen zur Reichweite der erbrechtlichen Parteiautonomie ergangen. Streitpunkt war in beiden Fällen, inwieweit der Erblasser mit der Wahl New Yorker Rechts für in New York belegenes Mobiliarvermögen die Vorschriften seines Domizilstaates zur zwingenden Nachlaßbeteiligung seiner Angehörigen außer Kraft setzen kann. 75 (a) In re Estate of Clark Dem Fall In re Estate of Clark76 lag folgender - rein inneramerikanischer Sachverhalt zugrunde: Der Erblasser verstarb mit Domizil in Virginia, wo seine Ehefrau auch nach seinem Tode wohnen blieb. Sein Vermögen bestand zum größten Teil aus Wertpapieren, die sich in einem New Yorker Depot befanden, und außerdem aus einem Wohngrundstück und Mobiliarvermögen in Virginia. In Carolina, Tennessee, Texas, Virginia, Washington, West Virginia, Wisconsin und Wyoming. 73 Hendrickson, ebd., 424. 74 Hendrickson, ebd., nennt insoweit Indiana, lowa, Kansas, Kentucky, Massachusetts, Pennsylvania, South Dakota und Vermont. 75 Den beiden im Text besprochenen Fällen vorausgegangen war die New Yorker Entscheidung "yan v. Fulrath, 16 N.Y.2d 169,211 N.E.2d 637 (1965), welche eine ähnliche Fragestellung betraf. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte ein spanisches adeliges Ehepaar erhebliches Geld- und Wertpapiervermögen aus dem bürgerkriegsumkämpften Spanien nach New York transferiert. Dort wurde das Vermögen in gemeinsamen Konten mit Verfügungsmacht des jeweils überlebenden Ehegatten ("survivorship accounts") angelegt. Diese Konten wurden von den Ehegatten New Yorker Recht unterstellt. Das spanische Heimatrecht der beiden Ehegatten hätte es nicht gestattet, den jeweils anderen Ehepartner zum alleinigen Berechtigten an dem betroffenen Vermögen zu bestimmen. Vielmehr wäre nach spanischem Erb- bzw. Ehegüterrecht ein bestimmter Teil des Nachlasses des zuerst Verstorbenen zwingend auf dessen gesetzlichen Erben übergegangen. Das New Yorker Gericht sah die Wahl New Yorker Rechts jedoch als wirksam an. 76 In re Clark, 21 N.Y.2d 478,236 N.E.2d 152, 288 N.Y.S.2d 993 (1968). 17 Brandi

258

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

seinem Testament bestimmte der Erblasser: "This will and the testamentary dispositions in it and the trusts set up shall be construed, regulated and determined by the laws of the State of New York." Ferner verfügte er, daß das Wohngrundstück an seine Ehefrau gehen solle. Außerdem errichtet er zu ihren Gunsten einen trust (anscheinend über das Mobiliarvermögen in Virginia). Über den Rest des Nachlasses wurde ein weiterer trust zugunsten der Mutter des Erblassers errichtet. Nach dem Recht von Virginia hatte die Ehefrau ein right of election. Sie konnte entweder die testamentarische Erbfolge annehmen oder, falls sie dies ausschlug, die Hälfte des Nachlasses verlangen, was mehr war, als zu ihren Gunsten testamentarisch verfügt worden war. Das New Yorker Recht, welches zwar grundsätzlich gleichfalls ein right of election kannte, gestand ihr dieses Wahlrecht in diesem konkreten Fall jedoch nicht zu. Das New Yorker Gericht entschied, daß das nach dem Recht von Virginia bestehende Wahlrecht der Witwe durch die Wahl New Yorker Rechts nicht beeinträchtigt wurde. Zum einen stützte es dieses Ergebnis auf die Auslegung von § 47 Decedent Estate Law77 , der Vorgängerregelung zum derzeit geltenden New Yorker Recht. Das Gericht entschied, daß diese Vorschrift dem Erblasser eine Rechtswahl nur im Hinblick auf "testamentary dispositions" und "the validity and effect of such dispositions" gestatten würde. Einschränkungen der materiellen Testierfreiheit, wie z.B. das right of election des überlebenden Ehegatten nach dem Recht des Erblasserdomizils, seien aber gerade das Gegenteil von "testamentary dispositions" und würden daher von der Rechtswahlbefugnis nicht erfaßt. 78 Darüber hinaus wandte das Gericht auch einen balancing of interests test an. 79 Hierbei wog es die Interessen der beiden. betroffenen Staaten an der 77 Siehe § 47 Decedent Estate Law, L. 1911, eh. 244, 1911 N.Y. Laws (1967 aufgehoben und ersetzt durch § 3-5.1(h) Estates, Powers & Trust Law (McKinney 1967»: "Whenever a decedent, being a citizen of the United States or a citizen or a subject of a foreign country, wherever resident, shall have declared in his will and testament that he elects that such testamentary dispositions shall be construed and regulated by the laws of this state, the validity and effect of such dispositions shall be determined by such laws." 78 In re Clark, 21 N.Y.2d 483. 79 Der balancing 0/ interest test war von dem obersten New Yorker Gericht erst einige Jahre zuvor in der Entscheidung Babcock v. Jackson, 191 N.E.2d 279, 240 N.Y.S.2d 743 (1963), in das New Yorker Fallrecht übernommen worden. Dieser Fall betraf das Deliktsrecht. Im Gebiet des Erbrechts wurde diese Methode erstmals in der Entscheidung In re Crichton, 228 N.E.2d 799, 281 N.Y.S.2d 811 (1967), angewandt, die sechs Monate vor In re Clark erging.

A. Ausgangssituation

259

Anwendung ihres materiellen Rechts auf den vorliegenden Fall gegeneinander ab. Innerhalb dieser Interessensabwägung stellte die testamentarische Rechtswahlklausei für das Gericht nur ein einzelnes Element dar, das für ein Interesse New Yorks an der Anwendung seines eigenen Rechts sprechen würde. 8o Ferner berücksichtigte das Gericht den kurz zuvor erlassenen § 5-1.1 New York Estates, Powers & Trusts Law, der das right 0/ election des New Yorker Rechts auch dem Ehegatten eines nicht in New York domizilierten Erblassers zusprach, wenn dieser für seinen Nachlaß New Yorker Recht gewählt hatte. Hieraus folgerte es, auch das New Yorker Recht habe eine "strong legislative policy", die Testierfreiheit des Erblassers zugunsten des überlebenden Ehegatten einzuschränken. 81 Daher befand das Gericht im Ergebnis, daß das Recht von Virginia anzuwenden sei, da dieser Staat aufgrund des dort befindlichen Domizils der Ehefrau ein deutlich überwiegendes Interesse an der Anwendung seines Rechts habe. 82 (b) In re Estate of Renard Anders hingegen entschieden die New Yorker Gerichte die Frage nach der Reichweite der erbrechtlichen Rechtswahl in dem Fall In re Estate 0/ RenartJ83 : Die in Frankreich geborene Erblasserin hatte 30 Jahre mit Domizil in New York gewohnt und hatte dort die amerikanische Staatsbürgerschaft erworben. Einige Jahre vor ihrem Tode war sie wieder nach Frankreich gezogen, wo sie schließlich verstarb. Sie hinterließ einen in Kalifornien lebenden Adoptivsohn mit doppelter Staatsangehörigkeit der U .S.A. und Frankreichs. Ihr Nachlaß bestand aus einem Pariser Appartement und aus Wertpapieren, die in New York deponiert waren und etwa 3/4 ihres Vermögens ausmachten. In einem in Paris errichteten Testament hinterließ sie das dortige Appartement ihrem Adoptivsohn. Hinsichtlich ihres New Yorker Wertpapiervermögens errichtete sie ein Testament in New York, in dem sie nur einen kleinen Bruchteil der Wertpapiere ihrem Adoptivsohn vermachte. Den Rest, dies war immer noch deutlich mehr als die Hälfte ihres Gesamtvermögens, hinterließ sie einer wohltätigen Einrichtung. Ihr New Yorker Testament enthielt folgende Rechtswahlklausel: "I elect that this Will ... shall be construed and regulated

80 In re Clark, 21 N.Y.2d 486. Ebd., 487 f. 82 Ebd., 489. 83 In re Renard, 108 Misc. 2d 31, 437 N.Y.S.2d 860 (Surr. Ct. 1981), affd, 56 N.Y.2d 973, 453 N.Y.S.2d 625, 439 N.E.2d 341 (1982). 81

17·

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

by the laws of the State of New York, and that the validity and effect thereof shall be determined by such laws. 11

Nach französischem Recht, dem Recht des Domizils der Erblasserin zum Todeszeitpunkt, hätte der Adoptivsohn einen Anspruch auf die Hälfte des Nachlasses gehabt. Das New Yorker Recht sah zu seinen Gunsten keine zwingende Nachlaßbeteiligung vor. Das New Yorker Gesetzesrecht zur Rechtswahlbefugnis des Erblassers hatte sich seit der Entscheidung In re Clark geändert. § 47 Decedent Estate Law war mittlerweile von der heute noch geltenden Regelung des weitgehend gleichlautenden § 3-5.1(h) New York Estates, Powers & Trusts Law abgelöst worden. 84 Das erstinstanzliche Gericht, der New Yorker Surrogate' s Court, musste sich daher mit dem vom Sohn der Erblasserin erhobenen Argument auseinandersetzen, daß § 3-5.1(h) New York Estates, Powers & Trusts Law inhaltlich dasselbe besage wie ihre Vorgängervorschrift, so daß das Gericht an die Entscheidung In re Estate 0/ Clark gebunden sei. Deshalb, so argumentierte der Sohn, dürfe es die Rechtswahl der Erblasserin insoweit nicht beachten, als dadurch sein Noterbrecht nach französischem Recht beeinträchtigt würde. Das Gericht wies dieses Argument mit der Begründung zurück, daß die geltende Rechtswahlnorm des § 3-5.1(h) New York Estates, Powers & Trusts Law allgemein für "the disposition 0/ ... property situated in this state" zu gelten beanspruche, während die ältere Vorschrift des § 47 Decedent Estate Law lediglich auf "testamentary dispositions" anwendbar gewesen sei. Nach Auffassung des Gerichts würde der Wortlaut der neueren Vorschrift daher das gesamte - also auch das womöglich von ausländischen Noterbrechtsbestimmungen betroffene - in New York belegene Nachlaßvermögen zum Zeitpunkt des Erblassertodes erfassen. Deshalb würde § 3-5.1(h) New York Estates, Powers & Trusts Law gestatten, insoweit domizilrechtliche Noterbrechtsvorschriften abzuwählen. 85 Der Surrogate's Court untermauerte dieses Wortlautargument außerdem mit einem balancing 0/ interests test. Das Gericht stellte fest, daß sich hier die New Yorker policy, welche die Testierfreiheit favorisiere, und die den Schutz gesetzlicher Erben betonende policy des französischen Domizilrechts gegenüberstünden. Dabei müsse erstere den Vorrang haben, da sich das betroffene Mobiliarvermögen in New Yorker befinde und der Adoptivsohn außerhalb Frankreichs lebe. Das oberste New Yorker Gericht, der New York Court of Appeals, bestätigte dieses Urteil in einer knappen per curiam Entscheidung. Diese stützte sich jedoch lediglich auf die vom erstinstanz-

84

Siehe oben 3. Kapitel, A.II.2.b)(2)(a) in Fn. 46.

85 In Te Renard. 437 N.Y.S.2d 860.

A. Ausgangssituation

261

lichen Gericht vorgenommenen Erwägungen zur Auslegung des Wortlauts von § 3-5.1(h) New York Estates, Powers & Trusts Law. 86 (c) Rechtswahl und Angehörigenschutz Diese einander - zumindest auf den ersten Blick - widersprechenden Urteile haben in der amerikanischen Literatur ein gemischtes Echo ausgelöst. 87 Insbesondere umstritten ist dabei, ob und inwieweit die Clark Entscheidung nach dem Renard Urteil noch weiterhin als Präzedenzfall Gültigkeit habe. Von Hendrickson wird dies verneint. 88 Nach seiner Ansicht könne daher ein außerhalb New Yorks domizilierter Erblasser durch die Wahl New Yorker Rechts für dort belegenes Vermögen die zwingenden Angehörigenschutzvorschriften seines Domizilrechts uneingeschränkt abwählen. Hendrickson begründet dies damit, daß der New York Court of Appeals als tragenden Grund für die Renard Entscheidung lediglich die auf den Wortlaut von § 35.1(h) New York Estates, Powers & Trusts Law gestützte Argumentation des erstinstanzlichen Gerichts übernommen habe. Diese Vorschrift habe aber gerade die entsprechende Norm des § 47 Decedent Estate Lawabgelöst, auf welche die Clark Entscheidung gestützt worden sei. 89 Andere Autoren hingegen weisen in überzeugender Weise auf wichtige Unterschiede zwischen beiden Fällen hin und folgern daraus, daß die Clark Entscheidung durchaus noch Gültigkeit besitze. 9o So hatte die Clark Entscheidung die zwingende Nachlaßbeteiligung des überlebenden Ehegatten zum Gegenstand gehabt, während die Renard Entscheidung das Noterbrecht eines Abkömmlings betraf. Jedoch kennt das amerikanische Recht - mit der Ausnahme Louisianas - keine entsprechenden Schutzvorschriften zugunsten der Abkömmlinge des Erblassers. Dagegen ist der Schutz des überlebenden Ehegatten durch einen elective share im Recht der amerikanischen Bundesstaaten weit verbreitet. Außerdem war der Clark Fall ein rein inneramerikanischer Fall, wohingegen das Urteil in der Sache Renard ausländisches Recht zum 86 In re Renard, 56 N.Y.2d 973,453 N.Y.S.2d 625,439 N.E.2d 341. Siehe einerseits Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, 166 ff.; Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 11), 84; Lawrence, 58 - 62; Lawrencel Vinciguerra, 70 - 72, und andererseits Hendrickson, Real Prop., Prob. & Trust J. 18 (1983), 412 f. 88 Hendrickson, ebd., 412. 89 Ebd. 90 Lawrence, ebd.; LawrenceNinciguerra, ebd.; Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, 168; Scoles, Recueil des Cours 209 (1988 11), 84; so auch Kötters, 138. 87

262

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Inhalt hatte. 91 Es ist deshalb recht wahrscheinlich, daß sowohl die unterschiedliche Art der zwingenden Nachlaßbeteiligung als auch die unterschiedliche Verwandtschaftsbeziehung der Betroffenen zum Erblasser und außerdem der Gegensatz von amerikanischem Recht und ausländischem Recht für das scheinbar widersprüchliche Ergebnis dieser Entscheidungen eine ausschlaggebende Bedeutung gehabt haben könnten. Deshalb spricht einiges dafür, daß die Clark Entscheidung weiterhin Bestand hat. Demnach wäre durchaus wahrscheinlich, daß die New Yorker Gerichte in einem Fall, in dem sie sich wieder mit der Abwahl eines elective share des überlebenden Ehegatten auseinandersetzen müßten, auch unter dem derzeit geltenden § 3-S.1(h) New York Estates, Powers & Trusts Law ebenso wie in der Sache In re Estate 0/ Clark entscheiden würden. Lediglich für den Fall, daß ein Erblasser mit ausländischem Domizilrecht das Noterbrecht bzw. den Pflichtteil seiner Abkömmlinge abwählen will, wäre eine entsprechende Rechtswahl zugunsten New Yorker Recht gemäß In re Estate 0/ Renard uneingeschränkt möglich.

111. Vorzüge und Probleme einer Rechtswahl im internationalen Erbrecht Im Vorangehenden wurde also ein Überblick über die Rechtslage zur erbrechtlichen pro/essio iuris im geltenden deutschen und anglo-amerikanisehen Recht gegeben. Schon hierbei zeichnete sich ab, daß dieses Thema deutlich von dem stets latent vorhandenen Interessenskonflikt zwischen Erblasser und Erben geprägt wird. Auf der Grundlage dieser bislang gewonnenen Erkenntnisse sollen nunmehr die Vor- und Nachteile der Rechtswahl im Erbrecht diskutiert werden. Dafür ist zunächst auf die dogmatischen Grundlagen der Parteiautonomie im Erbrecht einzugehen. Daran anschließend wird ausführlich erörtert werden, inwieweit einerseits die Interessen des Erblassers eine Zulassung der Rechtswahl gebieten und in welcher Weise andererseits dabei auf die Interessen seiner Angehörigen und anderer Beteiligter Rücksicht genommen werden kann und muß.

91 In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, daß die New Yorker Gerichte sich bereits in den beiden Urteilen In re Cook, 204 Misc. 704, 123 N.Y.S.2d 568 (Surr. Ct. 1953), aff'd, 131 N.Y.S.2d 882 (1954), und Estate 0/ Prince, 49 Misc. 2d 219, 267 N.Y.S.2d 138 (Surr. Ct. 1964), die nur wenige Jahre vor der Clark Entscheidung ergangen waren, abgeneigt gezeigt hatten, eine Einschränkung der Testier- und Rechtswahlfreiheit durch ausländische Noterbrechte hinzunehmen.

A. Ausgangssituation

263

1. Dogmatische Grundlagen der Parteiautonomie im Erbrecht Im Rahmen der Diskussion zur deutschen IPR-Reform wurden von der Wissenschaft wiederholt zwei verschiedene Gesichtspunkte vorgetragen, aus denen die Zulässigkeit der Parteiautonomie im Erbrecht rechtsdogmatisch abgeleitet werden sollte. Der eine Argumentationsstrang stützt sich auf den materiellrechtlichen Grundsatz der Testierfreiheit. 92 Die andere Begründung leitet die Zulässigkeit der Parteiautonomie aus der "Anknüpfungsverlegenheit" zwischen den herrschenden objektiven Anknüpfungsprinzipien ab. 93 a) MaterieUrechtnche Privatautonomie

Verschiedene Befürworter der Parteiautonomie im Erbrecht haben auf die vergleichbare Situation im internationalen Schuldvertragsrecht hingewiesen. Dort wird die Rechtswahlfreiheit im Kollisionsrecht vielfach aus der Parteiautonomie im materiellen Schuldrecht abgeleitet. Gleiches soll für das Erbrecht gelten. Auch dort soll die materiellrechtliche Testierfreiheit für eine entsprechende kollisionsrechtliche Verweisungsfreiheit sprechen. 94 Dem ist von anderer Seite allerdings wiederholt entgegengehalten geworden, daß das materielle Erbrecht - im Gegensatz zum Schuldvertragsrecht - gerade nicht vom Grundsatz der Privatautonomie, sondern überwiegend von zwingendem Recht (Ptlichtteilsrecht, Nachlaßschuldenhaftung, Typenzwang der letztwilligen Verfügungen) geprägt sei. Daher könne der Charakter des materiellen Erbrechts auch nicht zur Rechtfertigung einer Verweisungsfreiheit auf kollisionsrechtlicher Ebene herangezogen werden. 95 Diese Diskussion um die materiellrechtliche Ableitung der Rechtswahl im Erbrecht wird letztlich davon bestimmt, welchen Rang der jeweilige Autor der Testierfreiheit im Verhältnis zu den zwingenden Erbrechtsnormen einräumt bzw. was von beiden er als prägend für das materielle Erbrecht ansieht. 96 Eine zwingende Begründung für die Zulässigkeit einer erbrechtlichen Rechtswahl vermag die materiellrechtliche Testierfreiheit indes nicht zu liefern. 97 Kühne hat nämlich überzeugend nachgewiesen, daß eine begriffslogische Ableitung der erbrechtlichen Parteiautonomie aus der materiellrechtSo insbesondere Dölle, RabelsZ 30 (1966), 204, 222. So insbesondere Kühne, Parteiautonomie, 61 ff.; ders., JZ 1973,403,404 f. 94 Dölle, RabelsZ 30 (1966), 218 spricht von einer "Projektion der nationalen Freiheit auf die internationale Ebene"; ähnlich auch Linde-Rudolf, 93. 95 Müller, RabelsZ 31 (1967),339; Firsching, Reform, 223. 96 Ähnlich Reinhart, ZvglRWiss. 80 (1981), 166. 97 So auch Flessner, 99 f. 92 93

264

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

lichen Testierfreiheit nicht möglich ist. 98 Außerdem sind daS internationale Schuldvertragsrecht und das internationale Erbrecht - zumindest im Hinblick auf die Frage nach der Zulässigkeit der Rechtswahl - nicht direkt miteinander vergleichbar, da die beiden Rechtsgebiete von einer unterschiedlichen Interessenslage geprägt sind: Im Vertragsrecht handeln die Parteien das anwendbare Recht untereinander aus. Damit bestimmen die von der Rechtswahl betroffenen Parteien selber über den Inhalt der Rechtswahlklausel. Im Erbrecht hingegen wird das anwendbare Recht meist nur von einer der Parteien gewählt, nämlich dem Erblasser. Jedoch sind die davon gleichfalls betroffenen Erben und Nachlaßgläubiger im Regelfall an der Rechtswahl nicht beteiligt. 99 Schließlich zeigt auch der rechtsvergleichende Blick auf das anglo-amerikanische Recht, daß materiellrechtliche Testierfreiheit keinesfalls zwingend mit kollisionsrechtlicher Parteiautonomie einher gehen muß. Denn sowohl das englische Erbrecht als auch das Recht der amerikanischen Bundesstaaten räumen dem Erblasser eine weiterreichende Testierfreiheit ein als das deutsche Recht und zwar insbesondere im Hinblick auf die zwingende Beteiligung der Erblasserkinder am Nachlaß. loo Gleichwohl läßt das englische Kollisionsrecht eine Rechtswahl im Erbrecht praktisch überhaupt nicht zu. Auch das Recht vieler amerikanischer Bundesstaaten verhält sich gegenüber der erbrechtlichen Parteiautonomie sehr zurückhaltend. Aus diesen Gründen wird man im Ergebnis allenfalls von einer gewissen Parallele zwischen der Testierfreiheit des Erblassers im materiellen Recht und dem Postulat einer kollisionsrechtlichen Rechtswahl sprechen können. 101 Eine zwingende Ableitung des einen aus dem anderen ist aber nicht möglich.

98 Siehe Kühne, Parteiautonomie, 56 - 61; zusammengefaßt in ders., JZ 1973, 404. Kühne gliedert die materiellrechtliche Privatautonomie dort in ihre beiden Bestandteile der Abschluß- und Gestaltungsfreiheit auf. Er zeigt dabei, daß die Parteiautonomie nicht mit der Abschlußfreiheit gerechtfertigt werden könne, da andernfalls eine Rechtswahl auch im Sachenrecht uneingeschränkt zugelassen werden müßte. Andererseits werde zwar die Gestaltungsfreiheit verschiedentlich zur Begründung der Parteiautonomie im Schuldvertragsrecht herangezogen. Jedoch könne die spezifische Wirkung der Parteiautonomie, nämlich die Abdingbarkeit auch zwingenden innerstaatlichen Rechts, gerade nicht auf die materiellrechtliche Abdingbarkeit, also die Gestaltungsfreiheit, gestützt werden. Darüber hinaus sei die Testierfreiheit angesichts des Typenzwangs des Erbrechts eh mehr der Abschluß- denn der Gestaltungsfreiheit zuzuordnen. 99 Firsching, Reform, 222; Müller, RabelsZ 31 (1967),339. 100 Siehe unten 3. Kapitel, A.III.2.d)(2)(a) in Fn. 144. 101 Ähnlich von Overbeck, La professio iuris, 1099.

A. Ausgangssituation

265

b) Kollisionsrechtliche Anknüpfungsverlegenheit

Eine spezifisch kollisionsrechtliche Begründung der Rechtswahl im Erbrecht bietet Kühne an. Seiner Ansicht nach besteht zwischen den verschiedenen Methoden der objektiven Anknüpfung des Erbstatuts (Staatsangehörigkeitsprinzip oder Domizilprinzip bzw. Nachlaßeinheit oder Nachlaßspaltung) über deren historische und politische Ursachen hinaus ein "sachlogisches Argumentationsgleichgewicht ", das eine eindeutige Entscheidung zugunsten des einen oder anderen Anknüpfungsprinzips verhindere. 102 Die Parteiautonomie des Erblassers sei die einzige praktikable Lösung, die aus dieser Anknüpfungsverlegenheit herausführen könne. Es müsse also der Entscheidung des Erblassers überlassen werden, welche Anknüpfung im jeweiligen Einzelfall die sachgerechteste Lösung biete. 103 Daß diese These Kühnes eine gewisse Berechtigung besitzt, ergibt sich zweifellos aus dem bisherigen Ertrag der vorliegenden Arbeit. So hat die Diskussion der Alternative "Staatsangehörigkeitsprinzip oder Domizilprinzip" anhand des Beispiels der in Deutschland lebenden Gastarbeiter gezeigt, daß häufig nur für den jeweiligen Einzelfall entschieden werden kann, ob das Kontinuitätsinteresse des Erblassers an der Fortgeltung seines Heimatrechts oder sein Anpassungsinteresse an der Unterwerfung der Erbfolge unter das Aufenthaltsrecht größeres Gewicht besitzt. 104 Ebenso wurde im vorigen Kapitel darauf hingewiesen, daß es häufig eine Frage des Einzelfalls ist, ob die Interessen von Erblasser und Erben an der einheitlichen Anknüpfung des Gesamtnachlasses oder die Interessen des Rechtsverkehrs an der Herstellung eines Anknüpfungsgleichlaufs zwischen Erb- und Realstatut und damit an der Anwendung der Zex rei sitae auf den Immobiliamachlaß schwerer wiegen. lOS Gleichwohl erscheint es unbefriedigend, die Parteiautonomie im Erbrecht auf diese Weise bloß negativ als 'Anknüpfungsgehilfen des objektiven Kollisionsrechts' zu rechtfertigen. 106 Vielmehr sollte die positive Begründung der erbrechtlichen Rechtswahl aus einem anderen Gesichtspunkt - nämlich aus der Analyse der maßgeblichen Parteiinteressen - entwickelt werden. Die These von der Ableitung der Parteiautonomie aus der "Anknüpfungsverlegenheit" des objektiven Kollisionsrechts besitzt daher im Ergebnis allenfalls insofern eine Berechtigung, als sie den Kreis der wählbaren Rechte einzugrenzen zu helfen vermag. Denn zumindest für die drei genannten Anknüpfungspunkte Kühne, Parteiautonomie, 63, 91. Kühne, ebd., 68, 91 f.; ähnlich auch Overbeck, La professio iuris, 1098. 104 Siehe oben 1. Kapitel, C.1.2.b). Auf dieses Beispiel verweist auch Kühne, ebd.,70. 105 Siehe oben 2. Kapitel, A.III.2.c); vgl. auch Kühne, ebd., 89 - 92. 106 Flessner, 99. 102

103

266

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Heimatrecht, Domizilrecht und Lex rei sitae läßt sich, wie im folgenden zu zeigen sein wird, eine Rechtswahl aus den jeweiligen Parteiinteressen in überzeugender Weise rechtfertigen.

2. Interessen Durch die Frage nach der Zulässigkeit der Rechtswahl im Erbrecht werden drei verschiedene Gruppen von Interessen bzw. Interessenten berührt: Im Mittelpunkt stehen die Interessen des Erblassers. Ihm soll durch die Möglichkeit der Rechtswahl die Nachlaßplanung erleichtert werden. Damit können jedoch die Interessen der Erben und Nachlaßgläubiger in Konflikt geraten. Deren Schutzbedürfnisse rufen daher nach einer Beschränkung der Rechtswahl in der einen oder anderen Weise. Darüber hinaus können unter Umständen auch Verkehrs- und Ordnungsinteressen des Forumsstaates berührt werden.

Im folgenden soll untersucht werden, welchen Inhalt diese Interessen im einzelnen haben, welches legitime Gewicht ihnen zukommt und in welcher Weise sie sinnvoll gegeneinander abgewogen werden könnten. a) Erblasserinteressen

Der entscheidende Vorteil der Rechtswahl im Erbrecht liegt darin, dem Erblasser die Nachlaßplanung in Fällen mit Auslandsberührung zu erleichtern. Dies ist auch der Grund, warum dem Erblasser im deutschen IPR und im Recht mehrerer amerikanischer Bundesstaaten eine - wenngleich beschränkte - Verweisungsfreiheit gewährt wird. 107 Im einzelnen kann der Erblasser hiervon in folgender Weise profitieren: (1)

Rechtssicherheit

Aus Sicht des Erblassers bietet die Möglichkeit einer Rechtswahl als solcher - unabhängig vom gewählten Recht - zunächst den praktischen Vorteil, die Rechtssicherheit seiner Nachlaßplanung zu erhöhen. Denn mit ihrer Hilfe kann der Erblasser schon zu Lebzeiten Gewißheit über das anwendbare Recht erlangen. 108 Durch eine Rechtswahl wäre er in der Lage, die störenden 107 Vgl. BT-Drucks. 10/5632,44; vgl. den offIziellen Kommentar zu § 2-602 UPC in Uniform Probate Code, OffIcial 1991 Text, 10. Aufl., Appendix VII, S. 576. 108 Geimer, DNotZ 1985, Sonderheft, 109; Kühne, Parteiautonomie, 78; Dölle, RabelsZ 30 (1966), 229f; Overbeck, La professio iuris, 1100; Sturm, 652.

A. Ausgangssituation

267

Auswirkungen, welche die international bestehende Dichotomie zwischen Wohnsitz- oder Staatsangehörigkeitsprinzip bzw. zwischen Nachlaßspaltung und Nachlaßeinheit mit sich bringt, präventiv auszuschalten. So könnte seine Nachlaßplanung zum Beispiel nicht mehr nachträglich durch unvorhergesehene Rückverweisungsmechanismen zu Fall gebracht werden. 109 Dieses Bedürfnis, über das anwendbare Recht VOn vornherein möglichst zweifelsfrei unterrichtet zu sein, ist bei der Anknüpfung der testamentarischen Erbfolge noch stärker ausgeprägt als im internationalen Schuldvertragsrecht, wo der Gewinn an Rechtssicherheit ebenfalls zur Rechtfertigung der Parteiautonomie herangezogen wird. Denn anders als dort ist im Erbrecht nach dem Tode des Erblassers eine Korrektur des Parteiwillens nicht mehr möglich. 110

(2) Kollisionsrechtliche Anwendungsinteressen: Wahl zwischen Staatsangehörigkeitsrecht und Wohnsitzrecht Häufig hat der Erblasser ein Interesse an der Wahl einer bestimmten Rechtsordnung. Dieses Interesse kann unabhängig vom konkreten Inhalt der betroffenen Rechtsordnung bestehen. Ein solches Interesse ist dann vorstellbar, wenn der Erblasser einer bestimmten Rechtsordnung allgemein vertraut oder sich mit ihr besonders eng verbunden fühlt, während er womöglich vom Inhalt ihres materiellen Rechts nichts oder nur wenig weiß. 111 Insofern kann der Erblasser ein Interesse daran haben, in Abweichung vom jeweiligen objektiven Anknüpfungsprinzip des Forums (Staatsangehörigkeits- oder Domizilprinzip) das Recht seines Wohnsitzes oder seiner Staatsangehörigkeit zu wählen, je nachdem, welchem er sich enger verbunden fühlt. Aus dieser Erwägung heraus war in der Diskussion zur deutschen IPRReform von der Wissenschaft wiederholt eine Wahl möglichkeit zugunsten des Aufenthaltsrechts ll2 bzw. zwischen dem Heimatrecht und dem Aufenthaltsrecht des Erblassers zum Zeitpunkt der Rechtswahl ll3 gefordert worden. Zu Recht ist dabei auf das Beispiel der in Deutschland lebenden Gastarbeiter der zweiten oder dritten Generation hingewiesen worden, bei denen infolge der langen Aufenthaltsdauer in Deutschland und der Einbindung in das hiesige soziale Umfeld nicht selten ein überwiegendes Interesse an der Anwendung 109 Hanisch, 475, 476 f.

Dölle, RabelsZ 30 (1966), 230. Vgl. Flessner, 55. 112 So der Vorschlag des deutschen Rates für IPR, vgl. Beitzke, 13, 66 f. 113 So z.B. die Vorschläge von Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 153; NeuhauslKropholler, RabelsZ 44 (1980), 333; und des MPI, RabelsZ 44 (1980), 352, und RabelsZ 47 (1983), 656 ff. 110

111

268

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

des deutschen Aufenthaltsrechts anstelle ihres ausländischen Heimatrechts vorliegt. 114 In diesen und anderen vergleichbaren Situationen könnten die vom Regelfall der objektiven Anknüpfungsnorm abweichenden Interessen des Erblasser am besten dadurch berücksichtigt werden, daß diesem selber überlassen wird anzugeben, welches die Rechtsordnung seiner engsten Verbundenheit ist.

(3) Materiellrechtliche Anwendungsinteressen Darüber hinaus hat der Erblasser womöglich ein Interesse an der Anwendung eines bestimmten materiellen Erbrechts. Insofern spräche für die Gewährung einer Rechtswahlmöglichkeit, daß der Erblasser häufig selber am besten dazu in der Lage sein wird, das für seine testamentarischen Pläne am meisten geeignete Recht auszusuchen. 115 Die Möglichkeit, auf der Ebene des materiellen Rechts der gewählten Rechtsordnung bestimmte mit dem objektiv anwendbaren Recht nicht erreichbare Ziele zu verwirklichen, wird in der Praxis vielleicht sogar der wichtigste Faktor zur Vornahme einer Rechtswahl sein. 1l6 Das internationale Privatrecht kann dieses Wissen, das der Erblasser vom Inhalt der in Frage kommenden Rechtsordnung hat, und seine daraus entspringenden Anwendungsinteressen nicht ohne Verlust seiner Glaubwürdigkeit ignorieren. 117 Die beiden wichtigsten Rechtsordnungen, an deren Anwendung der Erblasser ein materiellrechtliches Interesse haben könnte, dürften die Lex rei sitae und - bei einem verheirateten Erblasser - das Ehegüterrechtsstatut sein: (a) Wahl der lex rei sitae Vor allem für den Immobiliarnachlaß kann die Wahlmöglichkeit zugunsten der Lex rei sitae eine deutliche Erleichterung der Nachlaßabwicklung mit sich bringen. Oben im zweiten Kapitel wurde insofern bereits auf die Schwierigkeiten eingegangen, die sich aus dem Zusammentreffen eines ausländischen Erbstatuts mit dem inländischen Sachen- bzw. Grundbuchverfahrensrecht ergeben können. 118 Vom deutschen IPR-Reformgesetzgeber wurden diese 114 Vgl. Neuhaus/Kropholler, ebd., 335; MPI, RabelsZ 44 (1980), 346; Luther, FS Bosch, 562 ff. 115 Dölle, RabelsZ 30 (1966), 219; Kühne, Parteiautonomie, 78; ders., IPRGesetz-Entwurf, 158. 116 Reinhart, ZvglRWiss. 80 (1981), 162; ähnlich Kühne, Parteiautonomie, 76. 117 Vgl. Flessner, 56. 118 Siehe oben 2. Kapitel, A.III.2.c)(1).

A. Ausgangssituation

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Schwierigkeiten zum Anlaß genommen, ausländischen Erblassern für inländisches unbewegliches Vermögen die Wabl deutschen Erbrechts zu gestatten (Art. 25 11 EGBGB).119 Allerdings würden diese Erwägungen in gleicher Weise dafür sprechen, auch für ausländisches Immobiliareigentum die Wahl des dortigen Lagerechts zu gestatten. Aus diesem Grunde war von verschiedenen Vertretern der Wissenschaft während der IPR-Reformdiskussion durchaus zu Recht eine allseitige Verweisungsmöglichkeit zugunsten der Lex rei sitae gefordert worden. 120 Die Anwendung der Lex rei sitae auf den unbeweglichen Nachlaßteil kann jedoch zu einer Nachlaßspaltung führen und damit wiederum materiellrechtliche Anpassungsprobleme zwischen den einzelnen Nachlaßmassen hervorrufen. 121 Für die objektive Anknüpfung des Erbstatuts wurde deshalb oben dahingehend argumentiert, daß die Interessen des Erblassers und der Erben im Regelfall eher für den Grundsatz der Nachlaßeinheit sprechen würden. 122 Zumindest dem Erblasser könnten jedoch im konkreten Einzelfall die Vorteile aus der Anwendung der Lex rei sitae (v.a. Vereinfachung der Nachlaßabwicklung für die lokalen Behörden durch Anwendung der Lex jori) mehr bedeuten als die Nachteile der Nachlaßspaltung. Dies könnte z.B. dann der Fall sein, wenn der Nachlaß im wesentlichen aus Grundvermögen bestünde. (b) Wahl des Güterrechtsstatuts

Ein verheirateter Erblasser könnte außerdem ein besonderes Interesse daran haben, durch die Ankopplung des Erbstatuts an das für die güterrechtlichen Wirkungen seiner Ehe maßgebliche Recht die Probleme zu vermeiden, die durch die Disharmonie zwischen dem Ehegüterrecht und dem Erbrecht unterschiedlicher Rechtsordnungen entstehen können. 123 Diese Probleme rühren zumeist daher, daß einige Rechtsordnungen den überlebenden Ehegatten 119 Vgl. BT-Drucks. 1015632,44. 120 Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 160; MPI, RabelsZ 47.(1983), 658; Neuhausl Kropholler, RabelsZ 44 (1980), 334. Kühne, ebd., und das MPI, ebd., begründeten ihren Vorschlag insbesondere damit, daß der Erblasser auf diese Weise darauf Rücksicht nehmen könne, daß viele Staaten der Situs-Regel folgen und auf den Imrnobiliarnachlaß somit das eigene Erbrecht anwenden würden. Diesem Gesichtspunkt wurde vor der IPR-Reform und wird auch nach heute geltendem Recht durch den Vorrang des Einzel- vor dem Gesamtstatut (Art. 28 EGBGB a.F.; Art. 3 m EGBGB n.F.) Rechnung getragen. Nach Ansicht dieser Autoren sollte diese Regel jedoch abgeschafft und durch eine entsprechende Rechtswahlmöglichkeit ersetzt werden. 121 Siehe hierzu ausführlich oben 2. Kapitel, A.m.2.a). 122 Siehe ebd. 123 Hanisch, 475; Geimer, DNotZ 1985, Sonderheft, 112.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

durch eine güterrechtliche Lösung, andere. Rechtsordnungen hingegen mittels einer erbrechtlichen Regelung am gemeinsamen Ehevermögen beteiligen. Je nach Sachlage kann es daher in Fällen mit Auslandsberührung zu einem Normenmangel oder zu einer Normenhäufung kommen. 124 Diese Normenwidersprüche bringen in der Praxis erhebliche Anpassungsprobleme mit sich. 125 Zur Vermeidung dieser Schwierigkeiten war deshalb in der Diskussion zur deutschen IPR-Reform wiederholt zu Recht vorgeschlagen worden, daß dem Erblasser u.a. auch gestattet werden sollte, als Erbstatut dasjenige Recht zu bestimmen, welches zum Zeitpunkt der Rechtswahl für die ehegüterrechtlichen Wirkungen seiner Ehe gilt. 126 b) Verkehrs-, Ordnungs- und Forumsinteressen

In der Diskussion um die Vor- und Nachteile der Rechtswahl im Erbrecht sind wiederholt auch bestimmte Verkehrs-, Ordnungs- und Forumsinteressen genannt worden, die für eine Zulassung der Rechtswahl sprechen würden. Vor allem wird mit diesen Argumenten für eine Wahlmöglichkeit zugunsten der Lex fori gestritten: So wird z.B. argumentiert, daß durch eine Rechtswahl zugunsten des inländischen Aufenthaltsrechts die Integration der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer gefördert 127 und eine spürbare Entlastung der deutschen Gerichte erreicht werden könnte. 128 Ebenso war auch für den Rechtsausschuß des deutschen Bundestages letztlich das maßgebliche Motiv zur Einführung der Wahlmöglichkeit zugunsten der inländischen Lex rei sitae in Art. 2511 EGBGB gewesen, daß auf diese Weise die inländische Nachlaßabwicklung im Interesse der hiesigen Gerichte, Grundbuchämter und Notare erleichtert und beschleunigt werden könne. 129 Von ihrer Zielrichtung her besitzen diese Argumente sicherlich eine gewisse Berechtigung. So läßt es sich z.B. nicht bestreiten, daß eine verstärkte Anwendung der Lex fori eine Vereinfachung und Beschleunigung der RechtsVgl. Kropholler, 209 f. Vgl. Kropholler, 211 m.w.N.; Kegel, IPR, 222 f. m.w.N.; siehe ausführlich Clausnitzer, Die güter- und erb rechtliche Stellung des überlebenden Ehegatten nach den Kollisionsrechten der Bundesrepublik Deutschland und der USA, Diss. Konstanz, 1986. 126 Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 153, 158; MPI RabelsZ 47 (1983), 656. Andere Autoren befürworteten sogar eine objektive Anknüpfung des Erbstatuts eines verheirateten Erblassers an das Ehegüterrechtsstatut; vgl. z.B. NeuhauslKropholler, RabelsZ 44 (1980), 333. 127 Kötters, 93. 128 Geimer, DNotZ 1985, Sonderheft, 112. 129 Siehe oben 3. Kapitel, A.II.l.b). 124 125

A. Ausgangssituation

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pflege mit sich bringen würde. Dies wäre nicht nur im Interesse des Rechtsverkehrs allgemein, sondern auch der betroffenen Parteien. Gleichwohl haben diese Erwägungen im vorliegenden Zusammenhang bei Lichte besehen nur eine begrenzte Bedeutung. Denn es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß die Adressaten einer solchen Rechtswahlvorschrift auch tatsächlich eine in die gewünschte Richtung gehende projessio iuris vornehmen werden. Deshalb streiten diese Erwägungen eher für ein entsprechendes Prinzip zur objektiven Anknüpfung des Erbstatuts und weniger für eine bestimmte Art von Rechtswahlnorm. c) Nachlaßgläubigerinteressen

Der eine Personenkreis, dessen Interessen potentiell denen des Erblassers zuwiderlaufen und gegen eine Rechtswahl sprechen könnten, ist derjenige der Nachlaßgläubiger. Dementsprechend wird der zwingende Charakter der Vorschriften zur Nachlaßschuldenhaftung verschiedentlich auch als ein Argument gegen die Zulässigkeit einer projessio iuris angeführt. 130 Die Furcht vor einer negativen Beeinträchtigung der Nachlaßgläubigerinteressen durch eine Rechtswahl des Erblassers erscheint jedoch übertrieben. Soweit ersichtlich, findet sich nämlich in jeder Rechtsordnung der Grundsatz wieder, daß aus dem Nachlaß zunächst die Nachlaßverbindlichkeiten beglichen werden müssen, ehe die Erbschaft den Erben verbleibt. l3l Ländermäßig unterschiedlich ist dagegen im wesentlichen nur die zweitrangige Frage geregelt, ob die Erben persönlich schon grundsätzlich nicht für die Nachlaßverbindlichkeiten haften (wie etwa im anglo-amerikanischen Recht) oder ob sie zum Ausschluß der persönlichen Haftung bestimmte Schritte unternehmen müssen (wie im deutschen Recht nach § 1975 BGB).132 d) Erbeninteressen (1)

Überblick

Die wichtigsten Interessen, die denjenigen des Erblassers entgegenstehen können, sind daher diejenigen seiner nahen Angehörigen. 133 Die Rechtswahl So z.B. Firsching, Reform, 222; Müller, RabelsZ 31 (1967),339. Hanisch, 477; MPI, RabelsZ 47 (1983), 659; siehe den ausführlichen Überblick zur Regelung der NacWaßhaftung in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union bei Ebenroth, Rz. 1182 - 1189. 132 MPI, ebd.; vgl. Ebenroth, ebd. 133 Hanisch, 477. 130 131

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

des Erblassers könnte nämlich dazu führen. daß ihnen die zwingende Nachlaßbeteiligung ganz oder teilweise entzogen wird. welche ihnen das objektiv anwendbare Recht gewähren würde. Bei der Prüfung der Zulässigkeit einer erb rechtlichen Rechtswahl müssen also die Planungsbedürfnisse des Erblassers und die Schutzinteressen seiner Angehörigen gegeneinander abgewogen werden. Hierbei sollten allerdings zwei verschiedene Fallsituationen unterschieden werden: In der weit überwiegenden Mehrzahl aller Fälle wird der Erblasser mit einer Rechtswahl nur Gutes bezwecken. Er wird sie in diesen Fällen vornehmen, um auf diese Weise seine Nachlaßplanung zu optimieren. d.h. er will mit ihrer Hilfe den Wert seines Nachlasses soweit wie möglich erhalten. die Nachlaßabwicklung vereinfachen und eine sichere Vorsorge für das wirtschaftliche Wohlergehen seiner Familie nach seinem Ableben schaffen. In diesen Fällen dient die Rechtswahl also grundsätzlich auch den Interessen seiner Angehörigen. Gleichwohl ist auch hier ein latenter Interessenskonflikt vorhanden. Denn die Vorstellungen des Erblassers darüber, was für das fmanzielle Wohlergehen seiner Familie das Beste sei. können in eine andere Richtung gehen als die entsprechenden Vorstellungen seiner Angehörigen. Außerdem können sie mit den zwingenden erbrechtlichen Vorschriften des an sich objektiv anwendbaren Rechts in Konflikt geraten. Beispiele hierfür bilden die beiden oben besprochenen New Yorker Entscheidungen In re Clark und In re Renard. 134 In beiden Fällen hatte der Erblasser für die klagende Ehefrau bzw. die Erblasserin für den klagenden Sohn umfangreiche Vorsorge getroffen. Jedoch entsprach das den Klägern Zugedachte im Wert nicht dem, was das objektiv anwendbare Recht ihnen eigentlich gewährt hätte. Die Schutzinteressen der Angehörigen können also selbst im Falle einer wohlmeinenden Rechtswahl mit den Interessen des Erblassers in Konflikt geraten. In dieser Fallkonstellation. in welcher der Erblasser mit der Rechtswahl eigentlich gute Absichten verfolgt. ist es demnach im wesentlichen eine Wertungsfrage. was man höher gewichtet: die Bedürfnisse des Erblassers nach einer möglichst flexiblen und einfachen Nachlaßplanung oder die Interessen der Angehörigen. die auf den Erhalt einer angemessenen Nachlaßbeteiligung gerichtet sind. Grundlegend anders zu bewerten ist dagegen die Situation, wo der Erblasser durch die Rechtswahl gezielt die Angehörigenschutzvorschriften des objektiv anwendbaren Rechts zu vermeiden sucht. um bestimmte Angehörige von der Erbfolge auszuschließen. Dies mögen die weitaus selteneren Fälle 134

Siehe oben 3. Kapitel, A.II.2.b)(3).

A. Ausgangssituation

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sein, gleichwohl existieren auch sie. 13S Dort stehen sich die Interessen von Erblasser und Angehörigen offen gegenüber. Der Erblasser mag zwar mit der Abwahl des Ptlichtteilsrechts seiner Angehörigen auch insoweit durchaus nachvollziehbare Ziele verfolgen. So könnte er z.B. die Absicht haben, sein gesamtes Vermögen einer gemeinnützigen Stiftung zu vermachen und nicht seinen Kindern, mit denen er seit Jahren im Streit lebt. Dennoch sind die Interessen der Angehörigen hier eindeutig höher zu bewerten als die des Erblassers. In diesen Fällen stellt sich demnach die Frage, inwieweit eine Rechtswahl dem Erblasser die Möglichkeit zur Manipulation der Anknüpfung gibt, um ein bestimmtes materiellrechtliches Ergebnis zu erzielen, das den Interessen der Angehörigen zuwiderläuft. Bei der Bewertung des Verhältnisses von Erblasser- und Angehörigeninteressen sollte also zwischen diese beiden Fallkonstellationen des "gutmeinenden " und des "böswilligen" Erblassers differenziert werden. Dies wurde in der bisherigen Diskussion zur Zulässigkeit der Rechtswahl im deutschen internationalen Erbrecht nicht immer mit hinreichender Deutlichkeit getan. Es ist demnach also zu fragen, ob die Interessen der Erblasserangehörigen bei Berücksichtigung beider Fallkonstellationen tatsächlich eine völlige Untersagung einer Rechtswahl gebieten 136 oder ob sie nicht lediglich eine sinnvolle

135 In diese Richtung ging z.B. der Vorwurf der klagenden Tochter in der schweizerischen Leitentscheidung Hirsch c. Cohen. Dort war der ursprünglich deutsche Erblasser während der Nazi-Zeit nach England emigriert und hatte dort die britische Staatsangehörigkeit erworben. Nach dem Kriege übersiedelte er in die Schweiz, wo er erst 1973 verstarb. Er hatte für sein Testament englisches Recht gewählt und hatte darin seine Ehefrau zur AIIeinerbin eingesetzt. Dadurch wurde die Klägerin, des Erblassers Tochter aus erster Ehe und sein einziges Kind, von der Erbfolge ausgeschlossen. llire Klage auf FeststeIlung, daß sie rechtmäßige Erbin sei, bzw. ihr hilfsweiser Antrag auf Herabsetzung der Erbeinsetzung der beklagten Ehefrau um den Betrag ihres Pflichtteils nach schweizerischen Recht wurde in aIlen drei Instanzen abgewiesen. Vgl. BGE 102 n 136 ff. mit Anm. Lalive in SchwJbIntR 1977, 338 ff. Siehe hierzu auch Hanisch, 477 ff. In diesem Zusammenhang ist auch von Interesse, daß anscheinend von manchen New Yorker Anwaltskanzleien eine gezielte Beratung darüber angeboten wird, wie kontinentaleuropäische Pflichtteils- und Noterbrechte durch die Wahl lokalen New Yorker Rechts vermieden werden können. Siehe dazu den Aufsatz der beiden New Yorker Anwälte Lawrence/Vinciguerra, 65 ff.; siehe auch den Aufsatz von Spudis, Va. J. Int'l L. 20 (1980), 887 ff. 136 So die Begründung zum Regierungsentwurf von 1983 zum IPR-Reformgesetz, BT-Drucks. 10/504, 74; ebenso während der Reformdiskussion z.B. Reinhart, ZvglRWiss. 80 (1981), 166; Firsching, Reform, 222. So auch nach der IPR-Reform weiterhin z.B. Kegel, IPR, 650ff.; Ferid, Internationales Privatrecht, § 9 ill; wohl auch Ebenroth, Rz. 1254. 18 Brandi

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Beschränkung der Rechtswahlmöglichkeit erforderlich machen. 137 Für die Antwort auf diese Frage soll im folgenden zunächst untersucht werden, welchen Inhalt und welches Gewicht die Schutzinteressen der Angehörigen im internationalen Erbrecht besitzen. Dabei soll zwischen den "materiellrechtlichen " und den "kollisionsrechtlichen " Schutzinteressen dieser Personen differenziert werden. Daran anschließend werden verschiedene Modelle einer eingeschränkten Rechtswahlmöglichkeit besprochen. Abschließend ist auf die Frage nach dem Verhältnis von Anknüpfungsmanipulation und Rechtswahl einzugehen.

(2) Materiellrechtliche Schutzinteressen (a) Inhalt und Bedeutung im materiellen Recht Ebenso wie in rein inländischen Sachverhalten138 haben die nahen Angehörigen des Erblassers grundsätzlich auch in Fällen mit Auslandsberührung ein Interesse daran, daß sie am Nachlaß beteiligt werden und daß ihnen diese Nachlaßbeteiligung auch durch eine Rechtswahl des Erblassers nicht entzogen werden kann. Dieses Interesse könnte man als "materiellrechtliches Schutzinteresse" der Erben bezeichnen. Insofern besitzen die Interessen des überlebenden Ehegatten und diejenigen der .Abkömmlinge des Erblassers allerdings unterschiedliches Gewicht. Denn rechtstatsächliche Untersuchungen haben als eine den westlichen Industrienationen gemeinsame Entwicklung ergeben, daß mit der dort allgemein zunehmenden Lebenserwartung die Kinder des Erblassers bei dessem Tode meistens schon erwachsen sind, im Berufsleben stehen, das Elternhaus bereits verlassen und eine eigene Familie begründet haben. 139 Die Notwendigkeit, das Erbrecht zur wirtschaftlichen Versorgung der Abkömmlinge einzusetzen, ist damit in der heutigen Zeit deutlich geringer geworden. 140 Hingegen wird der überlebende Ehegatte, d.h. 137 So z.B. Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 159; MPI RabelsZ 47 (1983), 659. So auch die Begründung des Rechtsausschusses rur Art. 25 n EGBGB in BT-Drucks. 10/5632,44. 138 Im deutschen Recht wird als Funktion des Pflichtteilsrechts angesehen, eine Kompromißlösung zwischen dem gesetzlichen Familienerbrecht einerseits ("das Gut rinnt wie das Blut") und der völligen Testierfreiheit herzustellen; vgl. MünchKommFrank, § 2303. BGB Rz I. 139 In der Mehrzahl der Erbfälle habe die Abkömmlinge ein Alter von 30 bis 50 Jahren; Leipold, AcP 180 (1980), 185 mit zahlreichen Nachweisen auf entsprechende statistische Erhebungen; ebenso Hanisch, 481; van Loon, Succession in private internationallaw. Prospective study, Preliminary Document No 2 of September 1986, in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd. 2, 141, 145. 140 Leipold, ebd.; Hanisch, ebd.; van Loon, ebd.; a.A. Neumayer, 672 f.

A. Ausgangssituation

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meistens die Ehefrau, bei Eintritt des Todes des erstverstorbenen Gatten oft schon im RentenaIter sein und ein entsprechendes Bedürfnis an ausreichender wirtschaftlicher Versorgung haben, um den bisherigen Lebensstandard aufrechterhalten zu können. Aus diesem rechtstatsächlichen Befund ist daher wiederholt zu Recht gefolgert worden, daß das Ptlichtteilsrecht der Abkömmlinge - zumindest der Höhe nach - im Vergleich zu dem des Ehegatten mittlerweile an Legitimität verloren habe. 141 Gleichwohl steht den Erblasserdeszendenten in den meisten westeuropäischen Rechtsordnungen auch heute noch ein Noterbrecht bzw. ein Pflichtteilsanspruch am Nachlaß des Erblassers ZU. 142 Etwas anders ist die Rechtslage in England, wo die Kinder des Erblassers unter bestimmten Voraussetzungen einen unterhaltsähnlichen Zahlungsanspruch gegen den Nachlaß haben. 143 Traditionell nur sehr schwach ausgebildet ist die zwingende Nach141 Leipold, ebd.; Gerken, Rechtspfleger 1989, 45, 49; siehe hierzu auch Buchholz, FamRZ 1985, 872, 881: "Vielmehr handelt es sich bei einem Erbanfall an die erwachsenen Kinder um einen unverhofften (oder gar erhofften) Gewinn, dessen Legitimationsgrundlage gegenüber dem Ehegattenerbrecht schon deshalb stark zusammengeschmolzen ist, weil hier Personen erben, die schon seit Jahren oder Jahrzehnten aus dem inneren Lebenskreis der Gattenfamilie herausgetreten sind. Das Fortbestehen einer 'Solidaritätsgruppe' vermag zwar Erbrechte der Kinder und Verwandten zu begründen, schafft aber immer noch keine Gleichrangigkeit mit dem Ehegatten. " Etwas zurückhaltender Hanisch, 482: "Gleichwohl ergibt sich aus der internationalen Diskussion über das Noterbrecht des Ehegatten und der Deszendenten, daß das Noterbrecht der Nachkommen rechts- und sozialpolitisch keineswegs ganz außer Frage steht." Hanisch, ebd., 481, nennt in diesem Zusammenhang Meinungsumfragen aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich, wonach aus den im Text genannten Gründen die Mehrheit der Befragten für eine Verstärkung des Ehegattenerbrechts und damit des Ehegattenpflichtteils eingetreten sei. Buchholz, FamRZ 1985, 880 f. m.w.N., weist ferner auf Erfahrungen aus der deutschen Notariatspraxis hin, die in dieselbe Richtung gehen. Danach würden Ehegatten bei der Gestaltung von notariellen Testamenten und Erbverträgen darauf sehen, sich das gemeinsam erworbene Vermögen (insbesondere das Haus- bzw. Wohnungseigentum) zunächst einmal wechselseitig vorzubehalten. Hingegen sollen sich die Kinder, die jahrelang einen großen Teil des Familienbudgets für Ausbildungszwecke etc. in Anspruch genommen haben, vorerst bis zum Ableben beider Ehegatten bescheiden. 142 V gI. den ausführlichen rechtsvergleichenden Überblick bei Ebenroth, Rz. 997 - 1007. 143 Das Nachlaßgericht kann dort auf Antrag die Gewährung einer Unterstützung aus dem Nachlaßvermögen (auch in Form periodischer Zahlungen) für die Kinder des Erblassers anordnen, wenn es unter Zugrundelegung bestimmter gesetzlicher Gesichtspunkte zu der Überzeugung gelangt, daß für deren Unterhalt nicht ausreichend Sorge getragen ist; vgI. die Bestimmungen des Inheritance (Provision for Family and 1S·

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

laßbeteiligung der Abkömmlinge dagegen im Recht der amerikanischen Bundesstaaten. Dort werden den Kindern des Erblassers - im Regelfall zusammen mit dem überlebenden Ehegatten - zwar verschiedene Einzelansprüche (jamilyallowance, homestead, exempt property) gewährt. Diese belaufen sich aber insgesamt nur auf einen geringen Gesamtbetrag. l44 Anders stellt sich die Situation dagegen beim überlebenden Ehegatten dar. Dort sind es Frankreich und die Niederlande, die - insoweit alten Traditionen des germanischen Rechts folgend 145 - keine zwingende Nachlaßbeteiligung für

Dependants) Act 1975; siehe auch Henrich: Großbritannien, in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 229 ff. und Ebenroth, Rz. 1005. 144 So haben der überlebende Ehegatte und die Kinder des Erblassers (in einigen Staaten nur die mindeIjährigen Kinder) in den meisten Bundesstaaten Anspruch auf Unterstützungszahlungen ifamily allowance bzw. interim allowance) aus dem Nachlaß für den Zeitraum, während dieser vom personal represenralive verwaltet und abgewickelt wird. Die Höhe dieser Unterstützungszahlungen ist unterschiedlich geregelt. Manche Staaten ordnen einen bestimmten Fixbetrag an, andere einen Minimalbetrag, wieder andere einen maximale Summe, wobei im übrigen lediglich gesagt wird, daß die Unterstützungszahlung ·reasonable· Zu sein habe (so z.B. § 2-404 und § 2405 Uniform Probate Code, wo als Höchstsumme $ 18.000,- angegeben sind). Die family allowance kann in vielen Staaten wahlweise als Einzelbetrag oder in periodischen Zahlungen ausbezahlt werden. Zweck dieser family allowance ist es, den Familienunterhalt während der Nachlaßabwicklung zu sichern. Vgl. hierzu McGovernl KurtzlRein, 102 ff.; Atkinson, 128 ff. Hiermit teilweise überlappend steht dem überlebenden Ehegatten und den Erblasserkindern in einigen Bundesstaaten auch ein Anspruch auf homestead und exempt property zu (vgl. Atkinson, 126 ff., McGovernlKurtzlRein, 105 f., Scoles, U. Fla. L. Rev. 8 (1955), 152 - 154). Allerdings können die Kinder des Erblassers diese Rechte in einigen Staaten nur dann selber geltend machen, wenn der andere Elternteil bereits vorverstorben ist (z.B. §§ 2-402 und 2-403 UPC). Außerdem sind z.T. nur mindeIjährige Abkömmlinge anspruchsberechtigt (vgl. § 2-402 UPC). Das homestead right gewährt das Recht, das Familienheim des Erblassers frei von Ansprüchen der Nachlaßgläubiger übernehmen und dort wohnen zu können. Unter den exempt property rights wird den Berechtigten ein Anspruch auf bestimmte bewegliche Haushaltsgüter und persönlichen Gegenstände des Erblassers gewährt. Die oben genannten Ansprüche auf family allowance scheinen sich historisch aus den exempt property rights abzuleiten. Danach sollten zugunsten der Erblasserangehörigen bestimmte bewegliche Gegenstände, die zu Lebzeiten des Erblassers von der Zwangsvollstreckung ausgenommen waren, auch nach dessen Tode vor den Ansprüchen Dritter geschützt bleiben (vgl. Atkinson, 129). Heutzutage sind die homestead und exempt property rights vielfach in der Form von Ansprüchen auf einen bestimmten Geldbetrag gefaBt (vgl. §§ 2-402 und 2-403 UPC: $ 15.000,- bzw. $ 10.000,-), der allerdings nach Wahl der Berechtigten z.T. auch durch die Übergabe von Gegenständen aus dem Nachlaß befriedigt werden kann (vgl. § 2-405 UPC). 145 Vgl. Kipp/Coing, 53, 55.

A. Ausgangssituation

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den Ehegatten vorsehen. 146 Hingegen gewähren selbst die amerikanischen Bundesstaaten dem überlebenden Ehegatten heutzutage einen weitreichenden Schutz gegen Enterbung. 147 Im englischen Recht gehört auch der überlebende Ehegatte zu dem Personenkreis, der unterhaltsähnliche Unterstützungszahlungen aus dem Nachlaß beantragen kann. 148 In den übrigen westeuropäischen Rechtsordnungen steht dem überlebenden Ehegatten entweder ein Noterbrecht149 , ein Pflichtteilsanspruch150 oder ein gesetzliches Nießbrauchrecht an einer bestimmten Nachlaßquote 151 zu. (b) Bedeutung für das Kollisionsrecht

Angesichts dieser materiellrechtlichen Unterschiede könnte die Rechtswahl des Erblassers dazu führen, daß je nach Sachlage entweder dem Ehegatten oder den Kindern dasjenige entzogen wird, was ihnen nach dem objektiv anwendbaren Recht an zwingender Nachlaßbeteiligung zustände. Um dies zu vermeiden, sollte dem Erblasser zumindest keine unbeschränkte Verweisungsfreiheit eingeräumt werden. Ihm sollte es also nicht erlaubt werden, willkürlich ein Recht zu wählen, was seine Angehörigen von der Erbfolge ausschließen würde, ohne daß dieses Recht einen engeren Bezug zum Sachverhalt hat. Infolge der oben aufgezeigten rechtstatsächlichen Entwicklung würde man dieses Resultat bei den Erblasserkindern allerdings als weniger anstößig empfinden als bei dem überlebenden Ehegatten. 152 Demnach sprechen die 146 Ebenroth, Rz. 997 und Rz. 999. Im französischen Recht steht dem überlebenden Ehegatten allerdings ein Unterhaltsanspruch gegen den Nachlaß zu (Art. 207-1 Code Civil). 147 In den meisten Staaten hat der Ehegatte Anrecht auf einenjorced share bzw. elective share in Form eines Anspruches auf einen bestimmten Bruchteil (1/2 oder 1/3) des Nachlaßwertes. Andere Staaten haben die alte Rechtsfigur der dower beibehalten. Diese ergreift nur 1/3 oder 1/2 des unbeweglichen Vermögens des Erblassers. Hieran wird dem überlebenden Ehegatten ein lebenslängliches Nutzungsrecht gewährt. Acht weitere Staaten wiederum schützen den überlebenden Ehegatten nicht auf erbrechtlichem, sondern auf güterrechtlichem Wege mit dem Güterstand des community property (Arizona, Kalifornien, Idaho, Lousiana, Nevada, New Mexico, Texas und Washington). vgl. McGovernlKurtzlRein, 117 ff.; Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, 262 - 265. 148 Ebenroth, Rz. 1005; Henrich: Großbritannien, in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 229 ff. 149 So in Portugal, Italien, Griechenland, Dänemark und der Schweiz; siehe Ebenroth, Rz. 1001 ff. 150 So im deutschen und österreichischen Recht; siehe ebd .. Rz. 1007. 151 So in Belgien und Spanien; siehe ebd., Rz. 998, 1000. 152 Ähnlich Hanisch, 482.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

materiellen Schutzinteressen des Ehegatten im Ergebnis stärker gegen eine unbeschränkte Verweisungsfreiheit des Erblassers als die seiner Kinder. Jedoch können die materiellen Schutzinteressen der Erblasserangehörigen keinen völligen Ausschluß der Rechtswahl rechtfertigen. Dies ließe sich nämlich nur dann überzeugend begründen, wenn zumindest die Vorschriften zur objektiven Anknüpfung des Erbstatuts diesen Schutzinteressen im Regelfall besser gerecht würden. Das objektive Kollisionsrecht knüpft die Erbfolge aber nach Merkmalen an, die unabhängig vom materiellen Schutzniveau der beteiligten Rechte sind (z.B. Staatsangehörigkeit, Wohnsitz, Lageort). Daher bleibt es unter dem objektiven Kollisionsrecht praktisch dem Zufall überlassen, ob und inwieweit die materiellrechtlichen Schutzinteressen der Erben berücksichtigt werden. IS3 Eine wirklich konsequente Orientierung des Kollisionsrechts an den materiellrechtlichen Interessen der Erblasserangehörigen würde verlangen, daß auch objektiv immer an diejenige Rechtsordnung angeknüpft wird, die diesen Personen am meisten Schutz gewährt. Diesen Weg hat aber bisher keine der existierenden Rechtsordnungen gewählt. Er stünde auch eindeutig im Widerspruch zu den Interessen des Erblassers. In Wirklichkeit scheint es den Gegnern einer erbrechtlichen Rechtswahl im deutschen Kollisionsrecht, die sich auf die vorrangigen Interessen der Pflichtteilsberechtigten berufen, daher lediglich darum zu gehen, die Anwendung der eigenen lex fori durchzusetzen. Mehr oder weniger stillschweigend gehen sie dabei von der Annahme aus, daß die lex fori die Interessen der Erben am besten zu schützen geeignet sei. 154 Diese Annahme ist vielleicht insofern nicht völlig ungerechtfertigt, als das deutsche Recht sowohl für den überlebenden Ehegatten als auch für die Erblasserkinder eine zwingende Nachlaßbeteiligung vorsieht. Diese Autoren verkennen aber, daß es auch unter dem geltenden deutschen Staatsangehörigkeitsprinzip eben gerade nicht sichergestellt ist, daß die Angehörigenschutzvorschriften des deutschen Rechts in Fällen mit Auslandsberührung zur Anwendung gelangen. Hätte z.B. ein deutsches Gericht über die Erbfolge in den beweglichen Nachlaß eines amerikanischen Erblassers mit Wohnsitz in den U .S.A. zu entscheiden, müßte und würde es akzeptieren, daß dessen Kindern nach dem amerikanischen Recht keine zwingende Beteiligung am Nachlaß zustünde. 155 Auch der deutsche ordre public würde hierdurch in aller Regel nicht berührt. IS6 Demzufolge hätten sich auch die betroffenen Angehörigen mit diesem Resultat abzufinden. 153 Flessner, 107 f., 111 f.; Kühne, Parteiautonomie, 77.

Vgl. z.B. Reinhart, ZvglRWiss. 80 (1981), 166; Firsching, Reform, 222. Vgl. auch Kühne, Parteiautonomie, 77. 156 Nach Ansicht von MünchKomm-Birk, Art. 25 EGBGB, Rz 111 m.w.N., würde die Anwendung e~er Rechtsordnung, die für die betreffende Person weder 154

ISS

A. Ausgangssituation

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Aus dem oben Gesagten ist also deutlich geworden, daß die materiellrechtlichen Schutzinteressen der Erblasserangehörigen in Sachverhalten mit Auslandsberührung zwangsläufig eine geringere Reichweite besitzen als in rein inländischen Fällen. Die Erben haben also in internationalen Fällen keine berechtigte Aussicht darauf, notwendigerweise in demselben Umfange am Nachlaß beteiligt zu werden wie in Sachverhalten ohne Auslandsberührung. Dies ist bei der Abwägung ihrer Interessen mit denen des Erblassers zu berücksichtigen.

(3) Kollisionsrechtliche Schutzinteressen Gerade aus dem Auslandsbezug erwächst den Erben aber auch ein besonderes "kollisionsrechtliches" Schutzinteresse, das. von dem oben beschriebenen rein materiellrechtlichen Interesse unterschieden werden sollte. Mit dem Begriff "kollisionsrechtliches Schutzinteresse " ist gemeint, daß die Erben ein berechtigtes Interesse daran haben, daß die Erbfolge nur an ein solches Recht angeknüpft wird, welches mit dem Sachverhalt eine enge Verbindung besitzt. Dieses Interesse leitet sich daraus ab, daß die Erben im Zweifelsfalle eventuelle negative Konsequenzen aus der Anwendung einer Rechtsordnung eher zu akzeptieren bereit sein werden, wenn diese zu dem Fall eine enge Beziehung hat, als wenn die Anwendung dieses Rechts in ihren Augen bloß als willkürlich erscheinen würde. Zur Erläuterung mag folgendes Beispiel dienen: Der Erblasser ist britischer Staatsangehöriger und hat Zeit seines Lebens in England gelebt. Er hinterläßt hauptsächlich bewegliches Vermögen in der Form von Wertpapieren, die bei einer schweizerischen Bank hinterlegt sind und für die er seine Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt hat. Seine beiden Kinder wären damit hinsichtlich ihrer Nachlaßbeteiligung auf die unterhaltsähnlichen Zahlungsansprüche nach dem britischen Inheritance Act 1975 beschränkt und könnten insoweit nicht ein Noterbrecht nach schweizerischem Recht geltend machen. Sie müßten dieses Ergebnis hinnehmen, weil ihnen nichts anderes übrig bliebe. Aber sie wären im Zweifelsfalle auch dazu bereit, dies zu akzeptieren, da ihr Vater sein ganzes Leben über nur in England gelebt hatte und er somit mit der schweizerischen Rechtsordnung nie eine engere Verbindung eingegangen war. Pflichtteils- noch Noterbrechte kennt, ohne daß sie anderweitige Ansprüche gegen den Erben zur Unterhaltssicherung einräumt, allerdings dann gegen Art. 6 EGBGB verstoßen, wenn sie dazu fiihrte, daß der Betreffende der deutschen Sozialhilfe zur Last fiele. In der deutschen Rechtsprechung ist dagegen ein Verstoß gegen den ordre public bei Versagung eines Pflichtteilsrechts durch das anwendbare ausländische Recht wiederholt verneint worden; vgl. OLG Hamm NJW 1954, 1731; OLG Köln FamRZ 1976, 170.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Sehr viel schwerer wäre es hingegen für die Kinder hinzunehmen, wenn der englische Erblasser für die Erbfolge in das schweizerische Wertpapierdepot New Yorker Recht wählen könnte und sie somit überhaupt keine Rechte am Nachlaß hätten. Da der Erblasser zu dem New Yorker Recht nie eine Beziehung gehabt hatte, würden die Kinder sich zu Recht um ihren Nachlaßanteil "betrogen" fühlen. Die kollisionsrechtlichen Schutzinteressen der Erblasserangehörigen stehen somit sicherlich einer unbeschränkten Verweisungsfreiheit entgegen, bei welcher der Erblasser willkürlich eine Rechtsordnung wählen könnte, die mit dem anzuknüpfenden Sachverhalt keinerlei Verbindung besitzt. Jedoch würden auch diese kollisionsrechtlichen Schutzinteressen einen völligen Ausschluß der Rechtswahl nicht rechtfertigen. Denn im objektiven Kollisionsrecht wird die Verbindung zwischen dem anzuknüpfenden Sachverhalt "Erbfolge" und dem anwendbaren Recht durch Kriterien vermittelt, die sich an der Person des Erblassers (Staatsangehörigkeit, Domizil) oder an Art und Belegenheit des Nachlaßvermögens (Situsregel) orientieren. Aus Gründen der Praktikabilität ist eine allein an den Interessen der Erben orientierte Form der Anknüpfung, etwa eine Anknüpfung an deren Personalstatut, nicht möglich. Aus diesem Grunde sind die Erblasserangehörigen bis zum Eintritt des Erbfalles gegen Statutenwechsel in der Person des Erblassers bzw. seines Vermögens auch bei gesetzlicher Anknüpfung nicht geschützt. Demzufolge haben sie keine schutzwürdige Erwartung auf die Anwendbarkeit eines bestimmten mit dem Sachverhalt eng verbundenen Rechts. 157 Allenfalls haben sie ein berechtigtes Interesse an der Anwendung einer generell mit der Regelung der Erbfolge in der einen oder anderen Weise eng verbundenen Rechtsordnung. Keines der Kriterien zur objektiven Anknüpfung kann aber, wie bereits verschiedentlich dargelegt l58 , für sich in Anspruch nehmen, die einzige bestehende enge Beziehung zum anzuknüpfenden Sachverhalt zu bezeichnen. Daher läßt sich aus den kollisionsrechtlichen Schutzinteressen der Erben auch nicht ableiten, daß in jedem Falle nur das Heimatrecht oder eine andere bestimmte Rechtsordnung auf den Sachverhalt angewandt. werden dürfte.

(4) Beschränkung der Rechtswahl Ein Verbot der Rechtswahl ließe sich also weder mit den kollisionsrechtlichen noch mit den materiellrechtlichen Schutzinteressen der Erben rechtfertigen. Andererseits stünden diese aber auch eindeutig einer unbegrenzten Verweisungsfreiheit des Erblassers entgegen. Im Ergebnis kann die Abwä157

158

Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 159. Siehe oben 3. Kapitel, A.II1.l.b).

A. Ausgangssituation

281

gung der beiderseitigen Interessen also nur dazu führen, die Parteiautonomie des Erblassers in sinnvoller Weise einzuschränken. Fraglich ist jedoch, wie dies geschehen sollte. (a) Wahlmöglichkeit nur zugunsten der lex fori für lokales Nachlaßvermögen Eine Möglichkeit wäre, die Rechtswahl auf die Lex fori für im Forum belegenes Nachlaßvermögen zu beschränken. Dieser Weg wurde z.B. im deutschen IPR mit Art. 25 11 EGBGB gewählt. Auf solche Weise könnte für den Fall einer Rechtswahl die Geltung der Angehörigenschutzvorschriften des Forums als eine Art materiellrechtlicher Mindeststandard garantiert werden. Eben dieses erhoffte sich auch der Rechtsausschuß des Bundestages bei seinem Vorschlag zur Einführung von Art. 25 11 EGBGB.159 Der Blick auf das New Yorker Gesetzesrecht, in dem die Rechtswahl gleichfalls auf die Lex fori beschränkt wurde 16O , und die dazu ergangene Rechtsprechung 161 zeigt allerdings, daß diese Verweisungsmöglichkeit ebenso eine Beeinträchtigung der materiellrechtlichen Angehörigenschutzinteressen zu bewirken vermag. Sie könnte nämlich auch dazu führen, dem Erblasser die Abwahl der strengeren Angehörigenschutzvorschriften des objektiv anwendbaren Rechts zu ermöglichen. Es hinge somit im Ergebnis stets von dem Schutzniveau der materiellrechtlichen Ptlichtteils- bzw. Noterbrechtsvorschriften des Forums ab, inwieweit die Wahlmöglichkeit zugunsten der Lex fori den materiellen Interessen der Erblasserangehörigen gerecht würde oder ob sie dem Erblasser Gelegenheit zu einem eventuellen Mißbrauch der Rechtswahl böte. Die kollisionsrechtlichen Schutzinteressen der Erblasserangehörigen würden mit einer derart eingeschränkten Wahlmöglichkeit allerdings im Regelfall gewahrt. Denn der Sachverhalt würde in diesen Fällen zumindest insofern eine enge Beziehung zum Forumsrecht aufweisen, als dort wenigstens ein Teil des Nachlaßvermögens belegen wäre, so daß dort im Zweifelsfalle auch ein Verfahren zur Nachlaßabwicklung stattfmdet. Sollte der Nachlaß jedoch auch Vermögen umfassen, das außerhalb der gewählten Lexfori belegen ist, könnte eine derart eingeschränkte Wahlmöglichkeit im Ergebnis zu einer Nachlaßspaltung führen. Ob deren Nachteile dadurch aufgewogen würden, daß zumindest Teile des Nachlasses nach dem lokalen Recht abgewickelt werden könnten, hinge von den Umständen des Einzelfalls ab. Grundsätzlich aber würde die Nachlaßspaltung und der dadurch bedingte mangelnde innere 159 Vgl. BT-Drucks. 10/5632,44. 160 Siehe oben 3. Kapitel, A.II.2.b)(2)(a). 161 Siehe oben 3. Kapitel. A.II.2.b)(3).

282

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Entscheidungseinklang den Interessen der Erblasserangehörigen an einer raschen und einfachen Nachlaßabwicklung entgegenlaufen. 162 Der Nachteil einer auf die Lex jorl beschränkten Rechtswahlmöglichkeit wäre aber auf jeden Fall, daß sie die Interessen des Erblassers nur unzureichend berücksichtigte. Denn dessen Interessen können - wie oben dargelegt - je nach den Umständen insbesondere für eine Wahl des Heimatrechts, des Aufenthaltsrechts. der Lex Tei sitae oder des Güterrechtsstatuts sprechen. Damit würde diese enge Wahlmöglichkeit den Erblasserinteressen nur insoweit gerecht, wie diese Rechtsordnungen zufällig mit der Lex jorl zusammenfielen. (b) Vorbehaltsldausel zugunsten der Schutzvorschriften des objektiv anwendbaren Rechts Ein anderer Weg, die Erblasser- und Erbeninteressen miteinander in Einklang zu bringen, bestünde u.U. darin, dem Erblasser zwar die Wahl jeder beliebigen oder zumindest einiger bestimmter Rechtsordnungen zu gestatten, aber unabhängig vom gewählten Recht auf jeden Fall die zwingenden Angehörigenschutzvorschriften des objektiv anwendbaren Erbstatuts für vorrangig zu erklären. Entsprechende Lösungen wurden während der Diskussion zur IPR-Reform vom Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums und vom Hamburger Max-Planck-Institut vorgeschlagen. 163 Eine solche Vorbehaltsklausel findet sich auch in § 2-602 Uniform Probate Code. l64 Eine derartige Vorbehaltsklausel hätte zur Konsequenz, daß die Rechtswahl im Hinblick auf den Angehörigenschutz praktisch nicht über eine materiellrechtliche Verweisung hinausgeht. Im übrigen bliebe die Verweisungsfreiheit des Erblassers aber voll gewahrt. Dem auf die Anwendung einer bestimmten Rechtsordnung gerichteten Interesse des Erblassers würde eine solche Regelung also durchaus gerecht. Inwieweit die materiellen Schutzinteressen der Angehörigen gewahrt blieben, hinge wiederum davon ab, ob und inwieweit das objektiv anwendbare Recht ihnen eine zwingende Nachlaßbeteiligung gewährt. Ihre kollisionsrechtIichen Schutzinteressen würden auf jeden Fall berücksichtigt, da die objektiv anwendbare Rechtsordnung in der einen oder anderen Weise mit der Erbfolge eng verbunden wäre. Allerdings würde eine solche Vorbehaltsklausel erhebliche Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung bereiten. Sie hätte nämlich zur Folge, daß verschiedene Teilbereiche des an sich einheitlichen Vorganges der Erbfolge an 162 163 164

Siehe oben 2. Kapitel, A.III.2.a). Siehe oben 3. Kapitel. A.II.1.a). Siehe oben 3. Kapitel. A.II.2.b)(2)(b).

A. Ausgangssituation

283

unterschiedliche Rechtsordnungen angeknüpft würden. Dadurch würde der innere Entscheidungseinldang gefährdet und es könnte zu Koordinierungsund Anpassungsproblemen zwischen den verschiedenen beteiligten Erbstatuten kommen. Daher erschiene es nicht als ein erfolgsversprechender Weg, "bestimmte dem Heimatrecht des Erblassers entnommene Erbansprüche ... dem vom Erblasser gewählten Erbstatut aufzupropfen" .165 Die in der Konsequenz einer solchen Vorbehaltsklausel erwachsenden Einbußen an Rechtssicherheit und Praktikabilität lägen demnach weder im Interesse des Erblassers noch im Interesse seiner nahen Angehörigen. 166 (c) Beschränkung der Rechtswahl auf bestimmte Rechtsordnungen Eine dritte Möglichkeit bestünde schließlich darin, die Rechtswahl auf mehrere bestimmte Rechtsordnungen zu beschränken, die mit der Regelung der Erbfolge in enger Weise verbunden sind. Hierfür böte sich eine Wahlmöglichkeit zugunsten des Heimatrechts und des Aufenthaltsrechts des Erblassers sowie unter Umständen auch der Lex rei sitae (für unbewegliches Vermögen) und des Güterrechtsstatuts (für verheiratete Erblasser) an. Entsprechende Vorschläge sind in der Diskussion zur deutschen IPR-Reform wiederholt unterbreitet worden. 167 Eine derartige Rechtswahlvorschrift existiert aber derzeit weder im deutschen noch im anglo-amerikanischen Recht. 168

165 MPI, RabelsZ 47 (1983), 660. Das MPI hatte daher in seinem Reformvorschlag vorgeschlagen, daß die Angehörigen ihren nach dem Heimatrecht des Erblassers unentziehbaren Erbanspruch immer nur als Geldanspruch sollen geltend machen können; vgl. MPI, ebd. Dies hätte aber wiederum erhebliche Folgeprobleme aufgeworfen. Denn eine solche gemischt materiellrechtlich-kollisionsrechtliche Regelung hätte z.B. auch dariiber bestimmen müssen, welche Rangstelle ein solcher Geldanspruch gegenüber anderen Nachlaßschulden hätte und wie auf ihn Zuwendungen unter Lebenden anzurechnen wären. Fraglich wäre auch gewesen, ob man wirklich in jedem Falle den nach dem Heimatstatut unentziehbaren Geldanspruch ohne weiteres in einen geldmäßigen Wert hätte umrechnen können: so z.B. wenn das Heimatrecht dem überlebenden Ehegatten ein lebenslängliches Nutzungsrecht am Nachlaß oder an Teilen desselben gewährt. 166 Mit den praktischen Schwierigkeiten einer solchen Vorbehaltsklausel begriindete auch der Regierungsentwurf seine Ablehnung des entsprechenden Vorschlags des Referentenentwurfs; vgl. BT-Drucks. 10/504,74. 167 Siehe die Vorschläge vom MPI, RabelsZ 47 (1983), 656 ff.; Kühne, IPRGesetz-Entwurf, 153; NeuhauslKropholler, RabelsZ 44 (1980), 333; sowie den Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium, in: Pirrung, 170. 168 Sie fmdet sich allerdings in abgeschwächter Form im neuen schweizerischen IPR (siehe oben 3. Kapitel, A.I. in Fn. 2).

284

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Mit einer derartigen Rechtswahlregelung käme man den Interessen des Erblassers an einer flexiblen Nachlaßplanung sehr entgegen. Denn mit diesen Wahlmöglichkeiten sind diejenigen Rechtsordnungen bezeichnet, an deren Anwendung dem Erblasser berechtigterweise gelegen sein könnte. Auch die kollisionsrechtlichen Schutzinteressen der Erben würden hierdurch gewahrt. Jede der wählbaren Rechtsordnungen würde nämlich eine hinreichend enge Verbindung zum Sachverhalt aufweisen. Fraglich ist allerdings, inwieweit die materiellen Schutzinteressen der Erblasserangehörigen einer solchen Verweisungsfreiheit entgegenstünden. Da die verschiedenen Rechtsordnungen im Zweifelsfalle ein unterschiedlich hohes materiellrechtliches Schutzniveau aufweisen dürften, hätte der Erblasser auf diese Weise unter Umständen die Möglichkeit, ein Recht zu wählen, in dem die Angehörigen weniger geschützt würden als unter dem objektiv anwendbaren Recht. Insofern muß also abgewogen werden zwischen den materiellen Schutzinteressen der Angehörigen am Erhalt einer angemessenen Nachlaßbeteiligung und dem Interesse des Erblassers an einer flexiblen und sicheren Nachlaßplanung. Für die Gewichtung der beiderseitigen Interessen sollte dabei auf die oben getroffene Unterscheidung zwischen dem "gutmeinenden " und dem "böswilligen" Erblasser zurückgegriffen werden. 169 Das Gewicht der beiderseitigen Interessen würde sich nämlich auch nach den Motiven des Erblassers für die Vornahme der Rechtswahl und nach derem materiellen Ergebnis bestimmen. Dabei soll hier zunächst auf den (Regel-)Fall eingegangen werden, daß der Erblasser die Rechtswahl allein deshalb trifft, um eines seiner oben dargelegten legitimen Interessen zu befriedigen. So könnte er z.B. das Aufenthaltsrecht anstelle des Heimatrechts wählen, weil er sich ersterem enger verbunden fühlt. Oder er könnte die ausländische lex rei sitae wählen, da sein Nachlaß praktisch allein aus dort belegenem Immobiliarvermögen besteht. Für seine überlebenden Angehörigen soll er dabei in jedem Falle eine umfangreiche Beteiligung am Nachlaß vorgesehen haben. Allerdings sei diese geringer, als es das objektiv anwendbare Recht vorsähe. Insoweit würden die materiellen Schutzinteressen der Angehörigen also beeinträchtigt. Hier stünden sich demnach auf beiden Seiten legitime und berechtigte Interessen gegenüber. Dabei sollte jedoch denjenigen des Erblassers im Ergebnis der Vorrang eingeräumt werden. In diesem Falle ist nämlich zu berücksichtigen, daß die materiellrechtlichen Schutzinteressen der Angehörigen in Sachverhalten mit Auslandsberührung eine geringere Reichweite haben als in reinen Inlandssachverhalten. Wie oben dargelegt wurde, hängt dies damit zusammen, daß auch das objektive Kollisionsrecht die Erbfolge nach Merkmalen an169

Siehe oben 3. Kapitel, A.ill.2.d)(1).

A. Ausgangssituation

285

knüpft, die unabhängig vom materiellen Schutzniveau der beteiligten Rechte sind. Die Erben sind aber bis zum Tode des Erblassers gegen einen Statutenwechsel in seiner Person (z.B. Wechsel der Nationalität oder Aufenthaltswechsel) nicht geschützt. Es könnte also auch unter dem objektiven Kollisionsrecht zum Todeszeitpunkt ohne weiteres zur Anknüpfung an eine Rechtsordnung kommen, die den Angehörigen weniger gewährt als eine Rechtsordnung, die im Falle eines früheren Todeseintritts anwendbar gewesen wäre. Darüber hinaus führen die Durchbrechungen des Staatsangehörigkeitsprinzips im deutschen Kollisionsrecht - wie z.B. Art. 4 I und Art. 3 III EGBGB häufig dazu, daß im Ergebnis an ein anderes Recht angeknüpft wird als an das Heimatrecht. Dabei wird aber ebenfalls nicht danach gefragt, ob die letztendlich anwendbaren Rechtsordnungen die Angehörigen auch tatsächlich in dem Umfange am Nachlaß beteiligen, wie dies das Heimatrecht des Erblassers tun würde. In diesen Fällen werden also ohne weiteres Eingriffe in die materiellen Schutzinteressen der Angehörigen zugelassen und zwar deshalb, weil bestimmte Gesichtspunkte der internationalprivatrechtlichen Gerechtigkeit (z.B. das Gebot des internationalen Entscheidungseinklangs) eine Abweichung von der Regelanknüpfung erfordern. Aus diesem Grunde ist nicht ersichtlich, warum nicht auch legitime kollisionsrechtliche Interessen des Erblassers eine Abweichung von der Anknüpfung an das Heimatrecht rechtfertigen könnten. Im Ergebnis haben die materiellen Schutzinteressen in Sachverhalten mit Auslandsberührung also nicht denselben Rang wie in reinen IniandsfaIlen. Anders ausgedrückt ist der Geltungsanspruch des nationalen Pflichtteilsrechts in internationalen Sachverhalten demnach weniger stark ausgeprägt als in rein nationalen Sachverhalten. Falls den materiellen Schutzinteressen der Erben also ihrerseits berechtigte Interessen des Erblassers an der Wahl eines anderen als des objektiv anwendbaren Rechts gegenüberstünden, sollte letzteren der Vorrang eingeräumt werden. Zumindest insofern spricht die Abwägung der Erblasser- und Angehörigeninteressen also dafür, daß dem Erblasser eine auf bestimmte Rechtsordnungen (Heimatrecht, Aufenthaltsrecht, u. U. auch Lex rei sitae und Ehegüterrechtsstatut) beschränkte Rechtswahl gestattet werden sollte.

(5) Rechtswahl und Gesetzesumgehung Bis zu diesem Punkt ist allerdings die Möglichkeit unberücksichtigt geblieben, daß der Erblasser mit seiner Rechtswahl durchaus auch beabsichtigen könnte, seine Angehörigen gezielt von der Erbfolge auszuschließen, und aus diesem Grunde ein anderes als das objektiv anwendbare Recht wählt. Dieser Fall dürfte sicherlich die seltene Ausnahme darstellen, gleichwohl muß auch

286

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

er bei der Abwägung von Erben- und Erblasserinteressen bedacht werden. Hierbei sollten wiederum zwei verschiedene Situationen unterschieden werden: der Fall der eigentlichen Gesetzesumgehung und der Fall der zulässigen Abwahl des objektiv anwendbaren Rechts. (a) Manipulation der Rechtswahlbeschränkung Zunächst ist auf den Fall der Gesetzesumgehung im eigentlichen Sinne einzugehen. Das Problem der Gesetzesumgehung (''fraus legis", jraude a la 10i") hat im Zusammenhang mit der Parteiautonomie grundsätzlich nur eine eingeschränkte Bedeutung l70 : Der - auch im IPR anwendbare 171 - Tatbestand der Gesetzesumgehung verlangt, daß jemand die Anknüpfung um eines privaten Vorteils willen zu beeinflussen versucht, damit das an sich anwendbare Gesetz durch ein günstigeres ersetzt wird. 172 Erforderlich ist im einzelnen also ein "umgangener" Rechtssatz, ein "ergangener" Rechtssatz, eine Umgehungshandlung und eine Umgehungsabsicht. 173 Im Rahmen der Parteiautonomie fragt sich aber, was das "an sich anwendbare" Recht bzw. was der "umgangene" Rechtssatz ist. Theoretisch könnte dieses zwar das - mangels einer Rechtswahl - objektiv anwendbare Recht sein. 174 Wenn man jedoch der Privatperson, wie im vorliegenden Fall dem Erblasser, die Wahl zwischen mehreren Rechtsordnungen einzuräumen bereit ist, gibt es eigentlich kein "a priori" anwendbares Recht. 17S Daher muß man annehmen, daß zumindest in der Vornahme der Rechtswahl als solcher, d.h. in der bloßen Ausübung der projessio iuris, ohne daß insoweit etwaige fraudulöse Verhaltensweisen hinzutreten, keine Gesetzesumgehung liegt. 176 Was damit im vorliegenden Zusammenhang als praktisch einzig mögliche Form der Gesetzesumgehung bliebe, wäre eine Manipulation der Rechtswahlbeschränkungen durch den Erblasser .177 Eine Gesetzesumgehung läge also Siehe zum folgenden Kötters, 73 ff. und insbesondere 81 - 89. Kegel, IPR, 301 f. 172 Kropholler, 137. 173 Kegel, IPR, 303. Das Erfordernis einer "Umgehungsabsicht" ist allerdings strittig; verneinend z.B. Neuhaus, Grundbegriffe, 194; zweifelnd auch Kropholler, 140. 174 So grundsätzlich auch Kötters, 84. 175 Aus diesem Grunde meinen z.B. Raape/Sturm, 332, und v. Bar, Bd. 1,495, daß sich im Bereich der Parteiautonomie das Problem der Parteiautonomie überhaupt nicht stelle. Dagegen aber zu Recht Kötters, 82 ff. 176 Kötters, 88. 177 Vgl. ebd., 87. Die Autorin neJUlt dort zwar noch zwei weitere mögliche Umgehungstatbestände. Diese kommen hier aber nicht näher in Betracht. 170

171

A. Ausgangssituation

287

dann vor, wenn der Erblasser die Anknüpfungskriterien, welche die wählbaren Rechte näher bestimmen, durch Manipulationen zu beeinflussen sucht, um auf diese Weise den Kreis der wählbaren, d.h. der "an sich maßgeblichen" Rechtsordnungen zu erweitern. Hierzu böten sich dem Erblasser verschiedene Wege an. Er könnte z.B. die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erwerben oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt dorthin verlegen allein zu dem Zweck, um auf diese Weise das Recht dieses Staates wählen zu können. Oder er könnte sein Vermögen in Barmittel umwandeln und daraufhin in Immobiliarwerte in einem anderen Staat investieren, um dadurch in den Genuß der Wählbarkeit dessen Erbrechts zu kommen. 178 Es fragt sich, ob diese zusätzlichen Manipulationsmöglichkeiten, welche eine beschränkte Rechtswahlmöglichkeit eröffnen würde, letztlich gebieten würden, dem Erblasser jegliche Rechtswahl zu verw~hren: Auf den ersten Blick mag dafür vielleicht sprechen, daß manche der Kriterien, womit die wählbaren Rechtsordnungen bestimmt würden, grundsätzlich leichter zu verändern sind als das im deutschen IPR derzeitig geltende objektive Anknüpfungskriterium der Staatsangehörigkeit. Hierzu ist insbesondere der gewöhnliche Aufenthalt zu rechnen. 179 Denn dieser vermag im Regelfall leichter ins Ausland verlagert zu werden, als die Staatsbürgerschaft gewechselt werden kann. 180 Dagegen würde aber sprechen, daß das Kollisionsrecht durchaus Mittel und Wege kennt, um derartigen Anknüpfungsmanipulationen zu begegnen. In zunehmenden Maße wird das Problem der Gesetzesumgehung im IPR näm.lich zu Recht als eine Frage der Gesetzesauslegung gesehen und auf diese Weise zu lösen versucht. 181 Danach müßte also gefragt werden, ob die vom Wortlaut her gegebene Anknüpfung auch von dem hinter der Kollisionsnorm stehenden Zweck getragen wird. 182 Für eine derartige teleologische Rechtsanwendung würde sich gerade das Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthaltes gut eignen. Denn dieses knüpft an den tatsächlichen Daseinsmittelpunkt der 178 Ebd. 179 Dies war die Begründung gewesen, womit sich der Regierungsentwurf von 1983 zum IPR-Reformgesetz gegen eine Rechtswahl zugunsten des Aufenthaltsrechts gewandt hatte; vgl. BT-Drucks. 10/504, 74. 180 Kegel, IPR, 307; Kropholler, 240, 247. 181 Vgl. Kropholler, 140 ff.; Kegel, IPR, 305 ff.; Kötters, 80. Die systematische Einordnung der Gesetzesumgehung ist aber strittig. Viele nehmen z.B. an, der geeignete Lösungsweg führe über den ordre public; vgl. LG Hamburg, StAZ 1955, 61; so wohl auch Ebenroth, Rz. 1248 a.E. Dazu kritisch. Kegel, IPR, 307. Andere meinen wiederum, die Gesetzesumgehung sei ein selbständiges Rechtsinstitut; siehe zu beiden die Nachweise bei Kötters, 74. 182 Kötters, 87; Kropholler, 141.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

jeweiligen Person an183 und enthält in dem Attribut "gewöhnlich" auch ein wertendes Element. l84 Der gewöhnliche Aufenthalt stellt also unmittelbar auf die engste Verbindung der Anknüpfungsperson ab und verlangt vom Richter eine umfassende Berücksichtigung und Abwägung aller Tatsachenelemente. 185 Bei dieser wertenden Prüfung könnte also untersucht werden, ob beispielsweise der nur relativ kurzfristig ins Ausland verlegte Aufenthalt tatsächlich dem "gewöhnlichen Aufenthalt" entspricht, den die Rechtswahlvorschrift erfordert. 186 Demgegenüber eignet sich gerade das Kriterium der Staatsangehörigkeit in Art. 25 I EGBGB weniger für eine teleologische Rechtsanwendung. Denn dieses ist ein fester Anknüpfungspunkt, für dessen Auswahl gerade die Rechtssicherheit ein entscheidender Gesichtspunkt war. 187 Daher wird nach dem Motiv für die Verwirklichung dieses Anknüpfungspunktes in der Regel nicht gefragt. 188 Demzufolge würde man unter geltendem Recht den Staatsangehörigkeitswechsel eines Deutschen in der Absicht, seinen Angehörigen das Ptlichtteilsrecht zu nehmen, wohl nicht als eine Gesetzesumgehung ansehen können. 189 Die gegenwärtige objektive Anknüpfung an das Heimatrecht des Erblassers eignet sich daher durchaus in ähnlicher Weise zum Zwecke der Gesetzesumgehung trotz der prinzipiell größeren Schwierigkeiten beim Wech-

183

sen.

Soergel-Kegel, Art. 29 EGBGB a.F., Rz. 31 mit zahlreichen Rspr.-Nachwei-

184 MünchKomm-Sonnenberger, Internationales Privatrecht. Einleitung, Rz. 544 m.w.N. 185 Dies sind nach Kropholler, 141, die Voraussetzungen, damit sich ein Anknüpfungskriterium für eine teleologische Rechtsanwendung der oben beschriebenen Art eignen würde. 186 Kötters, 87. 187 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs des IPR-Gesetzes von 1983, BTDrucks. 10/504, 74. Das gleiche gilt für den festen und wertungsfreien Anknüpfungspunkt des Lageortes bei unbeweglichen Nachlaßvermögen. Würde der Erblasser also Vermögen allein zu dem Zweck ins Ausland schaffen, um das dortige Recht wählen zu können, wäre für eine teleologische Einschränkung der Wahlmöglichkeit der lex rei sirae kein Raum. Dies spräche dafür, dem Erblasser zumindest unter dem Gesichtspunkt möglicher Anknüpfungsmanipulationen eine Wahl der Lex rei sirae für Immobiliarvermögen nicht zu gestatten. 188 Kropholler, 141. So hat BGH 4.6.1871, 2124, 2125 = IPRspr. 1971 Nr. 56 S. 189 es für unerheblich angesehen, ob ein ursprünglich italienischer Ehemann nur deshalb die deutsche Staatsangehörigkeit erworben hat, um die Möglichkeit einer deutschen Scheidung herbeizuführen. Zum Problem des Staatsangehörigkeitswechsels zur Scheidungserleichterung siehe auch Kegel, IPR, 306. 189 Ebenroth, Rz. 1248 und 1306.

A. Ausgangssituation

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seI der Staatsangehörigkeit als bei der Verlagerung des gewöhnlichen Aufent-· haltes. 190 Im Ergebnis würde die Zulassung einer beschränkten Rechtswahl des Erblassers also die Gefahr von Anknüpfungsmanipulationen bzw. Gesetzesumgehung nur wenig erhöhen. Mit großer Wahrscheinlichkeit würden die zur Verfügung stehenden Mittel der teleologischen Gesetzesanwendung jedenfalls ausreichen, um dieser Gefahr wirksam zu begegnen. Dies gilt zumindest für das in dieser Hinsicht besonders häufig diskutierte Anknüpfungskriterium des gewöhnlichen Aufenthaltes. Die Möglichkeit von Gesetzesumgehungen im eigentlichen Sinne kann daher nicht rechtfertigen, die im übrigen interessensgemäße Gewährung einer beschränkten Rechtswahlmöglichkeit zu verhindern. (b) Zulässige Abwahl des objektiv anwendbaren Rechts

Abschließend ist für die Abwägung der Erblasser- und Erbeninteressen noch der Fall zu bedenken, daß der Erblasser im Rahmen der Rechtswahlbestimmung mehrere Rechtsordnungen für die Wahl zur Verfügung stehen und er absichtlich diejenige mit dem am schwächsten ausgeprägten Pflichtteilsschutz wählt, ohne daß er dabei jedoch irgendwelche Anknüpfungsmanipulationen vornimmt. Dieser Fall würde also wertungsmäßig zwischen den beiden bisher besprochenen Fallkonstellationen liegen. Denn zum einen wäre diese Fallkonstellation von dem Regelfall der allein aus legitimen Interessen vorgenommenen Rechtswahl zu unterscheiden. Zum anderen läge mangels einer fraudulösen Beeinflussung der Anknüpfungspunkte aber auch keine Gesetzesumgehung vor. Hier bestünde daher auch keine Möglichkeit zur nachträglichen Beschränkung der Rechtswahl über den Weg der teleologischen Gesetzesauslegung. Der Erblasser würde also eine sowohl formal wie materiell zulässige Rechtswahl treffen. Bedenken würde dieser Fall daher allein deshalb treffen, weil der Erblasser sich das Bestehen mehrerer Rechtswahlmöglichkeiten zu Nutze macht, um seine Angehörigen gezielt von der Nachlaßbeteiligung auszuschließen. Gleichwohl könnte auch er nicht rechtfertigen, dem Erblasser eine Rechtswahl von vornherein gänzlich zu untersagen. Denn auch hier ist wiederum zu berücksichtigen, daß die materiellen Schutzinteressen der Angehörigen nur eine eingeschränkte Reichweite haben, sobald der Sachverhalt Bezüge zu mehreren Rechtsordnungen hat. 190 Siehe ausführlich Ebenroth, Rz. 1259 f., 1303 ff. zu der Möglichkeit einer "indirekten" Wahl englischen Erbrechts durch den Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit. 19 Braodi

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

So könnte man z.B. an den Fall denken, daß ein deutscher Erblasser seit vielen Jahren aus berufsbedingten Gründen seinen gewöhnlichen Aufenthalt in New York hat und dort auch mit seiner Ehefrau lebt. Seine erwachsenen Kinder, mit denen er sich völlig zerstritten hat, wohnen in Deutschland. Dieser Erblasser würde nun seinen Nachlaß per Rechtswahl New Yorker Recht unterstellen, um seine Ehefrau darauf als Alleinerbin einsetzen zu können, ohne daß sie durch Pflichtteilsanspruche der Kinder belastet würde. In einer solchen Situation wäre der Sachverhalt also mit dem deutschen und New Yorker Recht ähnlich eng verbunden. Der Erblasser würde sich bei der Vornahme seiner Rechtswahl allein die sich daraus ergebenden Handlungsmöglichkeiten zu Nutze machen. Dem können die materiellen Schutzinteressen seiner Kinder nicht entgegenstehen. Denn diese wären auch nicht dagegen geschützt, daß der Erblasser die amerikanische Staatsangehörigkeit erwerben würde und so kraft objektiver Anknüpfung unter New Yorker Recht testieren könnte. Auch für diesen Fall der gezielten, aber zulässigen Abwahl des objektiv anwendbaren Pflichtteilsrechts ergibt die Abwägung der beiderseitigen Interessen also, daß die Schutzinteressen der Erben nicht zwingend gebieten, dem Erblasser jegliche Rechtswahl zu untersagen. Damit bleibt es also dabei, daß dem Erblasser die Möglichkeit einer beschränkten Rechtswahl gewährt werden sollte. e) Ergebnis

Hinsichtlich der Frage nach der Zulassung der erbrechtlichen professio iuris stehen sich also vor allem die Gestaltungsbedürfnisse des Erblassers und

die Schutzinteressen seiner nahen Angehörigen gegenüber. Eine Ideallösung, die beide Arten von Interessen in völligen Einklang miteinander bringen könnte, gibt es anscheinend nicht. Jede gesetzliche Regelung dieser Frage kann lediglich einen Kompromiß der einen oder anderen Form anbieten. Nach den bisherigen Ergebnissen dieser Untersuchung entspräche allerdings eine Regelung, bei der dem Erblasser die Auswahl zwischen mehreren Rechtsordnungen gewährt wird, mit denen er selber bzw. mit denen der anzuknüpfende Sachverhalt eng verbunden ist, noch am ehesten den beiderseitigen Interessen. Eine solche Rechtswahlregelung käme den legitimen Interessen des Erblassers sehr weit entgegen. Außerdem würden die Interessen der Erblasserangehörigen dadurch hinreichend geschützt. Eine derartige Lösung bietet auch die Haager Erbrechtskonvention an. Diese soll nunmehr genauer analysiert werden.

B. Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention

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B. Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention J. Allgemeines 1. Zweck der professio iuris im Rahmen der Haager Erbrechtskonvention Angesichts der geringen Verbreitung, welche die erbrechtliche Rechtswahl bisher auf internationaler Ebene gefunden hat, mag man es als überraschend ansehen, daß man sich bei der Ausarbeitung der Haager Konvention bereits sehr früh, nämlich bereits auf der vorbereitenden Sitzung im. November 1986, darauf einigen konnte, eine Rechtswahl prinzipiell zu erlauben. 1 Schon damals kam man nämlich dahingehend überein, daß die Zulassung einer Rechtswahl dazu beitragen würde, einen für alle Teilnehmer tragbaren Gesamtkompromiß zwischen dem Staatsangehörigkeitsprinzip und dem Wohnsitzprinzip bzw. zwischen den Befürwortern einer starren oder flexiblen Anknüpfungsregel zu erzielen. 2 Neben diesen eher strategischen Überlegungen stand aber von vornherein auch das Bestreben, durch die Einführung der professio iuris den Inhabern internationaler Vermögen die Nachlaßplanung zu erleichtern. Außerdem sollte auf diese Weise eine Möglichkeit geschaffen werden, die Errichtung testamentarischer Verfügungen besser mit anderen, insbesondere mit vertraglichen Formen der Vermögensplanung auf den Todesfall koordinieren zu können. 3

1 Lagarde, Rev.crit.dr.internat.prive 78 (1989), 260; van Loon, MittRhNotK 1989, 11. 2 Waters, Report of the Special Commission, § 12; Waters, Explanatory Report, § 26. Allerdings war dieser Grund für die Zulassung der Rechtswahl nicht unumstritten. So äußerten z.B. während der Sitzung der Zweiten Kommission die Vertreter einiger Länder die Ansicht, daß man die Bedeutung der Rechtswahl für eine Gesamtkompromiß zwischen Staatsangehörigkeits- und Domizilprinzip nicht überschätzen dürfe, da im Zweifel viele Erblasser mangels entsprechender Rechtsberatung keine Rechtswahl vornehmen würden; vgl. die Stellungnahmen von Duckek (Österreich), Magahaes Colla~o (portugal), und Hayton (Großbritannien) während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 2, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 356 f. 3 Waters, Report of the Special Commission, § 30. Hiermit wollte man wohl berücksichtigen, daß die erbrechtliehe Nachlaßplanung vor allem in den anglo-amerikanischen Rechtsordnungen häufig mit anderen lebzeitigen Formen der Vermögensplanung kombiniert wird; vgl. Waters, Explanatory Report, § 46. 19·

292

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

2. Überblick über die wählbaren Rechtsordnungen Die zentrale Rechtswahlnorm der Haager Erbrechtskonvention fmdet sich nunmehr in Art. 5. Dieser gestattet dem Erblasser eine Rechtswahl für die Erbfolge in den gesamten Nachlaß und zwar unabhängig davon, ob der Erblasser diese testamentarisch geregelt hat oder ob er die gesetzliche Erbfolge eintreten lassen will. 4 Hierfür hat er die Wahl zwischen maximal vier verschiedenen Rechtsordnungen, nämlich zwischen seinem Heimatrecht oder dem Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts zum Zeitpunkt der Rechtswahl sowie zwischen dem einen oder dem anderen Recht zum Zeitpunkt seines Todes (Art. 5 1).5 Für die Wahl des Aufenthaltsrechts ist - im Gegensatz zur objektiven Anknüpfung in Art. 3 - nicht erforderlich, daß der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers dort bereits über eine bestimmte Zeitdauer hinweg bestanden hat. 6 Noch mehr Wahlmöglichkeiten haben Mehrstaater. Denn diesen wird auch die freie Auswahl zwischen ihren verschiedenen Heimatrechten gewährt. 7 Darüber hinaus ist eine Rechtswahl für erbrechtliche Verträge möglich. Art. 11 gewährt den Parteien eines solchen Vertrages das Recht, diesen hinsichtlich seiner materiellen Gültigkeit; seiner Wirkungen und seiner Erlöschensgründe dem Recht des Staates zu unterstellen, in dem die Person oder eine der Personen, deren Nachlaß von dem Erbvertrag betroffen ist, in dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder dem sie in diesem Zeitpunkt angehört. Dagegen erlaubt die Konvention es grundSätzlich - d.h. vorbehaltlich der Möglichkeit einer entsprechenden materiellrechtlichen Verweisung (vgl. Art. 6) - nicht, für einzelne Teile des Nachlasses die jeweilige lex rei sitae zu wählen. Ebenso ausgeschlossen wurde eine Wahl des Ehegüterrechtsstatuts. Auf die Gründe dafür, warum die Wahl des Belegenheitsrechts nicht gestattet wurde, soll später noch genauer eingegangen werden. Die Wählbarkeit des Güterrechtsstatuts war jedenfalls bereits während der zweiten Sitzung der Spezialkommission in März/April 1987 abgelehnt worden. Die maßgebliche Überlegung war dabei, daß die Unterschiede im materiellen Ehegüterrecht 4

Waters, Explanatory Report, § 60.

5 Vgl. Art. 5 I der Konvention (deutscher Text aus der Übersetzung der Schluß-

akte der XVI. Tagung der Haager Konferenz vom Bundesminister der Justiz): "Eine Person kann das Recht eines bestimmten Staates wählen, dem die Erbfolge in ihren gesamten Nachlaß unterliegen soll. Die Rechtswahl wird nur dann wirksam, wenn diese Person im Zeitpunkt der Wahl oder ihres Todes diesem Staat angehörte oder dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte .• 6 Waters, Explanatory Report, § 61. 7 Ebd.

B. Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention

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und im entsprechenden Kollisionsrecht der Teilnahmestaaten zu groß seien, als daß hinsichtlich dieser Fragen im Rahmen dieser Erbrechtskonvention Einigkeit hätte erzielt werden können. 8

11. Wahl zwischen Heimatrecht und Aufenthaltsrecht (Art. S) 1. Planungssicherheit, Statutenwechsel und Angehörigenschutz Zentraler Streitpunkt bei der Ausarbeitung von Art. 5 war die Frage, welches der maßgebliche Zeitpunkt zur Bestimmung des anwendbaren Rechts sein solle: der Augenblick der Rechtswahl selber oder der Eintritt des Erblassertodes? Mit anderen Worten ausgedrückt lautete die Frage, ob der Erblasser die Wahl zwischen seinem Heimat- und Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Moment des Todes haben sollte oder ob ihm sogar die Auswahl zwischen allen vier Varianten eingeräumt werden sollte. a) Entstehungsgeschichte

In der Spezialkommission war zunächst beschlossen worden, daß der Erblasser lediglich sein Heimat- oder Aufenthaltsrecht zum Todeszeitpunkt wählen dürfe. 9 Das entscheidende Motiv der Mehrheit der Sitzungsteilnehmer war dabei zum einen, daß die Frage der Erbfolge als solche erst im Zeitpunkt des Erblassertodes relevant würde, und zum anderen, daß auf diese Weise der gleiche Zeitpunkt für die objektive und die subjektive Anknüpfung der Erbfolge maßgeblich wäre. 10 Außerdem spielte die Überlegung eine Rolle, daß man angesichts der Neuheit der projessio iuris für die große Mehrheit der Teilnehmerstaaten diese nicht zu großzügig konzipieren wollte, um den Erfolg der Konvention nicht zu gefährden. 11 8 Waters, Report of the Special Commission, § 30; Haopei Li, Recueil des Cours 224 (1990 V), 79. Außerdem gibt es bereits ein Haager Abkommen, das dieser Frage gewidmet ist, nämlich das Haager Abkommen über das auf Ehegüterstände anwendbare Recht von 1976. Dieses ist bisher noch nicht in Kraft getreten. Eine kurze Skizze des Abkommensinhalts fmdet sich bei Kegel, IPR, 548 f. 9 Vgl. Art. 4 des vorläufigen Konventionsentwurfs, angenommen von der Spezialkommission am 8. Oktober 1987, Preliminary Document No 12 of March 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 233. 10 Waters, Explanatory Report, § 61. 11 Waters, Report of the Special Commission, § 30; Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 261.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Zwar war diese Lösung schon innerhalb der Spezialkommission erheblicher Kritik ausgesetzt, jedoch konnten sich ihre Gegner erst in der Zweiten Kommission durchsetzen. 12 Der Haupteinwand gegen den Textentwurf der Spezialkommission war, daß dieser dem Erblasser praktisch keine Planungssicherheit bieten würde. 13 Wenn maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts der Todeszeitpunkt wäre, würde nämlich eine wirkliche Gewißheit über die Wirksamkeit der Rechtswahl erst in diesem Moment erreicht. 14 Vor allem Vertreter anglo-amerikanischer Staaten wiesen darauf hin, daß es für den Erblasser wichtig sei, bereits im Augenblick der Rechtswahl Gewißheit über die Gültigkeit der Rechtswahl zu erhalten, um auf diese Weise seine lebzeitige Vermögensplanung (z.B. das Ehegüterrecht) mit seiner Nachlaßplanung sinnvoll koordinieren zu können. 15 Ferner wurde von einigen Konferenzteilnebmern zu Recht auch auf die Schwierigkeiten hingewiesen, die sich insbesondere bei der engen, von der Spezialkommission vorgeschlagenen Fassung im Falle der Wahl des Aufenthaltsrechts und eines anschließenden Statutenwechsels des Erblassers ergeben würden. 16 Der Erblasser könnte in so einem Fall nämlich leicht übersehen, daß sich bei einer Verlagerung seines Wohnsitzes in einen anderen Staat nach Vgl. Waters, Report ofthe Special Commission, § 30. Waters, Explanatory Report, § 61. 14 Stellungnahme von Struycken (Niederlande) während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 5, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 376; Lagarde, Rev.crit.dr.internat.prive 78 (1989), 261. Siehe auch die Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland zum vorläufigen Konventionsentwurf der Spezial Kommission, in: Comments of the Governments of Preliminary Document No 12, Preliminary Document No 13 of September 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 284. 15 Stellungnahmen von Gregory (Kanada) und Hayton (Großbritannien) während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 5, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 376 f. 16 Waters, Explanatory Report, § 61. Siehe z.B. die Stellungnahme der U.S.A. zum vorläufigen Konventionsentwurf der Spezial Kommission, in: Comments of the Governments of Preliminary Document No 12, Preliminary Document No 13 of September 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 287 f. Der Vertreter Belgiens in der Zweiten Kommission meinte allerdings, daß entsprechende Probleme auch bei der Wahl des Heimatrechts zum Wahlzeitpunkt entstehen können. So würde man nach dem belgischen Recht die belgische Staatsangehörigkeit automatisch verlieren, wenn man sich 10 Jahre im Ausland aufgehalten und keine ausdrücklich anders lautende Erklärung abgegeben habe. In diesem Fall könne also eine Wahl belgischen Rechts als Heimatrecht vom Erblasser unbemerkt unwirksam werden, wenn danach ein Verlust der belgischen Staatsangehörigkeit eintreten würde; vgl. Stellungnahme von Piper (Belgien) während der Sitzung der 11. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 5, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 377. 12 13

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Vornahme der Rechtswahl im Regelfall auch sein gewöhnlicher Aufenthalt ändern würde und daß sich damit die Rechtswahl nicht mehr auf die korrekte Rechtsordnung bezöge. Je nach Ausgestaltung der Rechtswahlklausel wäre damit entweder die Rechtswahl insgesamt hinfällig oder es wäre ein anderes als das ursprünglich vorgesehene Recht maßgeblich mit den entsprechenden Gefahren für die Gültigkeit der testamentarischen Verfügungen. 17 Um dem Bedürfnis der Erblassers nach Planungssicherheit entgegenzukommen, wurde deshalb von verschiedenen Konferenzteilnehmern vorgeschlagen, daß der Erblasser die Wahl zwischen Heimatrecht und Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder zum Todeszeitpunkt gewährt bekommen solle. 18 Trotz der fortdauernden Gegenwehr der Befürworter einer engeren Rechtswahlvorschrift wurde diese Regelung in der Zweiten Kommission schließlich mit deutlicher Mehrheit angenommen. 19 b) Grundsatz: Planungssicherheit trotz Statutenwechsels

In seiner endgültigen Fassung erlaubt Art. 5 dem Erblasser demnach zum einen, das Recht desjenigen Staates zu wählen, dem er im Augenblick der Rechtswahl angehört oder wo er zu diesem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zum anderen kann er aber auch sein Heimatrecht oder Aufenthaltsrecht zum Todeszeitpunkt wählen. Wirkliche praktische Relevanz wird dabei wohl nur die erstgenannte Variante haben. Denn Zweck der Rechtswahl ist es eben gerade, bereits im Zeitpunkt der Wahl 'selber Gewißheit über das anwendbare Recht zu erhalten, um die materiellrechtliche Nachlaßplanung hieran auszurichten. Durch die Möglichkeit der Wahl des Heimat- oder Aufenthaltsrechts zum Wahlzeitpunkt ist der Erblasser damit gegen eventuelle Statutenwechsel in seiner Person geschützt, die nach Vornahme der Rechtswahl eintreten könnten.

Die beiden übrigen von Art. 5 eingeräumten Wahlmöglichkeiten dürften in der Praxis wohl eine geringere Bedeutung erlangen. Denn es ist nur schwer vorstellbar, daß jemand für die Regelung seiner Erbfolge gezielt sein Heimatbzw. Aufenthaltsrecht zum Todeszeitpunkt wählen wird, wenn er doch we17 Dies würde davon abhängen, ob die Rechtswahlklausel lautete "Ich unterstelle die Erbfolge in meinen Nachlaß demjenigen Recht, in dem ich zum Zeitpunkt meines Todes meinen gewöhnlichen Aufenthalt habe" oder "Ich unterstelle die Erbfolge in meinen Nachlaß dem Recht des Staates X". 18 Siehe z.B. die Textvorschläge der Niederlande in Working Document No 3, der U.S.A. in Working Document No 5, und Deutschlands in Working Document No 18, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 310 - 312. 19 Vgl. Minutes of the Second Commission, Minute No 5, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 378.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

sentlich größere Gewißheit über das anwendbare Recht dadurch erlangen kann, daß er die eine oder andere Rechtsordnung zum Wahlzeitpunkt für maßgeblich erklärt. Gleichwohl dürften auch jene beiden Wahlmöglichkeiten zugunsten des Heimat- oder Aufenthaltsrechts zum Todeszeitpunkt letztlich dazu beitragen, für den Erblasser die Planungs sicherheit zu erhöhen. Sie könnten nämlich einer an sich unwirksamen Rechtswahl nachträglich doch noch zum gewünschten Erfolg verhelfen. Dies wäre z.B. dann der Fall, wenn der Erblasser seine Rechtswahl zugunsten des Rechts des Aufenthaltsstaates zu einem Zeitpunkt getroffen hatte, als er seinen Aufenthalt gerade erst in diesen Staat verlagert hatte. In diesem Fall könnte der Erblasser womöglich irrtümlicherweise davon ausgehen, im neuen Aufenthaltsstaat bereits seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet zu haben, obwohl dies tatsächlich noch nicht der Fall gewesen wäre. Hier müßte man die Wahl des Aufenthaltsrechts zum Wahlzeitpunkt eigentlich als unwirksam ansehen. Die Wirksamkeit der Rechtswahl bliebe jedoch erhalten, wenn der Erblasser zum Todeszeitpunkt noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Staat gehabt oder mittlerweile dessen Staatsangehörigkeit erworben hätte. 2o Die praktische Bedeutung der Wahlmöglichkeit zugunsten des Heimat- oder Aufenthaltsrechts zum Todeszeitpunkt wird demnach wohl weniger darin bestehen, dem Erblasser auf diese Weise eine noch größere Auswahl an wählbaren Rechtsordnungen verschaffen. Vielmehr wird sie hauptsächlich die Wirkung haben, Rechtswahlen, die an sich unerkannt nichtig waren, nachträglich zur Wirksamkeit zu verhelfen. c) Ausnahme: Vorrang des Angehörigenschutzes der lex fori?

Die Gegner des ihrer Ansicht nach zu großzügig gestalteten Art. 5 konnten allerdings am Ende der Sitzung der Zweiten Kommission doch noch einen Teilerfolg erzielen. Denn auf ihr Betreiben wurde in der abschließenden Fassung der Konvention die Möglichkeit eingeräumt, dem Abkommen unter dem Vorbehalt beizutreten, daß eine unter Art. 5 getroffene Rechtswahl in bestimmten Fällen nicht als wirksam anerkannt wird. Diese Vorbehaltsregelungen sind in Art. 24 I c) und in Art. 24 I d) enthalten.

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Vgl. hierzu auch Waters, Explanatory Report, § 62.

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(1) Vorbehalt des Art. 24 I c)

(a) Inhalt und Entstehungsgeschichte Art. 24 I c) erlaubt es, dem Abkommen unter dem Vorbehalt beizutreten, daß der beitretende Staat eine unter Art. 5 an sich wirksam vorgenommene Rechtswahl unter folgenden Voraussetzungen nicht anerkennt: (1) Der Erblasser hat im Todeszeitpunkt weder die Staatsangehörigkeit des gewählten Rechts, noch hat er dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt. (2) Dafür gehört der Erblasser demjenigen Staat an, der den Vorbehalt erklärt hat, und hat dort gleichzeitig seinen gewöhnlichen Aufenthalt. 21 Diese Vorschrift geht auf einen gemeinsamen Vorschlag Frankreichs und Italiens zurück. 22 Dieser sah zunächst noch vor, da6 einer Rechtswahl in jedem Falle die Anerkennung versagt werden könne, wenn der Erblasser im Todeszeitpunkt weder dem gewählten Recht angehörte, noch dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. 23 Erst auf Vorschlag Großbritanniens wurde die einschränkende Ergänzung hinzugefügt, wonach der Erblasser dem Staat, der den Vorbehalt macht, im Todeszeitpunkt angehörte und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. 24 Die Vertreter dieser Staaten waren nicht bereit zu akzeptieren, daß die endgültige Fassung des Art. 5 es genügen ließ, daß der Erblasser lediglich zum Zeitpunkt der Rechtswahl in dem Staat des gewählten Rechts seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben bzw. dessen Staatsangehörigkeit besitzen 21 Art. 24 I c) lautet in der Übersetzung der Schlußakte der XVI. Tagung der Haager Konferenz vom Bundesjustizministerium: "Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung, der Ratiftkation, der Aufnahme, der Genehmigung oder dem Beitritt den Vorbehalt machen ... c) daß er eine nach Art. 5 vorgenommene Rechtswahl einer Person nicht anerkennen wird, die im Zeitpunkt ihres Todes nicht oder nicht mehr dem Staat angehörte, dessen Recht gewählt wurde, oder dort nicht oder nicht mehr ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, jedoch in diesem Zeitpunkt dem Staat angehörte, der den Vorbehalt gemacht hat, und dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. " 22 Dem vorausgegangen waren verschiedene Versuche dieser beiden und anderer Staaten, bereits den Text des Art. 5 selber in entsprechender Weise einzuschränken; siehe die Vorschläge Schwedens und Italiens in Working Document No 2 und No 28, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 310 und 313, und die Vorschläge Frankreichs, Italiens und Großbritanniens in Working Document No 65 und No 79, ebd., 320, 325. 23 Siehe Working Document No 64, in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd. 11, 320. 24 Siehe Working Document No 95, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 335.

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muß. Sie befürchteten, daß Art. 5 dem Erblasser damit die Möglichkeit gegeben würde, ein Recht zu wählen, mit dem er zum Augenblick seines Todes keinerlei Verbindung mehr besitzt. 2s Dabei gingen ihre Bedenken insbesondere dahin, daß auf diese Weise die Angehörigenschutzvorschriften desjenigen Rechts, mit dem der Erblasser zum Todeszeitpunkt eng verbunden ist, abgewählt werden können. 26 Daneben war eine wichtige Überlegung, daß man mit der Einfügung von Art. 24 I c) auf eventuelle Bedenken in den Heimatländern der Delegierten gegen eine zu großzügige Rechtswahlvorschrift Rücksicht nehmen wollte. Den Regierungen dieser Staaten soll mit der Vorbehaltsmöglichkeit des Art. 24 I c) die Gelegenheit gegeben werden, die Konvention gleichwohl zu ratifizieren. Falls sich das Abkommen in ihren Augen später bewährt haben sollte, könnten sie auf diesen Vorbehalt dann wieder verzichten. 27 (b) Würdigung Der Vertreter Frankreichs nennt folgenden Fall als ein Beispiel, wo die Einschränkung der Rechtswahl durch Art. 24 I c) eingreifen würde 28: Ein junger französischer Manager wird von seinem Arbeitgeber zu Beginn seiner beruflichen Karriere nach New York entsandt. Dort lebt er für mehrere Jahre und erwirbt dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt. Bereits in New York entscheidet er sich, Planungen für seinen zukünftigen Nachlaß zu treffen und unterstellt diesen per Rechtswahl dem New Yorker Recht. Später kehrt er nach Frankreich zurück und verbringt dort den Rest seines Lebens. An sich wäre die Wahl New Yorker Rechts hier wirksam. Sollte Frankreich aber dem Erbrechtsabkommen unter dem Vorbehalt des Art. 24 I c) beigetreten sein, bräuchte es diese Rechtswahl nicht anzuerkennen. Dieses Beispiel zeigt in anschaulicher Weise die Vorteile und Gefahren dieser Vorbehaltsmöglichkeit: Art. 24 I c) gewährleistet auf der einen Seite, daß der den Vorbehalt erklärende Staat eine Rechtswahl nicht anzuerkennen braucht, wenn der Erblasser keine enge personale Beziehung zum gewählten Recht mehr hat und gleichzeitig der eindeutige Lebensmittelpunkt des Erblas2S Siehe die Stellungnahmen von Lagarde (Frankreich) und Droz (General Sekretär) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 5, in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd. 11, 376 f. 26 Vgl. von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 146. 27 Stellungnahme von Hayton (Großbritannien) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 19, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 491. 28 Vgl. Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 261.

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sers im ersteren Staate liegt. Auf diese Weise könnte also verhindert werden, daß der Erblasser eine einmal erworbene völlige Testierfreiheit Zeit seines Lebens behalten könnte, ohne weiterhin eine persönliche Beziehung zu diesem Recht aufrechterhalten zu haben. 29 Andererseits wird der Erblasser auf diese Weise aber zum Teil auch gerade wieder derjenigen Planungssicherheit beraubt, die ihm Art. 5 eigentlich gewähren sollte. Falls es nämlich nach Vornahme der Rechtswahl zu einem entsprechenden Statutenwechsel - d.h. zu einem Aufenthalts- oder einem Staatsangehörigkeitswechsel - in der Person des Erblasser kommen sollte, würde zum Todeszeitpunkt eine rückwirkende Nichtigkeit der Rechtswahl eintreten. Dies könnte zum einen dann passieren, wenn der Erblasser nach einem langjährigen Auslandsaufenthalt, während dessen er eine Rechtswahl zugunsten des Aufenthaltsrecht vorgenommen hatte, in sein Heimatland zurückkehrt und dort verstirbt. Das gleiche würde auch für den Fall gelten, daß der Erblasser während des Auslandsaufenthaltes eine Rechtswahl zugunsten seines Heimatrechts trifft, daß er dann aber in diesem ausländischen Staat bleibt und schließlich dessen Staatsangehörigkeit erwirbt. In beiden Fällen wäre die Rechtswahl rückwirkend nichtig. Ein entscheidender praktischer Vorteil der Rechtswahl, nämlich der Gewinn an Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit, würde damit also verloren gehen. 30 Allerdings ist zu beachten, daß Art. 24 I c) einen relativ eingeschränkten Anwendungsbereich hat. Denn der Erblasser muß in jedem Falle zum Todeszeitpunkt dem Recht desjenigen Staates angehören und dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt haben, welcher den Vorbehalt erklärt hat. Ansonsten ist der Vorbehalt unbeachtlich. Sollte also in dem obigen Beispiel der französische Manager nach seinem New Yorker Aufenthalt nach Belgien versetzt werden und dort nicht nur den Rest seines Lebens yerbringen, sondern auch die belgische Staatsangehörigkeit erwerben, dann hätte ein französisches Gericht die Wahl zugunsten New Yorker Rechts weiter zu beachten. Im Ergebnis greift die durch Art. 24 I c) bewirkte Einschränkung der Rechtswahl also immer nur zugunsten der Lex fori desjenigen Staates durch, der diesen Vorbehalt erklärt hat. Er wirkt jedoch nie zugunsten des Rechts eines dritten Staates, auch wenn die Fallkonstellation im übrigen vergleichbar wäre.

Ähnlich Lagarde, ebd. Waters, Explanatory Report, § 143; United Kingdom, Consultation Paper, 5; vgl. auch Scoles, Am. J. Comp. Law 42 (1994), 113. 29

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(2) Vorbehalt des Art. 24 I d) (a) Inhalt und Entstehungsgeschichte Auch die Vorschrift des Art. 24 I d) gestattet es, dem Abkommen unter dem Vorbehalt beizutreten, unter bestimmten Voraussetzungen eine gemäß Art. 5 an sich gültige Rechtswahl nicht anzuerkennen. In diesem Falle müssen für den Eintritt der Unwirksamkeit die folgenden drei Bedingungen erfüllt sein: (1) Das Recht des Staates, der den Vorbehalt erklärt hat, wäre mangels Rechtswahl das gemäß Art. 3 anwendbare Recht gewesen. (2) Die Anwendung des nach Art. 5 gewählten Rechts würde dem Ehegatten oder einem Kind des Erblassers die gesamten Zuwendungen erbrechdicher oder familiärer Art oder einen sehr erheblichen Teil davon entziehen, auf welche sie nach den zwingenden Vorschriften des Rechts des Staates, der den Vorbehalt gemacht hat, Anspruch gehabt hätten. (3) Dieser Ehegatte oder dieses Kind gehört dem Staat an, der den Vorbehalt gemacht hat, oder hat dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt. 31 Diese Regelung geht auf einen Vorschlag der australischen Delegation zurück. 32 Der australische Delegierte begründete ihn mit den besonderen Problemen, denen sich Australien als Einwanderungsstaat ausgesetzt sehe. Er wies darauf hin, daß Menschen aus über 100 Ländern nach Australien immigrieren würden. Dabei würden die Familienväter häufig ihre ursprüngliche Nationalität beibehalten. Dann hätten sie unter Art. 5 die Möglichkeit, ihr altes Heimatrecht zu wählen. Dieses könnte jedoch u. U. für die Angehörigen

31 Art. 24 I d) lautet in der deutschen Übersetzung durch das Bundesjustizministerium. "Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung, der RatifIkation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt den Vorbehalt machen, ... d) daß er eine nach Artikel 5 vorgenommene Rechtswahl nicht anerkennen wird, wenn alle folgende Voraussetzungen erfüllt sind: - Das Recht des Staates der den Vorbehalt gemacht hat, wäre das nach Artikel 3 anzuwendende Recht gewesen, wenn nicht eine gültige Rechtswahl nach Artikel 5 vorgenommen worden wäre, - die Anwendung des nach Artikel 5 gewählten Rechts würde dem Ehegatten oder Kind des Erblassers die gesamten Zuwendungen erbrechtlicher oder familiärer Art oder einen sehr erheblichen Teil davon entziehen, auf die sie nach den zwingenden Vorschriften des Staates, der den Vorbehalt gemacht hat, Anspruch gehabt hätten, - dieser Ehegatte oder dieses Kind gehörte dem Staat an, der den Vorbehalt gemacht hat, oder hatte dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt. " 32 Siehe Working Document No 100, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. II, 335 f.

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gar keine oder eine weitaus geringere zwingende Nachlaßbeteiligung vorsehen als das Recht der australischen Bundesstaaten. 33 Kritiker dieser Vorbehaltsmöglichkeit wandten ein, daß es sich in dem dort geregelten Fall eigentlich eher um ein Problem des ordre public handele. 34 Dem wurde jedoch von einem Vertreter der Common Law Staaten entgegengehalten, daß der ordre public Vorbehalt im Common Law wesentlich zurückhaltender angewandt würde als in den kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen und aus diesem Grunde nach anglo-amerikanischem Rechtsverständnis in dem von Art. 24 I d) geregelten Fall wohl nicht eingreifen würde. 35 Nach heftiger Diskussion siegten schließlich die Befürworter dieser Vorbehaltsregelung. 36 (b) Auslegungsprobleme Für die Anwendung des Art. 24 I d) kommt es also insbesondere darauf an, daß dem Ehegatten oder dem Kind des Erblassers durch das gewählte Recht ein erheblicher Teil der "Zuwendungen erbrechtlicher oder familiärer Art"37 des objektiv anwendbaren Rechts entzogen wird. Der in diesem Zusammenhang etwas irritierende Begriff der "Zuwendungen ... familiärer Art" (d.i. "jamily provision" in der englischen authentischen Textfassung des Abkommens) scheint dabei auf den ersten Blick auch familienrechtliche (z.B. güterrechtliche oder unterhaltsrechtliche) Ansprüche der Erblasserangehörigen mit zu umfassen. Tatsächlich dürfte hier jedoch etwas anderes gemeint sein. Der soeben zitierte Wortlaut des Art. 24 I d) leitet sich nämlich aus der in den Commonwealth Staaten gebräuchlichen Terminologie ab. Dort wird die zwingende Nachlaßbeteiligung der Erblasserangehörigen durch ein System. gerichtlich angeordneter und am Unterhaltsbedarf des Betroffenen orientierter Zuwendungen aus dem Nachlaß geregelt. Diese Regelungen werden in der Regel als "jamily provision legislntion" bzw. als "testator's jamily main33 Stellungnahme von Edwards (Australien) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 19, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 492. 34 Waters, Explanatory Report, § 144. 35 Stellungnahme von Hayton (Großbritannien) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 19, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 493. 36 Hierzu gehörte auch der deutsche Vertreter; vgl. Stellungnahme von Pirrung während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 19, in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd. 11,493. 37 Der englische bzw. französische authentische Text lautet: "inheritance or family provision" bzw. "attributions de nature successorale ou familiale".

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tenance Legislation " bezeichnet. 38 Auf diese Regelungen soll sich der in Art. 24 I d) gebrauchte Begriff der "Zuwendungen ... familiärer Art" wohl offenbar beziehen.

Daneben wirft Art. 24 I d) noch folgendes Problem auf: Aus der Begründung des Textvorschlags des australischen Delegierten zu Art. 24 I d) kann man schließen, daß der Hauptanwendungsfall, für welchen diese Vorbehaltsmöglichkeit gedacht ist, der Fall sein soll, wo der Erblasser mit seiner gesamten Familie in das Einwanderungsland immigriert ist. Von seinem Wortlaut her erfaßt Art. 24 I d) aber auch den Fall, daß ein Teil der Familie außerhalb des Einwanderungslandes lebt, also z.B. im Ursprungsstaat geblieben ist. Hier stellt sich jedoch die Frage, ob, wenn die Voraussetzungen des Art. 24 I d) im übrigen erfüllt sind, dann tatsächlich die gesamte Rechtswahl unwirksam ist oder ob nur insoweit Unwirksamkeit eintritt, wie die im Forumsstaat lebenden Angehörigen aus der Rechtswahl die im Text des Art. 24 I d) geforderten Nachteile erleiden. Leider enthalten weder der Explanatory Report noch die übrigen Abkommensmaterialien hierfür eine Antwort. (c) Würdigung Der Vorbehalt des Art. 24 I d) spricht letztlich klarer aus, worum es auch bei der Regelung des Art. 24 I c) im Kern zu gehen scheint. Ziel beider Vorschriften ist es, die materiellen Interessen der im Forum lebenden Angehörigen an einer angemessenen zwingenden Nachlaßbeteiligung zu schützen. Zu diesem Zweck soll der Lex fori gegenüber dem vom Erblasser gewählten Recht unter bestimmten Voraussetzungen der Vorrang eingeräumt werden. Ebenso wie Art. 24 I c) ordnet auch Art. 24 I d) zu diesem Zweck die rückwirkende Nichtigkeit der Rechtswahl des Erblassers an. Im Gegensatz zu Art. 24 I c) wird dieses Ziel hier aber nicht auf rein kollisionsrechtlichem Wege zu erreichen versucht, sondern mittels einer gemischt materiell- und kollisionsrechtlichen Regelung. Denn Art. 24 I d) macht die Wirksamkeit der Rechtswahl letztlich vom Ergebnis der materiellrechtlichen Rechtsanwendung abhängig. 39

38 Siehe die Antwort Australiens, in: Additional replies of Governments to the Questionnaire, Preliminary Document No 3 of November 1986, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 162, 164. 39 Vgl. Stellungnahme von Picone (Italien) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 19, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 493.

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Ein entscheidender Nachteil dieser Regelung ist sicherlich ihr unbestimmter Charakter. 40 Der unpräzise Wortlaut, mit dem das für das Eingreifen dieses Vorbehalts erforderliche Ausmaß der materiellen Beeinträchtigung der Angehörigen beschrieben wird41 , schafft die Gefahr unnötiger Rechtsstreitigkeiten zwischen den Erben. 42 Es mag sein, daß das angestrebte Ziel, nämlich Herstellung materiellrechtlicher Gerechtigkeit mittels einer materiellrechtlichen Einzelfallprüfung, angesichts der Vielgestaltigkeit internationaler Sachverhalte nicht auf anderem Wege zu erreichen ist. Gleichwohl wird auf diesem Wege die mit der weiten Fassung des Art. 5 erstrebte Rechtssicherheit sowohl zu Lasten des Erblassers als auch zu Lasten der Erben deutlich beeinträchtigt. 43 2. Wirksamkeitsvoraussetzungen Über die besonderen Anforderungen der Art. 24 I c) und Art. 24 I d) hinaus ergeben sich auch aus Art. 5 selber weitere Wirksamkeitsvoraussetzungen für die Rechtswahl: Angesichts der Tatsache, daß Art. 5 I dem Erblasser je nach Sachlage vier verschiedene Rechtsordnungen zur Wahl läßt, muß aus der Formulierung der Rechtswahlklausel klar hervorgehen, welche der vier Varianten gemeint ist (Heimatrecht oder Aufenthaltsrecht? Zum Zeitpunkt der Rechtswahl oder zum Todeszeitpunkt?). Ansonsten ist die Rechtswahl unwirksam. Am eindeutigsten wäre daher eine Rechtswahlklausel wie: "Die Erbfolge nach meinem Tode soll sich nach dem Recht des Staates X richten, dem ich in diesem 40 Ebd; ebenso United Kingdom, Consultation Paper, 6; Scoles, Am. J. Comp. Law 42 (1994), 120 f. 41 Der englische und französische Text lautet insoweit [Hervorhebung durch d. Verf.]: " ... the application of the law designated under Article 5 would totaUy or very substantially deprive the spouse or a child of the deceased of an inheritance or family provision to which the spouse or child would have been entitled under the mandatory rules of the law of the State making the reservation ... " bzw. " '" I' application de la loi designee confonnement a I' article 5 priverait totalement ou (]ans une proportion tres importante le conjoint ou l'enfant du defunt d'attributions de nature successorale ou familiale auxquelles ils auraient eu droit selon les regles imperatives de la loi de l'Etat ayant fait cette reserve ... " 42 So auch Scoles, Vertreter der U.S.A. bei der 16. Haager Konferenz, in seinem Memorandum vom 29. Oktober 1991 an die Mitglieder des Secretary of State's Advisory Committee on Private International Law auf S. 2; ders., Am. J. Comp. Law 42 (1994), 120ff. 43 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 145.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Augenblick, in dem ich diese Erklärung abgebe, angehöre. " Ebenso eindeutig wäre die Klausel: "Die Erbfolge nach meinem Tode soll sich nach dem Recht des Staates X richten." Zulässig wäre aber auch eine Klausel, in der lediglich abstrakt z.B. "das Recht, dem ich im Augenblick angehöre" gewählt würde. 44 Die Rechtswahlklausel kann in einem Dokument zusammen mit anderen materiellrechtlichen letztwilligen Verfügungen enthalten sein. Ebenso zulässig ist aber, daß die Rechtswahl in einem Dokument erfolgt, das nichts außer der Wahlklausei enthält. 45 In jedem Falle aber muß das Dokument, in dem die Rechtswahlklausel enthalten ist, die formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen einer letztwilligen Verfügung erfüllen. Dafür, welche Anforderungen an die formelle Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung zu stellen sind und welches Recht hierüber entscheidet, enthält die Konvention keine eigene Regeln. Dies wird der Lex fori zu regeln überlassen. 46 Durch den Wortlaut des Art. 5 11 (" ... muß in einer Erklärung ausgedrückt sein ... ")47 soll eine bloß stillschweigende Rechtswahl ausgeschlossen werden. Andererseits ist aber auch nicht unbedingt eine ausdrückliche Rechtswahl in der Art der oben genannten Klauselbeispiele erforderlich. Notwendig ist lediglich, daß ohne Schwierigkeiten erkennbar ist, daß eine Rechtswahl getroffen wurde. 48 Über die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Rechtswahl (insbesondere Willensmängel, wie z.B. Irrtum, Drohung und Betrug) entscheidet das gewählte Recht (Art. 5112). Aus den Ausführungen des Berichterstatters Waters ist zu entnehmen, daß insofern an die besonderen materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen für letztwillige Verfügungen und nicht an die allgemeinen Regeln für sonstige rechtsgeschäftliche Willenserklärungen gedacht worden ist. 49 Dabei ist es für die Anwendung der Haager Konvention jedoch irrelevant, ob auch das gewählte Recht die Vornahme einer Rechtswahl erlauben würde. Denn die Zulässigkeit der Rechtswahl als solcher ergibt sich bereits aus der Konvention selber. 50

Vgl. ebd., § 62. Dies folgt aus dem insofern neutralen Wortlaut ("statement" bzw. "declaration") des Art. 511; siehe Waters, Explanatory Report, § 65. 46 Ebd. 47 Die englische bzw. französische authentische Textfassung lautet: 11 ••• shall be expressed in a statement ... 11 bzw. "... doit etre exprimee dans une declaration ... " (Hervorhebungen durch d. Verf.). 48 Waters, Explanatory Report, § 65. 49 Vgl. ebd., § 66. 50 Ebd. 44

45

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Art. 5 III ordnet an, daß der Widerruf einer Rechtswahl nur durch denjeni-' gen erfolgen kann, der die Rechtswahl getroffen hat, und ferner, daß der Widerruf die Formvoraussetzungen des von der lex fori hierfür für anwendbar erklärten Rechts erfüllen muß. Vorbehaltlich dieser Formvoraussetzungen erlaubt Art. 5 III aber nicht nur ausdrückliche Widerrufshandlungen, wie z.B. durch Willenserklärung, durch Zerreißen oder durch eine entgegenstehende spätere Rechtswahlerklärung, sondern auch einen Widerruf durch konkludentes Verhalten. Anerkannt wird außerdem der Widerruf kraft Gesetzes, so z.B. wenn das vom Forum für die Formvoraussetzungen für anwendbar erklärte Recht ein Testament durch eine spätere Heirat oder Scheidung des Erblassers kraft Gesetzes für widerrufen ansieht. 51

III. Wahl der lex rei sitae? 1. Entstehungsgeschichte Anders als bei der Diskussion zur objektiven Anknüpfung fiel es den Delegierten der Haager Konferenz wesentlich schwerer, sich auch bei der professio iuris auf den Grundsatz der Nachlaßeinheit zu einigen. Sowohl in der Spezialkommission52 als auch in der Zweiten Kommission53 wurde von Vertretern verschiedener Common Law Länder wiederholt der Vorschlag gemacht, daß der Erblasser neben dem Recht seiner Staatsangehörigkeit und seines gewöhnlichen Aufenthaltes für unbewegliches Vermögen auch das jeweilige Lagerecht solle wählen können. In der Spezialkommission war die Möglichkeit der Wahl der lex rei sitae zwar zugunsten des Prinzips der Nachlaßeinheit abgelehnt worden. 54 In der Zweiten Kommission erneuerten die Befürworter einer solchen Wahlmöglichkeit aber ihre hartnäckigen Bemühungen, diese durchzusetzen.

Ebd., § 67. Vgl. Waters, Report of the Special Commission, § 30. 53 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 27 und § 69; Minutes No 4 to 7 of the Second Commission, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. n, 369-391; siehe auch die Stellungnahmen und Vorschläge der Vereinigten Staaten und Großbritanniens in: "Comments of the Governments on Preliminary Document No 12", Preliminary Document No 13 of September 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. n, 287 - 288, 298. 54 Vgl. Art. 4 I und Art. 5 I des am 8. Oktober 1987 angenommenen vorläufigen Konventionsentwurfs, in Preliminary Document No 12 of March 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. n, 233. 51

52

20 Brandi

306

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

a) Argumente für die Wahl der lex rei sitae

Ihr Hauptargument war dabei die nach ihrer Ansicht durch eine Wahl der

Lex rei sitae zu erreichende erhebliche Vereinfachung der Nachlaßabwick-

lung. ss Aus diesem Grund würden Erblasser mit einem über mehrere Rechtsordnungen verteilten Vermögen bereits unter dem geltenden Recht häufig für die einzelnen Nachlaßteile das jeweilige Lagerecht wählen, da die mit der Nachlaßabwicklung befaßten lokalen Behörden und Anwälte in der Regel mit dem eigenem materiellen Erbrecht am besten vertraut seien. S6 Ferner könnte man auf diese Weise Erbstatut und Güterrechtsstatut besser miteinander koordinieren, da verschiedene Rechtsordnungen - einschließlich der Haager Konvention von 1976 - auch hinsichtlich des Güterrechtsstatuts eine Wahl der lex rei sitae für unbewegliches Vermögen zulassen würden. S7

Die Vertreter der anglo-amerikanischen Staaten betonten außerdem, daß das in dem vorläufigen Konventionsentwurf für die professio iuris beschlossene Prinzip der Nachlaßeinheit nicht mit den herrschenden Praktiken des estate planning in ihren Heimatstaaten vereinbar sei. So wurde zum einen auf die in diesen Ländern verbreitete Praxis der multiple wills für internationale Nachlässe hingewiesen. Wie bereits an anderer Stelle erwähnt58 , wird in einem multiple will für jeden Nachlaßteil ein gesondertes Einzeltestament verfaßt, dessen Inhalt auf die jeweilige Lex rei sitae abgestimmt ist. Anscheinend enthalten die Einzeltestamente bereits unter der derzeitigen Rechtspraxis häufig eine ausdrückliche Rechtswahlklausel zugunsten des Lagerechts. 59 Die Delegierten der Common Law Staaten befürchteten, daß eine auf einen Nachlaßteil beschränkte Rechtswahl als unwirksam angesehen werden müßte, wenn die Konvention nur eine Rechtswahl für den Gesamtnachlaß gestatten würde. Nach ihrer Ansicht drohte auf diese Weise die Nachlaßplanung vieler anglo-

Waters, Explanatory Report, § 69. Stellungnahme von Struycken (Niederlande) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 4, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 370. 57 Stellungnahme von van Loon (Erster Sekretär des Ständigen Büros der Haager Konferenz) und von von Overbeck (Präsident der Zweiten Kommission) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 4, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 373 f. 58 Siehe hierzu 2. Kapitel, A.III.2.a)(2). S9 Vgl. Stellungnahme Großbritanniens zum vorläufigen Konventionsentwurf der Spezialkommission, in: Comments of the Governments on Preliminary Document No 12, Preliminary Document No 13 of September 1988, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 298. 55

56

B. Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention

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amerikanischer Erblasser vereitelt zu werden. 6O Ferner wurde darauf hingewiesen, daß ähnliche Probleme bei der in den Common Law Staaten gleichfalls weit verbreiteten Praxis entstehen könnten, nur über Teile des Nachlasses testamentarisch zu verfügen und im übrigen die gesetzliche Erbfolge eintreten zu lassen. Nach Ansicht der Common Law Vertreter bestünde auch in so einem Fall, wo der Erblasser nur für denjenigen Nachlaßteil eine Rechtswahl getroffen habe, über den er testamentarisch verfügt hat61 , die Gefahr, daß diese teilweise Rechtswahl unter der Konvention als unwirksam angesehen werden müßte. 62 b) Argumente gegen die Wahl der lex rei sitae

Aber auch in der Zweiten Kommission war die Mehrheit der Delegierten dafür, daß die Wahl des Erblassers auf das Heimatrecht und das Aufenthaltsrecht begrenzt und eine Wahl der Lex rei sitae nicht zugelassen werden sollte. Für sie waren dabei die folgenden Gründe ausschlaggebend: Einerseits wurde befürchtet, daß angesichts der Neuheit des Rechtsinstituts der projessio iuris bei einer zu großzügigen Verweisungsfreiheit die Akzeptanz der Konvention in der Staatengemeinschaft gefährdet werden könnte. Ferner hielt man es für angemessen, allein schon angesichts des personalen Charakters des materiellen Erbrechts die Wahl auf solche Rechtsordnungen zu beschränken, mit denen der Erblasser als Person eng verbunden ist. Außerdem war man der Auffassung, daß ein zentrales Anliegen der Konvention die Beachtung der Vorschriften zur zwingenden Nachlaßbeteiligung von Ehegatte und Kindern des Erblassers sei. Durch die Beschränkung der Rechtswahl auf Rechtsordnungen, mit denen der Erblasser eng verbunden ist, sollten daher die entsprechenden Schutzinteressen des Ehegatten und der Kinder gewahrt bleiben. 63 Schließlich 60 Stellungnahmen von Scoles (U.S.A.) und Hayton (Großbritannien) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 6 und No 7, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. n, 380, 391 f. 61 Eine typische Rechtswahlklausel dieser Art lautet nach Angaben von Scoles: "that property passing hereunder shall be subject to the law of ... "; vgl. Stellungnahme von Scoles (U.S.A.) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 5, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. n, 379. 62 Stellungnahmen von Scoles und Waters während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 5, No 7 und No 8, in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd. n, 378 f., 392, 394. 63 Waters, Explanatory Report, § 26. Siehe zu dem letztgenannten Argument auch die Stellungnahme von Pipers (Belgien) während der Sitzung der n. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 4, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. n, 371. 20'

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

waren es in den Augen der Mehrheit der Delegierten dieselben Erwägungen wie bei der objektiven Anknüpfung, die auch bei der projessio iuris für das Prinzip der Nachlaßeinheit sprachen: nämlich die Herstellung von innerem Entscheidungseinklang zwischen den einzelnen Nachlaßmassen64 und die Vermeidung der mit der Unterscheidung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen verbundenen Qualifikationsschwierigkeiten. 6S c) Kompromißvorschläge

Die Befürworter einer Wahlmöglichkeit zugunsten der lex rei sitae bemühten sich jedoch unablässig, ihr Anliegen mit neuen Textvorschlägen durchzusetzen. Diese schwächten sie immer weiter ab, um damit den Bedenken ihrer Gegner Rechnung zu tragen. 66 So gelangte man schließlich sogar zu dem komplizierten Vorschlag, daß dem Erblasser die Möglichkeit der Wahl unterschiedlicher Rechte für verschiedene Vermögensgegenstände nur insoweit eingeräumt werden sollte, als sich diese entweder im Heimatstaat oder im Staate des gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers zum Wahlzeitpunkt befinden würden. Dabei sollte jedoch das für einzelne Nachlaßteile gewählte Aufenthalts- bzw. Heimatrecht nicht der Anwendung der zwingenden Angehörigenschutzvorschriften des im übrigen für den Nachlaß - objektiv oder aufgrund Rechtswahl - geltenden Rechts entgegenstehen. 67 Als man im Verlaufe der Diskussion an diesem Punkt angekommen war, meinten einige Delegierte, daß es wohl auch eine einfachere Kompromißlösung gebe, die für beide Seiten akzeptabel sein könne. Dies sei die Rechtsfigur der "materiellrechtlichen Verweisung". 68 Daraufhin wurde schließlich

64 Vgl. Stellungnahme von Santonja (Union Internationale du Notariat Latin) während der Sitzung der H. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 4, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. H, 371. 6S Vgl. Stellungnahme von Boggiano (Argentinien) und Pirrung (Deutschland) während der Sitzung der H. Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 4, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. H, 372. 66 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 69: "... and proposal after proposal, each slightly less ambitious that its predecessor and exploiting yet another window on the subject, fell by the wayside. 11 67 Vorschläge Australiens, Dänemarks, Großbritanniens und der U.S.A., in: Working Document No 41, No 42, No 43 und No 44, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. H, 315 f. 68 Waters, Explanatory Report, § 69.

B. Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention

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von der Mehrheit der Delegierten derjenige Kompromißvorschlag 69 angenommen, der letztlich zu Art. 6 der endgültigen Abkommensfassung wurde. 2. Grundsatz der Nachla8einheit (Artt. 5 I und 7 I)

Von der Mehrheit der Konferenzteilnehmer wurden im Ergebnis also alle Versuche abgelehnt, eine echte kollisionsrechtliche Rechtswahl zugunsten der Lex rei sitae für einzelne Vermögensgegenstände in der einen oder anderen Form zuzulassen. In der endgültigen Textfassung der Konvention gilt daher auch für die Rechtswahl der Grundsatz der Nachlaßeinheit. Dies ergibt sich zum einen aus dem Wortlaut des Art. 5 11, der bestimmt, daß der Erblasser eine Rechtswahl nur für den gesamten Nachlaß treffen kann. Bestätigt und ergänzt wird dies außerdem durch Art. 7 I, wo es heißt, daß - vorbehaltlich des Art. 6 - die gesamte Erbfolge dem nach Art. 5 gewählten bzw. dem nach Art. 3 objektiv anwendbaren Recht unterliegt, gleichgültig wo das Nachlaßvermögen belegen ist. 3. Ausnahme: Materiellrechtliche Verweisung für einzelne VennögensgegenstäDde (Art. 6) a) Inhalt und Wirksamkeitsvoraussetzungen der Verweisung

Der Wortlaut des Art. 6 lautet: Eine Person kann die Erbfolge in bestimmte Güter des Nachlasses dem Recht eines oder mehrerer Staaten unterstellen. Diese Rechtswahl kann jedoch die Anwendung der zwingenden Vorschriften des nach Artikel 3 oder Artikel 5 Absatz 1 anzuwendenden Rechts nicht berühren. 70 69 Vorschlag Großbritanniens, Italiens, Kanadas, der U.S.A. und Venezuelas in: Working Document No 47, in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd.II, 316 f. 70 Deutscher Text aus Übersetzung der Schlußakte der XVI. Tagung der Haager Konferenz vom Bundesjustizministerium. Der authentische englische Text lautet: "A person may designate the law of one or more States to govem the succession to particular assets in bis estate. However, any such designation is without prejudice to the application of the mandatory roles of the law applicable according to Article 3 or Article 5, paragraph 1." Der authentische französische Text lautet: "Une personne peut designer pour regir la succession de certain de ses biens la loi d'un ou de plusieurs Etats. Toutefois, cette designation ne peut porter atteinte a l' application des regles imperatives de la loi applicable en vertu de l' article 3 ou de I'article 5, paragraphe 1."

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Auch wenn diese etwas mißverständliche Vorschrift dem Erblasser auf den ersten Blick eine echte kollisionsrechtliche Teilrechtswahl zu erlauben scheint71 , soll nach dem Willen seiner Verfasser mit diesen Worten lediglich das Rechtsinstitut der materiellrechtlichen Verweisung umschrieben werden. 72 Im Gegensatz zur kollisionsrechtlichen Parteiautonomie, die auch von den zwingenden Vorschriften des ansonsten anwendbaren Rechts befreit, entbindet die materielle Verweisungsfreiheit nur von dessen dispositiven Normen. Bei dieser können daher lediglich im Rahmen der zwingenden Sachnormen des dominanten, d.h. des eigentlich anwendbaren Rechts gewisse Vorschriften einer anderen Rechtsordnung mittels summarischer Bezugnahme zum Inhalt des jeweiligen Rechtsinstruments gemacht werden. 73 Der Logik der materiellrechtlichen Verweisung entspricht es, daß die Verweisungsmöglichkeit unter Art. 6 weder auf besondere Vermögensgegenstände, wie z.B. das unbewegliche Vermögen, noch auf bestimmte Rechtsordnungen beschränkt ist. Art. 6 würde es also theoretisch auch gestatten, für den gesamten Nachlaß eine materiellrechtliche Verweisung auf ein beliebiges drittes Recht auszusprechen. Gleichwohl dürfte der Hauptanwendungsfall des Art. 6 darin bestehen, daß nur für einige Vermögenswerte, die in einem anderen Staat als die Hauptmasse des· Nachlaßvermögens liegen, auf deren Lagerecht verwiesen wird. 74 Da es sich bei der materiellen Verweisung LS.d. Art. 6 nicht um eine kollisionsrechtliche Rechtswahl handelt, bestimmen sich deren formelle und materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen nicht nach den Art. 5 11 und III, sondern nach dem dominanten Recht, d.h. nach dem im übrigen auf den Nachlaß anwendbaren Erbstatut. 75 b) Beispiele und Anwendungsprobleme

Nach Art. 6 ist es möglich, die materiellrechtliche Verweisung auf das Recht eines Drittstaates entweder mit einer Rechtswahl gemäß Art. 5 zu kombinieren oder jene isoliert vorzunehmen und es im übrigen bei der objektiven Anknüpfung des Erbstatuts zu belassen. 76 Wie aus den nachfolgenden

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72

73 74 75

76

Diesem Irrtum scheint zumindest Kunz, ZRP 1990, 213, 214, zu unterliegen. Waters, Explanatory Report, §§ 69, 70. Kropholler, 259; Waters, ebd., § 70. Waters, ebd., § 71. Ebd., § 70. Ebd.

B. Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention

311

Erläuterungen ersichtlich werden wird, äußert die Konvention sich jedoch' leider nur teilweise dazu, wie dies im einzelnen zu geschehen hat.

(1) Verhältnis von Art. 5 und Art. 6 Die Kriterien für die Abgrenzung zwischen einer Rechtswahl für den Gesamtnachlaß und einer materiellen Verweisung für einen Nachlaßteillassen sich der Auslegungsregel des Art. 5 IV entnehmen. Diese lautet: "Für die Zwecke dieses Artikels [5] ist die Wahl eines Rechts vorbehaltlich ausdrücklicher gegenteiliger Angabe des Erblassers als eine solche für den gesamten Nachlaß anzusehen, ungeachtet dessen, ob der Erblasser ohne Verfügung von Todes wegen oder mit einer solchen Verfügung für sein gesamtes Vermögen oder einen Teil desselben verstorben ist. "77

Danach ist für die Feststellung einer materiellrechtlichen Verweisung erforderlich, daß diese "ausdtiicklich" auf den jeweiligen Nachlaßteil beschränkt wird. Ist dies nicht geschehen, müßten beide Rechtswahlbestimmungen so ausgelegt werden, als ob sie für den Gesamtnachlaß gelten würden und es wäre zu prüfen, ob die ältere Wahlklausei durch die jüngere widerrufen werden sollte. 78 Folgendes Beispiel soll zur Erläuterung dienen: Der Erblasser, ein britischer Staatsangehöriger, stirbt mit gewöhnlichem Aufenthalt in Frankreich. Er hinterläßt Nachlaßvermögen in England, Frankreich und Spanien. Für den spanischen Nachlaß hat er ein eigenes Testament verfaßt, welches er in Spanien bei einem Notar hinterlegt hat. In diesem Testament hat er spanisches Recht für das dort belegene Vermögen gewählt. Mittels eines weiteren Testaments verfügt er über den Restnachlaß . Darin hat er die Erbfolge in sein restliches Vermögen dem englischen Recht unterstellt. 79 Da Art. 5 I gebietet, daß die kollisionsrechtliche Rechtswahl immer für den gesamten Nachlaß zu gelten habe, wäre in diesem Fall eine "Wahl" zweier unterschiedlicher Rechtsordnungen für die beiden Nachlaßteile nur in der Weise möglich, daß eines qua kollisionsrechtlicher Rechtswahl zum dominanten Recht wird und auf das andere Recht nur materiellrechtlich verwiesen wird. Hier würde es sich wahrscheinlich anbieten, das englische Recht als dominantes Recht zu wählen und für den spanischen Nachlaßteil auf spanisches Recht zu verweisen. Um die materielle Verweisung auf spanisches 77 Deutscher Text aus Übersetzung der Schlußakte der XVI. Tagung der Haager Konferenz vom Bundesminister der Justiz; Einfügung durch den Verfasser. 78 Waters, Explanatory Report, § 73. 79 Beispiel nach United Kingdom, Consultation Paper, 6.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Recht wirksam werden zu lassen, müßte der Erblasser diese jedoch ausdrücklich auf den spanischen Nachlaß beschränken. Denn sonst bestünde die Gefahr, daß sie gemäß Art. 5 IV als kollisionsrechtliche Rechtswahl für den Gesamtnachlaß ausgelegt würde. Außerdem sollte er zweckmäßigerweise in beiden Testamenten auf die Existenz der jeweils anderen letztwilligen Verfügung und der darin enthaltenen Rechtswahlklausel hinweisen. Denn es wäre sinnvoll, daß die mit der Abwicklung des jeweiligen lokalen Nachlasses befaßten Gerichte auch von der Existenz des übrigen Nachlasses und der darüber getroffenen Rechtswahl in Kenntnis gesetzt würden. Auch auf diese Weise könnte besser der Gefahr begegnet werden, daß die Wahlklausein irrtümlicherweise beide jeweils als kollisionsrechtliche Rechtswahl für den Gesamtnachlaß ausgelegt würden. (2) Verhältnis von Art. 3 und Art. 6 Etwas anders stellt sich die Situation dar, wenn der Erblasser nur teilweise über seinen Nachlaß verfügt und nur für den von dieser Verfügung erfaßten Nachlaßteil eine Rechtswahl trifft. Dies wäre der Fall, wenn der britische Erblasser in dem obigen Beispiel es bei der Rechtswahl und den testamentarischen Verfügungen hinsichtlich des spanischen Nachlaß belassen hätte und im übrigen die gesetzliche Erbfolge hätte eintreten lassen wollen. Nach Ansicht des Berichterstatters Waters wäre hier das in Art. 5 IV genannte Erfordernis, daß die Verweisung "ausdrücklich" auf den jeweiligen N achlaßteil beschränkt werden müsse, nicht einschlägig, da in diesem Falle das dominante Recht objektiv gemäß Art. 3 angeknüpft würde. Vielmehr würde hier eine widerlegliche Vermutung eingreifen, wonach in dem Fall, daß der Erblasser nur über den in einem bestimmten Staat belegenen Nachlaßteil verfügt und er in dieser Verfügung eine Rechtswahl getroffen habe, angenommen werden müßte, daß diese "Rechtswahl " als eine auf diesen Nachlaßteil beschränkte materiellrechtliche Verweisung zu interpretieren sei. 80 Ob eine solche Vermutungsregel wirklich angebracht wäre, erscheint allerdings zweifelhaft. Der Vorschlag Waters entspringt wahrscheinlich der bereits oben erwähnten, in den anglo-amerikanischen Staaten teilweise verbreiteten Praxis, nur über bestimmte Nachlaßteile testamentarisch zu verfügen und insoweit entsprechende Teilrechtswahlen zu treffen. Zudem ist fraglich, ob den Interessen des Erblassers wirklich damit gedient würde, in dem obigen Fall die Wahl spanischen Rechts lediglich als materiellrechtliche Verweisung zu behandeln. Denn dadurch, daß diese die zwingenden Sachnormen des 80

Waters, Explanatory Report, § 73 ..

B. Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention

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dominanten Rechts nicht außer Kraft setzen könnte, wäre ihre inhaltliche Reichweite erheblich eingeschränkt. c) Würdigung

Diese Beispiele deuten bereits darauf hin, daß sich aus der Vorschrift des Art. 6 bei Inkrafttreten der Konvention für die Rechtspraxis aller Voraussicht nach einige Probleme ergeben würden. 81 Nicht nur dem juristischen Laien wird sich der Unterschied zwischen kollisionsrechtlicher Parteiautonomie und bloßer materiellrechtlicher Verweisungsfreiheit oft nur schwer erschließen. 82 Es ist daher recht wahrscheinlich, daß die Vorschrift des Art. 6 bei vielen Anwendern falsche Hoffnungen hinsichtlich der Wählbarkeit der lex rei sitae wecken könnte, die später unweigerlich enttäuscht' würden. 83 Es hätte demnach vieles dafür gesprochen, Art. 6 erst gar nicht in die Konvention aufzunehmen. Dies gilt auch aus dem Grund, daß es sich bei der materiellrechtlichen Verweisung nicht um ein kollisionsrechtliches, sondern um ein materiellrechtliches Institut handelt, dessen Zulässigkeit, Inhalt und Grenzen sich allein nach materiellem Recht richten. 84 Es fragt sich somit, ob Art. 6 im Ergebnis lediglich eine "Notlösung"85 darstellt, die erforderlich war, um auf der Haager Konferenz einen Kompromiß zwischen Befürwortern und Gegner einer Rechtswahl zugunsten der lex rei sitae zu erzielen, oder ob dieser Vorschrift vielleicht dennoch ein praktischer Nutzen abgewonnen werden könnte: 81 Ähnlich die Befürchtungen von Duckek (Österreich), Revillard (Frankreich) und Picone (Italien) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 6, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. n, 387, 388, 390. 82 Von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 147, meint, daß auch einige Vertreter der Common Law Staaten in der Zweiten Kommission mit der Rechtsfigur der "materiellrechtlichen Verweisung" nichts hätten anfangen können. 83 Ähnlich Schreiben von Ministerialrat Pirrung, Bundesministerium rur Justiz, vom 18. September 1989 an den Deutschen Rat rur IPR, S. 9. 84 Schon während der Tagung der Zweiten Kommission hatten einige Delegierte darauf hingewiesen, daß sich die Zulässigkeit einer materiellrechtlichen Verweisung eigentlich bereits aus dem jeweils anwendbaren Recht ergebe und daher keiner besonderen Erwähnung in der Konvention bedürfe; vgl. z.B. Stellungnahme von Picone (Italien), Minutes of the Second Commission, Minute No 6, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. n, 385. 85 So Pirrung, ebd. Siehe auch den Kommentar von Picone (Italien) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 6, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. n, 385: "La montaigne accouche d'une souris." ("Der Berg kreißte und gebar ein Mäuschen. ")

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Eine sinnvolle Funktion vermag Art. 6 vielleicht für Erblasser in angloamerikanischen Staaten zu erfüllen. Denn es ist anzunehmen, daß die dort zur Gewohnheit gewordenen Methoden des estate planning auch nach RatifIkation der Haager Konvention durch diese Länder fortbestehen würden. Entsprechend häufig werden damit in diesen Ländern weiterhin multiple wills und teilweise Rechtswahlen gebraucht werden. Ohne Art. 6 würde die Haager Konvention diese Form der Nachlaßplanung häufig unweigerlich zu Fall bringen. Da unter der Konvention nämlich eine teilweise kollisionsrechtliche Rechtswahl unzulässig ist, müßten diese Arten von Teilrechtswahlen, wenn es Art. 6 nicht gäbe, entweder als Rechtswahl für den Gesamtnachlaß oder gar als gänzlich unwirksam behandelt werden. Art. 6 bietet demgegenüber die Möglichkeit, eine solche Teilrechtswahl zumindest noch als materiellrechtliche Verweisung für den jeweiligen Teilnachlaß aufrechtzuerhalten. 86 Fraglich ist aber, ob Art. 6 auch für die kontinental europäischen Staaten, wo diese Formen der Teilrechtswahl weniger weit verbreitet sind, einen praktischen Nutzen bietet. Zwar vermag eine materielle Verweisung unter Umständen auch für die dortigen Erblasser zur Vereinfachung der späteren Nachlaßabwicklung beitragen, in dem sie es ermöglicht, für Teile des Nachlaßvermögens eine zumindest teilweise auf die Besonderheiten des lokalen Rechts abgestimmte Verfügung zu treffen. Häufig aber wird die Koordination zwischen dem lokalen Recht und den zwingenden Normen des dominanten Rechts erhebliche Schwierigkeiten bereiten. 87 Diese Schwierigkeiten werden 86 Vgl. Stellungnahmen von Hayton (Großbritannien), Scoles (U.S.A.) und Waters während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 7, in: Proceedings ofthe Sixteenth Session, Bd. II, 391, 392, 394. Diese Lösung ist vielleicht weniger weit von dem entfernt, als es auf den ersten Blick scheinen mag, was mit multiple wills und teilweisen Rechtswahlen in den Common Law Staaten unter derzeitigem Recht tatsächlich erreicht werden kann. Denn auch unter der augenblicklichen Rechtslage kann die Wahl lokalen Rechts für die jeweiligen Nachlaßteile letztlich nur dann zum gewünschten Erfolg führen, wenn eine solche Wahl entweder von der Lex rei sitae anerkannt wird oder wenn der Belegenheitsstaat sein eigenes Recht zumindest aufgrund seiner objektiven Anknüpfungsregeln anwenden würde. Dies wird im anglo-amerikanischen Kollisionsrecht häufig nicht richtig erkannt. Vgl. z.B. die Erläuterungen zu multiple wills bei Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, 553 ff.; Lawrence, 745; Baker, International Legal Practitioner 1985, 118. Daher wird eine zugunsten der Lex rei sitae getroffene Teilrechtswahl mangels Anerkennung durch den Belegenheitsstaat auch heute häufig nicht zum Ziel führen und könnte dann allenfalls als eine materiell rechtliehe Verweisung innerhalb der Grenzen des objektiv anwendbaren Sachrechts aufrechterhalten werden. 87 Vgl. Stellungnahmen von Pipers (Belgien) und Voulgaris (Griechenland) während der Sitzung der Zweiten Kommission, Minutes of the Second Commission, Minute No 6, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. II, 387.

B. Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention

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im Zweifelsfalle wohl die praktischen Vorteile einer entsprechenden materiellen Verweisung überwiegen. Im Ergebnis dürfte Art. 6 daher zumindest den Erblassern in den kontinental europäischen Staaten nur wenig Nutzen bringen.

IV. Rechtswahl in Erbverträgen (Art. 11) 1. Wählbare Rechtsordnungen Mehr Möglichkeiten bietet dagegen die durch Art. 11 der Konvention erlaubte Rechtswahl für Erbverträge, die auch für gemeinschaftliche Testamente im Sinne des deutschen Rechts gilt. 88. Im Gegensatz zu Art. 6 handelt es sich hierbei nämlich um .eine kollisionsrechtliche Verweisungsmöglichkeit. Art. 11 lautet: "Die Parteien können durch ausdrückliche Rechtswahl übereinkommen, den Vertrag hinsichtlich seiner materiellen Gültigkeit, seiner Wirkungen und der Umstände, die zum Erlöschen dieser Wirkungen führen, dem Recht eines Staates zu unterstellen, in dem die Person oder eine der Personen, deren Nachlaß betroffen ist, in dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag geschlossen wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder dem sie in diesem Zeitpunkt angehört. "89

Art. 11 gestattet daher eine Rechtswahl sowohl für einseitige Erbverträge, die den Nachlaß von nur einer Person betreffen, als auch für zweiseitige Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente, in denen beide Parteien über ihren Nachlaß verfügen. Wählbares Recht ist das Aufenthaltsrecht oder das Heimatrecht zum Zeitpunkt der Rechtswahl derjenigen Person oder einer derjenigen Personen, deren Nachlaß durch die Verfügungen betroffen ist. Anders als bei Art. 5 I ist die Verweisung auf das Heimat- bzw. Aufenthaltsrecht zum Todeszeitpunkt hier nicht erlaubt. Der Grund dafür ist, daß die· Parteien mit der Wahl eines Erbvertrages bzw. eines gemeinschaftlichen Testaments - anstelle einer einseitigen letztwilligen Verfügung - in der Regel das Ziel verfolgen, die Erbfolge schon zu Lebzeiten des Erblassers bindend zu regeln. Daher hätte es wenig Sinn gemacht, den maßgeblichen Zeitpunkt für die Würdigung der materiellen Gültigkeit des Erbvertrages und der Feststellung des darauf anwendbaren Rechts auf den Augenblick des Erblassertodes hinauszuschieben. 90 Die in Art. 11 enthaltene Rechtswahlmöglichkeit für Erbverträge schien weder in der Spezialkommission noch in der Zweiten Kommission GegenVgl. Waters, Explanatory Report, §§ 91,102. Deutscher Text aus Übersetzung der Schlußakte der XVI. Tagung der Haager Konferenz vom Bundesjustizministerium. 90 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 102; Ireland, Report, 70 f. 88 89

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

stand größerer Auseinandersetzugen gewesen zu sein. Bereits in der Spezialkommission konnte man sich anscheinend rasch auf den Inhalt dessen einigen, was später Art. 11 werden würde. 91 In der Zweiten Kommission erfolgten daraufhin lediglich einige redaktionelle Änderungen, die mit der Umstrukturierung des gesamten, den Erbverträgen gewidmeten dritten Kapitels zusammenhingen. 2. Inhaltliche Reichweite der Rechtswahl Die Rechtswahl für Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente erstreckt sich gemäß Art. 11 auf die materiellen Gültigkeitsvoraussetzungen, die Wirkungen und die Erlöschensgründe. a) Abgrenzung von materiellen und formellen Gültigkeitsvoraussetzungen

Da sich die Rechtswahl unter Art. 11 nur auf Fragen der materiellen Gültigkeit erstreckt, müssen diese von den formellen Gültigkeitsvoraussetzungen abgegrenzt werden. Letztere sind gemäß Art. 1 11 a) vom Anwendungsbereich der Haager Erbrechtskonvention insgesamt ausgenommen. Die Erbrechtskonvention bestimmt selber nicht, in welchen Fällen es sich um eine materielle und wann es sich um eine formelle Gültigkeitsvoraussetzung handelt. Vielmehr überläßt sie diese Unterscheidung dem jeweiligen Forum. 92 Die Abgrenzung von materiellen und formellen Gültigkeitsvoraussetzungen spielt bei Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten im internationalen Erbrecht eine erhebliche Rolle. 93 Dies beruht darauf, daß beide Rechtsinstitute insbesondere in den romanischen Rechtsordnungen entweder vollständig verboten oder nur in sehr restriktiver Weise zugelassen sind. 94 Die materiellrechtlichen Normen, welche die Errichtung von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten untersagen bzw. einschränken, werden je nach dem von ihnen verfolgten Zweck entweder als materielle Gültigkeitsbeschränkung oder als Formvorschrift qualifiziert und entsprechend angeknüpft. 95 So nimmt man z.B. an, daß die Verbote des gemeinschaftlichen 91 Vgl. Waters, Report of the Special Commission, § 49; vgl. auch Art. 611 und Art. 7 11 des vorläufigen Konventionsentwurfs, Preliminary Document No 12 of March 1988, in Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 233 ff. 92 Waters, Explanatory Report, § 97. 93 Ebenroth, Rz 1287. 94 Siehe hierzu den rechtsvergleichenden Überblick bei Ebenroth, Rz 276 ff. 95 Kropholler, 380 f.; Kegel, IPR, 659 f.

B. Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention

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Testaments im französischen und niederländischen Recht eine Beweisfunktion (Ermittlung des richtigen Erblasserwillens) bzw. eine Schutzfunktion (Schutz vor unlauterer Beeinflussung) erfüllen und es sich daher um typische Formvorschriften handele. 96 Hinsichtlich des Verbots des gemeinschaftlichen Testaments im italienischen Recht herrscht andererseits weitgehend Einigkeit, daß dieses materiellrechtlich zu qualifIzieren sei, da es die Sicherung des freien Willensentschlusses und die freie Widerrufbarkeit letztwilliger Verfügungen garantieren solle. 97 Da die Haager Konvention eine Rechtswahl nur für die materiellen Gültigkeitsvoraussetzungen zuläßt, würde man für die Anwendung des Art. 11 also prüfen müssen, ob die Verbotsnormen, welche den Erbvertrag oder das gemeinschaftliche Testament potentiell erfassen könnten, formeller oder materieller Natur sind. Nur in letzterem Falle wäre es möglich, der jeweiligen Verbotsnorm durch Wahl eines anderen Erbstatuts aus dem Weg zu gehen. b) Wirkungen und ErlöschensgrÜDde des Erbvertrages

Aus der Haager Konvention und aus dem Explanatory Report ist nicht zweifelsfrei ersichtlich, was mit dem Begriff "Wirkungen" in Art. 11 gemeint ist. Zum einen könnte man dies dahingehend verstehen, daß den Parteien in Art. 11 eine Rechtswahl nur hinsichtlich der spezifIschen Bindungswirkungen von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten98 gestattet wird, und daß es für die übrigen erbrechtlichen Sachfragen bei der Rechtswahlregel des Art 5 I verbleibt. Zum anderen könnte dieser Begriff so auszulegen sein, daß den Parteien eines Erbvertrages durch Art. 11 gestattet werden soll, eine. Rechtswahl für alle erbrechtlichen Fragen zu treffen, die in einer letztwilligen Verfügung geregelt werden könnten. Die praktische Bedeutung dieser Auslegungsfrage tritt in dem Fall zu Tage, wo der Erbvertrag den Nachlaß von mehr als einer Person berührt. Dort erlaubt Art. 11 den Parteien des Erbvertrages nämlich, für die "Wirkungen" dasjenige Recht zu wählen, mit dem lediglich eine der Parteien durch Staats96 Kropholler, 80 m.w.N.; MÜßchKomm-Birk, Art. 26 EGBGB, Rz 93 m.w.N.; ebenso "Contracts of succession. Note drawn up by the Permanent Bureau", Preliminary Document No 11 of August 1987, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 11, 223, 229 m.w.N. 97 OLG Frankfurt 17.5.1985, IPRspr. 1985 Nr.116, IPRax 1986, 111 (hierzu Grundmann, IPRax 1986, 94); Kropholler, 380 f. m.w.N.; ebenso "Contracts of succession. Note drawn up by the Permanent Bureau", ebd. 98 Vgl. §§ 2270, 2271 BGB und § 2298 BGB.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

angehörigkeit bzw. gewöhnlichen Aufenthalt eng verbunden ist. Zwei Ehegatten unterschiedlicher Nationalität könnten also das Heimatrecht des einen Ehegatten wählen, ohne daß der andere mit diesem Recht eine weitergehende Verbindung haben müßte. Legt man Art. 11 nun dahingehend aus, daß der Begriff "Wirkungen" all das umfassen soll, was in einer letztwilligen Verfügung angeordnet werden könnte, dann würde diese Vorschrift für die Parteien eines Erbvertrages die Verweisungsfreiheit deutlich über das von Art. 5 gestattete Maß hinaus erweitern. Zwar äußern sich weder der Konventionstext noch der Explanatory Report zu dieser Frage mit der wünschenswerten Deutlichkeit. Jedoch läßt sich aus dem Explanatory Report zumindest indirekt entnehmen, daß der Begriff "Wirkungen" anscheinend in dem letztgenannten, weiteren Sinne verstanden werden soll. Der Explanatory Report nennt für Art. 11 (bzw. Art. 9) nämlich mehrere Fallbeispiele, in denen die Parteien durch erbvertragliche Vereinbarungen Regelungen hinsichtlich der Pflichtteilsrechte der einen Partei, wie z.B. einen Pflichtteilsverzicht, am Nachlaß der anderen Partei treffen. 99 Dies deutet daraufhin, daß die Rechtswahlbefugnis in Art. 11 unter anderem auch die Voraussetzungen und Wirkungen eines im Erbvertrag vereinbarten Plichtteilsverzicht des Vertragspartners des Erblassers erfassen soll. Hieraus wird man aber wiederum folgern müssen, daß die Rechtswahlbefugnis unter Art. 11 umgekehrt auch für all diejenige Sachbereiche des Erbrechts gelten soll, welche der in dem Erbvertrag testierende Erblasser durch letztwillige Verfügungen regeln könnte. Für die weite Auslegung des Begriffs "Wirkungen" spricht ferner, daß Art. 11 ausdrücklich auch die "Erlöschensgründe" von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten erwähnt. Aus dem Explanatory Report ergibt sich eindeutig, daß damit vor allem der Rücktritt vom Erbvertrag bzw. der Widerruf einer gemeinschaftlichen Verfügung gemeint sein SOll.IOO Die Möglichkeiten eines Rücktritts bzw. eines Widerrufs bestimmen sich aber gerade danach, ob und inwieweit für den Erblasser mit Abschluß dieser Verfügungen eine Bindungswirkung eingetreten ist. Würde man daher den Begriff "Wirkungen" in dem oben dargelegten engeren Sinne auslegen, wäre damit im Ergebnis dasselbe gemeint wie mit dem Begriff "Erlöschensgründe " . Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, daß dies von den Delegierten der Haager Konferenz tatsächlich so gemeint gewesen sein sollte.

99 100

Vgl. Waters, Explanatory Repor.t, § 94. Ebd., § 97.

B. Rechtswahl in der Raager Erbrechtskonvention

319

3. Vorbehalt zugunsten am Vertrag nicht beteiligter Dritter Die Rechtswahl unter Art. 11 wird allerdings eingeschränkt durch die in Art. 1211 enthaltene Vorbehaltsregelung zugunsten Dritter, die nicht am Erbvertrag bzw. gemeinschaftlichen Testament beteiligt sind. Danach berührt die Anwendung der gemäß Art. 11 gewählten Rechtsordnung "... nicht die Rechte einer nicht an dem Vertrag beteiligten Person, die nach dem in Artikel 3 oder Artikel 5 Absatz 1 bezeichneten Recht Anspruch auf den Pflichtteil oder ein anderes Recht hat, das ihr von der Person, deren Nachlaß betroffen ist, nicht entzogen werden kann. "101 Diese Vorbehaltsregelung soll also verhindern, daß einer nicht am Erbvertrag beteiligten Person durch die in einem Erbvertrag vorgenommenen Rechtswahl der Pflichtteil oder das Noterbrecht entzog~n würde, welches ihr nach dem eigentlich gemäß Art. 3 bzw. gemäß Art. 5 I geltenden Erbstatut zustünde. 102 Diese Vorschrift wird nur dann bedeutsam, wenn der Erblasser gemäß Art. 11 ein anderes Recht gewählt hat als das, welches an sich gemäß Art. 3 oder - im Falle einer weiteren Rechtswahl für den übrigen Nachlaß gemäß Art. 5 I auf den Nachlaß anwendbar wäre. Ein denkbarer Anwendungsfall hierfür wäre, daß der Erblasser zwischen dem Zeitpunkt der Rechtswahl i.S.d. Art. 11 und dem Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt und/oder seine Staatsangehörigkeit gewechselt hat. Dann wäre gemäß Art. 3 im Todeszeitpunkt objektiv u. U. eine andere Rechtsordnung als die gewählte anwendbar. Hier gewährleistet Art. 1211, daß den am Erbvertragsschluß nicht beteiligten Personen, denen nach dem objektiv anwendbaren Recht ein Pflichtteils- oder Noterbrecht an dem Nachlaß zusteht, diese zwingende Nachlaßbeteiligung auch dann gewährt werden muß, wenn das vom Erblasser gewählte Recht eine solche nicht vorsehen sollte. Ein weiteres Anwendungsbeispiel für Art. 12 11 wäre, daß in einem Erbvertrag zwei Ehegatten unterschiedlicher Staatsangehörigkeit testamentarische Verfügungen treffen und hierauf gemäß Art. 11 das Heimatrecht des einen Ehegatten für anwendbar erklären. In diesem Fall könnte für den Nachlaß desjenigen Ehegatten, der sich im Erbvertrag zur Wahl des Heimatrechts des anderen Ehegatten bereit gefunden hat, gemäß Art. 3 objektiv womöglich ein anderes Erbstatut gelten. Hier schützt Art. 1211 die Interessen der am Erbvertragsschluß nicht beteiligten Erben des ersteren Ehegatten. Ihnen kann trotz der Wahl des Heimatrechts des anderen Ehegatten dasjenige nicht ent-

101 Deutscher Text aus Übersetzung der Schlußakte der XVI. Tagung der Raager Konferenz vom Bundesjustizministerium. 102 Waters, Explanatory Report, § 105; von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 148.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

zogen werden, was ihnen gemäß dem lt. Art. 3 objektiv geltenden Recht an zwingender Beteiligung an dem Nachlaß des ersteren Ehegatten zusteht.

c. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention Zusammengefaßt gestattet die Haager Konvention dem Erblasser also in Art. 5 eine Rechtswahl für einseitige letztwillige Verfügungen und in Art. 11 eine Rechtswahl für Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente. In beiden Fällen sind entweder das Heimatrecht oder das Recht des gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers zum Zeitpunkt der jeweiligen Rechtswahl wählbar. Die in einer einseitigen Verfügung vorgenommene Rechtswahl wird darüber hinaus auch dann als wirksam angesehen, wenn der Erblasser im Todeszeitpunkt dem Staat des gewählten Rechts angehört oder dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine Wahl der Lex rei sitae für unbewegliches Vermögen ist hingegen nicht möglich. Insofern wird durch Art. 6 lediglich eine materiellrechtliche Verweisung gestattet. Mit diesen Rechtswahlmöglichkeiten räumt das Haager Abkommen dem Erblasser insgesamt eine deutlich großzügigere Verweisungsfreiheit ein als das deutsche IPR. Es fragt sich daher, wie die Regelungen der Haager Erbrechtskonvention im Vergleich zum geltenden deutschen Recht zu bewerten sind.

I. Erblasserinteressen 1. Planungssicherheit für den Erblasser Wie oben dargelegt!, gewährt Art. 5 in seiner endgültigen Fassung dem Erblasser ein hohes Maß an Planungssicherheit. Im Gegensatz zum Vorentwurf der Spezialkommission, wo dem Erblasser nur die Wahl des Heimatoder Aufenthaltsrechts zum Todeszeitpunkt erlaubt war, kann der Erblasser nunmehr auch das Recht desjenigen Staates wählen, dem er zum Wahlzeitpunkt angehört bzw. wo er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Auf diese Weise lassen sich für ihn die Gefahren eines nachträglichen Statutenwechsels von vornherein vermeiden. Deshalb war es richtig, daß sich die Mehrheit der Teilnehmer der Zweiten Kommission zu dieser Verbesserung des Art. 5 gegenüber dem Entwurf der Spezialkommission hatte entschliessen können. 2 !

Siehe oben 3. Kapitel, B.ll.1.b).

2 Diese Änderung war auch von dem deutschen Konferenzteilnehmer Pirrung

gefordert worden; vgl. Stellungnahme der Bundesrepublik Deutschland zum vorläu-

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

321

Die dem Erblasser gewährte Planungssicherheit wird dadurch noch vermehrt,daß Art. 5 die Rechtswahl auch dann als wirksam ansieht, wenn das gewählte Recht zumindest zum Todeszeitpunkt das Heimat- oder Aufenthaltsrecht des Erblassers ist. Denn auf diese Weise wird die Möglichkeit geschaffen, ein Rechtswahl, die zum Wahlzeitpunkt selber unerkannt unwirksam war, zumindest nachträglich zu heilen. Art. 11 dagegen enthält diese nachträgliche Heilungsmöglichkeit nicht. Dieser Unterschied ist jedoch gerechtfertigt. Denn bei einem Erbvertrag ist neben dem Erblasser noch mindestens eine weitere Person beteiligt, die dem Erblasser im Gegenzug zu dessen bindender Verfügung eine Leistung unter Lebenden verspricht bzw. gewährt. Dieser Vertragspartner muß bereits zum Zeitpunkt des Erbvertragsschlusses mit Sicherheit wissen können, woran er ist. Gleiches gilt für das gemeinschaftliche Testament. Auch dieses wird häufig gerade um der gegenseitigen Bindungswirkung willen gewählt. Daher wollen die gemeinsam Testierenden auch dort schon bei der Vornahme wissen, ob sie gebunden sind oder nicht. 3 In beiden Fällen muß daher bereits zum Wahlzeitpunkt klar sein, inwieweit die Rechtswahl zum Erfolg führt. 2. Kollisionsrechtliche Anwendungsinteressen des Erblassers Mit der Auswahl zwischen dem Heimatrecht und dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts stehen dem Erblasser die beiden Rechtsordnungen zur Verfügung, von denen zumindest eine in den allermeisten Fällen diejenige sein wird, mit welcher der Erblasser am engsten verbunden ist. Durch die Gewährung einer entsprechenden Rechtswahlmöglichkeit wird es daher dem Erblasser ermöglicht, selber zu bestimmen, mit welcher dieser beiden Rechtsordnungen er sich im konkreten Falle am engsten verbunden fühlt. Eine solche Rechtswahlvorschrift besitzt besonders für ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland große Bedeutung, in dem eine relativ große Zahl von Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit für einen längeren Zeitraum oder auf Dauer wohnt. Im obigen Kapitel zur objektiven Anknüpfung wurde figen Konventionsentwurf der Spezial Kommission. in: Comments of the Governments of Preliminary Document No 12. Preliminary Document No 13 of September 1988. in: Proceedings of the Sixteenth Session. Bd. 11. 284. Sie entsprach auch einer in die gleiche Richtung gehenden Stellungnahme von Kropholler zum Vorentwurf vom Oktober 1987 im Deutschen Rat für IPR. vgl. S. 78 des Protokolls der Sitzung vom Juli 1988. 3 Dies ist auch der Grund. warum im geltenden deutschen IPR gemäß Art. 26 V 1 EGBGB das Erbstatut bei Vornahme des Rechtsgeschäfts über die materielle Gültigkeit und die Bindung von gemeinschaftlichen Testamenten und Erbverträgen herrscht; vgl. hierzu Kegel. IPR. 661 f. 21 Brandi

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

bereits darauf hingewiesen, daß die besondere Situation der in Deutschland lebenden Gastarbeiter und anderen Ausländer nach einer flexiblen Anknüpfung des Erbstatuts verlangt, Um den besonderen Anknüpfungsinteressen der jeweiligen Person im konkreten Einzelfall gerecht werden zu können. 4 Bereits in der Diskussion zur deutschen IPR-Reform war deshalb von Seiten verschiedener Vertreter der Wissenschaft zu Recht eine Wahlmöglichkeit zwischen dem Heimat- und Aufenthaltsrecht gefordert worden. Dem war der Reformgesetzgeber von 1986 nicht gefolgt. Jedoch hat sich die tatsächliche Situation seit dem eher noch verschärft, so daß die Forderung nach einer Flexibilisierung der Anknüpfung mittels Zulassung einer Rechtswahl heute eine größere Berechtigung besitzt denn je. Eine solche flexible Kollisionsnorm bietet die Haager Erbrechtskonvention bereits für die objektive Anknüpfung in Art. 3 an. Aber selbst neben und zum Teil auch gerade als Konsequenz dieser flexiblen objektiven Anknüpfungsnorm kann für den Erblasser das Bedürfnis bestehen, selber darüber zu befinden, welches das Recht der engsten Verbindung sein solle. Denn zum einen kann der Mechanismus der fünfjährigen Aufenthaltsfrist in Art. 3 TI - trotz der dort vorgesehenen Ausnahmeregel - in manchen Fällen vielleicht doch dazu führen, daß die Erbfolge an ein anderes Recht angeknüpft würde, als der Erblasser es selber gerne sehen würde. Zum anderen aber bringt die flexible Regelung des Art. 3 aufgrund ihrer konsequenten Anknüpfung an das Recht der engsten Verbindung zwangsläufig .Einbussen an Rechtssicherheit mit sich. 5 Die Rechtswahl unter Art. 5 bietet dem Erblasset daher die Möglichkeit, diesem Mangel abzuhelfen und durch eine eigene Rechtswahl größere Planungssicherheit herzustellen. 6

Im Vergleich dazu hat der Erblasser unter dem derzeit geltenden Art. 25 TI EGBGB nur relativ geringe Möglichkeiten, seinen kollisionsrechtlichen Anwendungsinteressen an der Anknüpfung an das Recht seiner engsten Verbundenheit Ausdruck zu verleihen. Denn das Kriterium "inländisches unbewegliches Vermögen", wonach sich die wählbare Rechtsordnung bestimmt, hat nichts mit der Person des Erblassers zu tun. Es mag sein, daß die Wahl des deutschen Lagerechts im Ergebnis mit dem Interesse des Erblassers an der Wahl des deutschen Aufenthaltsrechts deckungsgleich ist. Doch bleibt dies letztlich dem Zufall überlassen. Darüber hinaus gestattet Art. 25 11 EGBGB in jedem Falle die Rechtswahl nur für den unbeweglichen Teil des Nachlaßvermögens.

4

5 6

Siehe oben 1. Kapitel, C.I.2.b). Siehe oben 1. Kapitel. C.II.l. Vgl. Lagarde. Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 270 f.

c. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

323

Weitere Vorteile bietet die Wahlmöglichkeit in Art. 5 der Konvention auch für Mehrstaater. Diese können durch die Wahl eines ihrer beiden Heimatrechte festlegen, welches für die Anknüpfung der Erbfolge in ihren Nachlaß maßgeblich sein soll. Eine solche Wahlmöglichkeit bietet das geltende deutsche IPR nicht. 3. Materiellrechtliche Anwendungsinteressen des Erblassers Den materiellrechtlichen Anwendungsinteressen des Erblassers7 wird die Haager Konvention dagegen nur in einem etwas geringerem Maße gerecht. Denn sie gestattet weder eine kollisionsrechtliche Verweisung auf die lex Tei sitae als solche, noch eine unmittelbare Ankopplung des Erbstatuts an das Güterrechtsstatut. Andererseits gewähren Art. 5 und Art. 11 durchaus die Möglichkeit, auf indirektem Wege auch diese Rechtsordnungen zu wählen. a) Koordination von Erbstatut und Ehegüterrechtsstatut

Dies gilt insbesondere für die Wahl des Güterrechtsstatuts. Insofern kann ein verheirateter Erblasser nämlich ein starkes Interesse daran haben, das Erbstatut mit dem Ehegüterrechtsstatut zu koordinieren, um auf diese Weise die Anpassungsprobleme zu vermeiden, die entstehen, wenn beide Statuten unterschiedlichen Rechtsordnungen unterliegen. Das geltende deutsche IPR erlaubt den Ehegatten in Art. 1511 EGBGB eine Rechtswahl für die güterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe zu treffen. Hierfür können sie (a) das Recht des Staates, dem einer von ihnen angehört, (b) das Recht des Staates, in dem einer von ihnen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder (c) für unbewegliches Vermögen das Recht des Lageortes wählen. Zwar erlaubt die Haager Konvention keine unmittelbare Wahl des Güterrechtsstatuts. Jedoch bietet sie dem Erblasser bzw. den Eheleuten in Art. 5 und Art. 11 mehrere Möglichkeiten, eine dem Art. 1511 EGBGB entsprechende Rechtswahl - mit Ausnahme der Wahl der lex Tei sitae für unbewegliches Vermögen - auch für die Erbfolge zu treffen und somit Erb- und Güterrechtsstatut dem gleichen Recht zu unterstellen: Sollten die Ehegatten sich dazu entschließen, ihre Erbfolge in zwei einseitigen Testamenten zu regeln, so würde Art. 5 ihnen gestatten, hierfür z.B. das Heimat- oder das Aufenthaltsrecht des jeweils betroffenen Erblassers zum Wahlzeitpunkt zu wählen. Wenn auch nicht in allen, so doch aber in den meisten Fällen werden die Ehegatten entweder eine gemeinsame Staatsangehörig7 21'

Siehe hierzu oben 3. Kapitel, A.III.2.a)(3).

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

keit oder doch zumindest einen gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben. Dann könnten beide für die Erbfolge in ihren Nachlaß gemäß Art. 5 der Konvention entweder das gemeinsame Heimatrecht oder das gemeinsame Aufenthaltsrecht wählen. Eine gleichlautende Rechtswahl könnten sie gemäß Art. 1511 EGBGB für die ehegüterrechtlichen Wirkungen ihrer Ehe treffen. Damit würde das gleiche Recht für Erb- und Güterrechtsstatut beider Ehegatten gelten. Eine noch bessere Möglichkeit zur Koordination beider Statute würde Art. 11 der Konvention bieten, falls die Ehegatten sich dazu entschlössen, die gegenseitige Erbfolge in beider Nachlaß in einem Erbvertrag oder in einem gemeinschaftlichen Testament zu regeln. Denn Art. 11 erlaubt in diesem Falle, die beiderseitige Erbfolge dem Heimat- oder Aufenthaltsrecht einer der heiden Ehegatten zu unterstellen. Insoweit würde den Ehegatten für die Regelung der Erbfolge also dieselbe Verweisungsfreiheit eingeräumt wie in Art. 15 11 EGBGB für das Ehegüterrecht, so daß sie entsprechend gleichlautende Rechtswahlen vornehmen könnten. Oben wurde darauf hingewiesen, daß bereits in der IPR-Reformdiskussion verschiedentlich eine Rechtswahlmöglichkeit zugunsten des Güterrechtsstatuts gefordert worden war. 8 Der Reformgesetzgeber hatte diese Vorschläge aber abgelehnt. Die wichtigsten Gründe waren für ihn dabei, daß die Anknüpfung des Erbstatuts an ein "versteinertes Güterrechtsstatut" vermieden werden und der Schaffung aufwendiger verfahrensrechtlicher Folgeregelungen aus dem Weg gegangen werden sollte. 9 Diese Argumente sprechen jedoch nicht dagegen, dem Erblasser für die Regelung der Erbfolge eine Rechtswahl zu gestatten, die zumindest im Ergebnis an die im Güterrecht existierenden Wahlmöglichkeiten angepaßt ist. Sie können selbst insofern nicht überzeugen, als mit ihrer Hilfe eine direkte Wahlmöglichkeit zugunsten des Güterrechtsstatuts abgelehnt wurde. lo Zum einen hat sich nämlich der Reformgesetzgeber im Güterrecht selber zugunsten des Grundsatzes der Unwandelbarkeit des Güterrechtsstatuts entschieden (vgl. Art. 15 I und 11 EGBGB). Dort war er also bereit, die Nachteile einer "versteinerten" Anknüpfung 11 in Kauf zu nehmen. 12 Darüber hinaus ist nicht ersichtlich, welche besonderen verfahrensrechtlichen Anforderungen eine Wahlmöglichkeit zugunsten des Güterrechtsstatuts an die deutschen Nachlaßgerichte stellen sollte. Anscheinend hatte der Reformgesetzgeber hierbei im Sinn gehabt, daß die Nachlaßgerichte im Falle 8 Siehe oben 3. Kapitel, A.II.1.a).

9 BT-Drucks. 10/504, 74.

Vgl. auch Linde-Rudolf, 131. Zu den Vor- und Nachteilen des Grundsatzes der Unwandelbarkeit im Güterrecht siehe z.B. Kropholler, 173. 12 Ebd., 313, 316. 10

11

c. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

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der Wahl eines ausländischen Rechts überfordert sein könnten, die nach der ausländischen Lex causae vorgesehenen Verrichtungen vorzunehmen. 13 Eben diese Probleme können aber auch entstehen, wenn eine entsprechende Rechtswahl nicht zulässig ist und gemäß Art. 25 I EGBGB objektiv an ausländisches Erbrecht angeknüpft wird. 14 Der Gesetzgeber ist sich also hinsichtlich dieser beiden Argumente im Ergebnis selber nicht treu geblieben. Sie vermögen daher auch keine Einwände gegen die von dem Haager Abkommen geschaffene Möglichkeit zu liefern, die Wahl von Erbstatut und Güterrechtsstatut besser miteinander zu koordinieren. b) Errichtung von gemeinschaftlichen Testamenten oder Erbverträgen

Die Rechtswahlregelung in Art. 11 für Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente würde darüber hinaus auch erheblich zur Vereinfachung dieser Form der vertraglichen bzw. gemeinschaftlichen Erbfolgeregelung beitragen. Dies wäre zumindest für Deutschland von erheblichem Vorteil. Denn die Rechtsordnungen mehrerer Unserer Nachbarstaaten und die überwiegende Mehrzahl der Herkunftsländer hier lebender Gastarbeiter stehen Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten ablehnend gegenüber. 15 Gemischt deutsch-ausländische Ehepaare können daher diese Art letztwilliger Verfügungen nur im beschränktem Umfange benutzen. Das Ausmaß dieser Einschränkung hängt unter geltendem Recht davon ab, ob diese materiellrechtlichen Verbote den formellen oder den materiellen Gültigkeitsvoraussetzungen letztwilliger Verfügungen zuzurechnen sind. 16 Denn die als Formvorschriften zu qualiflZierenden Verbote können dadurch vermieden werden, daß das Rechtsgeschäft an einem Ort vorgenommen wird, der diese Verfügungsform erlaubt. 17 Auf diese Weise kann z.B. auch heute schon ein nieder-

13 So versteht Geimer, DNotZ 1985, Sonderheft, 113, dieses Argument des Reformgesetzgebers . 14 Ebd., 113 f. 15 Siehe den rechtsvergleichenden Überblick in Ebenroth, Rz 276 ff. zur Rechtslage in Frankreich, Luxemburg, Belgien, den Niederlanden, Spanien, Portugal, Italien und Griechenland. 16 Siehe hierzu bereits oben 3. Kapitel, B.IV.2.a). 17 Die meisten Rechtsordnungen lassen nämlich für die formelle Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung genügen, daß die Formerfordemisse des Ortes eingehalten wurden, wo die Verfügung errichtet wurde. So z.B. in Art. 1 I a) des Haager Testamentsformabkommens von 1960 und in Art. 26 I Nr. 2 EGBGB; vgl. Kegel, IPR, 656 f.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

ländisch-deutsches Ehepaar in Deutschland gemeinschaftlich testieren. 18 Dagegen sind ein Erbvertrag 19 bzw. ein gemeinschaftliches Testament20 im Falle eines als materielle Gültigkeitsvoraussetzung zu qualifizierenden Verbots unter geltendem Recht in jedem Fall nur dann wirksam, wenn die Erbstatute beider Ehegatten diese Verfügungsform zulassen. 21 Art. 11 des Haager Abkommens würde es jedoch erlauben, für die materiellen Gültigkeitsvoraussetzungen des Erbvertrags bzw. des gemeinschaftlichen Testaments das Heimat- oder Aufenthaltsrechts eines der beiden Ehegatten zu wählen. Ehepaare, bei denen ein Ehegatte deutscher Staatsangehörigkeit ist, könnten also das deutsche Erbrecht wählen, um dem Erbvertrag bzw. dem gemeinschaftlichen Testament auch in den Fällen Gültigkeit zu verleihen, wo das Heimatrecht des ausländischen Ehepartners diese Verfügungsformen aus materiellen Gründen verbietet. Gleiches wäre auch für rein ausländische Ehepaare möglich, wenn zumindest einer der beiden Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat. c) Wahl der lex rei sitae

Eine noch deutlichere Orientierung der Haager Erbrechtskonvention an den Interessen des Erblassers hätte an sich dafür gesprochen, darin auch eine kollisionsrechtliche Verweisung auf die lex rei sitoe für den Gesamtnachlaß bzw. für einzelne Teile desselben zuzulassen. 22 Infolge der Beschränkung der wählbaren Rechtsordnungen auf das Heimat- und Aufenthaltsrecht werden diese Erblasserinteressen in der Praxis nur teilweise berücksichtigt werden können. Hieran ändert auch die materiellrechtliche Verweisungsmöglichkeit in Art. 6 nur wenig. Eine gezielte Wahl des Belegenheitsrechtes für Immo18 Vgl. Kegel, ebd., 660. Allerdings tritt für den niederländischen Ehegatten dann keine Bindung hinsichtlich der gemeinschaftlichen Verfügungen ein, da das niederländische Recht als Personalstatut dieses Erblassers dies nicht erlaubt; Kegel, ebd. 19 Die Zulässigkeit der Errichtung eines Erbvertrages ist im Regelfall keine Frage der Form, sondern der materiellen Gültigkeit (Kropholler, 380). 20 Als materielle Gültigkeitsvoraussetzung wird z.B. das Verbot gemeinschaftlicher Testamente im italienischen Recht qualiftziert; vgl. OLG Frankfurt IPRax 1986, 111 = IPRspr. 1985 Nr. 116. 21 Kropholler, 380 f. Darüber hinaus bestimmt sich auch die Bindungswirkung gemeinschaftlicher Testamente in jedem Falle kumulativ nach dem Statut beider Testierenden. Ebenroth, Rz 1292. Umstritten ist dabei allerdings, ob hierfür das Errichtungs- oder das Erbstatut heranzuziehen ist; vgl. hierzu MünchKomm-Birk, Art. 26 EGBGB, Rz. 96 ff. und Staudinger-Pirsching, vor Art. 24 bis Art. 26 EGBGB, Rz. 267 ff. 22 Siehe oben 3. Kapitel, A.Iß.2.a)(3)(b).

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

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bilien, um auf diese Weise Probleme bei der Nachlaßabwicklung aus der· Kollision von Erb- und Realstatut zu vermeiden, ist unter der Haager Erbrechtskonvention nur bedingt möglich. Der Erblasser kann diesen Weg nämlich nur dann beschreiten, falls sich das unbewegliche Nachlaßvermögen entweder in seinem Heimatstaat oder seinem Aufenthaltsstaat befindet. Diese Rechtswahl hätte aber für den gesamten Nachlaß zu gelten, d.h. eine entsprechende Teilrechtswahl wäre unzulässig.

11. Schutzinteressen der Erben Insgesamt gesehen spricht die Haager Erbrechtskonvention dem Wunsch des Erblassers nach einer flexiblen Nachlaßplanung aber eine größere Bedeutung zu als das geltende deutsche Recht. Es fragt sich allerdings, ob die Haager Konvention dabei auch den Interessen der Erblasserangehörigen genügend Schutz zu bieten vermag. 1. Vorrang der zwingenden Normen des Rechts der engen persönlichen Verbundenheit des Erblassers In seinem Kern besteht der von der Haager Konvention gewählte Kompro-

miß zwischen den Erblasser- und Erbeninteressen darin, dem Erblasser nur

die Wahl solcher Rechtsordnungen zu erlauben, mit denen er als Person eng verbunden ist (Art. 5), und im übrigen auf eventuelle weitere Rechtsordnungen nur eine materielle Verweisung zuzulassen (Art. 6). Dadurch wird dem Erblasser zwar die Möglichkeit einer kollisionsrechtlichen Verweisung auf die Lex rei sitae genommen. Jedoch wird auf diese Weise im Interesse seiner Angehörigen gleichzeitig auch dagegen Vorsorge getragen, daß der Erblasser durch eine Verlagerung seines Vermögens in Drittstaaten die Angehörigenschutzvorschriften seines Heimat- oder Aufenthaltsstaates umgehen könnte. Diese Lösung stellt im Ergebnis einen angemessenen Kompromiß zwischen den Interessen beider Seiten dar. Denn zum einen verbleiben dem Erblasser unter der Haager Konvention auch so noch genügend Möglichkeiten, seine Nachlaßplanung flexibel zu gestalten. Zum anderen aber darf die Gefahr einer Beeinträchtigung der Angehörigenschutzinteressen durch eine Wahlmöglichkeit zugunsten der Lex rei sitae nicht unterschätzt werden. 23 Zwar mag die Zahl der Erblasser, die in Schädigungsabsicht bewußt eine Nachlaßbeteiligung ihrer Kinder bzw. ihres Ehegatten würden vermeiden wollen, letztlich gering sein. Gleichwohl verlangen Rang und Bedeutung der 23

Vgl. hierzu oben 3. Kapitel. A.III.2.d).

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

328

Angehörigenschutzinteressen, daß die Möglichkeiten einer mißbräuchlichen Rechtswahl so klein wie möglich gehalten werden, soweit dadurch nicht wiederum die berechtigten Bedürfnisse des Erblassers zu sehr beeinträchtigt werden. Das Mittel, welches die Delegierten der 16. Haager Konferenz gewählt haben, um dieses Ergebnis zu erreichen, ist allerdings weniger gelungen. Wie oben dargelegt24 , ist die Vorschrift des Art. 6 nämlich leider dazu angetan, unter dem betroffenen Anwenderkreis unnötige Verwirrung zu stiften und erhebliche Komplikationen bei Nachlaßplanung und -abwicklung zu verursachen. 25 Insofern würde Art. 6 ähnliche Anpassungsprobleme hervorrufen wie die Modelle einer Vorbehaltsklausel zugunsten der Erblasserangehörigen, die von verschiedenen Seiten in der deutschen IPR-Reformdiskussion vorgeschlagen worden waren. 26 Zumindest aus der Perspektive der kontinentaleuropäischen Staaten hätten die Delegierten der Raager Konferenz es daher besser dabei bewenden lassen sollen, die Wahl der Lex rei sitae schlicht und einfach auszuschließen. Angesichts der Tatsache, daß die Vorschrift des Art. 6 gleichwohl aufgenommen worden ist, um entsprechenden Bedürfnissen der Common Law Staaten entgegenzukommen, sollten Notare und Anwälte im Falle eines deutschen Beitritts ihren Mandanten in jedem Falle davon abraten, die in Art. 6 gestattete materiellrechtliche Verweisung vorzunehmen.

2. Materiellrechtliche Schutzinteressen: Vorbehalt des Art. 24 I d) Zwar kann der Erblasser unter der Konvention grundsätzlich nur sein Reimat- oder Aufenthaltsrecht wählen. Gleichwohl ist nicht ausgeschlossen, daß hierdurch die auf Erhalt einer angemesseneQ Nachlaßbeteiligung gerichteten materiellen Schutzinteressen27 der Erben beeinträchtigt werden könnten. Denn in Art. 5 und Art. 11 wird die Rechtswahl allein nach dem kollisionsrechtlichen Kriterium der engen Verbundenheit des Erblassers mit dem gewählten Recht begrenzt, nicht aber nach dem materiellrechtlichen Schutz, den die gewählte Rechtsordnung den Angehörigen gewährt. Dadurch ist es dem Erblasser grundsätzlich gestattet, im Rahmen dieser Vorschriften ein Erbstatut zu wählen, daß seinen Angehörigen eine geringere zwingende Nachlaßbeteiligung zuspricht als das gemäß Art. 3 objektiv anwendbare Recht. Dies würde von der Raager Konvention akzeptiert, weil diese es

24 25

26 27

Siehe oben 3. Kapitel, B.III.3.c). Skeptisch auch van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989),55. Siehe oben 3. Kapitel, A.II.l.a) und A.III.2.d)(4)(b). Siehe zu diesem Begriff näher oben 3. Kapitel, A.III.2.d)(2).

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

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insoweit ausreichen läßt, daß der Erblasser zum gewählten Recht eine enge persönliche Verbindung hat. Etwas anderes sieht jedoch Art. 24 I d) vor, der es gestattet, dem Abkommen unter dem Vorbehalt beizutreten, die Wahl eines ausländischen Rechts unter bestimmten Bedingungen nicht zu akzeptieren, wenn dessen Pflichtteilsrecht erheblich hinter dem zurückbleibt, was die Lex fori den Erblasserangehörigen gewährt. 28 Unter den in Art. 24 I d) genannten Voraussetzungen würde also das Pflichtteilsrecht der Lex fori als materiellrechtlicher Mindeststandard garantiert. Zwar folgt Art. 24 I d) mit dieser Bevorzugung der Lex fori im Ergebnis einer ähnlichen Tendenz wie Art. 25 11 EGBGB. Denn auch Art. 2511 EGBGB verhindert durch die Beschränkung der Rechtswahl auf das deutsche Recht, daß der Erblasser eine Rechtsordnung mit einem niedrigerem materiellrechtlichen Schutzniveau als dem deutschen ~ichtteilsrecht wählen kann. Gleichwohl wird man dem deutschen Gesetzgeber davon abraten müssen, im Falle der Ratifikation den darin gestatteten Vorbehalt zu erklären. Auf die erheblichen Probleme, die sich aus der Unbestimmtheit dieser Vorschrift ergeben, ist bereits oben hingewiesen worden. 29 Darüber hinaus ist zu bedenken, daß jede Art von Vorbehalt die rechtsvereinheitlichende Wirkung eines internationalen Abkommens vermindert und dessen Anwendung verkompliziert. Dies gilt in diesem Falle auch für die Haager Erbrechtskonvention. 30 Insoweit sollte insbesondere auch berücksichtigt werden, daß die bisherigen Stellungnahmen zu der Vorbehaltsmöglichkeit in Art. 24 I d) überwiegend ablehnender Natur waren. 31

Siehe hierzu näher oben 3. Kapitel, B.II.1.c)(2). Siehe oben 3. Kapitel, B.II.l.c)(2)(c). 30 Ebenso Waters, Explanatory Report, § 145. 31 So z.B. Lagarde, Rev.crit.dr.internat.prive 78 (1989), 262 Fn. 17; von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 146 Fn. 18; ebenso die bisherige offizielle britische Stellungnahme in United Kingdom, Consultation Paper, 5. Auch das United States Secretary of State's Advisory Committee on Private International Law hat im Ergebnis mehrheitlich davon abgeraten, diesen Vorbehalt zu erklären (so die briefliche Mitteilung vom 22. März 1993 von Scoles, Mitglied des Advisory Committee und Vertreter der U.S.A. auf der 16. Haager Konferenz, an den Verfasser). Dieser Entscheidung war eine intensive schriftliche Diskussion zu dieser Frage unter den Mitgliedern des Advisory Committee vorausgegangen (die entsprechende Korrespondenz liegt dem Verfasser vor). Unter ihnen hatte sich vor allem Bruch vehement für den Vorbehalt des Art. 24 I d) ausgesprochen; siehe Bruch, Law and Contemporary Problems 56 (1993), 309 ff., 325. Nach Auffassung dieser Autorin ist die Erklärung des Vorbehalts in Art. 24 I d) erforderlich, um eine gezielte Enterbung der Erblasserangehörigen mittels Rechtswahl zu verhindern (ebd., 324 f.). Außerdem stützt die Autorin ihre Befürwortung dieses Vorbehalts auf die inhaltlich verwandte Regelung des § 187 (2) Restatement, Second, Conflict of Laws zur Wirk28

29

330

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

Es müßte deshalb also hingenommen werden, daß die Haager Konvention zumindest die materiellrechtlichen Schutzinteressen der Erblasserangehörigen nur bedingt berücksichtigt. Dies bräuchte einer deutschen Ratiflkation des Haager Abkommens jedoch nicht entgegenzustehen. Denn es ist zu bedenken, daß klassische Kollisionsnormen den materiellrechtlichen Schutzinteressen der Angehörigen ohnehin nur beschränkten Schutz zu bieten vermögen. Solange Anknüpfungsnormen das anwendbare Recht allein nach kollisionsrechtlichen Kriterien und unabhängig von dessem materiellrechtlichen Inhalt bestimmen, kann es immer dazu kommen, daß das im konkreten Falle maßgebliche Recht den Erblasserangehörigen weniger materiellrechtlichen Schutz bietet als eine andere potentiell anwendbare Rechtsordnung. Dies gilt ebenso für die Regeln zur objektiven Anknüpfung des Erbstatuts. Daher könnte ein ausländischer Erblasser es unter dem geltenden deutschen IPR ohne weiteres bei der Anknüpfung an sein Heimatrecht belassen. Dessen Regeln zum Angehörigenschutz würden vom deutschen IPR auf jeden Fall akzeptiert und zwar selbst dann, wenn dieses für den Ehegatten oder für die Erblasserdeszendenten keinerlei zwingende Nachlaßbeteiligung vorsähe. 32 Insofern würde es den Angehörigen des Erblassers nur wenig nützen, daß dieser gemäß Art. 25 11 EGBGB auch das deutsche Erbrecht einschließlich dessen Pflichtteilsrechts hätte wählen können. Aus diesem Grunde sollte man es in Kauf nehmen, daß die Regelungen der Rechtswahl in der Haager Erbrechtskonvention die materiellrechtlichen Schutzinteressen der Erblasserangehörigen nur bedingt schützen können. Entscheidend sollte vielmehr sein, welchen Schutz sie den kollisionsrechtlichen Schutzinteressen der Angehörigen zu bieten vermögen. .

3. Kollisionsrechtliche Schutzinteressen: Vorbehalt des Art. 24 I c) a) Maßgeblicher Zeitpunkt für Vorliegen der engen Verbindung

Die kollisionsrechtlichen Schutzinteressen der Erblasserangehörigen sind darauf gerichtet, daß auf die Erbfolge ein mit der Regelung dieses Sachsamkeit einer Rechtswahl im Schuldvertragsrecht (Bruch, ebd., 319 f.; zu § 187 (2) des Second Restatement siehe ScoleslHay, 673 ff.). Befürwortend zum Vorbehalt des Art. 24 I d) hat sich außerdem die irische Law Reform Commission geäußert. Diese geht allerdings davon aus, daß der Anwendungsbereich dieser Vorschrift so klein sei, daß er im Ergebnis kaum über die Grenzen des ordre public hinausreiche. Nach ihrer Auffassung hat Art. 24 I d) daher im wesentlichen nur eine klarstellende Funktion; vgl. Ireland, Report, 104. 32 Der deutsche ordre public würde hier im Regelfall nicht eingreifen. Siehe oben 3. Kapitel, A.ffi.2.d)(2)(b) in Fn. 156.

c.

Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

331

verhalts eng verbundenes Recht Anwendung findet. 33 Die Haager Konvention trägt diesem Interesse grundsätzlich dadurch Rechnung, daß sie dem personalen Charakter des Erbrechts entsprechend nur die Wahl eines solchen Rechts erlaubt, mit dem der Erblasser als Person eng verbunden ist. Allerdings sollte diese enge Verbundenheit auch noch im Augenblick des Erblassertodes vorliegen. Denn die Frage des auf die Erbfolge anwendbaren Rechts wird im Regelfall erst zu diesem Zeitpunkt relevant. Art. 5 der Konvention gestattet jedoch auch die Wahl eines Rechts, mit dem der Erblasser lediglich im Zeitpunkt der Rechtswahl - aber nicht mehr im Moment des Todes - eine enge Verbindung besitzt. Insoweit könnten die kollisionsrechtlichen Schutzinteressen der Erben also beeinträchtigt werden. Lediglich in dem Fall, daß der beitretende Staat den Vorbehalt des Art. 24 I c) erklärt, hätten die dortigen Gerichte die Möglichkeit, eine Rechtswahl nicht anzuerkennen, falls der Erblasser im Augenblick des Todes keinerlei Beziehung mehr zu dem gewählten Recht hat und der eindeutige Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse im Forumsstaat liegt. 34 Dadurch würden die entsprechenden Interessen der Erblasserangehörigen eindeutig besser geschützt. Es stellt sich daher die Frage, ob Deutschland im Falle eines Beitritts den durch Art. 24 I c) erlaubten Vorbehalt erklären sollte. Dafür muß also abgewogen werden zwischen dem Bedürfnis des Erblassers nach größtmöglicher Planungssicherheit und dem Interesse der Angehörigen daran, daß in jedem Falle nur ein solches Recht auf die Erbfolge Anwendung findet, mit dem der Erblasser auch im Todeszeitpunkt noch eng verbunden ist. Hierfür ist zu überlegen, in welchen Fallsituationen die Regelung des Art. 24 I c) praktisch relevant werden könnte und welche Auswirkungen sie dort hätte. b) FaUbeispiele

Lagarde, einer der französischen Delegierten auf der 16. Haager Konferenz, hatte seine Befürwortung des Art. 24 I c) auf das bereits oben erwähnte FallbeispieJ35 gestützt, in welchem ein junger Manager aus beruflichen Gründen für einige Jahre nach New York geht und dort eine Rechtswahl zugunsten des New Yorker Rechts trifft. Nach dem von Lagarde gebildeten Beispiel würde dieser Manager bald darauf in seine Heimat zurückkehren und dort den Rest seines Lebens verbringen. Art. 5 würde diesem Erblasser erlauben, Zeit seines Lebens unter dem einmal gewählten New Yorker Recht zu testieren. Siehe oben 3. Kapitel, A.III.2.d)(3). Siehe oben 3. Kapitel, B.II.1.c)(1). 35 Siehe oben 3. Kapitel, B.II.1.c)(1)(b) und Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 261. 33

34

332

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

In diesem Falle erschiene die durch Art. 24 I c) vorgesehene rückwirkende Einschränkung der Rechtswahl zwar eigentlich angemessen. Denn der Erblasser hat dort auf die gesamte Länge seines Lebens gesehen nur für eine relativ kurze Zeit - und dazu noch weit vor seinem Tode - eine enge Verbindung mit dem New Yorker Recht gehabt. Jedoch ist sehr fraglich, ob es sich hierbei wirklich um ein realistisches Anwendungsbeispiel handelt. Denn es scheint wohl nicht sehr wahrscheinlich, daß sich der noch am Anfang seiner beruflichen Laufbahn stehende Erblasser bereits zu diesem frühen Zeitpunkt seines Lebens und seiner beruflichen Laufbahn Gedanken über die Regelung seiner Erbfolge machen und eine entsprechende Rechtswahl treffen würde. Zumindest wäre es wohl ebenso wahrscheinlich, daß der Erblasser, wenn er tatsächlich nach diesem befristeten Auslandsaufenthalt den gesamten Rest seines Lebens im Heimatstaat verbringen würde, die ursprüngliche Rechtswahl widerrufen und letztlich nach dem ihm sehr viel vertrauteren Heimatrecht testieren würde. Mit diesem eher theoretischen Fallbeispiel Lagardes ließe sich somit die Erklärung des Vorbehalts i.S.v. Art. 24 I c) im Ergebnis nicht überzeugend begründen. Realistischer wäre dagegen wohl der folgende FalP6: Ein wohlhabender älterer Unternehmer deutscher Staatsangehörigkeit beabsichtigt, seinen Kindern das Ptlichtteilsrecht zu entziehen. Er könnte dabei von durchaus nachvollziehbaren Motiven geleitet sein. Zum Beispiel mag er sich mit seinen Kindern völlig zerstritten haben. Oder er könnte verhindern wollen, daß seine pflichtteilsberechtigten Erben nach seinem Tode die ihnen zugedachte Erbschaft ausschlagen und - was sie unter der Voraussetzung des § 2306 I 2 BGB dürften - den Pflichtteil fordern, dessen Begleichung nur unter Liquidation oder Verkauf des Unternehmens des Erblassers möglich wäre. Dieser Erblasser verlagert deshalb seinen gewöhnlichen Aufenthalt für einige Jahre nach England, um auf diese Weise gemäß Art. 5 des Haager Abkommens englisches Erbrecht für seinen Nachlaß wählen zu können. Dieses Beispiel lenkt den Blick somit auf die Frage, ob Art. 5 dem Erblasser die Gelegenheit zu einer "Manipulation" der Anknüpfung bieten würde, d.h. einer "Umgehung" der Vorschriften zur objektiven Anknüpfung zwecks Vermeidung bestimmter Ptlichtteilsrechte. 37 Von einer solchen Manipulation 36 In Anlehnung an die von Ebenroth, Rz. 1248 und 1295 zum geltenden Recht gebildeten Beispiele. Der Autor diskutiert dort, inwieweit ein deutscher Erblasser unter dem derzeitigen Recht die Möglichkeit hätte, durch Erwerb der britischen Staatsangehörigkeit gewissermaßen eine "indirekte" Rechtswahl zugunsten englischen Rechts zu treffen, um auf diese Weise deutsches Pflichtteilsrecht abzuwählen. 37 Genaugenommen besteht die Gesetzesumgehung hier darin, daß der Erblasser den Kreis wählbaren Rechte erweitert: Gemäß Art. 5 wäre hier nämlich nur das deutsches Recht wählbar. Umgangen wird also nicht die Kollisionsnorm zur objektiven

c. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

333

bzw. Umgehung müßte man dann sprechen, wenn der Erblasser den Auslandsbezug willkürlich und allein mit der Absicht herbeiführen würde, um dadurch auf eine für ihn bequemere Rechtsordnung ausweichen zu können. 38 In dem obigen Beispiel sind diese Voraussetzungen erfüllt, da maßgebliches Motiv für den Aufenthaltswechsel allein die Vermeidung des deutschen Ptlichtteilsrechts ist. Derartige Anknüpfungsmanipulationen durch einen zeitweiligen Aufenthaltswechsel könnten durch Art. 24 I c) verhindert werden. Denn unter Art. 24 I c) wäre die Wahl englischen Rechts rückwirkend unwirksam, wenn der Erblasser bei seinem Tode mittlerweile wieder in Deutschland gelebt hätte. Zwar wäre die Regelung des Art. 24 I c) nicht zwingend notwendig, um eine solche Umgehung des deutschen Pflichtteilsrechts zu verhindern. Wie oben nämlich bereits ausgeführt wurde, erlaubt das faktenorientierte und wertende Anknüpfungskriterium des "gewöhnlichen Aufenthaltes" durchaus, Fälle einer bloß zu Umgehungszwecken vorgenommenen Aufenthaltsverlagerung herauszufiltern. 39 Dabei könnte eine genaue Würdigung des Sachverhalts ergeben, daß der Erblasser trotz der (schlichten) Aufenthaltsnahme in England tatsächlich noch so viele Bindungen mit Deutschland aufrechterhalten hat und auch noch so häufig dorthin zurückkehrt, daß sein Daseinsmittelpunkt und damit auch sein "gewöhnlicher" Aufenthalt weiterhin in Deutschland liegt. Allerdings wäre eine solche restriktive teleologische Anwendung des Anknüpfungspunktes "gewöhnlicher Aufenthalt" naturgemäß mit einigen Unsicherheiten verbunden. Daher würde die Erklärung des Vorbehaltes i.S.d. Art. 24 I c) zumindest dazu beitragen können, derartige Umgehungsversuche mit Sicherheit von vornherein auszuschließen. Bei der Frage nach dem Nutzen und Schaden der Vorbehaltsregelung des Art. 24 I c) sollte aber auch die besondere Situation der in Deutschland leben- . den Gastarbeiter berücksichtigt werden. Diese könnten gemäß Art. 5 entweder das deutsche Aufenthaltsrecht oder ihr ausländisches Heimatrecht wählen je nachdem, welchem sie sich mehr zugehörig fühlen und unter welchem sie ihre materiellrechtlichen Planungsbedürfnisse am besten verwirklichen können. In dem Fall, daß sie ihr ausländisches Heimatrecht zum Zeitpunkt der Rechtswahl gewählt haben, würde diese Wahl aber durch Art. 24 I c) zunichte gemacht, wenn sie vor ihrem Tode doch noch die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben und mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland versterben. Auf diese Weise könnte eine große Zahl von Testamenten rückwirkend Anknüpfung, sondern die Beschränkung der Rechtswahl. Siehe hierzu im einzelnen oben 3. Kapitel, A.ID.2.d)(5). 38 Vgl. Kropholler, 137 ff.; Kegel, IPR, 301 ff. Siehe hierzu im einzelnen oben 3. Kapitel, A.ID.2.d)(5). 39 Siehe oben 3. Kapitel, A.ID.2.d)(5)(a).

334

3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

unwirksam werden. 4o Es ist durchaus zweifelhaft, ob die Schutzinteressen der Angehörigen hier tatsächlich eine derart weitgehende Beeinträchtigung der Planungssicherheit des Erblassers rechtfertigen würden. c) Konsequenzen für die deutsche Ratif'lkation

Insgesamt gesehen wären die Konsequenzen der Vorbehaltsregelung des Art. 24 I c) also recht zwiespältig. Ihr Nutzen und Schaden halten sich in etwa die Waage. Entsprechend gemischt waren auch die bisherigen Reaktionen auf diese Regelung. So ist sie von Lagarde für Frankreich41 und von von Overbeck für die Schweiz42 ausdrücklich befürwortet worden. Abgelehnt wurde sie hingegen von der britischen Regierung43 und der irischen Law Reform Commission. 44 An sich würde gegen die Erklärung des Vorbehalts LS.d. Art. 24 I c) über die oben genannten Punkte hinaus auch sprechen, daß auf diese Weise die rechtsvereinheitlichende Wirkung des Abkommens beeinträchtigt würde. 45 Angesichts der Tatsache aber, daß zumindest zwei namhafte Vertreter der beiden Nachbarstaaten Frankreich und Schweiz einen solchen Vorbehalt befürworten würden, hätte dieses Argument hier etwas weniger Gewicht. Außerdem könnte diese Vorschrift durchaus eine Möglichkeit bieten, den Bedenken des IPR-Reformgesetzgebers von 1986 gegen eine Rechtswahl im Erbrecht entgegenzukommen, soweit diese sich auf die mögliche Beeinträchtigung der Interessen der Erblasserangehörigen durch eine manipulierte Aufenthaltsnahme im Ausland stützten. Dem Erblasser würde durch der Raager Konvention auch so noch ein erheblich größerer Gestaltungsspielraum für seine Nachlaßplanung gewährt als unter dem derzeit geltenden Recht. Dabei bliebe es dem deutschen Gesetzgeber unbenommen, di.e Vorbehaltserklärung jederzeit wieder zu widerrufen, sobald sich die Raager Konvention in der Praxis bewährt hat. Im Ergebnis ließe es sich demzufolge durchaus befürworten, daß Deutschland bei der Ratifikation den Vorbehalt des Art. 24 I c) erklärt, auch wenn die besseren Gründe an sich gegen die Erklärung dieses Vorbehalts sprechen würden. Siehe hierzu auch oben 3. Kapitel, B.II.l.c)(1)(b). Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 261, 275. 42 von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 146. Für die Schweiz entspräche diese Regelung außerdem z.T. dem bereits jetzt dort geltenden Recht; siehe oben 3. Kapitel, A.I. in Pn. 2. 43 United Kingdom, Consultation Paper, 5. 44 Ireland, Report, 103. 45 So Waters, Explanatory Report, § 145. 40 41

C. Bewertung der Lösung der Haager Erbrechtskonvention

335

4. Rechtswahl in Erbverträgen Für die Rechtswahl in Erbverträgen (Art. 11) sieht das Haager Abkommen hingegen keine entsprechende Vorbehaltsmöglichkeit vor46 , obwohl die Rechtswahl sich dort von vornherein nur auf das Heinlat- bzw. Aufenthaltsrecht zum Wahlzeitpunkt erstreckt. Art. 11 würde es also erlauben, ein Recht zu wählen, mit dem der Erblasser zum Todeszeitpunkt keinerlei Verbindung mehr besitzt. So ist es zumindest auf den ersten Blick nicht ausgeschlossen, daß das Ergebnis einer Rechtswahl unter Art. 11 gegen die kollisionsrechtlichen Schutzinteressen der Erblasserangehörigen verstoßen könnte. Noch größer wäre diese Gefahr, falls die Rechtswahl in einem gemeinschaftlichen Testament getroffen würde oder falls der Erbvertrag den Nachlaß zweier Erblasser beträfe. Denn in diesem. Fall müßte lediglich einer der beiden Erblasser eine enge Verbindung zum gewählten Recht besitzen. Der andere Erblasser hingegen bräuchte zum gewählten Erbstatut über die Rechtswahl hinaus keinerlei Beziehung zu haben. Allerdings ist das Risiko einer Beeinträchtigung der Angehörigeninteressen bei einer erbvertraglichen bzw. gemeinschaftlichen Verfügung grundsätzlich geringer als bei einseitigen Testamenten. Denn im Regelfall wird der Erblasser eine derartige Verfügung gemeinsam mit seinem Ehegatten und/oder mit seinen Kindern treffen. Damit sind die pflichtteilsberechtigten Angehörigen des Erblassers regelmäßig an der Entscheidung über das anwendbare Recht beteiligt. Ferner werden die materiellrechdichen Schutzinteressen derjenigen Angehörigen, die nicht am Erbvertragsschluß beteiligt gewesen sein soUten, hinreichend durch die Vorbehaltsklausel des Art. 1211 geschützt. 47 Darüber hinaus besitzt das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit des anwendbaren Rechts bei diesen gemeinschaftlichen bzw. vertraglichen Verfügungs formen ein erheblich größeres Gewicht als bei einseitigen Verfügungen. Denn dort wollen der oder die Erblasser und ihre eventuellen Vertragspartner eben gerade schon im Augenblick des Abschlusses des Erbvertrags bzw. der Errichtung der gemeinschaftlichen Verfügung Gewißheit über das anwendbare Recht und über die Regelung der Erbfolge haben. Aus diesen Gründen ist es also gerechtfertigt, daß die Haager Konvention die Parteiautonomie des Erblassers bei der erbvertraglichen Nachlaßplanung

46 Art. 24 I a) erlaubt lediglich, bei der Ratifikation einen umfassenden Vorbehalt gegen die Anwendbarkeit sämtlicher Regelungen des Abkommens zu der Anknüpfung von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten zu erklären. 47 Siehe oben 3. Kapitel, B.IV.3.

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3. Kapitel: Rechtswahl des Erblassers

großzügiger ausgestaltet hat als in Art. 5 und dafür auch keine dem Art. 24 I c) entsprechende Vorbehaltsmöglichkeit vorsieht.

III. Ergebnis Die Grundsatzentscheidung der Haager Konvention für eine - wenn auch beschränkte - Zulassung der Rechtswahl ist sehr zu begrüßen. 48 Sie steht eindeutig im Interesse von Erblassern mit internationalen Nachlässen, denen sie Rechtssicherheit für die Nachlaßplanung und Raum für die Berücksichtigung individueller Gestaltungsbedürfnisse bietet. Den Interessen des Erblassers wird die flexiblere Lösung der Haager Konvention dabei wesentlich mehr gerecht als das geltende deutsche Recht. Mit der Begrenzung der wählbaren Rechtsordnungen auf das Heimat- und Aufenthaltsrecht des Erblassers haben die Delegierten der Haager Konferenz außerdem einen ausgewogenen Kompromiß zwischen den Erblasser- und Erbeninteressen gewählt. Den Schutzinteressen der Angehörigen könnte dabei allerdings in der Weise noch mehr entgegengekommen werden, daß Deutschland der Konvention unter dem in Art. 24 I c) erlaubten Vorbehalt beigetreten würde. Erhebliche Vorteile gegenüber dem geltenden Recht bringt Art. 11 der Konvention für deutschausländische Ehepaare mit sich, die durch gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag testieren wollen. Diese Vorschrift ermöglicht außerdem deutlich besser als das geltende Recht eine sinnvolle Koordinierung der erb- und güterrechtlichen Vermögensplanung.

48 So auch die praktisch einhellige Meinung der bisherigen Stellungnahmen zur Haager Konvention; siehe z.8.: Lagarde, Rev.crit.dr.internat.prive 78 (1989), 260; Haopei Li, Recueil des Cours 224 (1990 V), 81 f.; Ireland, Report, 100; United Kingdom, Consultation Paper, 13 f.

4. Kapitel

Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung A. Anwendungsbereich der Haager Erbrechtskonvention I. Entstehungsgeschichte Eine der größten Schwierigkeiten, mit der sich die Teilnehmer der 16. Haager Konferenz auseinandersetzen mußten, bestand darin, sich auf einen einheitlichen Anwendungsbereich des Erbrechtsabkommens zu einigen. Diese Schwierigkeiten beruhten darauf, daß der Begriff des Erbstatuts ("succession ") in den Common Law Staaten inhaltlich wesentlich enger gefaßt ist als in den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen. 1 Wie bereits verschiedentlich erwähnt, unterscheiden die Common Law Staaten nämlich begrifflich streng zwischen "administration" (Nachlaßabwicklung) und "succession" bzw. "distribution" (Nachlaßverteilung). Die administration umfaßt den Erbgang und die Nachlaßabwicklung. Sie wird im Common Law gemischt verfahrens- und materiellrechtlich qualifiziert und unterliegt im Regelfall der lexjori bzw. der Lex rei sitae. 2 Der Begriff succession hingegen bezieht sich allein auf die Nachlaßverteilung, d.h. auf die Bestimmung der erbberechtigten Personen sowie der Art und Höhe ihrer Nachlaßverteilung. Die succession wird rein materiellrechtlich qualifiziert. Insoweit gilt das Domizilprinzip für das Mobiliarvermögen und die Situsregel für den Immobiliarnachlaß. In Abgrenzung zu dieser "territorialen Nachlaßspaltung" , d.h. der getrennten Anknüpfung von beweglichem und unbeweglichem Vermögen, läßt sich die

van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 49. Genaugenommen ist für die administration das Recht desjenigen Staates maßgeblich, dessen Gerichte den mit der Nachlaßabwicklung betrauten personal representative in sein Amt eingesetzt haben. Vgl. Restatement, Second, Confllct of Laws, § 316; Dicey/Morris, 12. Aufl., Rule 128. Da nach anglo-amerikanischem Verständnis aber vom Grundsatz her in jedem Staat, wo Nachlaßvermögen belegen ist, ein eigenes Abwicklungsverfahren durchgeführt wird (vgl. Scoles/Hay, 859 ff., 872 ff.), bedeutet dies in der Praxis, daß für die administration im Regelfall das jeweilige Forums- bzw. Situs recht gilt. 1

2

22 Brandi

338

4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Unterscheidung von administration und distribution als "funktionelle Nachlaßspaltung " bezeichnen. 3 Diese funktionelle Nachlaßspaltung beruht darauf, daß die Nachlaßhaftung und der Erbgang im materiellen Erbrecht des Common Law grundlegend anders geregelt sind als im kontinentaleuropäischen Recht. Denn im Common Law geht der Titel am Nachlaß nicht direkt auf die Erben, sondern zunächst auf einen gerichtlich ernannten und beaufsichtigten Erbschaftsabwickler ("personal representative") über, dessen Aufgabe es ist, die Nachlaßgegenstände zu sammeln, die Nachlaßschulden zu begleichen und schließlich den verbleibenden Rest des Nachlasses an die Erbberechtigten herauszugeben. 4 In den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen findet dagegen keine derartige gerichtlich organisierte Nachlaßabwicklung statt. Vielmehr geht der Titel am Nachlaß dort direkt auf die Erben über, die selber für die Begleichung der Nachlaßschulden verantwortlich sind und hierfür in der Regel sogar persönlich haften. Dementsprechend wird dort der gesamte Vorgang des Titelübergangs, der Nachlaßhaftung und der Nachlaßverteilung als eine Einheit angesehen, die einheitlich materiellrechtlich qualifiziert wird und den für das Erbstatut geltenden Kollisionsnormen unterliegt. 5

Begriffe nach Ferid, FS Cohn, 38. Zum englischen Recht siehe Henrich: Großbritannien, in: FeridiFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 234 ff.; zum amerikanischen Recht siehe Firsching: U.S.A., in: FeridiFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 256 ff. 5 van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 49; Waters, Explanatory Report, § 74. Eine wichtige Ausnahme ist allerdings Österreich. Dort wird seit Inkrafttreten des neuen IPR-Gesetzes vom 15.6.1978 (abgedruckt in RabelsZ 43 (1979), 375 ff.) das Erbstatut zwar grundsätzlich an das Heimatrecht des Erblassers angeknüpft. Jedoch sieht § 28 II des IPR-Gesetzes eine abweichende Anknüpfung von bestimmten Sachfragen der Nachlaßabwicklung vor, wie sie in vergleichbarer Form auch schon vor Inkrafttreten dieses Gesetzes von der österreichischen Rechtsprechung durchgeführt worden war. Der Erbschaftserwerb un~ die Nachlaßhaftung unterliegen danach immer dann einer Sonderanknüpfung an die Lex jori, wenn die österreichischen "Verlassenschaftsgerichte" für die Abwicklung des Nachlasses international zuständig sind. Deren Zuständigkeit richtet sich nach den §§ 21-25 AußStrG (Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen, Kaiserliches Patent v. 9.8.1854, abgedruckt bei FirschingIWirner, Österreich, Texte III Nr. 17, in: FeridiFirsching, Internationales Erbrecht). Das Zusammenspiel dieser Zuständigkeitsregelungen und des § 28 II IPR-Gesetz führen in der Konsequenz dazu, daß der Erbschaftserwerb und die Nachlaßhaftung bei inländischen Nachlässen ausländischer Erblasser nicht dem ausländischen Heimatrecht, sondern österreichischem Erbrecht unterliegen (siehe Berenbrok, Internationale Nachlaßabwicklung, 156; FirschinglWirner, Österreich, in FeridiFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 14, 26). Eine vergleichbare Regelung existiert in Schweden. Auch dort gilt zwar für die Nachlaßverteilung das Heimatrecht des Erblassers. Ähnlich dem österreichischem 3

4

A. Anwendungsbereich der Haager Erbrechtskonvention

339

Aufgrund dieser fundamentalen begrifflichen Unterschiede entschied man sich auf der 16. Haager Konferenz bereits in der Spezialkommission zu folgendem Vorgehen: Da realistischerweise davon ausgegangen werden mußte, daß die Common Law Staaten nicht dazu bereit sein würden, den weiten Erbstatutsbegriff des kontinentaleuropäischen Rechts zu übernehmen, mußte der zwingende Anwendungsbereich der Konvention auf den kleinsten gemeinsamen Nenner beider Rechtssysteme, d.h. auf die Nachlaßverteilung (succession bzw. distribution) beschränkt werden. Allerdings sollte den kontinentaleuropäischen Staaten die Möglichkeit gewährt werden, die Regeln der Konvention auch auf alle übrigen Sachfragen anzuwenden, die nach ihrem Verständnis zum Regelungsbereich des Erbstatuts gehören. 6 Es wurde daraufhin in Art. 7 11 eine Liste aufgestellt, die im einzelnen diejenigen Materien aufzählt, welche zwingend von der Konvention erfaßt werden. Dies ist der "Kernbereich " der Haager Erbrechtskonvention. 7 Die verbleibenden Sachbereiche fallen dagegen gemäß Art. 7 III in eine "Grauzone"8, innerhalb derer die Anwendung der Konvention freiwillig ist. Die Zweite Kommission übernahm schließlich diese Regelung und fügte lediglich einige redaktionelle Änderungen hinzu. 9 Im folgenden sollen die Einzelvorschriften des Art. 7 11 und III etwas detaillierter vorgestellt werden.

Recht unterstellt jedoch auch das schwedische IPR eine in Schweden durchgeführte Nachlaßabwicklung bei ausländischen Erblassern der schwedischen lex/ori, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz in Schweden hatte oder wenn sich Nachlaßgegenstände im Inland befmden; siehe Kap. I und 11 des Gesetzes vom 5. März 1937 (Nr. 81), betreffend internationale Rechtsverhältnisse in Nachlaßsachen; abgedruckt in Carsten, Schweden Texte Nr.4, in: PeridlPirsching, Internationales Erbrecht; siehe auch Berenbrok, 157 f.; Perid, Recueil des Cours 142 (1974 In, 162. 6 van Loon, a.a.O., 50; "Conclusions of the Special Commission of November 1986 on the law applicable to decedents' estates ", Preliminary Document No 4 of December 1986, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 2, 191; "Some suggestions as to the possible scope of application ofthe Convention. Note drawn up by the Permanent Bureau", Preliminary Document No 8 of Pebruary 1987, a.a.O., 207, 209. 7 van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 55: "hard core of the convention"; Waters, Explanatory Report, § 74: "core matters of the convention". 8 Waters, ebd.: "grey area"; von Overbeck, SchwJblntR XLVI (1989), 148: "zone grise". 9 Waters, ebd. 22'

340

4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

11. Regelung des Art. 7 11 und 111 1. Erbberechtigte Personen, Art und Größe der Nachlaßbeteiligung, testamentarische Auflagen (Art. 7 11 a» Die zentrale Vorschrift für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Abkommens ist in Art. 7 11 a) enthalten. Danach gilt die Konvention zwingend für "die Berufung der Erben und Vermächtnisnehmer, die Bestimmung der jeweiligen Anteile dieser Personen, die ihnen vom Erblasser auferlegten Pflichten sowie sonstige Rechte auf den Nachlaß, die mit dem Tod entstanden sind, einschließlich Zuteilungen aus dem Nachlaß durch ein Gericht oder eine andere Behörde zugunsten von dem Erblasser nahestehenden Personen" .10

Zusammengefaßt gilt Art. 711 a) demnach für die Frage, wer am Nachlaß beteiligt ist, die Art und Größe der Nachlaßbeteiligung dieser Personen und die Bedingungen, unter denen sie diese erhalten. ll In anderen Worten gesagt, gilt die Konvention damit vor allem für die Bestimmung der testamentarischen Erben und Vermächtnisnehmer, der gesetzlichen Erben, der Pflichtteilsberechtigten und Noterben, den Umfang ihrer Nachlaßbeteiligung sowie den Inhalt und die Wirkung etwaiger testamentarischer Auflagen. 12 Mit dem Begriff "Zuteilungen aus dem Nachlaß durch ein Gericht oder eine andere Behörde zugunsten von dem Erblasser nahestehenden Personen" 13 soll die Haager Konvention nach dem Willen ihrer Verfasser darüber hinaus 10 Deutscher Text aus Übersetzung der Schlußakte der XVI. Tagung der Haager Konferenz vom Bundesjustizministerium. Der englische authentische Text lautet: "the determination of the heirs, devisees and legatees, the respective shares of those persons and the obligations imposed upon them by the deceased, as weil as other succession rights arising by reason of death ineluding provision by a court or other authority out of the estate of the deceased in favour of persons e10se to the deceased;" Der französische authentische Text lautet: "la vocation des heritiers et legataires, la determination des parts respectives de ces personnes, les charges qui leur sont imposees par le defunt, ainsi que les autres droits sur la succession trouvant leur source dans le deces, y compris les attributions prelev6es sur la succession par une autorite jUdiciaire ou par une autre autorite au profit de personnes proches du defunt;" 11 Waters, Explanatory Report, § 76. 12 Ebd. 13 "Provision by a court or other authority out of the estate of the deceased in favour of persons e10se to the deceased" bzw. "attributions prelevees sur la succession par une auto rite judiciaire ou par une autre auto rite au profit de personnes proches du defunt" im englischen bzw. französischen Originaltext.

A. Anwendungsbereich der Haager Erbrechtskonvention

341

auch die Regelungen der sogenannten "family provisions" erfassen, die in vielen Common Law Staaten die einzige Form der zwingenden Nachlaßbeteiligung darstellen. 14 Hierbei handelt es sich um unterhaltsähnliche Zahlungen zugunsten des überlebenden Ehegatten oder der Kinder des Erblassers aus Mitteln des Nachlasses, die vom Gericht auf Antrag angeordnet werden können, wenn es zu der Überzeugung gelangt, daß für den Unterhalt dieser Personen nicht ausreichend Sorge getragen ist.l s Gerichte anderer Vertragsstaaten könnten sich demnach bei Inkrafttreten der Konvention u. U. erstmalig der Situation ausgesetzt sehen, diese - für sie in der Regel wohl ungewohnten -family provision Vorschriften anwenden zu müssen. 16 Daß die jamily provisions dem zwingenden Anwendungsbereich der Konvention unterworfen wurden, war allerdings nicht selbstverständlich. Denn diese Ansprüche entsprechen zwar von ihrer Funktion her gesehen durchaus den Pflichtteilsansprüchen und Noterbrechten der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen bzw. dem forced share des amerikanischen 14 Waters, Explanatory Report, § 76; van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 56. 15 Vgl. hierzu die Bestimmungen des Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975, abgedruckt in Henrich, Großbritannien Texte Nr. 17, in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht; siehe hierzu auch Henrich, Großbritannien, in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 229 ff.; Ebenroth, Rz. 1005; Neumayer, 676 ff. 16 van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 56. Gleichwohl werden diese Fälle im Ergebnis wahrscheinlich seltener auftreten, als es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn die materiellrechtlichen Voraussetzungen der /amily provision Ansprüche schließen häufig aus, daß ein ausländisches Gericht sich ihrer bedienen könnte. So verlangt z.B. der englische Inheritance (Provision for Family and Dependants) Act 1975 für die Gewährung entsprechender Unterhaltszahlungen ausdrücklich, daß der Erblasser mit domicile in England oder Wales verstorben sein muß (J.G. Miller, I.C.L.Q. 39 (1990), 275; siehe ebd., 269 ff. auch zur Rechtslage in denjenigen Common Law Staaten, in denen der internationale Anwendungsbereich der /amily provision Vorschriften bisher keine ausdrückliche gesetzliche Regelung erfahren hat). Käme das Gericht eines anderen Vertragsstaates also deshalb zur Anwendung englischen Erbrechts, weil der Erblasser gemäß Art. 5 der Konvention englisches Recht gewählt hatte, während sein domicile sich aber in einem anderen Staat befand, dann wären die englischen/amily provision Vorschriften zumindest nach dem Wortlaut des Gesetzes nicht anwendbar. Das gleiche würde z.B. für den Fall gelten, daß das englische Recht gemäß Art. 3 11 der Konvention aufgrund eines mehr als fünfjährigen gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers in England anwendbar wäre, während dessen domicile %rigin sich noch in dem Vertrags staat befand. Es ist deshalb bereits in einigen britischen Stellungnahmen zur Haager Konvention gefordert worden, die maßgeblichen Vorschriften des Inheritance Act 1975 für den Fall eines Beitritts Englands zur Haager Erbrechtskonvention entsprechend anzupassen, um auch diese Fallkonstellationen zu erfassen (ebd., 286; United Kingdom, Consultation Paper, 6).

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Rechts. 17 Gleichwohl müssten diese Ansprüche nicht notwendigerweise erbrechtlich qualifiziert werden. Gegen eine erbrechtliche Qualifikation ließe sich nämlich zum Beispiel einwenden, daß Anspruchsentstehung und Anspruchshöhe bei den family provisions - anders als bei Pflichtteilen und Noterbrechten - nicht sofort mit Eintritt des Erbfalles feststehen, sondern auf einer Ermessensentscheidung des zuständigen Gerichts beruhen. Darüber hinaus orientiert sich die Höhe der family provision u.a. an dem Unterhaltsbedarf der betroffenen Person. 18 Daher wäre theoretisch durchaus auch eine unterhaltsrechtliche Qualifikation dieser Ansprüche denkbar. 19 Zumindest aber für die Anwendung der Haager Erbrechtskonvention sind derartige Zweifel, wie die family provision Ansprüche qualifiziert werden sollten, aufgrund des eindeutigen Wortlauts von Art. 711 a) nicht mehr angebracht. Denn danach gelten die Anknüpfungsregeln der Konvention eindeutig auch für diese Ansprüche. Dagegen soll der Begriff "Zuteilungen aus dem Nachlaß durch ein Gericht oder eine andere Behörde" nicht die verschiedentlich im Recht der amerikanischen Bundesstaaten anzutreffenden Ansprüche auf "family allowance" erfassen. 20 Hierbei handelt es sich zwar grundsätzlich um eine vergleichbare Art von Unterhaltszahlungen aus dem Nachlaß, die dem überlebenden Ehegatten und den (minderjährigen) Kindern vom Nachlaßgericht auf Antrag gewährt werden können. 21 Jedoch besteht ein solcher Unterhaltsanspruch auf family allowance nur für einen begrenzten Zeitraum und zwar meist nur für die Dauer der Nachlaßabwicklung. Wesentlicher Zweck dieser Regelungen ist es demnach, zu vermeiden, daß die überlebenden Familienmitglieder in der Zeit Vgl. Waters, Explanatory Report, § 76; J.G. Miller, I.C.L.Q. 39 (1990), 261. Henrich, Großbritannien, in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 231; Neumayer, 676 ff.; van Loon, Hague Yearbook of International Law 2 (1989), 56. 19 Siehe ausführlich zur Qualifikation des mit denfamily provisions eng verwandten Anspruchs auf dependants ' relief im Recht der kanadischen Bundesstaaten: Hering, 148 - 166. Hering lehnt dort eine unterhaltsrechtliche Qualifikation dieses Rechtsinstituts ab. Allerdings befürwortet er auch nicht in jedem Falle eine erbrechtliche Einordnung. Vielmehr schlägt der Autor vor, den dependants' relief angesichts der vielfältigen Funktionen, die dieser Anspruch im kanadischen Recht erfüllt, anband einer Typenbildung jeweils für charakteristische Anwendungsfällen unterschiedlich zu qualifIZieren. Dabei gelangt er allerdings für die Mehrzahl der Fälle gleichwohl zu einer erbrechtlichen Qualifikation (ebd., 162 - 166). Zu den prozessualen Problemen, welche die Anwendung der family provision bzw. dependants ' relief Vorschriften im deutschen Zivilprozeßverfahren bereiten kann, siehe ebd., 169 - 176. 20 Waters, Waters, Explanatory Report, § 76. 21 Vgl. McGovernlKurtz/Rein, 102 ff.; Scoles, U. Fla. L. Rev. 8 (1955), 151 ff.; Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning, 379 ff.; siehe hierzu bereits oben 3. Kapitel, A.III.2.d)(2)(a), Fn. 144 17 18

A. Anwendungsbereich der Haager Erbrechtskonvention

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unmittelbar nach dem Tod des Erblassers in eine wirtschaftliche Notlage geraten. 22 Demzufolge wird die jamily allowance im Recht der amerikanischen Bundesstaaten einheitlich dem Sachbereich der administration und nicht dem der distribution bzw. succession zugeordnet. 23 Hierin ist demnach wohl auch der Grund dafür zu sehen, warum diese Ansprüche nach dem Willen der Konferenzteilnehmer nicht in den zwingenden Anwendungsbereich der Haager Erbrechtskonvention fallen sollen. Vergleichbare Abgrenzungen zwischen mehr erbrechtlich orientierten Ansprüchen und solchen Ansprüchen, die sich auf die Gewährung von Unterhalt während der Dauer der Nachlaßabwicklung beziehen, könnten unter den Haager Konvention u. U. auch im Hinblick auf das deutsche Recht erforderlich werden. So dürfte der infolge der Verweisung in § 1932 11 BGB überwiegend als gesetzliches Vorausvermächtnis charakterisierte24 Ehegattenvoraus (§ 1932 BGB) zwar ohne Zweifel unter Art. 711 a) fallen. Fraglicher ist dies jedoch beim sog. "Dreißigsten" (§ 1969 BGB). Dieser Anspruch richtet sich nämlich nur auf die Gewährung von Unterhalt und die Gestattung der Benutzung von Wohnung und Haushaltsgegenständen während eines befristeten Zeitraumes nach dem Tode des Erblassers. Gleichwohl wird man annehmen können, daß auch der "Dreißigste" von Art. 711 a) erfaßt wird. Denn hinsichtlich seiner rechtstechnischen Ausgestaltung verweist das Gesetz (vgl. § 1969 11 BGB) ebenso wie beim Ehegattenvoraus auf die Regeln des Vermächtnisrechts im BGB, so daß man ihn für den Zweck der Anwendung der Haager Erbrechtskonvention ebenfalls dem Bereich der succession zurechnen sollte.

2. Enterbung und Erbunwürdigkeit (Art. 711 b» Laut Art. 7 11 b) gilt die Konvention ferner für Fragen der Enterbung und der Erbunwürdigkeit. 25 Genau genommen scheint hiermit allerdings nur letzteres, d.h. die Gründe für die Erbunwürdigkeit eines an sich Erbberechtigten, gemeint zu sein. 26 Die Enterbung durch den Erblasser fällt nämlich eigentlich bereits unter Art. 711 a). Allerdings erfaßt Art. 711 b) nicht solche HindeScoles/Hay, 898. Scoles/Hay, 823, 898; Schoenblum, Multistate and Multinational Estate Planning,384. 24 Vgl. BGHZ 73,29,33; MünchKomm-Leipold, § 1932 BGB, Rz. 15. 2S Der authentische englische Text lautet: "disinheritance and disqualification of conduct". Die entsprechende französische Fassung heißt: "I'exMrMation et l'indignit6 successorale" . 26 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 77. 22 23

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

rungsgründe für die Erbenberufung, die auf eigenen Handlungen des Erben beruhen, wie z.B. die Ausschlagung der Erbschaft sowie den Erbverzicht. 27 Der Grund dafür ist, daß diese Fragen in vielen Rechtsordnungen zum Regelungskomplex der Nachlaßabwicklung gerechnet werden und somit nach der Grundkonzeption des Art. 7 11 und III nicht in den zwingenden Anwendungsbereich des Abkommens fallen. 28 Jedoch wird auf diese Weise nur der Akt der Ausschlagung selber vom Kembereich des Abkommens ausgeschlossen. Die Rückwirkungen einer solchen Handlung auf die Höhe der Erbanteile der übrigen Erben fällt jedoch unter Art. 7 11 a).29 3. Ausgleichungspfliehten für Vorempfänge (Art. 7

n e»

Zwar regelt die Konvention nicht die Rechtsverhältnisse innerhalb von Miterbengemeinschaften und deren Auseinandersetzung, da diese Fragen an sich zum Regelungskomplex der Nachlaßabwicklung gehören. Jedoch erfaßt Art. 711 c)30 einen Teilbereich dieser Materie, der zumindest im deutschen Recht gesetzessystematisch zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft zu rechnen ist, nämlich die Ausgleichungspflichten unter Miterben für unentgeltliche Vorempflinge vom Erblasser (vgl. §§ 2050 ff. BGB).31 Zweifelhaft ist allerdings, ob Art. 711 c) nur für die Anrechnung von Vorempfangen gilt, die der Erbberechtigte bereits zu Lebzeiten des Erblassers empfangen hatte, oder ob auch die Anrechnungspflichten für Einzelgegenstände erfaßt sein sollen, die der Erblasser dem Erbberechtigten im Wege einer testamentarischen Verfügung hat zusätzlich zukommen lassen. Für das deutsche Recht stellt sich also die Frage, ob auch die Abgrenzung von Teilungsanordnungen (§ 2048 BGB) und Vorausvermächtnissen (§ 2150 BGB) und deren FOlgen32 in den zwingenden Regelungsbereich der Konvention fallen würden. Die 27

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Art. 7 11 c) lautet in der deutschen Übersetzung der Schlußakte der XVI. Tagung der Haager Konferenz vom Bundesjustizministerium: "der Ausgleich und die Kürzung der unentgeltlichen Zuwendungen sowie deren Berücksichtigung bei der Berechnung der Anteile der Erben oder Vermächtnisnehmer". Der englische authentische Text lautet: "any obligation to restore or account for gifts, advancements or legacies when determining the shares of heirs, devisees or legatees" . Die französische Fassung heißt: "le rapport et la reduction des liberalites ainsi que leur prise en compte dans le calcul des parts hereditaires". 31 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 78. 32 Vgl. hierzu z.B. Ebenroth, Rz. 793 m.w.N. 30

A. Anwendungsbereich der Haager Erbrechtskonvention

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deutsche Übersetzung von Art. 711 c) spricht nämlich insoweit ungenau von "unentgeltlichen Zuwendungen" und läßt damit offen, ob nur lebzeitige oder auch testamentarische Zuwendungen gemeint sind. Der in der französischen Fassung des Art. 711 c) gewählte Begriff "liberalites" umfaßt jedoch auch entsprechende Zuwendungen von Todes wegen. 33 Noch eindeutiger ist der englische Text, der von "gifts, advancements or legacies" spricht und damit zweifellos auch die Anrechnung von Vorausvermächtnissen miteinbezieht. Im letzteren Sinne scheint schließlich auch der Berichterstatter Waters diese Vorschrift zu interpretieren. 34 4. Einschränkungen der Testierfreiheit (Art. 7 n d» Gemäß Art. 711 d) unterliegt der Konvention außerdem "der frei verfügbare Teil des Nachlasses, die Pflichtteile und andere Beschränkungen der Freiheit zur Verfügung von Todes wegen". 35 Der Anwendungsbereich von Art. 7 11 d) überschneidet sich daher zum Teil mit dem des Art. 7 11 a) und zwar insoweit, als es um die Regelungen zur zwingenden Nachlaßbeteiligung geht. Dabei bezieht sich Art. 7 11 a) allerdings mehr auf die Ausgestaltung der erbrechtlichen Stellung des jeweiligen Ptlichtteils- bzw. Noterbberechtigten. Art. 7 11 d) hingegen wählt die Perspektive des Erblassers und betrifft die Frage, inwieweit durch die Regelungen zur zwingenden Nachlaßeinheit der verfügbare Teil des Nachlasses eingeschränkt ist. S. Materielle Gültigkeit letztwilliger Verfügungen (Art. 7 n e» Art. 711 e) bezieht schließlich auch die materiellen Gültigkeitsvoraussetzungen letztwilliger Verfügungen in den zwingenden Regelungsbereich der Konvention mit ein. Diese müssten allerdings im jeweiligen Einzelfall sowohl von den formellen Gültigkeitsvoraussetzungen als auch von den Regelungen zur Testierfähigkeit abgegrenzt werden. Die Abgrenzung ist wichtig, da die Testierfähigkeit und die formelle Wirksamkeit letztwilliger Verfügungen 33 Vgl. DoucetiFleck, Wörterbuch der Rechts- und Wirtschaftssprache, Teil 1 Französisch-Deutsch, München 1988, Stichwort "liberalite". 34 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 78. 35 So die Übersetzung der Schlußakte der XVI. Tagung der Haager Konferenz vom Bundesjustizministerium. Der entsprechende authentische englische Text heißt: "the disposable part of the estate, indefeasible interests' and other restrictions on dispositions of property upon death".Der französische Text lautet: "la quotite disponible. les reserves et les autres restrictions a la liberte de disposer a cause de mort".

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

gemäß Art. lIla) und b) ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Konvention ausgenommen wurden. 36 Daraus muß geschlossen werden, daß diese Materien nicht einmal in die "Grauzone" des Art. 7 III fallen und daher von einem Vertragsstaat auch nicht auf freiwilliger Basis den Kollisionsnormen der Konvention unterstellt werden dürfen. 37 Die Haager Erbrechtskonvention überläßt es dabei den Gerichten der Mitgliedsstaaten zu entscheiden, welche Sachfragen jeweils den Bereichen der materiellen und formellen Gültigkeitsvoraussetzungen und welche der Testierfähigkeit zuzurechnen sind. 38 Ein deutsches Gericht hätte für diese QualifIkation grundSätzlich von den Systembegriffen der deutschen Lex fori auszugehen. Aufgrund der rechtsvereinheitlichenden Funktion der Haager Erbrechtskonvention müßte es sich zugleich aber auch an dem Gebot der abkommensautonomen bzw. rechtsvergleichenden Qualifikation orientieren. 39 6. "Grauzone" des Art. 7 m Die übrigen in Art. 7 11 nicht genannten Materien des Erbrechts - außer der formellen Gültigkeit letztwilliger Verfügungen und der Testierfähigkeit (vgl. Art. lIla) und b» - fallen in die "Grauzone" des Art. 7 III. Aus der Sicht des deutschen Erbrechts gehören hierzu insbesondere die Annahme und Ausschlagung der Erbschaft, die Testamentsvollstreckung, die Regelungen betreffend der Miterbengemeinschaft (mit Ausnahme der Ausgleichspflichten), die Nachlaßhaftung, der Erbschaftsanspruch, der Erbschein und der Erbschaftskauf. Im Hinblick auf diese Materien ist die Anwendung der Konvention also in das freie Belieben der Mitgliedsstaaten gestellt. Würde sich ein Vertragsstaat für eine Anwendung der Konvention auf diese Materien ent-

36 Die formelle Gültigkeit letztwilliger Verfügungen wurde in die Erbrechtskonvention deshalb nicht miteinbezogen, da zu dieser Materie bereits eine Haager Konvention existiert, nämlich die Haager Konvention von 1961 über das internationale Privatrecht der Form testamentarischer Verfügungen. Diese ist rur die BRD seit dem 1.1.1961 in Kraft (vgl. Kegel, IPR, 148 und 656 ff.). Dagegen geschah der Ausschluß der Testierfabigkeit allein aus dem Grunde, daß die Delegierten sich nicht in der Lage sahen, diese in einer rur alle Teilnehmerstaaten akzeptablen Weise von der allgemeinen Geschäftsfabigkeit abzugrenzen (van Loon, Hague Yearbook ofInternational Law 2 (1989), 51). 37 Vgl. Waters, Explanatory Report, § 74 a.E.; ebenso anscheinend Lagarde, Rev. crit. dr. internat. prive 78 (1989), 263; a.A. von Overbeck, SchwJbIntR XLVI (1989), 143. 38 Waters, Explanatory Report, § 41 und § 43. 39 Vgl. hierzu allgemein Kropholler, 104.

A. Anwendungsbereich der Haager Erbrechtskonvention

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scheiden, hätte dies keinerlei verpflichtende Wirkung für die übrigen Vertragsstaaten. 40 Darüber hinaus fällt auch die Testamentsauslegung in die Grauzone des Art. 7 III, obgleich es sich hierbei eigentlich unstreitig um eine Frage der Nachlaßverteilung bzw. der succession im Sinne des anglo-amerikanischen Rechts handelt. 41 Während der Sitzungen der Spezialkommission und der Zweiten Kommission war intensiv diskutiert worden, wie hinsichtlich der Anknüpfung der Testamentsauslegung vorgegangen werden sollte. Alle drei Optionen - d.h. Einfügung in den Kembereich des Art. 711, völliger Ausschluß aus der Konvention gemäß Art. 1 11 oder Behandlung als Teil der Grauzone LS.d. Art. 7 III - waren zwischenzeitlich in Erwägung gezogen worden. 42 Zwar wünschten die Vertreter beider Rechtssysteme eigentlich mehrheitlich, daß die Testamentsauslegung mit in die Liste des Art. 7 11 aufgenommen würde. Jedoch konnte aufgrund der erheblichen begrifflichen Unterschiede und der divergierenden Anknüpfungsregeln im Common Law und im kontinentaleuropäischen Recht4 3 hierüber im Ergebnis keine Einigung erzielt werden. Daher entschied man letztlich, daß am besten jedem Mitgliedsstaat selber die Entscheidung darüber überlassen werden sollte, ob er die Regeln der Konvention auf die Testamentsauslegung anwendet oder nicht. Dementsprechend wurde dieser Sachbereich der Grauzone des Art. 7 III zugewiesen. 44 Waters. Explanatory Report, § 74. Ebd., § 81. 42 Ebd. 43 Im deutschen Recht unterliegt die Auslegung letztwilliger Verfügungen dem Personalstatut des Erblassers zum Todeszeitpunkt; vgl. Ebenroth. Rz 1293;· BayObLG Rspfleger 1988, 366. In den Common Law Staaten dagegen wird die Testamentsauslegung mehrheitlich an das Recht des Erblasserdomizils zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung angeknüpft. Siehe für das englische Recht: Dicey/Morris, 11. Aufl., 1022 - 1024; Cheshire/North, 11. Aufl., 852. Im amerikanischen Kollisionsrecht ist dies allerdings sehr strittig. Einen Überblick über den früheren Meinungsstand bietet Firsching: U .S.A., in: FeridlFirsching. Internationales Erbrecht. Rz: 39k - 391. Für die Anwendung des Domizilrechts heute z.B.: Restatement, Second. Conflict of Laws, § 240 Comment f; ScoleslHay, 810 f. (so jedenfalls bei Fragen, die lediglich für das Verhältnis der Erbberechtigten untereinander relevant sind; ansonsten, falls auch Dritte - wie z.B. Nachlaßgläubiger - betroffen sind, sollen zumindest für Immobilien die Auslegungsregeln des Situsrechts gelten.); vgl. auch Beauchamp v. Beauchamp, 574 So.2d 18 (Miss. 1990). Dagegen in jedem Fall für die Anwendung des Situsrechts. soweit Immobiliarvermögen betroffen: Babb v. Rand, 345 A.2d 495 (Me. 1975); In re Good's Will, 106 N.E.2d 36 (N.Y. 1952). Einen interest-analysisAnsatz wiederum befürworten Schoenblum. Multistate and Multinational Estate Planning. 429. und Weintraub. 447. 44 Waters. Explanatory Report, § 74. 40

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Im Falle eines Beitritt Deutschlands würde es sich jedoch für die deutschen Gerichte sicherlich empfehlen, die Anknüpfungsregeln der Konvention auch auf die Testamentsauslegung anzuwenden. Denn sonst könnten u. U. sachlich zusammengehörende Fragen auseinander gerissen werden. Außerdem wären womöglich schwierige Anpassungsprobleme zu erwarten. So ist z.B. oben darauf hingewiesen worden, daß die Abgrenzung von Teilungsanordnungen und Vorausvermächtnissen im Sinne des deutschen Erbrechts und die Folgen dieser Abgrenzung für die Verteilung des Nachlasses gemäß Art. 7 11 c) in den zwingenden Anwendungsbereich der Konvention fallen würde. Streng genommen aber handelt es sich bei der Frage der Abgrenzung von Teilungsanordnungen und Vorausvermächtnissen um einen Problem der Testamentsauslegung . Insoweit wäre die Anwendung der Konvention daher an sich nur freiwillig. Lediglich die bei einem entsprechenden Auslegungsergebnis resultierende Anrechnungspflicht würde gemäß Art. 7 11 c) unter den zwingenden Anwendungsbereich des Abkommens fallen. Es würde jedoch nur wenig Sinn machen, die Frage der Testamentsauslegung und die eventuelle Anrechnungspflicht sachlich voneinander zu trennen und an unterschiedliche Rechtsordnungen anzuknüpfen.

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland I. Problemeinführung In den vorangegangenen drei Kapiteln wurde die Haager Erbrechtskonvention schwerpunktmäßig unter dem Aspekt untersucht und bewertet, welche Vor- und Nachteile sie für die Anknüpfung der Nachlaßverteilung mit sich brächte. Insoweit wurde ein Beitritt Deutschlands an sich bereits im wesentlichen befürwortet. Offengelassen wurde dabei jedoch noch, welche Konsequenzen aus einem deutschen Beitritt für die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung erwachsen würden. Wie oben dargelegt, ist die Haager Konvention insofern nicht zwingend anwendbar. Es käme allenfalls in Frage, daß Deutschland diese Punkte gemäß Art. 7 III freiwillig in den Anwendungsbereich des Abkommens einbeziehen würde, ohne daß dies jedoch irgendeine verpflichtende Wirkung für die übrigen Mitgliedstaaten hätte. Der deutsche Gesetzgeber müßte sich demnach entscheiden, ob er die Kollisionsnormen des Abkommens im Falle eines Beitritts nur für den engen Bereich der Nachlaßverteilung LS.d. Art. 711 einführen will oder ob er den deutschen Gerichten erlauben soll, das Abkommen auf alle Materien des Erbstatuts im Sinne des deutschen Rechts anzuwenden. Kurz gesagt, muß der deutsche Gesetzgeber also zwischen einer engen oder einer weiten Anwendung der Haager Erbrechtskonvention wählen.

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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Die Antwort auf diese Frage hängt hauptsächlich davon ab, ob und inwieweit das Abkommen in der einen oder anderen Form der Anwendung auch für die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung eine Verbesserung gegenüber dem derzeit geltenden Staatsangehörigkeitsprinzip mit sich brächte. Dieser Frage soll im folgenden nachgegangen werden. Hierfür ist zunächst eine kurze Übersicht über diejenigen Probleme zu geben, mit denen sich die Praxis derzeit bei der Abwicklung von Nachlässen in Erbfällen mit Auslandsberührung vorrangig konfrontiert sieht. Daran anschließend ist zu untersuchen, welche Auswirkungen insoweit eine enge bzw. eine weite Anwendung der Haager Konvention hätte. Insofern soll zum einen analysiert werden, ob und inwieweit diese Konsequenzen grundsätzlich für oder gegen einen deutschen Abkommensbeitritt sprächen. Zum anderen ist dabei zu prüfen, ob - im Falle eines deutschen Beitrittes - der engen oder der weiten Abkommensanwendung der Vorzug gewährt werden sollte.

11. Weite oder enge Anwendung der Haager Erbrechtskonvention? 1. Probleme der internationalen Nachlaßabwicklung im geltenden Recht Allgemein läßt sich die "Nachlaßabwicklung" als der Vorgang bezeichnen, der die Werte, welche durch den Tod ihres Rechtsträgers nicht mehr am Rechtsverkehr teilhaben, an die Rechtsnachfolger des verstorbenen Rechtsträgers überleiten soll.l Dieser Vorgang obliegt im deutschen Erbrecht ebenso wie in den meisten anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen, aber anders als im anglo-amerikanischen Recht - vom Grundsatz her nicht den Nachlaßgerichten, sondern den beteiligten Privatpersonen. Gleichwohl ist auch im deutschen Erbrecht für die Durchführung verschiedener Abwick-' lungsmaßnahmen die Mitwirkung der Nachlaßgerichte und anderer staatlicher Stellen erforderlich. Dies sind z.B. die Erteilung eines Erbscheines, die Eröffnung von Testamenten, das Einsetzen eines Testamentsvollstreckers und die Bestellung eines Nachlaßpflegers. Überhaupt ist der Vorgang der "Nachlaßabwicklung" als solcher wesentlich stärker von einer wie auch immer gearteten Einschaltung staatlicher Stellen geprägt als derjenige der "Nachlaßverteilung" im engeren Sinne. 2 Aus diesem Grunde sind die Schwierigkeiten, mit denen sich die deutsche Praxis im Rahmen der Abwicklung internationaler Nachlässe unter dem gelFerid, FS Cohn, 32. Ähnlich Ferid, ebd. Siehe allgemein zur Mitwirkung staatlicher Stellen im Rahmen der Nachlaßabwicklung im deutschen Erbrecht auch Ebenroth, Rz 1072 1077. 1

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

tenden Recht konfrontiert sieht, nicht allein kollisionsrechtlicher, sondern auch verfahrensrechtlicher Natur. Hierbei handelt es sich vorrangig um die beiden folgenden Problemkreise: (a) die Erschwerung des Rechtsschutzes für inländische Erben eines Ausländernachlasses als Folge einer restriktiven Zuständigkeitsregelung für die deutschen Nachlaßgerichte; sowie (b) die sich aus dem Konflikt ausländischen Erbrechts mit deutschem Nachlaßverfahrensrecht ergebenden Anpassungsschwierigkeiten. Ein dritter Aspekt bereitet unter dem derzeitigen Recht dagegen zwar grundsätzlich geringere Probleme, könnte aber gleichfalls noch verbessert werden. Hierbei handelt es sich um die Herstellung eines internationalen Entscheidungseinklangs mit den Nachlaßabwicklungsmaßnahmen ausländischer Gerichte. Diese drei Punkte sind im folgenden näher zu betrachten. a) Rechtsschutzerschwerung bei Abwicklung von Nachlässen ausländischer Erblasser (1) Gleichlaujtheorie

Trotz wiederholter Forderungen des Schrifttums3 hat der IPR-Reforrngesetzgeber von 1986 die Frage der internationalen Zuständigkeit deutscher Nachlaßgerichte für die Vornahme von Nachlaßabwicklungsmaßnahrnen mit Bedacht weitgehend ungeregelt gelassen. 4 Daher gilt insofern die praktisch einhellige Rechtsprechung der OberlandesgerichteS fort, derzufolge das maßgebliche Kriterium hierfür der Gleichlauf von Zuständigkeit und anwendbarem Recht ist.6 Nach dieser sog. "Gleichlauftheorie" sind die deutschen Nachlaßgerichte - zumindest in der Regel7 - nur dann international zuständig, wenn in der Sache deutsches Erbrecht anwendbar ist. Begründet wird die Gleichlauftheorie hauptsächlich damit, daß die enge Verwobenheit von rnateVgl. u.a. Wiethölter, 184; Kühne, IPR-Gesetz-Entwurf, 14,201. Vgl. BT-Drucks. 10/504,92. 5 Siehe die umfanglichen Rspr.-Nachweise bei Berenbrok, 17 Fn.4. Vgl. aus neuerer Zeit seit Inkrafttreten des IPR-Reformgesetzes z.B. BayObLG 13.11.1986, BayObLGZ 1986, 466, 469 f. = NJW 1987, 1148, 1149 = IPRspr. 1986 Nr. 114, S. 258, 259. lliren Ausgang nahm diese ständige Rechtsprechungspraxis in zwei Entscheidungen des KG aus den Jahren 1908 (KG 11.5.1908, KGJ 36 A 102) und 1911 (KG 11.7.1911, KGJ 41 A 62). Siehe hierzu Berenbrok, 56 ff. 6 So auch ein Teil des Schrifttums; vgl. Neuhaus, Grundbegriffe, 428 ff.; Firsching, Reform, 212 f.; KeidellKuntze/Winkler, § 73 FGG, Rz. 18 f. Gegen die Gleichlauftheorie dagegen u.a.: v. Craushaar, 9 f.; Schlechtriem, 8; Wiethölter, 177 ff.; Heldrich, 211 ff.; Kegel, IPR, 663 ff.; Berenbrok, 248 ff. 7 Zu den Ausnahmen siehe sogleich unten 4. Kapitel, B.n.1.a)(2). 3

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B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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riellem Erbrecht (insbesondere dem Nachlaßabwicldungsrecht) und Nachlaßverfahrensrecht keine Anwendung fremden Erbrechts erlaube. Ferner wird als Begründung angeführt, daß bei Fällen mit Auslandsberührung im Hinblick auf die Gefahr eines Widerspruchs nationaler Maßnahmen mit Handlungen ausländischer Gerichte, die nach Ansicht der Rechtsprechung bei Geltung eines fremden Erbstatuts in erster Linie zuständig sind, Rücksicht auf die Bedürfnisse des internationalen Entscheidungseinldanges genommen werden soll. 8 Positiv bedeutet das Gleichlaufprinzip, daß bei Maßgeblichkeit deutschen Rechts die Zuständigkeit deutscher Nachlaßgerichte gegeben ist9 ; negativ schließt fremdes Erbrecht ein Tätigwerden deutscher Nachlaßgerichte im Regelfall aus. 10 Dadurch sehen die deutschen Nachlaßgerichte sich für den inländischen Nachlaß eines ausländischen Erblassers grundsätzlich nicht für zuständig an, sondern würden insoweit den Maßnahmen der Gerichte des jeweiligen Heimatstaates den Vortritt überlassen. ll Die Kritiker werfen der Gleichlauftheorie daher vor, daß sie bei Ausländernachlässen zu einer Rechtsverweigerung führen kann. Denn den Erben ausländischer Erblasser, die bestimmte Maßnahmen der Nachlaßabwicklung im Inland nur unter Mitwirkung der Nachlaßgerichte vornehmen können, könnte auf diese Weise u.U. der Zugang zu den deutschen Gerichten verwehrt werden. 12 (2) Ausnahmen

Mittlerweile hat die Praxis allerdings verschiedene wichtige Ausnahmen zum Gleichlaufgrundsatz anerkannt. 13 So sind die deutschen Gerichte auch bei fremdem Erbstatut zur Ausstellung eines gegenständlich beschränkten Erbscheines (§ 2369 BGB) oder Testamentsvollstreckerzeugnisses (§ 2368 BGB) ZUStändig. 14 Außerdem ist die Zuständigkeit für einzelne in einem engen Sachzusammenhang mit der Erteilung eines solchen Erbscheines stehende 8 Vgl. z.B. OLG Zweibrücken 10.7.1985, IPRax 1987, 108, 109; siehe ausführlich hierzu und zu den anderen Argumenten, auf welche sich die Gleichlauftheorie stützt, Berenbrok, 18 f., 56 ff. 9 Berenbrok, 17 mit umfangreichen Rspr.-Nachweisen in Fn. 5. 10 Ebd., 18. 11 Ferid, Recueil des Cours 142 (1974 11), 160 f. 12 So z.B. Heldrich, 237; Schlechtriem, 10; Ferid, FS Cohn, 33. Siehe auch den Meinungsüberblick bei Wiethölter, 172 ff. 13 Siehe zum folgenden mit umfangreichen Rspr.-Nachweisen: Berenbrok, 20 - 27 14 Siehe z.B. BayObLG 15.2.1971, BayObLGZ 1971, 34 = NJW 1971, 991 = IPRrspr. 1971 Nr. 51.

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Maßnahmen angenommen worden, wie z.B. für die Testamentseröffnung 15 und die Entgegennahme der Annahmeerklärung des Erben. 16 Ferner besteht unabhängig vom anwendbaren Erbstatut stets eine Zuständigkeit für Maßnahmen zur vorläufigen Sicherung des Nachlasses (insbesondere für die Anordnung einer Nachlaßpflegschaft gemäß § 1960 BGB) .17 Schließlich haben sich deutsche Nachlaßgerichte auch dann für international zuständig erklärt, falls die Ablehnung der Zuständigkeit im konkreten Fall zu einer Rechtsverweigerung gegenüber dem Antragsteller geführt häue. 18 Eine solche drohende Rechtsverweigerung könnte dann eintreten, wenn sich die staatlichen Stellen des an sich zur Nachlaßabwicklung berufenen Staates der ausländischen lex causae ihrerseits für unzuständig halten oder aus sonstigen Gründen ein Tätigwerden ablehnen würden. 19 Die Praxis befriedigt mit diesen Ausnahmen also wenigstens einige der dringendsten Fürsorgebedürfnisse. Gleichwohl verbleiben unter ihr auch weiterhin Rechtsschutzlücken. 20 Denn es gibt trotz der soeben genannten Ausnahmen zur Gleichlauftheorie noch einige weitere Fälle, in denen die Mitwirkung von Nachlaßgerichten für Nachlaßabwicklungsmaßnahmen bei Ausländernachlässen erforderlich werden kann. Zu nennen sind insbesondere Maßnahmen zur Beschränkung der Erbenhaftung, die Anfechtung von Testamenten, die Ernennung bzw. Entlassung von Testamentsvollstreckern oder die gerichtliche Hilfe bei der Nachlaßverteilung. 21 Unter der herrschenden Gleichlauftheorie würden sich die deutschen Nachlaßgerichte hierfür nur dann als zuständig ansehen, wenn den Erben mangels Zuständigkeit der Gerichte des Heimatstaates ansonsten Rechtsverweigerung drohen würde. Im Prinzip bekommen die Erben damit zwar den gewünschten Rechtsschutz - nämlich entweder im Ausland oder hilfsweise vor den deutschen Gerichten. Der Weg dahin kann aber sehr mühsam sein, da es mitunter mehrerer Instanzen bedarf, um festzustellen, ob die Zuständigkeit deutscher Gerichte gegeben ist oder nicht. 22 Ferner können die Erben selbst in dem Falle, daß sich die Gerichte LG Bonn 22.7.1954, IPRspr. 1954-1955 Nr. 209. Sache Zannantonio, BayObLG 2.12.1965, BayObLGZ 1965, 423 = NJW 1967,447 = DNotZ 1967, 51 = IPRspr. 1964-1965 Nr. 297. 17 Siehe z.B. BayObLG 22.2.1963, BayObLGZ 1963, 52 = DNotZ 1964,40 = IPRspr. 1962-1963 Nr. 150. 18 Siehe z.B. KG 23.9.1969, OLGZ 1970, 96, 101. 19 Siehe Berenbrok, 24 - 27, mit einem ausführlichen Überblick über die entsprechende Rechtsprechung zum Lastenausgleichsgesetz. 20 Ebd., 68. 21 Ebd. 22 So z.B. in der Sache Zannantonio, BayObLG 2.12.1965, BayObLGZ 1965, 423 = NJW 1967,447 = DNotZ 1967, 51 = IPRspr. 1964-1965 Nr.297; oder im 15

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B. Konsequenzen für die RatifIkation durch Deutschland

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des Heimatstaates letztlich für zuständig erklären, ein berechtigtes Interesse daran haben, die gewünschten Entscheidungen im Inland zu erlangen. Dies wäre vor allem dann denkbar, wenn die Erben in Deutschland leben oder wenn sich der gesamte Nachlaß hier befindet. In diesen Fällen wird den Erben unter der herrschenden Gleichlauftheorie daher nur ein unzureichender Rechtsschutz gewährt. 23

b) Anpassungsprobleme zwischen Nachlaßverfahrens- und Nachlaßabwicklungsrecht

(1) Art der Probleme undLösungsmethoden Ferner können unter dem geltenden Recht Probleme bei der Koordination von deutschem Nachlaßverfahrensrecht und ausländischem materiellen Erbrecht entstehen. Besondere Schwierigkeiten kann dabei vor allem die Durchführung der Nachlaßabwicklung nach ausländischem Recht bereiten. Das Nachlaßverfahrensrecht unterliegt nämlich nach allgemeiner Auffassung stets der deutschen Lex fori. 24 Die Umsetzung ausländischer Nachlaßabwicklungsmaßnahmen erfolgt also notwendigerweise unter Anwendung deutschen Verfahrensrechts. Dies kann zu Komplikationen führen, wenn die deutschen Verfahrensnormen nicht zu der jeweiligen ausländischen Nachlaßabwicklungsmaßnahme passen, so daß deren erwünschte Wirkung an sich nicht erzielt werden kann. 2S Diese Anpassungsprobleme rühren daher, daß das deutsche Nachlaßverfahrensrecht auf die Rechtssätze des deutschen materiellen Erbrechts zugeschnitten ist und sich damit eigentlich nur zur Durchführung von Abwicklungsmaßnahmen nach deutschem Erbrecht eignet. 26 Lehre und nachlaßgerichtliche Praxis haben verschiedene Methoden entwickelt, um diese Schwierigkeiten zu lösen: Zum Teil können die deutschen Fall des OLG Zweibrücken, Beschluß v. 10.7.1985, IPRax 1987, 108, mit Anmerkung Witz/Bopp, ebd., 83 ff. 23 Berenbrok, 71. 24 Vgl. statt aller Soergel-Kegel, Vor Art. 7 EGBGB, Rz. 639 m.w.N. 2S Diese Anpassungsprobleme werden von Berenbrok, 114 (in Anlehnung an Neuhaus, Grundbegriffe, 357) als "qualitative Normendiskrepanz" bezeichnet. In Abgrenzung zu den bekannteren Fällen des Nonnenmangels und der Normenhäufung definiert Berenbrok, ebd., die qualitative Nonnendiskrepanz allgemein dahingehend, daß in diesem Falle nicht mehrere konkurrierende oder gar keine einschlägige Vorschriften berufen werden, "sondern mehrere Normen mit verschiedenen, zu gegenseitiger Ergänzung bestimmten Funktionen, deren Zusammenspiel jedoch fehlschlägt, weil sie nicht aufeinander abgestimmt sind". 26 Berenbrok, 111. 23 Brandi

354

4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Verfahrensregeln analog auf die Durchführung der fremden Nachlaßabwicldungsmaßnahmen angewandt werden, ohne daß besondere Eingriffe in das deutsche Verfahrensrecht notwendig sind.27 In anderen Fällen dagegen sind - u.U. sehr weitgehende - Modifikationen entweder des deutschen Verfahrensrechts oder des ausländischen Erbrechts erforderlich. 28 Oder es wird gar auf kollisionsrechtlicher Ebene die Grenze zwischen Erb- und Verfahrensstatut verschoben und damit im Ergebnis eine Änderung der Anknüpfung herbeigeführt. 29 Vor allem mit Hilfe der beiden erstgenannten Methoden ist es den Nachlaßgerichten wiederholt gelungen, die Anpassungsprobleme zwischen dem ausländischen Abwicldungsstatut und dem deutschen Verfahrensrecht im Ergebnis in befriedigender Weise zu lösen. 30 Gleichwohl verbleibt ein erheblicher Rest an Rechtsunsicherheit. Denn diese Anpassungsmethoden sind notwendigerweise einzelfallbezogen und dementsprechend unsicher in der Anwendung. Daher gilt auch hier, daß sich das Verfahren zur endgültigen Klärung der Anpassungsfragen oft über mehrere Gerichtsinstanzen erstrecken kann. Dadurch wird die Nachlaßabwicldung womöglich erheblich mehr in die Länge gezogen, als den Beteiligten lieb ist.

(2) Beispiel: Sache Zannantonio Ein vielzitiertes Beispiel für das Ausmaß der Probleme, welche sich aus der Gleichlauftheorie und vor allem bei der Koordinierung ausländischen Erbrechts mit deutschem Verfahrensrecht ergeben können, ist die im Jahre 1965 vom Bayrischen Obersten Landesgericht entschiedene Sache Zannan-

27 So u.a. bei der bloßen Entgegennahme von Erklärungen durch die deutschen Nachlaßgerichte. Eine solche Tätigkeit der Nachlaßgerichte sieht nämlich auch das deutsche Erbrecht vor (vgl. §§ 1945, 1955 BGB). Vgl. BayObLG 8.5.1967, 197 = IPRspr. 1966-67 Nr. 178; ausführlich Berenbrok, 118 - 120. 28 Siehe dazu ausführlich Berenbrok, 120 - 125. Ein Beispiel hierfür bieten die beiden Urteile des BayObLG, in denen es sich mit der Durchführung einer "Einantwortung", d.h. mit einer gerichtlichen Einsetzung des Erben nach dem österreichischen ABGB auseinandersetzen mußte. Vgl. BayObLG 8.5.1967, BayObLGZ 1967, 197 = IPRspr. 1966-1967 Nr. 178; 18.9.1967, BayObLGZ 1967, 338 = IPRspr. 1966r1967 Nr. 180. 29 Ausführlich dazu Berenbrok, 125 - 137 m.w.N .. Siehe hierzu auch Craushaar, 33 ff., 67 ff.; Schlechtriem, 42 ff. 30 Vgl. Berenbrok, 169, 248 - 252. Die zuletzt genannte Methode hat in der Rechtsprechung dagegen anscheinend bislang noch keine Gefolgschaft gefunden (ebd., 125).

B. Konsequenzen für die Ratiftkation durch Deutschland

355

tonio 31 : Dort hatte ein italienischer Erblasser, der Zeit seines Lebens in

Deutschland gelebt hatte, bei seinem Tode bewegliches Vermögen hinterlassen, das ausschließlich in Deutschland belegen war. Er wurde von seinen beiden minderjährigen Kindern beerbt. Diese hatten den Nachlaß nach italienischem Recht unter dem Vorbehalt der Inventarerrichtung angenommen. Bald darauf erwies sich der Nachlaß jedoch als überschuldet. Dementsprechend wollten die Erben ihre Haftung auf den Nachlaß beschränken. Hierfür wäre gemäß italienischen Rechts die Errichtung eines Nachlaßinventars zusammen mit einer datierten Eintragung der Inventaraufnahme beim Erbschaftsregister erforderlich gewesen. Ein entsprechender Antrag der Erben auf Errichtung eines Nachlaßinventars nach italienischem Recht wurde jedoch vom Nachlaßgericht erster Instanz abgewiesen. Da der Nachlaß italienischem Recht unterlag, hielt sich das Gericht unter Berufung auf die Gleichlauftheorie hierfür für international nicht zuständig. Das Landgericht als Beschwerdegericht teilte diese Auffassung zwar nicht, weil sie seiner Meinung nach mangels einer Zuständigkeit der italienischen Gerichte zu einer unzumutbaren Rechtsverweigerung für die Erben führen würde. Gleichwohl lehnte es die Beschwerde der Erben ab. Zur Begründung führte es aus, daß im deutschen Erbrecht die Errichtung eines Nachlaßinventars nicht die von den Erben erstrebte Wirkung der Haftungsbeschränkung habe und daß außerdem die dafür nach italienischem Recht erforderliche Eintragung in das Erbschaftsregister nur in Italien vorgenommen werden könne, da ein solches Register in Deutschland nicht existiere. Erst das BayObLG fand schließlich eine Lösung, wie den Erben geholfen werden konnte. Unter Berufung auf den Grundsatz der Austauschbarkeit der Verfahrensnormen32 wandte es statt der italienischen Verfahrensvorschriften die §§ 2001-2003 BGB an. Es führte die Errichtung des Nachlaßinventars also nach deutschem Verfahrensrecht durch. Dadurch entfiel das Erfordernis der Eintragung in das Erbschaftsregister . Gleichzeitig maß das BayObLG dieser Inventarerrichtung aber die haftungsbeschränkenden Wirkungen des materiellen italienischen Rechts bei. Auf diese Weise konnte den Erben daher der erstrebte Ausschluß der persönlichen Haftung gewährt werden.

31 Vgl. BayObLG 2.12.1965, BayObLGZ 1965,423 = NJW 1967, 447 = DNotZ 1967, 51 = IPRspr. 1964-65 Nr.297; dazu Heldrich, 215 f.; Ferid, Recueil des Cours 142 (1974 11), 125 ff.; Ferid, FS Cohn, 34 f.; Berenbrok, 119. 32 Dieser Grundsatz besagt, daß "ein kollisionsrechtlich berufener materieller Rechtssatz nicht nur durch die zugehörige Verfahrensart derselben Rechtsordnung, sondern durch jede funktionsentsprechende Verfahrensart der jeweiligen lex fori umgesetzt werden" kann (Berenbrok, 117 f.). Siehe hierzu auch Kegel, IPR, 558, 592,665; Wiethölter, 170. 23·

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Im Ergebnis bekamen die Erben damit also, was sie wollten. Allerdings war hierfür ein aufwendiger Rechtsstreit über drei Gerichtsinstanzen erforderlich, in dem neben den Anpassungsproblemen auch die Frage der internationalen Zuständigkeit von den verschiedenen Instanzgerichten kontrovers beurteilt wurde. Die mit diesem Verfahren verbundene Mühsal wird den Erben im Zweifelsfalle nur schwer vermittelbar gewesen sein. Außer der Staatsangehörigkeit des Erblassers wiesen nämlich eigentlich alle Aspekte des Sachverhalts nach Deutschland, da der Erblasser hier sein ganzes Leben verbracht hatte, sein gesamtes Vermögen hier belegen war und die Erben hier lebten. Aus diesen Gründen wäre es wertungsmäßig nicht vertretbar gewesen, den Erben tatsächlich den Zugang zu den deutschen Nachlaßgerichten zu verwehren, so wie es das erstinstanzliche Gericht ursprünglich beabsichtigt hatte. Außerdem erscheinen in diesem Fall die Auswirkungen des Staatsangehörigkeitsprinzips in einem fragwürdigen Lichte, da der Sachverhalt praktisch keinerlei Verbindungen mehr mit dem italienischem Recht besaß. Daher wäre die Anwendung deutschen Rechts wesentlich angemessener gewesen. Auf diese Weise hätten sich auch die Anpassungsprobleme zwischen dem ausländischen Erbrecht und dem deutschen Verfahrensrecht von vornherein vermeiden lassen. c) Internationaler EntscheidungseinkIang und Einheit der NachIaßabwicklung

(1) Grundsatz Im Gegensatz zu den soeben dargelegten Schwierigkeiten gelingt es dem geltenden Recht dagegen grundsätzlich besser, im Bereich der Nachlaßabwicklung Entscheidungswidersprüche zwischen den Maßnahmen deutscher Gerichte und denen ausländischer Gerichte zu vermeiden. Das Ziel des internationalen Entscheidungseinklanges wird dabei sowohl auf kollisionsrechtlichem als auch auf verfahrensrechtlichem Wege zu erreichen versucht. Auf kollisionsrechtlichem Wege soll der internationale Entscheidungseinklang dadurch verwirklicht werden, daß das Erbstatut in der gleichen Weise angeknüpft wird wie in den Heimatstaaten der meisten in Deutschland lebenden Gastarbeiter, d.h. durch Anknüpfung an das Recht der Staatsangehörigkeit des Erblassers. 33 In verfahrensrechtlicher Hinsicht sucht die nachlaßgerichtliche Rechtsprechung Entscheidungswidersprüche dadurch zu vermeiden, daß sie sich nach der Gleichlauftheorie bei Nachlässen ausländischer Erblasser grundsätzlich für international nicht zuständig erklärt. Auf diese Weise wird also in denjenigen Fällen auf eine inländische Zuständigkeit der 33 So lauteten u.a. die Etwägungen des deutschen Gesetzgebers zur Beibehaltung des Staatsangehörigkeitsprinzips im Rahmen der IPR-Reform von 1986, siehe BTDrucks. 10/504, 31.

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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deutschen Nachlaßgerichte verzichtet, wo die zu erlassende Entscheidung in demjenigen ausländischen Staat, zu dem der Sachverhalt nach Ansicht des deutschen Kollisionsrechts die engste Beziehung hat, unter Umständen nicht anerkannt würde. 34 Staatsangehörigkeitsprinzip und Gleichlauftheorie fördern dabei auch das Ideal der international einheitlichen Nachlaßabwicklung. 35 Dieses Ideal besagt, daß bei einem über mehrere Staaten verstreuten Nachlaß möglichst in jedem Forum dasselbe Recht Anwendung finden und die Maßnahmen der Nachlaßabwicklung von einer einzigen Stelle durchgeführt und in allen anderen Staaten anerkannt werden sollten. 36 Der unbestrittene Vorteil einer solchen international einheitlichen Nachlaßabwicklung ist, daß der Nachlaß in allen Belegenheitsstaaten dasselbe rechtliche Schicksal teilt. Dies bedeutet zum Beispiel, daß überall dieselben Personen als verfügungsberechtigt angesehen werden und daß die Regelung der Nachlaßhaftung in allen Staaten einheitlich vorgenommen wird. 37 (2) Einschränkungen Weder das Ideal des äußeren Entscheidungseinklangs noch die international einheitliche Nachlaßabwicklung sind im geltenden deutschen IPR jedoch vollständig verwirklicht. 38 Die einheitliche Nachlaßabwicklung scheitert bereits häufig daran, daß viele Rechtsordnungen eine territoriale Nachlaßspaltung vornehmen und somit Mobiliar- und Immobiliarnachlaß getrennt abwickeln. Hierauf nimmt das deutsche Kollisionsrecht Rücksicht (vgl. Art. 3 III und Art. 4 I EGBGB). Dadurch bleibt zwar grundsätzlich der kollisionsrechtliche Entscheidungseinklang zu den Staaten der Nachlaßspaltung und des Domizilprinzips gewahrt. Jedoch kommt es auf diese Weise auch nach deutschem IPR zu einer Nachlaßspaltung und zu einer entsprechend gespaltenen Nachlaßabwicklung. Darüber hinaus läßt sich der kollisionsrechtliche Entscheidungseinklang häufig auch dann nicht erreichen, wenn der betroffene Erblasser aus einem Staat stammt, der dem Domizilprinzip folgt. Zwar würde das deutsche IPR eine Rückverweisung des ausländischen Heimatrechts auf das inländische Wohnsitzrecht beachten. Jedoch müßte die Verweisungskette gemäß Art. 4 I 2 34 Berenbrok, 73. So z.B. OLG Zweibrücken 10.7.1985, IPRax 1987, 108, 109 m.w.N. 35 Ähnlich Berenbrok, 73. 36 Ebd., 73 m.w.N. 37 Ebd., 74 m.w.N. 38 Ebd.; Ferid, Recueil des Cours 142 (1974 11), 190 f.

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

EGBGB dann beim deutschen Erbrecht abgebrochen werden. Dabei bliebe unberücksichtigt, daß der Heimatstaat des Erblassers womöglich seinerseits der Rückverweisung durch das deutsche IPR folgen und das eigene Erbrecht anwenden würde. Dies läuft häufig darauf hinaus, daß das deutsche und das ausländische Nachlaßgericht im Ergebnis jeweils das eigene Erbrecht anwenden. Auf verfahrensrechtlicher Ebene werden der Entscheidungseinklang und die Einheit der Nachlaßabwicklung ferner dadurch durchbrochen, daß die deutschen Nachlaßgerichte den Gleichlaufgrundsatz nicht ausnahmslos durchhalten. 39 Denn die Nachlaßgerichte sehen sich, wie oben erläutert, in diversen Fallgruppen auch dann für international zuständig an, wenn für die Erbfolge eine ausländische Lex causae gilt. 40 Auch in diesen Fällen wäre vom Ausgangspunkt der Gleichlauftheorie her an sich entweder ein Zuständigkeitsverzicht oder zumindest eine sonstige Form der Rücksichtsnahme zugunsten der Gerichte der ausländischen Lex causae geboten, um einen Entscheidungskonflikt mit deren Maßnahmen zu vermeiden. Aus Gründen des Verkehrsschutzes und aufgrund inländischer Rechtsschutzbedürfnisse wird hier jedoch gleichwohl eine inländische Zuständigkeit bejaht, ohne daß die Möglichkeit eines Widerspruches mit ausländischen Entscheidungen Berücksichtigung findet. Insofern läßt sich hier z.B. auf die Vorgehensweise der Nachlaßgerichte bei der Erteilung von Fremdrechtserbscheinen i.S.d. § 2369 BGB verweisen. Zwar ist die Zuständigkeit der deutschen Nachlaßgerichte hier, wie aus § 2369 BGB folgt, gerade auch für den Fall gegeben, daß ein ausländisches Erbstatut gilt. Gleichwohl wäre es durchaus denkbar, daß die deutschen Gerichte bei der Erteilung von Fremdrechtserbscheinen Rücksicht auf die Gefahr von Entscheidungswidersprüchen mit dem ausländischen Lex-causaeStaat nehmen könnten. Tatsächlich aber werden solche Erbscheine von den deutschen Gerichten nach gegenwärtiger Praxis ohne Rücksicht darauf ausgestellt, ob den Erben im ausländischen Heimatstaat des Erblassers bereits ein ähnliches Legitimationspapier erteilt worden ist. 41 Darüber hinaus sehen sich die deutschen Nachlaßgerichte z.B. kraft Sachzusammenhangs zu § 2369 BGB auch bei Geltung eines fremden Erbstatuts als zuständig dafür an, die Annahmeerklärungen von Erben entgegenzunehmen. Auch in diesem Fall handeln die Gerichte ohne Rücksicht darauf, ob ihre Maßnahmen Aussicht auf Anerkennung im ausländischen Lex-causaeStaat hätten. Die Erben könnten es jedoch im Vertrauen auf die Wirksamkeit Siehe zum folgenden ausführlich Berenbrok, 75 ff. Siehe oben 4. Kapitel, B.lI.1.a)(2). 41 Berenbrok, 78 m.w.N. 39

40

B. Konsequenzen für die Ratiftkation durch Deutschland

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einer gegenüber dem deutschen Gericht abgegebenen Annahmeerklärung' unterlassen, diese auch vor den ausländischen Lex-causae-Gerichten zu wiederholen. Sollte in diesem Falle die in Deutschland abgegebene Annahmeerklärung im Ausland nicht anerkannt werden, könnte es zu einer Neuvornahme derselben vor den dortigen Gerichten infolge Fristablaufs mittlerweile zu spät sein. 42 cl) Zusammenfassung und Überleitung

Unter dem geltenden Recht werden die beiden Ziele des äußeren Entscheidungseinklangs und der international einheitlichen Nachlaßabwicklung also weder auf kollisions- noch auf verfahrensrechtlichem Wege vollständig verwirklicht. Gleichwohl läßt sich festhalten, daß die größeren Schwierigkeiten bei der Abwicklung von Ausländernachlässen in Deutschland eher in dem eingeschränktem Inlandsrechtsschutz und in den Anpassungsproblemen bei dem Aufeinandertreffen des inländischen Verfahrensrechts mit einem fremden Erbrecht liegen. Die entscheidende kollisionsrechtliche Wurzel dieser Probleme liegt in dem derzeit geltenden Staatsangehörigkeitsprinzip. Denn dieses führt unter den gegenwärtigen Verhältnissen, die von einer stetig wachsenden Einwanderungsbewegung und einer großen Zahl dauerhaft in Deutschland ansässiger Ausländer geprägt sind, dazu, daß - vorbehaltlich des Eingreifens einer Rückverweisung - für die Nachlaßabwicklung häufig ausländisches Erbrecht für maßgeblich erklärt wird. Dementsprechend häufig kann es zu einem Konflikt zwischen fremdem Erbrecht und deutschem Nachlaßverfahrensrecht kommen. Gleichzeitig liegen darin auch die rechtsschutzbeschränkenden Auswirkungen der Gleichlauftheorie begründet. Den durch die Gleichlauftheorie verursachten Rechtsschutzproblemen könnte man sowohl auf verfahrens- als auch auf kollisionsrechtlichem Wege abzuhelfen versuchen. Ein verfahrensrechtlicher Ansatz zu ihrer Bewältigung wäre die grundlegende Neuregelung der internationalen Zuständigkeit im Nachlaßverfahrensrecht. Dies könnte in einer Weise geschehen, die mehr an den konkreten Rechtsschutzbedürfnissen der betroffenen Parteien orientiert ist, also z.B. durch eine analoge Anwendung der Vorschriften zur örtlichen Zuständigkeit. Diese Frage ist in der Literatur bereits mehrfach ausführlich behandelt worden. 43 Sie ist aber nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit. Ebd. 43 Vgl. Kegel. IPR. 663 ff.; von Crausbaar. 9; Schlechtriem. 13; Heldrich. 21 ff.; siehe aus neuester Zeit insbesondere Berenbrok. 46 ff. 42

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Hier soll vielmehr untersucht werden, ob diese Rechtsschutzmängel und die oben beschriebenen Anpassungsprobleme U.U. auch durch eine Veränderung der kollisionsrechtlichen Anknüpfungsregeln behoben oder zumindest verringert werden könnten. Insofern ließe sich nämlich vielleicht eine Verbesserung dadurch erhoffen, daß das geltende Staatsangehörigkeitsprinzip durch die mehr am Domizilprinzip orientierten Anknüpfungsnormen der Haager Erbrechtskonvention ersetzt würde. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, brächte allerdings eine enge Anwendung des Haager Erbrechtsabkommens, die sich auf den zwingenden Anwendungsbereich der Konvention LS.d. Art. 711 beschränken würde, in dieser Hinsicht keine Verbesserungen mit sich. Vielmehr würde sie lediglich zusätzliche Probleme erzeugen. Positive Auswirkungen hätte dagegen allenfalls eine weite Anwendung des Abkommens, die auch den Bereich der Nachlaßabwicklung mit einbeziehen würde. Auch sie würde aber zu bislang unbekannten Problemen führen und zwar vor allem im Hinblick auf den internationalen Entscheidungseinklang. 2. Konsequenzen einer engen Anwendung der Haager Erbrechtskonvention a) Fortbestand der alten Rechtsschutz- und Anpassungsprobleme

Entschlösse sich der deutsche Gesetzgeber, im Falle eines Beitritts die Haager Erbrechtskonvention nur insoweit anzuwenden, wie dies in Art. 711 zwingend vorgeschrieben ist, würde lediglich die Anknüpfung der Nachlaßverteilung verändert. Für die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung bliebe es dagegen bei dem bisher geltenden Recht. Damit ließe sich jedoch keines der oben genannten Probleme lösen. Denn der Schwerpunkt der oben beschriebenen Anpassungsprobleme liegt bei dem Konflikt des deutschen Nachlaßverfahrensrechts mit ausländischen Rechtsinstituten aus dem Bereich der Nachlaßabwicklung und nicht mit solchen aus dem Bereich der Nachlaßverteilung. 44 Ebenso leitet auch die Gleichlauftheorie ihre Rechtfertigung gerade aus der engen Verwobenheit des Nachlaßabwicklungsrechts mit den nachlaßverfahrensrechtlichen Regeln ab. 4s Daher wäre zu erwarten, daß die deutschen Nachlaßgerichte sich unter der Gleichlauftheorie auch dann für unzuständig ansehen würden, wenn lediglich für die Nachlaßabwicklung, nicht aber für die Nachlaßverteilung ausländisches Erbrecht gelten würde.

44 4S

Siehe oben 4. Kapitel, B.II.l.b). Siehe oben 4. Kapitel, B.II.l.a)(1).

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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b) Schaffung neuer Anpassungsprobleme

Darüber hinaus müßte man bei einer engen Anwendung der Konvention sogar die Entstehung einer neuen Kategorie von Anpassungsschwierigkeiten befürchten. Diese würden darauf beruhen, daß die Verteilung und die Abwicklung der Erbschaft bei der von Art. 7 11 vorgesehenen Erbstatutsspaltung häufig unterschiedlichen Rechtsordnungen unterlägen. Eine enge Anwendung des Abkommens könnte somit zu einer Quelle erheblicher Komplikationen durch das Aufeinandertreffen von Nachlaßverteilungsregeln und Abwicklungsvorschriften zweier unterschiedlicher Rechtsordnungen werden. Dies würde sicherlich ebenso große Schwierigkeiten bereiten wie unter geltendem Recht die Koordinierung von fremdem Abwicklungsrecht mit deutschem Verfahrensrecht. Denn im deutschen Erbrecht und in den anderen kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen ist die Veriahnung von Nachlaßabwicklung und Nachlaßverteilung mindestens so eng wie zwischen Nachlaßabwicklung und Nachlaßverfahren. 46 c) Wertungswidersprüche

Darüber hinaus könnte eine Begrenzung der Abkommensreichweite in dem von Art. 7 11 vorgesehenen Sinne zu dem eigenartigen Ergebnis führen, daß in vielen Fällen zwar die Verteilung des Nachlasses nach deutschen Recht zu beurteilen wäre, daß die Nachlaßabwicklung aber weiterhin ausländischem Recht unterläge. Welche Folgen dies im Extremfall haben könnte, soll an einem Beispiel demonstriert werden47 : Würde ein Erblasser japanischer Staatsangehörigkeit nach einem mehr als fünfjährigem gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland versterben, ohne sonstige engere Beziehungen nach Japan behalten zu haben, dann wäre gemäß Art. 3 11 der Haager Konvention deutsches Erbrecht für die Regelung der Erbschaftsverteilung anwendbar. Jedoch gälte für die Nachlaßabwicklung gemäß Art. 25 I EGBGB LV.m. Art. 25 "Horei"48 weiterhin japanisches Erbrecht. Sollte der Nachlaß überschuldet sein und hätten die in Deutschland lebenden Erben daher die Absicht, ihre Haftung auf den Nachlaß beschränken, wäre für die Haftungsbeschränkung japanisches Recht maßgeblich. Falls Vgl. Berenbrok, 169 f.; Tiedemann, Internationales Erbrecht, 77. Das folgende Beispiel ist in Anlehnung an Heldrich, 205, und Berenbrok, 68, gebildet. 48 (Japanisches) Gesetz vom 21.6.1896 betreffend die Anwendung der Gesetze in der Fassung von 1964, abgedruckt bei Stichwort "Japan", S. 10, in: BergmannlFerid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht. 46 47

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

für die Durchführung der Haftungsbeschränkung nach japanischem Recht eine gerichtliche Mitwirkung erforderlich sein sollte, hätten die Erben demnach in jeder der beiden folgenden denkbaren Fallvarianten unangenehme Konsequenzen zu erwarten. Entweder könnten die deutschen Nachlaßgerichte nämlich unter Berufung auf die Gleichlauftheorie ein Tätigwerden ablehnen. Dann müßten sich die Erben zur Durchführung der Haftungsbeschränkung nach Japan begeben, obwohl u. U. der gesamte Nachlaß in Deutschland belegen wäre. Oder die deutschen Nachlaßgerichte könnten sich - angesichts einer sonst drohenden Rechtsverweigerung - doch für zuständig erklären. Dann hätten sie die Haftungsbeschränkung aber nach japanischem Recht durchzuführen. Dies würde jedoch wiederum bedeuten, daß zunächst der Inhalt des japanischen Rechts ermittelt werden müßte und danach ggf. komplizierte Anpassungsprobleme zu lösen wären. Zwar würde sich die Rechtslage unter der Konvention insoweit, d.h. hinsichtlich der Anknüpfung der Nachlaßabwicklung, nicht von derjenigen unter geltendem Recht unterscheiden. Die infolge der Geltung japanischen Erbrechts entstehenden Komplikationen wären für die Erben aber schwerer nachzuvollziehen. Denn es wäre ihnen kaum verständlich zu machen, daß sich ausgerechnet die Abwicklung des Nachlasses derart kompliziert gestalten würde, wenn für die endgültige Verteilung der Erbschaft ohnehin deutsches Recht gälte. Gerade die Nachlaßabwicklung bedarf jedoch häufig einer raschen Durchführung durch die zuständigen Gerichte. Daher läge hier eine Anknüpfung an die lex fori zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung eigentlich näher als bei der Regelung der Nachlaßverteilung. d) Ergebnis

Eine enge Anwendung der Haager Konvention begrenzt auf die in Art. 7 II genannten Sachbereiche würde demnach keine der vorhandenen Probleme im Bereich der Abwicklung von Ausländernachlässen lösen. Vielmehr würde sie insofern bloß zahlreiche neue Komplikationen schaffen. Aus diesen Gründen kann dem deutschen Gesetzgeber also nur dringend davon abgeraten werden, die Haager Konvention lediglich für deren international zwingenden Anwendungsbereich LS.d. Art. 711 in Kraft zu setzen.

3. Konsequenzen einer weiten Anwendung der Haager Erbrechtskonvention Es käme für Deutschland demnach allenfalls eine weite Anwendung des Haager Abkommens auf den gesamten Bereich des Erbstatuts im Sinne des

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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deutschen Kollisionsrechtes in Betracht. Damit würden die Kollisionsnormen der Konvention in Deutschland auch auf die Nachlaßabwicklung Anwendung finden. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, brächte dies für die deutsche Praxis dadurch Vorteile mit sich, daß bei der Abwicklung von Ausländernachlässen häufiger als bisher deutsches statt ausländischen Erbrechts zur Anwendung gelangen würde. Auf diese Weise ließen sich die gegenwärtigen Rechtsschutz- und Anpassungsproblemen im Bereich der Erbschaftsabwicklung deutlich vermindern. Hiermit würden allerdings spürbare Nachteile in Gestalt wachsender Konflikte mit ausländischen Nachlaßabwicklungsmaßnahmen einhergehen. a) Vermehrte Anwendung der lex fori in deutschen Nachlaßverfahren

(1) Objektive Anknüpjung unter dem Haager Abkommen Zumindest im Rahmen der objektiven Anknüpfung des Erbstatuts hätte das Haager Abkommen mit einiger Sicherheit eine vermehrte Anwendung deutsehen Erbrechts zur Folge: Für den Nachlaß deutscher Erblasser mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland gälte gemäß Art. 3 I des Abkommens nämlich immer und im vollen Umfange deutsches Recht. Die ausnahmsweise Berücksichtigung eines ausländischen Situsrechts gemäß Art. 3 III EGBGB würde insoweit also entfallen. Darüber hinaus unterlägen auch die Nachlässe der meisten in Deutschland lebenden Ausländer gemäß Art. 3 11 der Haager Konvention deutschem Erbrecht, da diese vielfach seit mehr als fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. 49 Zur Zeit führt Art. 25 I EGBGB hier dagegen im Regelfall zur Anwendung des ausländischen Heimatrechts. Nur die wenigsten Heimatstaaten der in Deutschland ansässigen Gastarbeiter ordnen für die Anknüpfung der Erbfolge eine Rückverweisung auf deutsches Wohnsitz- oder Situsrecht an. Vor allem für die Fallgruppe der Gastarbeiter brächte die Haager Erbrechtskonvention daher eine erhebliche Änderung der augenblicklichen Rechtslage im Sinne einer vermehrten Anwendung der Zex jori mit sich. Dagegen wäre bei der Gruppe der im Ausland ansässigen Ausländer, die unbewegliches Eigentum in Deutschland hinterlassen, zum Teil eine Verminderung der Anwendbarkeit deutschen Erbrechts zu erwarten. Sollten diese nämlich einer Rechtsordnung angehören, die der Nachlaßspaltung folgt, wäre 49 So lebten im Jahre 19923,4 Mio. bzw. 52% (1991: 3,3 Mio. bzw. 56,7%) der Ausländer bereits länger als 10 Jahre in der Bundesrepublik Deutschland; siehe jeweils Tabelle 3.21. in: Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994, S. 72, und ders., Statistisches Jahrbuch 1993, S. 72.

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

unter geltendem Recht die Rückverweisung auf das deutsche Erbrecht zu beachten (vgl. Art. 4 I EGBGB). Unter der Haager Erbrechtskonvention dürfte der renvoi dagegen nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. Art. 17). Dann würde in diesen Fällen im Unterschied zur gegenwärtigen Rechtslage also auch der deutsche Immobiliarnachlaß dem ausländischen Erbstatut unterliegen. Bei den Auslandsdeutschen müßte man wohl zwischen zwei verschiedenen Fallgruppen differenzieren: Bei nur befristet im Ausland ansässigen Deutschen, die noch sehr enge Bindungen zu Deutschland beibehalten haben, wie z.B. bei Pensionären, die lediglich einen Teil ihres Lebensabends an den sonnigen Gestaden des Mittelmeers verbringen, käme unter der Haager Konvention häufig eine Ausnahmeanknüpfung LS.d. Art. 3112 an das deutsche Heimatrecht in Betracht. Insofern träte im Ergebnis also keine Änderung gegenüber der bestehenden Rechtslage ein. Bei definitiv ausgewanderten bzw. langfristig im Ausland ansässigen Auslandsdeutschen wäre dagegen gemäß Art. 3111 des Abkommens im Unterschied zum geltenden Recht das jeweilige ausländische Aufenthaltsrecht anwendbar. Insoweit würde sich die Anwendung des deutschen Erbrechts unter der Haager Konvention also verringern. Stellt man jedoch die beiden wichtigsten Fallgruppen gegenüber, bei denen die Haager Konvention zu einer anderen Anknüpfung als das geltende IPR führen würde, wird ersichtlich, daß die Anwendung deutschen Erbrechts unter dem Abkommen im Ergebnis deutlich zunähme. Der wichtigste Adressatenkreis, der aus dem Geltungsbereich des deutschen Erbstatuts herausfallen würde, bestünde nämlich aus den endgültig ausgewanderten bzw. für eine lange Dauer im Ausland wohnenden Auslandsdeutschen. Deren Anzahl dürfte jedoch mittlerweile erheblich unter der Zahl der bereits langfristig in Deutschland ansässigen Gastarbeiter und übrigen Ausländer liegen. Die Auswanderung aus Deutschland wird nämlich seit vielen Jahren von der Einwanderungsbewegung mengenmäßig um ein vielfaches übertroffen. 50 Daher hat die Bedeutung der definitiv ausgewanderten bzw. dauerhaft im Ausland ansässigen Auslandsdeutschen für das deutsche IPR mittlerweile sowohl in absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zu den hier lebenden Gastarbeitern erheblich abgenommen.

50

Siehe hierzu ausführlich oben 1. Kapitel, C.1.2.a).

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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(2) Subjektive Anknüpfung unter dem Haager Abkommen Weniger deutlich ist hingegen, ob auch die Rechtswahlvorschriften des Haager Abkommens im Ergebnis zu einer Zunahme der Anwendung deutschen Erbrechts führen würden: Bei den in Deutschland wohnenden Gastarbeitern und den sonstigen langfristig im Inland ansässigen Ausländern läßt sich nur schwer voraussagen, in welche Richtung ihre Rechtswahl unter Art. 5 und Art. 11 der Haager Konvention ginge, wenn ihnen eine solche gestattet würde. Denn für sie würde es ganz von den Umständen des Einzelfalles abhängen, ob aus ihrer Sicht eher die Wahl des deutschen Aufenthaltsrechts oder die des ausländischen Heimatrechts vorteilhafter wäre. Für eine Wahl des Heimatrechtes könnte aus ihrem Blickwinkel z.B. sprechen, daß sie sich diesem enger verbunden fühlen als der deutschen Rechtsordnung und sie daher die Regelanknüpfung an das Aufenthaltsrecht gemäß Art. 3 11 1 des Abkommens vermeiden wollen. Umgekehrt könnte ihnen aber auch daran gelegen sein, durch eine ausdrückliche Wahl deutschen Rechts jegliche Zweifel an dessen Geltung auszuschließen, um auf diese Weise zu verhindern, daß es durch einen späteren Aufenthaltswechsel doch noch zu einer Anknüpfung an das Heimatrecht kommen könnte. Außerdem könnten vor allem deutsch-ausländische Ehepaare von der durch Art. 11 des Abkommens gebotenen Möglichkeit Gebrauch machen wollen, einheitlich deutsches Erbrecht für die beiderseitige Erbfolge zu wählen. Auf diesem Wege könnten sie sich für die gemeinsame Nachlaßplanung eines gemeinschaftlichen Testaments bzw. eines Erbvertrags bedienen, ohne befürchten zu müssen, daß das Heimatrecht des ausländischen Ehepartners die darin getroffenen Verfügungen zu Fall bringt. Für die Gruppe der Auslandsdeutschen läßt sich die wahrscheinliche Zielrichtung einer Rechtswahl ebenfalls kaum vorhersagen. Bei den dauerhaft ausgewanderten Deutschen wäre die Interessenslage wahrscheinlich ähnlich wenn auch unter umgekehrten Vorzeichen - wie bei den in Deutschland lebenden Gastarbeitern. Ebenso wären auch bei den Deutschen, deren Auslandsaufenthalt nur von mittelfristiger Dauer ist, sowohl Gründe für eine Wahl des ausländischen Aufenthaltsrechts (z.B. Vorzüge des materiellen Erbrechts, Belegenheit des Vermögens) als auch für eine Verweisung auf das deutsche Heimatrecht (z.B. sichere Bindung an eine vertraute Rechtsordnung) denkbar. Insgesamt gesehen dürften sich unter der Haager Erbrechtskonvention die Fälle einer Wahl deutschen oder ausländischen Erbrechts also in etwa die Waage halten. Zwar würde unter der Haager Konvention nicht mehr die durch den bisherigen Art. 2511 EGBGB eingeräumte Möglichkeit bestehen, deutsches Erbrecht zu wählen, wenn die einzige Verbindung zum Inland darin

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

bestünde, daß Teile des unbeweglichen Nachlaßvermögens in Deutschland belegen sind. Jedoch wären von dem Verlust dieser Rechtswahlmöglichkeit bei gleichzeitiger Einführung der Rechtswahlvorschriften des Haager Abkommens kaum einschneidende Änderungen dafür zu erwarten, wie häufig deutsches oder ausländisches Erbrecht in deutschen Nachlaßverfahren zur Anwendung käme. Denn der Adressatenkreis des Art. 25 11 EGBGB setzt sich lediglich aus ausländischen Erblassern zusammen. Innerhalb dieses Adressatenkreises wird die mit Abstand größte Gruppe jedoch wiederum durch die in Deutschland lebenden Gastarbeiter gebildet. Diese könnten deutsches Erbrecht aber auch unter Art. 5 des Haager Abkommens wählen. Im Ergebnis bleibt es daher dabei, daß im Falle eines deutschen Abkommensbeitritts zumindest infolge der objektiven Anknüpfungsvorschriften des Abkommens vermehrt deutsches Erbrecht zur Anwendung gelangen würde. (3) Vorteile einer Lex{ori-Anknüpjung

(a) Allgemeines Indem also die Nachlaßabwicklung unter Art. 3 11 LV.m Art. 7 III der Haager Konvention auch bei Ausländernachlässen vermehrt unter Anwendung deutschen Erbrechts durchgeführt würde, könnten die in diesem Bereich unter geltendem Recht herrschenden Rechtsschutz- und Anpassungsprobleme deutlich vermindert werden. Denn in denjenigen Fällen, wo Art. 3 11 der Konvention auf deutsches Erbrecht verweisen würde, gälte für Nachlaßverfahren und Nachlaßabwicklung einheitlich deutsches Recht. Spannungen zwischen Verfahrens- und Abwicklungsregeln unterschiedlicher Herkunft ließen sich somit von vornherein vermeiden. Ebenso könnte verhindert werden, daß die Nachlaßgerichte sich im Hinblick auf die Gefahr solcher Anpassungsprobleme unter Berufung auf die Gleichlauftheorie für unständig erklären und den Erben den erstrebten Rechtsschutz verweigern würden. Auf diese Weise würde nicht nur die Arbeit der Nachlaßgerichte erheblich vereinfacht. Auch die Erben ausländischer Erblasser würden hiervon eindeutig profitieren. (b) Vergleich mit Ferids Vorschlag einer funktionellen Nachlaßspaltung

Auf diese Vorteile einer vermehrten Ler-fori-Anknüpfung ist in den 70er Jahren - unabhängig von der Haager Erbrechtskonvention - bereits von Ferid eindringlich hingewiesen worden. 51 Ferid zog hieraus allerdings die radikale 51

Vgl. Ferid, FS Cohn, 37; ders., Recueil des Cours 142 (1974 m, 180.

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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Konsequenz, vorzuschlagen, daß die Nachlaßabwicklung sogar in jedem Fall nach der lex jori vorgenommen werden solle. Entsprechend dem Modell der funktionellen Nachlaßspaltung im anglo-amerikanischen Recht hätte nach Ferids Vorschlag also eine getrennte Anknüpfung von Nachlaßabwicklung und Nachlaßverteilung zu erfolgen. Danach würde nur noch die Verteilung der Erbschaft dem Staatsangehörigkeitsprinzip (bzw. in anderen Rechtsordnungen dem Domizilprinzip und der Situsregel) unterliegen. Dagegen würde für die Abwicklung immer das Forumsrecht desjenigen Staates gelten, in dem das jeweilige Abwicklungsverfahren durchgeführt wird. 52 Dieser Vorschlag Ferids ist jedoch in der deutschen Literatur bisher zu Recht auf fast einhellige Ablehnung gestoßen. 53 Insbesondere muß sich sein Modell nämlich den Vorwurf gefallen lassen, die Probleme nicht wirklich zu lösen, sondern lediglich zu verschieben. Denn die von. Ferid vorgeschlagene funktionelle Nachlaßspaltung würde zwar sicherlich die unter dem geltenden Recht wiederholt auftauchenden Koordinierungsschwierigkeiten zwischen Nachlaßverfahren und Nachlaßabwicklung vermeiden. Jedoch würde sie dafür gleichzeitig neue Konflikte zwischen dem inländischen Abwicklungsrecht und einem. fremden Nachlaßverteilungsrecht heraufbeschwören. Darüber hinaus würde Ferids Modell im Ergebnis auch zu einer noch stärkeren Zersplitterung der internationalen Nachlaßabwicklung führen. 54 Gleichwohl hatte bereits das von Ferid empfohlene Modell gezeigt, daß eine Möglichkeit zur Verringerung der Rechtsschutz- und Anpassungsprobleme unter dem geltenden Recht darin bestünde, die Nachlaßabwicklung vermehrt dem Forumsrecht zu unterstellen. Nur käme es für das deutsche Recht aus den gegen Ferids Vorschlag sprechenden Gründen eben nicht in 52 Ferid, FS Cohn, 36; ders., Recueil des Cours 142 (1974 11), 176 f. Die inhaltliche Abgrenzung des Erbschaftsverteilungs- und des Erbschaftsabwicklungsstatuts sollte dabei nach Ferids Vorschlag ebenso vorgenommen werden, wie es heute in Art. 7 n und m der Haager Erbrechtskonvention vorgesehen ist. Auch nach Ferids Vorschlag sollten also die Bezeichnung der Erbberechtigten, die Reihenfolge ihrer Berechtigung, ihr Anteil, die Begrenzungen der Testierfreiheit - insbesondere in Form von Pflichtteils- und Noterbrechten - und schließlich die Anrechnungs- und Ausgleichspflichten dem Verteilungsstatut zugewiesen werden. Dem Abwicklungsstatut dagegen wären der Erbschaftserwerb, das Verhältnis der Miterben untereinander, die Auseinandersetzung, die Schuldenhaftung nach außen und innen sowie die Testamentsvollstreckung zuzurechnen. Siehe Ferid, FS Cohn, 36. Die Einführung einer solchen funktionellen Nachlaßspaltung in das deutsche IPR war vor Ferid auch schon von anderen Autoren erwogen worden; vgl. z.B. Wiethölter, 167. 53 Vgl. Kegel, IPR, 655; Berenbrok, 168 ff.; Tiedemann, Internationales Erbrecht, 77; Sipp-Mercier, 136; MünchKomm-Birk, Art. 25 EGBGB, Rz. 75 f. 54 Tiedemann, Internationales Erbrecht, 77; Berenbrok, 169 f.

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Frage, nach dem anglo-amerikanischen Muster Nachlaßabwicklung und Nachlaßverteilung unterschiedlich anzuknüpfen. Vielmehr käme es allenfalls in Betracht, beide Sachbereiche gemeinsam häufiger der Lex fori zu unterstellen. Eben dies ist es, was bei einer weiten Anwendung der Haager Erbrechtskonvention auf den gesamten Bereich des Erbstatuts geschehen würde. (c) Anknüpfung an das Recht des Lebensmittelpunktes des Erblassers Die Tatsache, daß es unter Art. 3 der Haager Konvention zu einer verstärkten Anknüpfung an deutsches Forumsrecht kommen würde, liegt darin begründet, daß diese Vorschrift das anwendbare Recht konsequent nach dem jeweiligen Mittelpunkt der tatsächlichen Lebensverhältnisse des Erblassers bestimmt. ss Dies hat zur Folge, daß deutsches Recht unter der Haager Konvention vor allem dann zur Anwendung käme, wenn sich der Schwerpunkt der beruflichen und familiären Beziehungen des Erblassers im Inland befände. In diesen Fällen würde demnach mit einiger Wahrscheinlichkeit auch der größte Teil des NacbIaßvermögens in Deutschland belegen sein. Ähnlich wahrscheinlich wäre es, daß die Mehrzahl der Erben hier wohnt. Auf diese Weise wäre also besser als unter dem geltenden Staatsangehörigkeitsprinzip gewährleistet, daß deutsches Recht jeweils dann zur Anwendung käme, wenn das Bedürfnis nach der Durchführung einer Nachlaßabwicklung in Deutschland stärker ausgeprägt wäre als in den übrigen beteiligten Rechtsordnungen. Die wichtigste Fallkategorie, in denen die Haager Erbrechtskonvention zu einer vermehrten Lex:fori-Anknüpfung führen würde, wäre - darauf wurde bereits oben hingewiesen - die große Gruppe der in Deutschland wohnhaften Gastarbeiter und übrigen Ausländer. Vor allem hier könnte die Anwendung des Forumsrechts zu einer deutlichen Vereinfachung der Nachlaßabwicklung im Inland führen. Dies läßt sich in beispielshafter Weise daran demonstrieren, in welcher Weise der weiter oben besprochene Fall Zannantonio S6 unter der Haager Konvention zu lösen wäre. Dort hatte nämlich der Erblasser italienischer Staatsangehörigkeit sein gesamtes Leben über in Deutschland gewohnt. Ohne Zweifel wäre daher gemäß Art. 3 11 1 des Haager Abkommens deutsches Erbrecht anwendbar gewesen. Bei einer weiten Anwendung des Abkommens LS.d. Art. 7 III hätte dann auch für die Regelung der Erbschaftsannahme und der Haftungsbeschränkung deutsches Recht gegolten. Dadurch wäre in diesem Fall der Gleichlauf von Verfahrensrecht und materiellem Erbrecht gewahrt geblieben. Es hätte also keinen Anlaß für das erstinstanzliche Siehe oben 1. Kapitel, B.II.3.a) und C.I.2.d). BayObLG 2.12.1965, BayObLGZ 1975, 423 = NJW 1967, 447 = DNotZ 1967,51 = IPRspr. 1964-65 Nr. 297; siehe dazu oben 4. Kapitel, B.II.1.b)(2). 55

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rur

Gericht gegeben, sich für die Durchführung der Raftungsbeschränkung unzuständig zu erklären. Außerdem hätten sich die Erben zur Erzielung der Raftungsbeschränkung ohne weiteres der hierfür vom deutschen Erbrecht angebotenen Möglichkeiten bedienen können (Nachlaßverwaltung, Nachlaßkonkurs bzw. Dürftigkeitseinrede). Die Erben hätten also schon in erster Instanz das gewünschte Ergebnis erzieh. Die im realen Fall eingetretenen erheblichen Verfahrensverzögerungen wären somit von vornherein vermieden worden. Dieses Beispiel läßt sich sicherlich insoweit verallgemeinern, als auch bei der Mehrzahl der in Deutschland lebenden Gastarbeiter, zumindest soweit diese der zweiten bzw. dritten Ausländergeneration angehören, zum Zeitpunkt ihres Ablebens der größte Teil ihres Nachlaßvermögens in Deutschland belegen sein wird und die meisten überlebenden Verwandten gleichfalls in Deutschland wohnen werden. Sollte das gegenwärtige Staatsangehörigkeitsprinzip fortgehen, würden sich für diese Bevölkerungsgruppe bei der Nachlaßabwicklung demnach häufig vergleichbare Probleme wie im Fall Zannantonio stellen. Sollte dagegen Deutschland der Raager Erbrechtskonvention beitreten, dann würden diese Schwierigkeiten, wie soeben dargelegt, in diesen Fällen weitgehend vermieden. Zwar kann natürlich auch eine konsequente Anknüpfung der Erbfolge an den Lebensmittelpunkt des Erblassers, wie sie von Art. 3 der Raager Erbrechtskonvention vorgesehen wird, nicht gewährleisten, daß der Gleichlauf von Verfahrensrecht und materiellem Erbrecht in jedem Fall gewahrt bleibt. Denn die deutsche Gerichte würden sich selbstverständlich auch unter der Raager Konvention weiterhin gelegentlich mit Nachlässen befassen müssen, die einem ausländischen Erbstatut unterliegen. Gleichwohl wird man mit einiger Gewißheit annehmen dürfen, daß die Zahl der Fälle, in denen es zu den oben geschilderten Schwierigkeiten kommen kann, unter dem Raager Abkommen deutlich abnehmen würde. Dieses Ergebnis spräche demnach nicht nur dafür, das Abkommen gemäß Art. 7 III auf den gesamten Bereich des Erbstatuts im Sinne des deutschen Kollisionsrechts anzuwenden. Es spricht auch generell für einen deutschen Beitritt zur Raager Erbrechtskonvention. b) Verringerter internationaler Entscheidungseinklang mit Heimatstaaten ausländischer Erblasser (1) Überblick

Den oben genannten Vorzügen stünden, falls Deutschland dem Raager Abkommen beitreten und dieses auch auf die Nachlaßabwicklung anwenden würde, auf der anderen Seite jedoch auch wichtige Nachteile gegenüber. Für die Abwicklung von Ausländernachlässen wären in diesem Falle nämlich 24 Brandi

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

spürbare Einbußen hinsichtlich des äußeren Entscheidungseinklangs zu erwarten. Die vermehrte Let{ori-Anknüpfung unter Art. 3 11 der Haager Konvention hätte also zur Folge, daß die deutschen Nachlaßgerichte vermehrt Entscheidungen fällen würden, die im Widerspruch zu entsprechenden Maßnahmen der Nachlaßgerichte in den Heimatstaaten der ausländischen Erblasser stünden. Zusammengefaßt hätte dies drei verschiedene Ursachen: Erstens würde die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung unter Art. 311 der Haager Konvention nicht mehr im Einklang stehen mit den kollisionsrechtlichen Regeln der Heimatstaaten der meisten in Deutschland lebenden Ausländer. Zweitens würde die vermehrte Let{ori-Anwendung dazu führen, daß die deutschen Nachlaßgerichte fiir die Abwicklung von Ausländernachlässen häufiger als bislang zuständig wären. Dadurch würden sie mehr Entscheidungen fällen, die potentiell mit Entscheidungen der Gerichte der Heimatstaaten kollidieren könnten. Drittens wäre es nur noch in einem geringeren Maße als bislang gewährleistet, daß die Maßnahmen deutscher Nachlaßgerichte in den Heimatstaaten der ausländischen Erblasser anerkannt würden. Diese drei Aspekte sollen nunmehr näher beleuchtet werden. Dabei werden aus Vereinfachungsgründen allerdings nur die Auswirkungen der Haager Konvention auf die Abwicklung beweglicher Nachlässe analysiert. Für Immobiliarnachlässe gelten insofern wiederum besondere Regeln. Diese sind z. T. bereits im zweiten Kapitel dieser Arbeit besprochen worden.

(2) KolUsionsrechtUcher Entscheidungseinklang ? Die vermehrte Let{ori-Anknüpfung unter Art: 311 würde zum einen dazu führen, daß der kollisionsrechtliche Entscheidungseinklang im Verhältnis zu den Heimatstaaten der betroffenen Erblasser vermindert würde. Die deutschen Nachlaßgerichte würden auf die Nachlaßabwicklung also häufiger als bisher ein anderes Recht anwenden als die Gerichte des jeweiligen Heimatstaates: Zwar würde die Einführung des Domizilprinzips, so wie es in Art. 3 11 der Haager Konvention verankert ist, im Einklang mit dem Kollisionsrecht der meisten direkten Nachbarstaaten Deutschlands stehen. Diese folgen nämlich in der Mehrzahl gleichfalls dem Domizilprinzip und zwar entweder hinsichtlich des gesamten Nachlaßvermögens oder zumindest beim Mobiliarnachlaß. Zu ersterem sind Dänemarks7 und die Schweizs8 zu rechnen und zu letzterem Vgl. Philip, 275. Gemäß Art. 91 I des schweizerischen (PR-Gesetzes vom 18. Dezember 1987 ist auf den Nachlaß einer Person mit letztem Wohnsitz im Ausland dasjenige Recht 57

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B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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Frankreich59 , Beigien60 , Luxemburg61 . Die materiellrechtlichen Voraussetzungen des "Domizils" mögen in diesen Rechtsordnungen vielleicht nicht immer identisch sein mit denjenigen des gewöhnlichen Aufenthaltes LS.v. Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention. Gleichwohl ist es recht wahrscheinlich, daß auch diese Staaten nach einem mehr als fünfjährigen gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers in Deutschland in der Regel deutsches Erbrecht auf die Abwicklung des Mobiliarnachlasses anwenden würden. 62 Insoweit würden Heimatstaat und Aufenthaltsstaat also das gleiche Recht zur Anwendung berufen. Unter der gegenwärtigen Rechtslage ist dies dagegen seltener der Fall. Ein deutsches Gericht hätte nämlich zwar gemäß Art. 4 I EGBGB eine Rückverweisung des Heimatrechts zu beachten, wenn dieses für die Anknüpfung der Erbfolge auf deutsches Erbrecht als Recht des Erblasserwohnsitzes verweist. Jedoch müßte es diese Rückverweisung beim deutschen Recht abbrechen (vgl. Art. 4 I 2 EGBGB). Es dürfte also nicht berücksichtigen, daß das Heimatrecht seinerseits die Verweisung durch Art. 25 I EGBGB annehmen würde. Frankreich, Belgien und Luxemburg würden einen solchen renvoi durch das deutsche Kollisionsrecht jedoch für beachtlich erklären. 63 Demnach anzuwenden, auf welches das Kollisionsrecht des Wohnsitzstaates verweist. Diese Vorschrift verursacht aus Sicht des gegenwärtigen deutschen IPR einige Auslegungsschwierigkeiten, da nicht klar ersichtlich ist, ob auf diese Weise eine für den deutschen Richter gemäß Art. 4 I EGBGB beachtliche Rückverweisung auf deutsches Erbrecht ausgesprochen wird. Vgl. hierzu ausführlich Krzywon, BWNotZ 1989, 153 ff., und von Overbeck, IPRax 1988, 329, 332 f. Diese Auslegungsschwierigkeiten würden jedoch bedeutungslos, wenn Deutschland der Haager Erbrechtskonvention beiträte. Denn bei einem mehr als fünfjährigen gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers in Deutschland wäre aus deutscher Sicht das eigene Erbrecht bereits direkt anwendbar, ohne daß es dazu einer Rückverweisung durch das schweizerische IPR bedürfte. Zu dem gleichen Ergebnis käme auch ein schweizerischer Richter gemäß Art. 9111PRG. Und in den übrigen Fällen, wo das Haager Abkommen u.U. auf das schweizerische Recht verweisen würde, dürfte dessen renvoi gemäß Art. 17 des Haager Abkommens ohnehin nicht beachtet werden. S9 Vgl. BatiffoVLagarde, Rz. 634,636 ff. 60 Vgl. van Hecke, Rz. 593. 61 Vgl. Cieslar, Luxemburg, in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 7. 62 Im französischen Recht, zum Beispiel, wird der domicile einer natürlichen Person gemäß Art. 102 Code Civil als derjenige Ort bestimmt, an dem sich die hauptsächliche Niederlassung (etablissement principal) befmdet. Erforderlich ist dafür das Vorhandensein einer Wohnstätte und der Wille, an diesem Ort die hauptsächliche Niederlassung zu begründen (Ebenroth, Rz. 1322 m.w.N.). Dies entspricht im Ergebnis auch den Anforderungen an die Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes i.S.v. Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention (siehe hierzu 1. Kapitel, B.II.4.b». 63 Vgl. Ebenroth, Rz. 1320, 1322, 1327 jeweils m.w.N. Das dänische Recht würde eine solche Rückverweisung nicht anerkennen (vgl. ebd., Rz 1321 m.w.N.). 24-

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

wird zumindest im Verhältnis zu diesen Staaten derzeit kein Entscheidungseinklang erzielt. Dem könnte durch einen deutschen Beitritt zur Haager Erbrechtskonvention abgeholfen werden. Demgegenüber würde die Aufenthaltsanknüpfung unter Art. 3 II der Haager Konvention jedoch nicht mehr im Einklang mit dem Kollisionsrecht derjenigen Staaten stehen, aus denen die meisten der in Deutschland lebenden Ausländer kommen. Hierbei handelt es sich um die Türkei, Italien, Griechenland, Spanien, Österreich, Polen, die Niederlande und die Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawiens. 64 Diese Länder folgen alle grundsätzlich dem Staatsangehörigkeitsprinzip und zwar auch für die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung. 65 Wenn in Deutschland die Nachlässe von Angehörigen dieser hn schweizerischen IPR ist die Rechtslage unklar (siehe Krzywon, BWNotZ 1989, 153 ff.; von Overbeck, IPRax 1988,332 f.). 64 Vgl. die Übersicht in BasedowlDiehl-Leistner, 31; Statistisches Bundesamt, Statistisches Jahrbuch 1994, Tabelle 3.21., S. 72. 6S ZU Italien siehe Art. 23 Codice Civile (vgl. Ebenroth, Rz. 1326 m.w.N.); zu Griechenland siehe Art. 28 des griechischen Zivilgesetzbuches (vgl. Ebenroth, Rz. 1323 m.w.N.); zu Spanien siehe Art. 9 Nr. 8 C6digo Civil (vgl. Ebenroth, Rz. 1332 m.w.N.); zu Österreich siehe §28 I des IPRG vom 1. Januar 1979 (vgl. Ebenroth, Rz. 1329 m.w.N.); zur Rechtslage im ehemaligen Jugoslawien siehe Art. 30 I des IPR-Gesetzes vom 1.1.1983 (abgedruckt in Firsching, IPRax 1983, I, 7).

Zur Türkei siehe Art. 21 des IPR-Gesetzes vom 20. Mai 1982 (abgedruckt in: Krüger, IPRax 1982, 252,256) und § 14 des deutsch-türkischen Nachlaßabkommens (RGBl. 1930 n 758 ff.), das in Anlage zu Art. 20 des dt.-türk. Konsularvertrages vom 28.5.1929 (RGBl. 1930 n 748 ff.; neu bekannt gemacht am 29.5.1952; BGBl. 1952 n 608; siehe hierzu auch Kremer, IPRax 1981, 205) abgeschlossen wurde. Danach gilt das Staatsangehörigkeitsprinzip allerdings nur für den beweglichen Nachlaß, während der Immobiliarnachlaß dem Situsrecht unterliegt. Art. 21 n des türkischen IPR-Gesetzes unterstellt darüber hinaus auch beim Mobiliarnachlaß die meisten Fragen der Nachlaßabwicklung dem jeweiligen Situsrecht. Es ist allerdings anzunehmen, daß diese Sonderanknüpfung der Nachlaßabwicklung im Verhältnis zu der BRD keine Anwendung findet, da sich in dem - insoweit wohl vorrangigen deutsch-türkischen Nachlaßabkommens keine entsprechende Regelung wiederfindet. Nicht ganz eindeutig ist die derzeitige Rechtslage in den Niederlanden. Zwar wird die Erbfolge auch nach dem - bislang im wesentlichen unkodifizierten - niederländischen IPR grundsätzlich an das Heimatrecht des Erblasser angeknüpft (Hoge Raad Beschl. v. 2.1.1959, in: RabelsZ 29 (1965), 747; Ebke, RabelsZ 48 (1984), 325 m.w.N.). Jedoch nimmt die gängige notarielle Praxis in den Niederlanden eine funktionelle Nachlaßspaltung vor und wickelt den Nachlaß ausländischer Nachlasser nicht nach dem Heimatrecht, sondern nach dem niederländischen Wohnsitzrecht ab (Ebke, ebd., 330 m.w.N.). Für diese Vorgehensweise existiert aber bislang ebenfalls keine gesetzliche Grundlage. Daher ist nicht auszuschließen, daß es sich hierbei lediglich um eine einseitige Verweisungspraxis zugunsten des niederländischen materiellen Erbrechts handelt. Es erscheint daher fragwürdig, hieraus bei deutschem Wohnsitz

B. Konsequenzen für die RatifIkation durch Deutschland

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Staaten entgegen der bisherigen Rechtslage nicht mehr nach dem Heimatrecht, sondern nach deutschem Aufenthaltsrecht abgewickelt würde, würde der bislang mit diesen Staaten bestehende kollisionsrechtlich Entscheidungseinklang zerstört. Die deutschen Nachlaßgerichte und die Gerichte des Heimatstaates würden auf diese Weise also oft unterschiedliches Recht auf die Nachlaßabwicklung anwenden und kämen dementsprechend häufig zu divergierenden Ergebnissen auf materiellrechtlicher Ebene.

(3) Verfahrensrechtlicher Entscheidungseinklang ? (a) Ausweitung der Zuständigkeit der deutschen Nachlaßgerichte Daruberhinaus würde im Verhältnis zu diesen Staaten auch der auf verfahrensrechtlicher Ebene bestehende Entscheidungseinklang gemindert: Wie oben dargelegt, versuchen die deutschen Nachlaßgerichte Entscheidungswiderspruche mit ausländischen Nachlaßgerichten auf verfahrensrechtlichem Wege soweit wie möglich dadurch zu vermeiden, daß sie sich bei Geltung eines ausländischen Erbstatuts grundsätzlich für international unzuständig ansehen ("Gleichlauftheorie").66 Da unter dem geltendem Staatsangehörigkeitsprinzip bei Ausländernachlässen oft - soweit keine Rückverweisung eingreift - ausländisches Erbrecht zur Anwendung gelangt, fehlt es entsprechend häufig an einer Zuständigkeit der deutschen Nachlaßgerichte. Dadurch vermeiden diese es von vornherein, Entscheidungen zu fällen bzw. Maßnahmen zu treffen, die mit denjenigen der Gerichte des Lex-causae-Staates in Widerspruch geraten könnten. Wie gleichfalls oben erläutert wurde, wird dieser Grundsatz zwar nicht immer konsequent durchgehalten. 67 Gleichwohl wird auf diesem Wege der Entscheidungseinklang mit den übrigen Staaten des Staatsangehörigkeitsprinzips zumindest in gewissem Umfange zusätzlich gefördert. eines niederländischen Erblassers eine Rückverweisung auf deutsches Erbrecht abzuleiten (so aber anscheinend Ebenroth, Rz. 1328). Allerdings hat sich diese Praxis in Art. 9 der - bislang nicht in Kraft getretenen - Benelux-Konvention (Vertrag vom 18. Mai 1951 zur Einführung eines einheitlichen Gesetzes über das IPR in den Niederlanden, in Belgien und in Luxemburg in der Fassung vom 3.11.1966) niedergeschlagen (Berenbrok, 159; Ebke, RabelsZ 48 (1984), 330 Fn. 56). Dort wird ebenfalls eine funktionelle Nachlaßspaltung vorgenommen, wonach nur die Nachlaßverteilung dem Heimatrecht des Erblasser unterliegt, während für die Nachlaßabwicklung das jeweilige Domizilrecht gilt (siehe dazu auch Ferid, Recueil des Cours 142 (1974 165 - 167, 185). 66 Siehe oben 4. Kapitel, B.II.l.a)(1). 67 Siehe oben 4. Kapitel, B.II.1.c).

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Im Falle eines deutschen Beitritts zum Haager Erbrechtsabkommen würde diese verfahrensrechtliche Stütze des internationalen Entscheidungseinklangs ihrer Wirkung jedoch teilweise beraubt. Denn die zuständigkeitsbeschränkenden Auswirkungen der Gleichlauftheorie greifen nur solange, wie auf kollisionsrechtlicher Ebene das Staatsangehörigkeitsprinzip gilt. Da unter Art. 3 n des Haager Abkommens aber vermehrt an deutsches Erbrecht angeknüpft würde, wären die deutschen Nachlaßgerichte nunmehr auch häufiger als bisher für die Abwicklung von Ausländernachlässen zuständig. Dadurch würden sie eine größere Zahl von Entscheidungen fällen, die potentiell mit entsprechenden Maßnahmen der Gerichte des Heimatstaates in Konflikt geraten könnten. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß die deutschen Nachlaßgerichte ihre Zuständigkeit für die Abwicklung von Fremdrechtsnachlässen auch unter der Gleichlauftheorie in bestimmten Ausnahmefällen bejahen. 68 Dadurch bedingt würde nur eine überschaubare Anzahl nachlaßgerichtlicher Maßnahmen von der o.a. Zuständigkeitsausweitung erfaßt. Im wesentlichen würde es sich hierbei nur um die Entgegennahme von Testamentsanfechtungen, die gerichtliche Mitwirkung bei der Nachlaßauseinandersetzung, die Ernennung und Entlassung von Testamentsvollstreckern sowie um Maßnahmen zur Herbeiführung einer Beschränkung der Nachlaßhaftung handeln. 69 Daher würden sich die Risiken für den internationalen Entscheidungseinklang, die von der oben beschriebenen Zuständigkeitsausweitung als solcher ausgehen würden, im Ergebnis in relativ engen Grenzen halten.

(b) Verringerte Anerkennungsaussichten für deutsche Entscheidungen Schwerer wiegt demgegenüber die Tatsache, daß sich unter der Haager Erbrechtskonvention im Ergebnis auch die Anerkennungschancen für deutsche nachlaßgerichtliche Entscheidungen in den Heimatstaaten der ausländischen Erblasser verringern würden. Zwar wäre es an sich theoretisch denkbar, daß die Folgen der divergierenden kollisionsrechtlichen Anknüpfung im Verhältnis zu den Staaten des Staatsangehörigkeitsprinzips dadurch gemildert werden könnten, daß die auf Art. 3 11 der Haager Konvention gestützten deutschen Gerichtsentscheidungen dort anerkannt und gegebenenfalls vollstreckt würden. In solch einem Fall wäre der Entscheidungseinklang im Verhältnis zu diesen Staaten zumindest auf diesem verfahrensrechtlichem Wege gewahrt. Tatsächlich aber hätten deutsche nachlaßgerichtliche Maßnahmen, die auf die Nachlaßabwicklung deutsches Aufenthaltsrecht anwenden würden, dort 68 69

Siehe oben 4. Kapitel, B.II.1.a)(2). Siehe oben 4. Kapitel, B.II.1.a)(2).

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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ziemlich geringe Aussichten auf Anerkennung. Relativ häufig würde der Anerkennung derartiger Entscheidungen nämlich als Hindernis entgegenstehen, daß das deutsche Nachlaßgericht aus Sicht des Heimatstaates nicht die erforderliche Zustandigkeit zur Beurteilung des Falles gehabt hätte. In anderen Fällen könnte die Anerkennung daran scheitern, daß vom deutschen Gericht aus Sicht des Anerkennungsstaates das falsche materielle Erbrecht angewandt wurde. Im einzelnen würden sich diese Anerkennungshindernisse entweder aus einschlägigen staatsvertraglichen Regelungen oder aus dem autonomen internationalen Zivilprozeßrecht der jeweiligen Heimatstaaten ergeben. i) Anerkennungsvoraussetzungen nach staatsvertraglichen Regelungen Das Brüsseler EWG-Übereinkommen über die gerichtliche Zustandigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen von 1968 findet gemäß Art. 1 n Nr. 1 auf dem Gebiet des Erbrechts keine Anwendung. Daher kann sich die Anerkennung deutscher nachlaßgerichtlicher Maßnahmen in den Heimatländern der ausländischen Erblasser auf staatsvertraglicher Ebene allenfalls nach den bilateralen Anerkennungsund Vollstreckungsübereinkommen richten, die Deutschland mit einigen dieser Staaten abgeschlossen hat. Von denjenigen Heimatstaaten, die für die Anknüpfung der Erbfolge dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgen, gehören hierzu insbesondere Italien, Österreich, Griechenland, Spanien und die Niederiande. 70 Allerdings scheidet dabei das bilaterale Abkommen mit Italien im vorliegenden Zusammenhang von vornherein aus. Denn nach allgemeiner Auffassung findet dieses keine Anwendung auf Maßnahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 71 Dagegen erfassen die mit Österreich, Griechenland, Spanien und der Niederlande vereinbarten Übereinkommen grundsätzlich auch Entscheidungen aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit. 72 Jedoch gelten diese 70 Im übrigen bestehen derartige Abkommen u.a. auch mit Belgien (dt.-belg. Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen vom 30.6.1958) und der Schweiz (dt.-schweizer. Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen vom 2.11.1929), abgedruckt in JaymelHausmann, Nr. 92, 94, S. 379 ff., 387 ff. 7l Waehler, Kap. IU, Rz. 90 und Pn. 113. 72 So ausdrücklich jeweils Art. 1 I des dt.-öster. Anerkennungs- und Vollstrekkungsübereinkommens vom 6.6.1959, des dt.-griech. Anerkennungs- und Vollstrekkungsüberkommens vom 4.11.1961, des dt.-niederl. Anerkennungs- und Vollstrekkungsübereinkommens vom 30.8.1962 und des dt.-span. Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommens vom 14.11.1983 (abgedruckt in Jayme/Hausmann, Nr. 95,97,98 u. 99, S. 395 ff.).

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Abkommen wiederum nur für solche Entscheidungen, die in "echten Streitverfahren" ergangen sind, d.h. in Verfahren, in denen über Ansprüche zweier miteinander streitender Parteien befunden wird. 73 Daher sind Gerichtsentscheidungen aus einseitigen Verfahren, in denen nicht über einen Anspruch einer Person gegen einen anderen Verfahrensbeteiligten entschieden wird, aus dem Anwendungsbereich dieser Übereinkommen ausgeschlossen. 74 Im Bereich des Erbrechts fallen unter diese Abkommen daher im wesentlichen bloß die Entscheidung über die Entlassung eines Testamentsvollstreckers (§ 2227 BGB; § 72 FGG) und gerichtliche Verfügungen bei der Auseinandersetzung zwischen Miterben (§§ 86 ff. FGG).7S Nicht erfaßt werden dagegen z.B. die Bestellung eines Nachlaßverwaiters76 und die Erteilung eines Erbscheines. 77 Soweit die bilateralen Abkommen mit Österreich, Griechenland, Spanien und der Niederlande anwendbar wären, würden sich die Voraussetzungen für die Anerkennung deutscher nachlaß gerichtlicher Maßnahmen in diesen Staaten also allein nach den darin enthaltenen Regelungen richten. Das im vorliegenden Zusammenhang wichtigste Hindernis für die Anerkennung deutscher nachlaßgerichtlicher Maßnahmen wäre dabei das Gebot der kollisionsrechtlichen Konformität der ausländischen Entscheidung mit dem IPR des Anerkennungsstaates. Allen vier Abkommen gemeinsam ist nämlich das Erfordernis, daß in personenrechtlichen Fragen - einschließlich des Erbrechts - die Anerkennung versagt werden kann, wenD. die ausländische Entscheidung ein anderes Recht angewandt hat, als nach dem IPR des Anerkennungsstaates 73 Waehler, Kap. III, Rz.90; Geimer/Schütze, Bd. 111, § 193 VIII, S. 1437 (allgemein) und Bd. 11. S. 63 (zum dt.-öster. Vertrag). Vgl. die jeweils identische Formulierung in Art. 1 I des dt.-öster .• des dt.-griecb. und des dt.-niederl. Abkommens: "... Entscheidungen .... durch die ... über Ansprüche der Parteien ... erkannt ist". Entsprechende Stellungnahmen fmden sich auch in den Berichten der Unterhändler zum dt.-niederl. und dt.-griech. Vertrag. abgedruckt in: Geimer/Schütze. Bd. I/I. § 193 VIII Fn. 50. Zwar vom Ausgangspunkt anders. aber im Ergebnis weitgehend identisch ist die Stellungnahme zum dt.-span: Abkommen von Karl. Dt.-span. Anerkennungs- und Vollstreckungsübereinkommen vom 14.11.1983. in: Bülow/Böckstiegei. Der internationale Rechtsverkehr in Zivil- und Handelssachen. Bd. 11. Nr. 663. S. 72 - 75. 74 Waehler, Kap. III. Rz.90; Geimer/Schütze. Bd. I/I. § 193 VIII. S. 1437 (allgemein) und Bd. 11. S. 63 (zum dt.-öster. Vertrag). 75 Geimer/Schütze. Bd. 11, 66 (zum dt.-öster. Vertrag); Karl. ebd., 74 (zum dt.span. Vertrag); ebenso die Stellungnahmen der Unterhändler zum dt.-niederl. und dt.griech. Vertrag. abgedruckt in Geimer/Schütze. Bd. 1/1. § 193 VIII Fn. 50. 76 Waehler. Kap. III. Rz. 90; Stellungnahmen der Unterhändler zum dt.-niederl. und dt.-griech. Vertrag. abgedruckt in Geimer/Schütze. ebd. Anders aber zum dt.span. Vertrag Karl. ebd. 77 Karl. ebd .• 75 (zum dt.-span. Vertrag).

B. Konsequenzen für die Ratiftkation durch Deutschland

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anwendbar gewesen wäre. Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, daß das nach dem IPR des Anerkennungsstaates maßgebliche Sachrecht zum gleichen materiellrechtlichen Ergebnis geführt hätte. 78 Daher könnte einer deutschen nachlaßgerichtlichen Entscheidung in diesen Staaten allein aus demjenigen Grunde die Anerkennung versagt werden, daß sie im Gegensatz zum IPR des Anerkennungsstaates nicht das Heimatrecht des Erblassers, sondern gemäß Art. 3 11 der Haager Erbrechtskonvention das deutsche Aufenthaltsrecht angewandt hätte. Anders wäre allenfalls dann zu entscheiden, wenn unter hypothetischer Anwendung des Erbrechts des Anerkennungsstaates materiellrechtlich das gleiche Ergebnis erzielt würde wie nach deutschem Recht. Unter der gegenwärtigen Rechtslage bereitet diese Anerkennungsvoraussetzung kaum Probleme, da sowohl das deutsche IPR als auch das Kollisionsrecht der o.a. Staaten für die Anknüpfung der Erbfolge dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgen. Bei einem deutschen Beitritt zum Haager Erbrechtsabkommen könnte sich dies jedoch als ein wichtiges Anerkennungshindernis für deutsche nachlaßgerichtliche Entscheidungen herausstellen. Innerhalb des Anwendungsbereichs der mit Österreich, Griechenland, Spanien und der Niederlande abgeschlossenen Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen wäre der· Entscheidungseinklang daher nach einem deutschen Beitritt zur Haager Erbrechtskonvention auch auf dieser verfahrensrechtlichen Ebene nicht mehr gewährleistet. ii) Anerkennungsvoraussetzungen nach innerstaatlichem Recht der Heimatstaaten

Soweit die o.a. Anerkennungs- und Vollstreckungsabkommen nicht einschlägig sind bzw. soweit im Verhältnis zu den übrigen Länder des Staatsangehörigkeitsprinzips solche Abkommen nicht existieren, würde sich die Anerkennung deutscher nachlaß gerichtlicher Entscheidungen allein nach dem autonomen innerstaatlichen Recht der Heimatstaaten der ausländischen Erblasser richten. Auch insoweit würde sich zunächst wieder die Frage stellen, ob die Anerkennung der deutschen Entscheidung daran scheitern könnte, daß nach dem IPR des Anerkennungsstaates nicht das deutsche Aufenthaltsrecht, sondern das ausländische Heimatrecht anwendbar wäre. In einigen Rechtsordnungen, z.B. in der Türkei79 und in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens80 , 78 Siehe Art. 4 11 des dt.-griech. Abkommens, Art. 3 11 des dt.-niederländ. Abkommens, Art. 311 des dt.-öster. Abkommens und Art. 611 des dt.-span. Abkommens; vgl. auch Kar!, ebd., Art. 6 Anm. 11, S. 117 f. (zum dt.-span. Abkommen); vgl. auch GeimerlSchütze, Bd. 11, S. 116 ff. (zum dt.-öster. Abkommen). 79 Vgl. Art. 38 e) des türkischen IPR-Gesetzes von 1982. Danach braucht ein das Personalstatut von türkischen Staatsangehörigen betreffendes ausländisches Urteil

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

könnte dies u. U. ein Hindernis für die Anerkennung darstellen. Grundsätzlich aber geht der Trend im internationalen Zivilverfahrensrecht dahin, der Frage des anwendbaren Rechts bei der Anerkennung ausländischer Entscheidungen keine Bedeutung mehr zuzusprechen. 81 Entscheidend für die Anerkennungsaussichten einer deutschen Entscheidung wäre in denjenigen Rechtsordnungen, die diesem Trend folgen, deshalb vielmehr, ob das deutsche Gericht nach den Regeln des Anerkennungsstaates die erforderliche internationale Zuständigkeit für die Entscheidung des Falles hatte. 82 Wie bereits mehrfach erwähnt, käme es bei einem deutschen Beitritt zur Haager Erbrechtskonvention unter Berücksichtigung der Gleichlauftheorie hauptsächlich in denjenigen Fällen zu einer Ausweitung der Zuständigkeit deutscher Nachlaßgerichte, wo der ausländische Erblasser nach mehr als fünfjährigem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland verstorben wäre. Daher stünden der Anerkennung deutscher nachlaßgerichtlicher Maßnahmen in diesen Fällen erhebliche Hindernisse entgegen, wenn der jeweilige Heimatstaat sich für die Durchführung der Nachlaßabwicklung bei Erblassern seiner eigenen Staatsangehörigkeit nach seinen eigenen zivilprozessualen Regeln für international ausschließlich zuständig ansehen würde. Dann hätte nämlich das deutsche Nachlaßgericht aus der Sicht des Heimatstaates nicht die erforderliche Zuständigkeit zur Durchführung der Nachlaßabwicklung gehabt. Schwierigkeiten für die Anerkennung deutscher nachlaßgerichtlicher Entscheidungen wären somit also vor allem in denjenigen Fällen zu erwarten, wo sich aus der Sicht des Anerkennungsstaates die Anknüpfungen für internationale Zuständigkeit und anwendbares Recht parallel nach dem Staatsangehörigkeitsprinzip bestimmen würden. 83 In einigen der westeuropäischen Rechtsordnungen, die dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgen, besteht eine derartige Parallelität zwischen kollinicht anerkannt werden, wenn es nicht das nach türkischem IPR maßgebliche Recht angewandt hat und der beklagte türkische Staatsangehörige aus diesem Grund einen Einwand gegen die Vollstreckbarkeit erhoben hat (abgedruckt in: Krüger, IPRax 1982,258). 80 Vgl. Art. 93 des jugoslawischen IPR-Gesetzes von 1983. Dieser bestimmt, daß eine Entscheidung über den persönlichen Status eines jugoslawischen Staatsangehörigen nicht anerkannt werden braucht, wenn nach diesem IPR-Gesetz jugoslawisches Recht anwendbar gewesen wäre, die ausländische Entscheidung aber ein anderes Recht angewandt hatte und damit zu einer "prinzipiellen Abweichung" vom jugoslawischen Recht führen würde (abgedruckt in: Firsching, IPRax 1983, 12). 81 Heldrich, 226; Berenbrok, 81; BatiffoVLagarde, No. 726, S. 583 mit Nachweisen u.a. zu Italien und der Niederlande. Eine wichtige Ausnahme stellt allerdings das französische Recht dar (vgl. BatiffoVLagarde, ebd.). 82 Heldrich, ebd.; Berenbrok, ebd. 83 Vgl. hierzu Berenbrok, 81.

B. Konsequenzen für die Ratütkation durch Deutschland

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sionsrechtlicher Anknüpfuog und gerichtlicher Zuständigkeit. An erster Stelle ist dafür das österreichische Recht zu nennen. Dort beanspruchen die Nachlaßgerichte in jedem Falle die ausschließliche Zuständigkeit für die Abwicklung des Mobiliarnachlasses eigener Staatsangehöriger, auch wenn der Nachlaß im Ausland belegen ist. 84 Aus diesem Grunde würde die Anerkennung einer deutschen Entscheidung, die sich mit der Abwicklung des in Deutschland belegenen Mobiliarnachlasses eines österreichischen Erblassers befaßt hätte, in Österreich mit Sicherheit scheitern. 8S Ähnlich ist die Rechtslage im italienischen Recht. Auch dort besteht nach der Rechtsprechung für bestimmte nachlaßgerichtliche Verrichtungen, welche die Nachlässe italienischer Erblasser betreffen (wie z.B. die Anordnung einer Nachlaßpflegschaft), eine ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte des italienischen Heimatstaates. 86 Insoweit hätte eine deutsche Entscheidung daher auch in Italien keine Aussicht auf Anerkennung. Allerdings können nach dem italienischem Recht Maßnahmen rein bestätigender oder beurkundender Art (wie z.B. eine Inventarerrichtung) auch vor den Gerichten des ausländischen Erblasserwohnsitzes vorgenommen werden. 87 Damit könnte also zumindest für diese Kategorie von nachlaßgerichtlichen Verrichtungen mit einer Anerkennung der deutschen Entscheidung in Italien gerechnet werden. 88 In manchen Rechtsordnungen, die dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgen, besteht dagegen keine derartige zwingende Parallelität von anwendbarem Recht und internationaler Zuständigkeit. Vielmehr richtet sich die internatio84 Ebd., 81 und 156 m.w.N.; Schröder, Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 10 (1971), 184 f. Vgl. § 21 AußStrG (Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Rechtsangelegenheiten außer Streitsachen), abgedruckt bei. PirschinglWirner, Österreich Texte III Nr. 17, in: Perid/Pirsching, Internationales Erbrecht. 85 Vgl. Berenbrok, 81. 86 Casarotto, Italien, in: Perid/Pirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 280 m.w.N.; weniger eindeutig dagegen Schröder, Berichte der deutschen Gesellschaft für Völkerrecht 10 (1971, 182. 87 Casarotto, ebd.; vgl. auch Schröder, ebd. 88 Unklar ist die Rechtslage dagegen im griechischen Recht. Dort richtet sich die internationale Zuständigkeit in Nachlaßsachen entweder nach dem Wohnsitz oder nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers (vgl. Georgiades/Dimakou-Kiaou, Griechenland, in: Perid/Pirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 23 ff. und Rz. 299). Das würde zwar bedeuten, daß die griechischen Nachlaßgerichte sich auch für die Abwicklung der Nachlässe in Deutschland lebender griechischer Gastarbeiter für international zuständig ansehen. Jedoch ist nicht ersichtlich, ob diese Statuszuständigkeit für griechische Staatsangehörige ausschließlichen Charakter hat oder ob sie für Anerkennungszwecke auch eine konkurrierende Zuständigkeit der Gerichte am deutschen Erblasserwohnsitz zulassen würde.

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

nale Zuständigkeit dort vorrangig nach dem letzten Wohnsitz des Erblassers. Hierfür sei als ein Beispiel das niederländische Recht genannt. 89 Dort würde eine deutsche nachlaßgerichtliche Entscheidung, die sich mit der Abwicklung des Nachlasses eines niederländischen Erblassers befaßt hat, also zumindest dann anerkannt werden, wenn der Erblasser nach niederländischem Verständnis seinen Wohnsitz in Deutschland gehabt hat. 90 (4) Ergebnis

Insgesamt gesehen wären die Auswirkungen eines deutschen Beitritts zur Haager Erbrechtskonvention auf den Entscheidungseinklang im Rahmen der internationalen Nachlaßabwicklung demnach eher negativer Natur. Zwar stünde die Anwendung des deutschen Erbrechts bei einem mehr als fünfjährigen gewöhnlichen Inlandsaufenthalt des Erblassers im Einklang mit den kollisionsrechtlichen Regeln der meisten direkten Nachbarstaaten Deutschlands, da diese in der Mehrheit dem Domizilprinzip folgen und daher im Regelfall die Nachlaßabwicklung für ihre in Deutschland wohnhaften Staatsangehörigen ebenfalls nach deutschem Recht beurteilen würden. Dagegen würde - im Gegensatz zur gegenwärtigen Rechtslage - kein Entscheidungseinklang mehr gegenüber den meisten Heimatstaaten der in Deutschland lebenden Ausländer herrschen, weil diese die Erbfolge an das Recht der Staatsangehörigkeit anknüpfen. Hinzu kommt, daß im Verhältnis zu der letztgenannten Staatengruppe die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen auch auf verfahrensrechtlicher Ebene zunehmen würden. Zum einen würde sich die internationale Zuständigkeit der deutschen Nachlaßgerichte - bei Zugrundelegung der Gleichlauftheorie - infolge der vermehrten Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht unter Art. 3 11 der Haager Konvention ausweiten. Vor allem aber hätten deutsche Entscheidungen, die sich auf diese ausgedehnte Zuständigkeit stützen und deutsches Aufenthaltsrecht anwenden würden, in vielen Ländern des Staatsangehörigkeitsprinzips insgesamt gesehen nur eine relativ geringe Aussicht auf Anerkennung und Vollstreckung.

89 Siehe Drobnig, JZ 1959, 317, 318 m.w.N. In der niederländischen Praxis ist allenfalls umstritten, ob in dem Fall, daß der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte, hierdurch eine niederländische Zuständigkeit ausgeschlossen würde oder nicht. Auf keinen Fall aber besteht eine ausschließliche niederländische Zuständigkeit für die Abwicklung von Nachlässen niederländischer Staatsangehöriger (vgl. ebd.). 90 Jedenfalls gilt dies solange, wie die jeweilige nachlaß gerichtliche Entscheidung nicht unter das dt.-niederländ. Anerlrennungs- und Vollstreckungsabkommen fallen würde; siehe oben 4. Kapitel, B.II.3.b)(3)(b)(i).

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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Für die deutsche Praxis hätte dies eine weitere Zersplitterung der internationalen Nachlaßabwicklung zur Folge. Denn bei einer Ausdehnung der Zuständigkeit der deutschen Nachlaßgerichte würde sich die Anzahl konkurrierender Abwicklungsverfahren erhöhen. Zumindest wäre hiervon das Verhältnis zu den Ländern des Staatsangehörigkeitsprinzips betroffen, denen gegenüber die Gleichlauftheorie bislang eine gewisse Bündelung der Nachlaßabwicklung im Forum des Heimatstaates gewährleistete. In diesen konkurrierenden Abwicklungsverfahren käme zudem vermehrt unterschiedliches Erbrecht zur Anwendung. Dadurch würde sich das Risiko erhöhen, daß der Nachlaß in den beteiligten Ländern ein uneinheitliches rechtliches Schicksal erleiden könnte. Eine solche Entwicklung sollte grundsätzlich vermieden werden. Die negativen Konsequenzen, die ein deutscher Abkommensbeitritt für den internationalen Entscheidungseinklang und für die international einheitliche Nachlaßabwicklung bedingen würde, sprächen daher aus deutscher Sicht eher gegen eine Ratifikation. c) Bewertung nach Interessensgesichtspunkten

(1) Überblick Hieraus ergeben sich nunmehr zweierlei Folgerungen für die Frage, ob Deutschland dem Haager Abkommen beitreten sollte oder nicht. Zum einen wird an dieser Stelle nochmals deutlich, wie sehr Nutzen und Schaden eines deutschen Beitritts davon abhängen, inwieweit sich das Haager Abkommen auch unter den übrigen europäischen Staaten wird durchsetzen können. Aus diesem Grunde würde einiges dafür sprechen, zur Frage des deutschen Abkommens zunächst einmal eine abwartende Haltung einzunehmen, um zu· sehen, wie sich die Nachbarstaaten Deutschlands verhalten werden. Zum anderen zeigt dies aber auch, daß die Entscheidung für oder gegen einen Abkommensbeitritt zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Abwägung erfordern würde zwischen den Vorteilen des Abkommens, die aus der vermehrten Anwendung der deutschen Lex fori herrühren würden, und den damit verbundenen erhöhten Risiken für den internationalen Entscheidungseinklang. Eine solche Abwägungsentscheidung hätte vor allem zu berücksichtigen, welche Interessen für die eine oder die andere Form der Anknüpfung sprechen würden. Wie im folgenden darzulegen sein wird, ist insofern allerdings festzustellen, daß auf Seiten der Privatinteressen wichtige Argumente sowohl für als auch gegen einen deutschen Beitritt zur Haager Erbrechtskonvention sprechen würden. Lediglich die inländischen Verkehrs- und Ordnungsinteressen würden allein für einen deutschen Abkommensbeitritt sprechen.

382

4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

(2) Privatinteressen Die deutlichsten Veränderungen würde die Haager Erbrechtskonvention bei der Abwicklung von Nachlässen ausländischer Erblasser bewirken, welche seit mehr als fünf Jahren ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt haben. Die Privatpersonen, deren Interessen von der Art und Weise der Anknüpfung der Nachlaßabwicklung in diesen Fällen am meisten berührt werden, sind die Erben, die Nachlaßgläubiger und die Nachlaßschuldner. Allgemein gesehen fordern deren Interessen eine möglichst einfache, zügige und sichere Abwicklung des Nachlasses. Je nach dem konkreten Einzelfall können ihre Interessen dabei aber mehr für die am Domizilprinzip orientierten Anknüpfungsregeln der Haager Konvention oder mehr für das gegenwärtige Staatsangehörigkeitsprinzip sprechen. Welche Form der Anknüpfung ihren Bedürfnissen besser entspräche, würde von zweierlei Dingen abhängen. Zum einen würden ihre Interessen dadurch beeinflußt, ob sich der abzuwickelnde Nachlaß insgesamt im Inland beflinde oder ob er über mehrere Länder verteilt läge. Zum anderen würden ihre Interessen davon bestimmt, ob es der jeweiligen Person lediglich auf den im Inland belegenen Nachlaßteil oder auf den Nachlaß als Ganzes ankäme. 91 Wenn der Nachlaß allein in Deutschland belegen wäre, käme es den Erben allein darauf an, diesen dort so rasch wie möglich abzuwickeln. Insofern würde ihr Interesse allein auf einen möglichst effektiven Zugang zu den deutschen Nachlaßgerichten sowie auf eine möglichst einfache und klare Rechtsanwendung im Inland zielen. Wie oben ausführlich dargelegt, wird das Staatsangehörigkeitsprinzip diesen Interessen gegenwärtig häufig nicht gerecht. Verbesserungen wären insofern jedoch durch die vermehrte Lex:fori-Anknüpfung unter der Haager Erbrechtskonvention zu erwarten. Sollte allerdings ein weiterer Nachlaßteil im Heimatstaat des Erblassers belegen sein, dann hätten die Erben zusätzlich ein Interesse daran, daß die Maßnahmen des deutschen Nachlaßgerichts auch dort Wirksamkeit entfalten würden. 92 Insoweit würde den Interessen der Erben also unter Umständen besser dadurch gedient, daß das deutsche Nachlaßgericht das ausländische Heimatrecht des Erblassers anwenden bzw. sich nur in beschränktem Umfange für die Abwicklung des im eigenen Staate belegenen Nachlasses für zuständig ansehen würde, so wie es das derzeit geltende Recht vorsieht. Unter der Haager Konvention dagegen wäre eine Berücksichtigung dieser Interessen nicht mehr im vollen Umfang gewährleistet.

91

Ähnlich Berenbrok, 170 f. Vgl. auch Ferid, Recueil des Cours 142 (197411),

92

Vgl. Berenbrok, 171.

177 f.

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

383

Ähnlich gespalten stellt sich die Interessenslage bei den Nachloßgläubigem dar. Auch deren Interessen würde, wenn sich der Nachlaß lediglich Deutschland befindet, am meisten mit der Anwendung des deutschen Aufenthaltsrechts gemäß Art. 311 der Haager Konvention gedient. Denn auf diese Weise würde auch in ihrem Interesse eine möglichst rasche Erbschaftsabwicklung im Forum gewährleistet. Andererseits wird den Nachlaßgläubigern bei einem über mehrere Rechtsordnungen verstreuten Nachlaß unter Umständen mehr an einer international einheitlichen Nachlaßabwicklung gelegen sein. Dies würde zumindest für den Fall gelten, daß der im Forum belegenen Nachlaßteil nicht zur Erfüllung der Nachlaßverbindlichkeiten ausgereicht hat und die Gläubiger somit auch in den übrigen Belegenheitsstaaten Befriedigung für ihre Ansprüche suchen müßten. 93 Diesen Bedürfnissen würde wiederum das geltende deutsche Staatsangehörigkeitsprinzipbesser Rechnung tragen. Lediglich den Nachloßschuldnem würde wohl in jedem Falle am meisten mit der Anwendung des deutschen Inlandsrechts gedient. Denn die Nachlaßschuldner haben im Regelfall keine auf den Gesamtnachlaß bezogenen kollisionsrechtlichen Interessen. Sie wollen vielmehr möglichst verläßlich wissen, wer im jeweiligen Forum zur Entgegennahme ihrer Zahlungen auf die Nachlaßforderungen legitimiert ist. Im Rahmen des in Deutschland durchzuführenden Abwicklungsverfahrens käme man ihren Interessen daher am meisten mit der Anwendung des deutschen Erbrechts entgegen. Dies würde prinzipiell durch das Domizilprinzip der Haager Konvention besser gewährleistet. Bei der Abwägung dieser Parteiinteressen ist allerdings zu bedenken, daß diejenigen Interessen, die für eine vermehrte Anwendung der Lex fori sprechen, auch im geltenden deutschen Recht bereits teilweise eine Berücksichtigung gefunden haben. In diesem Zusammenhang ist insbesondere an die Regelung des Erbscheinsrechtes zu denken. Diese trägt den Bedürfnissen der Erben an einer Legitimation ihrer rechtlichen Stellung während der Nachlaßabwicklung und den entsprechenden Verkehrsschutzinteressen der Nachlaßgläubiger und Nachlaßschuldner auch jetzt schon hinreichend Rechnung. 94 Denn für den im Inland belegenen Nachlaß wird den Erben auf jeden Fall ein Erbschein erteilt, selbst wenn dieser einem ausländischem Erbstatut unterliegen sollte (vgl. § 2369 BGB). Ferner befriedigt die deutsche nachlaß gerichtliche Rechtsprechung unter dem geltendem Recht in einem gewissen Maß auch die inländischen Rechtsschutzbedürfnisse der Erben. Denn die deutschen Nachlaßgerichte sind unter der Gleichlauftheorie in jedem Falle dann zuständig, wenn deutsches Recht und sei dies nur infolge einer (teilweisen) Rückverweisung - auf den Nachlaß 93 94

Vgl. ebd., 170. Vgl. ebd.,171.

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

anwendbar ist. Außerdem ist der Gleichlaufgrundsatz gerade, um die Rechtsschutzbedürfnisse der Erben zu befriedigen, bereits verschiedentlich durchbrochen worden. 95 Daher wären insgesamt nur relativ wenige nachlaßgerichtliche Maßnahmen von der Erleichterung des inländischen Rechtsschutzes betroffen, welche die vermehrte Anwendung der lex fori unter Art. 3 II des Haager Abkommens bewirken würde. Im wesentlichen würde es sich hierbei nur um die Entgegennahme von Testamentsanfechtungen, die gerichtliche Mitwirkung bei der Nachlaßauseinandersetzung, die Ernennung und Entlassung eines Testamentsvollstreckers sowie um Maßnahmen zur Beschränkung der Nachlaßhaftung handeln. 96 Dabei ist außerdem zu berücksichtigen, daß sich die deutschen Nachlaßgerichte für diese Art von Verrichtungen auch schon unter geltendem Recht für international zuständig angesehen haben, wenn dem Antragsteller andernfalls eine Rechtsverweigerung drohen würde. 97 Daher würde sich die rechtsschutzfördernde Wirkung des Haager Abkommens insofern darauf beschränken, daß die deutschen Gerichte für diese Maßnahmen nunmehr in jedem Falle zuständig wären, unabhängig davon, ob eine vorrangige Zuständigkeit ausländischer Gerichte besteht.

Im Ergebnis läge der wichtigste Vorteil der Haager Erbrechtskonvention aus der Perspektive der betroffenen Privatinteressen daher wahrscheinlich eher darin, die Rechtsanwendung für alle Beteiligten durch die vermehrte Anknüpfung an die Lex fori insgesamt zu vereinfachen. Dadurch könnten zum einen die bisher wiederholt entstehenden Anpassungsprobleme zwischen dem deutschen Nachlaßverfahrensrecht und ausländischen Erbrechtsordnungen vermindert werden. Zum anderen würde die Nachlaßabwicklung auf diese Weise auch dadurch beschleunigt, daß nunmehr in vielen Fällen die praktischen Erschwernisse, die mit der Anwendung ausländischen Rechts verbunden sind (aufwendige Gutachten, lange Verfahrensdauer etc.), vermieden werden könnten. Diesem Vorzug der Haager Konvention würde dadurch besondere Bedeutung zukommen, daß unter ihr bei objektiver Anknüpfung des Erbstatuts vor allem dann deutsches Erbrecht anwendbar wäre, wenn sich der tatsächliche Lebensmittelpunkt des Erblassers und damit im Zweifel auch die meisten Erben und der größte Teil des Nachlaßvermögens im Inland befänden.

Siehe oben 4. Kapitel, B.II.l.a)(2). Siehe ebd. 97 Vgl. BayObLGZ 1965, 423 = NJW 1967, 447 = DNotZ 1967, 51 IPRspr. 1964-65 Nr. 297. Siehe auch hierzu oben 4. Kapitel, B.II.l.a)(2). 95

96

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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(3) Verkehrs- und Ordnungsinteressen Diese Erleichterung der Nachlaßabwicklung läge nicht nur im Interesse der beteiligten Privatpersonen. Vielmehr bestehen an der Durchsetzung einer solchen Verfahrensvereinfachung angesichts des relativ hohen Ausländeranteils an der deutschen Gesamtbevölkerung auch erhebliche inländische Verkehrs- und Ordnungsinteressen. 98 Wie eine Prognose der Autoren Basedow und Diehl-Leistner gezeigt hat, ist nämlich damit zu rechnen, daß es in den ersten 25 Jahren nach der Jahrtausendwende in Deutschland ca. 50000 Nachlaßverfahren pro Jahr allein aus der Bevölkerungsgruppe der hier lebenden Gastarbeiter geben wird. 99 Unter geltendem IPR wären diese nach ausländischem Erbrecht abzuwickeln, obwohl diese Nachlässe infolge des langjährigen 100 inländischen Aufenthaltes der Erblasser in den meisten Fällen wahrscheinlich allein oder zumindest hauptsächlich in Deutschland belegen sein werden. Aus diesem Grunde spricht einiges dafür, daß - wie Basedow und Diehl-Leistner annehmen - in der deutschen Nachlaßrechtspflege unter dem geltenden Staatsangehörigkeitsprinzip bald der "Grenzwert der Fremdrechtsanwendung" erreicht sein wird, "bei dessen Passieren die dem Internationalen Privatrecht immanente Gleichberechtigung von Lex fori und fremden Recht in Konflikt gerät mit der Leistungsfähigkeit der Justiz, [und] bei dessen Überschreiten jede zusätzliche Anwendung ausländischen Rechts für alle Beteiligte - Richter, Anwälte und Parteien - zur schweren Bürde wird, die Verfahren verlängert und verteuert, sowie die Ressourcen der Justiz vielleicht für Dritte blockiert. "101 Eine solche übermäßige Belastung der inländischen Nachlaßrechtspflege könnte durch die Ratifikation der Haager Erbrechtskonvention verhindert werden. Denn deren am Domizilprinzip orientierten Anknüpfungsregeln würden im weiten Umfang garantieren, daß immer dann, wenn sich der Lebensmittelpunkt des Erblassers und damit im Zweifelsfalle der größte Teil des Nachlaßvermögens in Deutschland befinden, deutsches Erbrecht zur Anwendung gelangen würde. Den Partei-, Verkehrs- und Ordnungsinteressen an der Gewährleistung einer funktionsfähigen Rechtspflege würde man dadurch besser gerecht werden als mit dem derzeit geltenden reinen Staatsangehörigkeitsprinzip.

Vgl. Ferid, Recueil des Cours 142 (1974 11), 178 f. Basedow/Diehl-Leistner, 38. Siehe hierzu auch bereits oben 1. Kapitel, C.III. 100 Von der oben genannten Gruppe der 30-50jährigen Gastarbeiter lebten 1986 über 1,3 Mio. bzw. 76,2% schon mehr als 10 Jahre in Deutschland (BasedowlDiehlLeistner, ebd.). 101 Ebd., 37. 98

99

2S Brandi

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

111. Ergebnis Aus Rücksichtsnahme gegenüber den Besonderheiten des anglo-amerikanischen Rechts konnten sich die Verfasser der Haager Erbrechtskonvention also nicht darauf einigen, deren Anknüpfungsregeln zwingend auf den gesamten Bereich des Erbstatuts einschließlich der Nachlaßabwicklung zu erstrecken. Im Falle eines Beitritts sähe sich der deutsche Gesetzgeber daher vor die Entscheidung gestellt, ob er den Anwendungsbereich der Konvention für Deutschland auf deren zwingenden Geltungsumfang i.S.d. Art. 711 beschränken oder ob er ihn gemäß Art. 7 III auf das gesamte Erbstatut ausdehnen soll. Nach der hier vertretenen Auffassung käme allenfalls eine weite Abkommensanwendung auf den gesamten Bereich des Erbstatus einschließlich der Nachlaßabwicklung in Betracht. Würde man den Geltungsumfang des Abkommens auf die in Art. 7 11 aufgelisteten Sachbereiche der Nachlaßverteilung beschränken, könnte dies im Einzelfall komplizierte Anpassungsprobleme zwischen Nachlaßabwicklungs- und Nachlaßverteilungsregeln zweier unterschiedlicher Rechtsordnungen zur Folge haben. Diese Gefahren würden vermieden, wenn das Haager Abkommen auch auf die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung erstreckt würde. Ließe sich demnach allenfalls eine weite Anwendung des Abkommens vertreten, stellt sich die weitere Frage, ob die dadurch bedingten Änderungen für die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung tatsächlich erwünscht wären. Wie oben festgestellt wurde, bestünden diese Veränderungen darin, daß die Abwicklung von Nachlässen ausländischer Erblasser in der deutschen nachlaßgerichtlichen Praxis vermehrt nach deutschem Erbrecht vorgenommen werden könnte. Der entscheidende Vorteil dieser vermehrten Lex-joriAnknüpfung wäre, daß die häufig aus der Anwendung ausländischen Rechts folgenden Rechtsanwendungs- und Verfahrenserschwernisse deutlich gemindert würden. Da in der Zukunft mit einem deutlichen Anwachsen der Zahl von Ausländernachlässen gerechnet werden muß, hätten hieran sowohl die betroffenen Privatpersonen (Erben, Nachlaßgläubiger und -schuldner) als auch der inländische Rechtsverkehr ein erhebliches Interesse. Darüber hinaus wären durch die vermehrte Lex-jori-Anwendung für die Erben von Ausländernachlässen unter Berücksichtigung der "Gleichlauftheorie " auch gewisse Verbesserungen für den nachlaßgerichtlichen Inlandsrechtsschutz zu erwarten. Beide Gesichtspunkte gewinnen dadurch an zusätzlicher Bedeutung, daß die objektiven Anknüpfungsregeln des Haager Abkommens vor allem in denjenigen Fällen zu einer Anwendung deutschen Erbrechts führen würden, in denen sich der tatsächliche Lebensmittelpunkt des Erblassers und damit wahrscheinlich auch die meisten Erben und der größte Teil des Nachlaßvermögens in Deutschland befänden.

B. Konsequenzen für die Ratifikation durch Deutschland

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Diesen Erleichterungen stünden auf der anderen Seite jedoch deutlich erhöhte Gefahren für den internationalen Entscheidungseinklang gegenüber. Das in Art. 3 der Haager Erbrechtskonvention dominierende Aufenthaltsprinzip stünde nämlich im Widerspruch zu dem Staatsangehörigkeitsprinzip, das in den Heimatstaaten der meisten in Deutschland lebenden Gastarbeiter vorherrschend ist. Außerdem würde es dazu führen, daß sich die Chancen für eine Anerkennung und Vollstreckung deutscher nachlaßgerichtlicher Entscheidungen in diesen Heimatstaaten spürbar verringern. Zwischen diesen Vor- und Nachteilen hätte der deutsche Gesetzgeber also bei der Entscheidung über einen Abkommensbeitritt abzuwägen. Der Gesichtspunkt des mangelnden Entscheidungseinklangs würde dabei umso mehr an Bedeutung verlieren, je mehr unter den Heimatstaaten der in Deutschland wohnhaften Ausländer sich gleichfalls zu einem Abkommensbeitritt entschließen könnten. Umgekehrt behielte er ein umso größeres Gewicht, desto größer die Zahl derjenigen Staaten wäre, die dem Abkommen auf Dauer fernbleiben würden.

c. RechtssteIlung des anglo-amerikanischen Erbschaftsabwicklers unter der Haager Erbrechtskonvention I. Einleitung 1. Fragestellung Nach den obigen Ausführungen kommt für die Bundesrepublik Deutschland also - wenn überhaupt - nur eine weite Anwendung des Haager Erbrechtsabkommens auf den gesamten Bereich des Erbstatuts einschließlich der Nachlaßabwicklung in Betracht. Damit müßte ein deutsches Gericht die Kollisionsnormen des Abkommens auch auf diejenigen Sachfragen anwenden, die nach anglo-amerikanischem Rechtsverständnis zum Sachbereich der administration gehören. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß die anglo-amerikanischen Staaten, falls diese dem Abkommen beitreten sollten, ihrerseits die administration aller Voraussicht nach nicht dem Abkommen unterstellen werden. 1 Insoweit würde also unter dem Haager Erbrechtsabkommen keine Rechtsvereinheitlichung erzielt. Dies ist sehr bedauerlich, denn die Fragen, die dadurch aufgeworfen werden, daß die Nachlaßabwicklung in den anglo-amerikanischen und den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen sowohl in materiellrechtlicher als auch in kollisionsrecht1

Vgl. United Kingdom. Consultation Paper. 23; Scoles. Report. 8.

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

licher Hinsicht so grundverschieden geregelt ist, dürften wohl mit zu den schwierigsten Problemen des internationalen Nachlaßrechtsverkehrs mit den Common Law Staaten gehören. 2 Bei dem Versuch, diese Probleme zu lösen, war bereits das Haager Abkommen von 1973 über die internationale Abwicklung von Nachlässen weitgehend erfolglos geblieben. 3 Zwar ist die Rechtsvereinheitlichung in diesem Bereich demnach auch unter dem Erbrechtsabkommen von 1989 nicht gelungen. Gleichwohl könnte ein Abkommensbeitritt Deutschlands auch insoweit Auswirkungen haben. Denn ein strittiger Punkt war insofern bisher, ob das anglo-amerikanische Kollisionsrecht für die Anknüpfung der administration eine "versteckte" Rückverweisung auf das deutsche Recht aussprechen würde. Das Haager Erbrechtsabkommen von 1989 würde jedoch gemäß Art. 17 die Berücksichtigung einer solchen Rückverweisung nicht mehr gestatten. Zweck der folgenden Ausführungen ist daher festzustellen, (a) welche Konsequenzen dies für die Lösung von Nachlaßfällen mit Bezug zum anglo-amerikanischen Erbrecht hätte, und (b) welche Folgerungen daraus für die Frage nach dem Nutzen oder Schaden eines deutschen Abkommensbeitritts zu ziehen wären. 2. Überblick über Grundzüge der funktionellen Nachlaßspaltung im anglo-amerikanischen Recht Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Erläuterungen seien an dieser Stelle zunächst kurz die wesentlichen Grundzüge der funktionellen Nachlaßspaltung im anglo-amerikanischen Erbrecht zusammengefaßt4: Nach dem englischen Recht und dem Recht vieler amerikanischer Bundesstaaten5 geht 2 Siehe dazu rechtsvergleichend z.B. Boulanger, 254 ff.; Lipstein, RabelsZ 39 (1975),32 - 37. 3 Siehe hierzu oben Einleitung, B.I. 4 Siehe zum folgenden für das englische Recht: Henrich: Großbritannien, in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 234 ff.; zum amerikanischen Recht siehe Firsching: U.S.A., in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz.256 ff.; ders., Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 11 ff. (mit ausführlichen historischen Erläuterungen). 5 Im Recht der amerikanischen Bundesstaaten gelten insoweit allerdings einige Besonderheiten im Vergleich zu den übrigen Common Law Staaten: Zum einen wurde früher in einigen Bundesstaaten hinsichtlich der Abwicklung des unbeweglichen und des beweglichen Nachlaßvermögen düferenziert. In diesen Staaten ging der Titel am unbeweglichen Nachlaßvermögen nicht zunächst auf eine personal representative, sondern direkt auf die Erben über. Daher konnte das unbewegliche Vermögen dort in der Regel nur dann in die Verwaltung des übrigen Nachlasses durch den personal representative mit einbezogen werden, wenn der bewegliche Nachlaß zur Schuldentilgung nicht ausreichte; Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 17.

C. Rechtsstellung des anglo-amerikanischen Erbschaftsabwicklers

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der Titel am Nachlaß nicht direkt auf die Erben, sondern zunächst auf einen Erbschaftsverwalter ("personal representative") über. Dessen Aufgabe ist es, den Nachlaß zu sammeln, die Nachlaßschulden zu begleichen und den verbleibenden Rest an die Begünstigten ("benejiciaries") herauszugeben. Bestimmt der Erblasser selber testamentarisch einen Erbschaftsverwalter, so wird dieser lediglich vom Gericht in seinem Amt bestätigt. Dieser testamentarisch bestimmte Erbschaftsverwalter heißt "executor". Wenn der Erblasser keine derartige Bestimmung getroffen hat oder wenn die gesetzliche Erbfolge eintritt, wird der Erbschaftsverwalter vom Gericht ausgewählt und ernannt. Dieser heißt dann "administrator". Dadurch, daß zunächst nicht die Erben, sondern der Erbschaftsverwalter die Gesamtrechtsnachfolge des Erblassers antritt, ist dem anglo-amerikanischen Recht die Unterscheidung zwischen dinglich berechtigten Erben und obligatorisch berechtigen Vermächtnisnehmern fremd. Vom Blickwinkel des deutschen Erbrechts aus gesehen, haben die benejiciaries grundsätzlich nur die Stellung von Vermächtnisnehmern. Allerdings stehen ihnen dabei aufgrund ihrer Eigenschaft als sogenannte "equitable owners" des Nachlasses auch bestimmte Schutzrechte dinglichen Charakters zu. 6 Zum anderen gibt es heute einige Bundesstaaten, in denen sogar der Titel am

gesamten Nachlaßvermögen direkt auf die benejiciaries übergeht (so z.B. in Califor-

nia Probate Code § 300). Dies ändert aber nichts daran, daß der Nachlaß auch in diesen Staaten zunächst der treuhänderischen Verwaltung des personal representative unterliegt. Der Rechtstitel am Nachlaß ist für die Begünstigten daher auch dort während der Dauer der Nachlaßabwicklung grundsätzlich nicht mehr als eine "empty shell" (McGovernlKurtz/Rein, 591 f.). Darüber hinaus existiert in den U.S.A. angesichts der hohen Kosten und der langen Verfahrensdauer der administration seit einigen Jahren ein Trend dahin, diese Form der gerichtlich überwachten Nachlaßabwicklung zu vereinfachen oder ganz zu vermeiden. Verschiedene Einzelstaaten haben z.B. gesetzliche Regelungen, wonach bei kleinen Nachlässen der testamentarische Erbe nach Ablauf einer dreißigtägigen Wartefrist, innerhalb derer die Nachlaßgläubiger ein administration Verfahren einleiten können, selber eventuelle Forderungen des Erblassers gegen Dritte geltend machen kann, ohne vorher vom Nachlaßgericht zum executor ernannt werden zu müssen. Darüberhinaus sieht § 3-312 Uniform Probate Code auch ein dem kontinentaleuropäischen Modell nachgebildetes Verfahren vor, bei dem die Erben auf Antrag die Stellung eines "universal successors" und damit selber den Titel an den Nachlaßgegenständen erhalten, wenn sie bereit sind, die persönliche Haftung für die Nachlaßschulden zu übernehmen. Letztere Regelungen sind allerdings bisher noch von keinem Bundesstaat übernommen worden. (Siehe zu allem: McGovernl KurtzlRein, 594 - 597, und Antwort der U.S.A., in: Additional replies of Governments to the Questionnaire, Preliminary Document No 3 of November 1986, in: Proceedings of the Sixteenth Session, Bd. 2, 175.) 6 Vgl. dazu für das englische Recht Gottheiner, RabelsZ 21 (1956),37,48 ff.

390

4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Bei testamentarischer Erbfolge unterscheidet man zwischen Begünstigten, denen bestimmte einzelne Stücke aus dem Nachlaß zugewandt sind (sog. "legatees "; falls ihnen ausschließlich unbewegliches Vermögen vermacht wurde, werden sie "devisees" genannt), und denjenigen, die auf den verbleibenden Nachlaßrest bzw. einen Bruchteil desselben eingesetzt werden (entsprechend wie oben "residuary legatees" bzw. "residuary devisees" genannt). Bei gesetzlicher Erbfolge spricht man einheitlich von "distributees". 7

11. Anerkennung eines anglo-amerikanischen Erbschaftsverwalters im deutschen Recht 1. Derzeitige Rechtslage a) Überblick über den Meinungsstand

In der deutschen Nachlaßverfahrenspraxis hat sich wiederholt die Frage gestellt, wie mit den oben genannten Besonderheiten des anglo-amerikanisehen Nachlaßabwicklungsrechts verfahren werden soll, wenn das deutsche IPR in einem Fall mit Auslandsberührung für die Nachlaßabwicklung auf das anglo-amerikanische Recht verweist. Unter dem derzeit geltenden Recht wird diese Frage nur in solchen Fällen relevant, wo es um die Abwicklung des in Deutschland belegenen Mobiliarnachlasses eines ausländischen Erblassers geht, der Angehöriger eines Common Law Staates gewesen ist und dort außerdem seinen letzten Wohnsitz bzw. seinen domicile hatte. Unter diesen Umständen verweist Art. 25 I EOBOB olImlich auf das anglo-amerikanische Heimatrecht des Erblassers, ohne daß es zu einer Rückverweisung auf deutsches Erbrecht kommt. Dagegen tritt in denjenigen Fällen, wo der Erblasser seinen domicile zum Todeszeitpunkt in Deutschland hatte oder wo es sich bei dem in Deutschland zurückgelassenen Nachlaßgegenständen um Immobiliarvermögen handelt, unter derzeitiger Rechtslage eine (teilweise) Rückverweisung auf deutsches Erbrecht ein (vgl. Art. 4 I EOBOB). Wenn es unter den soeben genannten Voraussetzungen für die Nachlaßabwicklung zu einer Verweisung auf anglo-amerikanisches Recht kommt, ergibt sich das Problem, welche rechtliche Stellung einem ·ausländischen personal representative, der zuvor in dieses Amt von den Gerichten des Heimatstaates des Erblassers eingesetzt worden ist, innerhalb des deutschen Nachlaßverfahrens zuerkannt werden soll. Damit zusammen hängt die weitere Frage, welche materiellrechtliche Position den benejiciaries einzuräumen ist, solange diese noch durch den personal representative in ihrer Verfügungsbefugnis über den 7 Zu diesen Bezeichnungen siehe Berenbrok, 178 m.w.N.

c. Rechtsstellung des anglo-amerikanischen Erbschaftsabwicklers

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Nachlaß beschränkt sind. 8 Diese Fragen haben sich insbesondere im Zusammenhang mit der Erteilung von Fremdrechtserbscheinen (§ 2369 BGB) bzw. von Fremdrecht-Testamentsvollstreckerzeugnissen (§ 2368 III BGB) gestellt. 9 Darüber hinaus sind sie z.T. auch in Prozessen vor Gerichten der streitigen Gerichtsbarkeit relevant geworden, wenn der personal representative zum Nachlaß gehörende Forderungen gerichtlich geltend machte lO oder wenn er von den Erben auf Schadensersatz wegen pflichtwidriger Amtsführung verklagt wurde. ll Zu diesen Fragen werden in der deutschen Literatur derzeit im wesentlichen zwei Ansichten vertreten l2 : Nach der wohl herrschenden" Anerkennungstheorie" 13 bestimmt sich die Rechtsstellung des personal representative und der benejiciaries ausschließlich nach der jeweiligen ausländischen Lex patriae, auf welche Art. 25 I EGBGB verweist. Daraus folgert diese Ansicht, daß die im anglo-amerikanisehen Ausland ernannten personal representatives auch im deutschen Inland 8 Die deutschen Nachlaßgerichte haben es bisher abgelehnt, selber einen personal representative zu ernennen, falls ein solcher noch nicht von den Gerichten des

Heimatstaates eingesetzt worden war. Unter Berufung auf die "Gleichlauftbeorie" haben sie sich hierfür regelmäßig als international nicht zuständig erklärt. Dabei stützten sie sich vor allem auf die Erwägung, daß die deutschen Nachlaßgerichte eine solche dem deutschen Recht "wesensfremde" Tätigkeit nicht durchführen könnten. Vgl. KG 20.3.1972, IPRspr. 1972 Nr. 123; Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 118 Fn. 1; Henrich: Großbritannien, in: FeridlFirsching, Internationales Erbrecht, Rz. 80. Anders neuerdings Berenbrok, 222 ff. 9 Berenbrok, 180. 10 Vgl. KG 20.3.1972, IPRspr. 1972 Nr. 123. 11 Berenbrok, 181 m.w.N. Gewisse Schwierigkeiten hatte schließlich eine Zeitlang auch die Umsetzung der Rechtsstellung des personal representative und der benejiciaries in die Typologie des deutschen Sachenrechts bereitet. Allerdings dürften diese Fragen mittlerweile als gelöst gelten (vgl. ebd., 208). So herrscht heute weitgehend Einigkeit, daß der personal representative im deutschen Sachenrecht als treuhänderischer Eigentümer und die benejiciaries als Treugeber zu behandeln sind. Darüber hinaus läßt sich das den benejiciaries nach dem anglo-amerikanischen Recht zustehende Interventionsrecht bei einer Pfändung des Nachlasses durch persönliche Gläubiger des Erbschaftsverwalters bzw. deren Aussonderungsrecht bei einem Konkurs desselben ohne weiteres in entsprechende Ansprüche des deutschen Rechts (vgl. § 771 ZPO, § 43 KO) übersetzen. Ebenso lassen sich für das anglo-amerikanische quasi-dingliche Folgerecht ("righl 10 jollow Ihe asseIs "), das die benejiciaries vor treuwidrigen Verfügungen des Erbschaftsverwalters schützen soll, ähnlich wirksame Ansprüche im deutschem Recht fmden (siehe ebd., 208 f.; siehe dazu im Einzelnen auch Gottheiner, RabelsZ 21 (1956),48-56). 12 Die folgende Darstellung stützt sich auf die ausführliche Analyse von Berenbrok, 177 ff. 13 Diesen Begriff verwenden Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 115, 117; Berenbrok, 179.

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

ohne ein besonderes Anerkennungsverfahren anzuerkennen sind und zwar mit den Rechten und Pflichten, die sich aus dem Recht des ausländischen Einsetzungsstaates ergeben. 14 Dagegen nimmt die sog. "Spaltungstheorie"15 an, daß das anglo-amerikanische Recht für die Anknüpfung der administration eine "versteckte" Rückverweisung auf die deutsche lex jori ausspreche. Daher würde sich die Rechtsstellung des Erbschaftsverwalters und der benejiciaries im Rahmen der Nachlaßabwicklung allein nach deutschem Recht richten. Daraus folgern die Vertreter dieser Auffassung, daß der Erbschaftsverwalter anglo-amerikanischen Typs in Deutschland nur insoweit anerkannt werden könne, wie seine Funktionen denjenigen eines Nachlaßabwicklers im deutschen Recht entsprächen. Aus diesem Grund wird dem administrator jegliche Anerkennung versagt, da es im deutschen Recht bei gesetzlicher Erbfolge keine vergleichbare Rechtsfigur gebe. Executors werden dagegen zumindest dann anerkannt, wenn sie - vergleichbar einem Testamentsvollstrecker - umfangreichere testamentarische Anordnungen auszuführen haben. Sie werden dann in einen Testamentsvollstrecker deutschen Rechts umgedeutet. Auch einem executor wird jedoch die Anerkennung versagt, wenn seine Ernennung durch den Erblasser lediglich in der Absicht erfolgte, eine bestimmte Person an Stelle der sonst vom Gericht vorgenommenen Auswahl zu benennen. Ferner deutet die Spaltungstheorie auch die Rechtsstellung der benejiciaries nach deutschem Recht um. Dabei werden von ihr jedoch nur die distributees (bei gesetzlicher Erbfolge) und die residuary legatees (bei testamentarischer Erbfolge) als Erben LS.d. deutschen Rechts angesehen. Denn allein diese haben bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine insoweit mit den Erben deutschen Rechts vergleichbare wirtschaftliche Stellung, als sie dasjenige erhalten, was nach Abzug der Nachlaßverbindlichkeiten und der Zuwendungen bestimmter Einzelgegenstände vom Nachlaß übrig bleibt. 16 14 Berenbrok, 179 - 181, 185. Der Anerkennungstheorie folgen außerdem z.B. Gottheiner, RabelsZ 21 (1956),66 f.; Kegel, IPR, 668 f.; Soergel-Kegel, Vor Art. 24 EGBGB Rz. 96; Henrich: Großbritannien, in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 80 f. 15 Diese Bezeichnung schlägt Berenbrok, 180, vor. 16 Siehe die zusammenfassende Darstellung der Spaltungstheorie bei Berenbrok, 179 - 182. Vertreten wird die Spaltungstheorie insbesondere von Firsching, DeutschAmerikanische Erbfalle, 114 ff., 121 ff.; Firsching: U.S.A., in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht, Rz. 60d; Ferid, Internationales Privatrecht, Rz. 9-82 f.; Wengier, JR 1955, 41. In der Rechtsprechung sind die Meinungen ebenfalls gespalten. Der Anerkennungstheorie ist z.B. BGH 17.10.1968, IPRspr.1968-69 Nr.161 gefolgt, der Spaltungstheorie dagegen BayObLG 1.2.1980, BayObLGZ 1980, 42 = IPRax. 1982, 111 = IPRspr. 1980 Nr. 124 S. 396 f. Allerdings wird von der Literatur bemängelt,

C. Rechtsstellung des anglo-amerikanischen Erbschaftsabwicklers

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b) Konsequenzen für die Erbscheinspraxis

In der praktischen Anwendung - insbesondere bei der Formulierung von Fremdrechtserbscheinen - verblassen allerdings die Unterschiede zwischen diesen beiden Auffassungen. Der Grund hierfür liegt darin, daß in einem Fremdrechtserbschein zwar aus Verkehrsschutzgründen die ausländische Rechtslage soweit wie möglich mit Begriffen des deutschen Rechts beschrieben werden muß, daß es aber dem deutschen Erbrecht an. mit den obigen Rechtsfiguren des anglo-amerikanischen Rechts direkt vergleichbaren Instituten weitgehend mangelt. 17 Für die Spaltungstheorie ergeben sich daraus jedoch keine größeren Probleme. Denn ihrer Auffassung nach richtet sich die Rechtsstellung des personal representative und der benejiciariesinnerhalb der Nac.hlaßabwickiung ohnehin nach deutschem Erbrecht. Daher würden die an Erben deutschen Rechts angeglichenen distributees und residuary legatees von der Spaltungstheorie in einem Fremdrechtserbschein schlicht als "Erben" bezeichnet. Ein executor würde darin, soweit seine Rechtsstellung mit der eines Testamentsvollstrekkers verglichen werden kann, als "Testamentsvollstrecker" genannt. Dementsprechend könnte ihm auch ein Testamentsvollstreckerzeugnis gemäß § 2368 III BGB erteilt werden. Dagegen wäre nach Ansicht der Spaltungstheorie auf den von ihr nicht anerkannten administrator weder im Erbschein hinzuweisen, noch könnte diesem ein Fremdrechts-Testamentsvollstreckerzeugnis ausgestellt werden. 18 Etwas komplizierter gestaltet sich die Situation hingegen für die Anerkennungstheorie. Denn auch diese muß die rechtliche Stellung der benejiciaries und des personal representative trotz Anerkennung der ausländischen Rechtslage im Erbschein mit Begriffen des deutschen Erbrechts beschreiben. Daher muß auch die Anerkennungstheorie deren Rechtsstellung soweit wie möglich an deutsche Rechtsbegriffe anpassen. Auch nach ihrer Ansicht kämen daher als Erben im Sinne des deutschen Rechts allein die distributees und residuary legatees in Betracht. 19 Diesen wäre also ein Fremdrechtserbschein zu erteilen,

daß die Gerichte die obige Problematik im Regelfall nicht vollständig ausdiskutieren würden; siehe Berenbrok, 185; Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 125. In der Gutachtenpraxis des MPI und der Universitätsinstitute ist anscheinend die Anerkennungstheorie herrschend; vgl. die Nachweise bei Berenbrok, 185 Fn. 43 f. 17 Berenbrok, 182. 18 Zum Ganzen Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 127 - 130; siehe auch die zusammenfassende Darstellung bei Berenbrok, ebd. 19 MünchKomm-Birk, Art. 25 EGBGB, Rz. 324.

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

in welchem sie als "Erben nach dem Recht von X" bezeichnet würden. 20 Nach Auffassung der Anerkennungstheorie müßte dabei im Erbschein aber nicht nur auf executors, sondern auch auf administrators hingewiesen werden, da die benejiciaries in beiden Fällen in der Verfügung über den Nachlaß beschränkt wären. Ein solcher Hinweis hätte nach Ansicht der Anerkennungstheorie zu lauten: "Es besteht Testamentsvollstreckung (bzw. Erbschaftsverwaltung) nach dem Recht von X. "21 Ferner erhält der executor nach der Anerkennungstheorie ein Fremdrechts-Testamentsvollstreckerzeugnis (§ 2368 III BGB) und der administrator ein "Erbschaftsverwalterzeugnis" (§ 2368 III BGB analog).22 c) Versteckte Rückverweisung durch das anglo-amerikanische Recht?

Der entscheidende Streitpunkt in der Auseinandersetzung zwischen der Spaltungs- und der Anerkennungstheorie ist die Frage, inwieweit das angloamerikanische Recht für die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung eine Rückverweisung auf die deutsche lex fori ausspricht oder nicht. 23 Ausgangspunkt dieser Diskussion ist die in England und in den U.S.A. für den Bereich der Nachlaßabwicklung allgemein akzeptierte Kollisionsnorm: "The administration ... is wholly governed by the law of the country from which the personal representative derives his authority. "24 Nach diesem Grundsatz ist für die administration also das Forumsrecht desjenigen Staates maßgeblich, von dessen Gerichten der personal representative in sein Amt eingesetzt worden ist. 25 Im Unterschied zur Anerkennungstheorie leitet die Spaltungstheorie hieraus für die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung eine "versteckte" Rückverweisung auf die deutsche lex fori ab. 26 20 Berenbrok, 183; vgl. auch Henrich: Großbritannien. in: Ferid/Firsching. Internationales Erbrecht. Rz. 91. 21 Berenbrok. ebd.; Henrich. ebd .• Rz. 83; Kegel. IPR. 669. 22 Berenbrok. ebd.; Kegel. ebd.. 668 f. Letzteres ist innerhalb der Anerkennungstheorie allerdings nicht ganz unumstritten. siehe dazu Berenbrok. 183 Fn. 36 m.w.N. 23 Siehe zum folgenden ausführlich Berenbrok. 187 - 198. Zu den weiteren in diesem Meinungsstreit angeführten Argumenten siehe ebd .• 186 f .• 198 - 216. 24 Dicey/Morris. 11. Auß., Rule 131; Restatement. Second. Conßict of Laws. § 316. 2S Berenbrok. 189. 26 Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle. 104 (allerdings im Ergebnis offenlassend. ob nicht auch eine offene Rückverweisung vorliegen könnte); Ferid. Internationales Privatrecht Rz 9-21. Berenbrok. 189, folgert hieraus sogar eine offene Rückverweisung. meint aber. daß wohl in jedem Fall zumindest eine versteckte Rückver-

c.

Rechtsstellung des anglo-amerikanischen Erbschaftsabwicklers

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Allgemein gesprochen besteht die Eigenart einer "versteckten" Rückverweisung darin, daß sich die Rückverweisung nicht aus einer gewöhnlichen, sondern aus einer "versteckten" Kollisionsnorm ergibt.27 Vor allem gerichtliche Zuständigkeitsvorschriften können die Funktion einer solchen versteckten Verweisungsnorm übernehmen. Sie ordnen in solchen Fällen zumeist die Anwendung der jeweiligen lex fori des zuständigen Gerichts an. Voraussetzung dafür, daß eine Zuständigkeitsvorschrift gleichzeitig eine versteckte Kollisionsnorm enthält, ist dabei, daß die Gerichte des betreffenden Landes im Falle ihrer internationalen Zuständigkeit das eigene Recht allein aufgrund dessen Eigenschaft als lex fori anwenden würden. Sie dürften es also nicht deshalb anwenden, weil bereits eine andere "echte" Kollisionsnorm ihres IPR (wie z.B. die Situsregel) auf das Forumsrecht verweist. Darüber hinaus ist für das Vorliegen einer solchen versteckten Verweisungsnorm erforderlich, daß die Gerichte des betreffenden ausländischen Staates auch eine gleichartige Praxis fremder Gerichte anerkennen würden. Das heißt, sie müßten es akzeptieren, daß auch Gerichte anderer Staaten in entsprechenden Situationen die Anwendung der eigenen lex fori aus der internationalen Zuständigkeit ableiten würden. Aus der Sicht des deutschen IPR kann sich in solchen Fällen demnach dann eine versteckte Rückverweisung auf deutsches Recht ergeben, wenn nach den Tatbestandsvoraussetzungen der ausländischen Zuständigkeitsnorm die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegeben wäre. Dann würde nämlich aus der ausländischen versteckten Kollisionsnorm folgen, daß die deutschen Gerichte die eigene lex fori, d.h. deutsches Recht, anwenden müßten. Diese Voraussetzungen sind nach Ansicht der Spaltungstheorie im vorliegenden Falle erfüllt: Die anglo-amerikanischen Gerichte würden die internationale Zuständigkeit zur Einleitung einer administration und zur. Ernennung eines personal representative aus den Regeln der örtlichen Gerichtszuständigkeit - wie z.B. die Belegenheit von Mobiliarvermögen im Forum - ableiten. Dabei folge aus der örtlichen Zuständigkeit für die administration automatisch, daß diese Gerichte insoweit auch ihr eigenes materielles

weisung vorliegen würde. Berenbrok rechnet sich zwar grundsätzlich zu dem Lager der Anerkennungstheorie und will daher einen im Ausland ernannten personal representative im Deutschland mit den sich aus dem Einsetzungsrecht ergebenden Handlungsbefugnissen anerkennen. Im übrigen nimmt er aber mit den obigen Vertretern der Spaltungstheorie eine Rückverweisung auf die deutsche Lex fori an, so daß sich die Nachlaßabwicklung seiner Ansicht nach für alle verbleibenden Sachfragen nach deutschem Recht zu richten habe; vgl. ebd., 194 - 197, 217 - 239. 27 Kropholler, 157 f. Siehe zum folgenden außerdem Neubaus, Grundbegrufe, 284; Berenbrok, 190 ff.

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Recht anwenden. 28 Ferner würde es von den anglo-amerikanischen Gerichten akzeptiert, falls die Gerichte anderer Staaten auf die Nachlaßabwicklung im eigenen Lande gleichfalls die eigene Lex fori anwenden würden. 29 Insofern wären also die beiden Grundvoraussetzungen einer versteckten Verweisungsnorm erfüllt. Sollte sich nunmehr bewegliches Nachlaßvermögen in Deutschland befinden, wären zur Nachlaßabwicklung aus Sicht des anglo-amerikanisehen Rechts insoweit die deutschen Nachlaßgerichte zuständig. Nach dem oben Gesagten wäre in dieser Zuständigkeitsverweisung gleichzeitig eine versteckte Verweisung hinsichtlich des anwendbaren Rechts enthalten. Daher folge aus dieser Zuständigkeitsverweisung, daß die deutschen Gerichte auf die Abwicklung des Nachlasses des anglo-amerikanischen Erblassers ihr eigenes Recht anzuwenden hätten. 30 Die Vertreter der Anerkennungstheorie halten dieser Argumentation verschiedene Einwände entgegen. So meint z.B. Gottheiner, die englischen Gerichte würden auf die administration nur deshalb die Lex fori anwenden, weil sie jene als verfahrensrechtlich qualifizieren würden. Diese Qualifikation sei aber für den deutschen Richter unbeachtlieh. Denn für ihn sei die Nach28 Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfalle, 104: Die "Gerichtsunterworfenheit" bedeute gleichzeitig die "Rechtsunterworfenheit". 29 Siehe hierzu im einzelnen Berenbrok, 191 f. Danach würden die Gerichte Englands und der U.S.A. fremde Nachlaßabwicklungsmaßnahmen genaugenommen sogar unabhängig von dem angewandten Recht anerkennen, soweit nur die ausländischen Gerichte für deren Vornahme nach anglo-amerikanischen Verständnis international zuständig gewesen seien (vgl. hierzu auch Dicey/Morris, 11. Aufl., Rule 136). Deshalb - so Berenbrok - ließe sich theoretisch einwenden, daß es den anglo-amerikanischen Gerichten völlig gleichgültig sei, welches Recht das ausländische Gericht seiner Entscheidung zugrundegelegt hätte. Nach Ansicht von Berenbrok stünde dies jedoch der Annahme einer versteckten Rückverweisung nicht entgegen. Denn in dieser Gleichgültigkeit hinsichtlich des angewandten Rechts liege keine Durchbrechung der Inland praktizierten Regel (d.i. der Anwendung der Lex fon), sondern nur eine Erweiterung: Das zuständige Gericht könne nämlich anstelle des eigenen Sachrechtes auch ein anderes anwenden (Berenbrok, ebd.; siehe zu dem letztgenannten Gesichtspunkt auch Neubaus, Grundbegriffe, 285, und Kropholler, 159). 30 Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 104. Nach Ansicht von Berenbrok ist die oben genannte allgemeine Kollisionsnorm des anglo-amerikanischen Rechts, wonach die administration vom Recht desjenigen Staates beherrscht werde, dessen Gerichte den Erbschaftsverwalter eingesetzt hätten, nicht nur als "versteckte" , sondern sogar als eine offene Rückverweisung auf das deutsche Recht zu interpretieren. Er meint, daß hier nicht der typische Fall der versteckten Rückverweisung vorliege, wo das fremde IPR nur eine gerichtliche Zuständigkeitsnorm enthalte und lediglich bei Vorliegen der Zuständigkeit einseitig die eigene Lex fori für maßgeblich erkläre. Vielmehr handele es sich bei der o.a. allgemeinen Anknüpfungsregel um eine echte zweiseitige Kollisionsnorm (Berenbrok, 189 f.; vgl. hierzu auch Firsching, ebd., 101 - 104).

c. Rechtsstellung des anglo-amerikanischen Erbschaftsabwicklers

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laßabwicklung ein materiellrechtlicher Sachbereich, für den die ausländische Lex causae maßgeblich seL Daher dürfe er der Rückverweisung auf die eigene Lex fori nicht folgen. 31 Kegel wiederum interpretiert die oben genannte Anknüpfungsregel, wonach die administration der jeweiligen Lex fori unterliege, lediglich als eine "bedingte" Verweisung. 32 Diese Kollisionsregel solle nur den tatsächlichen Machtverhältnissen Rechnung trage. Die anglo-amerikanischen Gerichte würden im Falle eines über mehrere Rechtsordnungen verteilten Nachlasses nämlich davon ausgehen, daß sich in den übrigen Jurisdiktionen die Anwendung eines anderen Rechts als der Lex fori ohnehin nicht durchsetzen ließe. Diese Kollisionsregel sei daher unbeachtlich, wenn ein Staat - wie Deutschland - kollisionsrechtlich die Macht für die Durchführung der Nachlaßabwicklung nicht für sich in Anspruch nehme, sondern hierfür auf ein ausländisches Recht verweise. 33 2. Auswirkungen der Haager Erbrechtskonvention a) Abwicklung des deutschen MobiIiarnachlasses anglo-amerikanischer Erblasser

Welche der oben genannten Auffassungen unter der gegenwärtigen Rechtslage die richtige ist, kann hier offen bleiben. Ein Beitritt Deutschlands zur Haager Erbrechtskonvention würde jedoch auf jeden Fall bedeuten, daß für die zukünftige Rechtspraxis von den Regeln der Anerkennungstheorie ausgegangen werden müßte. Denn Art. 17 schließt die Beachtung eines renvoi für die Anwendung des Abkommens aus. Die Spaltungstheorie würde damit ihrer wichtigste Stütze im geltenden Recht beraubt. Daher wäre aus deutscher Sicht auf den in Deutschland belegenen MobiliamachLaß eines mit Domizil im Heimatstaat verstorbenen Erblassers anglo-amerikanischer Staatsangehörigkeit· gemäß Art. 3 I LV.m. Art. 7 III des Haager Abkommens insgesamt angloamerikanisches Erbrecht anzuwenden, ohne daß für die Nachlaßabwicklung eine Rückverweisung auf deutsches Recht in Betracht käme. Hiergegen könnte auch nicht eingewandt werden, daß sich der Ausschluß des renvoi durch Art. 17 allein auf diejenigen Sachfragen bezöge, die unter 31 Gottheiner, Anpassungs- und Umdeutungsprobleme bei deutsch-englischen Erbrechtsfällen, 40 ff., 57. Berenbrok, 192 m.w.N., hält dem entgegen, daß die administration im anglo-amerikanischen Recht nicht rein verfahrensrechtlich, sondern gemischt verfahrens- und materiellrechtlich qualifiziert werde, und daß sich die Anknüpfung an die Lex fori daraus erkläre, daß diese mit der Belegenheit des Nachlaßvermögens übereinstimme und den örtlichen Gläubigern größtmögliche Sicherheit gewähre. 32 Siehe zu diesem Begriff allgemein Kegel, IPR, 261. 33 Soergel-Kegel, Vor Art. 24 EGBGB Rz. 96; a.A. Berenbrok, 193 f.

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den zwingenden Anwendungsbereich des Abkommens fielen, so daß es für die Anknüpfung der administration bei der bisherigen Rechtslage i.S.d. Spaltungstheorie bliebe. Eine solche Auslegung fände nämlich keine Stütze im Wortlaut des Art. 17. 34 Ferner ist zu berücksichtigen, daß sich die von Art. 7 III gegenüber den Mitgliedsstaaten ausgesprochene Erlaubnis, das Abkommen auch auf andere Sachbereiche als die in Art. 7 11 genannten anzuwenden, auf sämtliche Kollisionsnormen der Konvention bezieht und damit auch auf die Vorschrift des Art. 17. Beides zusammengenommen besagt also eindeutig, daß das Verbot des renvoi durch Art. 17 auch für solche Sachbereiche gelten würde, die erst über Art. 7 III in den Anwendungsbereich der Konvention einbezogen würden. Im Hinblick auf die Abwicklung des in Deutschland belegenen Mobiliarnachlasses anglo-amerikanischer Erblasser würde ein deutscher Abkommensbeitritt den obigen Meinungsstreit damit also im Sinne der Anerkennungstheorie beenden. Die eigentlichen Sachprobleme, die sich im Zusammenhang mit der Anerkennung anglo-amerikanischer Erbschaftsverwalter stellen, würden dabei jedoch keiner rechtsvereinheitlichenden Lösung zugeführt. Wie oben dargelegt wurde, stellt sich in der Praxis insoweit vor allem die Frage nach der korrekten Wiedergabe der rechtlichen Stellung des personal representative und der benejiciaries im Fremdrechtserbschein. 35 Man wird sich allerdings wohl dem Urteil Berenbroks anschließen können, daß diese Probleme im deutschen Recht - abgesehen von dem dargelegten Meinungsstreit heute als weitgehend geklärt anzusehen sind. 36 Insofern läßt sich insbesondere darauf verweisen, daß sich die für die Abfassung der Erbscheine von der Anerkennungstheorie empfohlene und in der Praxis überwiegend befolgte Lösung mittlerweile durchaus bewährt hat 37 Im Ergebnis würde dies also bedeuten, daß ein Beitritt Deutschlands zur Haager Erbrechtskonvention für die Abwicklung von inländischen Mobiliarnachlässen anglo-amerikanischer Erblasser keine entscheidenden Änderungen mit sich bringen würde. Im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage würde die Rechtsanwendung dadurch also weder erschwert noch in entscheidender Weise erleichtert.

34 Art. 17 lautet in der deutschen Übersetzung der Schlußakte der XVI. Tagung der Haager Konferenz durch das Bundesjustizministerium: "V orbehaltlich des Artikels 4 bedeutet in diesem Übereinkommen der Ausdruck Recht die in einem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluß detjenigen des Internationalen Privatrechts. " 35 Siehe oben 4. Kapitel, C.II.l.a). 36 Berenbrok,208. 37 Ebd.

C. Rechtsstellung des anglo-amerikanischen Erbschaftsabwicklers

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b) Abwicklung des deutschen Immobiliarnachlasses anglo-amerikanischer Erblasser

(1) Überblick Wichtige Änderungen wären dagegen insoweit für die Abwicklung von inländischen Immobiliamachlässen anglo-amerikanischer Erblasser zu erwarten. Unter geltendem Recht greift in diesem Falle nämlich eine teilweise Rückverweisung auf deutsches Recht ein (vgl. Art. 4 I EGBGB). Aus diesem Grund hatte sich das Problem der Anerkennung anglo-amerikanischer Erbschaftsverwalter insoweit bislang nicht gestellt. Eine solche Rückverweisung dürfte unter der Haager Konvention jedoch nicht mehr berücksichtigt werden (vgl. Art. 17 des Abkommens). Demzufolge müßte ein deutsches Gericht auf die Abwicklung des in Deutschland belegenen Immobiliarnachlasses eines englischen oder amerikanischen Erblassers, der zum Todeszeitpunkt in seinem Heimatland wohnte, gemäß Art. 3 I der Haager Konvention nunmehr das materielle Erbrecht seines Heimatstaates anwenden. Im Gegensatz zur gegenwärtigen Rechtslage würde sich damit also auch für den inländischen Immobiliarnachlaß eines anglo-amerikanischen Erblassers die Frage stellen, inwieweit die rechtlichen Befugnisse eines im Heimat- bzw. Domizilstaat eingesetzten Erbschaftsverwalters im deutschen Abwicklungsverfahren anerkannt werden müßten. Unter der Haager Erbrechtskonvention wäre dabei nach den obigen Ausführungen grundsätzlich nach den Regeln der Anerkennungstheorie zu verfahren.

(2) Reichweite der VeifUgungsmacht des personal representative hinsichtlich ausliindischen Nachll1jJvermiJgens Allerdings wäre dafür zunächst zu klären, ob sich die rechtliche Verfügungsmacht des im Heimatstaat ernannten Erbschaftsverwalters überhaupt auch auf das in Deutschland belegene ImmobiliarvermlJgen erstrecken würde. Diese Frage bedürfte deshalb einer genaueren Prüfung, da dieser Punkt bereits unter dem geltenden Recht umstritten ist, soweit es um die Abwicklung inländischer Mobiliamachlässe geht. (a) Mobilien Firsching als Vertreter der Spaltungstheorie meint .nämlich, daß die Verfügungsbefugnis des personal representative - zumindest nach dem amerikanischen Recht - von vornherein territorial auf das Gebiet desjenigen Staates

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4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

beschränkt sei, dessen Gerichte ihn in sein Amt eingesetzt hätten. 38 Firsching stützt sich dabei auf eine alte Grundsatzregel des amerikanischen Rechts, welche lautet: "Administration in each state, ... , is in legal theory separate and complete in itself. Each local administration is legally independent of the others. tl39 Hieraus leitet Firsching ab, daß der im Staate des Erblasserdomizils ernannte Erbschaftsverwalter keinerlei rechtliche Handlungsbefugnisse bezüglich solcher Nachlaßgegenstände habe, die außerhalb des Domizilstaates belegen seien. 40 Andere Autoren argumentieren hingegen, daß sich die Verfügungsbefugnis des Erbschaftsverwalters beim Mobiliarnachlaß auch auf ausländische Vermögensgegenstände erstrecken würde. So meint Gottheiner, daß der im Domizilstaat ernannte personal representative im englischen Recht befugt sei, alle und damit auch die außerhalb Englands belegenen Nachlaßgegenstände in die Erbschaftsabwicklung mit einzubeziehen. Dem würde auch nicht entgegen stehen, daß in der englischen Literatur immer wieder darauf hingewiesen würde, daß die englischem Gerichte diesem Grundsatz faktisch natürlich nur in England selber Respekt verschaffen könnten. 41 Nach der Ansicht von Berenbrok würde dasselbe auch für das Recht der amerikanischen Bundesstaaten gelten. Auch dort beruhe die angebliche territoriale Beschränkung der Verfügungsbefugnis des personal representative allein auf der Prämisse, daß diese Befugnis außerhalb seines Ernennungsstaates ohnehin nicht anerkannt würde. Daher handele es sich insofern nicht um eine wirkliche Selbstbeschränkung, sondern bloß um ein Zurückweichen vor fremder Nichtanerkennung. 42 Berenbrok verweist dabei außerdem auf die wachsende Tendenz in den Gliedstaaten der U.S.A., dem von den Gerichten des Domizilstaates ernannten Erbschaftsverwalter (sog. tldomiciliary personal representative tl ) diverse Handlungsbefugnisse ausdrücklich auch hinsichtlich solcher Nachlaßgegenstände zuzusprechen, die außerhalb des Domizilstaates belegen sind. 43 38 Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 107 f. 39

Leflar/McDougaVFelix, 566.

40 Firsching, Deutsch-Amerikanische Erbfälle, 107 f; ders.: U.S.A., in: FeridlFir-

sching, Internationales Erbrecht, Rz. 55d. 41 Gottheiner, RabelsZ 21 (1956), 40. 42 Berenbrok, 186. 43 Ebd. Siehe hierzu ausführlich Scoles/Hay, 872 ff., und Leflar/McDougaVFelix, 565 ff. Im Einzelnen ist hiervon insbesondere die aktive und passive Prozeßführungsbefugnis des domiciliary personal represenlative in nachlaßbezogenen Prozessen außerhalb des Domizilstaates betroffen; vgl. Scoles/Hay, 872 ff., 884 ff. Etwas weniger deutlich ausgeprägt ist dieser Trend bei anderen nachlaßbezogenen Handlungen, wie z.B. das Recht zur Inbesitznahme von beweglichen Nachlaßgegenständen und zur Entgegennahme (mit schuldbefreiender Wirkung) von Zahlungen durch Nachlaßschuldner; vgl. ebd., 876 ff. Gefördert wurde diese Entwicklung durch den Uniform

C. Rechtsstellung des anglo-amerikanischen Erbschaftsabwicklers

401

(b) Immobilien Vieles spricht dafür, daß die von Gottheiner und Berenbrok vertretene Interpretation auch auf die Verfügungsbefugnis des Erbschaftsverwalters hinsichtlich ausländischen Immobiliarvermögens zutrifft. Auch auf diese Art von Vermögen scheint sich also die Rechtsmacht des personal representative zu erstrecken. Allerdings ist festzustellen, daß die Äußerungen zu dieser Frage in der anglo-amerikanischen Literatur noch zurückhaltender und noch weniger eindeutig sind als hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des Erbschaftsverwalters über ausländische Mobilien: So gilt in den U.S.A. zwar an sich der Grundsatz, daß die Abwicklung des Immobiliarnachlasses nur von einem solchen Erbschaftsverwalter durchgeführt werden darf, der hierzu von den Gerichten des Situsstaates ermächtigt worden ist. In diese Richtung geht z.B. die in § 334 Restatement, Second, Conflict of Laws aufgestellte Regel: "Land within astate may be administered oniy in that state by an executor or administrator appointed by a competent court of that state, except to the extent otherwise permitted by the law of that state." Jedoch ist seit langem anerkannt, daß ein executor, dem vom Erblasser testamentarisch die Befugnis eingeräumt wurde, ein außerhalb des Domizilstaat belegenes Grundstück zu veräußern, dieses Recht am Situs selbst dann ausüben darf, wenn er dort noch nicht als Erbschaftsverwalter eingesetzt worden ist. 44 Bereits dies spricht dafür, daß die eben genannte Grundsatzregel für die Abwicklung des Immobiliarnachlasses keine Beschränkung der Herrschaftsmacht des im Domizilstaat ernannten personal representative ausdrücken soll, sondern lediglich die faktische Rücksichtsnahme auf eine eventuelle Nichtanerkennung durch den Situsstaat wiedergibt. Für diese Interpretation spricht ferner die neuere Entwicklung in den amerikanischen Bundesstaaten hinsichtlich der Prozeßführungsbefugnis des personal representative bei Prozessen, die zum Nachlaß gehörende auswärtige Grundstücke betreffen. Auch insofern galt zwar nach traditioneller Rechtsprechung an sich die Regel, daß nur ein im Situsstaat ernannter executor oder administrator Rechte am dort belegenen Immobiliarnachlaß auf gerichtlichem Wege geltend machen könne. 4S Zumindest in den Staaten, welche den

Probate Code, der in vielerlei Hinsicht eine Vereinheitlichung der administration und eine Konzentrierung der Handlungsbefugnisse in der Hand des domiciliary personal represemative zu erreichen versucht. Siehe auch hierzu die o.a. Nachweise. 44 Letlar/McDougaVFelix, 573 m.w.N.; siehe Restatement, Second, Contlict of Laws, § 338: "A power to seil land conferred by a will upon an executor may be exercised by that executor, even though he has not been appointed in the situs." 45 Letlar/McDougaVFelix, 573 m.w.N. 26 Brandi

402

4. Kapitel: Nachlaßverteilung und Nachlaßabwicklung

Uniform Probate Code übernommen haben, wird dies mittlerweile aber auch auswärtigen domiciliary personal representatives gestattet. 46 Darüber hinaus gewähren einige Staaten einem auswärtigen domiciliary personal representative, dem vom Erblasser die Befugnis zum Verkauf eines in diesen Staaten belegenen Grundstück eingeräumt wurde, außerdem das Recht, hinsichtlich des betroffenen Grundstücks bei Bedarf Besitzschutzklagen im Situsstaat zu erheben, ohne dort vorher gesondert als Erbschaftsverwalter eingesetzt worden zu sein. 47 Die Rechtslage in England ist anscheinend vergleichbar. Dort gilt nämlich laut Dicey /Morris als Grundsatz für die Handlungsbefugnisse des personal representative folgende Regel: "An English personal representative may legitimately take such steps as are open to him to recover any property of the deceased wherever situate and he is accountable in England for all property received by him in his capacity as such. "48 Dem in England ernannten Erbschaftsverwalter steht also nach dortigem Recht die Befugnis. zu, das gesamte Nachlaßvermögen in die Erbschaftsabwicklung miteinzubeziehen, gleichgültig wo dies belegen ist. Dies gilt nach dem englischen Recht damit ebenso für ausländisches Vermögen, auch wenn insofern natürlich das ausländische Recht faktisch das letzte Wort hat. 49 Da Dicey/Morris weder in der obigen Regel noch in dem dazugehörigen KommentarSO zwischen beweglichem und unbeweglichem Vermögen differenzieren, ist für das englische Recht wohl ebenfalls anzunehmen, daß sich die Handiungsbefugnis des personal representative auch auf ausländisches Immobiliarvermögen erstrecken würde.

46 Vgl. § 4-204 und § 4-205 UPC, abgedruckt in Firsching: U.S.A., Texte 11, Nr. 10, in: Ferid/Firsching, Internationales Erbrecht. 47 Siehe Restatement, Second, Conflict of Laws; § 338 Comment d m.w.N. 48 Dicey/Morris, 12. Auß., Rule 127. 49 Siehe ebd., Rule 127 Comment, S. 1011 f.: "Usually [the personal representative] will be unable to recover any assets situate in a foreign country unless he ftrst obtains a grant of representation from the foreign court. . .. In practice, therefore, an English personal representative will be concemedwith foreign assets only if the deceased died domiciled in England, since only in such case has the the English personal representative a gene rally recognised claim to a grant from the foreign court. . .. It follows from our Rule that an order for the judicial administration of the estate will not ordinarily be confmed to English assets, although the court may of course be unable to exercise effective control over assets situate elsewhere. " 50 Siehe die vorherige Fußnote.

c.

Rechtsstellung des anglo-amerikanischen Erbschaftsabwicklers

403

(3) Konsequenzen für die deutsche Praxis Für die deutsche Praxis würde dies also bedeuten, daß sich die Verfügungsmacht eines Erbschaftsverwalters, der im Heimatstaat eines englischen bzw. amerikanischen Erblassers eingesetzt worden ist, auch auf in Deutschland belegenes Immobiliarvermögen erstrecken würde. Da unter der Haager Erbrechtskonvention insofern im Gegensatz zur gegenwärtigen Rechtslage keine Rückverweisung auf deutsches Recht greifen würde, könnte sich nunmehr auch dort die Frage nach der Anerkennung der Verfügungsbefugnisse eines personal representative stellen. Die sich daraus ergebenden Sachfragen wären dann nach den Grundsätzen der Anerkennungstheorie zu lösen.

111. Ergebnis Im Ergebnis würden unter dem Haager Abkommen demnach also die Fälle zunehmen, in denen es zu einem Konflikt des anglo-amerikanischen Nachlaßabwicklungsrechts mit deutschen Rechtsgrundsätzen kommen könnte. Dies mag man als einen Nachteil des Abkommens ansehen. Allerdings wiegt dieser nicht allzu schwer, da die hiermit verbundenen Sachprobleme - wie oben erwähnt - im deutschen Recht mittlerweile als weitgehend geklärt angesehen werden können. Insgesamt betrachtet hätte die Haager Erbrechtskonvention daher aus deutscher Sicht keine wirklich entscheidenden Veränderungen für die Regelung der Nachlaßabwicklung im Verhältnis zum anglo-amerikanischen Recht zur Folge. Es bleibt insofern allein bedauerlich, daß es den Verfassern des Haager Abkommens nicht gelungen war, auch diesen Fragenkomplex einer rechtsvereinheitlichenden Lösung zuzuführen.

26'

Gesamtergebnis A. Zusammenfassung Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

1.1.

Das Staatsangehörigkeitsprinzip weist die höhere Anknüpfungsstabilität auf und kommt damit mehr dem Kontinuitätsinteresse entgegen. Deshalb hat es eine besondere Bedeutung für Auswanderungsstaaten, wozu auch das Deutsche Reich zur Zeit des Erlasses des BGB gehörte. Trotz eines wachsenden Einwanderungsdruckes hatte sich der deutsche IPR-Reformgesetzgeber des Jahres 1986 für eine Beibehaltung des Staatsangehörigkeitsprinzips entschieden. Nach der IPR-Reform hat die Diskussion um die richtige AnkDüpfung des Erb- bzw. Personalstatuts im deutschen IPR angehalten. Dabei sind in Anlehnung an Beispiele anderer europäischer Staaten Vorschläge zu einer Flexibilisierung der Staatsangehörigkeitsanknüpfung (Stichwort: Effektivitätsprüfung bei Monostaatem) unterbreitet worden. Diese finden jedoch im geltenden Recht keine Grundlage.

1.2.

Dem anglo-amerikanischen Domizilprinzip ist im Grundsatz die grössere Anknüpfungsflexibilität zueigen. Dadurch entspricht es dem Anpassungsinteresse von Immigranten und den praktischen Bedürfnissen der angelsächsischen Einwanderungsstaaten. Aus historischen Gründen weist der Domizilbegriff des englischen Rechts jedoch zugleich auch ein hohes Maß an Anknüpfungsstabilität auf (Stichwort: domicile of origin). Aktuelle Reformbemühungen in verschiedenen Commonwealth Staaten haben eine Flexibilisierung und Vereinfachung des traditionellen englischen Domizilbegriffs zum Gegenstand. Diese Entwicklung ist in den U.S.A. um mehrere Jahrzehnte vorweg genommen worden. Dort haben vor allem die besonderen Anforderungen des interlokalen Rechtsverkehrs zur Entwicklung eines sehr flexiblen Domizilbegriffs geführt.

1.3.

Unter praktischen Aspekten gesehen weist das Staatsangehörigkeitsprinzip den Vorteil der größeren Rechtssicherheit, der einfacheren Anwendbarkeit und der geringeren Maoipulierbarkeit auf. Dagegen versagt es bei Mehrstaatem, Staatenlosen und lokaler Rechtsspaltung.

A. Zusammenfassung

405

Dort erfordert es ergänzende Regelungen zur Konkretisierung der Verweisung, die sich z.T. wiederum auf Anknüpfungsmerkmale des Domizilprinzips stützen. Das Domizilprinzip besitzt den Vorzug, häufiger zur Geltung der Lex fori zu führen, und vermeidet insoweit die praktischen Schwierigkeiten der Fremdrechtsanwendung. 1.4.

Unter der gegenwärtigen Rechtslage ist der Konflikt zwischen dem deutschen Heimatrechtsprinzip und dem angelsächsischen Domizilprinzip nur teilweise gelöst. Zwar wird im Fall des negativen Kompetenzkonfliktes (Beispiel: englischer oder amerikanischer Erblasser verstirbt mit letztem Wohnsitz in Deutschland) mit Hilfe des renvoi (vgl. Art. 4 I EGBGB) bzw. der englischenforeign court theory ein äußerer Entscheidungseinklang erzielt. Jedoch existiert für den Fall des positiven Kompetenzkonfliktes (Beispiel: deutscher Erblasser verstirbt mit letztem Wohnsitz in England oder in den U.S.A.) bislang noch keine Lösung.

1.5.

Die Ausarbeitung der zentralen Vorschrift der Haager Erbrechtskonvention zur objektiven Anknüpfung des Erbstatuts war von intensiven und langwierigen Diskussionen geprägt. Deren Resultat ist die Anknüpfungsleiter des Art. 3. Diese verbindet die drei Merkmale der Staatsangehörigkeit, des gewöhnlichen Aufenthalts und der "engeren Verbindung" in einer Kombination von einfach anzuwendenden Regelanknüpfungen und flexiblen Ausnahmeklauseln. Ziel dieser Anknüpfungsleiter ist es, so genau wie möglich den jeweiligen Lebensmittelpunkt des Erblassers zu ermitteln. Dabei wirft allerdings das Verhältnis der Regelanknüpfung an das Aufenthaltsrecht (Art. 311 1) zu der Ausweichklausel zugunsten des Heimatrechts (Art. 3 11 2) einige Fragen auf.

1.6.

Im Ergebnis räumt Art. 3 der Haager Konvention dem Domizilprinzip einen gewissen Vorrang ein. Darüber hinaus liegt dort das Schwergewicht eher auf der Anknüpfungsflexibilität als auf der Verweisungsstabilität. Daher würde die Einführung des Art. 3 für die deutsche internationale Erbrechtspraxis eine deutliche Abkehr von bislang herrschenden Rechtsgrundsätzen darstellen.

1.7.

Für die deutsche Praxis bestünde ein entscheidender Vorzug des Art. 3 darin, daß er es ermöglichen würde, die besondere Interessenslage der in der Bundesrepublik lebenden Ausländer in flexiblerer Weise zu berücksichtigen, als dies unter dem geltenden starren Heimatrechtsgrundsatz bislang möglich ist. Dabei käme die Bevorzugung des Aufenthaltsprinzips vor allem dem Anpassungsinteresse der seit vielen Jahren in Deutschland wohnenden Mitglieder der zweiten oder dritten Gastarbeitergeneration entgegen. Darüber hinaus würde die vermehrte

406

Gesamtergebnis

Lex:fori-Anwendung unter Art. 3 verhindern, daß die deutsche Nachlaßrechtspflege in den kommenden Jahrzehnten mit einer hohen Anzahl komplizierter Fremdrechtsnachlässe konfrontiert würde.

1.8.

Dem stünden als Nachteil Einbußen im Hinblick auf den internationalen Entscheidungseinklang gegenüber den Heimatstaaten der in Deutschland lebenden Ausländer gegenüber. Außerdem würden die Rechtssicherheit und Vorhersehbarkeit der Anknüpfung im Vergleich zum geltenden Staatsangehörigkeitsprinzip um einiges gemindert. Darüber hinaus enthält das Haager Abkommen keine Lösung für das Problem des Statutenwechsels bei objektiver Anknüpfung der testamentarischen Erbfolge.

2.1.

Im deutschen IPR unterliegt die Erbfolge im Grundsatz für den gesamten Nachlaß einheitlich dem Personalstatut des Erblassers (personale Anknüpfung). Damit soll die Parallelität zur Universalsukzession im materiellen Erbrecht gewahrt bleiben. Gleichzeitig wird hiermit die Nähe des Erbrechts zum Familienrecht betont. Eine Nachlaßspaltung erfolgt nur in Sonderfällen und zwar entweder im Interesse des internationalen Entscheidungseinklangs (Art. 3 III, Art. 4 I EGBGB) oder infolge einer beschränkten Rechtswahl (Art. 25 11 EGBGB).

2.2.

Im anglo-amerikanischen Kollisionsrecht liegt die Betonung dagegen eher auf dem sachenrechtlichen Charakter des Erbrechts. Dort wird die Erbfolge für den Mobiliar- und Immobiliarnachlaß getrennt angeknüpft (gemischt personal-reale Anknüpfung). In den U.S.A. hat sich allerdings für die zwingende Nachlaßbeteiligung des Ehegatten in den vergangenen Jahrzehnten zunehmend eine einheitliche Anknüpfung des Gesamtnachlasses an das Recht des Erblasserdomizils durchgesetzt (vgl. § 2-201 Uniform Probate Code).

2.3.

Die Interessen des Erblassers und der Erben sprechen vorrangig für eine einheitliche personale Anknüpfung des Gesamtnachlasses. Dadurch wird eher gewährleistet, daß die Erbfolge an ein Recht angeknüpft wird, zu dem diese Personen eine enge persönliche Beziehung besitzen. Außerdem wird auf diese Weise der innere Entscheidungseinklang zwischen den einzelnen Nachlaßmassen gewahrt. Ferner vermeidet die Nachlaßeinheit die oftmals schwierige Unterscheidung zwischen Mobilien und Immobilien. Dagegen lassen sich für die Nachlaßspaltung inländische Verkehrsinteressen und - allerdings nur in Ausnahmefällen - wirtschaftspolitische Interessen des Situsstaates anführen.

2.4.

Unter geltendem Recht ist der Konflikt zwischen dem deutschen IPR und dem anglo-amerikanischen Kollisionsrecht hinsichtlich der An-

A. Zusammenfassung

407

knüpfung der Erbfolge in Immobilien insoweit zufriedensteIlend gelöst, als in den meisten Fällen des negativen und positiven Kompetenzkonfliktes (amerikanischer Erblasser hinterläßt Grundstück in Deutschland bzw. deutscher Erblasser hinterläßt Grundstück in den U.S.A.) zwischen diesen Rechtsordnungen internationaler Entscheidungseinklang herrscht. Unbefriedigend aus der Sicht des deutschen Rechts ist daran allerdings, daß dies unter Verzicht auf die Nachlaßeinheit geschieht. 2.5.

Auf der Haager Konferenz hatte sich der Grundsatz der Nachlaßeinheit bei der Ausarbeitung der Erbrechtskonvention zumindest für die objektive Anknüpfung des Erbstatuts sehr rasch durchsetzen können (Art. 7 I). Dies ist umso bemerkenswerter, als dieses Resultat auch von den Nachlaßspaltungsstaaten mitgetragen wurde. Maßgebliche Motive waren für die Konferenzteilnehmer dabei vor allem die gegen die Nachlaß spaltung sprechenden praktischen Erwägungen.

2.6.

Im Bereich der objektiven Anknüpfung wird die Nachlaßeinheit in der Haager Erbrechtskonvention nur an zwei Punkten durchbrochen: Art. 15 räumt materiellrechtlichen Sonderstatuten des Situsrechts, die für bestimmte Vermögensmassen eine Sondererbfolge anordnen, den Vorrang gegenüber dem im übrigen durch die Konvention für anwendbar erklärten Recht ein. Diese Ausnahmebestimmung ähnelt der Regelung des Art. 3 III EGBGB, ist aber enger gefaßt als diese. Eine weitere Ausnahme vom Grundsatz der Nachlaßeinheit wird durch die Bestimmung des Art. 4 begründet, die einen Spezialfali des renvoi regelt.

2.7.

Die Haager Erbrechtskonvention verwirklicht die Nachlaßeinheit innerhalb ihres zwingenden Anwendungsbereichs konsequenter als das geltende deutsche IPR. Insofern wird sie dem Parteiinteresse des Erblassers und der Erben besser gerecht. Außerdem wird der innere Entscheidungseinklang dadurch in einem noch größeren Umfange gewahrt.

2.8.

Die beschränkte inhaltliche Reichweite des Haager Abkommens führt allerdings dazu, daß die Nachlaßeinheit nur für den Sachbereich der Nachlaßverteilung mit einer für alle Vertragsstaaten zwingenden Wirkung durchgesetzt wird. Dagegen bliebe es für die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung bei der derzeitigen Rechtslage. Außerdem enthält das Haager Abkommen keine Lösung für das Problem des positiven Kompetenzkonfliktes im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten. Insofern würde sie im Vergleich zur gegenwärtigen Rechtslage (vgl. Art. 3 III EGBGB) zu Einbußen hinsichtlich des internationalen Entscheidungseinklangs im Verhältnis zu den Nachlaßspaltungsstaaten führen, soweit diese dem Abkommen nicht beitreten sollten.

408 3.1.

Gesamtergebnis

Im Zuge der IPR-Reform hat der deutsche Gesetzgeber eine Rechtswahl nur für inländisches Immobiliarvermögen zugelassen (Art. 25 11

EGBGB). Hiermit blieb er deutlich hinter wiederholten Forderungen der Lehre zurück. Praktische Relevanz besitzt diese Rechtswahlmöglichkeit nur für bestimmte Gruppen ausländischer Erblasser.

3.2.

Die Staaten des anglo-amerikanischen Rechtskreises bieten hinsichtlich der Zulässigkeit der erbrechtlichen projessio iuris kein einheitliches Bild. Im englischen Recht ist sie praktisch bedeutungslos. In einigen amerikanischen Bundesstaaten ist sie dagegen zugelassen. Auch dort unterliegt sie jedoch Beschränkungen: Entweder ist nur die Wahl der Lexjori für lokales Nachlaßvermögen zulässig (z.B. New York, Florida und Illinois) oder es sind bestimmte Sachbereiche des materiellen Erbrechts (v.a. der Angehörigenschutz) von der Rechtswahl ausgeschlossen (vgl. § 2-602 Uniform Probate Code). Scheinbar widersprüchlich ist die New Yorker Rechtsprechung zu diesem Thema.

3.3.

Bei der Frage nach Nutzen und Schaden einer erbrechtlichen Rechtswahl stehen sich vorrangig die Gestaltungsbedürfnisse des Erblassers und die Schutzinteressen seiner nahen Angehörigen gegenüber. Die Abwägung der beiderseitigen Belange ergibt dabei, daß dem Erblasser eine beschränkte Rechtswahlmöglichkeit gewährt werden sollte, bei welcher er die Auswahl zwischen· mehreren wählbaren Rechtsordnungen hätte (Heimatrecht, Aufenthaltsrecht, u. U. a~ch Belegenheitsrecht und Ehegüterrechtsstatut). Hierdurch würde den materiell- und kollisionsrechtlichen Anwendungsinteressen des Erblassers und seinem Bedürfnis nach Rechtssicherheit gedient.

3.4.

Die Schutzbedürfnisse der Erblasserangehörigen können kein völliges Verbot der Rechtswahl rechtfertigen. Die materiellrechtlichen Schutzinteressen der Angehörigen haben in Fällen mit Auslandsberührung wegen der Unterschiedlichkeit der einzelnen nationalen Erbrechtsordnungen zwangsläufig ein geringeres Gt:wicht als in reinen Inlandsflillen. Ihre kollisionsrechtlichen Schutzinteressen gebieten allenfalls eine Beschränkung der Wahlmöglichkeiten auf Rechtsordnungen, die mit der Regelung der Erbfolge eine gewisse Verbindung haben. Auch mit der - zudem geringen - Gefahr einer "Umgehung" von Angehörigenschutzvorschriften kann ein völliger Ausschluß der projessio iuris nicht begründet werden.

3.5.

Auf der Haager Konferenz hat man sich sehr rasch auf die Zulassung einer beschränkten Rechtswahlmöglichkeit einigen können (Wahl zwischen Heimat- und Aufenthaltsrecht, Art. 5). Erheblich langwieriger war die Auseinandersetzung hinsichtlich einer Wahlmöglichkeit zugunsten der Lex rei sitae für Immobiliarvermögen. An deren Ende stand

A. Zusammenfassung

409

der fragwürdige Kompromiß des Art. 6, der nur eine entsprechende materiellrechtliche Verweisung zuläßt. Ferner gestattet das Haager Abkommen eine gesonderte Rechtswahl für Erbverträge (Art. 11). 3.6.

Im Mittelpunkt der Diskussion um Art. 5 standen die Gesichtspunkte der Planungssicherheit (d.i. Vermeidung der Gefahren eines Statutenwechseis) und des Angehörigenschutzes. Um dem Erblasser größtmögliche Planungssicherheit zu gewähren, wird ihm in Art. 5 die Wahl des Heimat- oder Aufenthaltsrechts zum Wahl- oder Todeszeitpunkt gestattet. Aus Gründen des Angehörigenschutzes wurden jedoch in Art. 24 I c) und Art. 24 I d) Regelungen eingefügt, die es gestatten, dem Erbrechtsabkommen unter dem Vorbehalt beizutreten, eine Rechtswahl LS.d. Art. 5 unter bestimmten Umständen nicht anzuerkennen.

3.7.

Die Rechtswahlvorschriften des Haager Abkommens stellen eine erhebliche Verbesserung gegenüber dem geltenden deutschen IPR dar. Art. 5 und Art. 11 gewähren dem Erblasser eine größere Rechtssicherheit und wesentlich umfangreichere Gestaltungsmöglichkeiten. Hierdurch ermöglichen sie auch eine bessere Koordination des Erbstatuts mit dem Ehegüterrechtsstatut. Für gemischt deutsch-ausländische Ehepaare erleichtert Art. 11 darüber hinaus auch den Gebrauch von Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten zum Zwecke der gemeinsamen Nachlaßplanung.

3.8.

Durch die Beschränkung der Rechtswahl auf das Heimat- und Aufenthaltsrecht wird den Schutzinteressen der Erblasserangehörigen grundsätzlich hinreichend Rechnung getragen. Insoweit ist auch der Ausschluß einer echten kollisionsrechtlichen Rechtswahl zugunsten des Belegenheitsrechts zu begrüßen, wenngleich der hierfür gewählte Weg (Beschränkung auf materiellrechtliche Verweisung) einige Bedenken weckt. Den Vorbehalt des Art. 24 I d) sollte die Bundesrepublik im Falle eines Abkommensbeitritts aufgrund der Unbestimmtheit dieser Vorschrift unter keinen Umständen erklären. Hingegen ließe sich zur Not die Erklärung des Vorbehalts des Art. 24 I c) vertreten. Auf diese Weise könnten Anknüpfungsmanipulationen zu Lasten der Erblasserangehörigen womöglich noch besser verhindert werden. Dafür müßten dann jedoch deutliche Einbußen an Planungssicherheit für den Erblasser hingenommen werden.

4.1.

Aufgrund der gravierenden Systemunterschiede zwischen dem angloamerikanischen und kontinentaleuropäischen Erbrecht hatten sich die Konferenzteilnehmer für das Haager Abkommen nur auf einen begrenzten zwingenden Anwendungsbereich einigen können. Dieser UIDfaßt lediglich die Nachlaßverteilung (Art. 711). Die Einbeziehung der Nachlaßabwicklung ist dagegen in das Belieben der Vertragsstaaten

410

Gesamtergebnis

gestellt (Art. 7 III). Hierdurch wird die rechtsvereinheitlichende Wirkung des Abkommens leider deutlich eingeschränkt. 4.2.

Aus deutscher Sicht käme allenfalls eine weite Anwendung des Abkommens auf den gesamten Bereich des Erbstatuts einschließlich der Nachlaßabwicklung in Betracht. Eine Begrenzung der Abkommensanwendung auf die in Art. 7 11 genannten Punkte hätte schwierige Anpassungsprobleme zwischen den Nachlaßabwickiungs- und Nachlaßverteilungsregeln unterschiedlicher Rechtsordnungen zur Folge. Außerdem wären kollisionsrechtliche Wertungswidersprüche zu erwarten.

4.3.

Eine weite Anwendung des Haager Abkommens könnte hingegen dazu beitragen, einige der Probleme zu lösen, die gegenwärtig im deutschen IPR die Abwicklung von Ausländernachlässen erschweren: Im Zusammenwirken mit der Gleichlauftheorie hätte die vermehrte Lex-joriAnwendung unter Art. 3 der Konvention zur Folge, daß die deutschen Gerichte häufiger als bislang für die Abwicklung von Ausländernachlässen zuständig wären. Dadurch würden die in diesem Bereich augenblicklich herrschenden Rechtsschutzmängel weitgehend behoben. Außerdem würde die vermehrte Lex-jori-Anwendung zu einer Verminderung der Anpassungsprobleme zwischen Nachlaßverfahrensrecht und materiellem Erbrecht führen. Ferner könnte hierdurch der drohenden Überlastung der deutschen Nachlaßrechtspflege durch eine Welle kompliziert abzuwickelnder Ausländernachlässe vorgebeugt werden.

4.4.

Dem stünde als Nachteil ein verminderter internationaler Entscheidungseinklang im Verhältnis zu den Heimatstaaten der größten in Deutschland lebenden Ausländergruppen gegenüber. Bei einem deutschen Abkommensbeitritt stünde die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung nämlich nicht mehr im Einklang mit den in diesen Staaten herrschenden kollisionsrechtlichen Regeln. Darüber hinaus hätten deutsche nachlaßgerichtliehe Entscheidungen in diesen Staaten im Falle eines deutschen Abkommensbeitritts geringere Aussichten auf Anerkennung und Vollstreckung.

4.5.

Das Haager Abkommen enthält leider keine Lösung für die Regelung der Stellung des anglo-amerikanischen Erbschaftsverwalters (personal representative) im deutschen Recht. Gleichwohl hätte ein deutscher Abkommensbeitritt auch insoweit Auswirkungen auf die deutsche Nachlaßpraxis: So würde ein deutscher Abkommensbeitritt einerseits zu einer Vermehrung der Fälle führen, in denen sich das Problem der Anerkennung eines personal representative in Deutschland stellen könnte. Andererseits würde die Haager Konvention dazu beitragen, den zu dieser Frage bislang herrschenden Meinungsstreit zwischen der

B. Abschließende Bewertung

411

Anerkennungs- und der Spaltungstheorie im Sinne der ersteren Auffassung zu beenden. Denn gemäß Art. 17 des Abkommens dürfte die von der Spaltungstheorie in diesem Zusammenhang angenommene "versteckte" Rückverweisung des anglo-amerikanischen Rechts für die Anknüpfung der Nachlaßabwicklung nicht mehr berücksichtigt werden. B. Abschließende Bewertung Im Ergebnis schafft die Haager Erbrechtskonvention also einen relativ ausgewogenen Interessensausgleich zwischen den in den Common Law Staaten und den in den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen herrschenden Rechtsgrundsätzen. So konnten die Common Law Staaten zwar für die objektive Anknüpfung des Erbstatuts eine Bevorzugung des Domizilprinzips durchsetzen. Dafür mußten sie aber - sowohl bei der objektiven Anknüpfung als auch bei der Rechtswahl - weitreichende Zugeständnisse zugunsten der Nachlaßeinheit hinnehmen. 1 Was die recht großzügige Zulassung einer projessio iuris anbelangt, so betritt das Haager Abkommen insoweit für die Mitgliedsstaaten beider Rechtskreise weitgehend Neuland. Wenig erfolgreich blieb das Abkommen jedoch leider bei der Rechtsvereinheitlichung hinsichtlich der Anknüpfung der Nachlaßabwicklung.

Aus deutscher Sicht halten sich die Vor- und Nachteile der Erbrechtskonvention insgesamt betrachtet in etwa die Waage. Zu den Vorzügen des Abkommens ist - angesichts des relativ hohen Ausländeranteil an der deutschen Bevölkerung - vor allem die flexible Anknüpfungsleiter des Art. 3 und die darin verankerte Bevorzugung des Aufenthaltsprinzips zu rechnen. Ferner gehört dazu die konsequente Verwirklichung der Nachlaßeinheit und die Zulassung einer sinnvoll begrenzten projessio iuris des Erblassers. Dem steht aus deutscher Sicht jedoch als wichtigster Nachteil gegenüber, daß ein deutscher Abkommensbeitritt im Vergleich zur derzeitigen Rechtslage zu deutlichen Einbußen an internationalem Entscheidungseinklang gegenüber den Nichtvertragsstaaten und insbesondere im Verhältnis zu den Heimatstaaten der meisten in Deutschland lebenden Ausländer führen würde. Außerdem hätten die flexiblen Anknüpfungsregeln des Abkommens ein gewisses Maß an Rechtsunsicherheit zur Folge. Angesichts dieser eher zwiespältigen Gesamtbewertung spräche daher an sich einiges dafür, daß Deutschland hinsichtlich der Möglichkeit eines Abkommensbeitritts zunächst einmal eine abwartende Haltung einnehmen 1 Scoles, Am. J. Comp. Law 42 (1994), 92; Droz, Revue de Droit Uniform 1989-1, 214.

412

Gesamtergebnis

sollte. Für eine solche Vorgehensweise ließe sich insbesondere anführen, daß der größte Nachteil des Abkommens, d.h. die Gefährdung des derzeit existierenden internationalen Entscheidungseinklangs im Verhältnis zu Nichtvertragsstaaten, insoweit an Bedeutung verlieren würde, wie sich auch wichtige andere Staaten zu einer Ratifikation entschließen könnten. Unter diesem Blickwinkel betrachtet sollte der deutschen Gesetzgeber allerdings spätestens dann eine Ratifikation in Erwägung ziehen, sobald z.B. auch andere bedeutsame Mitgliedsstaaten der Europäischen Union dem Abkommen beitreten würden. 2 Allerdings wäre darüber hinaus auch zu überlegen, ob in Anbetracht der unbestreitbaren Vorteile des Haager Erbrechtsabkommens ein deutscher Beitritt nicht auch schon zu einem früheren Zeitpunkt in Betracht käme. Hierfür würde vor allem sprechen, daß bei einem zu zögerlichen Vorgehen der Bundesrepublik ansonsten womöglich eine große Chance für die Rechtsvereinheitlichung auf dem Gebiet des internationalen Erbrechts vertan würde. Insofern könnte ein deutscher Abkommensbeitritt sicherlich eine wichtige Sogwirkung entfalten, welche unter Umständen auch die übrigen Mitgliedsstaaten der Haager Konferenz zu einem Abkommensbeitritt bewegen könnte.

2 So auch die Empfehlung des deutschen Delegationsleiters in seinem Schreiben vom 28.2.1989 an den Vorsitzenden der I. Kommission des Deutschen Rates für IPR, S.3.

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Anhang A. Convention on the Law Applicable to Succession to the Estates of Deceased Persons The States signatory of this Convention, Desiring to establish common provisions conceming the law applicable to succession to the estates of deceased persons, have resolved to conclude a Convention for this purpose and have agreed upon the following provisions: Chapter I - Scope of the Convention

Article 1 (1) This Convention detennines the law applicable to succession to the estates of

deceased persons. (2) The Convention does not apply to: (a) the fonn of dispositions of property upon death; (b) capacity to dispose ofproperty upon death; (c) issues pertaining to matrimonial property; (d) property rights, interests or assets created or transferred otherwise than by succession, such as in joint ownership with right of survival, pension plans, insurance contracts, or arrangements of similar nature.

Article 2 The Convention applies even if the applicable law is that of a non-Contracting State. Chapter 11 - Applicable Law

Article 3 (1) Succession is govemed by the law of the State in which the deceased at the time of his death was habitually resident, if he was then anational of that State. (2) Succession is also govemed by the law of the State in which the deceased at the time of his death was habitually resident if he had been resident there for aperiod of no less than five years immediately preceding his death. However, in exceptional circumstances, if at the time of his death he was manifestly more closely connected with the State of which he was then anational, the law of that State applies. (3) In other cases succession is govemed by the law of the State of which at the time of his death the deceased was anational, unless at that time the deceased was

A. Convention on the Law Applicable to Succession

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more closely connected with another State, in which case the law of the latter State applies.

Article 4 If the law applicable according to Article 3 is that of a non-Contracting State, and if the choice of law rules of that State designate, with respect to the whole or part of the succession, the law of another non-Contracting State which would apply its own law, the law of the latter State applies.

Article 5 (1) A person may designate the law of a particular State to govem the succession to

the whole of his estate. The designation will be effective only if at the time of the designation or of his death such person was anational of that State or had his habitual residence there. (2) This designation shall be expressed in a statement made in accordance with the formal requirements for dispositions of property upon death. The existence and material validity of the act of designation are govemed by the law designated. If under that law the designation is invalid, the law goveming the succession is determined under Article 3. (3) The revocation of such a designation by its maker shall comply with the rules as to form applicable to the revocation of dispositions of property upon death. (4) For the purposes of this Article, adesignation of the applicable law, in the absence of an express contrary provision by the deceased, is to be construed as goveming succession to the whole of the estate of the deceased whether he died intestate or wholly or partially testate.

Article 6 A person may designate the law of one or more States to govem the succession to particular assets in his estate. However, any such designation is without prejudice to the application of the mandatory rules of the law applicable according to Article 3 or· Article 5, paragraph 1.

Article 7 (1) Subject to Article 6, the applicable law under Articles 3 and 5, paragraph 1,

govems the whole of the estate of the deceased wherever the assets are located. (2) This law govems: (a) the determination of the heirs, devisees and legatees, the respective shares of those persons and the obligations imposed upon them by the deceased, as weIl as other succession rights arising by reason of death including provision by a court or other authority out of the estate of the deceased in favour of persons close to the deceased; (b) disinheritance and disqualification by conduct; (c) any obligation to restore or account for gifts, advancements or legacies when determining the shares ofheirs, devisees or legatees; (d) the disposable part of the estate, indefeasible interests and other restrictions on dispositions of property upon death;

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Anhang

(e) the material validity of testamentary dispositions. (3) Paragraph 2 does not preclude the application in a Contracting State of the law applicable under this Convention to other matters which are considered by that State to be govemed by the law of succession. Chapter III - Agreements as to Succession

Article 8 For the purposes of this Chapter an agreement as to succession is an agreement created in writing or resulting from mutual wills which, with or without consideration, creates, varies or terminates rights in the future estate or estates of one or more persons parties to such agreement.

Article 9 (1) Where the agreement involves the estate of one person only, its material validity,

the effects of the agreement, and the circumstances resulting in the extinction of the effects, are determined by the law which under Article 3 or 5, paragraph 1, would have been applicable to the succession to the estate of that person if that person had died on the date of the agreement. (2) If under that law the agreement is invalid, it is nevertheless valid if it is valid under the law which at the time of death is the law applicable to the succession to the estate of that person according to Article 3 or 5, paragraph 1. The same law then govems theeffects of the agreement and the circumstances resulting in the extinction of the effects.

Article 10 (1) Where the agreement involves the estates of more than one person, the agreement is materially valid only if it is so valid under all the laws which, according to Article 3 or 5, paragraph 1, would have govemed the succession to the estates of

all the persons if each such person had died on the date of the agreement. (2) The effects of the agreement and the circumstances resulting in the extinction of the effects are those recognized by all of those laws.

Article 11 The parties may agree by express designation to subject the agreement, so far as its material validity, the effects of the agreement, and the circumstances resulting in the extinction of the effects are concemed, to the law of aState in which the person or any one of the persons whose future estate is involved has his habitual residence or of which he is anational at the time of the conclusion of the agreement.

Article 12 (1) The material validity of an agreement valid under the law applicable according to Article 9, 100r 11 may not be contested on the ground that the agreement would be invalid under the law applicable according to Article 3 or 5, paragraph 1. (2) However, the application of the law applicable according to Article 9, 10 or 11 shall not affect the rights of anyone not party to the agreement who under the law

A. Convention on the Law Applicable to Succession

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applicable to the succession by virtue of Article 3 or 5, paragraph 1, has an indefeasible interest in the estate or another right of wh ich he cannot be deprived by the person whose estate is in question. Chapter IV - General Provisions

Article 13 Where two or more persons whose successions are govemed by different laws die in circumstances in which it is uncertain in what order their deaths occurred, and where those laws provide differently for this situation or make no provision at all, none of the deceased persons shall have any succession rights to the other or others.

Article 14 (1) Where a trust is created in a disposition of property upon death, the application to the succession of the law determined by the Convention does not preclude the application of another law to the trust. Conversely, the application to a trust of its goveming law does not preclude the application to the succession of the law goveming succession by virtue of the Convention. (2) Tbe same rules apply by analogy to foundations and corresponding institutions created by dispositions of property upon death.

Article 15 Tbe law applicable under the Convention does not affect the application of any rules of the law of the State where certain immovables, enterprises or other special categories of assets are situated, which rules institute a particular inheritance regime in respect of such assets because of economic, family or social considerations.

Article 16 Where under the law applicable by virtue of the Convention there is no heir, devisee. or legatee under a disposition of property upon death, and no physical person is an heir by operation of law, the application of the law so determined does not preclude a State or an entity appointed thereto by that State from appropriating the assets of the estate that are situated in its territory .

Article 17 In this Convention, and subject to Article 4, law means the law in force in aState

other than its choice of law rules.

Article 18 Tbe application of any of the laws determined by the Convention may be refused only where such application would be manifestly incompatible with public policy (ordre public).

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Anhang Article 19

(1) For the purposes of identifying the law applicable under this Convention, where a State comprises two or more territorial units, each of which has its own system of law or its own rules of law in respect of succession, the provisions of this Article apply. (2) If there are rules in force in such aState identifying which law among the laws of the two or more units is to apply in any circumstance for which this Article provides, the law of that unit applies. In the absence of such rules the following paragraphs of this Article apply. (3) For the purposes of any reference in this Convention, or any designation by the deceased pursuant to this Convention, (a) the law of the State of the habitual residence of the deceased at the time of designation or of his death means the law of that unit of the State in which at the relevant time the deceased had his habitual residence; (b) the law of the State of the nationality of the deceased at the time of designation or of his death means the law of that unit of the State in which at the relevant time the deceased had his habitual residence, and in the absence of such an habitual residence, the law of the unit with which he had his closest connection. (4) For the purposes of any reference in this Convention, the law of the State of closest connection means the law of that unit of the State with which the deceased was most closely connected. (5) Subject to Article 6, for the purposes of any designation pursuant to this Convention whereby the deceased designates the law of a unit of the State of which at the time of designation or of his death (a) he was anational, that designation is valid only if at some time he had had an habitual residence in, or in the absence of such an habitual residence, a close connection with, that unit; (b) he was not anational, the designation is valid only if he then had his habitual residence in that unit, or, if he was not then habitually resident in that unit but was so resident in that State, he had had an habitual residence in that unit at some time. (6) For the purposes of any designation under Article 6 with regard to particular assets whereby the deceased designates the law of aState, it is presumed that, subject to evidence of contrary intent, the designation means the law of each unit in which the assets are situated. (7) For the purposes of Article 3, paragraph 2, the required period of residence is attained when the deceased for the five years immediately preceding his death had his residence in that State, notwithstanding that during that period he resided in more than one of the units of that State. When the period has been attained, and the deceased had an habitual residence in that State at that time, but no habitual residence in any particular unit of that State, the applicable law is the law of that unit in which the deceased last resided, unless at that time he had a closer connection with another unit of the State, in which case the law of the latter unit applies.

A. Convention on the Law Applicable to Succession

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Article 20 For purposes of identifying the law applicable under this Convention, where aState has two or more legal systems applicable 10 the succession of deceased persons for different categories of persons, any reference 10 the law of such State shall be construed as referring 10 the legal system determined by the rules in force in that State. In the absence of such rules, the reference shall be construed as referring 10 the legal system with which the deceased had the closest connection.

Article 21 A Contracting State in which different systems of law or sets of rules of law apply to succession shall not be bound to apply the rules of the Convention 10 conflicts solely between the laws of such different systems or sets of rules of law.

Article 22 (1) The Convention applies in a Contracting State 10 the succession of any person whose death occurs after the Convention has entered into force for that State. (2) Where at a time prior 10 the entry into force of the Convention in that State the deceased has designated the law applicable to his succession, that designation is to be considered valid there if it complies with Article 5. (3) Where at a time prior 10 the entry into force of the Convention in that State the parties to an agreement as 10 succession have designated the law applicable 10 that agreement, that designation is 10 be considered valid there if it complies with Article 11.

Article 23 (1) The Convention does not affect any other international instrument to which Contracting States are or become Parties and which contains provisions on matters govemed by this Convention, unless a contrary declaration is made by the States Parties 10 such instrument. (2) Paragraph 1 of this Article also applies 10 uniform laws based on special ties of a regional or other nature between the States concemed.

Article 24 (1) Any State may, at the time of signature, ratification, acceptance, approval or accession, make any of the following reservations : (a) that it will not apply the Convention to agreements as to succession as defmed in Article 8, and therefore that it will not recognize a designation made under Article 5 if the designation is not expressed in a statement made in accordance with the requirements for a testamentary disposition; (b) that it will not apply Article 4; (c) that it will not recognize a designation made under Article 5 by a person who, at the time of his death, was not or was no long~r either anational of, or habitually resident in, the State whose law he had designated, but at that time was anational of and habitually resident in the reserving State; (d) that it will not recognize a designation made under Article 5, if all of the following conditions are met:

432

Anhang - the law of the State making the reservation would have been the applicable law under Article 3 if there had been no valid designation made under Article

5,

- the application of the law designated under Article 5 would totally or very substantially deprive the spouse or a child of the deceased of an inheritance or family provision to which the spouse or child would have been entitled under the mandatory mIes of the law of the State making this reservation, - that spouse or child is habitually resident in or anational of that State. (2) No other reservation shall be permitted. (3) Any Contracting State may at any time withdraw a reservation which it has made; the reservation shall cease to have effect on the first day of the month following the expiration of three months after notification of the withdrawal. Chapter V - Final Clauses ( ... )

B. Convention sur la loi applicable aux successions a cause de mort Les Etats signataires de la presente Convention, Desirants etablir des dispositions communes concemant la loi applicable aux successions a cause de mort, Ont resolu de conclure une Convention a cet effet et sont convenus des dispositions suivantes: Chapitre 1- Champ d'application de Ia Convention

Article 1

(1) La presente Convention determine la loi applicable aux successions a cause de mort. (2) La Convention ne s'applique pas: (a) a la forme des dispositions a cause de mort; (b) a la capaeire de disposer a cause de mort; (c) aux questions relevant du regime matrimonial; (d) aux droits et biens crees ou transferes autrement que par succession, tels que propriete conjointe de plusieurs personnes avec reversibilire au profit du survivant, plans de retraite, contrats d'assurances et arrangements analogues.

Article 2 La Convention est applicable meme si la loi qu'elle designe est celle d'un Etat non contractant.

B. Convention sur la loi applicable aux successions

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Chapitre 11 - Loi applicable Article 3

(1) La succession est regie par la loi de l'Etat dans lequelle defunt avait sa residence habituelle au moment de son deces, lorsque le defunt possedait alors la nationalit6 de cet Etat. (2) La succession est egalement regie par la loi de l'Etat dans lequelle defunt avait sa residence habituelle au moment de son deces, s'il avait reside dans cet Etat pendant une periode d'au moins cinq ans precedant immediatement son deces. Cependant, dans des circonstances exceptionelles, si le defunt avait, au moment de son deces, des liens manifestement plus etroits avec l'Etat dont il possedait alors la nationalit6, la loi de cet Etat est applicable. (3) Dans les autres cas, la succession est regie par la loi de l'Etat dont le defunt possedait la nationalite au moment de son deces, a mo ins que le defunt n'ait eu, a ce moment, des liens plus etroits avec un autre Etat, auquel cas la loi de cet autre Etat est applicable. Article 4

Si la loi applicable en vertu de I' article 3 est celle d 'un Etat non contractant et que les regles de cont1it de cet Etat designent, pour tout ou partie de la succession, la loi d'un autre Etat non contractant qui appliquerait sa propre loi, la loi de cet autre Etat est applicable. Article 5

(1) Une personne peut designer la loi d'un Etat detennine pour regir I'ensemble de sa succession. La designation ne prend effet que si cette personne, au moment de la designation ou au moment du deces, possedait la nationalit6 de cet Etat ou y avait sa residence habituelle. (2) Cette designation doit ~tre exprimee dans une declaration rev~tant la fonne d 'une disposition a cause de mort. L'existence et la validit6 au fond du consentement quailt acette designation sont regies par la loi designee. Si d'apres cette loi la designation n'est pas valide, la loi applicable a la succession est detenninee par application de l' article 3. (3) La revocation par son auteur d'une teile designation doit remplir en la fonne les conditions de la revocation d 'une disposition a cause de mort. (4) Pour I'application du present article, la designation d'une loi est consideree, sauf precision expresse contraire du defunt, comme concemant I'ensemble de la succession, que le defunt soit decede ab intestat ou qu'il ait dispose a cause de mort de tout ou partie de ses biens. Article 6

Une personne peut designer pour regir la succession de certains de ses biens la loi d'un ou de plusieurs Etats. Toutefois, cette designation ne peut porter atteinte a I'application des regles imperatives de la loi applicable en vertu de I'article 3 ou de l' article 5, paragraphe 1.

28 Brandi

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Anhang Article 7

(1) Sous reserve de I'article 6, la loi applicable selon les articles 3 et 5, paragraphe 1, regit I'ensemble de la succession, quelle que soit la situation des biens. (2) Cette loi regit: (a) la vocation des hCritiers et legataires, la determination des parts respectives de ces personnes, les charges qui leur sont imposees par le defunt, ainsi que les autres droits sur la succession trouvant leur source dans le dec~s, y compris les attributions prelevees sur la succession par une autorite judiciaire ou par une autre autorite au profit de personnes proches du defunt; (b) I'exheredation et I'indignite successorale; (c) le rapport et la reduction des liberalites ainsi que leur prise en compte dans le calcul des parts hereditaires; (d) la quotite disponible, les reserves et les autres restrictions a la liberte de disposer a cause de mort; (e) la validite au fond des dispositions testamentaires. (3) Le paragraphe 2 ne fait pas obstacle a I'application dans un Etat contractant de cette loi a d'autres questions considerees par le droit de cet Etat comme elant soumises a la loi successorale. Chapitre In - Successions contractueUes Article 8

Aux fms du present chapitre, un pacte successoral est un accord, fait par ecrit ou resultant de testaments mutuels, qui coniere, modifie ou retire, avec ou sans contreprestation, des droits dans la succession future d'une ou·de plusieurs personnes parties a I'accord. Article 9 (1) Lorsque le pacte conceme la succession d'une seule personne, sa validite au fond,

ses effets et les circonstances entrainant I'extinction de ces effets sont regis par la loi qui, en vertu des articles 3 ou 5, paragraphe 1, aurait ete applicable a la succession de cette personne en cas de dec~s au jour Oll I' accord a ete conclu. (2) Si, selon cette loi, le pacte n'est pas valide, sa validite sera neansmoins admise si elle l'est par la loi qui, au moment du dec~s,· est applicable a la succession en vertu des articles 3 ou 5, paragraphe 1. Cette meme loi regit alors les effets du pacte et les circonstances entrainant I' extinction de ces effets. Article 10

(1) Lorsque le pacte conceme la succession de plus d'une personne, cet accord n'est valide au font que si cette validite est admise par chacune des lois qui, en vertu des articles 3 ou 5, paragraphe 1, aurait ete applicable a la succession de chacune de ces personnes en cas de dec~s au jour Oll le pacte a ete conclu. (2) Les effets du pacte et les circonstances de I'extinction de ces effets sont ceux qui sont reconnus par I'ensemble de ces lois.

B. Convention sur la loi applicable aux successions

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Article 11 Les parties peuvent convenir, par une designation expresse, de soumettre le pacte quant a sa validite au fond, ses effets et les circonstances entrainant I'extinction de ces effets a la loi d'un Etat dans lequel la personne ou l'une des personnes dont la succession est concemee a sa residence habituelle au moment de la conclusion du pacte ou dont elle possCde alors la nationalite.

Article 12 (1) La validite au fond d'un pacte successoral valide selon la loi prevue aux articles 9, 10 ou 11 ne peut etre contestee pour le motif que la loi prevue aux articles 3 ou 5, paragraphe 1, considererait ce pacte comme invalide. (2) Toutefois, I'application de la loi prevue aux articles 9, 10 ou 11 ne port pas atteinte aux droits de toute personne non partie au pacte et qui, en vertu de 1a loi prevue aux articles 3 ou 5, paragraphe 1, a un droit areserve ou un autre droit dont elle ne peut etre privee par la personne dont la succession est concemee. Chapitre IV - Dispositions geDerales

Article 13 Lorsque deux ou plusieurs personnes dont les successions sont regies par des lois differentes decCdent dans des circonstances qui ne permettent pas de determiner I'ordre des deces, et lorsque ces lois reglent cette situation par des dispositions incompatibles ou ne la reglent pas du tout, aucune de ces personnes n'aura de droit dans la successions de I'autre ou des autres.

Article 14 (1) Quand un trust est cree par disposition a cause de mort, I'application a la succession de la loi prevue par la Convention ne fait pas obstacle a I'application d'une autre loi pour regir le trust. Reciproquement, I'application au trust de la loi qui le regit ne fait pas obstacle a I' application a la succession de la loi qui la regit en vertu de la Convention. (2) Les memes regles s'appliquent par analogie aux fondations et institutions similiares creees par disposition a cause de mort.

Article 15 La loi applicable en vertu de la Convention ne port pas atteinte aux regimes successoraux particuliers auxquels certains immeubles, entreprises ou autres categories speciales de biens sont soumis par la loi de l'Etat de leur situation en raison de leur destination economique, familiale ou sociale.

Article 16 Lorsque, selon la loi applicable en vertu de la Convention, il n'y a ni legataire ou heritier institue par une disposition a cause de mort, ni personne physique venant au degre successible, I'application de la loi ainsi determinee ne fait pas obstacle au droit d'un Etat ou d'une institution designee par la loi dudit Etat d'apprehender les biens de la succession situes sur son territoire. 28'

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Anhang Article 17

Au sens de la Convention, et sous reserve de I'article 4, le terme loi designe le droit en vigueur dans un Etat, a I'exclusion des regles de conflit de lois. Article 18

L'application d'une des lois designees par la Convention ne peut etre ecartee que si cette application est manifestement incompatible avec I'ordre public. Article 19

(I) Les dispositions du present article ont pour objet d'identifier la loi applicable selon la Convention, lorsqu'un Etat comprend deux ou plusieurs unites territoriales dont chacune a son propre systeme de droit ou ses propres regles en matiere de succession. (2) En presence de regles en vigueur dans un tel Etat identifiant, dans les cas prevus a cet article, I'unite territoriale dont la loi est applicable, la loi de cette unite s'applique. En l'absence de teiles regles, les paragraphes suivants du present article sont applicables. (3) Lorsqu'U est fait mention d'une loi dans la Convention ou dans la designation faite par le defunt conformement acette Convention, (a) la loi de l'Etat de la residence habituelle du defunt au moment de la designation ou du deces signifie la loi de I'unite de cet Etat dans lequel le defunt avait, au moment determinant, sa residence habituelle; (b) la loi de l'Etat de la nationalite du defunt au moment de la designation ou du deces signifie la loi de l'unite de cet Etat dans laquelle, au moment determinant, le defunt avait sa residence habituelle ou, a defaut d'une teile residence, la loi de I'unite avec laquelle il avait les liens les plus etroits. (4) Lorsqu'il en est fait mention dans la Convention, la loi de l'Etat des liens les plus etroits signifie la loi de I'unite de cet Etat avec laquelle le defunt avait les liens les plus etroits. (5) Sous reserve de l'article 6, si le defunt a designe, conformement a la Convention, la loi de I'unite d'un Etat et si, au moment de la designation ou de son deces, (a) U possedait la nationalite de cet Etat, cette designation est valide seulement s'U avait eu a un moment donne sa residence habituelle dans cette unite ou si, a defaut d'une teile residence, il avait eu un lien etroit avec cette unit6; ou si (b) il ne possedait pas la nationalit6 de cet Etat, cette designation est valide seulement s'il avait alors sa residence habituelle dans cette unit6 ou, dans le cas Oll U n' avait pas eu alors sa residence habituelle dans cette unite mais I' avait eue dans cet Etat, s'il avait eu a un moment donne sa .residence habituelle dans cette unit6. (6) Si, dans le cas de I'article 6, le defunt a designe pour certains de ses biens la loi d'un Etat, il est presume, sauf preuve d'une intention contraire, que cette loi est celle de chacune des unit6s dans laquelle ces biens sont situes. (7) Pour I'application de I'article 3, paragraphe 2, la periode de residence requise est atteinte lorsque le defunt avait, durant les cinq ans precedant immediatement son deces, sa residence dans cet Etat, meme si pendant cette periode il a reside dans plus d'une des unites de cet Etat. Lorsque cette periode s'est ecoulee et que le defunt avait sa residence habituelle dans cet Etat a ce moment sans avoir de

B. Convention sur la loi applicable aux successions

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residence habituelle dans une unite particuliere de cet Etat, la loi applicable est la loi de I'unite dans laquelle le defunt avait reside en demier lieu, a moins qu'jJ ait eu a ce moment des liens plus etroits avec un autre unite de cet Etat, auquel cas c'est la loi de cette autre unite qui s'applique. Article 20

A I'effet de determiner la loi applicable selon la Convention, lorsqu'un Etat connait, en matiere de succession, deux ou plusieurs systemes de droit applicables ades categories differentes de personnes, toute reterence a la loi d'un tel Etat est entendue comme visant le systeme de droit determine par les regles en vigueur dans cet Etat. A detaut de telles regles, la reference sera entendue comme visant le systeme de droit avec lequelle defunt avait les liens les plus etroits. Article 21

Un Etat contractant dans lequel des systemes de droit ou des ensembles de regles differents s'appliquent en matiere de succession n'est pas tenu d'appliquer les regles de la Convention aux conflits de lois concemant uniquement ces differents systemes ou ensembles de regles. Article 22

(1) La Convention s'applique dans un Etat contractant aux successions des personnes decedees apres son entree en vigueur pour cet Etat. (2) Lorsque le defunt avait, avant l'entree en vigueur de la Convention dans cet Etat, designe la loi applicable a sa succession, cette designation y sera consideree comme valide si elle repond aux conditions posees a I'article 5. (3) Lorsque les parties a un pacte successoral avaient, avant I'entree en vigueur de la Convention dans cet Etat, designe la loi applicable a ce pacte, cette designation y sera consideree comme valide si elle repond aux conditions de l'article 11. Article 23 (1) La Convention ne deroge pas aux instruments internationaux auxquels des Etats

contraetants sont ou seront Parties et qui contiennent des dispositions sur les matieres reglees par la presente Convention, a moins qu 'une declaration contraire ne soit faite par les Etats lies par de tels instruments. (2) Le paragraphe 1 du present article s'applique egalement aux lois uniformes reposant sur I'existence entre les Etats concemes des liens speciaux, notamment de nature regionale. Article 24

(1) Tout Etat, au moment de la signature, de la ratification, de I'acceptation, de l'approbation ou de I'adhesion, pourra faire la reserve: (a) qu'il n'appliquera pas la Convention au pacte successoral tel que defini a l'article 8 et, en consequence, qu'il ne reconnaitra pas une designation faite conformement a l'article 5, si cette designation n'est pas exprimee dans une declaration revetant la forme d'une disposition testamentaire; (b) qu'il n'appliquera pas l'article 4;

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Anhang

(c) qu'ü ne reconnaitra pas une designation faite conformement a I'article 5 par une personne qui, au moment de son deces, ne possedait pas ou ne possedait plus la nationalite de l'Etat dont la lois a ete designee, ou n'y avait pas ou n'y avait plus sa residence habituelle, mais possedait alors la nationalite de l'Etat qui a fait la reserve et y avait sa residence habituelle; (d) qu'ü ne reconnaitra pas une designation faite conformement a I'article 5, lorsque toutes les conditions suivantes sont remplies: - la loi de l'Etat ayant fait la reserve aurait ete la loi applicable conformement a I'article 3, si une designation valide n'avait pas ete faite conformement a I'article 5, - I'application de la loi designee conformement a I'article 5 priverait totalement ou dans une proportion tres importante le conjoint ou I'enfant du defunt d' attributions de nature successorale ou familiale auxquelles üs auraient eu droit selon les regles imperatives de la loi de I'Etat ayant fait cette reserve, - ce conjoint ou cet enfant possedaient la nationalite de l'Etat ayant fait la reserve ou y residaient habituellement. (2) Aucune autre reserve ne sera admise. (3) Tout Etat contractant pourra atout moment retirer une reserve qu'ü aura faite; I'effet de la reserve cessera le premier jour du mois suivant I'expiration d'une periode de trois mois apres la notification du retrait. Chapitre V - Clauses rmales (

... )

c. Übereinkommen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht

Die Unterzeichnerstaaten dieses Übereinkommens, in dem Wunsch, gemeinsame Bestimmungen über das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht aufzustellen, haben beschlossen, zu diesem Zweck ein Übereinkommen zu schließen, und haben die folgenden Bestimmungen vereinbart: Kapitel I - Anwendungsbereich des Übereinkommens Artikel 1

(1) Dieses Übereinkommen bestimmt das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwendende Recht. (2) Das Übereinkommen ist nicht anzuwenden auf (a) die Form von Verfügungen von Todes wegen; (b) die Testierfähigkeit;

C. Übk. über das auf Rechtsnachfolge v. Todes wg. anzuwendende Recht 439 (c) Fragen des ehelichen Güterrechts; (d) nicht im Rahmen des Erbrechts geschaffene oder übertragene Rechte und Güter, wie Gemeinschaftseigentum mehrerer Personen mit Übergang auf den Überlebenden, Rentenpläne, Versicherungsverträge und ähnliche Vereinbarungen. Artikel 2

Das Übereinkommen ist auch dann anzuwenden, wenn das darin bezeichnete Recht dasjenige eines Nichtvertragsstaats ist. Kapitel 11 - Anzuwendendes Recht Artikel 3 (1) Die Erbfolge unterliegt dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt

seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn der Erblasser in diesem Zeitpunkt diesem Staat angehörte. (2) Die Erbfolge unterliegt ebenfalls dem Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, wenn er sich unmittelbar vor seinem Tod während eines Zeitraums von mindestens fünf Jahren in diesem Staat aufgehalten hatte. Unter außergewöhnlichen Umständen ist jedoch, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes offensichtlich engere Verbindungen mit dem Staat hatte, dem er in diesem Zeitpunkt angehörte, das Recht dieses Staates anzuwenden. (3) In den anderen Fällen unterliegt die Erbfolge dem Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes angehörte, es sei denn, der Erblasser hatte in diesem Zeitpunkt engere Verbindungen mit einem anderen Staat, in welchem Fall das Recht dieses anderen Staates anzuwenden ist. Artikel 4

Ist das nach Artikel 3 anzuwendende Recht das Recht eines Nichtvertragsstaats und verweist das Internationale Privatrecht dieses Staates für die gesamte Erbfolge oder einen Teil auf das Recht eines anderen Nichtvertragsstaats, der sein eigenes Recht anwenden würde, so ist das Recht dieses anderen Staates anzuwenden. Artikel 5

(1) Eine Person kann das Recht eines bestimmten Staates wählen, dem die Erbfolge in ihren gesamten Nachlaß unterliegen soll. Die Rechtswahl wird nur wirksam, wenn diese Person im Zeitpunkt der Wahl oder ihres Todes diesem Staat angehörte oder dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. (2) Diese Rechtswahl muß in einer Erklärung ausgedrückt sein, die den Formerfordernissen einer Verfügung von Todes wegen entspricht. Das Zustandekommen und die materielle Gültigkeit der Vornahme dieser Wahl unterliegen dem gewählten Recht. Ist die Wahl nach diesem Recht nicht gültig, so wird das auf die Erbfolge anzuwendende Recht nach Artikel 3 bestimmt. (3) Der Widerruf einer solchen Rechtswahl durch ihren Urheber muß die Formerfordernisse für den Widerruf einer Verfügung von Todes wegen erfüllen.

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(4) Für die Anwendung dieses Artikels ist die Wahl eines Rechts vorbehaltlich ausdrücklicher gegenteiliger Angabe des Erblassers als eine solche für den gesamten Nachlaß anzusehen, ungeachtet dessen, ob der Erblasser ohne Verfügung von Todes wegen oder mit einer solchen Verfügung für sein gesamtes Vermögen oder einen Teil desselben verstorben ist. Artikel 6

Eine Person kann die Erbfolge in bestimmte Güter ihres Nachlasses dem Recht eines oder mehrerer staaten unterstellen. Diese Rechtswahl kann jedoch die Anwendung der zwingenden Vorschriften des nach Artikel 3 oder Artikel 5 Absatz 1 anzuwendenden Rechts nicht berühren. Artikel 7

(1) Vorbehaltlich des Artikels 6 unterliegt die gesamte Erbfolge ungeachtet der Belegenheit des Vermögens dem nach Artikel 3 oder Artikel 5 Absatz 1 anzuwendenden Recht. (2) Diesem Recht unterliegen (a) die Berufung der Erben und Vermächtnisnehmer, die Bestimmung der jeweiligen Anteile dieser Personen, die ihnen vom Erblasser auferlegten Pflichten sowie sonstige Recht auf den Nachlaß, die mit dem Tod entstanden sind, einschließlich Zuteilungen aus dem Nachlaß durch ein Gericht oder eine andere Behörde zugunsten von dem Erblasser nahestehenden Personen; (b) die Enterbung und die Erbunwürdigkeit; (c) der Ausgleich und die Kürzung der unentgeltlichen Zuwendungen sowie deren Berücksichtigung bei der Berechnung der Anteile der ·Erben oder Vermächtnisnehmer; (d) der frei verfügbare Teil des Nachlasses, die Pflichneile und andere Beschränkungen der Freiheit zur Verfügung von Todes wegen; (e) die materielle Gültigkeit letztwilliger Verfügungen. (3) Absatz 2 steht der Anwendung dieses Rechts in einem Vertragsstaat auf andere Fragen, die das Recht dieses Staates dem Erbstatut unterstellt, nicht entgegen. Kapitel III - Vertragliche Erbfolge Artikel 8 Im Sinn dieses Kapitels ist ein Erbvertrag eine Vereinbarung, die schriftlich getroffen wird oder sich aus gegenseitigen Testamenten ergibt und die mit oder ohne Gegenleistung Rechte auf den künftigen Nachlaß einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. Artikel 9

(1) Betrifft der Vertrag den Nachlaß einer einzigen Person, so unterliegen seine materielle Gültigkeit, seine Wirkungen und die Umstände, die zum Erlöschen dieser Wirkungen führen, dem Recht, das nach Artikel 3 oder Artikel 5 Absatz 1 auf die Erbfolge dieser Person anwendbar gewesen wäre, wenn sie an dem Tag verstorben wäre, an dem die Vereinbarung getroffen wurde.

C. Übk. über das auf Rechtsnachfolge v. Todes wg. anzuwendende Recht 441 (2) Ist der Vertrag nach diesem Recht nicht gültig, so wird er dennoch als gültig angesehen, wenn er nach dem Recht gültig ist, das im Zeitpunkt des Todes nach Artikel 3 oder Artikel 5 Absatz 1 auf die Erbfolge anwendbar ist. Diesem Recht unterliegen dann die Wirkungen des Vertrags und die Umstände, die zum Erlöschen dieser Wirkungen führen.

Artikel 10 (1) Betrifft der Vertrag die Erbfolge in den Nachlaß von mehr als einer Person, so ist diese Vereinbarung nur dann materiell gültig, wenn jedes der Rechte sie als gültig ansieht, die nach Artikel 3 oder Artikel 5 Absatz 1 auf die Erbfolge in den Nachlaß jeder dieser Personen anwendbar gewesen wäre, wenn sie an dem Tag verstorben wären, an dem der Vertrag geschlossen wurde. (2) Der Vertrag hat nur die Wirkungen, und seine Wirkungen erlöschen nur unter den Umständen, die alle diese Rechte anerkennen.

Artikel 11 Die Parteien können durch ausdrückliche Rechtswahl übereinkommen, den Vertrag hinsichtlich seiner materiellen Gültigkeit, seiner Wirkungen und der Umstände, die zum Erlöschen dieser Wirkungen führen, dem Recht eines Staates zu unterstellen, in dem die Person oder einer der Personen, deren Nachlaß betroffen ist, in dem Zeitpunkt, in dem der Vertrag geschlossen wird, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder dem sie in diesem Zeitpunkt angehört.

Artikell2 (1) Gegen die materielle Gültigkeit eines Erbvertrags, der nach dem in Artikel 9, 10 oder 11 bezeichneten Recht gültig ist, kann nicht geltend gemacht werden, daß das in Artikel 3 oder Artikel 5 Absatz 1 bezeichnete Recht diesen Vertrag als ungültig ansehen würde. (2) Jedoch berührt die Anwendung des in Artikel 9, 10 oder 11 bezeichneten Rechts nicht die Rechte einer nicht an dem Vertrag beteiligten Person, die nach dem in Artikel 3 oder Artikel 5 Absatz 1 bezeichneten Recht Anspruch auf den Pflichtteil oder ein anderes Recht hat, das ihr von der Person, deren Nachlaß betroffen ist, nicht entzogen werden kann. Kapitel IV - Allgemeine Bestimmungen

Artikel 13 Sterben zwei oder mehr Personen, deren Erbfolge verschiedenen Rechten unterliegt, unter Umständen, die keine Bestimmung der Todesfolge gestatten, und regeln diese Rechte diesen Sachverhalt nicht oder nur durch miteinander unvereinbare Bestimmungen, so hat keine dieser Personen Anspruch auf den Nachlaß der anderen Person oder Personen.

Artikel 14 (1) Wird durch Verfügung von Todes wegen ein trust errichtet, so steht die Anwendung des in dem Übereinkommen bezeichneten Rechts auf die Erbfolge

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der Anwendung eines anderen Rechts auf den trust nicht entgegen. Umgekehrt steht die Anwendung des Rechts, dem der trust unterliegt, auf diesen der Anwendung des Rechts auf die Erbfolge, dem diese nach dem Übereinkommen unterliegt, nicht entgegen. (2) Diese Vorschriften gelten entsprechend für Stiftungen und ähnliche Einrichtungen, die durch Verfügung von Todes wegen errichtet worden sind. Artikel 15

Das nach dem Übereinkommen anzuwendende Recht berührt nicht besondere Regelungen über die Erbfolge, denen bestimmte unbewegliche Sachen, Unternehmen oder andere besondere Arten von Vermögen wegen ihrer wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Bestimmung nach dem Recht des Staates unterliegen, in dem sie belegen sind. Artikel 16

Ist nach dem aufgrund des Übereinkommens anzuwendenden Recht weder ein durch Verfügung von Todes wegen eingesetzter Erbe oder Vermächtnisnehmer noch eine kraft gesetzlicher Erbfolge erbfähige natürliche Person vorhanden, so hindert die Anwendung des derart bestimmten Rechts einen Staat oder eine von ihm dazu bestimmte Einrichtung nicht, sich den im Hoheitsgebiet dieses Staates belegenen Nachlaß anzueignen. Artikell7

Vorbehaltlich des Artikels 4 bedeutet in diesem Übereinkommen der Ausdruck Recht die in einem Staat geltenden Rechtsnormen unter Ausschluß derjenigen des Internationalen Privatrechts. Artikel 18

Von der Anwendung eines der in dem Übereinkommen bezeichneten Rechte darf nur abgesehen werden, wenn diese Anwendung mit der öffentlichen Ordnung offensichtlich unvereinbar ist. Artikel 19

(1) Dieser Artikel bestimmt das nach dem Übereinkommen anzuwendende Recht, wenn ein Staat zwei oder mehr Gebietseinheiten umfaßt, von denen jede eine eigene Rechtsordnung oder eigene Rechtsnormen auf dem Gebiet der Erbfolge hat. (2) Gelten in einem solchen Staat Regelungen, die für die in diesem Artikel vorgesehenen Fälle die Gebietseinheit bezeichnen, deren Recht anzuwenden ist, so ist das Recht dieser Gebietseinheit anzuwenden. Fehlen derartige Regelungen, so sind die Absätze 3 bis 7 anzuwenden. (3) Nimmt das Übereinkommen oder nimmt in einer Rechtswahl nach dem Übereinkommen der Erblasser auf ein Recht Bezug, (a) so bedeutet das Recht des Staates, in dem der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, das

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(4) (5)

(6)

(7)

Recht der Gebietseinheit dieses Staates, in welcher der Erblasser in dem maßgeblichen Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte; (b) so bedeutet das Recht des Staates, dem der Erblasser im Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes angehörte, das Recht der Gebietseinheit dieses Staates, in welcher der Erblasser im maßgeblichen Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder, mangels eines derartigen Aufenthalts, das Recht der Gebietseinheit, mit welcher der Erblasser die engsten Verbindungen hatte. Nimmt das Übereinkommen auf das Recht des Staates Bezug, mit dem die engsten Verbindungen bestanden, so bedeutet dies das Recht der Gebietseinheit dieses Staates, mit welcher der Erblasser die engsten Verbindungen hatte. Vorbehaltlich des Artikels 6 ist, wenn der Erblasser nach dem Übereinkommen das Recht der Gebietseinheit eines Staates gewählt hat und wenn er im Zeitpunkt der Rechtswahl oder seines Todes (a) diesem Staat angehörte, diese Wahl nur dann gültig, wenn er in irgendeinem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dieser Gebietseinheit oder, mangels eines derartigen Aufenthalts, eine enge Verbindung mit dieser Gebietseinheit gehabt hatte, oder (b) nicht diesem Staat angehörte, diese Wahl nur dann gültig, wenn er in diesem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dieser Gebietseinheit hatte oder für den Fall, daß er in diesem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in dieser Gebietseinheit, wohl aber in diesem Staat hatte -, wenn er in irgendeinem Zeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dieser Gebietseinheit gehabt hatte. Hat der Erblasser nach Artikel 6 für bestimmte Güter das Recht eines Staates gewählt, so wird vorbehaltlich des Nachweises einer gegenteiligen Absicht vermutet, daß die Wahl sich auf das Recht der jeweiligen Gebietseinheit bezieht, in der die Güter belegen sind. Für die Anwendung des Artikels 3 Absatz 2 ist die erforderliche Aufenthaltszeit erfüllt, wenn der Erblasser während der seinem Tod unmittelbar vorausgehenden fünf Jahre seinen Aufenthalt in diesem Staat hatte, auch wenn er sich während· dieses Zeitraums in mehreren Gebietseinheiten dieses Staates aufgehalten hat. Ist diese Zeit erfüllt und hatte der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt in diesem Zeitpunkt in diesem Staat, ohne seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einer bestimmten Gebietseinheit dieses Staates zu haben, so ist das Recht der Gebietseinheit anzuwenden, in der sich der Erblasser zuletzt aufgehalten hatte, es sei denn, er hatte in diesem Zeitpunkt engere Verbindungen mit einer anderen Gebietseinheit dieses Staates gehabt, in welchem Fall das Recht dieser anderen Gebietseinheit anzuwenden ist. Artikel 20

Bestehen in einem Staat auf dem Gebiet der Erbfolge zwei oder mehr Rechtsordnungen, die für verschiedene Personenkreise gelten, so ist bei der Bestimmung des nach dem Übereinkommen anzuwendenden Rechts eine Verweisung auf das Recht eines solchen Staates als Verweisung auf die Rechtsordnung zu anzusehen, die durch die in diesem Staat geltenden Vorschriften bestimmt wird. Mangels derartiger Vorschriften ist die Verweisung als eine Verweisung auf die Rechtsordnung anzusehen, mit welcher der Erblasser die engsten Verbindungen hatte.

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Anhang Artikel 21

Ein Vertragsstaat, in dem verschiedene Rechtsordnungen oder Gesamtregelungen auf dem Gebiet der Erbfolge gelten, ist nicht verpflichtet, die Bestimmungen des Übereinkommens auf Kollisionsfalle anzuwenden, die nur diese verschiedenen Rechtsordnungen oder Gesamtregelungen betreffen. Artikel 22

(1) Das Übereinkommen fmdet in einem Vertragsstaat auf die Erbfolge solcher Personen Anwendung, die verstorben sind, nachdem es fiir diesen Staat in Kraft getreten ist. (2) Hatte der Erblasser vor Inkrafttreten des Übereinkommens in diesem Staat das auf seine Erbfolge anzuwendende Recht gewählt, so ist diese Rechtswahl dort als gültig anzusehen, wenn sie Artikel 5 entspricht. (3) Hatten die Parteien eines Erbvertrags vor Inkrafttreten des Übereinkommens in diesem Staat das auf diesen Vertrag anzuwendende Recht gewählt, so ist diese Rechtswahl dort als gültig anzusehen, wenn sie Artikel 11 entspricht. Artikel 23

(1) Das Übereinkommen berührt nicht andere internationale Übereinkünfte, deren Vertragsparteien Vertragsstaaten des Übereinkommens sind oder werden und die Bestimmungen über die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten enthalten, es sei denn, die durch solche Übereinkünfte gebundenen Staaten geben eine gegenteilige Erklärung ab. (2) Absatz 1 fmdet auch auf einheitliche Gesetze Anwendung, die auf dem Bestehen besonderer, insbesondere regionaler Verbindungen zwischen den betroffenen Staaten beruhen. Artikel 24

(1) Jeder Staat kann bei der Unterzeichnung, der Ratifikation, der Annahme, der Genehmigung oder dem Beitritt den Vorbehalt machen, (a) daß er das Übereinkommen nicht auf den Erbvertrag im Sinn des Artikels 8 anwenden und infolgedessen eine nach ArtikelS vorgenommene Rechtswahl nicht anerkennen wird, wenn diese Wahl nicht in einer Erklärung ausgedrückt ist, die den Formerfordernissen einer letztwilligen Verfügung entspricht; (b) daß er Artikel 4 nicht anwenden wird; (c) daß er eine nach ArtikelS vorgenommene Rechtswahl einer Person nicht anerkennen wird, die im Zeitpunkt ihres Todes nicht oder nicht mehr dem Staat angehörte, dessen Recht gewählt wurde, oder dort nicht oder nicht mehr ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte, jedoch in diesem Zeitpunkt dem Staat angehörte, der den Vorbehalt gemacht hat, und dort ihren gewöhnlichen Aufenhalt hatte; (d) daß er eine nach ArtikelS vorgenommene Rechtswahl nicht anerkennen wird, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind: - Das Recht des Staates, der den Vorbehalt gemacht hat, wäre das nach Artikel 3 anzuwendende Recht gewesen, wenn nicht eine gültige Rechtswahl nach ArtikelS vorgenommen worden wäre,

C. Übk. über das auf Rechtsnachfolge v. Todes wg. anzuwendende Recht 445 - die Anwendung des nach ArtikelS gewählten Rechts würde dem Ehegatten oder Kind des Erblassers die gesamten Zuwendungen erb rechtlicher oder familiärer Art oder einen sehr erheblichen Teil davon entziehen, auf die sie nach den zwingenden Vorschriften des Rechts des Staates, der den Vorbehalt gemacht hat, Anspruch gehabt hätten, - dieser Ehegatte oder dieses Kind gehörte dem Staat an, der den Vorbehalt gemacht hat, oder hatte dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt. (2) Andere Vorbehalte sind nicht zulässig. (3) Jeder Vertragsstaat kann einen von ihm gemachten Vorbehalt jederzeit zurücknehmen; die Wirkung des Vorbehalts endet am ersten Tag des Monats, der auf einen Zeitabschnitt von drei Monaten nach der Notiftkation der Rücknahme des Vorbehalts folgt. Kapitel V - Schlussbestimmungen (

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