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German Pages [321] Year 2021
Michael North
DA S G OLDENE Z E I TALT E R GLOBA L Die Niederlande im 17. und 18. Jahrhundert
Michael North
Das Goldene Zeitalter global Die Niederlande im 17. und 18. Jahrhundert
Böhlau Verlag wien köln weimar
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2021 Böhlau, Lindenstraße 14, D-50674 Köln, ein Imprint der Brill-Gruppe (Koninklijke Brill NV, Leiden, Niederlande; Brill USA Inc., Boston MA, USA; Brill Asia Pte Ltd, Singapore; Brill Deutschland GmbH, Paderborn, Deutschland; Brill Österreich GmbH, Wien, Österreich) Koninklijke Brill NV umfasst die Imprints Brill, Brill Nijhoff, Brill Hotei, Brill Schöningh, Brill Fink, Brill mentis, Vandenhoeck & Ruprecht, Böhlau, Verlag Antike und V&R unipress. Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildung : Jan Brandes, Teebesuch in Batavia, 1780er Jahre, Aquarellzeichnung, Jakarta © Rijksmuseum Amsterdam NG-1985-7-2-15 Korrektorat : Ute Wielandt, Markersdorf Einbandgestaltung : Guido Klütsch, Köln Satz : Michael Rauscher, Wien
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-412-52371-8
Für Doreen Wollbrecht
Inhalt
Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.
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Die Ostindische und Westindische Handelskompanie
(Focus : Zacharias Wagener). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Asiens Güter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Die Anfänge der niederländischen Asienfahrt und die Gründung der Vereinigten Ostindischen Kompanie . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Die Westindische Kompanie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.4 Migration und Schifffahrt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Überlegungen zum niederländischen Handelsimperium . . . . . . 2. Die Welt in den Niederlanden (Focus : Nicolaas Witsen) . . 2.1 Die Domestizierung fremder Güter in den niederländischen Haushalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Ostindienläden und Kuriositätenkabinette. . . . . . . . . . . . 2.3 Die Welt im niederländischen Mediensystem .. . . . . . . . . 2.4 Repräsentation des Handels und seiner Güter in der Kunst . .
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3. Nord- und Ostseeraum (Focus : Christina von Schweden) . . . 3.1 Die Niederlandisierung des Ostseeraumes . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Migration von Bauern, Handwerkern und Kaufleuten aus den Niederlanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Migration aus dem Nord- und Ostseeraum in die niederländische Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Niederländische Architekten und Maler .. . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Niederländische Gemälde in Sammlungen und Haushalten des Ostseeraumes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Wissens- und Technologietransfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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67 70
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74 81
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84 85 86 89 91
4. 4.1 4.2 4.3 4.4
Brasilien (Focus : Johann Moritz von Nassau-Siegen) . Das niederländische Interesse an Brasilien. . . . . . . . . . . Frans Post . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Georg Marcgraf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Albert Eckhout . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhalt
4.5 Zacharias Wagener und Caspar Schmalkalden.. . . . . . . . . . . . . 95 4.6 Sammlungen und Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 4.7 Die Aufgabe Brasiliens und ihre Nachwirkungen . . . . . . . . . . . . 100 5. Surinam und Curaçao (Focus : Maria Sibylla Merian) . 5.1 Die europäische Einwanderung nach Guayana . . . . . . . . 5.2 Sephardische Kaufleute und Pflanzer. . . . . . . . . . . . . . 5.3 Sklaven und Plantagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.4 Maria Sibylla Merian.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.5 Paramaribo . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.6 Curaçao . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.7 Willemstad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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103 104 104 105 109 113 116 119
6. 6.1 6.2 6.3 6.4 6.5 6.6 6.7 6.8
Neue Niederlande (Focus : Margrieta van Varick). . Pelze und Siedler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Afrikaner und Ureinwohner . . . . . . . . . . . . . . . . . Politische Rivalitäten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Architektur und materielle Kultur . . . . . . . . . . . . . Der Van-Varick-Haushalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . Niederländische Lebensstile im englischen New York . . Die Anfänge einer neuniederländischen Malerei . . . . . Die Bilderarmut der britischen Amerikaner . . . . . . . .
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122 122 125 126 128 131 133 136 138
7. 7.1 7.2 7.3 7.4 7.5 7.6 7.7
Kapstadt (Focus : Angela van Bengalen) . Die Niederlassung am Kap . . . . . . . . . . . Die Kapgesellschaft.. . . . . . . . . . . . . . . Die Architektur am Kap . . . . . . . . . . . . . Eine globale materielle Kultur.. . . . . . . . . Wohnkultur und Dekorationsmuster . . . . . . Sozialer Kontext . . . . . . . . . . . . . . . . . Kunstproduktion und Lebensstile. . . . . . . .
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141 141 143 146 148 151 154 157
8. 8.1 8.2 8.3 8.4 8.5
Batavia (Focus : Sayfoedin von Tidore). . . . . Wirtschaft und Gesellschaft. . . . . . . . . . . . . Repräsentation durch Kunst. . . . . . . . . . . . . Maler in Batavia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Haus- und Wohnkultur . . . . . . . . . . . . . . . Gemälde im Besitz niederländischer Einwohner .
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162 163 167 170 175 178
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Inhalt
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8.6 Chinesische und muslimische Haushalte. . . . . . . . . . . . . . . . . 183 8.7 Geschmack und Moden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 8.8 Rezeption und Austausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 9. Der Indische Subkontinent (einschließlich Ceylon) (Focus : Hendrik van Schuylenburgh) . . . . . . . . . . . . . . . 9.1 Die VOC im lokalen Machtgefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.2 Niederländische Maler und Kunst an den Höfen des Mogulreiches .. 9.3 Rembrandt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.4 Das Nashorn Clara . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9.5 Englische Maler im Umkreis der English East India Company . . . . 9.6 Die steinernen Zeugnisse der Niederländer : Friedhöfe und Grabmonumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Japan (Focus : Shiba Kōkan) . . . . . . . . . . . . . 10.1 Die Anfänge der niederländischen Präsenz in Japan . 10.2 Niederländische Gemälde für den Shōgun. . . . . . . 10.3 Die Akita-ranga-Schule . . . . . . . . . . . . . . . . . 10.4 Ukiyo-e-Farbholzschnitte . . . . . . . . . . . . . . . . 10.5 Delegationsreisen und wissenschaftlicher Austausch . 10.6 Gabentausch und Japan-Sammlungen . . . . . . . . .
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11. China (Focus : Johan Nieuhof ).. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.1 Die Beziehungen der Niederlande zu China . . . . . . . . . . . . . 11.2 Niederländische Spuren auf Formosa. . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.3 Die Jesuiten und die Rezeption westeuropäischer Druckgraphik in China . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11.4 Niederländische Gesandtschaften nach China.. . . . . . . . . . . . 11.5 Tee und die Neuausrichtung des niederländischen Chinahandels . .
. 238 . 242 . 248
Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . Summary . . . . . . . . . . . . . . . Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quellen- und Literaturverzeichnis . Abbildungsnachweis. . . . . . . . . Register . . . . . . . . . . . . . . . .
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. 233 . 234 . 236
253 260 266 268 303 305
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Stockholm Riga Danzig Amsterdam
Neu Amsterdam
Atlantischer Ozean Willemstad Paramaribo Elmina Recife
Kapstadt
Deshima
Agra Surat
Chinsura
Kanton
Tonkin Ayutthaya Nagapattinam
Formosa
Pazifischer
Kochin Galle
Ozean Malakka Äquator
Batavia
Molukken
Indischer Ozean
Zentren des niederländischen Handels im 17. und 18. Jahrhundert Kartografie: Beate Reußner
Einleitung Das niederländische Goldene Zeitalter
Die Niederländische Republik war in vielerlei Hinsicht einzigartig im Europa der Frühen Neuzeit. Die hohe Urbanisierung, die geringe Zahl an Analphabeten, die religiöse Toleranz sind nur einige der vielen Besonderheiten, die den ausländischen Besuchern immer wieder auffielen. Hierzu gehörten auch der ungewöhnlich große Kunstbesitz der Haushalte und die immense Produktivität niederländischer Maler. So hat man geschätzt, dass um die Mitte des 17. Jahrhunderts 650 – 700 Maler im Jahr durchschnittlich jeweils 94 Bilder malten. Das wären pro Jahr 63.000 – 70.000 Gemälde gewesen.1 Diese ungeheure Gemäldeproduktion spiegelt sich in den niederländischen Nachlassinventaren wider ; so nahm beispielsweise die durchschnittliche Anzahl der Gemälde in den Delfter Inventaren von zehn im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts auf 20 in den 1670er Jahren zu, während die Daten für Amsterdam einen Anstieg von 25 auf 40 Gemälde in der gleichen Zeit dokumentieren.2 Es war deshalb nicht ungewöhnlich, wenn 1643 ein Leidener Lakenfärber 64 Gemälde besaß und zwei andere Färber in den 70er Jahren des 17. Jahrhunderts 96 bzw. 103 Gemälde ihr Eigen nannten.3 Diese bemerkenswerte Entwicklung in einem Sektor der niederländischen Kultur muss mit den spezifischen Bedingungen der Kunst und der Kunstproduktion in der Niederländischen Republik erklärt werden. Jene waren charakterisiert durch die Entstehung eines Kunstmarktes, die Säkularisierung des Geschmackes von Käufern
1 John Michael Montias : Estimates of the Number of Dutch Master-Painters, their Earnings and their Output in 1650, in : Leidschrift 6 (1990), S. 59 – 74, hier S. 70. Ad van der Woude : De schilderijenproductie in Holland tijdens de Republiek. Een poging tot kwantificatie, in : Dagevos, Johannes Cornelis/Adrichem, Jan van (Hg.) : Kunst-zaken. Particulier initiatief en overheidsbeleid in de wereld van de beeldende kunst, Kampen 1991, S. 286 – 297, kommt auf 50.000 Gemälde im Jahr allein in der Provinz Holland. 2 John Michael Montias : Artists and Artisans in Delft. A Socio-Economic Study of the Seventeenth Century, Princeton 1982, Tab. 8.3 ; John Michael Montias : Works of Art in Seventeenth-Century Amsterdam. An Analysis of Subjects and Attributions, in : Freedberg, David/Vries, Jan de (Hg.) : Art in History, History in Art. Studies in Seventeenth-Century Dutch Culture, Los Angeles 1991, S. 249 – 282, hier S. 74 (Tabelle 3). 3 Cornelia Willemijn Fock : Kunstbezit in Leiden in de 17de eeuw, in : Lunsingh Scheurleer, Theodoor H./Fock, Cornelia Willemijn/van Dissel, Albert Jan (Hg.) : Het Rapenburgh. Geschiedenis van een Leidse gracht, Va, Leiden 1990, S. 3 – 36, hier S. 6.
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Einleitung
und Sammlern sowie durch die Kunstproduktion in einem von Gilden organisierten Handwerksmilieu.4 Eine der bemerkenswertesten Erscheinungen der niederländischen Kultur war die Entstehung eines Kunstmarktes.5 Die Mehrheit der Maler malte nicht länger für private Auftraggeber oder Mäzene, sondern befriedigte eine anonyme Marktnachfrage. Voraussetzung hierfür waren niedrige Produktionskosten, eine kontinuierliche Marktnachfrage und eine Preisgestaltung, die die Material- und Lebenshaltungskosten der Künstler deckte.6 All diese Bedingungen scheinen zum ersten Mal für die niederländischen Künstler im 17. Jahrhundert erfüllt gewesen zu sein. Außerdem senkten Produktinnovationen, die für die niederländische Wirtschaft insgesamt charakteristisch waren, auch die Produktionskosten für Gemälde. Ausschlaggebend war hierfür die »Erfindung« der sogenannten Ton-in-Ton-Malerei durch Esaias van de Velde und Jan Porcellis. Diese ersetzten im Gegensatz zu ihren Vorgängern die lineare Zeichnung durch die malerische Naturschilderung in Grau-, Braun- und Gelbtönen. Die Arbeitszeit an einer »Landschaft« verkürzte sich so und verringerte damit deren Preis. Das Angebot an Landschaften wurde breiter, das Einzelstück preiswerter, so dass die Sammler zunehmend Landschaften erwarben.7 Die Marktnachfrage nach Gemälden nahm während des 17. Jahrhunderts deutlich zu, und das Angebot hielt damit Schritt. Außerdem ermöglichte der expandierende Kunstmarkt zum ersten Mal die Existenz als selbständiger Kunsthändler für diejenigen, die sich auf den Handel mit Bildern spezialisierten.8 Auch wenn die meisten Maler für den Markt arbeiteten, malten andere zumindest zeitweise für Auftraggeber. Man findet verschiedene Arten des Auftraggeber- oder Mäzenatentums in der Niederländischen Republik. Während die reformierte Kirche nur wenige Orgelprospekte zur Ausmalung in Auftrag gab, ließen die Statthalter aus 4 Michael North : Das Goldene Zeitalter. Kunst und Kommerz in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 2001 ; Marten Jan Bok : Vraag en aanbod op de Nederlandse kunstmarkt, 1580 – 1700, Utrecht 1994. 5 Franz Wilhelm Kaiser/Kathrin Baumstark/Michael North (Hg.) : Die Geburt des Kunstmarktes. Rembrandt, Ruisdael, van Goyen und die Künstler des Goldenen Zeitalters, München 2017 ; Claartje Rasterhoff : Painting and Publishing as Cultural Industries. The Fabric of Creativity in the Dutch Republic, 1580 – 1800, Amsterdam 2017. 6 John Michael Montias : Cost and Value in Seventeenth-Century Dutch Art, in : Art History 10, 4 (1987), S. 455 – 466, hier S. 462. 7 Montias : Cost and Value, S. 459 – 460 ; North : Das Goldene Zeitalter, S. 79 – 99. 8 Hanns Floerke : Studien zur niederländischen Kunst- und Kulturgeschichte. Die Formen des Kunsthandels, das Atelier und die Sammler in den Niederlanden vom 15. – 18. Jahrhundert, München/Leipzig 1905 ; John Michael Montias : Art Dealers in the Seventeenth-Century Netherlands, in : Simiolus 18 (1988), S. 244 – 256.
Das niederländische Goldene Zeitalter
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dem Hause Oranien ihre Paläste durch flämische Maler und Maler der Utrechter Schule ausstatten.9 Die Städte bestellten Maler zur Ausschmückung der Rathäuser mit allegorischen Darstellungen. Jedoch wurde nicht jedes Jahr ein Rathaus gebaut oder dekoriert. Für die Maler waren daher städtische Aufträge nur ein Zubrot zu ihrem anderweitig zu ermalenden Lebensunterhalt. Einen größeren Teil der Auftragskunst stellten Porträts dar, gleich ob es sich bei den Porträtierten um Korporationen wie die Schützen oder um Familien und Einzelpersonen handelte. Dabei darf man aber nicht außer Acht lassen, dass die Oranierporträts, die zu dem beträchtlichen Anteil der Porträts in den niederländischen Haushalten beitrugen, in einer Art Massenproduktion in darauf spezialisierten Werkstätten hergestellt wurden. Mit Sicherheit für persönliche Auftraggeber oder Mäzene arbeiteten die »Feinmaler« Gerrit Dou, Frans van Mieris und Johannes Vermeer. Sie verkauften ihre gesamte künstlerische Produktion meist an einen Mäzen, der in der Regel im Voraus bezahlte und dem Feinmaler das Verkaufsrisiko abnahm, denn Feinmalerei war – anders als die Tonin-Ton-Malerei – zeitraubend und teuer und erfüllte so nicht die vom Kunstmarkt geforderten Bedingungen.10 Ein weiteres Charakteristikum der niederländischen Kultur im 17. Jahrhundert war die Säkularisierung des Geschmacks von Käufern und Sammlern. Wenn man die Amsterdamer oder Delfter Nachlassinventare nach den hinterlassenen Gemälden befragt und diese wiederum nach ihrem Sujet unterscheidet, ist festzustellen, dass der Anteil religiöser Themen in den Sammlungen im Laufe des 17. Jahrhunderts zurückging, während der Anteil der »Landschaften« deutlich zunahm. Szenen aus dem Alten und dem Neuen Testament, die zu Beginn des 17. Jahrhunderts noch ein Drittel aller Gemälde in den Privatsammlungen ausgemacht hatten, spielten am Ende des Jahrhunderts nur noch eine untergeordnete Rolle.11 Hierbei enthüllt der Trend von der religiösen »Historie« zur »Landschaft« eine veränderte Einstellung gegenüber den Bildern in der niederländischen Gesellschaft. Man hat dies mit der 9 Cornelia Willemijn Fock : The Princes of Orange as Patrons of Art in the 17th Century, in : Apollo 110 (1979), S. 466 – 475. Zum Auftraggebertum allgemein siehe Marten Jan Bok/Gary Schwartz : Schilderen in opdracht in Holland in de 17de eeuw, in : Holland 23 (1991), S. 183 – 195. 10 Ivan Gaskell : Gerrit Dou, his Patrons and the Art of Painting, in : The Oxford Art Journal 5 (1982), S. 15 – 61 ; John Michael Montias : Vermeer and his Milieu. A Web of Social History, Princeton 1988, S. 246 – 255. 11 Montias : Artists and Artisans, Tab. 8.3 ; Ders.: Works of Art, 1991, Tab. 3 ; Fock : Kunstbezit, S. 21 – 22. Dies betraf vor allem die etwas »teureren« Gemälde im Wert von mehr als 10 fl. Angela Jager hat kürzlich herausgearbeitet, dass es daneben noch eine Marktnachfrage nach billigen (religiösen) Historien-Gemälden gab, die weniger als 4 fl. kosteten und die Maler im Auftrag von Kunsthändlern »auf Halde« herstellten. Angela Jager : The Mass Market for History Paintings in Seventeenth-Century Amsterdam. Production, Distribution, and Consumption, Amsterdam 2020.
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Einleitung
oben erwähnten relativen Verbilligung der »Landschaften« erklärt, aber das ist nur die halbe Wahrheit. Grundlegend war der Wandel in der Funktion des Gemäldes in der Niederländischen Republik. Bis ins 16. Jahrhundert scheint die Andachtsfunktion des Gemäldes vorherrschend gewesen zu sein, weshalb hauptsächlich religiöse Themen gekauft wurden. Im 17. Jahrhundert – als eine Spätfolge des calvinistischen Ikonoklasmus – wurde die Unterhaltungsfunktion des Gemäldes immer bedeutender, d. h., die Niederländer kauften Gemälde, um ihre Häuser zu schmücken und sich an diesen Kunstwerken zu erfreuen. Gleichzeitig verkauften Kunsthändler Gemälde ins Ausland und Maler aus den Nachbarländern bildeten sich in den Niederlanden weiter. In England, Frankreich und Deutschland begann man, niederländische Gemälde zu sammeln und im nieder ländischen Stil zu malen. Während ich in meinem Buch »Das Goldene Zeitalter. Kunst und Kommerz in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts«12 die Wechselwirkungen zwischen Kunst, Wirtschaft und Gesellschaft in den Niederlanden selbst untersucht habe, widmet sich das vorliegende Werk der niederländischen Kunst in jenen Weltgegenden, in denen Niederländer handelten und lebten. Denn die Rezeption niederländischer Malerei und materieller Kultur blieb nicht auf die Nachbarländer beschränkt. Im Rahmen der weltweiten Handelsnetzwerke fand ein globaler kultureller Austausch statt, an dem vielerlei Personen als Vermittler beteiligt waren. Niederländische See- und Kaufleute verbanden ausgehend von Nord- und Ostsee die Weltmeere und vermittelten die Güter der entlegensten Regionen. So vielfältig wie die Weltregionen waren die Begegnungen mit Fürsten und der einheimischen Bevölkerung, die von der Unterwerfung über die Kooperation bis hin zur Unterdrückung reichen konnten. Entsprechend variierten auch die Bedingungen des kulturellen Austausches. In diesem Kontext analysiert dieses Buch die niederländische Präsenz in der Welt, die Interaktion mit den einheimischen Gesellschaften sowie die davon ausgehenden künstlerischen Wechselwirkungen vor Ort einschließlich ihrer Rückwirkungen auf das Mutterland und Europa. Ich behandle die wichtigsten Plätze niederländischer Aktivitäten in der Welt und die dort ablaufenden kulturellen Austauschprozesse. Hierbei werden die Leserin und der Leser in erster Linie an Gebiete in Nord- und Südamerika und Asien denken, in denen die Handelsgesellschaften der Niederländischen Westindischen Kompanie (WIC) und der Vereinigten Ostindischen Kompanie (VOC) tätig waren. Dieser Erwartung wird durch Kapitel zu Brasilien, der Karibik und den Neuen Niederlanden ebenso Rechnung getragen wie durch Unter 12 North : Das Goldene Zeitalter.
Das niederländische Goldene Zeitalter
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suchungen zur Kapkolonie, Batavia, Indien, Japan und China. In den Blick genommen wird aber auch der Ostseeraum, der die Grundlage für die niederländische maritime Expansion bildete und in dem die »Niederlandisierung« der Gesellschaft vermutlich weiter fortgeschritten war als irgendwo sonst. Erforscht wird die Rezeption von Kunst und materieller Kultur sowohl in den einheimischen Gesellschaften als auch deren Medialisierung und Remedialisierung in anderen Teilen der Welt.13 Als Quellen dienen in erster Linie die so genannten Nachlassinventare.14 Diese geben Auskunft über die Gegenstände, die in den lokalen Gesellschaften, aber auch über das Meer zirkulierten. Darüber hinaus berichten sie über die Beziehungen und Verbindungen eines Individuums zu anderen Menschen in der Gesellschaft. Diese Inventare wurden von der lokalen Waisenkammer (weeskamer) erstellt. Mehrere Nachlassverzeichnisse aus Batavia können in Kopien in niederländischen Archiven studiert werden. Die meisten wurden jedoch für andere Gerichte, die Nachlasskammer (boedelkamer) und das Schöffengericht (schepenbank), angefertigt. Diese Dokumente werden im Nationalarchiv von Indonesien (Arsip Nasional) in Jakarta aufbewahrt. Am Kap der Guten Hoffnung wurden die Inventare von der Waisenkammer verwaltet und befinden sich jetzt in den Western Cape State Archives. Dank des umfassenden Transkriptionsprojektes »Transcription of Estate Papers at the Cape« (TEPC) sind die Materialien nun auch in einer elektronischen Datenbank verfügbar. Für die Inventare der Neuen Niederlande in Nordamerika muss man die New York State Archives in Albany und die reiche Manuskriptsammlung der New York Historical Society konsultieren. Die surinamischen Inventare wurden ursprünglich im Nationalarchiv in Den Haag deponiert, vor Kurzem aber an das Nationalarchiv in Paramaribo zurückgegeben. Die Inventare von Curaçao sind jedoch nach wie vor Teil der Sammlungen in Den Haag. Aufgrund ihres schlechteren Erhaltungszustandes im tropischen Klima und der unterschiedlichen Art und Weise, wie die Inventare 13 Unter Medialisierung verstehen wir mit Astrid Erll die Methode der Bild- und Textverarbeitung, die zur Schaffung eines Mediums führt. Dagegen entsteht bei der Remedialisierung ein neues Medium aus früheren medialen Formen. Insofern ist die künstlerische Produktion vor allem durch vielfältige Remedialisierungsprozesse charakterisiert. Astrid Erll : Memory of Culture, New York 2011, S. 139 – 143 ; Astrid Erll : Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, Stuttgart 2017, S. 61 – 62. Siehe auch Astrid Erll/Ann Rigney (Hg.) : Mediation, Remediation, and the Dynamics of Cultural Memory, Berlin/New York 2009. 14 Siehe Quellenverzeichnis. Um die Erhaltung der verstreut in der Welt vorhandenen niederländischen Quellen hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem die Leidener Initiative »TANAP« (Towards a New Age of Partnership) verdient gemacht.
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Einleitung
in den verschiedenen überseeischen Gebieten geführt wurden, eignen sie sich nicht so gut für quantitative und statistische Analysen wie die niederländischen Inventare aus dem Mutterland. Daher werde ich diese Quellen vor allem nach qualitativen Gesichtspunkten auswerten. Dabei kommen mir sowohl schriftliche als auch visuelle Quellen zugute, die Historiker*innen und Kunsthistoriker*innen aus Brasilien, der Karibik, Südafrika, Indonesien, Indien, Japan und China erschlossen haben. Hierbei handelt es sich u. a. um Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und Miniaturen, die die Architektur, die Lebensstile und die Dekoration der häuslichen Wohnräume illustrieren. Stellvertretend für die einzelnen Regionen stehen ausgewählte Protagonisten des kulturellen Austausches. Seien sie prominent, wie Maria Sibylla Merian, Christina von Schweden, Johann Moritz von Nassau-Siegen, Shiba Kōkan, Nicolaas Witsen und Johan Nieuhof, oder vielleicht weniger bekannt, wie Sayfoedin von Tidore, Zacharias Wagener, Angela van Bengalen, Hendrik van Schuylenburgh, Margrieta van Varick und viele andere. Hiermit leistet dieses Buch auch einen Beitrag zur Diskussion zum sog. »Goldenen Zeitalter«. In dieser betonen in jüngster Zeit vor allem Museumskuratoren, dass eine »Galerie des Goldenen Zeitalters«, die nur die großen Namen nennt, nicht länger die Wirklichkeit des 17. Jahrhunderts widerspiegele, da sie Armut, Ausbeutung und Menschenhandel ignoriere.15 Das Goldene Zeitalter wird somit Gegenstand der »postkolonialen Debatte«, die in den Niederlanden erst relativ spät und dann nur für das 19. und 20. Jahrhundert geführt wurde.16 Die Kritik am Begriff »Goldenes Zeitalter« entzündet sich aber vermutlich auch an dessen unterschwelliger Suggestionskraft, die bei Museumsbesuchern einen unreflektierten Stolz auf die Niederlande des 17. Jahrhunderts auslöst. Für die Leserschaft dieses Buches scheint daher eine kurze
15 Die Ankündigung, dass das Amsterdamer Stadtmuseum den Namen »Goldenes Zeitalter« für seine Porträtgalerie aufgibt, löste ein großes Medienecho aus, zumal das Rijksmuseum weiterhin an dem Namen festhalten möchte. Nina Siegal : A Dutch Golden Age ? That’s Only Half the Story, in : The New York Times 2019 (https://www.nytimes.com/2019/10/25/arts/design/dutch-golden-age-and-colonia lism.html, 29.10.2019, letzter Zugriff : 12.11.2020). 16 Susan Legêne : De bagage van Blomhoff en van Breugel. Japan, Java, Tripoli en Suriname in de negentiende-eeuwse Nederlandse cultuur van het imperialisme, Amsterdam 1998 ; Frances Gouda : Dutch Culture Overseas. Colonial Practice in the Netherlands Indies 1900 – 1942, Amsterdam 1995. Zur Diskussion der Postcolonial Studies in den Niederlanden siehe Ulbe Bosma : Why is there no Post-Colonial Debate in the Netherlands ?, in : Bosma, Ulbe (Hg.) : Post-colonial Immigrants and Identity Formations in the Netherlands, Amsterdam 2012, S. 193 – 212 sowie Gert Oostindie : PostColonial Netherlands. Sixty-five Years of Forgetting, Commemorating, Silencing, Amsterdam 2011, S. 234 – 238.
Das niederländische Goldene Zeitalter
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Erläuterung zur Genese der Bezeichnung und der Vorstellung von einem »Goldenen Zeitalter« angebracht. So hat schon Ovid in seinen Metamorphosen von einem Goldenen Zeitalter als einem paradiesischen Urzustand gesprochen und Humanisten verwendeten diesen Begriff im Sinne von Blütezeit. Der Dichter Joost van den Vondel übersetzte in den Niederlanden Ovids Dictum als goude eeuw, wobei er durchaus Parallelen von der arkadischen zur niederländischen Landschaft zog. Im beginnenden 18. Jahrhundert sprach dann Arnold Houbraken in seiner »Groote schouburgh der Nederlantsche konstschilders en schilderessen« (Großes Theater der niederländischen Kunstmaler und Malerinnen) von der Blütezeit der Malerei des Goldenen Zeitalters : Diese Zeit war das Goldene Jahrhundert für die Kunst und die goldenen Äpfel (die gegenwärtig, wenn nicht über unangenehme Wege und durch Fleiß, kaum zu finden sind)
fielen den Künstlern von selbst in den Mund.17
Obwohl sich die Arbeitsbedingungen der Maler verändert hatten, blieb die Faszination für die Niederlande unter Besuchern aus Europa und Übersee auch im 18. Jahrhundert ungebrochen. Entsprechend unterscheidet sich die heutige, reflektierte Sicht deutlich von früheren Perspektiven.18 Ein neuer globaler Blick auf das »Goldene Zeitalter« aus der Perspektive jener Weltgegenden, in denen Niederländer handelten und lebten, erscheint daher sinnvoll. Verbunden damit ist eine differenzierte Sicht auf die einheimische Bevölkerung in diesen Regionen. Sie agierte nicht nur als Gegner, Konkurrent und Vermittler, sondern auch als Rezipient und Produzent materieller und immaterieller Güter.
17 »’T was in dien tyd de Gulde Eeuw voor de Konst, en de goude appelen (nu door akelige wegen en zweet naaew te vinden) dropen den Konstenaars van zelf in den mond.« Arnold Houbraken : De groote schouburgh der Nederlantsche konstschilders en schilderessen, Bd. II, ’s-Gravenhage 21753, S. 237. 18 Helmer J. Helmers/Geert H. Janssen : Introduction. Understanding the Dutch Golden Age, in : Helmers, Helmer J./Janssen, Geert H. (Hg.) : The Cambridge Companion to the Dutch Golden Age, Cambridge/New York 2018, S. 1 – 12.
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1. Die Ostindische und Westindische Handelskompanie
Focus : Zacharias Wagener Die Handelskompanien verbanden die verschiedenen Teile der Welt miteinander. Getragen wurde der Handel von ihrem global tätigen Personal. Ein Mittler zwischen Europa, Amerika, Asien und Südafrika war der Dresdener Zacharias Wagener (1614 – 1668). Wagener bildete sich nach dem Schulbesuch in Sachsen als Zeichner bei dem Kartografen Willem Jansz. Blaeu in Amsterdam weiter, trat 1634 in den Dienst der niederländischen Westindischen Kompanie und reiste nach Brasilien. Im Dienst von Statthalter Johann Moritz von Nassau-Siegen arbeitete er als Schreiber und Zeichner und unternahm Exkursionen in das Landesinnere. Von seiner Tätigkeit zeugt noch das erhaltene Thier-Buch. Nach der Rückkehr nach Europa 1641 heuerte Wagener ein Jahr später bei der Vereinigten Ostindischen Kompanie an und avancierte nach seiner Ankunft in Batavia zum Schreiber des Generalgouverneurs Anthonie van Diemen. Er stieg schnell auf und wurde 1651 als Gesandtschaftssekretär nach Tonkin und Formosa (Taiwan) und 1653 mit einer Delegation in das chinesische Kanton (Guangzhou) geschickt. 1656 – 1657 und 1658 – 1659 war er Direktor der Niederlassung auf Deshima in Japan und nahm zweimal an der Gesandtschaftsreise nach Edo teil. 1660 schloss er mit dem Sultan von Makassar einen Friedensund Freundschaftsvertrag. Aufgrund seiner Verdienste wurde er 1662 als Nachfolger Jan van Riebeecks zum Gouverneur der Kapkolonie ernannt. Seinen Lebensabend in der alten Heimat zu verbringen, war ihm nicht beschieden. Zwar kehrte er nach fünfjähriger Tätigkeit am Kap nach Amsterdam zurück, verstarb aber dort, ohne Sachsen je wiedergesehen zu haben. Er hinterließ persönliche Aufzeichnungen aus Brasilien, Einträge in den Dagregisters (den Geschäftsbüchern) in Deshima und Kapstadt sowie eine knapp gehaltene Autobiographie unter dem Titel »Kurtze Beschreibung der 35-jährigen Reisen und Verrichtungen, welche Weyland Herr Zacharias Wagner in Europa, Asia, Africa und America, meistentheils zu Dienst der Ost- und WestIndianischen Compagnie in Holland, rühmlichst gethan und abgeleget, aus des Seeligen gehaltenen eigenhändigen Journal«.1 1 Sybille Pfaff : Zacharias Wagener (1614 – 1668), Haßfurt 2001 ; Cristina Ferrão/José Paulo Monteiro Soares (Hg.) : The »Thierbuch« and »Autobiography« of Zacharias Wagener, Rio de Janeiro 1997.
Asiens Güter
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1.1 Asiens Güter Einige Güter Asiens, wie Seide, Gewürze, Perlen, Edelsteine und ätherische Öle, waren den Europäern schon vor der Entdeckung des Seeweges um das Kap der Guten Hoffnung bekannt. Luxuswaren, die Berichte heimkehrender Kaufleute und vereinzelte Reiseberichte regten Fantasien über Asien an, die die Europäer schließlich über den Atlantischen und Indischen Ozean dorthin trieben. So hörten die Portugiesen, nachdem Vasco da Gama den Seeweg nach Indien entdeckt hatte, von dem berühmten Handelsplatz Malakka, wo sich arabische, indische und chinesische Kaufleute trafen. Wenig überraschend avancierte Malakka zum Eroberungsziel und 1511 zu einem portugiesischen Stützpunkt. Der maritime Verkehr auf den seit dem Mittelalter bekannten Routen vom Mittleren Osten nach Indien und nach China wurde in der Frühen Neuzeit trotz des Bedeutungszuwachses der Kaproute intensiviert. Kaufleute, Seeleute, Soldaten, Gesandte, Missionare, Pilger und Sklaven bewegten sich auf den Weltmeeren. Im Indischen Ozean führte die Expansion des Seehandels zur Wiederbelebung alter Häfen und regte gleichzeitig die Anlage neuer Handelsplätze an. Hiervon profitierten die Küstenbewohner ebenso wie die Zuwanderer aus dem Binnenland, die am ökonomischen Aufschwung teilhaben wollten.2 Die ankommenden Europäer erlangten in Asien Zugang zu einem alten Handelsnetzwerk, dem traditionellen intra-asiatischen Handel, der von einheimischen Kaufleuten und Seefahrerdynastien beherrscht wurde. Eine große Gruppe bildeten die Chinesen, die überall vertreten waren. Von den Hafenstädten bauten sie über die Flüsse Kontakte zu den Produzenten im Hinterland auf und besorgten die Güter, die in Übersee gefragt waren. Sie belieferten die Europäer vor allem mit Seide, Porzellan, Schirmen, Papier und später auch mit Tee, während ihre Dschunken, zum Beispiel in Batavia, neben Edelmetall, Pfeffer und anderen Gewürzen auch Sandelholz, Büffelhörner, Vogelnester, Elfenbein sowie später Zinn und Tuche luden. Nicht nur in Batavia, sondern auch in Ayutthaya, in Malakka oder Hội An gab es große chinesische Gemeinden, die über Manila die Kontakte zum Pazifik und nach Spanisch-Amerika herstellten. Die in Hội An ebenfalls ansässigen japanischen Kaufleute vermittelten von hier aus die chinesischen Waren nach Japan, dessen Schiffsverkehr nach außen durch Seepässe eingeschränkt bzw. reglementiert war.
2 Barbara Watson Andaya/Leonard Y. Andaya : A History of Early Modern Southeast Asia, 1400 – 1830, Cambridge. 2015, S. 338 – 339.
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Die Ostindische und Westindische Handelskompanie
Daneben waren Kaufleute aus dem Reich der Mitte auch als Vermittler zwischen den globalen Handelsnetzen und den lokalen Produzenten in Südostasien aktiv. Ein Beispiel hierfür ist der sich entwickelnde Markt für Lack, der in Südostasien gewonnen wurde. Dieser Naturlack entstand, wenn sich Lackläuse in Zweigen von Bäumen – vor allem Banyanbäumen – niederließen und dabei eine scharlachrote Harzsubstanz ausschieden. Das Harz wurde getrocknet und gemahlen und nach China und Japan verschifft. Hier nutzten es die Kunsthandwerker als Lack zur Konservierung und zur Verschönerung hölzerner Schränke, Kisten, Wandschirme und anderer Möbel. Chinesische und japanische Lackwaren wurden im Indischen Ozean und vor allem in Europa geschätzt, was zu steigender Nachfrage und einem ungeheuren Produktionsaufschwung führte.3 Eine Intensivierung erfuhr der globale Austausch im beginnenden 17. Jahrhundert durch die Handelskompanien der Niederländer, die die entlegensten Stellen der Erde miteinander verbanden.
1.2 Die Anfänge der niederländischen Asienfahrt und die Gründung der Vereinigten Ostindischen Kompanie Nachdem sich Spanier und Portugiesen die Welt in den Verträgen von Tordesillas (1494) und Saragossa (1529) aufgeteilt hatten, blieb den Niederländern die Fahrt in den Südatlantik ebenso wie in den Indischen Ozean und in den Pazifik versperrt. Entsprechend waren es Niederländer, die in spanischen oder portugiesischen Diensten standen, die das niederländische Interesse an Asien weckten. Hierzu gehörte der aus Haarlem stammende Jan Huygen van Linschoten, der nach einer Kaufmannslehre in Spanien und Portugal 1581 in die Dienste des Erzbischofes von Goa an der indischen Westküste trat. In Goa, dem Zentrum des sich formierenden portugiesischen Seereiches, erhielt Linschoten Einblick in den asiatischen Handel und die geheimen portugiesischen Seekarten. Nach dem Tode des Erzbischofes trat Linschoten die Heimreise an, auf der er Schiffbruch erlitt. Nach einem zweijährigen Aufenthalt auf den Azoren, dem atlantischen Knotenpunkt für die portugiesische Seefahrt, kehrte er zurück in die Niederlande und ließ sich in Enkhuizen an der Zuiderzee 3 Thomas DaCosta Kaufmann, Japanese Export Lacquer and Global Art History. An Art of Mediation in Circulation, in: Reyes, Raquel A. G. (Hg.): Art, Trade, and Cultural Mediation in Asia, 1600 – 1950, London 2019, S. 13–42. James K. Chin : The Hokkien Merchants in the South China Sea, 1500 – 1800, in : Prakash, Om (Hg.) : The Trading World of the Indian Ocean, 1500 – 1800, Delhi 2012, S. 433 – 461 ; Leonard Blussé : Visible Cities. Canton, Nagasaki, and Batavia and the Coming of the Americans, Cambridge, MA/London 2008, S. 20 – 23.
Die Anfänge der niederländischen Asienfahrt
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nieder. Hier traf er auf einen anderen Asienreisenden, Dirck Gerritsz. Pomp, auch Dirck China genannt. Pomp hatte ebenfalls in Lissabon den Kaufmannsberuf erlernt und war als Händler in Goa tätig gewesen, von wo er auch Reisen nach Japan und China unternommen hatte. Seine aus den portugiesischen Seekarten gewonnenen Erkenntnisse verarbeitete Linschoten zusammen mit Pomps Hinweisen in seinem Werk »Itinerario«, das 1596 erschien und mit zahlreichen Abbildungen den Niederländern eigentlich erst den Weg nach Asien wies.4 Tatsächlich brach zur selben Zeit eine erste Flotte unter dem Kommando von Cornelis de Houtman, der ein Vorabexemplar der Reisebeschreibung an Bord hatte, nach Asien auf und traf 1595 in Java ein. Der direkte Asienhandel erschien vielversprechend und 1602 einigten sich die am Ostindienhandel beteiligten holländischen und seeländischen voorcompagnieën auf die Gründung einer Monopolgesellschaft, der Vereenigden Oost-Indischen Compagnie (Vereinigten Ostindischen Kompanie, VOC).5 Die VOC wurde als Aktiengesellschaft gegründet, die die Generalstaaten mit halbsouveränen Rechten ausstatteten : Sie durfte Festungen bauen, Soldaten rekrutieren und Verträge mit ausländischen Herrschern unterzeichnen. Die VOC war in sechs Kammern (Amsterdam, Seeland, Rotterdam, Delft, Hoorn und Enkhuizen) unterteilt, die jeweils Schiffe bauten und ausrüsteten und importierte Waren versteigerten oder verkauften. Die Kammern leiteten die sog. bewindhebbers, auf Lebenszeit bestellte Direktoren, die aus ihren Reihen das Leitungsgremium, die Heeren XVII, wählten. 1609 wurden die Aufgaben in Asien einem Generalgouverneur übertragen, der vor Ort mit friedlichen oder mit militärischen Mitteln den niederländischen Zugriff auf die Gewürze sichern sollte.6 In Asien waren der Generalgouverneur und die Räte der VOC für die Behandlung lokaler und regionaler Fragen zuständig. Ihr Sitz befand sich in Batavia (heute Jakarta, Indonesien), das zum Hauptquartier des niederländisch-asiatischen Handels imperiums wurde. Für die Wahl dieses Standortes gaben die Nähe zu den wichtigsten Herkunftsregionen für den niederländischen Handel den Ausschlag. Pfeffer und seltene Gewürze wuchsen in dem indonesischen Archipel, insbesondere auf den Molukken, und die VOC brauchte ein Zentrum in dieser Gewürzanbauregion, um den Gewürzhandel kontrollieren zu können. Diese Aufgabe wurde ursprünglich ei4 Kees Zandvliet (Hg.) : De Nederlandse ontmoeting met Azië 1600 – 1950, Zwolle/Amserdam 2002, S. 13 – 16. 5 Femme S. Gaastra : Die Vereinigte Ostindische Compagnie der Niederlande – ein Abriss ihrer Geschichte, in : Schmitt, Eberhard/Schleich, Thomas/Beck, Thomas (Hg.) : Kaufleute als Kolonialherren. Die Handelswelt der Niederländer vom Kap der Guten Hoffnung bis Nagasaki 1600 – 1800, Bamberg 1988, S. 1 – 89, hier S. 3 – 7 ; Gaastra : De geschiedenis van de VOC, Zutphen 2002, S. 15 – 20. 6 Ebd., S. 20 – 23, 28 – 32, 66 – 68, 149 – 164.
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nem der ersten Generalgouverneure, Jan Pietersz. Coen, übertragen, der die Festung Batavia in der Nähe der Hafenstadt Jacatra gründete. Diese Festung stellte auch eine Antwort auf die Konkurrenz der Engländer dar, die sich in der Nähe von Bantam niedergelassen hatten. Coen versuchte in den lukrativen Handel innerhalb der asiatischen Regionen einzusteigen, in denen die Portugiesen, Spanier und Engländer bereits aktiv waren. Dieses Ziel sollte durch den Abschluss exklusiver Lieferverträge erreicht werden, die ein niederländisches Monopol bei Nelken und Muskatnuss sichern sollten. Bei mehreren Gelegenheiten, bei denen Partner der Niederländer die von der VOC diktierten Vertragsbedingungen nicht einhielten, wurden die Gewürzproduzenten getötet oder versklavt – wie z. B. auf den Bandainseln im Jahre 1621. Die VOC ließ auch Nelkenbäume auf Inseln, die nicht von ihr besetzt waren, zerstören, um die Konkurrenz auszulöschen und so die Preise auf dem europäischen Markt hoch zu halten. Die Beziehungen zur Bevölkerung und den einheimischen Herrschern gestaltete sich jedoch trotz einer solchen Politik überall unterschiedlich. Auch wenn die Niederländer Stützpunkte von den Portugiesen wie auf den Molukken, an der Malabarküste oder auf Ceylon (Sri Lanka) erobert hatten, musste die Niederlassung rechtlich mit Privilegien der einheimischen Fürsten immer wieder neu ausgehandelt und vertraglich bekräftigt werden. Darüber hinaus waren die Bediensteten der VOC auf einheimische Kaufleute angewiesen, die als Mittelsmänner die Verbindungen zu den einheimischen Produzenten herstellten. So gelang es der VOC, Zugang zum Textilhandel an der Koromandelküste und in Bengalen zu gewinnen. Die Kompanie hatte auch den Zimtmarkt auf Ceylon im Auge, das sie zwischen 1640 und 1658 eroberte. Der Stellenwert der Handelsgüter veränderte sich : Zu Beginn des 17. Jahrhunderts tauschte die VOC in Südostasien indische Baumwollstoffe gegen Gewürze ein, am Ende des Jahrhunderts hatten Baumwolltextilien und Seide sogar den Pfeffer als Hauptprodukt für die Ausfuhr nach Europa abgelöst.7 Da es den Niederländern nicht gelang, sich auf dem chinesischen Festland niederzulassen, errichteten sie einen Stützpunkt auf der Insel Formosa (Taiwan, 1624 – 1662). Die dortige Faktorei Seelandia diente als Entrepôt für Seide, Tee, Porzellan und Lack, zusammen mit Rohstoffen und Metallen. Bereits während des Intermezzos auf Formosa, vor allem aber im 18. Jahrhundert wurden diese Güter jedoch auch durch den Dschunkenhandel direkt zwischen der Küste Chinas und Batavia befördert. Chinesische Kaufleute erlangten hier eine machtvolle Position. 7 Kristof Glamann : Dutch Asiatic Trade, 1620 – 1740, Copenhagen/The Hague 1958, S. 12 – 21, hier S. 14 (Table 2).
Die Anfänge der niederländischen Asienfahrt
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1 Clement de Jonghe, Kastell und Stadt Batavia, 1681.
Der Handel mit Japan erwies sich ebenfalls als ein lukratives Geschäft. Die Niederländer gründeten eine kleine Niederlassung in Hirado. Ihre Faktorei wurde 1641 auf die Insel Deshima vor Nagasaki verlegt, nachdem die Portugiesen 1639 aus Japan vertrieben worden waren. Der VOC fiel damit eine neue Rolle im Handel zwischen Europa und Japan zu, die so lange andauerte, bis eine amerikanische Flotte unter Kommodore Perry den Inselstaat 1853 für den Außenhandel öffnete. Die VOC importierte Baumwoll- und Wollstoffe sowie Zucker nach Japan, während Japan die Edelmetalle (Silber, Kupfer und Goldkobangs [Goldmünzen]) lieferte, die die VOC für den Kauf von Waren in Indien und auf dem indonesischen Archipel benötigte. Jedes Jahrzehnt kam Silber im Wert von 13 – 15 Millionen Gulden aus Japan, eine Summe, die mit dem Wert von 3 – 5 Millionen Gulden aus Persien und 8,4 – 8,8 Millionen Gulden aus Spanisch-Amerika verglichen werden kann, das über die Niederlande importiert wurde.8 8 Ivo Schöffer/Femme S. Gaastra : The Import of Bullion and Coin into Asia by the Dutch East India Company in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, in : Aymard, Maurice (Hg.) : Dutch Capitalism and World Capitalism, Cambridge/Paris 1982, S. 216 – 233.
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Ein 1668 verhängtes Verbot von Silberexporten aus Japan und der daraus resultierende Rückgang des VOC-Handels mit Japan führten zu einer drastischen Verringerung des Barrenangebotes, das für Geschäfte in anderen Teilen Asiens benötigt wurde. Infolgedessen musste die VOC die Menge an Silber, die sie aus anderen Quellen über Europa nach Asien einführte, erhöhen. Da sich der Handel der europäischen Konkurrenten mit Asien kontinuierlich ausweitete und in der Zwischenzeit die europäische Nachfrage nach Textilien und nach neuen Produkten, wie Kaffee und Tee, in Asien nur im Tausch gegen Silber gedeckt werden konnte, wurde immer mehr von diesem Edelmetall nach Osten geschickt. Details wie diese lassen sich feststellen, weil über den niederländischen Handel in Asien mehr bekannt ist als über den Handel in anderen Teilen der Welt. Aus der überlieferten Buchführung der VOC lässt sich z. B. schätzen, dass die Preise der auf Warenauktionen in Holland und Seeland verkauften Güter dreimal so hoch waren wie die Beträge, die für den Erwerb derselben Dinge in Asien bezahlt wurden.9 In den 1660er Jahren wurden beispielsweise Waren aus Asien im Wert von 31 Millio nen Gulden in die Niederlande geschickt, wo sie einen Gewinn von 92 Millionen Gulden einbrachten. Im Laufe des 18. Jahrhunderts gingen die Gewinne jedoch zurück, da sich die Gewinnspannen verringerten, die Investitionskosten höher wurden und sich die VOC – unter den Auswirkungen der hohen Dividendenzahlungen, die auf 25 % stiegen – verschuldete. Ein Thema, das in diesem Kontext immer wieder diskutiert wurde, war der private Handel der Kompaniebediensteten. Diesen verbot die Kompanie mit ihrem Anspruch auf das alleinige Handelsmonopol. Dennoch war das private Nebengeschäft allgegenwärtig und einzelne Bedienstete wurden immer wieder wegen Betrugs angeklagt und bestraft. Gleichzeitig schickte man Untersuchungskommissionen zur Aufdeckung dieser Korruptionsstrukturen, z. B. auf den indischen Subkontinent. Hier galten einige Niederlassungen, wie das in Bengalen gelegene Hugli, als besonders attraktive Stationen. Im Übrigen war die VOC im 18. Jahrhundert angesichts steigender Kosten und fallender Gewinne zunehmend auf die private Finanzkraft ihrer Bediensteten angewiesen. So entwickelte sich ein System, von dem beide Seiten profitierten : Die VOC-Kaufleute erwarben mit ihren eigenen Geldern die Waren in Asien und die VOC zahlte diese Kredite nach dem Verkauf der Waren zurück.10 9 Gaastra : Geschiedenis van de VOC, S. 127 – 138. 10 Die VOC-Bediensteten schossen das Geld vor und stellten dabei Wechsel auf die VOC aus, die diese nach dem Verkauf der Waren bei ihren Gläubigern (den VOC-Bediensteten) einlöste. Martine Gosselink : The Dutch East India Company in Asia, in : Corrigan, Karina H./Campen, Jan van/ Diercks, Femke/Blyberg, Janet C. (Hg.) : Asia in Amsterdam. The Culture of Luxury in the Golden Age, New Haven/London/Salem, MA 2015, S. 21 – 30, hier S. 26.
Die Anfänge der niederländischen Asienfahrt
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Bis zum Ende bot die VOC ihren Investoren viele finanzielle Möglichkeiten. Sie zahlte Dividenden sowohl an die privaten Aktienbesitzer als auch an die Unternehmer, die ihr Geld direkt in die einzelnen Kammern investierten. Aus solchen Investitionen brachte die Amsterdamer Kammer etwa die Hälfte des Startkapitals der VOC, 3.679.915 Gulden, auf.11 Dadurch erhielt jene das Recht auf 50 % aller Investitionen und Gewinne des Unternehmens. Seeland hatte im Vergleich dazu einen Anteil von 25 %, während die vier kleineren Kammern jeweils für 1/16 aller Kosten und einen gleichen Anteil der Gewinne verantwortlich waren. Bald nach der Erstausgabe von Aktien begann die Spekulation damit : Im Laufe des Jahrhunderts wurden jene der VOC zu Preisen gehandelt, die weit über ihrem ursprünglichen Wert lagen. Vom Handel mit Asien profitierten sowohl die VOC-Aktionäre, die hohe Divi denden aus ihren Investitionen (sowie aus möglichen Aktienverkäufen) vereinnahmten, als auch die niederländischen Händler, die unmittelbarer am Reexport von Waren aus Asien auf den europäischen oder amerikanischen Markt beteiligt waren. Kaufleute und Mitglieder der städtischen Eliten machten hohe Gewinne ; eine noch breitere Gruppe von Kleingewerbetreibenden, Ladenbesitzern und Handwerkern, wie die Schiffszimmerleute, verdienten ebenfalls Geld mit der VOC. Es ist daher kein Wunder, dass führende Amsterdamer Kaufleute wie Gerrit Bicker oder Gerrit Reynst am Handel mit Ost-, aber auch Westindien beteiligt waren. Der ostindische Handel ermöglichte es vielen der höheren Angestellten der VOC, die soziale Leiter in den Niederlanden emporzusteigen, wenn sie eine Karriere in Asien gemacht und ein Vermögen verdient hatten – ob legal oder illegal. Zu den Zeichen des Erfolges gehörten der Kauf von Luxusgütern, z. B. von Kunstwerken und der Erwerb, der Bau oder die Ausstattung prächtiger Residenzen. Viele der Objekte, die gesammelt oder als Dekoration verwendet wurden, stammten direkt aus Asien oder waren europäische Kunstgegenstände mit asiatischen Motiven. Auf diese und andere Weise bewirkte der massive Import von Waren, insbesondere von Porzellan, aus Asien durch die VOC zahlreiche Produktionsveränderungen in den Niederlanden ebenso wie einen globalen Wandel des Geschmackes. In Südostasien bedeutete der Vierte Englisch-Niederländische Krieg einen Einschnitt für die Aktivitäten der VOC, so war beispielsweise Batavia über ein Jahr vom Mutterland abgeschnitten. Auch hatten sich die Strukturen des Handels verändert, da das Hauptgeschäft des Asienhandels, der Teeexport aus China, sich inzwischen direkt zwischen Kanton und den Handelskompanien aus England, Schweden, Dänemark oder Österreich abspielte und gleichzeitig die Amerikaner wichtige Konkurrenten wurden. Obwohl die VOC bis in die 1790er Jahre noch 20 % der europäischen 11 Gaastra : The Dutch East India Company, S. 23 – 26.
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Tee-Einfuhr kontrollierte, reichte dies nicht mehr aus, Einbußen auf anderen Feldern wettzumachen. Die VOC war am Ende hoch verschuldet und wurde 1796 durch die neue Batavische Republik verstaatlicht, die einen Schuldenberg von 140 Millionen Gulden übernahm. Ein Großteil der Besitzungen wurde von Großbritannien besetzt. 1795 hatte nämlich der von der Batavischen Republik entthronte Statthalter Wilhelm V. von Oranien aus dem Londoner Exil die VOC-Gouverneure der überseei schen Besitzungen dazu aufgefordert, diese Großbritannien zu übergeben. Einige Regionen bzw. ihre Gouverneure – wie z. B. die Kapkolonie – weigerten sich, dem Befehl nachzukommen. Entsprechend wurden sie ebenso wie Ceylon, die Stützpunkte auf dem indischen Subkontinent, Malakka und Java von den Briten erobert. Die Kapkolonie, Ceylon, die indischen Stützpunkte sowie Malakka blieben britisch, allein Java und die Inseln im indonesischen Archipel gab Großbritannien 1816 an das neue Königreich der Niederlande zurück, das Niederländisch-Indien bis zur Unabhängigkeit 1949 verwaltete.
1.3 Die Westindische Kompanie Der niederländische Afrika- und Atlantikhandel setzte bereits vor der Gründung der Westindischen Kompanie 1621 ein. In den 1590er Jahren segelten regelmäßig Schiffe aus den Niederlanden an die Küsten Westafrikas. Die ersehnten Güter waren Gold und Elfenbein. Um 1615 liefen jährlich ca. 60 Schiffe die afrikanische Küste an, wo sie Textilien, Kupfer und Messingwaren sowie Perlen gegen Gold und Elfenbein tauschten. Der Wert dieser Einfuhren wird auf jährlich 1,2 bis 1,5 Millionen Gulden geschätzt. Kaufleute aus Amsterdam und Middelburg investierten in dieses Geschäft und gründeten hierzu eine Reihe von sog. Guinea-Kompanien.12 Die Seeländer handelten auch mit dem portugiesischen Brasilien und der spanischen Karibik. Sie nutzten dafür oft Handelspartner in den südlichen Niederlanden, aber auch in Lissabon und Sanlúcar (Andalusien). Neben Brasilholz und Zucker brachten die Schiffe Tabak zurück, den man bei der einheimischen Bevölkerung und spanischen Pflanzern ertauschte.13 Sowohl der Handel mit Afrika als auch mit Brasilien und der spanischen Karibik war durch die Auseinandersetzungen im Unabhängigkeitskampf gegen Spanien belastet. Da Spanien und Portugal die Welt unter sich aufgeteilt hatten, erzielte man hier nur Erfolge, wenn die in europäische Kriege 12 Wim Klooster : The Dutch Moment. War, Trade, and Settlement in the Seventeenth-Century Atlantic World, Ithaca/London 2016, S. 24 – 25. 13 Ebd.: S. 17 – 22.
Die Westindische Kompanie
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verwickelten Mutterländer sich nicht um ihre Kolonien kümmerten oder falls man selbst Raubzüge in Übersee gegen Spanien und Portugal starten konnte. Dagegen eröffnete der Zwölfjährige Waffenstillstand mit Spanien Handelsmöglichkeiten mit der Iberischen Halbinsel. Nach dessen Auslaufen gingen die Nieder lande wieder zu einer aggressiven Politik über. Ein Instrument war die 1621 gegründete West-Indische Compagnie (WIC). Sie hatte das Ziel, den niederländischen Handel mit Afrika und Amerika zu bündeln und vor allem die Konkurrenz der bereits bestehenden niederländischen Handelsgesellschaften zu beenden.14 Die WIC war ebenso wie die VOC als Aktiengesellschaft organisiert. Größere Summen investierten allein wenige Kaufleute, die schon länger im Handel mit der Karibik, Brasilien und Guinea tätig waren. Das Startkapital von rund 7 Mio. Gulden konnte aber nur zusammenkommen, weil auch Einwohner der nicht direkt mit der Schifffahrt verbundenen Städte Leiden, Utrecht, Dordrecht, Haarlem, Deventer, Arnheim und Groningen erhebliche Summen in Kompanieaktien anlegten. Die Anfangserfolge der WIC blieben bescheiden. Hätte nicht Piet Heyn (1577 – 1629) 1628 vor Kuba die aus Mexiko kommende spanische Silberflotte gekapert und dabei über 11 Mio. Gulden in die Kasse der WIC gebracht, wäre diese schnell in Vergessenheit geraten. Für die weitere ökonomische Expansion benötigte die WIC nämlich neben dem Goldimport aus Afrika eine solide wirtschaftliche Grundlage im Atlantischen Raum. Diese eröffnete sich für einige Jahrzehnte in Brasilien, wo 1630 das Z uckerzentrum Pernambuco (Recife) erobert und unter dem Gouverneur Johann Moritz von Nassau-Siegen eine Niederlassung etabliert wurde.15 Die Niederländer beherrschten nun zum ersten Mal den internationalen Zuckerhandel. Allerdings endete die Ausbeutung der Zuckerproduktion 1644 abrupt, als eine Revolte brasilianischer Zuckerpflanzer und Plantagenbesitzer ausbrach, die die WIC nicht unter Kontrolle bekam. 1661 wurde Nordostbrasilien gegen die Zahlung von acht Millionen Gulden an Portugal zurückgegeben. Völlig überschuldet beschränkte sich die WIC deshalb in der zweiten Jahrhunderthälfte auf die Versorgung der westindischen Kolonien der anderen europäischen Mächte mit Sklaven sowie auf den Gold- und Elfenbeinimport aus den afrikanischen Besitzungen. Dabei war der wichtigste Exportartikel Westafrikas immer noch Gold, das ca. drei Viertel der Handelseinnahmen der WIC in Afrika ausmachte. Ca. 13 % der Gewinne stammten aus dem Sklavenhandel und weitere 8 % aus der Elfenbeinausfuhr.16 Der Sklavenhandel entwickelte sich zunächst langsam. Vor der Gründung der WIC hat14 Henk den Heijer : De geschiedenis van de WIC, Zutphen 22002, S. 13 – 54. 15 Charles Ralph Boxer : The Dutch in Brazil. 1624 – 1654, Oxford 1957. 16 Heijer : De geschiedenis van de WIC, S. 128 – 131.
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2 Jan de Baen, Porträt von Johann Moritz von Nassau-Siegen.
ten niederländische Freibeuter in der Regel nur portugiesische Sklavenschiffe aufgebracht und die Afrikaner an Bord weiterverkauft. Erst nach der Eroberung Brasiliens und der Etablierung des Zuckeranbaus begann der aktive Sklavenhandel der WIC, die jetzt auch über die Stützpunkte Arguin, Goree und Mouree in Westafrika verfügte. Die Eroberung der portugiesischen Forts Elmina, Luanda und São Tomé stand im engen Zusammenhang mit dem Sklavenhandel. Dabei wollte man auch die Spanier treffen, die für ihren Silberbergbau in Amerika auf afrikanische Sklaven angewiesen waren. Nach dem Aufstand in Brasilien richteten die Niederländer in der Folgezeit ihren Sklavenhandel auf die nicht-niederländischen Kolonien in der Karibik sowie auf Spanisch-Amerika und Brasilien aus, zu dem die Handelsbeziehungen trotz der Unabhängigkeit von den Niederlanden intakt geblieben waren.17 Denn vor allem in der Karibik war mit niederländischem Know-how und Kapital die Zuckerproduktion verbreitet worden und die Holländer lieferten den portugiesischen, spanischen und englischen Pflanzern die dafür notwendigen Arbeitskräfte, aber ebenfalls Gerätschaften. Die versklavte schwarze Bevölkerung auf den Inseln wuchs stark an – auf dem englischen Barbados von 5680 Personen (1645) auf 82.023 17 Klooster : The Dutch Moment, S. 158 – 164.
Die Westindische Kompanie
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Personen (1667) – und immer mehr Pflanzer verschuldeten sich bei den niederländischen Händlern. Besonders intensiv entwickelten sich die Beziehungen zu den spanischen Inseln in der Karibik und zum spanisch-amerikanischen Festland. Zwischen 1660 und 1730 wurden etwa 100.000 afrikanische Sklaven auf niederländischen Schiffen nach Kuba und Panama sowie in das heutige Venezuela und Kolumbien gebracht. Ein beträchtlicher Teil starb bereits auf der Reise an Krankheiten und Misshandlungen, aber auch in der Karibik auf Curaçao angekommen. So besaßen die Niederländer auf Curaçao lange Zeit nicht die Infrastruktur, um die Sklaven ausreichend zu versorgen.18 Auf dem nordamerikanischen Kontinent ließen sich die Holländer zunächst per Zufall nieder. 1609 hatte die VOC den englischen Kapitän Henry Hudson (1570 – 1611) unter Vertrag genommen, um eine Nordost-Passage nach Asien zu finden. Als das arktische Eis die Weiterfahrt blockierte, versuchte es Hudson in westlicher Richtung und traf dabei auf den Fluss, der später seinen Namen tragen sollte. Sein 1611 publizierter Bericht zog Seefahrer und Kaufleute an. 1614 erhielt eine kleine niederländische Kompanie eine Handelskonzession für vier Jahre, woraufhin im gleichen Jahr Händler das Fort Nassau am oberen Hudson errichteten. Ab 1621 fielen die jetzt Neue Niederlande genannten Gebiete in den Zuständigkeitsbereich der WIC. Die Attraktion für die Niederländer waren Pelze, insbesondere die Biberpelze, die ihnen von den Algonkin am Hudsondelta und von den Mohawk am Oberlauf des Flusses angeboten wurden. Mit der Zeit kamen nicht allein Kaufleute, sondern auch niederländische Siedler in die Hudsonregion. 1626 gründete der WIC-Generalgouverneur Peter Minuit (1580 – 1638) Fort Amsterdam, aus dem sich Neu Amsterdam und später New York entwickeln sollten. Es entstand ein lebendiges Handelszentrum mit 2500 (1664) – 5000 (1700) Einwohnern.19 Die Vormachtstellung der Niederlande im Atlantik wurde jedoch durch die merkantilistische Politik Englands beeinträchtigt. Denn dort war mittlerweile die Zeit des Bürgerkrieges und der Cromwellschen Herrschaft zu Ende gegangen, und das Land entwickelte sich auf den Weltmeeren immer mehr zu einem gefährlichen Konkurrenten. Im Frieden von Breda (1667) traten die Niederlande ihre nordamerikanischen Besitzungen an England ab. Im karibischen Raum behielten die Niederländer Suri
18 Ebd.: S. 181 – 182. 19 Oliver A. Rink : Seafarers and Businessmen. The Growth of Dutch Commerce in the Lower Hudson River Valley, in : Panetta, Roger (Hg.) : The Dutch New York. The Roots of Hudson Valley Culture, New York 2009, S. 7 – 34.
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nam, das 1667 erobert worden war, sowie Curaçao und einige kleinere Inseln.20 Zur Verwaltung von Surinam gründeten die Stadt Amsterdam, die WIC und die Familie van Aerssen van Sommelsdijck die Sociëteit van Suriname, die als Surinamkompanie Handel und Politik Surinams bis zum Jahre 1795 bestimmte, als die Batavische Republik die Handelskompanien verstaatlichte. Die Westindische Kompanie selbst war bereits in den 1660er Jahren überschuldet und allein der Sklavenhandel und die Goldausfuhr aus Afrika ermöglichten ihr Überleben. 1674 einigte man sich auf einen Schuldenschnitt und die Gründung einer neuen Westindienkompanie, die die Schiffe und Festungen übernahm. Der Vierte Englisch-Niederländische Krieg schädigte den globalen niederländischen Handel grundlegend und zahlreiche Handelsstützpunkte in Asien und der Karibik wurden von Großbritannien erobert. 1791 kaufte die niederländische Regierung den Aktienbesitz der Kompanie auf und inkorporierte deren Territorien in die Niederländische Republik. In den Napoleonischen Kriegen – die Batavische Republik der Niederlande war ein Alliierter Frankreichs – besetzten die Briten die niederländischen Inseln in der Karibik, Surinam und angrenzende Gebiete, von denen Surinam und die Inseln 1814 bzw. 1816 zurück an die Niederlande gegeben wurden. Surinam blieb bis zu seiner Unabhängigkeit 1975 niederländisch, während Curaçao und die anderen Inseln der niederländischen Antillen (Aruba und Sint Maarten) ein eigenständiges Bundesland innerhalb des Königreiches der Niederlande bilden.
1.4 Migration und Schifffahrt In der Zeit zwischen 1600 und 1800 wanderte mehr als eine halbe Million Menschen aus den Niederlanden in die von der VOC kontrollierten Gebiete in Asien (einschließlich Südafrikas) aus, wogegen sich vermutlich nur 15.000 in die Karibik und eine ähnlich große Anzahl nach Nordamerika begaben. Während in das atlantische WIC-Gebiet, insbesondere nach Nordamerika, meist bäuerliche Siedlerfamilien auswanderten, gingen nach Asien vor allem Einzelpersonen. Ein großer Teil dieser war außerhalb der Niederlande geboren und nutzte das Land als Ausgangspunkt für die Auswanderung, zumeist im Dienst der VOC.21
20 Michael North : Geschichte der Niederlande, München 42013, S. 40 – 42. 21 Jan Lucassen : Labour and Early Modern Economic Development, in : Davids, Karel/Lucassen, Jan (Hg.) : A Miracle Mirrored. The Dutch Republic in European Perspective, Cambridge/New York 1995, S. 367 – 409, hier S. 368 – 369.
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Jedes Jahr fuhren auf niederländischen Schiffen ca. 5000 Menschen nach Südostasien, von denen zwei Drittel vor Ort blieben.22 Nach Ablauf ihres Kontraktes ließen sie sich als »Freibürger« in den verschiedenen Häfen nieder.23 In Südostasien lebten europäische Männer mit einheimischen Partnerinnen zusammen und heirateten mit der Zeit Frauen europäisch-asiatischer Abstammung oder aus anderen asiatischen Gebieten. Die niederländische Präsenz hatte einen erheblichen Einfluss auf den kulturellen Austausch mit Asien. An der Vermittlung von Kultur war eine Vielzahl an Akteuren beteiligt, die nicht nur die maritimen Regionen von der Arabischen See bis zum Ostchinesischen Meer verbanden, sondern ebenfalls die Weltmeere, da niederländische Kaufleute auch im Nord- und Südatlantik aktiv waren. Gleichzeitig beruhte der niederländische Erfolg auf einer hohen Anpassungsbereitschaft. So lernten die Niederländer schnell die Gepflogenheiten in den verschiedenen sie umgebenden asiatischen Gesellschaften kennen, machten sich mit den indigenen Sprachen vertraut und führten im Sinne ihres Geschäftes die von ihnen verlangten Zeremonien aus. Sie korrespondierten in Malaiisch, Persisch (Farsi), Portugiesisch und Chinesisch ; sie vollzogen (im Gegensatz zu Engländern oder Russen) den Kotau ebenso wie sie sich den komplizierten Sitten an den Mogulhöfen oder der Herrscher von Kandy und Mataram in Ceylon oder am Hof von Siam unterwarfen. Gleichzeitig machten sie von ihrem europäischen Wissen gegenüber den Einheimischen dosiert Gebrauch, so dass sie oftmals die einzige Quelle für die Kenntnisse von der Welt waren.24 Was die Überlieferung und den Umfang der maritimen Aktivitäten angeht, ragen niederländische Kaufleute und Seeleute heraus. Vom beginnenden 17. Jahrhundert bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts betrieben sie mehr Schiffe und beförderten mehr Personen von Europa nach Südafrika und Asien als alle übrigen europäischen Nationen zusammen.25 Die Schiffe segelten zunächst entlang der afrikanischen Küste, um dann mit den Passatwinden Kurs auf Südamerika zu nehmen und vor Brasilien schließlich mit Westwinden das Kap der Guten Hoffnung zu erreichen. Danach tasteten sich die Niederländer an der ostafrikanischen Küste und an Madagaskar vorbei und kreuzten anschließend den Indischen Ozean in Richtung Java. Diese Reise nach Batavia dau22 Jan Lucassen : A Multinational and its Labor Force. The Dutch East India Company, 1595 – 1795, in : International Labor and Working-Class History 66 (2004), S. 12 – 39, hier S. 12 – 17. 23 Gijs Kruijtzer : European Migration in the Dutch Space, in : Oostindie, Gert (Hg.) : Dutch Colonialism, Migration and Cultural Heritage, Leiden 2008, S. 97 – 154, hier S. 101 – 102. 24 Blussé : Visible Cities, 2008, S. 35, 49 ; Zandvliet : De Nederlandse ontmoeting, S. 24 – 26. 25 Ich folge hier meinem Kapitel »Indischer Ozean« aus »Zwischen Hafen und Horizont. Weltgeschichte der Meere«, München 2016, S. 135 – 172.
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erte durchschnittlich (1620 – 1629) 258 Tage, jedoch merkten die Schiffer bald, dass es schneller war, wenn man nicht an der afrikanischen Küste entlang fuhr, sondern sich direkt mit dem Südwest-Monsun vom Kap in Richtung Australien begab und dann nordwärts in Richtung Sundastraße. Auf diese Weise benötigte man nur noch rund 200 Tage für die Passage, die durch die ständige Aktualisierung der Seekarten auch sicherer wurde. In Batavia musste die Retourflotte so lange warten, bis die Schiffe mit den Waren von den anderen Handelsplätzen Asiens zurückkamen. Dies geschah im September und Oktober, so dass man sich nach dem Umladen im Dezember auf die Rückreise machen konnte. Wenn der Wind aus Ost blies, war es möglich, direkt zum Kap zu segeln, im Notfall wurde Mauritius angelaufen. Vom Kap der Guten Hoffnung segelten die Schiffe dann über den Atlantik nach Europa, entweder durch den Kanal oder um Schottland herum durch die Nordsee. Die Rückreise dauerte 218 – 230 Tage.26 Die vielen Aufgaben an Bord verlangten ein spezialisiertes Personal. Auf den Schiffen der VOC trug neben dem Kapitän oder Schiffer der Supercargo (Oberkauf mann) die Verantwortung für die Reise und die Waren. Darunter rangierten die beiden Steuerleute, die Unteroffiziere wie der Oberbootsmann, der zweite Bootsmann, Proviantmeister, Quartiermeister, Koch und ihre jeweiligen Stellvertreter (Maate) sowie der Konstabler bzw. Provoost. Zu den Handwerkern gehörten die Schiffszim merleute, Segelmacher, Böttcher, Barbiere und Chirurgen. Den untersten Rang hatten die Matrosen, Schiffsjungen und die privaten Diener der Offiziere und des VOC-Personals. Mit an Bord waren immer Geistliche und oft Reisende mit ihren Familien. Hinzu kamen zahlreiche Soldaten, die für einige Zeit in den Dienst der VOC getreten waren, bot doch der Militärdienst auch Angehörigen anderer Nationen aus ganz Europa die Chance, in niederländische Dienste zu treten. Die Seeleute stammten zum größten Teil aus den Niederlanden, wobei die nordeuropäischen Küstengebiete für die Anwerbung immer wichtiger wurden. Dazu gehörten insbesondere die Herzogtümer Schleswig und Holstein, Dänemark, Norwegen und Schweden, aber auch Polen und Bewohner der östlichen Ostseeküste gesellten sich hinzu. Ein erheblicher Teil der ausländischen Matrosen und Schiffer heiratete in Amsterdam und ließ sich in den Niederlanden nieder, die anderen kehrten, wenn sie die Fahrten überlebten, nach einigen Jahrzehnten wieder zurück in ihre Heimat. Diese Rückkehrer wurden aufgrund ihrer Erfahrungen auf See auch im Ostseeraum von
26 Herman Ketting : Leven, werk en rebellie aan boord van Oost-Indiëvaarders (1595 – 1650), Amsterdam 2002, S. 29 – 37.
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3 Jan Brandes, Blick vom Achterdeck eines Ostindienfahrers auf den Bug.
den Offizieren der Kriegsschiffe sehr geschätzt, und manch einer hinterließ später bisweilen gedruckte Reiseerinnerungen. Trotz des teilweise mörderischen Klimas in Südostasien gelang es der VOC, die langen Fahrten in den Indischen Ozean allmählich immer sicherer zu gestalten. Hierzu trug die vergleichsweise gesunde Ernährung bei. So erhielten niederländische Seeleute im ausgehenden 17. Jahrhundert auf den Schiffen der VOC täglich 4.700 bis 5.000 Kalorien und standen damit weit an der Spitze der Ernährungshierarchie. Dies wird deutlich, wenn man bedenkt, dass Leidener Textilarbeiter maximal auf 3.500 Kalorien kamen. Die Ernährung des Schiffspersonals war für niederländische Kriegsschiffe genau festgelegt, und die VOC orientierte sich daran. Das Frühstück bestand aus Grütze mit getrockneten Pflaumen und Rosinen. Um 12 Uhr wurden grüne oder graue Erbsen bzw. Bohnen als warme Suppe gegessen. Zur Geschmacksaufbesserung dienten Butter, Senf oder Essig. An den Fleischtagen servierte der Koch etwas Fleisch dazu. Um 6 Uhr abends aß man die aufgewärmten Reste der Suppe vom Mittag. Viermal in der Woche gab es Stockfisch zur Suppe und dreimal Fleisch oder Speck. Ebenso bekam jeder in der Woche eine Ration Brot, Butter, Käse und Essig. Getrunken wur-
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den Wasser und Bier sowie Rationen von Wein und Branntwein. Den Offizieren und den Kajütengästen stand natürlich eine reichhaltigere Kost zu, was so aussah, dass zu den Standardgerichten aus Erbsen und Bohnen noch Honig, Zucker, Gewürze, verschiedene Sorten Fleisch sowie Bier und Wein kamen.27 Trotz dieser reichhaltigen Nahrung stellte sich häufig ein Mangel an Vitamin C ein, der zum Skorbut führte, dem eine Reihe von Seeleuten zum Opfer fiel. Obwohl es gelang, die verhältnismäßig hohe Sterblichkeit im Laufe des 17. Jahrhunderts zu senken, betrug sie in den 1670er und 1680er Jahren immer noch um 9 %, wobei es durchaus Jahrzehnte mit bis zu 15 % Sterblichkeit gab. Dagegen starben auf dem Land von den 25 – 35-jährigen Männern nur rund 2 %. Neben Mangelerkrankungen wie Skorbut zählten Arbeitsunfälle, Gefechtsverletzungen einschließlich Wundinfektionen und Schiffbruch zu den wichtigsten Todesursachen. Auch Infektionskrankheiten in den Tropen forderten ihren Tribut.28 Denn selbst wenn man Batavia erreicht hatte, war das Gesundheitsrisiko groß ; so starben im Hospital in Batavia zwischen 1725 und 1786 knapp 95.000 Angestellte der VOC, das heißt mehr als 1500 in einem Jahr, bei 6000 jährlich ankommenden Europäern.29 Immerhin war die Sterblichkeit auf der Retourfahrt mit 6 % geringer und wenn Seuchen ausblieben, konnte sie sogar weiter sinken.30 Neben dem ausreichenden Essen wurde das Schiffspersonal auch vergleichsweise gut entlohnt. Dabei standen der Kapitän oder Schiffer mit einem Monatslohn von 60 – 80 fl. an der Spitze, aber auch der Obersteuermann wurde mit 40 – 50 fl. im Monat noch sehr gut bezahlt. In der höchsten Gehaltskategorie von 80 – 100 fl. monatlich rangierte der Prädikant, das heißt der Pastor. Die Handwerker wurden wie der Oberzimmermann mit 30 – 36 fl. und der Unterzimmermann mit 24 – 28 fl. gut entlohnt. Dagegen erhielten die Matrosen nur 7 – 11 fl., was im Jahr aber immerhin noch 84 – 132 fl. ergab. In der gleichen Kategorie befanden sich die einfachen Soldaten. Angesichts der Tatsache, dass für alle Seeleute Kost und Logis frei waren, konnte ein Seemann am Ende einer Reise eine schöne Summe Geldes zusammengespart
27 Ebd.: 88 – 89. 28 Jaap R. Bruijn : De personeelsbehoefte van de VOC overzee en aan boord, bezien in Aziatisch en Nederlands perspectief, in : BMGN – Low Countries Historical Review (1976), S. 218 – 248, hier S. 223 ; Jan Lucassen : Zeevarenden, in : Akveld, L. M./Hart, Simon/Hoboken, W. J. (Hg.) : Maritieme geschiedenis der Nederlanden, Bd. 2 : Zeventiende eeuw, van 1585 tot ca. 1680, Bussum 1977, S. 126 – 158, hier S. 145 – 150. 29 Lucassen : Multinational and its Labor Force, S. 12 – 39, hier S. 16. 30 Bruijn : De personeelsbehoefte van de VOC, S. 218 – 248, hier S. 223 ; Lucassen : Zeevarenden, S. 145 – 150.
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haben, zumal es auf dem Schiff keine Möglichkeit gab, Geld in größerem Umfang auszugeben.31 Neben dem Lohn versprach der illegale, aber stillschweigend geduldete private Handel kleine bis größere Gewinne. Die Inventare des 18. Jahrhunderts, die über den Inhalt der Seemannskisten der Matrosen berichten, erwähnen ein reiches Warensortiment. Daneben schmuggelten die Seeleute silberne Dukatons, deren Ausfuhr aus den Niederlanden offiziell verboten war, nach Batavia. So führten Daniël van Staden (1738) und Dirck Gerritsz. Pomp (1740) jeweils 231 bzw. 195 dieser Münzen mit sich. Der Schiffer Reinier Jan Elsevier hatte sogar ein ganzes Warenlager an Bord – nicht nur 19 verschiedene Sorten Wein sowie Bier, sondern auch schwarze Hosen, gestickte Kamisole, 300 Brillenetuis, 56 Paar Gewehre und 30 Pistolen, 24 Männerhüte, zwölf kristallene Fruchtschalen, 400 Lampengläser, 66 Weinbecher und 320 Stück Fensterglas. Hinzu kamen noch Käse, Butter, Hering, Schinken, Räucherfleisch, Ochsenzungen und Lachs. Andere spezialisierten sich auf Metallgegenstände, sog. Neurenburger cramerij, wie Brillen, Scheren, Messer, Spiegel, Schermesser, Spieße und Knöpfe.32 Die Karriereaussichten waren ein weiteres Motiv für den Dienst in der VOC. Ein Angeworbener erhielt einen Dreijahresvertrag und jeder, der starb, wurde an Ort und Stelle durch einen anderen Seemann, Soldaten oder Angestellten ersetzt. Das bedeutete, dass ein einfacher Matrose gute Chancen hatte, als Unteroffizier zurückzukehren und sogar noch weiter aufzusteigen. So gab es Admiräle, die als einfache Schiffsjungen angefangen hatten. Das aus Europa rekrutierte Personal reichte indes nicht aus, um den Bedarf an Arbeitskräften in den VOC-Niederlassungen in Asien zu befriedigen. Deshalb wurden aus der einheimischen Bevölkerung Seeleute, Soldaten, Handwerker, Werft- und Hafenarbeiter in großer Zahl rekrutiert. Europäer und Eurasier machten allein ein Sechstel des VOC-Personals in Asien aus. Auf Ceylon beispielsweise kamen neben diesen Europäern und Eurasiern zwei Drittel der von der VOC Beschäftigten und die Hälfte der Soldaten aus der Region. Darüber hinaus rekrutierte die VOC in großer Zahl einheimische und chinesische Seeleute für ihre Fahrten innerhalb Asiens, und in den Häfen, von denen die Schiffe direkt nach Europa aufbrachen, wurden die Besatzungen mit einheimischen Seeleuten aufgefüllt. So nahm man christliche Tamilen an der Koromandelküste, Muslime in Bengalen und auf Ceylon, portugiesische Chinesen in Macao sowie Javaner und
31 Lucassen : Zeevarenden, S. 126 – 158. 32 Jaap R. Bruijn : Schippers van de VOC in de achttiende eeuw aan de wal en op zee, Amsterdam 22008, S. 163 – 165.
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Chinesen in Batavia an Bord. Entsprechend fuhren um 1790 rund 1000 asiatische Seeleute jährlich aus Asien in die Niederlande und zurück.33
1.5 Überlegungen zum niederländischen Handelsimperium Die Niederländische Ostindische Kompanie zieht seit Langem die Aufmerksamkeit der Wissenschaft auf sich. Ihre 200jährige Geschichte, die weltweit verbreiteten Unternehmungen und das Überleben umfangreicher originaler Akten – buchstäblich 1200 Meter Archivalien über die VOC befinden sich im Nationalarchiv in Den Haag, und viele weitere Dokumente sind in Archiven in ganz Asien und in Südafrika verstreut – haben zahlreiche Arbeiten zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte angeregt.34 Wichtige Publikationen sind auch über den Handel,35 die Schifffahrt,36 die institutionelle Organisation37 und die Verwaltung der VOC erschienen.38 Auch über die Rolle der VOC in den indigenen Gesellschaften wurde geforscht.39 Hierzu diente
33 Lucassen : Multinational and its Labor Force, S. 12 – 39, hier S. 19 – 24 ; Matthias van Rossum : Werkers van de wereld. Globalisering, arbeid en interculturele ontmoetingen tussen Aziatische en Europese zeelieden in dienst van de VOC, 1600 – 1800, Hilversum 2014. 34 Gaastra : Dutch East India Company, S. 179 – 188. 35 Glamann : Dutch Asiatic Trade ; Els M. Jacobs : Koopman in Azië. De handel van de Verenigde Oost-Indische Compagnie tijdens de 18de eeuw, Zutphen 2000. Diese umfassenden Übersichten werden durch zahlreiche Beiträge zu einzelnen Regionen ergänzt, darunter J. Cornelis van Leur : Indonesian Trade and Society. Asian Social and Economic History, Den Haag 1955 ; M. A. Petronella Meilink-Roelofsz : Asian Trade and European Influence in the Indonesian Archipelago between 1500 and about 1630, Den Haag 1962 ; Om Prakash : The Dutch East India Company and the Economy of Bengal, 1630 – 1720, Princeton 1985 ; Sinnappah Arasaratnam : Dutch Power in Ceylon, 1658 – 1687, Amsterdam 1958 ; Leonard Blussé : Tribuut aan China. Vier eeuwen Nederlands-Chinese betrekkingen, Amsterdam 1989. 36 Jaap R. Bruijn (Hg.) : Dutch-Asiatic Shipping in the 17th and 18th Centuries, Den Haag 1979. 37 Niels Steensgaard : The Dutch East India Company as an Institutional Innovation, in : Aymard, Maurice (Hg.) : Dutch Capitalism and World Capitalism, Cambridge/Paris 1982, S. 235 – 257. 38 Femme S. Gaastra : Bewind en beleid bij de VOC. De financiële en commerciële politiek van de bewindhebbers, 1672 – 1702, Zutphen 1989. 39 Jean Gelman Taylor : The Social World of Batavia. European and Eurasian in Dutch Asia, Madison 1983 ; Remco Raben : Batavia and Colombo. The Ethnic and Spatial Order of Two Colonial Cities, 1600 – 1800, Dissertation Universiteit Leiden 1996 ; Leonard Blussé : Strange Company. Chinese Settlers, Mestizo Women and the Dutch in VOC Batavia, Dordrecht 1986 ; Lodewijk Wagenaar : Galle. VOC-Vestiging in Ceylon. Beschrijving van een koloniale samenleving aan de vooravond van de Singalese opstand tegen het Nederlands gezag, 1760, Amsterdam 1994.
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das Projekt TANAP (Towards a New Age of Partnership, 2000 – 2007), das Wissenschaftler aus den ehemaligen VOC-Gebieten in deren Erforschung mit einbezog.40 Entsprechend vielfältig sind die Überlegungen zum Charakter der niederländischen Handelskompanien allgemein, wobei der Schwerpunkt immer auf der Ostindischen Kompanie liegt. Wirtschaftshistoriker, wie Nils Steensgaard, haben die VOC als Aktiengesellschaft und damit als institutionelle Innovation im Handel bezeichnet, da sie in ihrer Form als Aktiengesellschaft damals etwas völlig Neues darstellte.41 Ebenso werden die Handelskompanien als wesentliche Elemente eines sich »konsolidierenden Kapitalismus« und damit des Übergangs vom Kaufmannskapitalismus zum Finanzkapitalismus gesehen.42 In jüngster Zeit hat sich die Debatte auf die politischen Strukturen verlagert. Ausgehend von dem Buch Philip Sterns über die Englische East India Company in Indien (»The Company-State«) interpretieren Historiker auch die VOC als eine Form korporativer Staatlichkeit.43 Jedoch bleiben die Unterschiede aufgrund des relativ geringen Territorialbesitzes der VOC und der WIC im Vergleich mit den Briten deutlich. Auch agierten die niederländischen Vertreter in den Handelsniederlassungen und vor allem im Zentrum in Batavia weitgehend unabhängig von den Entschei40 So wurde beispielsweise TANAP gegründet, um die Millionen von VOC-Dokumenten zu erhalten, die noch immer in den Archiven von Jakarta, Colombo, Chennai, Kapstadt und Den Haag aufbewahrt werden, und um junge asiatische, südafrikanische und europäische Wissenschaftler zu inspirieren, ein neues Licht auf die Beziehungen zwischen der VOC und indigenen Gesellschaften zu werfen. Siehe Leonard Blussé/Cynthia Viallé (Hg.) : TANAP Monographs on the History of Asian-European Interaction, Leiden 2006 – 2013, Russel S. Viljoen : Jan Paerl. A Khoikhoi in Cape Colonial Society 1761 – 1851 (Bd. 1), Leiden 2006 ; Atsushi Ota : Changes of Regime and Social Dynamics in West Java. Society, State and the Outer World of Banten, 1750 – 1830 (Bd. 2), Leiden 2006 ; Hoang Anh Tuan : Silk for Silver. Dutch-Vietnamese Relations, 1637 – 1700 (Bd. 5), Leiden/Boston 2007 ; Bhawan Ruangsilp : Dutch East India Company Merchants at the Court of Ayutthaya. Dutch Perceptions of the Thai Kingdom, c. 1604 – 1765 (Bd. 8), Leiden 2007 ; Nirmal Ranjith Dewasiri : The Adaptable Peasant. Agrarian Society in Western Sri Lanka under Dutch Rule, 1740 – 1800 (Bd. 9), Leiden 2008 ; Chiu Hsin-hui, The Colonial »Civilizing Process« in Dutch Formosa, 1624 – 1662 (Bd. 10), Leiden/Boston 2008 ; Ghulam A. Nadri : Eighteenth-Century Gujarat. The Dynamics of Its Political Economy, 1750 – 1800, Leiden 2009 (Bd. 11) ; Anjana Singh : Fort Cochin in Kerala, 1750 – 1830. The Social Condition of a Dutch Community in an Indian Milieu (Bd. 13), Leiden 2010. 41 Steensgaard, Dutch East India Company, S. 235 – 257. 42 Jürgen Kocka : Geschichte des Kapitalismus, München 2013, S. 49. 43 Philip J. Stern : The Company-State. Corporate Sovereignty and the Early Modern Foundations of the British Empire in India, Oxford/New York 2011 ; Arthur Weststeijn : The VOC as a Company-State. Debating Seventeenth-Century Dutch Colonial Expansion, in : Itinerario 38 (2014), S. 13 – 34 ; Erik Odegard : A Company of State. The Dutch East India Company and the Debates on the Company-State in Asia, 1660 – 1690s, in : Antunes, Cátia/Polónia, Amélia (Hg.) : Mechanisms of Global Empire Building, Porto 2020, S. 127 – 143.
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dungen in Amsterdam, so dass alle Versuche einer Zentralisierung scheiterten. Allein schon die langen Kommunikationswege verhinderten eine direkte Einflussnahme des Zentrums. So heben jüngere Untersuchungen insbesondere die lockere Struktur des durch die Handelskompanien geprägten »niederländischen Imperiums« hervor, die sich vor allem im Vergleich mit Spanien und Portugal, aber auch mit Frankreich und Großbritannien abzeichnete. Die Historiker*innen erklären dies unter anderem durch die geringe Zahl der Niederländer – verglichen mit den anderen Kolonialreichen –, die zwangsläufig zur Kooperation mit einheimischen Kaufleuten und anderen Europäern führte. Auf dem indischen Subkontinent war durch die zahlreichen, oft benachbarten Handelsniederlassungen der Engländer, Franzosen, Niederländer und Dänen auch der Wechsel von einer Faktorei in die andere möglich und zeitweilig attraktiv.44 Nicht wenige Niederländer fanden etwa in den dänischen Besitzungen ihr Glück, wie etwa Barend Pessaert, der es bis zum Gouverneur in Tranquebar brachte.45 In diesem Kontext fordern insbesondere Cátia Antunes und Amélia Polónia, die Erforschung von Kolonialreichen zu dezentralisieren und sich auf diese Weise von dem Paradigma der europäischen Dominanz und der Vorstellung zentral strukturierter Reiche zu lösen. Antunes und Polónia beschäftigen sich hierbei mit sog. »free agents«, Personen, die in ihrem Privathandel sowohl das von den Handelskompanien beanspruchte Monopol unterliefen als auch bei Bedarf dessen Vorteile nutzten. Diese »Privatunternehmer« trugen mit ihren Netzwerken interessanterweise durchaus zum Erhalt der Imperien bei.46 Verglichen mit den ökonomisch-politischen Erfolgen der Handelskompanien hat die Rolle der VOC in der Kulturgeschichte und insbesondere in der Geschichte der visuellen und materiellen Kultur lange Zeit kein vergleichbares Interesse gefunden. Eine Ausnahme bildete zunächst das Feld der Wissenschaftsgeschichte. Hier setzte Harold Cook mit seinem Buch »Matters of Exchange« Maßstäbe, in dem er die moderne Wissenschaft auf die Wissensakkumulation niederländischer Kaufleute in Europa und Übersee zurückführte.47 Kaufleute und Handelskompanien übernahmen 44 Pieter C. Emmer/Jos Gommans : The Dutch Overseas Empire, 1600 – 1800, Cambridge 2020 ; Cátia Antunes/Jos Gommans (Hg.) : Exploring the Dutch Empire. Agents, Networks and Institutions, 1600 – 2000, London/New York 2015, S. XIII–XX, S. 3 – 74, 267 – 278. 45 Martin Krieger : Kaufleute, Seeräuber, Diplomaten. Der dänische Handel auf dem Indischen Ozean, Köln/Weimar/Wien 1998, S. 207 – 211. 46 Cátia Antunes/Amélia Polónia (Hg.) : Beyond Empires. Global, Self-Organizing, Cross-Imperial Networks, 1500 – 1800, Leiden/Boston 2016 ; Cátia Antunes/Amélia Polónia (Hg.) : Mechanisms of Global Empire Building, Porto 2020. 47 Harold J. Cook : Matters of Exchange. Commerce, Medicine, and Science in the Dutch Golden Age, New Haven 2007.
Überlegungen zum niederländischen Handelsimperium
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die Sichtung und Verarbeitung der angehäuften und ungefiltert eingehenden Informationen. In der Nachfolge Cooks werden daher die niederländischen Handelskompanien auch als Wissensnetzwerke verstanden.48 Neben der Wissensproduktion und -distribution interessieren inzwischen ebenfalls die künstlerischen Beziehungen sowie die zwischen Europa und Asien ablaufenden Prozesse des kulturellen Austausches. Historiker*innen und Kunsthistoriker*innen arbeiten dabei gemeinsam die Vielfalt der Rezeptionsprozesse heraus, die sich abhängig von Zeit und Ort sowie von politischen und sozialen Beziehungen konstituierten.49 Das VOC-Jubiläum 1602 – 2002 brachte hier ebenso Impulse wie die Neuaufstellung des Rijksmuseums, das die Bestände in thematischen Beziehungsgeschichten veröffentlicht.50
48 Siegfried Huigen/Jan L. de Jong/Elmer Kolfin (Hg.) : The Dutch Trading Companies as Know ledge Networks, Leiden/Boston 2010 ; Arndt Brendecke/Susanne Friedrich/Stefan Ehrenpreis (Hg.) : Transformations of Knowledge in Dutch Expansion, Berlin/Boston 2015. 49 Michael North (Hg.) : Artistic and Cultural Exchanges between Europe and Asia, 1400 – 1900. Rethinking Markets, Workshops and Collections, Farnham/Surrey 2010 ; Thomas DaCosta Kaufmann/Michael North (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014 ; Thijs Weststeijn/Eric Jorink/Frits Scholten (Hg.) : Netherlandish Art and its Global Context. De mondiale context van Nederlandse kunst, Leiden/Boston 2016. 50 Zandvliet : De Nederlandse ontmoeting ; Jos J. L. Gommans : The Unseen World. The Netherlands and India from 1550, Amsterdam 2018 ; Eveline Sint Nicolaas : Shackles and Bonds. Suriname and the Netherlands since 1600, Amsterdam 2018 ; Martine Gosselink/Maria Holtrop/Robert Ross (Hg.) : Good Hope. South Africa and the Netherlands from 1600, Nijmegen/Amsterdam 2017 ; Lodewijk Wagenaar : Cinnamon and Elephants. Sri Lanka and the Netherlands from 1600, Nijmegen 2016 ; Gijs van der Ham : Tarnished Gold. Ghana and the Netherlands from 1593, Amsterdam 2016 ; Jan de Hond : A Narrow Bridge. Japan and the Netherlands from 1600, Amsterdam 2016 ; Harm Stevens : Bitter Spice. Indonesia and the Netherlands from 1600, Amsterdam 2015.
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2. Die Welt in den Niederlanden
Focus : Nicolaas Witsen Nicolaas Witsen (1641 – 1717) war einer der zentralen intellektuellen Vermittler zwischen den Welten. Einer Amsterdamer Bürgermeisterfamilie entstammend besuchte er schon in jungen Jahren England und ging auf Grand Tour nach Italien und Frankreich. Besonderen Eindruck hinterließ die Reise, die er 1664/65 als Mitglied einer Delegation nach Novgorod und Moskau unternahm. Er publizierte nicht nur ein Standardwerk über Schiffbau, das das Interesse des späteren Zaren Peter des Großen fand und diesen zum Schiffsbaupraktikum in den Niederlanden anregte, sondern auch die erste Karte Sibiriens sowie ein Handbuch »Noord en Oost Tarta rye«, in das er archäologische und sprachwissenschaftliche Erkenntnisse einbezog. Als langjähriger Bürgermeister und bewindhebber (Direktor) der VOC nutzte Witsen seine europäischen intellektuellen Beziehungen ebenso wie die Handelsnetzwerke, um seine Sammlungen zu erweitern und deren Geheimnisse, z. B. seiner sibirischen Kuriositäten, zu entschlüsseln. Neben diesen bestand sein Raritätenkabinett aus Korallen, Muscheln, Insekten, ausgestopften Tieren, Edelsteinen, fremden Waffen, Porzellan, Lackarbeiten, Büchern, Gemälden und Zeichnungen. Darunter befand sich ein Album mit Miniaturen der Mogulkaiser von Künstlern aus Golkonda. Für Witsen waren diese Porträts eine Quelle zum Studium der indischen Geschichte und er ließ sich zu diesem Zweck deren persische Erläuterungen von Hendrick Francken übersetzen, der lange Zeit als Pastor in Smyrna gewirkt hatte. Witsen trug ebenfalls mehr als 1500 Pflanzendarstellungen aus aller Welt zusammen, und Maria Sibylla Merian studierte vor ihrem Aufbruch nach Surinam Insekten in Witsens Kabinett. Bei der Publikation ihrer »Metamorphosis insectorum Surinamensium« war dann Witsen wie bei so vielen anderen Autoren, die ihm ihre Reiseberichte widmeten, hilfreich.1 Auf diese Weise spiegelte sich in Witsens Schaffen und in seinen Sammlungen praktisch die ganze Welt wider.2
1 Marion H. Peters : De wijze koopman. Het wereldwijde onderzoek van Nicolaes Witsen (1641 – 1717), burgemeester en VOC-bewindhebber van Amsterdam, Amsterdam 2020. 2 Rebecca Parker Brienen : Nicolaes Witsen’s Collection, his Influence, and the Primacy of the Image, in : Cashion, Debra Taylor/Luttikhuizen, Henry/West, Ashley D. (Hg.) : The Primacy of the Image in Northern European Art, 1400 – 1700. Essays in Honor of Larry Silver, Leiden/Boston 2017, S. 222 – 238.
Die Domestizierung fremder Güter in den niederländischen Haushalten
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4 Nicolaas Witsen, Radierung von Petrus Schenk, 1701.
2.1 Die Domestizierung fremder Güter in den niederländischen Haushalten Witsens intellektueller Kosmos konnte nur dadurch eine solch immense Weite erlangen, dass die niederländischen Handelskompanien zusammen mit Fernhändlern die entferntesten Gebiete der Welt verknüpften. Die dort erworbenen Güter wurden in den Niederlanden akkumuliert, weiterverarbeitet und in weiten Teilen der Welt verteilt. Die Häfen, insbesondere Amsterdam, entwickelten sich zu Umschlagplätzen, an denen Menschen, Waren und Informationen aufeinandertrafen. Ausländische Besucher waren erstaunt über das, was sie in Amsterdam vorfanden, wie etwa Caspar Barlaeus über den Besuch der französischen Königinmutter Maria de Medici im Jahr 1638 in Amsterdam berichtet : Die Augen der [Maria de] Medici verirrten sich ; und sie stellte sich vor, Gast bei Indern, Molukkern, Persern, Arabern, Japanern und Chinesen zu sein, als sie dieses fremde und ungewöhnliche Bankett sah.3
3 Kasper van Baerle : Blyde inkomst der allerdoorluchtighste koninginne, Maria de Medicis, t’Amsterdam, Amsterdam 1639, S. 41 ; siehe auch Siegfried Huigen : Introduction, in : Huigen, Siefried/Jong,
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Die niederländische Republik hatte sich von diesem Besuch internationale Anerken nung erhofft. Unter der Leitung von Pieter Cornelisz. Hooft und Caspar Barlaeus, den beiden führenden Humanisten Amsterdams im 17. Jahrhundert, wurde ein reichhaltiges ikonographisches Programm mit Ausstellungen und Festlichkeiten ausgearbeitet. So betrat die Königin in Amsterdam den Dam (den Rathausplatz) durch einen Triumphbogen, der mit einer großen Kogge, dem Schiff aus dem Amsterdamer Stadtwappen, geschmückt war. Dieses symbolisierte den niederländischen Handel. Im Haus der Ostindienkompanie konnte Maria (im Raum der Heeren XVII) Ansichten von den v erschiedenen Besitzungen in Südostasien bewundern. Zum Bankett servierte man exotische Speisen und Gewürze in chinesischem Porzellan. In Amsterdam selbst hatten sich zumindest die Eliten bereits an diese kostbaren Importgüter gewöhnt und der »Vielschreiber« Barlaeus verfasste neben seinem Bericht über den Einzug Maria de Medicis auch eine Geschichte Brasiliens, die uns später noch beschäftigen wird. Er war ein eifriger Sammler von Naturalien, insbesondere von Muscheln und Versteinerungen. Über diese tauschte er sich mit anderen Intellektuellen, wie Constantijn Huygens, aus, den ebenfalls exotische Objekte faszinierten.4 Derartige Kuriositäten wurden in den Niederlanden rezipiert, in Haushalte und Sammlungen integriert sowie in Gemälden, Drucken und Büchern remedialisiert. Von den kulturellen Gütern, die die Niederländer in Asien kennenlernten und sich in ihren dortigen Haushalten aneigneten, wanderten einige weiter in die Kapkolonie, in das Mutterland und nach Amerika. Von den Niederlanden aus wurden sie auch in Europa weiterverbreitet. Als wichtigste Güter sind Textilien und Kleidung, Keramik, Möbel und Dekorationsobjekte zu nennen. Bedruckte und unbedruckte Baumwollstoffe gelangten über die Niederländische Ostindische Kompanie, aber auch über die englischen Händler auf die europäischen Märkte und nach Nordamerika, waren aber auch überall im Indischen Ozean und in Japan neben niederländischen Wolltuchen gefragt. Deren Vielfalt ist noch heute überwältigend und kann wie auch alle anderen Güter in den Nachlassinventaren studiert werden. Jan L. de/Kolfin, Elmer (Hg.) : The Dutch Trading Companies as Knowledge Networks, Leiden/Boston 2010, S. 1 – 16 ; Arthur Weststeijn : Empire of Riches. Visions of Dutch Commercial Imperialism, c. 1600 – 1750, in : Koekkoek, René/Richard, Anne-Isabelle/Weststeijn, Arthur (Hg.) : The Dutch Empire between Ideas and Practice, 1600 – 2000, Palgrave 2019, S. 37 – 65, hier S. 46 – 47. Zu Barlaeus’ Geschichte Brasiliens siehe unten. Caspar Barlaeus : Brasilianische Geschichte bey achtjähriger in selbigen Landen geführter Regierung des Fürsten Johann Moritz zu Nassau, Cleve 1659. 4 Willemijn van Noord : The »Unhappie Ruines« of Princess Mary II’s Lacquer Screen. Sir Constantijn Huygens’ Plea to Preserve a Chinese Artefact, 1685 – 1686, in : Weststeijn, Thijs (Hg.) : Foreign Devils and Philosophers. Cultural Encounters between the Chinese, the Dutch, and Other Europeans, 1590 – 1800, Leiden/Boston 2020, S. 148 – 204.
Die Domestizierung fremder Güter in den niederländischen Haushalten
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5 Michiel van Musscher, Porträt des Amsterdamer Bürgermeisters und Direktors der VOC Johannes Hudde im Kimono, 1686.
Einige Kleidungsstücke blieben auf den Indischen Ozean beschränkt, z. B. der sarong, ein knöchellanger Wickelrock, und die kebaya, eine offene Bluse, die Broschen oder Nadeln zusammenhielten. Sarong und kebaya stammten aus der malayischen Welt und fanden im übrigen Südostasien weite Verbreitung, wo sie Frauen und Männer jeglichen Alters und jeglicher Herkunft trugen. Die Inventare zeigen verschiedene Materialien und Herstellungsorte dieser Kleidungsstücke, die wir auch am Kap der Guten Hoffnung finden.5 In den Niederlanden selbst scheinen sarong und kebaya nicht getragen worden zu sein. Hier kleidete man sich aber durchaus in seidene Kimonos aus Japan und ließ sich auch auf Porträts in den Japonsche rokken darstellen. Große Bedeutung besaß Porzellan, das sowohl aus China als auch aus Japan stammte. Dabei lernten die Niederländer Porzellan durch portugiesische Vermittlung kennen. 1499 hatte Vasco da Gama erstmals das chinesische Porzellan nach Europa gebracht und Lissabon entwickelt sich zum wichtigsten Markt für asiatische Luxus-
5 Peter Lee : Sarong Kebaya. Peranakan Fashion in an Interconnected World 1500 – 1950, Singapore 2014, S. 25 – 29.
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waren. Das blau-weiße Porzellan wurde in Brennöfen in Jingdezhen hergestellt,6 die im Auftrag chinesischer Zwischenhändler die portugiesische Nachfrage befriedigten. Chinesisches Porzellan avancierte im 16. Jahrhundert zum Sammelobjekt des europäischen Hochadels. Gleichzeitig begannen sich Antwerpener Kaufleute für das neue Luxusprodukt zu interessieren.7 In die nördlichen Niederlande gelangte es zunächst durch die Kaperung und Plünderung portugiesischer Schiffe, wie der Karacken São Tiago und Santa Catarina. Da deren Ladung öffentlich versteigert wurde, bekam die Bevölkerung das Porzellan erstmals zu Gesicht. Als Anlehnung an die geplünderten Karacken wurde dieses Porzellan in den Niederlanden auch als Kraak-Porzellan bezeichnet. Die VOC erwarb bald nach ihrer Gründung selbst Porzellan in Asien und gab dazu ihren Kaufleuten Listen zum Einkauf von Porzellan bei chinesischen Händlern in Batavia oder Bantam mit.8 Nach der Gründung Batavias lieferten chinesische Dschunken dort regelmäßig Porzellan, das dann weiter mit den Retourflotten in die Niederlande gelangte. Hier fand Porzellan, nach Auskunft archäologischer Funde, weite Verbreitung, obwohl Qualität und Quantität – je nach dem Wohlstand des Besitzers – sich sehr unterschieden.9 Während Mitglieder des Oranierhauses und des europäischen Hochadels regelrechte Porzellankabinette einrichteten, sammelten auch Frauen der bürgerlichen Oberschicht in gewissem Maße Porzellan und dekorierten damit ihre Häuser. Dazu dienten spezielle Porzellanboards ebenso wie Schränke und natürlich auch Kaminsimse. Über die Rolle des Porzellans als Dekorations- und Prestigeobjekt in der Hauseinrichtung geben die Genregemälde und Stillleben Aufschluss.10 6 Anne Gerritsen : The City of Blue and White. Chinese Porcelain and the Early Modern World, Cambridge/New York 2020. 7 Teresa Canepa : The Iberian Royal Courts of Lisbon and Madrid, and their Role in Spreading a Taste for Chinese Porcelain in 16th-Century Europe, in : Campen, Jan van/Eliëns, Titus M. (Hg.) : Chinese and Japanese Porcelain for the Dutch Golden Age, Wezep 2014, S. 17 – 35. 8 Cynthia Viallé : Camel Cups, Parrot Cups and other Chinese Kraak Porcelain Items in Dutch Trade Records, 1598 – 1623, in : Campen, Jan van/Eliëns, Titus M. (Hg.) : Chinese and Japanese Porcelain for the Dutch Golden Age, Wezep 2014, S. 37 – 51. 9 Sebastian Ostkamp : The Dutch 17th-Century Porcelain Trade from an Archaeological Perspective, in : Campen, Jan van/Eliëns, Titus M. (Hg.) : Chinese and Japanese Porcelain for the Dutch Golden Age, Wezep 2014, S. 53 – 85. 10 Cordula Bischoff : Women Collectors and the Rise of the Porcelain Cabinet, in : Campen, Jan van/ Eliëns, Titus M. (Hg.) : Chinese and Japanese Porcelain for the Dutch Golden Age, Wezep 2014, S. 170 – 189 ; Jan van Campen : Chinese and Japanese Porcelain in the Interior, in : Campen, Jan van/ Eliëns, Titus M. (Hg.) : Chinese and Japanese Porcelain for the Dutch Golden Age, Wezep 2014, S. 191 – 211.
Die Domestizierung fremder Güter in den niederländischen Haushalten
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Ein beliebtes Motiv war die sogenannte Wanli-Schale, eine blau-weiße Porzellanschale (benannt nach dem gleichnamigen Kaiser der Ming-Dynastie), die regelmäßig in niederländischen Stillleben und Genrebildern dargestellt wird.11 Wie wir aus den Untersuchungen von Anne McCants erfahren, zirkulierten asiatische Güter wie indische Textilien und Porzellan bemerkenswerterweise aber auch in den Haushalten einfacher Amsterdamer Einwohner und sogar kürzlich Zugezogener. Diese konsumierten bzw. handelten ebenso mit Produkten wie Tee, Kaffee und Schokolade.12 Der Aufschwung der Delfter Fayence ist ohne das Vorbild chinesischer und japanischer Porzellane nicht vorstellbar. Im Gegenzug ließen sich auch chinesische und japanische Keramiker von europäischen Mustern inspirieren, um ihre Produkte der niederländischen Marktnachfrage anzupassen. Einer großen Nachfrage erfreuten sich in China hergestellte Porzellanstatuen, die wir als Dekorationsobjekte nicht nur am Indischen Ozean, sondern auch in den Niederlanden und in Amerika finden. Sie korrespondierten in der Einrichtung mit chinesischen Drucken und Bildern. Porzellane wurden wie Textilien und andere Objekte aus Asien in den Niederlanden »domestiziert« und in die Haushalte integriert. Hierzu gehörten nach Ansicht von Anne Gerritsen auch die vielen Tischteppiche, die alcatiefen, die aus Persien oder dem Osmanischen Reich importiert wurden und die – auch aufgrund ihres Preises – ein Bild vom Wohlstand vermittelten. Hinzu kamen Möbel aus neuen exotischen Hölzern. So hatte sich in Südostasien dank chinesischer Tischler eine besondere Möbelkultur herausgebildet, die von europäischen sowie einheimischen Vorbildern inspiriert war und lokale Materialien verarbeitete. Ein geringer Teil davon gelangte in die Niederlande, wenn beispielsweise Niederländer zurückkehrten bzw. weiter nach Amerika reisten. Lackkästchen japanischer Provenienz waren dagegen hochgeschätzte Dekorationsobjekte und auch mit Silber beschlagene Betelboxen finden wir überall. Sie bereicherten vielfältig die niederländische Wohnkultur, die sich zwischen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und dem 18. Jahrhundert in einem Wandlungsprozess befand. Es entstanden Empfangs- und Repräsentationsräume, die sowohl mit fremden Objekten als auch mit neuen Möbeln und Dekorationsgegenständen geschmückt und eingerichtet wurden. Kissen und Plüschbezüge gaben den Sitzmöbeln neuen Komfort. Spezielle Tische, wie Spieltische, Billardtische, Büros und Comptoirs (Schreibtische), und die franzö11 Anne Gerritsen : Domesticating Goods from Overseas. Global Material Culture in the Early Modern Netherlands, in : Journal of Design History 29, 3 (2016), S. 228 – 224, hier S. 236 – 238. 12 Anne McCants : Becoming Consumers. Asiatic Goods in Migrant and Native-born Middling Households in Eighteenth-Century Amsterdam, in : Berg, Maxine u. a. (Hg.) : Goods from the East 1600 – 1800. Trading Eurasia, London 2015, S. 197 – 215.
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sischen Guéridons, die als Tee- oder Couchtische genutzt wurden, sind Zeugen einer neuen Geselligkeit, die Frauen und Männer an der Grenze zwischen privatem und öffentlichem Bereich zusammenbrachte. Eine weitere Vielfalt von Neuerungen gab es bei der Wand- und Wohnungsdekoration. Bilder, Spiegel und Uhren, aber auch Vorhänge, Jalousien und Figuren deuten auf das Bestreben hin, die Inneneinrichtung der Wohnung zu individualisieren. Damit war der Wunsch verbunden, den Wert der Privatsphäre und letztlich die Qualität des Familienlebens zu erhöhen. Die wichtigsten Dekorationsobjekte in der Niederländischen Republik stellten natürlich Gemälde dar, die noch bis heute an das Goldene Zeitalter erinnern. Die Niederländische Republik erscheint einzigartig in Europa, sowohl hinsichtlich der Anzahl der Gemälde, die sich in Privathaushalten befanden, als auch hinsichtlich ihrer zahlenmäßigen Produktion von Gemälden. Dies traf für Batavia nicht weniger zu als für Amsterdam.13 Nahezu jeder Haushalt war mit Gemälden oder Drucken geschmückt, und die wohlhabenderen Haushalte unterschieden sich von den weniger wohlhabenden nur durch die Anzahl und die Qualität der Gemälde.14 In den Haushalten gingen die Objekte aus Übersee mit den Bildern eine Symbiose ein. Sie konstituierten die spezifische niederländische Wohnkultur des Goldenen Zeitalters, die die Gemälde gleichzeitig auch dokumentieren.
2.2 Ostindienläden und Kuriositätenkabinette Die Niederlande und insbesondere Amsterdam waren der Handel- und Umschlagplatz für seltene Objekte aus allen Teilen der Welt. Hier bedienten sich nicht nur die einheimischen Eliten, sondern auch die ausländischen Kenner und Liebhaber. So beauftragte im Jahre 1662 Willem van der Goes aus Wien seinen Bruder Adriaen in Den Haag damit, für die berühmte Sammlung des Erzherzogs Leopold Wilhelm einige exotische Objekte zu erwerben. Aus der Korrespondenz geht hervor, um welche Stü13 Montias : Artists and Artisans, Tab. 8.3 ; Montias : Works of Art, S. 249 – 282, Table 3 ; Fock : Kunstbezit, S. 6 ; Michael North : Art and Commerce in the Dutch Golden Age, New Haven/London 1997. 14 In Delft schätzten die Bewohner Gemälde als modische Objekte, die gerahmt und an die Wände gehängt wurden. Dieses Bild wird durch eine Fallstudie über den Lebensstil der sozialen Gruppe der Bäcker in Leeuwarden bestätigt. In dieser bürgerlichen Gruppe stieg die Zahl der Drucke und Bilder in einem Haushalt von zehn um 1630 auf 20 im Jahr 1700. Thera Wijsenbeek-Olthuis : Achter de gevels van Delft. Bezit en bestaan van rijk en arm in een periode van achteruitgang (1700 – 1800), Hilversum 1987, S. 208 – 215 ; Harm Nijboer : De fatsoenering van het bestaan. Consumptie in Leeuwarden tijdens de Gouden Eeuw, Dissertation Universiteit Groningen 2007, S. 49 – 51.
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cke es sich handelte : Neben Porzellan und Lackwaren waren dies Becher aus Achat, Sandelholz, Muscheln, ein Papagei, ein Paradiesvogel, Stoffe, Rattanstöcke sowie Tee und Kakao, alles Güter, die in Amsterdam in spezialisierten Ostindienläden erworben werden konnten. Einige der Ladeninhaber hatten im Textilhandel mit Baumwollstoffen begonnen und erweiterten dann zügig ihr Sortiment. Ein Pieter Spies hatte als Schneider angefangen, spezialisierte sich danach auf die Anfertigung von sog. Japonsche rokken (Kimonos) und verkaufte Baumwollstoffe, um seine Karriere als Besitzer eines Ostindienladens zu beenden. Andere Ladenbesitzer spezialisierten sich zunächst auf chinesisches Porzellan und erweiterten ihr Sortiment auf exotische Muscheln und japanische Lackmöbel, z. B. die comptoirkens, kleine Schreibtische aus rotem Lack oder Ebenholz mit Perlmutt-Intarsien. Die Händler verfügten über eine Vielzahl von Lieferanten, denen sie Aufträge mitgaben, wenn diese nach Südostasien fuhren. So brachte beispielsweise Aernout Steen 1657 einen ostindischen Kabinettschrank aus Batavia mit nach Holland, was für ihn den Anfang einer Karriere als Händler für ostindische Luxuswaren bedeutete. Zahlreiche Nachlässe dieser Ladenbesitzer bzw. Läden geben Aufschluss über die Vielfalt der angebotenen Güter, in denen japanisches Porzellan in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts allmählich chinesisches Porzellan ersetzte und japanische Lackwaren immer populärer wurden. Auch der berühmte Agent Alfonso Lopez, den wir dank der Rembrandt-Zeichnung als Besucher von Gemäldeauktionen kennen, erwarb japanische Lackmöbel von niederländischen Händlern, die er dem französischen Hochadel, insbesondere Kardinal Richelieu, anbot.15 Ein Blick auf die Vermittler der Güter zeigt die große Bedeutung der Schiffsbesatzungen bei der Beschaffung der Objekte. Sie brachten Muscheln, Pflanzen, Tiere (lebend und ausgestopft), Kleidung, Waffen und natürlich Porzellan sowie Lackarbeiten mit nach Amsterdam. Apotheker boten ebenfalls Objekte und Substanzen aus Asien und Amerika an, die sie nicht selten in Kabinettschränken aufbewahrten. Ein Sammler konnte natürlich die exotischen Gegenstände auch in den öffentlichen Auktionen erwerben, auf denen er mit anderen Liebhabern zusammentraf. So kamen – wie bei den Gemälden – nach dem Tod des Besitzers ganze Raritätenkabinette unter den Hammer. Diese enthielten neben artificilia, wie Gemälden, Drucken und Zeichnungen, vor allem auch naturalia, d. h. Muscheln, Versteinerungen, Tiere und Pflanzen. Es überwogen naturalia, wobei insbesondere die verschiedenen – leicht und preiswert zu erwerbenden – Muscheln die Schränke füllten.16 Einige dieser Sammler, wie der Apo15 Jaap van der Veen : East Indies Shops in Amsterdam, in : Corrigan, Karina H./Campen, Jan van/ Diercks, Femke/Blyberg, Janet C. (Hg.) : Asia in Amsterdam. The Culture of Luxury in the Golden Age, New Haven/London/Salem, MA 2015, S. 134 – 141. 16 Den grundlegenden Überblick über die Raritätenkabinette bieten Ellinoor Bergvelt/Renée Kist e
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6 Cornelis de Man, Der Kuriositätenhändler (zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts).
theker Albertus Seba, publizierten ihre Kollektion in vielbändigen Katalogen mit teilweise mehreren Hundert Kupferstichen. Neben den zahlreichen Muscheln und Versteinerungen waren darin natürlich auch Schlangen, Eidechsen und Krokodile enthalten, wie wir sie auf dem Gemälde eines Kuriositätenhändlers von Cornelis de Man sehen. Albertus Sebas Kabinett wurde 1716 an Peter den Großen verkauft und bildete eine der Grundlagen für die Kaiserliche Sammlung. Nach dem Verkauf begann Seba ein neues Kabinett aufzubauen, das eine Attraktion darstellte und von internationalen Gelehrten, wie Carl von Linné, besucht wurde. Die Mehrheit der Kuriositäten kabinette ist nicht überliefert, da sie von den Erben nach dem Tod des Besitzers zu Geld gemacht wurden. Erst wenn jene, wie später die Japan- und China-Sammlungen niederländischer VOC-Bediensteter und Enthusiasten, der Öffentlichkeit vermacht wurden, konnten sich daraus eine gewisse Kontinuität und entsprechende Museen entwickeln.17 maker (Hg.) : De wereld binnen handbereik. Nederlandse kunst- en rariteitenverzamelingen, 1585 – 1735, Zwolle/Amsterdam 1992. Zu Witsens Naturalien siehe Peters : De wijze koopman, S. 409 – 424. 17 Bert van de Roemer : Neat Nature. The Relation between Nature and Art in a Dutch Cabinet of
Ostindienläden und Kuriositätenkabinette
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7 Puppenhaus von Petronella Oortman, c. 1686 – c. 1710.
Ein prägnantes Beispiel stellt auch die Sammlung des Amsterdamer Malers und Kunsthändlers Jan Bassé dar, der 1637 einen Kabinettschrank mit vielfältigen Kurio sitäten hinterließ. Bassé stellte sein Kuriositätenkabinett im Hinterzimmer seines Hauses an der Prinsengracht aus. Das Inventar wies darauf hin, dass außerdem noch eine größere Sammlung existierte, in der sich u. a. eine Elfenbeindose mit vier Perl muttzahnstochern und Ohrlöffeln, eine »indische« Skulptur, zwei Steinskulpturen von Mönchen (vielleicht chinesische Specksteinfiguren von buddhistischen Mönchen), ein Straußenei, viele weitere Porzellanstücke sowie ein Federkragen befanden, der als »ostindisch« beschrieben wurde, aber tatsächlich südamerikanisch gewesen sein könnte.18 Curiosities from the Early Eighteenth Century, in : History of Science 42 (2004) : S. 47 – 84, hier S. 50 – 51. 18 Abraham Bredius (Hg.) : Künstler-Inventare : Urkunden zur Geschichte der holländischen Kunst des
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Wie verbreitet diese Kabinette mit Exotica gewesen sein müssen, zeigen neben Inventaren und Gemälden19 auch die überlieferten Puppenhäuser des Goldenen Zeitalters, die einen guten Eindruck von der Einrichtung niederländischer Haushalte vermitteln. Eines dieser Puppenhäuser – die indes kein Kinderspielzeug darstellten –, gehörte Petronella Oortman, der Ehefrau des Kaufmannes Johannes Brandt, die über 20 Jahre ihr Haus an der Amsterdamer Herrengracht mit der Einrichtung als Puppenhaus nachbildete. Entsprechend finden wir darin nicht nur chinesische und japanische Keramik, die z. B. in dekorativen Vitrinen ausgestellt war, sondern ebenso zahlreiche Gemälde sowie ein japanisches Lackkabinett mit Muscheln aus dem Indischen Ozean. Die Fenster waren mit Jalousien verdeckt, die im Chinoiserie-Stil exotische Vögel darstellen.20
2.3 Die Welt im niederländischen Mediensystem Asien und Amerika waren aber nicht nur durch Waren, Einrichtungsgegenstände und Sammlungen in den Niederlanden präsent. Das Mediensystem reflektierte vielfältig die sich verändernden Welten. So befriedigten die entstehenden Publikationen einerseits das wachsende Interesse an exotischen Objekten, andererseits dienten Sammlungen auch als Forschungsbibliotheken. Die gedruckte niederländische Welt lebte von verschiedenen Medien, von denen Buch, Pamphlet und Zeitung die größte Bedeutung besaßen.21 Das neue Massenmedium Buch, das beliebig oft vervielfältigt werden konnte, bot Kommunikation unabhängig von Ort und Zeit. Jede Wissenschaft, z. B. Alchemie, Botanik, Mathematik, Geographie, profitierte von dem neuen Medium, da es Autoren und Lesern ermöglichte, ihr Wissen in Handbüchern zu sammeln und zu verbreiten. Aufgrund ihrer dominierenden Stellung in der frühneuzeitlichen Weltwirtschaft entwickelte sich die Niederländische Republik ebenXVIten, XVIIten und XVIIIten Jahrhunderts, 7 Bde., Den Haag 1915 – 1922, Bd. 1 : S. 136 – 137, nach : Karina H. Corrigan : Asia on the Herengracht. Furnishing Amsterdam with Asian Imports, in : Corrigan, Karina H./Campen, Jan van/Diercks, Femke/Blyberg, Janet C. (Hg.) : Asia in Amsterdam. The Culture of Luxury in the Golden Age, New Haven/London/Salem, MA 2015, S. 123 – 133, hier S. 131. 19 Zur Darstellung exotischer Waren und Kuriositäten in Gemälden siehe Pieter Roelofs : Painting Asia. Oriental Luxury Goods and Exotic Curiosities in Dutch Paintings, in : Corrigan, Karina H./ Campen, Jan van/Diercks, Femke/Blyberg, Janet C. (Hg.) : Asia in Amsterdam. The Culture of Luxury in the Golden Age, New Haven/London/Salem, MA 2015, S. 229 – 244. 20 Corrigan : Asia on the Herengracht, S. 129 – 131. 21 Michael North : Kommunikation, Handel, Geld und Banken in der Frühen Neuzeit, München 2 2014, S. 6.
Die Welt im niederländischen Mediensystem
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falls zu einem führenden Distributionszentrum für gedruckte Texte und zu einem Lagerhaus für Nachrichten, die in Gestalt von Reiseberichten, konsularischen und diplomatischen Berichten oder Handels- und Privatkorrespondenz aus der ganzen Welt eintrafen. Das darin enthaltene Wissen fand schließlich seinen Niederschlag in einer umfangreichen Buchproduktion. In den Niederlanden gedruckte Bücher können heute sowohl in noch existierenden Bibliotheken als auch in Inventaren des 17. Jahrhunderts oder in zeitgenössischen Katalogen von Privatbibliotheken nachgewiesen werden. Auf diese Weise kann der Wissenstransfer aus den Niederlanden als unmittelbarer Ausdruck des wirtschaftlichen Fortschrittes verstanden werden. Die Niederländische Republik war der führende europäische Herausgeber von Büchern, aber auch von Atlanten und Karten.22 Kürzlich hat Benjamin Schmidt die niederländische Buchproduktion untersucht und ihren Erfolg mit der »Erfindung des Exotismus« erklärt.23 Er untermauert seine These durch eine Untersuchung der Frontispizen (Umschlagillustrationen) der Bücher. Drucker und Verleger schufen die »Marke« der Geographiebücher, für die sie mittels »exotischer« Bilder Leser und Käufer für ihre aufwendigen Bücher gewannen.24 Dennoch wurden die Inhalte gegen Ende des 17. und im 18. Jahrhundert immer ernsthafter und solider. Im Gegensatz zu Schmidts Ansatz würde ich behaupten, dass die niederländische Medienproduktion zu einer »Entzauberung« der Welt beigetragen hat.25 Sie machte die Welt für die europäischen Leser rationaler und förderte die Aufklärung. Dies wird deutlich, wenn wir die »koloniale Berichterstattung« der Medien untersuchen. Während holländische Pamphlete im Zusammenhang mit dem Achtzigjährigen Krieg die spanische und portugiesische Tyrannei beklagten und Bündnisse mit der indigenen Bevölkerung gegen die Kolonialmächte Spanien und Portugal forderten und rechtfertigten, verlagerte sich das niederländische Mediensystem im Laufe des siebzehnten Jahrhunderts allmählich vom Handelspatrio tismus zur objektiven Erfassung der Welt. Die üppigen Bände von Olfert Dapper 22 Craig E. Harline : Pamphlets, Printing and Political Culture in the Early Dutch Republic, Dordrecht/ Boston/Lancester 1987 ; Femke Deen/David Onnekink/Michel Reinders (Hg.) : Pamphlets and Politics in the Dutch Republic, Leiden/Boston 2011 ; Roeland Harms/Joad Raymond/Jeroen Salman (Hg.) : Not Dead Things. The Dissemination of Popular Print in England and Wales, Italy, and the Low Countries, 1500 – 1820, Leiden 2013. 23 Benjamin Schmidt : Inventing Exoticism. Geography, Globalism, and Europe’s Early Modern World (Material Texts), Philadelphia 2015. 24 Ebd.: S. 71. 25 Jürgen Osterhammel : Die Entzauberung Asiens. Europa und die asiatischen Reiche im 18. Jahrhundert, München ²2013.
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über Afrika und Asien (1668), Arnoldus Montanus über Amerika (1671) und Johan Nieuhof über China (1665) und Brasilien (1682) können zusammen mit den dekorativen Karten von Johannes Janssonius und Willem Blaeu (von Nova Belgica und den Provinzen Brasiliens) als multimediale Weltschau verstanden werden, die den Weg für eine neue Art globaler niederländischer Reiseberichte ebneten. Sie erschienen in vielen Auflagen, wurden bald ins Englische und Deutsche übersetzt und vermittelten so auch in anderen Ländern eine niederländische Sicht der Welt.26 Ein weiteres neues Medium war das Pamphlet, eine Flugschrift, die aus aktuellem Anlass produziert wurde und Informationen oder eine kurze Abhandlung enthielt. Themen waren oft religiöse oder politische Propaganda, zum Beispiel die »spanische Tyrannei«, aber auch interne Konflikte, wie der Aufstand von 1672. Darüber hinaus informierten Pamphlete über europäische Mächteauseinandersetzungen, auch wenn die Niederlande daran nicht beteiligt waren. Die Flugschriften erweiterten das politische Bewusstsein, belebten den politischen Diskurs und trugen so zu einer neuen politischen Kultur bei. Erstaunlich offen wurde über außenpolitische Probleme diskutiert, so über die Frage, ob angesichts des Aufstandes portugiesischer Zuckerpflanzer die WIC ihre Stellung in Brasilien aufgeben solle.27 Von besonderer Bedeutung als neues Medium war die Zeitung, die die Welt für eine wachsende Leserschaft öffnete und auch eine persönliche Kartographierung der Welt ermöglichte. Neben den holländischen Zeitungen »Haarlemsche Courant« und »Amsterdamsche Courant« erschienen vor allem die französischsprachigen Zeitungen »Gazette de Leyde« und »Gazette d’Utrecht« zwei- bis dreimal wöchentlich, zeichneten die neuesten Nachrichten aus Europa, Asien und Amerika auf und gewannen damit zu Beginn des 17. Jahrhunderts an Aktualität und Publizität.28 Die Zeitungen hatten Korrespondenten und Informanten in allen größeren europäischen Städten. Als Journalisten arbeiteten Niederländer oder französische Immigranten (für die französischsprachigen niederländischen Zeitungen). Neben politischen Nachrichten über die internationalen Beziehungen waren die Wirtschaftsinformationen entscheidend. So wurde täglich über die aus allen Teilen der Welt einlaufenden Schiffe mit ihrem Ausgangshafen, ihrer Besatzung und ihrer Ladung berichtet.29 26 Benjamin Schmidt : The Dutch Atlantic. From Provincialism to Globalism, in : Greene, Jack P./ Morgan, Philip D. (Hg.) : Atlantic History. A Critical Appraisal, Oxford 2009, S. 163 – 187, hier S. 178. 27 Michiel van Groesen : Amsterdam’s Atlantic. Print Culture and the Making of Dutch Brazil, Philadelphia 2017, S. 127 – 156. 28 Michel Morineau : Die holländischen Zeitungen des 17. und 18. Jahrhunderts, in : North, Michael (Hg.) : Kommunikationsrevolutionen. Die neuen Medien des 16. und 19. Jahrhunderts, Köln/Weimar/ Wien 22001, S. 33 – 43. 29 Michel Morineau : Incroyables Gazettes et Fabuleux Métaux. Les Retours des trésors américains
Die Welt im niederländischen Mediensystem
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Es gab jedoch noch ein weiteres Zeitungsmedium in der Niederländischen Republik, die Handels- und Finanzzeitungen. Sie waren die Vorläufer der »Financial Times« oder des »Wall Street Journal«, wurden regelmäßig und periodisch herausgegeben und standen jedem zur Verfügung, der bereit war, dafür zu bezahlen. Die wichtigsten waren die Amsterdamer Wechselkurs-Courants und die Amsterdamer Preis-Courants, die Wechselkurse und Rohstoffpreise gegen Ende des Handelstages verzeichneten. Die Herausgeber schickten ihre Assistenten zu Händlern und Maklern, um die neuesten Preisdaten zu erhalten. Die lokalen Händler erhielten auf diese Weise eine unabhängige Darstellung der neuesten Preise, die ihnen bei der Werbung für ihre Waren und Dienstleistungen half. Händler aus der Ferne erfuhren von den Preisschwankungen in Amsterdam und bekamen eine Idee, zu welchen Preisen sie ihre Waren dort verkaufen konnten. Darüber hinaus berichtete der Amsterdamer Wechselkurs-Courant aktuell wöchentlich über die Kurse mehrerer europäischer Städte für Wechsel. Zeitungen und Preiscourants waren regelrechte Exportschlager, lagen nicht nur in den Kaffeehäusern in London und Hamburg aus, sondern inspirierten ebenfalls die Entstehung des Hamburger Preiscourants.30 All diese Medien trugen zum Aufstieg der Niederländischen Republik und insbesondere der Stadt Amsterdam als Informationszentrum der Welt bei. Darüber hinaus spielte die Kommunikation über Briefe eine wichtige Rolle. Sie wurden durch Boten oder durch ein Netz von Linienschifffahrtsdiensten (den sog. Trekschuten) transportiert. Das System reichte bis nach London, Hamburg oder Rouen. Außerdem dienten die niederländischen Kaufmannsgemeinden im Ausland (z. B. in La Rochelle und Helsingör) als Vermittler. Mit der Ausdehnung auf Amerika und Asien weitete sich das System aus. Ebenso wichtig war die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht, bei der Informationen direkt von Personen erlangt wurden, die sie anderswo erworben hatten.31 Tausende von Seeleuten kamen Jahr für Jahr nach Amsterdam und erzählten Geschichten über die Länder, die sie besucht hatten ; Schiffskapitäne berichteten Kaufleuten und Reedern und wurden über ihre Erfahrungen in ausländischen Häfen sowie die dort kursierenden Neuigkeiten befragt. Aber es gab auch andere, die an dieser Art von Informationen interessiert waren. Kartographen und dans les gazettes hollandaises (XVIe-XIIXe siècles), Paris/Cambridge 1984 – 85 ; Morineau : Die holländischen Zeitungen, S. 33 – 43. 30 Cora Gravesteijn : Amsterdam and the Origins of Financial Journalism, in : North, Michael (Hg.) : Kommunikationsrevolutionen. Die neuen Medien des 16. und 19. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 2 2001, S. 61 – 72. 31 Clé Lesger : The Rise of the Amsterdam Market and Information Exchange. Merchants, Commercial Expansion and Change in the Spatial Economy of the Low Countries c. 1550 – 1630, Aldershot 2006, S. 215, 243 – 244, 246.
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Verleger warteten am Kai, begierig darauf, Informationen aus den Logbüchern und die Berichte der Seeleute über ihre Reisen zu erhalten. Willem Blaeu behauptete, dass sein Navigationshandbuch »Licht der Zeevaert« (Licht der Seefahrt) auf mündlichen Äußerungen beruhte. Denn wenn vielfältige Informationen zusammenflossen, war es praktisch, ihren Wert durch persönlichen Kontakt mit der Quelle einzuschätzen und dadurch im Gespräch Wissen zu generieren und zu akkumulieren.
2.4 Repräsentation des Handels und seiner Güter in der Kunst Wie wir gesehen haben, integrierte die niederländische Genremalerei bei der Darstellung holländischer Interieurs vor allem auch Einrichtungsgegenstände aus anderen Teilen der Welt. Außerdem existiert eine Reihe von Gemälden, die den niederländischen Handel selbst symbolisieren und damit das Selbstverständnis der Niederlande oder der Stadt Amsterdam als Beherrscherin der Welt konstruieren.32 Ein vermeintlich herausragendes Beispiel stellt Jacob van Campens allegorisches Monumentalgemälde »Triumphzug mit Geschenken aus Ost und West« dar. Dieses entstand im Auftrag von Amalia von Solms, die damit das Ansehen ihres verstorbenen Mannes, des Statthalters Friedrich Heinrich, im sog. Oranjezaal im Palast von Huis ten Bosch bewahren wollte. Neben exotischen Gütern aus Amerika verewigt van Campen auf seinem Gemälde Porzellan aus China, exotische Muscheln, eine japanische Rüstung und einen Lackschild sowie einen Kakadu aus Neuguinea.33 Für eine breitere Öffentlichkeit sichtbar umgesetzt wurde van Campens Bildidee durch den Bildhauer Artus Quellinus an dem ebenfalls von van Campen entworfenen Amsterdamer Rathaus. Sein monumentaler Fries im Tympanon der rückwärtigen Fassade zeigt, wie Amsterdam die Geschenke aus allen Erdteilen empfängt. Karten aus Marmor im Fußboden des Burgerzaal symbolisieren darüber hinaus die niederländische Handelswelt. Auch die Frontispize zahlreicher Druckwerke illustrieren vielfältig den globalen Handel. In anderen Fällen, beispielsweise bei dem Gemälde Hendrick Vrooms »Friedlicher Handel an der indischen Küste«, sehen wir die Schiffe und die Gewürzsäcke und natürlich das Zusammentreffen fremder und einheimischer Kaufleute. Im besonderen Maße finden die neuen Waren aus Übersee ihren Ausdruck in der niederländischen Stilllebenmalerei. Man könnte diese sogar als Spiegel der nieder ländischen Handelsentwicklung verstehen. Die Stilllebenmalerei begann mit den 32 Zandvliet : De Nederlandse ontmoeting, S. 159 (Allegorie op Amsterdam als Centrum van de Wereldhandel). 33 Roelofs : Painting Asia, S. 229 – 244.
Repräsentation des Handels und seiner Güter in der Kunst
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farbigen Frühstücksstillleben (ontbijtjes) von Floris van Schooten und Floris van Dijck in Haarlem zu Beginn des 17. Jahrhunderts, entwickelte sich über die mono chromen Tisch- oder Bankettstillleben (banketjes) der nächsten Haarlemer Malergeneration von Pieter Claesz. und Willem Claesz. Heda hin zu den luxuriösen Prunkstillleben (pronkstilleven), die Abraham van Beijeren, Willem Kalf und Jan de Heem in Amsterdam und anderswo malten und die einen wachsenden Wohlstand visualisierten.34 In den ontbijtjes finden wir frugale »Frühstücke« mit einem einheimischen Angebot an Brot, Butter, Käse, Äpfeln, zu denen sich Hering und Bier gesellen.35 Das Brotgetreide kam natürlich großenteils aus dem Ostseeraum. Mit der Zeit wurden in den Stillleben aber auch andere europäische Nahrungsmittel, wie Zitronen und Apfelsinen, abgebildet. Bemerkenswert erscheint die allmähliche Integration von fremden Waren und Tafelgeschirr. Neben dem überall verbreiteten chinesischen Kraak-Porzellan finden wir jetzt Kandiswürfel aus dem in Brasilien und der Karibik mit Sklavenarbeit angebauten Zucker sowie Salz, das ebenfalls aus der Karibik oder aus Portugal stammte.36 Außerdem malten Künstler, wie Hubert van Ravesteyn und Pieter van Anvaedt, spezielle Tabakstillleben mit Tonpfeifen und offenen Tabakbeuteln. Amsterdams Bedeutung als Markt für Tabake aus Virginia und Maryland wird hier ebenso deutlich wie in den zahlreichen Genrebildern mit rauchenden Bauern und Kavalieren. Von den Waren des Ostindienhandels finden wir Pfeffer in einem Stillleben Willem Kalfs und natürlich auch Tee und Teegeschirr.37 Über die Bedeutung der Importwaren auf dem Stillleben haben Historiker*innen und Kunsthistoriker*innen oft gestritten ; während einige die Domestizierung der ausländischen Güter in den Haushalten betonen, symbolisieren sie für andere die Widersprüche zwischen Vergnügen und Luxus einerseits und Bescheidenheit und Verzicht andererseits. Julie Berger Hochstrasser hat jedoch darauf aufmerksam gemacht, dass die Stilllebenmaler über eine Vielzahl von Motiven verfügten, die sie immer wieder neu anordneten. So begann Pieter Claesz. mit Hering, Bier und Brot, zu denen Tabak, Käse und Butter kamen. In weiteren Werken ergänzen Austern den Hering, Wein ersetzt Bier und ein silberner Salzstreuer sowie Pfeffer auf einem Papier bereichern das Mahl. Entsprechend spiegelt das erweiterte Motivrepertoire nicht allein den globalen Wandel, sondern vielmehr die Wünsche von Kunden 34 Julie Berger Hochstrasser : Still Life and Trade in the Dutch Golden Age, New Haven/London 2007, S. 1 – 12. 35 Ebd.: S. 23 – 60. 36 Ebd.: S. 159 – 191. 37 Ebd.: S. 95 – 99, 149 – 157.
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8 Jan Davidsz. de Heem, Stillleben mit Früchten in einer Wanli-Schale.
und Auftraggebern wider. Damit vermittelte Pieter Claesz. dem niederländischen Konsumenten aber auch die Botschaft, dass diese fremden Nahrungsmittel täglich zur Verfügung ständen.38 Von dort war es nur ein kleiner Schritt zum demonstrativen Konsum und einer exotischen Zurschaustellung in den Prunkstillleben von Jan Davidsz. de Heem. Hier werden Bier durch Wein, der Hering durch Austern und Hummer ebenso ersetzt wie Käse und Butter durch exotische Früchte. Ein persischer Tischteppich, exotische Muscheln – wie die Nautilusmuscheln – repräsentieren zusammen mit den Papageien Südamerikas den niederländischen Handel in der Welt.39 Auf diese Weise nahmen dann auch die Sammler niederländischer Gemälde in Europa und Asien medial teil.
38 Ebd.: S. 256 – 260. 39 Ebd.: S. 265 – 275.
3. Nord- und Ostseeraum
Focus : Christina von Schweden Christina von Schweden (1626 – 1689) stand kurz vor ihrem sechsten Geburtstag, als ihr Vater Gustav II. Adolf 1632 in der Schlacht von Lützen fiel. Die Vormundschaft übernahm zunächst ihre Mutter Maria Eleonora von Brandenburg und dann der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstierna. Während Christinas Königtum erlebte Stockholm den Umbau der Residenz zu einer kulturellen Metropole des Ostseeraums. Hatten die schwedischen Politiker beim Tode Gustav II. Adolfs noch überlegt, ob sie die europäischen Monarchen zur Trauerfeier in das eher schäbige Stockholm einladen sollten, so brauchten sie sich um die Mitte des Jahrhunderts nicht länger zu schämen. Die Stadt wurde neu angelegt. Neue Funktionsgebäude und Paläste im niederländisch-klassizistischen Stil schossen aus dem Boden. Die schwedische Dominanz im Ostseeraum führte zu einem umfassenden Kulturimport in Europas Norden. So brachten die schwedischen Heere wertvolle Beute aus den Plünderungen Prags und Münchens im Dreißigjährigen Krieg sowie aus Polen-Litauen mit nach Stockholm und Uppsala. Darüber hinaus zog der kulturelle Aufbau der Monarchie eine große Zahl von Intellektuellen und künstlerischen Talenten aus den Niederlanden, aber ebenso aus Frankreich und dem Reich an. Christina »sammelte« Gelehrte, mit denen sie korrespondierte und die sie zum Umzug nach Stockholm bewegte. Der Philosoph René Descartes kam aus den Niederlanden, wo er die letzten 20 Jahre verbracht hatte, nach Stockholm, litt aber unter der Kälte und verstarb dort bereits nach kurzer Zeit an einer Lungenentzündung. Aus den Niederlanden begaben sich ebenfalls Nicolaas Heinsius und Cornelius Tollius nach Schweden, die sich mit den klassischen Sprachen beschäftigten, sowie der Universalgelehrte Isaac Vossius, der die Bibliothek ordnete. Hugo Grotius stand ebenfalls als Diplomat auf der Gehaltsliste der Königin und verfasste für sie eine »Geschichte der Goten«. Außerdem gab Christina Kunstwerke im Ausland in Auftrag, so bei Jacob Jordaens in Antwerpen einen Zyklus von 35 Gemälden, die das Leben der Psyche darstellten.1 Auch der niederländische Bildhauer Artus Quellinus und sein Sohn Erasmus Quellinus schickten bedeutende Werke, ohne sich selbst in den Norden zu begeben. 1 Roger-Adolf d’Hulst : Jacob Jordaens (1593 – 1678), London 1982, S. 29 – 30. 1648 und 1649 wurden 27 dieser Gemälde geliefert.
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Nord- und Ostseeraum
9 David Beck, Porträt der Königin Christina von Schweden, ca. 1650.
Als Vermittler wirkte hier der Amsterdamer Kupferstecher Michel le Blon, der neben Kunst und Künstlern auch politische Nachrichten nach Schweden weitergab. Le Blon rekrutierte ebenfalls den Delfter Maler David Beck für Axel Oxenstierna. Beck hatte zuvor für die Höfe in England, Frankreich und Dänemark gearbeitet, bevor er Porträts in Schweden malte und zum Hofmaler Christinas avancierte. Einige seiner Porträts der Königin dienten dem Amsterdamer Dichter Joost van den Vondel als Vorlage für seine panegyrischen Gedichte, mit denen er Christina einen lyrischen Tempel errichtete. Nur kurze Zeit arbeitete der aus Schleswig-Holstein stammende und in den Niederlanden ausgebildete Maler Jürgen Ovens am Stockholmer Hof. Später porträtierte er schwedische Adlige, die Amsterdam besuchten, und natürlich die Herzöge von Schleswig-Holstein-Gottorf. Alle Künstler trugen dazu bei, dass sich eine Maltradition im Umkreis des schwedischen Hofes ausbildete. Hierzu gehörten auch Sébastien Bourdon und der aus Hamburg stammende David Klöcker Ehrenstrahl, der in Amsterdam studiert hatte und über Vermittlung Carl Gustaf Wrangels, des Generalgouverneurs Schwedisch-Pommerns, nach Stockholm gelangte. Dort erhielt er ein Stipendium für einen siebenjährigen Studienaufenthalt in Venedig und Rom.
Die Niederlandisierung des Ostseeraumes
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In Rom förderte ihn Christina, die 1654 als Königin abgedankt hatte und zum katholischen Glauben konvertiert war. Dies kam seiner weiteren Karriere als schwedischer Hofmaler zugute, während Christina als Mäzenin und Kunstsammlerin das kulturelle Leben der römischen Metropole genoss.2
3.1 Die Niederlandisierung des Ostseeraumes Die niederländischen Beziehungen zum Ostseeraum reichen in das Mittelalter zurück, als niederländische Bauern als Spezialisten für Trockenlegung und Melioration im Rahmen des Landesausbaus angeworben wurden. Zur Hansezeit waren insbesondere die an der Ijssel gelegenen niederländischen Städte mit der Hanse verbunden, um von den hansischen Handelsprivilegien in London, Brügge und Bergen zu profitieren. Im 15. Jahrhundert änderte sich die Situation, als niederländische Schiffer den norddeutschen Hansestädten ihre Mittlerposition im Handel zwischen Ost und West streitig machten, indem sie einen zunehmend größeren Teil der Getreidetransporte, z. B. von Danzig (Gdańsk) nach Amsterdam, übernahmen. Gleichzeitig war der Ostseeraum Schauplatz eines intensiven gesellschaftlichen und kulturellen Austausches. Die Verdichtung der Kommunikation mit Hilfe von Schifffahrt und Handel sowie die Migration förderten Transformationsprozesse, die beispielsweise herrschaftlich-staatlichen Entwicklungen entgegenliefen. So entstanden transnationale Ostseekulturen. Ein Beispiel wäre die spätmittelalterliche hansische Kultur, die den Ostseeraum prägte, ein anderes die uns besonders interessierende Niederlandisierung im 16. und 17. Jahrhundert. Diese stand in engem Zusammenhang mit der Expansion des niederländischen Ostseehandels. Der Handel war eine der Säulen des niederländischen Wohlstandes. Dabei kam dem Austausch mit dem Ostseeraum zentrale Bedeutung zu, so dass ihn die Niederländer mit Recht als moedercommercie (»Mutterhandel«) ansahen. Das importierte Ostseegetreide ernährte ein Drittel der niederländischen Bevölkerung und machte die niederländische Landwirtschaft für profitablere Produktionszweige frei. Das aus jener Region importierte Holz wurde ebenso wie die Beiprodukte Pech, Teer und Asche für den Schiffbau und die gewerbliche Produktion genutzt. Denn die vergleichsweise preiswerte Versorgung mit Schiffbaumaterial, wozu noch Flachs und Hanf für Segel und Taue kamen, sicherte neben Innovationen in der Bautechnik den Vorsprung der holländischen 2 Kristoffer Neville : The Art and Culture of Scandinavian Central Europe, 1550 – 1720, Pennsylvania 2019, S. 113 – 123, 130 – 134.
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10 Isaak van den Blocke, Allegorie des Danziger Handels, 1608.
Werften und damit wiederum die niedrigen Frachtraten der niederländischen Reeder. Daneben benötigte auch die Heringsverarbeitung in großen Mengen vorfabrizierte Fassdauben, das sogenannte Klappholz, während andere Gewerbe wie die Seifensieder zu den Hauptabnehmern Danziger und Königsberger Asche gehörten. Schließlich ermöglichte der Ostseehandel den Niederländern, auch in anderen Ländern Europas Fuß zu fassen. So konnten die Niederländer im ausgehenden 16. Jahrhundert, als Missernten West- und Südeuropa heimsuchten, ihr Monopol für Ostseegetreide ausspielen. Auf diese Weise kontrollierten sie neben dem Getreide- und Holzexport bald auch den Import westlicher Fertigwaren und Luxusprodukte. Für die Hansestädte im Ostseeraum blieb aufgrund ihrer höheren Frachttarife und ihrer geringeren Transportkapazitäten nur noch ein kleiner Teil des einst für sie so bedeutsamen Ost-West-Handels übrig.3 3 Die Literatur zum frühneuzeitlichen Ostseehandel ist fast unübersehbar. Den besten Überblick bilden folgende Sammelbände : Wiert Jan Wieringa (Hg.) : The Interactions of Amsterdam and Antwerp with the Baltic Region, 1400 – 1800, Leiden 1983 ; W. G. Heeres u. a. (Hg.) : From Dunkirk to Danzig. Shipping and Trade in the North Sea and the Baltic, 1350 – 1850, Hilversum 1988 ; Jacques Ph. S. Lemmink/Johannus S. A. M. van Koningsbrugge (Hg.) : Baltic Affairs. Relations between the Netherlands and North-Eastern Europe 1500 – 1800, Nijmegen 1990 ; Michael North : From the North Sea to the Baltic. Essays in Commercial, Monetary and Agrarian History, 1500 – 1800,
Migration von Bauern, Handwerkern und Kaufleuten aus den Niederlanden
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Ohne diesen wären der Aufschwung des niederländischen Schiffbaus und die Expansion der Schifffahrt auf den Weltmeeren nicht möglich gewesen. Entsprechend scheuten die Niederlande auch keine militärischen Anstrengungen, die freie Durchfahrt durch den von Dänemark kontrollierten Öresund (Øresund) durchzusetzen. Dabei gingen sie in der Regel Bündnisse mit Schweden ein, unterstützten gegebenenfalls aber auch Dänemark, falls wiederum Schweden zu stark wurde. Die Stadtverwaltungen der Ostseehäfen waren sehr an der Präsenz niederländischer Kaufleute und Schiffer interessiert und setzten alles daran, z. B. die Abfertigung niederländischer Schiffe zu beschleunigen. Auch bei der Gestaltung der Infrastruktur nahmen Ratsherren und Könige Anleihen beim »Modell Niederlande«. Dies kulminierte schließlich um 1700 im Wunsch Peters des Großen, mit St. Petersburg ein »Kaiserliches Amsterdam« zu schaffen, das für den internationalen Handel geeigneter war als der traditionelle Hafen Archangelsk am Weißen Meer. Der Ostseehandel, insbesondere die wachsende westeuropäische Nachfrage nach Getreide, veränderte die ökonomischen und sozialen Strukturen im Ostseeraum grundlegend. Er stimulierte den Ausbau der Gutswirtschaft durch den Adel und damit die Verschärfung der Leibeigenschaft der bäuerlichen Bevölkerung. Der Warenverkehr konzentrierte sich auf die großen Zentren an der Ostseeküste zuungunsten der Städte im Binnenland und schuf Abhängigkeiten zwischen den niederländischen und den einheimischen Kaufleuten im Ostseeraum, die zu deren Agenten wurden.4
3.2 Migration von Bauern, Handwerkern und Kaufleuten aus den Niederlanden Von der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts an waren die niederländische Einwanderung und die niederländische Kultur im Ostseeraum allgegenwärtig. Grundsätzlich sind dabei vier Personengruppen zu unterscheiden : Bauern, Handwerker, Kaufleute und Künstler.5 Aldershot 1996. Zum niederländischen Handel insgesamt siehe Jonathan I. Israel : Dutch Primacy in World Trade, 1585 – 1740, Oxford 1989. 4 Klaus Zernack : Der Ostseehandel der Frühen Neuzeit und seine sozialen und politischen Wirkun gen, in : Biskup, Marian/Zernack, Klaus (Hg.) : Schichtung und Entwicklung der Gesellschaft in Polen und Deutschland im 16. und 17. Jahrhundert, Wiesbaden 1983, S. 1 – 20 ; Maria Bogucka/ Henryk Samsonowicz : Struktury społeczne Gdańska w XV–XVII wieku na tle przemian w h andlu bałtyckim, in: Topolski, Jerzy : Studia nad gospodarką, społeczeństwem i rodziną w Europie póżno feudalnej, Lublin 1987, S. 139 – 151. 5 Edmund Kizik : Niederländische Einflüsse in Danzig, Polen und Litauen vom 16. bis zum 18. Jahr-
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Bei der bäuerlichen Einwanderung handelte es sich im Wesentlichen um friesische Mennoniten, die seit der Mitte des 16. Jahrhunderts sowohl auf der Kimbrischen Halbinsel, der Schnittstelle zwischen Nord- und Ostsee, als auch an der südlichen Ostseeküste siedelten. Aufgrund der niederländischen Technologie beim Trockenlegen waren sie überall sehr gefragt. So gelang es durch den Einsatz von Entwässerungsmühlen, die unter dem Meeresspiegel liegende Wilstermarsch als Weideland zu nutzen. Der noch heute bekannte Wilstermarschkäse hat hier seinen Ursprung. Andere Gebiete waren Eiderstedt und Nordstrand, das durch die große Sturmflut (1634) zur Insel geworden war. Insbesondere auf Nordstrand wurden niederländische Unternehmer angeworben und privilegiert, die die Region mit Deichen schützten und zur agrarischen Nutzung wiederbelebten. Religiöse Toleranz – interessanterweise war ein Teil der Nordstrander Unternehmer katholisch – spielte dabei eine Rolle. Das waren aber keine Einzelfälle. Im Königlichen Preußen warben die Domänen und Grundherren entlang der Weichsel mennonitische Siedler zur Trockenlegung des Danziger Werders an. Die Mennoniten schlossen langfristige Pachtverträge, genossen persönliche Freiheit und bildeten den Kern eines unabhängigen und selbstbewussten Großbauerntums, das in den anderen polnischen R egionen seinesgleichen suchte.6 Auch in Schleswig-Holstein finden wir die Unterschiede zwischen den freien Bauern an der Westküste und den leibeigenen Bauern im Osten. Aber auch dort, im Osten, waren niederländische Innovationen verbreitet, beispielsweise die Holländermühlen, die die Bockwindmühlen ersetzten. Ein anderes Beispiel sind die auf den Gütern Ostholsteins seit dem späten 17. und vor allem im 18. Jahrhundert neu eingerichteten Holländereien.7 Die ursprünglich von eingewanderten Niederländern begründeten Holländereien waren auf Butter- und Käseproduktion spezialisierte Pachtbetriebe, die zwar meistens räumlich auf das Gutsvorwerk ausgelagert waren, aber großen Einfluss auf die Entwicklung der geregelten Feldgraswirtschaft, der »Holsteinischen Koppelwirtschaft«, hatten : Den gleich großen Hofkoppeln entsprach eine feste Zahl hundert, in : Krieger, Martin/North, Michael (Hg.) : Land und Meer. Kultureller Austausch zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien, S. 51 – 76. 6 Karola Ciesielska : Osadnictwo »olęderskie« w Prusach Królewskich i na Kujawach w świetle kontrak tów osadniczych, in : Studia i materiały do dziejów Wielkopolski i Pomorza 4 (1958), S. 220 – 256, hier S. 220 – 222 ; Hans Penner : Ansiedlung mennonitischer Niederländer im Weichselmündungsgebiet von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Beginn der preußischen Zeit, Weiherhof 1963 ; Edmund Kizik : Mennonici w Gdańsku, Elblągu i na Żuławach wiślanych w drugiej połowie XVII i w XVIII wieku, Gdańsk 1994. 7 Jens Jessen : Die Entstehung und Entwicklung der Gutswirtschaft in Schleswig-Holstein bis zu dem Beginn der Agrarreformen, in : Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 51 (1922), S. 1 – 206, hier S. 144 – 146.
Migration von Bauern, Handwerkern und Kaufleuten aus den Niederlanden
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von Holländerkühen.8 Der »Holländer« pachtete den Kuhbestand gewöhnlich von Mai bis Mai und konnte dafür Butter und Käse auf eigene Rechnung verkaufen. Die hohen Pachtsummen von 6 – 7½ Reichstalern je Kuh bewirkten zusammen mit dem stetig wachsenden Rindviehbestand im 18. Jahrhundert, dass die Geldeinnahmen aus der Milchviehhaltung häufig an erster Stelle der Gutseinkünfte rangierten.9 Die zweite Immigrantengruppe waren die Handwerker. Calvinistische Tuchmacher emigrierten aufgrund der spanischen Verfolgung aus den Südlichen Niederlan den nicht nur in den Norden, sondern auch in größerer Zahl in die Städte an der Nordseeküste sowie in den Ostseeraum. Hier trafen sie unter anderem auch auf mennonitische Handwerker, zum Beispiel im holsteinischen Altona oder im gerade erst gegründeten Glückstadt. In Altona entwickelten sich diese Handwerker zu Unternehmern mit einem breit angelegten Dienstleistungsangebot. So betätigte sich beispielsweise die Familie Roosen ebenso wie andere Glaubensgenossen als Reeder und Walfangunternehmer. Aus diesem mennonitischen Umfeld stammte auch der Maler Balthasar Denner, der in seiner Werkstatt verschiedene niederländische Sujets fertigte, seine Reputation aber Porträtaufträgen für die Höfe von Schleswig-Holstein-Gottorf, Dänemark, Braunschweig-Wolfenbüttel und Mecklenburg-Schwerin verdankte, von zeitweiligen Aktivitäten in Amsterdam und London ganz zu schweigen. In Königsberg und in Danzig revolutionierten die Tuchmacher – ähnlich wie in Leiden – die Textilherstellung, indem sie die Produktion leichter Wolltuche und die Tuchfärberei einführten. Außerdem erlebten die Seidenweberei und das Posamentiererhandwerk10 durch niederländische Einwanderer – die Posamentierer waren meist Mennoniten – einen neuen Aufschwung.11 Die dritte wichtige niederländische Einwanderergruppe stellten Kaufleute, Faktoren und Bankiers dar. Sie ließen sich in den Hafenstädten zeitweilig oder dauerhaft nieder und erwarben zum Teil das Bürgerrecht. Die niederländischen Kaufleute waren natürlich in den Zentren des Handels in Hamburg, Kopenhagen, Stockholm und vor allem in Danzig konzentriert. Allein die Zahl niederländischer Faktoren, die im Auftrag Amsterdamer Firmen den Austausch mit den Adelsgütern organisierten und
8 Wolfgang Prange : Die Anfänge der großen Agrarreformen in Schleswig-Holstein bis um 1771, Kiel 1971, S. 593. 9 Karl-Sigismund Kramer/Ulrich Wilkens : Volksleben in einem holsteinischen Gutsbezirk, Neumünster 1979, S. 195 – 196 ; Jessen : Die Entstehung und Entwicklung der Gutswirtschaft, S. 153. 10 Posamente sind aufwendig gearbeitete Zierstoffe, beispielsweise Spitzen oder Borten. 11 Maria Bogucka : Gdańskie rzemiosło tekstylne od XVI do połowy XVII wieku, Wrocław 1956 ; Fritz Gause : Geschichte der Stadt Königsberg, Bd. 1 : Von der Gründung der Stadt bis zum letzten Kurfürsten, Köln/Graz 1965, S. 310 – 312.
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Kredit- und Wechselgeschäfte tätigten, wuchs in Danzig um die Mitte des 17. Jahrhunderts auf 40 bis 50 und später sogar auf 75 Personen.12 Aber die kleineren Städte, wie Altona oder Glückstadt, waren für niederländische Kaufleute ebenfalls attraktiv. Die Gründung Glückstadts 1615 in der eingedeichten Kremper Marsch auf Initiative Christians IV. von Dänemark ist hierfür ein gutes Beispiel. Glückstadt war als Konkurrent Hamburgs gedacht und sollte Kaufleute anderer Nationen anziehen. Zunächst kamen 1619 sephardische Juden aus Hamburg, die in Glückstadt privilegiert wurden, in den 1620er Jahren folgten bereits Remonstranten und Mennoniten aus den Niederlanden. Zwar erhielten die Bemühungen des Königs durch die Niederlage Christians IV. im Dreißigjährigen Krieg einen Rückschlag, aber nach dem Lübecker Frieden 1629 wurde die Situation wiederhergestellt. Attraktiv für die Niederländer war die Tatsache, dass Christian IV. mit Spanien einen Vertrag abschloss, der den Glückstädtern Seepässe für die Fahrt nach Spanien und Portugal gewährte. Dies war für niederländische Kaufleute und Schiffer, zum Beispiel in Hamburg, attraktiv, die aus Gründen des Handels zeitweilig nach Glückstadt umzogen. Auf dem Höhepunkt 1642 lebten 100 niederländische Familien in Glückstadt. Eine Zahl, die sich nach dem Abschluss des Westfälischen Friedens 1648 auf ca. die Hälfte reduzieren sollte.13 Auch Schweden stellte ein Einfallstor für niederländische Kaufleute, die vor allem an den industriellen Rohstoffen, wie Eisen und Kupfer, interessiert waren. Der bekannteste Unternehmer war Louis de Geer. Jener hatte bereits 1618 zu einem erheblichen Teil aus eigener Tasche in den Niederlanden einen Kredit für Schweden mobilisiert, der durch Kupferausfuhren aus dem Norden getilgt werden sollte.14 Das Kupfer stammte aus den reichen Gruben von Falun und de Geer sah zusammen mit seinem Schwager Elias Trip und dessen Bruder Pieter Trip große Gewinnaussichten durch die Erlangung eines schwedischen Kupfermonopoles. Gerade in einer Zeit, als Kupfer für den Kanonenguss im großen Stil benötigt wurde, erschien eine Um12 Maria Bogucka : The Baltic and Amsterdam in the First Half of the 17th Century, in : Wieringa, Wiert Jan (Hg.) : The Interactions of Amsterdam and Antwerp with the Baltic Region, 1400 – 1800, Leiden 1983, S. 51 – 57, hier S. 55 – 56 ; Maria Bogucka ; Dutch Merchants’ Activities in Gdansk in the First Half of the 17th Century, in : Lemmink, Jacques Ph. S./Koningsbrugge, Johannus S. A. M. van (Hg.) : Baltic Affairs. Relations between the Netherlands and North-Eastern Europe 1500 – 1800, Nijmegen 1990, S. 19 – 32, hier S. 22 – 24. 13 Gerhard Köhn : Die Niederländische Nation in Glückstadt, in : Menke, Hubertus (Hg.) : Die Niederlande und der europäische Nordosten. Ein Jahrtausend weiträumiger Beziehungen (700 – 1700), Neumünster 1992, S. 299 – 316. 14 Thomas Lindblad : Louis de Geer (1587 – 1652). Dutch Entrepreneur and the Father of Swedish Industry, in : Lesger, Clé/Noordegraaf, Leo (Hg.) : Entrepreneurs and Entrepreneurship in Early Modern Times. Merchants and Industrialist within the Orbit of the Dutch Staple Market, Den Haag 1995, S. 77 – 84.
Migration aus dem Nord- und Ostseeraum in die niederländische Welt
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gehung des traditionellen Stapelmarktes Lübeck zugunsten Amsterdams attraktiv. De Geers weiterer Geschäftspartner war Willem de Besche, der sich bereits 1614 in Schweden niedergelassen hatte und dort in Nyköping die Messingherstellung aus Kupfer und Zink sowie in Finspong ein Eisenwerk betrieb. Die beiderseitige Geschäftsverbindung eröffnete de Geer eine Ausweitung des Messinghandels und der Waffenherstellung, die er mit der Übersiedlung nach Schweden in Angriff nahm. Er baute in Norrköping und Umgebung ein Metallimperium auf, das Eisengießereien, Messing- und Waffenherstellung umfasste. Seine Produkte (Kanonen, Munition und Gewehre) verkaufte er auf dem Amsterdamer Markt und nach dem Eintritt Schwedens in den Dreißigjährigen Krieg rüstete er die schwedische Armee aus. Andere Niederländer, wie Jakob Momma, folgten seinem Vorbild, indem sie sich im Eisenund Messinghandel betätigten, aber auch Minen in Nordschweden unterhielten. Das wichtigste Endprodukt waren meist Waffen, so dass auch Momma Kanonen und Granaten an das schwedische Militär lieferte.
3.3 Migration aus dem Nord- und Ostseeraum in die niederländische Welt Die Migration verlief aber nicht allein in West-Ost-Richtung. Im Gegenteil, zahlreiche Bewohner des gesamten Nord- und Ostseeraumes nahmen hieran aktiv teil. Hier wäre z. B. die Migration friesischer Kapitäne und Seeleute zu nennen, die saisonal im niederländischen Walfang tätig waren, aber auch auf den Schiffen der Ostindischen und Westindischen Kompanie fuhren beziehungsweise ihr Glück als Soldaten in niederländischen Diensten suchten. So dienten zum Beispiel in den 1770er-Jahren 1100 – 1200 Föhringer auf niederländischen Walfängern. Sie kehrten in der Regel im Oktober auf die Inseln zurück. Im Alter eröffneten die Kapitäne dort nautische Schulen, in denen sie mit Hilfe niederländischer Handbücher Navigation und Astronomie unterrichteten und so den weiteren Aufstieg nordfriesischer Seeleute in die obersten Ränge der niederländischen, dänischen oder hamburgischen Flotten beförderten. Mit den Reisen war ein ständiger kultureller Austausch verbunden, der sich bis heute beispielsweise in den niederländisch gefliesten Friesenstuben widerspiegelt. Auch die Grabsteine auf Föhr und Amrum geben Aufschluss über die Fahrten friesischer Kapitäne auf den Weltmeeren. Andere, wie der Amalienburger Kapitän Peter Hansen,15 beteiligten sich am internationalen Sklavenhandel. Soldaten aus den Herzogtümern dienten in den niederländischen
15 Peter Hansen : Biographie des Schiffscapitains Peter Hansen von Amalienburg bei Arnis im Herzogthum Schleswig, Nachdruck der Ausgabe 1859, Flensburg 1989.
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Kompanien und berichteten, wie der Flensburger Peter Hansen Hajstrup, im Nachhinein über ihre Abenteuer in den Niederlanden und Brasilien.16 Ebenfalls öffentliche Aufmerksamkeit erfuhren die von Adam Olearius publizier ten Reiseberichte der schleswigschen Bediensteten der Ostindischen Kompanie Jürgen Andersen und Volquard Iversen. Ihre Mitbringsel bereicherten schließlich die Gottorfer Kunstkammer.17 VOC-Angestellte aus dem Ostseeraum ließen sich nach ihrem Dienst als Handwerker, aber auch als Bauern in Übersee, z. B. am Kap der Guten Hoffnung, nieder. Eine schillernde Karriere machte der 1659 in Elbing (Elbląg) geborene Johann Kettler, der seine Heimat wegen einiger ihm vorgeworfener Delikte über Nacht verließ, in den Dienst der VOC trat und es bis zum Direktor der VOC-Niederlassung in Agra brachte. Seine Delegationsreise an den Mogulhof ist medial vielfältig dokumentiert.18 Dagegen begann der in Husum geborene Michael Westpalm 1710 seine Seemannslaufbahn als Untersteuermann auf einem VOC-Schiff. 1712 wurde er zum Obersteuermann befördert. Vier Jahre später erreichte er den Rang eines Schiffers und erhielt die Anstellung als Onderequipagemeester. Im Jahre 1718 wurde er in Batavia zum Kommandeur und Equipagemeester (verantwortlich für die Ausrüstung der Schiffe) ernannt ; weitere Ämter waren die des Regenten des Hospitals, Kommissars des Bergbaus, Präsidenten der Waisenmeister und Oberst der Stadtmiliz. 1730 erfolgte seine Wahl zum Rat ordinair von Indien und 1732 zum Generaldirektor. Er starb im August 1734. Mindestens zweimal ließ Westpalm von Batavia aus große Summen in seine Geburtsstadt überweisen, vor allem zugunsten des Hospitals Zum Ritter St. Jürgen, einer noch heute existierenden Einrichtung für ältere Frauen und Männer. Seine Eltern sollten, solange sie nicht im Hospital aufgenommen werden wollten, jährlich sechs Prozent dieses Betrages erhalten. Ein anderer Schleswig-Holsteiner im Dienst der VOC war Johannes Thedens, geboren 1679 in Friedrichstadt. Nach seiner Ankunft in Batavia 1699 übernahm er eine Position in der Verwaltung und arbeitete sich kontinuierlich empor. 1702 wurde er zum Assistenten und 1719 zum Kaufmann ernannt. 1723 wurde er zum Oberkaufmann und Befehlshaber (Opperhoofd) in Deshima befördert und nahm an der Delegationsreise zum Edo-Hof teil. Er war Oberkaufmann bis 1729, als er sich weigerte, an die Malabar-Küste zu gehen. 16 Frank Ibold/Jens Jäger/Detlev Kraack : Das Memorial und Jurenal des Peter Hansen Hajstrup (1624 – 1672), Neumünster 1995. 17 Jürgen Andersen/Volquard Iversen : Orientalische Reise-Beschreibungen. In der Bearbeitung von Adam Olearius, Schleswig 1669. 18 Siehe unten, Kapitel »Indischer Subkontinent«.
Migration aus dem Nord- und Ostseeraum in die niederländische Welt
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Im Jahr 1731 wurde Thedens als Rat extra-ordinair und 1736 als Rat ordinair von Indien angestellt. Als Mitglied im Kirchenrat zeichnete er für den Bau der neuen niederländischen Kirche verantwortlich. Mehrfach vertrat er den Generalgouverneur, so z. B. zwischen 1741 und 1743 Baron Gustaaf Willem van Imhoff, der sich noch in den Niederlanden befand. Thedens verstarb am 19. März 1748 in seinem Landhaus in Batavia und wurde vier Tage später bestattet. Durch Korrespondenz blieb die Verbindung mit der Heimat intakt, auch wenn sie zeitweise unterbrochen war. Pastor Carl Ludwig Scheitz aus Steinberg in der Pfarrei Flensburg schrieb beispielsweise an seinen Bruder, der als Buchhalter der niederländischen Kompanie in Kochin arbeitete, und schickte ihm nicht nur – gleichsam als Erinnerung an die Daheimgebliebenen – Schattenrisse seiner Familie, sondern zeigte ihm auch Wege auf, wie er Geld überweisen könne : Du meldest mir, lieber Bruder ! dass du willens bist, Geld an mich zu überweisen […] Deinem Verlangen gemäß, habe ich auch zwei sichere Häuser in Amsterdam zu finden
gesucht, an welche du Geld oder remissen übermachen kanst. Es sind selbige, der Herr
Frans de Wilde Boekhouder bij het Oostindishe Compagnie tot Amsterdam, der es auch übernommen hat die Briefe an dich zu besorgen, und der andere heist : Herr Erdwin
Borgetede. Der Herr [sic !] Frans de Wilde must du als die Hauptperson ansehen und ihn in deiner Procura als Empfangnehmer oder Einheber des Geldes benennen. Durch diese
benanten Män[n]er, wird das Geld sicher an mich übersendet werden. So befehle ich dich
denn liebster Bruder ! nebst deiner lieben Frau und Kindern, welche so wie du von un-
seren lieben Mutter, von meiner Frau und Kindern und von mir aufs zärtlichte gegrüßet
und umarmest werden, Gottes Gnade und Segen. Leb wohl, recht sehr wohl und erinnere
Dich offt deines dich herzlich liebenden Bruders.19
Leider kam der Brief nicht an – das Schiff mit dem Brief wurde von einem englischen Schiff aufgebracht, er befindet sich jetzt in den sogenannten Prize Papers in den National Archives in London. Auch die dauerhafte Auswanderung spielte eine Rolle. Während nach der großen Sturmflut 1634 niederländische Spezialisten zur Eindeichung und Trockenlegung an die schleswig-holsteinische Westküste geholt wurden, wanderten Familien von dort 1639 mit dem Schiff Brand van Trogen nach Neu Amsterdam an den Hudson aus.20
19 Erik van der Doe/Perry J. Moree/Dirk J. Tang (Hg.) : De dominee met het stenen hart en andere overzeese briefgeheimen, Zutphen 2008, S. 74, 76. 20 Siehe Kapitel »Neue Niederlande«.
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3.4 Niederländische Architekten und Maler In den Ostseemetropolen Kopenhagen und Danzig arbeiteten zahlreiche niederlän dische Architekten und Künstler wie Anthonis van Obberghen, Willem und Abraham van den Blocke, die Maler Jan Vredeman de Vries, Isaak van den Blocke, die Kupferstecher Claes Jansz. Visscher (genannt Piscator) und Willem Hondius. Ein Beispiel ist die Familie van Steenwinckel. Hans van Steenwinckel der Ältere (ca. 1545 – 1601) war in Antwerpen geboren. Im Zuge des niederländischen Aufstandes floh die Familie nach Emden, wo der Vater das Rathaus baute. 1578 heuerte Anthonis van Obberghen Hans van Steenwinckel als Assistenten für den Bau von Schloss Kronborg an. Danach erhielt er bei dem dänischen Astronomen Tycho Brahe eine Ausbildung in Geometrie und Astronomie. Diese nutzte er für seine weitere Tätigkeit als königlicher Architekt Christians IV., für den er existierende Festungen an der schwedischen und norwegischen Küste erneuerte und außerdem die neue Festungsstadt Christianopel (1599) errichtete.21 Hans van Steenwinckel folgten seine Söhne Hans der Jüngere (1587 – 1639) und Lourens (ca. 1585 – 1619), die an nahezu allen Bauaktivitäten Christian IV. während des beginnenden 17. Jahrhunderts beteiligt waren. Ihr Anteil ist aber in den seltensten Fällen genau ersichtlich, denn der König wollte, wie z. B. bei Schloss Frederiksborg, gerne selbst als Architekt erscheinen. Zweifellos arbeitete Hans van Steenwinckel aber an der königlichen Kapelle in Roskilde und zusammen mit seinem Bruder an der Börse von Kopenhagen. Auch am Rundturm der Universitätskirche war er beteiligt. Fortgesetzt wurde seine Arbeit durch einen anderen Architekten, Leonard Blasius, der den Erweiterungsbau der Holmenskirche gestaltete. Die Ansicht Kopenhagens von Jan Dircksz. van Campen aus dem Jahre 1611 zeigt viele neue Giebelhäuser im niederländischen Stil, von denen nur noch wenige erhalten sind. Auch öffentliche Bauten, wie das Waisenhaus, die Börse und Wohnhäuser für Seeleute und Tuchhandwerker, folgten dem »fortschrittlichen« niederländischen Stil. Dass das öffentliche Bauen der Niederlande auch im 18. Jahrhundert noch als vorbildlich galt, als Dänemark längst über eigene Architekten verfügte, zeigt die Karriere von Philip de Lange aus Rotterdam, der sich als Gefängnisbaumeister einen Namen machte. 21 Juliette Roding : The Myth of the Dutch Renaissance in Denmark. Dutch Influence on Danish Architecture in the 17th Century, in : Lemmink, Jacques Ph. S./Koningsbrugge, Johannus S. A. M. van (Hg.) : Baltic Affairs. Relations between the Netherlands and North-Eastern Europe 1500 – 1800, Nijmegen 1990, S. 343 – 353 ; Juliette Roding : The North Sea Coasts. An Architectural Unity ?, in : Roding, Juliette/Heerma van Voss, Lex (Hg.) : The North Sea and Culture (1550 – 1800), Proceedings of the International Conference Held at Leiden, 21 – 22 April 1995, Hilversum 1996, S. 95 – 106.
Niederländische Architekten und Maler
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11 Jan Dircksz. van Campen, Ansicht von Kopenhagen, 1611, Holzschnitt.
Niederländische Architekten arbeiteten ebenfalls in Schweden. So waren Mitglieder der Familie de Besche zunächst als Architekten tätig, bevor sie in die Metallurgie investierten.22 Einer ihrer Geschäftspartner, Louis de Geer, ließ sich sein Haus im Stil des Mauritshuis in Den Haag von Jacob van Campen von dem lokalen Maurermeister Jürgen Gesewitz in Stockholm bauen. Es verwundert nicht, dass de Geers Palast auch in der Kupferstichserie »Suecia Antiqua et Hodierna« von Erik Dahlberg zusammen mit anderen Adelspalästen seine Publikation fand. In der Nachbarschaft von de Geer ließen sich dann eine Reihe niederländischer Kaufleute, wie die van Eijck, Momma, Wesenberg, Insen und Mijtens nieder.23 Zu ihren Palästen gehörten natürlich auch Gartenanlagen im niederländischen Stil, wobei Experten für die Gestaltung angeworben wurden. 22 Leos Müller : The Merchant Houses of Stockholm, c. 1640 – 1800. A Comparative Study of Early- Modern Entrepreneurial Behaviour, Uppsala 1988. 23 Badeloch Noldus : Trade in Good Taste. Relations in Architecture and Culture between the Dutch Republic and the Baltic World in the Seventeenth Century, Turnhout 2004, S. 73 – 77, 84 – 92 ; Noldus, Badeloch : Handel in Goede Smaak. Architectuurbetrekkingen tussen Zweden en de Nederlandse Republiek (1635 – 1700), Dissertation Universiteit Utrecht 2002 ; Noldus, Badeloch : De in-
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12 Palast von Louis de Geer (Vorderansicht), Stockholm, 1646.
Von de Geer und seinen Zeitgenossen waren natürlich auch schwedische Geschäftspartner beeindruckt und ließen sich eben solche Residenzen bauen. Dass diese Paläste mit niederländischen und flämischen Gemälden sowie mit zeitgenössischen Skulpturen ausgestattet wurden, versteht sich von selbst. Dabei wirkten Diplomaten und Kaufleute wie Peter Spierinck und Michel le Blon als kulturelle Agenten zwischen niederländischen Künstlern einerseits sowie dem schwedischen Königshof und dem Hochadel andererseits. Im Falle Carl Gustav Wrangels, der nicht nur als Feldherr, sondern auch als General-Gouverneur Schwedisch-Pommerns Ruhm geerntet hatte, beriet der schwedische Resident Harald Appelboom in Den Haag den Ausbau von Wrangels Residenz in Skokloster. Er kaufte nicht nur Bilder auf niederländischen Auktionen, sondern versorgte die Wrangelschen Räume mit Tapisserien, vergoldeter Ledertapete und Möbeln. Ein anderer Amsterdamer Agent, Peter Trotzig, lieferte Baumaterial und stellte Architekturbücher zur Verfügung.24 Letztere sind als Medium der Verbreitung niederländischer Architekturelemente nicht zu überschätzen. troductie van het Hollands classicisme in Zweden, aan de hand van twee woonhuizen van de familie De Geer, in : Bulletin KNOB 98, 4 (1999), S. 152 – 164. 24 Noldus : Trade in Good Taste, S. 95 – 118.
Niederländische Architekten und Maler
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Darüber hinaus wurde in Schweden der klassizistische Stil durch Architekten wie Justus Vinckboons sowie Vater und Sohn Nicodemus Tessin (der Ältere 1615 – 1681, der Jüngere 1654 – 1728) gefördert.25 Besonders intensiv war die Rezeption der niederländischen Architektur in Polen.26 Hier wäre vor allem Anthonis van Obberghen zu nennen, der 1586 von Dänemark nach Polen kam. Van Obberghen leitete die Umbauten des Rechtstädtischen Rathauses und baute das Zeughaus sowie das Altstädtische Rathaus in Danzig, an deren Dekoration sich Künstler wie Vredeman de Vries und Isaak van den Blocke beteiligten.27 Danziger Künstler, z. B. die Kupferstecher Ägidius Dickmann und Jeremias Falck, lernten in den Niederlanden oder arbeiteten zumindest einige Jahre dort. Auch der Posten des Stadtbaumeisters wurde zwischen 1563 und 1666 ausschließlich an niederländische Architekten vergeben. Der erste, Reinier van Amsterdam, baute 1568 das vom Antwerpener Rathaus inspirierte Grüne Tor, der letzte Stadtbaumeister, Peter Willer, war ein Schüler Jacob van Campens, des Erbauers des berühmten Amsterdamer Rathauses. Außerhalb Danzigs können wir die Tätigkeit niederländischer Architekten in Elbing, Thorn (Toruń), Neidenburg (Nidzica), Braunsberg (Braniewo), Pillau (Baltijsk), Königsberg (Kaliningrad), Memel (Klaipėda) und Riga (Rīga) nachweisen.28 Hierbei wirkte Danzig nicht nur als Vermittlungszentrum niederländischer und norddeutscher Architekturbücher in die polnische Adelsrepublik, sondern auch Skulpturen und Epitaphe wurden von Danzig aus bis weit in den Südosten der Adelsrepublik verbreitet oder dort für Auftraggeber geschaffen.29 25 Konrad Ottenheym : Die Liebe zur Baukunst nach Maß und Regeln der Alten. Der Klassizismus in den nördlichen Niederlanden des 17. Jahrhunderts, in : Bracker, Jörgen (Hg.) : Bauen nach der Natur. Palladio. Die Erben Palladios in Nordeuropa, Ostfildern 1997, S. 127 – 146. Über Nicodemus Tessin den Älteren siehe Kristoffer Neville : Nicodemus Tessin the Elder. Architecture in Sweden in the Age of Greatness, Turnhout 2009. 26 Maria Bogucka : Les relations entre la Pologne et les Pays-Bas (XVIe siècle, première moitié du XVIIe siècle), in : Cahiers de Clio 78 – 79 (1984), S. 5 – 18, hier S. 14 – 16. Bogucka, Maria : Kultura Pomorza wschodniego w dobie renansu i baroku, in : Labuda, Gerard (Hg.) : Historia Pomorza II, 1 : 1464/66 – 1648/57, Poznań 1976, S. 526 – 642, hier S. 545 – 547, 561 – 563 ; Zbigniew Nowak : Lata rozkwitu kultury, nauki i sztuki, in : Cieślak, Edmund (Hg.) : Historia Gdańska II : 1454 – 1655, Gdańsk 1982, S. 686 – 753, hier S. 740 – 742, 750 – 752. 27 Arnold Bartetzky : Das Große Zeughaus in Danzig. Baugeschichte, architekturgeschichtliche Stellung, repräsentative Funktion, Stuttgart 2000 ; Heiner Borggrefe (Hg.) : Hans Vredeman de Vries und die Renaissance im Norden [Ausstellung im Weserrenaissance-Museum Schloß Brake (26. Mai – 25. August 2002), Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen (15. September – 8. Dezember 2002)], München 2002. 28 Als Überblick siehe Teresa Hrankowska : Niderlandyzm w sztuce polskiej. Materiały Sesji Stowarzyszenia Historyków Sztuki Toruń, Warszawa 1995. 29 Michał Wardzyński : Zwischen den Niederlanden und Polen-Litauen. Danzig als Mittler nieder-
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3.5 Niederländische Gemälde in Sammlungen und Haushalten des Ostseeraumes Die Monarchen des Ostseeraumes nutzten die Produktivität niederländischer Künstler zur Befriedigung ihres Repräsentationsbedürfnisses. So erteilte C hristian IV. neben seinen Schlossbauten auch große Ausstattungsaufträge : Der Neptun-Brunnen von Adriaen de Vries, Hendrick de Keysers Skulpturengalerie sowie die Tapisserien Karel van Manders spiegelten die beste niederländische Kunst ihrer Zeit wider. Hinzu kamen rund 60 weitere Tapisserien und rund 500 Gemälde, deren Sujets bekannt sind.30 Ein Teil dürfte aus den Ankäufen des frühen 17. Jahrhunderts stammen, als Christian IV. seinen Agenten Jonas Charisius zum Einkauf von Gemälden und Musikinstrumenten 1607/08 in die Niederlande schickte.31 Charisius kaufte dabei sowohl in Amsterdam als auch in Antwerpen ein ; Erwerbungen auf dem Delfter Markt sind ebenfalls notiert. In Amsterdam erwarb er sieben Landschaften von der Witwe des Malers Gillis van Coninxloo sowie je ein Bankett- und ein Küchenstillleben und zwei weitere Bilder von Aert Pietersz. Religiöse Themen lieferte »Mester Lois«, möglicherweise Jacob Loys. Von Pieter Isaacsz. kamen ein »Römischer Brand« und im Jahre 1608 zahlreiche weitere antike Historien hinzu. Pieter Isaacsz. sollte aufgrund seiner guten Beziehungen zu seinem Geburtsland Dänemark – sein Vater war dort der Aufseher des Sundzolles gewesen – später noch weitere Gemälde aus den Niederlanden für den dänischen Monarchen besorgen. Auf dem Delfter Markt reichte das Sortiment von Landschaften und Bauernbildern bis hin zu antiken und religiösen Historien sowie einer Schlacht von Antonius Jong. Weitere Gemälde (Historien und Landschaften) kaufte Charisius bei Frans Badens, Cornelis van Haarlem, Frans Pietersz., Cornelis van der Voort und Peter Ringeler.32
ländischer Kunst und Musterbücher, in : Krieger, Martin/North, Michael (Hg.) : Land und Meer. Kultureller Austausch zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2004, S. 23 – 50. 30 Hier und zum folgenden Steffen Heiberg : Art and the Staging of Images of Power. Christian IV. and Pictorial Art, in : Noldus, Badeloch/Roding, Juliette (Hg.) : Pieter Isaacsz. (1568 – 1625). Court Painter, Art Dealer and Spy, Turnhout 2007, S. 231 – 244. 31 Olaf Koester : Flemish Paintings 1600 – 1800, Copenhagen 2000, S. 8 – 10 ; Olaf Koester : Art Centers and Artists in Northern Europe 1588 – 1648, in : Heiberg, Steffen (Hg.) : Christian IV and Europe. The 19th Art Exhibition of the Council of Europe, Herning 1988, S. 301 – 305. 32 Gerhard Wilhelm Kernkamp : Rekeningen van schilderijen en muziekinstrumenten, door Dr. Jonas Charisius in 1607 en 1608 in de Nederlanden gekocht, in : Bijdragen en Mededelingen van het Historisch Genootschap 28 (1907), S. 458 – 473.
Niederländische Gemälde in Sammlungen und Haushalten des Ostseeraumes
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Daneben gelangten auch Stillleben und Genrebilder flämischer Produktion nach Frederiksborg. Charisius muss ebenfalls persönlich eine Sammlung niederländischer Gemälde besessen haben. Außerdem offerierten die Niederländer Frans Bastiaensz. de Wille und Theodor Rodenburgh dem König Gemälde. Der Kaufmann Rodenburgh ist in dieser Hinsicht besonders bemerkenswert, weil er 1619 in Kopenhagen auftauchte und dem Herrscher im Stile eines Projektemachers vielfältige Unternehmungen vorschlug. Dazu gehörte die Einführung niederländischer Gewerbe in Dänemark ebenso wie die von ihm zu arrangierende Übersiedlung der Maler Salomon de Bray und Joos de Momper sowie anderer Kunsthandwerker nach Dänemark. Hinzu kam eine Sendung von 350 holländischen und flämischen Gemälden, in der neben den älteren Künstlern Lucas van Leyden, Maarten van Heemskerck und Joachim Patinir alle berühmten zeitgenössischen Maler vertreten waren. Ob und in welchem Umfang Christian IV. von dieser Offerte Gebrauch machte, ist nicht bekannt, jedoch dürfte sich das Angebot holländischer und flämischer Malerei in Dänemark auf dieses Weise schlagartig erweitert haben.33 Auch Schloss Rosenborg zeigt in seiner Innendekoration niederländischen Geschmack. Die 75 Gemälde des Winterzimmers stammen großenteils aus Antwerpen, unter deren Urhebern man die Maler Joos de Momper, Jan Brueghel der Ältere, Hendrick van Balen I. , Sebastiaen Vrancx, Pieter Snayers, David Vinckboons und Louis de Caulery vermutet. Möglicherweise waren diese Gemälde von dem Antwerpener Kaufmann Adam Baseler geliefert worden. Unter der Leitung von Pieter Isaacsz. dekorierte ein Künstlerteam – u. a. Søren Kiær, Reinholdt Thim, Morten van Steenwinckel, Frantz Cleyn (aus Rostock) – den großen Saal von Schloss Rosenborg mit allegorischen Gemälden (»Die sieben Alter des Menschen«).34 Ein weiteres Projekt stellte die Ausgestaltung von Schloss Kronborg dar, die Christian IV. in den 1630er Jahren in Angriff nahm. Morten van Steenwinckel malte für die Kammer der Königin acht ovale Deckengemälde mit Darstellungen der antiken Mythologie. Den Auftrag für die königliche Schlafkammer erhielt Gerrit van Hont 33 Gerhard Wilhelm Kernkamp : Memorien van Ridder Theodorus Rodenburg betreffende het verplaatsen van verschillende industrien uit Nederland naar Denemarken, met daarop genomen resolutien van Koning Christiaan IV (1621), in : Bijdragen en Mededelingen van het Historisch Genootschap 23 (1902), S. 189 – 257, hier S. 226 – 230. 34 Juliette Roding : The Seven Ages of Man. The Decorative Scheme for the Great Hall at Rosenborg Castle, in : Noldus, Badeloch/Roding, Juliette (Hg.) : Pieter Isaacsz. (1568 – 1625). Court Painter, Art Dealer and Spy, Turnhout 2007, S. 181 – 203 ; Meir Stein : Christian IV’s Programme for the Decoration of the Great Hall at Rosenborg in Copenhagen. An Attempt at Reconstruction, in : Leids Kunsthistorisch Jaarboek 2 (1983), S. 111 – 126.
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horst, der einige Jahre später auch das Großunternehmen zur Ausschmückung des großen Saales mit riesigen Gemälden über die Taten der dänischen Könige ausführte. Zuvor hatte der aus Utrecht stammende königliche Kupferstecher Simon de Passe die besten Utrechter Künstler zu Entwürfen für Themen der dänischen Geschichte angeworben. An diesem Konsortium beteiligten sich neben Simon de Passe und seinem Bruder Crispijn ebenfalls Honthorst, Bloemaert, Nicolaus Knüpfer und andere. Obwohl der schwedisch-dänische Krieg die vollständige Ausführung des Projektes verhinderte, wurden zumindest 16 Gemälde geliefert, darunter zehn von Honthorst, drei von Isaac Isaacsz. und je ein Gemälde von Salomon de Koninck, Claes Moeyaert und Adriaen van Nieulandt.35 Im Umkreis von Schloss Kronborg etablierte sich aber auch das private Kunstsammeln. In Helsingör (Helsingør) hatten sich nicht nur zahlreiche niederländische Kaufleute angesiedelt, auch die einheimischen Händler unterhielten enge ökonomische und kulturelle Kontakte zu den Niederlanden. Pieter Isaacsz. ließ sich nicht von ungefähr als Maler und Kunsthändler in Helsingör nieder. Er wohnte im Haus des Zollschreibers Morten Jensen, der bei seinem Tod 1626 eine Sammlung von 180 Gemälden hinterließ. Hierunter befanden sich zahlreiche Landschaften, aber auch Allegorien, Genrebilder, Stillleben und Historiengemälde wie »Hollands Triumph«. Neben den Kaufleuten sammelten Pfarrer, Beamte und Handwerker, wobei die Zahl der Kunstwerke in den Nachlässen kontinuierlich zunahm. Es ist dabei aber nicht immer ersichtlich, ob es sich um Gemälde, Kupferstiche, Radierungen oder kolorierte Drucke handelte. Insbesondere unter den Letzten überwiegen religiöse Themen, während die Gemälde im wachsenden Maße Landschaften, Genredarstellungen und eine kleinere Anzahl von Stillleben sowie Porträts repräsentieren. Die Gemälde sind in der Regel nicht bestimmten Malern zuzuschreiben, obgleich um die Mitte des 17. Jahrhunderts zunehmend hollandske stykker oder hollandske tavler bzw. hollandske malede stykker erwähnt werden.36 Nach den Verlusten zahlreicher Gemälde in den Kriegen mit Schweden legte der neue Herrscher Friedrich III. um 1650 die Grundlage für eine neue Königliche Kunstkammer.37 Diese wurde zunächst in einem Raum im Rundturm des Ko-
35 Henrik Ditlev Schepelern/Ulla Houkjær : The Kronborg Series. King Christian IV. and his Pictures of Early Danish History, Copenhagen 1998 ; Heiberg : Art and the Staging of Images of Power, S. 238 – 239. 36 Poul Eller : Borgerne og billedkunsten på Christian den Fjendes tid. Uddrag af Helsingørs Skifteprotokoller 1621 – 1660, Frederiksborg Amts historiske, Årbok 1974, S. 28 – 36, 44 – 46, 83 – 146. 37 Peter Hertz : Den kongelige Malerisamlings tilblivelse, in : Kunstmuseets Aarsskrift (1921 – 23), S. 358 – 390.
Niederländische Gemälde in Sammlungen und Haushalten des Ostseeraumes
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penhagener Schlosses untergebracht, expandierte aber in der Folgezeit schnell.38 In diesen Jahren wuchs der Gemäldebestand in Dänemark entweder durch die Produktion holländischer und flämischer Maler oder Ankäufe stark an. Insbesondere Karel van Mander und Abraham Wuchters schufen Porträts der königlichen Familie und des Hofes, während Aelbert Halwegh hierfür das Medium des Kupferstiches wählte.39 Gleichzeitig sammelte Kronprinz Christian Kupferstiche und Radierungen, darunter Rembrandts »Ecce Homo«, die er sich von dem Buchhändler Jørgen Holst liefern ließ. Eine ähnliche Vermittlerrolle übernahm später der niederländische Maler Toussaint Gelton, der in den 1670er Jahren in Kopenhagen wirkte und vor allem religiöse Historien, antike Mythologien sowie Genregemälde schuf.40 Für kurze Zeit und zwischen Aufenthalten in Hamburg und Schweden bereicherte der Niederländer Cornelis Gijsbrechts das Kopenhagener Kunstleben wirkungsvoll, indem er vor allem perspektivische Trompe-l’Œil-Stillleben für die Kunstkammer malte.41 Das Inventar von 1674 zeigt bereits neun Räume, die naturalia, artificialia, antiken Gemälden, wissenschaftlichen Geräten und Uhren, Ethnographica und ethnographischen Gemälden, Münzen und Medaillen sowie Haus- und Schiffsmodellen gewidmet waren. Bald platzte die Sammlung im Kopenhagener Stadtschloss aus allen Nähten, so dass ein spezieller Annex hierfür errichtet und durch einen Geheimgang mit dem Schloss verbunden wurde. Die Kunstkammer befand sich im obersten der drei Stockwerke über Arsenal und Bibliothek. Die Gemälde hängte man sowohl in eine Galerie als auch in die angrenzenden Räume, in denen ebenfalls andere Gegenstände der Sammlung Platz fanden. Unter dem Titel »Museum Regium« wurde die Kunstkammersammlung 1696 erstmals publiziert.42 Im 18. Jahrhundert erwarb der 38 Bente Gundestrup : Det Kongelige danske Kunstkammer 1737/The Royal Danish Kunstkammer 1737, København 1991 – 1995 ; Bente Gundestrup : From the Royal Kunstkammer to the Modern Museums of Copenhagen, in : Impey, Oliver/MacGregor, Arthur (Hg.) : The Origins of Museums, London 22001, S. 176 – 185. 39 Poul Eller : Kongelige Portrætmalere i Danmark 1630 – 82. En undersøgelse af kilderne til Karel van Manders og Abraham Wuchters’ virksomhed, København 1971 ; Jørgen Styhr : Kobberstikkeren Albert Haelwegh, in : Kunstmuseets Aarsskrift (1938), S. 5 – 69. 40 Chris Fischer/Mikael Bøgh Rasmussen : From Dürer to Nauman. The History of the Print Collection in the Department of Prints and Drawings, Statens Museum for Kunst, Copenhagen 1523 – 1998, in : Fischer, Chris/Würtz Frandsen, Jan (Hg.) : A Sight for Sore Eyes II. 76 Prints from the Department of Prints and Drawings. The Royal Museum of Fine Arts, Copenhagen, Copenhagen 1998, S. 9 – 41. 41 Olaf Koester (Hg.) : Illusions. Gijsbrechts. Royal Master of Deception, Copenhagen 1999 ; Eva de la Fuente Pedersen : Cornelius Gijsbrechts og Perspektivkammeret i Det Kongelige Danske Kunstkammer, in : SMK Art Journal (2003 – 2004), S. 84 – 107, 152 – 160. 42 Holger Jacobaeus : Museum Regium Seu Catalogus Rerum tam naturalium, quàm artificialium, Qvæ In Basilica Bibliothecæ Augustissimi Daniæ Norvegiæq[ue] Monarchæ, Friderici Qvarti, Havniæ as-
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Nord- und Ostseeraum
Hofmaler Johan Salomon Wahl in seiner Funktion als Kunstkammerverwalter in Hamburg zahlreiche Gemälde niederländischer Provenienz für die Sammlung, bevor dann durch und unter Gerhard Morell in den Niederlanden selbst die umfangreichsten Ankäufe getätigt wurden.43 Auch die im 18. Jahrhundert neu entstehenden Privatsammlungen des dänischen Adels und Kopenhagener Bürger zeichneten sich durch eine große Zahl holländischer und flämischer Gemälde bzw. entsprechender Kopien aus. Was für die dänische Residenz galt, traf ebenso für ein bürgerlich geprägtes Handelszentrum wie Danzig zu. So finden wir auch dort in den Bürgerhäusern Gemälde,44 z. B. im Nachlass der Witwe Arnold Schmittens von 1696, deren Sujets wie Meereslandschaften, Stillleben, Kircheninterieurs oder Genredarstellungen auf niederländische Provenienz hinweisen : 1. Achtkantig Seestückchen,
1. Seestückchen mit 1 Crocodil,
2. Bilderchen mit Essenspeisen, etwas alt,
Eine inwendige Kirche auff Kupfer gemalt, Ein Bildtchen da Taback geraucht wirdt.
Auch eine Reihe anderer Danziger Nachlässe aus dem 17. Jahrhundert enthält niederländische Gemälde, aus denen sich im 18. Jahrhundert bedeutende Sammlungen, wie diejenige des Franz Gottfried Rottenberg, herausheben.45 servantur, Gloriosissimæ Memoriæ Rege, Christiano Qvinto, regnante, Ab Oligero Jacobæo, Med. & Phil. Regio qvondam describtus, nunc verò magna ex parte auctior uberioribusq[ue] commentariis, præsertim autem qvoad Antiqvitates Historiamq[ue] Numismatum Danicorum, illustratus, accurrante Johanne Lauerentzen, Assessore Consistorii Havniensis Regio, [Kopenhagen] 1696. Zur räumlichen Entwicklung siehe auch Britta Tøndborg : From Kunstkammer to Art Museum. Exhibiting and Cataloguing Art in the Royal Collections in Copenhagen, in the Eighteenth and Nineteenth Centuries, Dissertation London University 2004, S. 39 – 45. 43 Michael North : Gerhard Morell und die Entstehung einer Sammlungskultur im Ostseeraum des 18. Jahrhunderts, Greifswald 2012. 44 Kizik : Niederländische Einflüsse in Danzig, Polen und Litauen, S. 51 – 76 ; Antoni Romuald Cho dyński : Kolekcjonerzy i kolekcje w Gdańsku XVI–XIX wieku (do 1872 roku), Inventarium et taxam dzieł sztuki, in : Rocznik Historii Sztuki 27 (2002), S. 180 – 182 ; Corina Hess : Danziger Wohnkultur in der Frühen Neuzeit. Untersuchungen zu Nachlassinventaren des 17. und 18. Jahrhunderts, Berlin 2007, S. 172 – 186. 45 Johann Bernoulli : Reisen durch Brandenburg, Pommern, Preussen, Curland, Russland und Polen in den Jahren 1777 und 1778. Bd. 1 : Reise nach Danzig und Beschreibung der Merkwürdigkeit dieser Stadt. Leipzig 1779, S. 328.
Niederländische Gemälde in Sammlungen und Haushalten des Ostseeraumes
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Darüber hinaus berieten Danziger Kaufleute den polnischen Hochadel in Bezug auf die Bestellung flämischer Tapisserien und niederländischer Gemälde, denn auch die Magnaten in der Adelsrepublik begannen im späten 17. und 18. Jahrhundert Kunstkabinette auf ihren Schlössern zu errichten bzw. die Schlösser mit Kunstkabinetten auszustatten. Den in Danzig tätigen niederländischen Malern war gemeinsam, dass sie für städtische oder bürgerliche Auftraggeber arbeiteten, also nicht etwa – wie in der Heimat – eine breite Marktnachfrage befriedigten.46 Auch Danziger Maler, wie Andreas Stech und Daniel Schultz, lebten überwiegend von Aufträgen der Patrizier, aber auch des polnischen Adels. Die Massenerzeugnisse an Bildern, die wir zusammen mit Alabasterfiguren in den Nachlässen der einfachen Danziger Bürger finden, scheinen importiert worden zu sein, ohne dass wir wissen, woher. Dagegen kann man bei den wohlhabenderen Danzigern in Bezug auf Mobiliar und Wandschmuck eine deutliche »Niederlandisierung« der Einrichtung feststellen. Viele Danziger scheinen die niederländischen Interieurs geradezu kopiert zu haben. Man verwendete ein ähnliches Mobiliar und hängte sich »Historien« und »Landschaften« ebenso wie Landkarten an die Wand.47 Niederländisch inspiriert war, soweit sich das aufgrund der wenigen Hinweise sagen lässt, ein Aufleben der Gildentradition, denn hierbei sind die Aktivitäten eingewanderter Niederländer nicht zu übersehen. Im Jahre 1592 baten 28 Danziger Maler unter der Führung von Jan Vredeman de Vries den Rat um die Zulassung einer Malerzunft, die dann 20 Jahre später auch Wirklichkeit wurde. 1621 entstand in Thorn ebenfalls eine Malerzunft. Sonst bleiben die Unterschiede signifikant. Im Vergleich zu den Niederlanden fehlte im südlichen Ostseeraum die Massennachfrage nach Kunst. Falls es Ansätze dazu wie in Kopenhagen oder Danzig gab, blieben diese auf die wenigen großen städtischen Zentren beschränkt. Eine Erklärung hierfür dürfte der – verglichen mit den Niederlanden – deutlich geringere Urbanisierungsgrad der Ostseeregion oder sogar die fortschreitende Deurbanisierung in der polnischen Adelsrepublik sein. Eine andere Erklärung ist im wachsenden Spannungsverhältnis zwischen der bürgerlich-städtischen Kultur und der sie umgebenden Adelskultur zu suchen. Elemente der adligen Kleidung und des adligen Lebensstiles verbreiteten sich in den Städten, so dass selbst Danziger Mennoniten in ihrer Kleidung der adligen Attraktion 46 Michael North : Das Goldene Zeitalter. Kunst und Kommerz in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 2001, S. 79 – 122. 47 Zu den Besitztümern Danziger Bürger siehe Maria Bogucka : Die Kultur und Mentalität der Danziger Bürgerschaft in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts, in : Lindquist, Sven-Olof (Hg.) : Economy and Culture in the Baltic, 1650 – 1700. Papers of the VIIIth Visby Symposium held at Gotlands Fornsal, Gotland’s Historical Museum, Visby, August 18th – 22th, 1986, Visby 1989, S. 129 – 140.
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von Farbe und Seide erlagen.48 Langfristige Folge war eine Aristokratisierung der städtischen Kultur, während die Städte ihre eigene urbane Kultur immer weniger behaupten konnten. Jedoch waren Aristokratisierung oder Feudalisierung – zumindest was die städtischen Oberschichten anbetrifft – europäische Phänomene. Sie sind in den bürgerlichen Niederlanden ebenso festzustellen wie in der polnischen Adelsrepublik.49 Gleichzeitig gab der Luxus- und Kulturkonsum polnischer Adliger dem Danziger Handel neue Aufgaben. So befriedigte ein Magnat wie Jan Klemens Branicki einen großen Teil seines adligen Lebensstiles durch Einkäufe in Danzig. Dabei standen auf seinem Einkaufszettel Uhren, Spiegel, Möbel, Gemälde und Dekorationstextilien sowie Skulpturen für die Gartenanlagen. Überall in Europa erreichte das Kunstsammeln im 18. Jahrhundert eine neue Dimension. Dies betraf nicht nur die Territorien des Heiligen Römischen Reiches, sondern auch die Königreiche Dänemark, Schweden, Polen sowie das russische Zarenreich. Eine wichtige Quelle stellten dabei die Sammlungen und die zeitgenössische Kunstproduktion der Niederlande dar. Um hierzu Zugang zu erhalten, benötigten die Fürsten Kontakte zu Händlern, Malern und Sammlern, die wiederum über Agenten, Kaufleute und internationale Kunsthändler hergestellt wurden.50 Man konnte natürlich, wie z. B. Katharina die Große von Russland, durch den Erwerb bereits bestehender bedeutender Sammlungen einen Grundstock schaffen.51 Dies enthob den Fürsten aber nicht der Sorge um den weiteren Ausbau seiner Sammlung, denn mit einer solchen und der Ausstellung in einer Galerie reihte er sich in den europäischen Wettlauf um Geschmack und Prestige ein. Wenn ein Herrscher seine Sorge um die Kunst am Hofe nicht allein Agenten und Händlern überlassen wollte, musste er selbst aktiv werden und zu Künstlern und Sammlern brieflich oder direkt Kontakt aufnehmen, indem er die Sammlungen und Ateliers auf seinen Reisen aufsuchte. Insbesondere solche Besuche, wie wir sie selbst von den Mecklenburger Herzögen im 18. Jahrhundert kennen, bildeten wichtige Impulse für die künftige Geschmacksbildung eines Fürsten und die Gestaltung seiner Sammlung mit Gemälden niederländischer Meister. Während die bürgerlichen Sammlungen in den Metropolen Amsterdam, Hamburg, Kopenhagen oder Danzig 48 Bogucka : Les relations, S. 15 ; Maria Bogucka : L’attrait de la culture nobiliaire ? Sarmatisation de la bourgeoisie polonaise au XVIIe siécle, in : Acta poloniae historica 33 (1976), S. 23 – 41. 49 Für die Niederlande, insbesondere zu Amsterdam, siehe Peter Burke : Venice and Amsterdam. A Study on Seventeenth-Century Elites, London 1974. 50 North : Das Goldene Zeitalter, S. 123 – 132. 51 Christoph Frank : Die Gemäldesammlung Gotzkowsky, Eimbke und Stein. Zur Berliner Sammlungsgeschichte während des Siebenjährigen Krieges, in : North, Michael (Hg.) : Kunstsammeln und Geschmack im 18. Jahrhundert, Berlin 2002, S. 117 – 194.
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in der Regel nach einer Generation wieder auf dem Kunstmarkt recycelt wurden, war mit der fürstlichen Sammeltätigkeit eine größere Nachhaltigkeit verbunden. Sammlungen wie die in Schwerin und Kopenhagen blieben bis heute erhalten, und die Kopenhagener Galerie stimulierte darüber hinaus nachhaltig die weitere künstlerische Entwicklung im Ostseeraum durch die »Erfindung einer nordischen Romantik«.
3.6 Wissens- und Technologietransfer Die Häfen des Ostseeraumes waren nicht nur Einfallstore für westeuropäische Kulturgüter. Auch niederländische Fachleute wurden als Humankapital in den Bereichen Schiffbau, Schifffahrt und Navigation von den Seemächten Dänemark und Schweden, aber auch von Brandenburg-Preußen angeworben. Darüber hinaus entwickelten sich die Niederlande zunehmend zu einem Zentrum des Wissens, das durch verschiedene Medien verbreitet wurde. Ein Beispiel für den Wissenstransfer ist die wachsende Buchproduktion zu allen Wissensgebieten. Ebenso wurde der Technologiereichtum der Niederlande durch Zeitungen, Reiseberichte und private Korrespondenz gleichermaßen bekannt gemacht und angezapft. Wichtig war außerdem der direkte Export von Technologie, zum Beispiel in Gestalt von Windmühlen, Schiffen und Webstühlen.52 Beginnen wir mit dem Wissenstransfer mit Hilfe der Buchproduktion. Dass in den Niederlanden im 17. Jahrhundert Bücher in allen Sprachen und zu allen Wissensgebieten gedruckt wurden, ist allgemein bekannt. So enthielt der Katalog des Verlegers Cornelis Claesz. 1610 nicht nur teure lateinische Bücher, sondern auch viel Literatur zu Schifffahrt, Handel, Navigation, Mathematik und Geometrie. Von diesen Büchern wurde ein erheblicher Teil in niederländischer und französischer Sprache ins Ausland verbreitet und ist noch heute in den einschlägigen Bibliotheken aufzuspüren. Eine Aufnahme der historischen niederländischen Buchbestände in der Universitätsbibliothek Greifswald zeigt etwa, dass auf den Gebieten Mathematik (Arithmetik/Geometrie), Astronomie und Jurisprudenz die Drucke aus Holland dominieren, während deren Autoren selbst international waren. Sie publizierten über Wissensgebiete, für welche die Leidener Universität auch den europäischen Hochschullehrernachwuchs ausbildete. So hatte die Hälfte der Professoren der Universität
52 Karel Davids : Shifts of Technological Leadership in Early Modern Europe, in : Davids, Karel/ Lucassen, Jan (Hg.) : A Miracle Mirrored. The Dutch Republic in European Perspective, Cambridge 1995, S. 338 – 366.
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Uppsala zwischen 1640 und 1660 ebenso in Leiden studiert wie ein großer Teil der an die neue Universität Åbo im 17. Jahrhundert berufenen Hochschullehrer. Weit verbreitet – institutionell wie privat – waren die nautischen Lehrbücher. Zu erwähnen sind vor allem Claes Hendricksz. Gietermakers »’t Vergulde licht der zeevaert ofte konst der stuurlieden« (Die goldene Fackel der Seefahrt oder Kunst der Navigation), Amsterdam 1659, und die »Schat-kamer ofte kunst der stuurlieden« (Schatzkammer oder Kunst der Navigation) von Klaas de Vries, 1702. Gietermakers »Vergulde licht« wurde bis ins ausgehende 18. Jahrhundert in den Seemannsschulen der Nordfriesischen Inseln benutzt, die während der langen Winterabende die friesischen Steuerleute in der Navigation unterrichteten. Noch länger, nämlich bis 1802, waren Gietermaker und de Vries in Kopenhagen und Danzig in Gebrauch. Dabei wurde Navigation, wie übrigens auch auf dem Fischland Darß, oftmals in niederländischer Sprache gelehrt. So wiesen niederländische Handbücher Norddeutschen, Dänen und Schweden zunächst den Weg in die arktischen Walfanggewässer und wenig später sogar in die Karibik und den Indischen Ozean.53 Ein weiteres Beispiel für den Technologietransfer stellt die Ausbreitung der niederländischen Windmühlentechnologie dar, die sowohl durch die Einwanderung ausgebildeter Spezialisten als auch durch den Export vorfabrizierter Mühlen oder entsprechender Maschinenteile erfolgte. Der Export der Windmühlentechnologie begann im 16. Jahrhundert mit der Errichtung von Entwässerungsmühlen im Rahmen der holländischen Kolonisation an der südlichen Ostseeküste und setzte sich an den dänischen und schwedischen Küsten im 17. Jahrhundert fort. Sogar Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der Große Kurfürst, beauftragte 1642 den Ingenieur Georg Memhardt, sich in den Niederlanden über die Entwässerungstechnologie mit Hilfe von speziellen Windmühlen zu informieren. Die Holländermühle (poldermolen), wie sie in Deutschland hieß (hollaender, holländare in Skandinavien), trat ihren Siegeszug im Norden und Nordosten an. Neben den Entwässerungsmühlen kamen Ölmühlen und Papiermühlen in Skandinavien und im südlichen Ostseeraum in Gebrauch. Zentrale Bedeutung gewann aber vor allem die Einführung niederländischer Feinschnittsägemühlen, die Schweden, Finnland und das Neva-Gebiet als Rohstofflieferanten für den Schiffbau Schwedens und Russlands sowie für den Weltmarkt überhaupt erschlossen.54 Von 53 Vgl. Christian Koninckx : Recruitment of Dutch Shipwrights for the Benefit of the Royal Shipyard of the Admiralty at Karlskrona in 1718, in : Lemmink, Jacques Ph. S./Koningsbrugge, Johannus S. A. M. van (Hg.) : Baltic Affairs. Relations between the Netherlands and North-Eastern Europe 1500 – 1800, Nijmegen 1990, S. 127 – 140. Siehe ebenso Martin Krieger : Kaufleute, Seeräuber, Diplomaten. Der dänische Handel auf dem Indischen Ozean, Köln/Weimar/Wien 1998. 54 Karel Davids : The Transfer of Windmill Technology from the Netherlands to North-Eastern Europe
Wissens- und Technologietransfer
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nun an konnten die im Schiffbau, Hausbau und Gewerbe benötigten vorgefertigten Planken, Masten, Dauben und Dielen an Ort und Stelle aus den Waldressourcen gefertigt werden.55 Während die Niederländer Riga, das als Lieferant von Flachs und Hanf sowie Holzprodukten Danzig überholte, zum Zentrum ihres Handels machten, stieg die Schiffbaunation England zum Hauptabnehmer der russischen Waldwarenproduktion des 18. Jahrhunderts auf. Englische Kaufleute ließen sich in St. Petersburg nieder, das nun zum entrepôt der französischen und englischen Güterwelten wurde. Deren Rezeption im Ostseeraum müsste aber noch genauer untersucht werden.
from the 16th to the Early 19th Century, in : Lemmink, Jacques Ph. S./Koningsbrugge, Johannus S. A. M van (Hg.) : Baltic Affairs. Relations between the Netherlands and North-Eastern Europe 1500 – 1800, Nijmegen 1990, S. 33 – 52. 55 Michael North : The Export of Timber and Timber By-Products from the Baltic Region to Western Europe, 1575 – 1775, in : North, Michael : From the North Sea to the Baltic, Essays in Commercial, Monetary and Agrarian History, 1500 – 1800, Aldershot 1996, S. 1 – 14 ; Sven-Erik Åstrom : From Tar to Timber. Studies in Northeast European Forest Exploitation and Foreign Trade 1660 – 1860, Helsinki 1988, S. 44 – 55.
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4. Brasilien
Focus : Johann Moritz von Nassau-Siegen Als Johann Moritz von Nassau-Siegen (1604 – 1679) im Jahre 1636 sein Amt als Gouverneur der niederländischen Westindischen Kompanie (WIC) in Brasilien antrat, nahm er in seinem Stab aus Gelehrten auch die Maler Frans Post und A lbert Eckhout mit, um das Land nach den Regeln der Kunst und Wissenschaft zu erfassen. Die Maler malten fast alles, was sie beobachteten – Post vor allem Landschaf ten, Eckhout überwiegend Menschen – und leisteten damit einen wichtigen Beitrag zur Kenntnis Brasiliens im Europa des 17. Jahrhunderts. In Geschichtswissenschaft, Kunstgeschichte und Ethnologie werden diese Gemälde einerseits wegen der Authentizität der Darstellungen der einheimischen Bevölkerung interpretiert und andererseits als Beispiel kolonialer Repräsentation gewürdigt. Auch wenn die niederländische Herrschaft in Brasilien Episode blieb und Johann Moritz 1644 nach Europa zurückkehrte, haben die über 100 Bilder Posts und Eckhouts das Brasilienbild maßgeblich beeinflusst.1 Dabei ist der Aspekt der fürstlichen Repräsentation von großer Bedeutung, denn Johann Moritz, der Kunstsammler und Erbauer des nach ihm benannten Mauritshuis, verschenkte den größten Teil der von ihm in Auftrag gegebenen Gemälde an europäische Potentaten, wie Friedrich III. von Dänemark (1654), den Großen Kurfürsten von Brandenburg (1652) – als dessen Statthalter in Kleve er fungierte – sowie kurz vor seinem Tode (1679) an Ludwig XIV. von Frankreich. Die bedeutendsten dieser Gemälde befinden sich also heute in Kopenhagen (Statens Museum for Kunst, Abb. 14, 15, 16) und vor allem in Paris (Louvre), wo sie auch für Tapisserien Modell standen.
1 José Antônio Gonsalves de Mello : Tempo dos Flamengos, Rio de Janeiro 42001. Als Überblick siehe Peter James Palmer Whitehead/Marinus Boeseman : A Portrait of Dutch 17th Century Brazil. Animals, Plants and People by the Artists of Johan Maurits of Nassau, Amsterdam 1989. Für Eckhout noch immer grundlegend ist : Thomas Thomsen : Albert Eckhout. Ein niederländischer Maler und sein Gönner Moritz der Brasilianer. Ein Kulturbild aus dem 17. Jahrhundert, Kopenhagen 1938. Das anhaltende Interesse an Eckhout demonstriert der Ausstellungskatalog : O retorno de Albert Eckhout/ The Return of Albert Eckhout, Recife/Brasilia/São Paulo 2002 – 2003.
Das niederländische Interesse an Brasilien
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4.1 Das niederländische Interesse an Brasilien Die Beziehungen zwischen den Niederlanden und Brasilien waren viel älter als die Unternehmungen der Westindischen Kompanie. Sowohl bei der spanischen Besiedlung der Kanaren als auch bei der Migration und der landwirtschaftlichen Nutzung der portugiesischen Azoren und Madeiras spielten flämische Kaufleute eine Rolle, die Bauern aus ihrer Heimat rekrutierten und eine Zuckerindustrie unter Ausbeutung afrikanischer Sklaven etablierten. Die Zuckerproduktion wanderte im Zuge der portugiesischen Expansion zunächst von Madeira nach São Tomé im Golf von Guinea und weiter über den Atlantik nach Salvador und Pernambuco/Recife. Brasilianischer Zucker und afrikanische Sklaven prägten die südatlantische oder luso-atlantische Welt, in der flämische Unternehmer als Vermittler und Abnehmer tätig waren. Es entwickelte sich ein Dreieckshandel zwischen Antwerpen, Lissabon und Brasilien, in dem holländische und seeländische Schiffe Brasilholz und Zucker zurück nach Europa brachten, wo dieser in Antwerpen und später Amsterdam raffiniert und von dort aus weiter verteilt wurde. Mit dem Ablauf des Zwölfjährigen Waffenstillstandes und der Gründung der WIC 1621 schien der Gedanke eines direkten Engagements in der brasilianischen Zuckerproduktion nicht mehr fern. Bis dahin waren die Niederländer in erster Linie Transporteure und Mittelsmänner gewesen. Insbesondere einige der ersten WIC-Direktoren, die selbst in Brasilien gelebt hatten, hielten die Erfolgsaussichten für groß und planten eine Invasion in Salvador.2 Jedoch konnten sich die Niederländer dort nur ein knappes Jahr von Mai 1624 bis April 1625 halten, bevor sie sich einer iberischen Übermacht geschlagen geben mussten. Eine niederländische Hilfsflotte unter Boudewijn Hendricksz. kam zu spät. Sie segelte weiter nach Norden zur Paraíba-Mündung und nahm Kontakte mit den einheimischen Potiguar auf mit dem gemeinsamen Ziel, gegen die portugiesische Herrschaft zu kämpfen. Die Erfolge blieben überschaubar, wichtiger war wohl der Eindruck, den 13 Potiguar, die mit Hendricksz. zurücksegelten, in den Niederlanden hinterließen. Sie wurden getauft, lernten Niederländisch und stellten ihre geographischen Kenntnisse der WIC zur Verfügung. Möglicherweise waren es ihre Erzählungen, die die WIC dazu veranlassten, ihre nächste Invasion im Norden, in Pernambuco, zu versuchen, wo sie 1630 Recife und Olinda im Zuckerproduktionsgebiet eroberten und Recife zum Hafen und Hauptquartier der WIC in Brasilien ausbauten. Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Portugiesen in Brasilien gingen jedoch ebenso weiter wie die Kämpfe zwischen den Niederlanden und Spanien in der spanischen Karibik und in Europa. 2 Wim Klooster : The Dutch Moment. War, Trade, and Settlement in the Seventeenth-Century Atlantic World, Ithaca/London 2016, S. 33 – 66.
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Brasilien
Es war daher naheliegend, einen im Kampf gegen Spanien erfahrenen Militär für Brasilien zu rekrutieren. Die Wahl fiel auf Johann Moritz von Nassau-Siegen, der im Achtzigjährigen Krieg an vielen Fronten gekämpft hatte und durch seine Herkunft aus dem Haus Nassau-Dillenburg in der Niederländischen Republik gut vernetzt war. Ausgebildet am Gymnasium in Herborn, studierte er während seiner Kavaliers tour an der Universität Basel und eignete sich viele Sprachen an. Nachdem er von der Westindischen Kompanie berufen worden war, ging Johann Moritz zielstrebig daran, die niederländische Herrschaft in Brasilien zu stabilisieren. Dies geschah nicht nur durch die Kooperation mit indigenen Verbündeten, sondern auch durch den Aufbau einer Infrastruktur. Hierzu gehörten die Anlage neuer Forts und Bollwerke sowie der Ausbau der bestehenden Festungen. Auf der Insel Antonio de Vaz (benannt nach ihrem früheren Besitzer Antônio de Vaz) legte Johann Moritz die nach ihm benannte Mauritsstad (Moritzstadt) geometrisch an und verband diese mit einer Brücke mit dem auf einer Landzunge gelegenen alten Recife. Ebenfalls auf der Insel Vaz ließ Johann Moritz nach Plänen von Pieter Post eine persönliche Residenz namens Vrijburgh (Freiburg) errichteten, die aus einem Palast mit zwei Türmen und einem Lustgarten bestand. Außerdem gab er dort den Auftrag zu einem Lusthaus Boa Vista, in dem auch Gäste des Gouverneurs untergebracht wurden. Die Wissenschaft kam ebenfalls nicht zu kurz, denn der deutsche Gelehrte Georg Marcgraf erhielt die Aufgabe, ein Observatorium und einen botanischen Garten anzulegen. Marcgraf, der als Astronom, Kartograf und Naturkundler arbeitete, war einer aus der Wissenschaftler- und Künstlergruppe, die Johann Moritz 1637 mit nach Brasilien genommen hatte. Dazu gehörten auch der Arzt Willem Piso und die Maler Albert Eckhout und Frans Post, die zusammen einen Überblick über Flora und Fauna, aber auch Land und Leute Brasiliens bieten und für Zeitgenossen und Nachwelt festhalten sollten. Neben jenen muss aber auch die große Zahl derjenigen erwähnt werden, die als Soldaten im Dienst der WIC nach Brasilien aufbrachen, in Brasilien oder später in Ostindien bzw. in Europa Karriere machten und wichtiges Anschauungsmaterial hinterließen. Hierzu zählten Caspar Schmalkalden, Zacharias Wagener, aber auch Johan Nieuhof, dem wir den ersten großen Reisebericht über China verdanken.3 Vor allem die Künstler prägten das europäische Brasilienbild. 4.2 Frans Post Während Marcgraf als erster in Brasilien wirkender Astronom angesehen wird, war Frans Post ein Pionier der brasilianischen Landschaftsmalerei. Post entstammte ei3 Siehe Kapitel »China«.
Frans Post
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ner Haarlemer Malerfamilie – sein Vater war Glasmaler ; sein Bruder der berühmte Maler und Architekt Pieter Post. Gewöhnt an die holländische Landschaft mit dem weiten Himmel, erlebte Post in Brasilien ein neues Klima und eine reichhaltige Natur. Er ging sofort daran, brasilianische Themen zu malen, und diese Vorliebe sollte er nie mehr aufgeben. Die rund 160 Ölgemälde werden von Kunsthistorikern vier Schaffensperioden zugeschrieben, die von seinem Eintreffen in Brasilien bis zu seinem Tod (1680) reichen.4 In seiner ersten produktiven Phase reflektiert Post die Begegnung mit der neuartigen Landschaft und den dort lebenden Menschen. Die Mehrheit dieser Gemälde wurde von Johann Moritz Ludwig XIV. von Frankreich vermacht und befindet sich fast ausschließlich im Louvre. Eines der bemerkenswerten Bilder der ersten Phase aus dem Jahr 1640 zeigt die Insel Antonio de Vaz mit einem Blick auf das Fort Frederik Hendrik (benannt nach dem Statthalter Friedrich Heinrich) noch vor der eigentlichen Anlage von Mauritsstad. Neben dem topographischen Detail sind im Vordergrund die drei Personen von Interesse. Sie stellen nach der Auffassung verschiedener Kunsthistoriker*innen symbolisch die Bewohner Brasiliens dar : ein europäischer Mann, der dem Betrachter den Rücken zuwendet ; eine indigene Frau oder Mestizin in europäischer Kleidung und ein afrikanischer Sklave, der eine holländische Tonpfeife raucht.5 Nach Posts Rückkehr (zusammen mit Johann Moritz) in die Niederlande 1644 setzte der Maler die brasilianische Tradition fort, wozu er sein visuelles Gedächtnis ebenso wie die Zeichnungen in seinen Skizzenbüchern nutzte. Auch diese Bilder sind detailreich im Hinblick auf Topographie und Architektur. In der folgenden Phase löste Post sich vom Detail und ließ das Landschaftserlebnis ebenso auf den Betrachter wirken wie z. B. die verschiedenen Zuckermühlen. In den 1660er Jahren befriedigte Post dann verschiedene Vorlieben niederländischer und sogar ausländischer Sammler. Für diese malte er »westindische Landschaften«, denn genaue Darstellungen Nordostbrasiliens scheinen die Europäer weniger interessiert zu haben. Die reiche tropische Vegetation mit Bäumen, Vögeln, exotischen Tieren, aber auch Zuckermühlen, Dörfer mit schwarzen Sklaven und der indigenen Bevölkerung fanden dagegen viele Abnehmer.
4 Pedro Corrêa do Lago/Bia Corrêa do Lago : Frans Post (1612 – 1680). Catalogue Raisonné, Milano 2007. 5 Bia Corrêa do Lago/Pedro Corrêa do Lago : Os quadors de Franz Post na coleçãgo do Institutio Ricardo Brennand. Paintings by Frans Post in the collection of Institutio Ricardo Brennand, in : Corrêa do Lago, Bia (Hg.) : Frans Post e o Brasil Holandês na coleção do Instituto Ricardo Brennand. Frans Post and Dutch Brazil in the Collection of Instituto Ricardo Brennand, Recife 2010, S. 23 – 27.
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Brasilien
Das letzte datierte Gemälde stammt aus dem Jahr 1669, aber danach entstanden weitere undatierte Gemälde, die möglicherweise auch als Kopien anzusehen sind. Diese erfreuten sich auf dem Kunstmarkt einer großen Nachfrage. Bereits nach Posts Rückkehr hatte der Statthalter Friedrich Heinrich den Maler mit der Anfertigung von zwei großen westindischen Landschaften beauftragt. Auch in den Sammlungen bekannter Sammler, wie Johan von Tongeren und Jan Six, tauchen Gemälde von Post auf, die ebenfalls in Haarlem ihre Liebhaber fanden. Die internationalen Sammler niederländischer Gemälde, wie Augustin Blondel de Gagny und Prinz Conti, Louis- François de Bourbon, in Frankreich, ersteigerten Post-Gemälde auf Auktionen. Norddeutsche Auktionen waren möglicherweise die Quelle für die beiden Bilder, die die Herzöge von Mecklenburg für die Schweriner Galerie erwarben (Abb. 13). Dagegen kaufte der Galeriedirektor Gerhard Morell ein Gemälde für Kopenhagen 1763 in den Niederlanden an und schmückte mit einer »Westindischen Landschaft« auch seine privaten Wände.6 Den Ankauf auf dem niederländischen Kunstmarkt notiert Morell wie folgt : 122/507 – Frans Post. Eine Westindische Landschaft nach der Natur so schön man Sie jemahlen von Ihm sehen kan 30 Rtl.
Er begleitete den Prinz Maurits auf seiner Reise nach Brasilien welches Ihm Gelegenheit
gab, die dasigen Gegenden nach der Natur zu mahlen, Er hat in dessen Lebens Beschrei-
bung in groß Folio die Kupferstiche sehr wohl geätzt und starb 1680 in Harlem ; niemand
als Er hat sonst Westindische Landschaften gemahlet, es ist noch eine zu Friedensburg, die aber dieser bey weiten nicht zu vergleichen.7
Kopenhagen war ohnehin ein wichtiges Zentrum für Gemälde aus Niederländisch- Brasilien, da Johann Moritz einen Großteil der Gemälde von Albert Eckhout ebenso wie Objekte seines Kuriositätenkabinettes dem König von Dänemark vermacht hatte. Posts Skizzen und Zeichnungen wurden aber auch noch auf anderem Wege verbreitet. Sie waren eine wichtige visuelle Quelle für die »Brasilianische Geschichte« von Caspar Barlaeus,8 die sich der achtjährigen Herrschaft von Johann Moritz in 6 Rebecca Parker Brienen : Who Owns Frans Post ? Collecting Frans Post’s Brazilian Landscapes, in : Groesen, Michiel van (Hg.) : The Legacy of Dutch Brazil, Cambridge/New York 2014, S. 229 – 247, hier S. 230 – 237. 7 Verzeichniß derer von Ihro Königlicher Majestätt Anno 1763 eingekauften Mahlereyen von Ihro Königlich Majestätt alleruntersthänigster Gerhard Morell adjung. Kunstkammer Verwalter, in : Michael North : Gerhard Morell und die Entstehung einer Sammlungskultur im Ostseeraum des 18. Jahrhunderts, Greifswald 2012, S. 138. 8 Caspar Barlaeus : Brasilianische Geschichte bey achtjähriger in selbigen Landen geführter Regie-
Georg Marcgraf
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13 Frans Post, Brasilianische Landschaft mit Herrenhaus und Zuckermühle.
Brasilien gleichsam hagiographisch widmet. Entsprechend werden unter anderem die Paläste Vrijburgh und Boa Vista ebenso wie Mauritsstad dargestellt, natürlich auch andere Festungen und Siedlungen, wie Olinda und Igarassu sowie Frederica am Fluss Paraíba. Da Barlaeus’ »Brasilianische Geschichte« in mehreren Auflagen und Sprachen erschien, war die Verbreitung zumindest europaweit. In das Werk gingen auch einige Karten von Georg Marcgrafs Expeditionen ein, die im Innern mit Kupferstichen von Posts Skizzen ergänzt wurden, um die »weißen Flecken« zu füllen. Ähnliches kann man für die »Historia naturalis Brasiliae« (1648) sagen, an der mehrere Gelehrte wie Piso und Marcgraf mitgewirkt hatten.9
4.3 Georg Marcgraf Der Sachse Marcgraf hatte an mehreren deutschen Universitäten, wie Wittenberg, Rostock und Greifswald, studiert, bevor er sich Mitte der 1630er Jahre in Leiden rung des Fürsten Johann Moritz zu Nassau, Cleve 1659. 9 Willem Piso/Georg Marcgraf (Hg.) : Historia naturalis Brasiliae, Amsterdam 1648.
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immatrikulierte. Hier arbeitete er sowohl im botanischen Garten als auch am Observatorium, das er für astronomische Studien nutzte. In Leiden muss er Kontakte zur WIC, vermutlich zu Johannes de Laet, einem ihrer Gründungsdirektoren, geknüpft haben. Auch wird er dort Willem Piso, dem späteren Arzt Johann Moritz’ in Brasilien, begegnet sein. De Laet hatte 1625 eine programmatische Beschreibung West indiens vorgelegt und sollte später als Herausgeber und Verleger einen wesentlichen Beitrag zur Publikation der »Historia naturalis Brasiliae« leisten. 1638 kam Marcgraf in Brasilien an, das er 1643 in Richtung Angola verließ, um dort ebenso wie in Brasilien Karten für die WIC anzufertigen. Da er dort 1664 erkrankte und verstarb, sind wir für sein Leben allein auf die von seinem Bruder Christian verfasste kurze Biographie angewiesen. In Brasilien unternahm Marcgraf mehrere Expeditionen in das Landesinnere. Diese sollten der Landesaufnahme dienen, worüber die erhaltenen und bei Barlaeus veröffentlichten Karten Zeugnis ablegen.10 Bei diesen Unternehmungen ging es vor allem um die Erschließung und Beherrschung des Raumes, das Sondieren von Allianzen mit der indigenen Bevölkerung sowie die wirtschaftliche Ausbeutung. Daneben wurden Fische und Tiere gefangen, erlegt und verspeist, und Marcgraf führte über diese verschiedenen Species Buch. Ein Teil seiner Skizzen und Aufzeichnungen von Flora und Fauna bereicherte die »Historia naturalis Brasiliae«, wo z. B. einzelne Tiere in den drei Sprachen Tupi, Portugiesisch und Niederländisch bezeichnet und minutiös beschrieben wurden. Die Publikation war aber das Werk Johannes de Laets, der die Notizen Marcgrafs entzifferte, redigierte und zur Veröffentlichung vorbereitete. Glücklicherweise war Marcgrafs Seemannskiste mit seinen Zeichnungen, Notizen und seiner Naturaliensammlung bereits direkt in die Niederlande verschifft worden. Zur »Historia naturalis Brasiliae« trug Willem Piso mit einem Beitrag über die Krankheiten Brasiliens und die gegen sie eingesetzten Heilpflanzen bei.11 Aus der Feder Marcgrafs stammen weiter zahlreiche Zeichnungen von Pflanzen und Tieren, die zusammen mit Gemälden, Aquarellen, Gouachen und Ölskizzen von Albert Eckhout und anderen Künstlern in die siebenbändige Sammlung »Theatrum rerum naturalium Brasiliae« eingingen. Während nur ein geringer Teil der Marcgrafschen Zeichnungen als Vorlage für Kupferstiche der »Historia naturalis Brasiliae« diente, war sein Beitrag zum »Theatrum« bedeutend. Aus dem Corpus der Flora-, Fauna- und Personenbilder, die Johann Moritz an Kurfürst Friedrich Wilhelm von 10 Caspar Barlaeus : Rerum per octennium, Amsterdam 1647. 11 Júnia Ferreira Furtado : Tropical Empiricism. Making Medical Knowledge in Colonial Brazil, in : Delbourgo, James/Dew, Nicholas (Hg.) : Science and Empire in the Atlantic World, New York 2008, S. 127 – 151.
Albert Eckhout
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Brandenburg verkaufte, wurden die genannten sieben Bände zusammengestellt. Davon stammen die ersten beiden weitgehend von Marcgraf, ein weiterer von verschiedenen Zeichnern. Die übrigen vier Bände mit zahlreichen Ölskizzen werden Albert Eckhout zugeschrieben.
4.4 Albert Eckhout Eckhouts Menschenbilder und exotische Tierbilder prägten nachhaltig das europäi sche Brasilienbild und wurden in vielen Medien reproduziert. Eckhout stammte aus Groningen und erhielt dort oder in Amersfoort seine Ausbildung als Maler. In den 1630er Jahren ließ er sich in Amsterdam nieder, wo er vermutlich als Zeichner Abbildungsvorlagen von Pflanzen und Tieren für Amsterdamer Verlage schuf. Auf diese Weise wurden Johannes de Laet oder Johann Moritz selbst auf ihn aufmerksam, der ihn für seine Brasilien-Mannschaft gewann.12 Aus dem vielfältigen Werk Albert Eckhouts ragen die lebensgroßen Gemälde verschiedener Einwohner Brasiliens ebenso heraus wie die großformatigen Stillleben mit exotischen Früchten. Man nimmt an, dass die zwischen 1641 und 1643 geschaffenen Bilder ursprünglich für die Ausstattung von Johann Moritz’ Palast Vrijburgh gedacht waren. Nach seiner Rückkehr aus Brasilien hingen die Gemälde in seiner Haager Residenz, dem von Jacob van Campen errichteten Mauritshuis.13 Die »ethnographischen« Porträts stellen die ersten großformatigen Gemälde von Bewohnern Südamerikas dar und zeigen vier verschiedene Paare, denen bemerkenswerterweise einheimische Früchte und Objekte zugeordnet werden, die sich auch auf den Stillleben befinden. Neben den detailgetreuen Darstellungen werden europäische Sichtweisen produziert, aber auch die Beziehungen der Niederländer zu den verschiedenen Ethnien reflektiert. Während der Tapuya-Mann und seine Frau nackt abgebildet werden und somit Wildheit bis zum Vorwurf des Kannibalismus repräsentieren, ist das Tupi-Paar 12 Rebecca Parker Brienen : Visions of Savage Paradise. Albert Eckhout, Court Painter in Colonial Dutch Brazil, Amsterdam 2006, S. 28 – 32. 13 Parker Brienen : Visions of Savage Paradise, S. 34 – 35. Denise Daum und andere nehmen an, dass die Signaturen und die auf den Gemälden angegebenen Datierungen 1641 und 1643 später nachgetragen und daher der Gemäldezyklus erst 1646 und 1653 vollendet wurden. Danach wären die Gemälde auch nicht mehr im Mauritshuis ausgestellt worden. Denise Daum : Albert Eckhouts »gemalte Kolonie«. Bild- und Wissensproduktion über Niederländisch-Brasilien um 1640, Marburg 2009, S. 23 – 25. Eine spätere Anbringung der Signaturen ist laut Parker Brienen kein Indiz dafür, dass auch die Gemälde erst dann geschaffen wurden. Parker Brienen : Visions of Savage Paradise, S. 36 – 37.
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14 Albert Eckhout, Sklavin und Sklavenhändler aus der Serie von acht ethnographischen Porträts, 1641.
in Leinen gekleidet. Die Tupi, die zum Teil von den Portugiesen missioniert worden waren und als Alliierte von den Niederländern geschätzt wurden, platziert Eckhout vor einer Maniokwurzel bzw. einer Plantage, wobei die Frau eine Hängematte auf dem Kopf und eine Kalebasse an der Hand trägt. Das afrikanische Paar hat Rebecca Parker Brienen als einen Sklavenhändler aus Guinea identifiziert, der vermutlich die Frau aus Angola nach Brasilien brachte. Sie hält in ihrer rechten Hand einen afrikanischen Korb mit brasilianischen Früchten, schmückt sich mit Perlen und Korallenketten und in ihrem Gürtel steckt – wie bei vielen anderen Sklaven – eine Goudaer Pfeife ; Attribute verschiedener Kontinente prägen so ihre Identität.14 Ein weiteres Paar wird als Mulatto und Mameluca bezeichnet, Begriffe, die wir auch bei Theodor de Bry oder Hans Staden finden und die die Nachkommen von europäischen Vätern und indigenen Müttern oder Afrikanerinnen bezeichnen. Sie sind bei Eckhout europäisch gekleidet und repräsentieren die Gesellschaft der WIC-Niederlassung.15 14 Parker Brienen : Visions of Savage Paradise, S. 143 – 153. 15 Ebd.: S. 157 – 168.
Albert Eckhout
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15 Albert Eckhout, Brasilianische Früchte.
Eckhouts zwölf Stillleben befriedigen dagegen die europäische Begeisterung für südamerikanische Früchte, indem Ananas, Melonen, Kokosnüsse, Papayas, Kürbisse, Zucchini, Bananen, Mangos und Passionsfrucht mit Kakteen und Maniokwurzeln zu üppigen Früchtestillleben zusammengestellt werden. Die Faszination für Brasilien zeigt dann noch ein weiteres großformatiges Gemälde, auf dem tanzende Tapuyas mit ihren Speeren zu sehen sind. Dass die Tapuyas nackt tanzten, bediente die Klischees und den Voyeurismus der prüden Europäer. Entsprechend ließ Johann Moritz bei der Einweihung seines Mauritshuis eine Gruppe von Tapuyas auftreten, die er 1644 aus Brasilien mitgebracht hatte. Zehn Jahre später verehrte Johann Moritz die acht Eckhout-Porträts und zwölf Stillleben König Friedrich III. von Dänemark. Zu diesem Geschenk gehörten außer-
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16 Albert Eckhout, Tanzende Tapuyas, 1640 – 1644.
dem die »Tanzenden Tapuyas« sowie drei Porträts des kongolesischen Botschafters Miguel de Castro und seiner Begleitung, der Johann Moritz in Recife besucht hatte und die von der WIC bei Jasper Becx in Auftrag gegeben worden waren.16 Der Dänenkönig hatte 1649 Johann Moritz in den Elefantenorden aufgenommen und sich auch für seine Erhebung zum Reichsfürsten eingesetzt. Entsprechend lag es nahe, dass sich Johann Moritz mit Bildern, Gemälden, Gaben und brasilianischen Objekten für diese Gunst revanchierte, nachdem er von dem königlichen Interesse an seiner Brasiliensammlung erfahren hatte. Friedrich III. bereicherte mit den Gemälden seine Kunstkammer.17 Jedoch vermisste Johann Moritz am Ende seines Lebens die Eckhout-Bilder und ließ 1679 den niederländischen Botschafter Jacob le Maire (der mit ihm in Brasilien gewesen war) beim neuen dänischen König fragen, ob dieser die Bilder schätzte. Dies konnte der Botschafter nur bestätigen. Zur selben Zeit vermachte Johann Moritz seine früheren Post-Gemälde Ludwig XIV. von Frankreich, nachdem die militärischen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und den Niederlanden beendet worden waren. Neben den Post-Gemälden empfing der König acht Kartons mit Darstellungen von Flora und Fauna Brasiliens von Eckhout. Nach diesen Kartons ließ Ludwig XIV. ab 1687 in der 16 Katie Heyning : Terug naar Zeeland. Topstukken uit de 16e en 17e eeuw. Catalogue of an Exhibition held in 2008 in Middelburg (Zeeuws Museum), Middelburg 2008. 17 Daum : Albert Eckhouts, S. 25 – 27. Zwei Porträts von Johann Moritz wurden später in der Gemäldegalerie aufgehängt.
Zacharias Wagener und Caspar Schmalkalden
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Manufacture Royale des Gobelins mehrere Serien mit Gobelins der »Anciennes et Nouvelles Indes« fertigen, die sich eng an den Vorlagen Eckhouts orientieren, aber auch Elemente aus Posts Gemälden integrieren.18 Eckhouts Gemälde und Zeichnungen wurden gleichfalls im Heiligen Römischen Reich geliebt und weiterverbreitet. Ein Teil der Zeichnungen und Aquarelle vermachte Johann Moritz, wie bereits erwähnt, Friedrich Wilhelm von Brandenburg. So befanden sich auch in Schloss Schwedt bis 1945 mehrere Eckhout zugeschriebene Gemälde, denen Eckhouts Zeichnungen und Bilder Brasiliens zugrunde lagen. Sie stammen ebenso wie eine asiatische Marktszene mit einheimischen Früchten möglicherweise aus seiner Werkstatt oder von lokalen Nachahmern.19 Auf Empfehlung von Johann Moritz wurde Johann Georg II. von Sachsen auf Eckhout aufmerksam, für den er die Deckengemälde im Schloss Hoflößnitz mit 80 brasilianischen Vögeln gemalt haben soll. Die einfache Ausführung durch verschiedene Hände und der sächsische Landschaftshintergrund lassen aber vermuten, dass hier lokale Maler am Werk waren, die sich die Ölskizzen Eckhouts aus dem »Theatrum rerum naturalium Brasiliae« zum Vorbild nahmen. Einige Deckengemälde zeigen darüber hinaus Motive, die Zacharias Wagener in seinem »Thierbuch« dargestellt hat.20
4.5 Zacharias Wagener und Caspar Schmalkalden Der Dresdener Zacharias Wagener hatte sich nach dem Schulbesuch in Sachsen bei dem Kartografen und Verleger Willem Blaeu in Amsterdam zum Zeichner ausbilden lassen und war 1634 als Soldat der WIC nach Brasilien gereist. Im Umkreis von Johann Moritz avancierte er zum Schreiber und machte sich durch seine detaillierten Zeichnungen einen Namen. Einen Großteil dieser stellte er in seinem sog. »Thierbuch« zusammen, das als bebilderter Bericht für seine Freunde zu Hause aufzufassen ist. Das Thierbuch umfasst Zeichnungen von Tieren, Früchten und verschiedenen ethnischen Gruppen, aber auch Darstellungen von Alltagsszenen und Gebäuden. Eingehend beschrieben werden nicht nur Pflanzen und Tiere, sondern auch die Sklavenmärkte von Recife, die Ausbeutung der Sklaven sowie der Zuckeranbau. Die Zeichnungen sind exakt, aber sie atmen nicht die Lebendigkeit der Bilder Eckhouts.21 18 Gerlinde Klatte/Helga Prüssmann-Zemper/Katharina Schmidt-Locke : Exotismus und Globalisierung, Berlin 2016. 19 Follower of Albert Eckhout. Chinese trades people with Brasilian fruit, ca. 1653 – 1663. Schwedt an der Oder, Schloss Schwedt (https://rkd.nl/en/explore/images/281353, letzter Zugriff : 24.07.2020). 20 Sybille Pfaff : Zacharias Wagener (1614 – 1668), Dissertation Universität Bamberg 1997, Teil 2, S. 20. 21 Ebd.: S. 34 – 40.
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17 Zacharias Wagener, Sklavenmarkt.
Oft waren die Tiere schon tot, bevor sie gezeichnet wurden, oder die Pflanzen und Früchte wurden auf einer Mauer arrangiert, wogegen Eckhout seine Früchte zu Stillleben komponiert. Anders als Eckhout hatte aber Wagener intensiven Kontakt zu den Einheimischen, die ihm die Bälge toter Tiere, Schildkrötenpanzer oder andere Kuriositäten vorbeibrachten. Darüber hinaus lernte Wagener auf mehreren Reisen ins Landesinnere Flora und Fauna besser kennen als Eckhout, der möglicherweise auch von den Zeichnungen Wageners angeregt wurde. Auffällig sind die großen Übereinstimmungen zwischen den acht Porträts der verschiedenen ethnischen Gruppen bei Eckhout und bei Wagener im Thierbuch. Jedoch gibt es auch Unterschiede im Detail, so trägt die Sklavin aus Angola bei Wagener ein Brandzeichen, der diese Praxis der Sklavenhalter ebenfalls beschreibt. Da Wagener Brasilien schon vor der Fertigstellung der lebensgroßen Porträts durch Eckhout verlassen hatte, müssen Wageners Darstellungen der verschiedenen Einwohner Brasiliens entweder in der Kenntnis der Eckhoutschen Entwürfe entstanden sein oder beide arbeiteten gleichzeitig an diesen Themen. Auch scheinen Zeichnungen Wageners und anderer ebenso wie wahrscheinlich das Thierbuch in Amsterdam bekannt gewesen zu sein und im Umkreis des Verlages Blaeu Verbreitung gefunden zu haben.
Zacharias Wagener und Caspar Schmalkalden
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So zeigt eine Sammlung von Aquarellen mit Darstellungen ethnischer Gruppen, die der Sekretär Sylvanus Brownover für John Locke zusammenstellte, sechs Porträts von Eckhout bzw. Wagener, wobei Brownover im Detail Wagener und nicht Eckhout folgt.22 Das heißt, eine Vielzahl von Vorlagen und Bildern zirkulierte, die weitergegeben, kopiert, vervielfältigt, aber auch mündlich kommuniziert wurden. Aus diesem Fundus bediente sich Caspar Schmalkalden ebenfalls. Schmalkalden kam wie Wagener als Soldat der WIC nach Brasilien, wo er bis 1643 blieb und an einer Expedition nach Chile teilnahm. Danach ging er, ähnlich wie Wagener, im Dienst der VOC nach Batavia. Nach seiner Rückkehr in den 1650er Jahren verfasste er einen zweigeteilten Reisebericht, der einerseits seinen Aufenthalt in Brasilien und Chile beschreibt, andererseits von der Reise über das Kap der Guten Hoffnung, Batavia, Formosa und Japan berichtet. Auch Schmalkalden orientierte sich an Porträts Eckhouts oder Wageners, die er als Federzeichnungen frei variierte. Daneben schöpfte er aus einer Vielzahl von Skizzen von Eckhout, Marcgraf, Piso oder Post, die er wohl meistens in Brasilien gesehen hatte. Abbildungen aus Barlaeus’ Chronik nutzte er ebenfalls als Vorlagen.23 Johan Nieuhofs »Reise von Brasilien nach China« folgt gleichfalls Eckhoutschen Vorbildern, die damals allgemein bekannt gewesen sein müssen. 13 Kupferstiche bilden brasilianische Ureinwohner, wie die Tapuya, ebenso ab wie Festungen, Pflanzen und Tiere. Möglicherweise hat Nieuhof das Bildmaterial 1671 kopiert, als er in die Niederlande zurückkehrte und auch Johann Moritz traf. Jedoch wurde Nieuhofs Werk ohnehin erst nach seinem Tod von seinem Bruder zusammengestellt. Dabei erscheint das Anknüpfen an Eckhouts Figuren, aber auch an die Zeichnungen Marc grafs Authentizität zu suggerieren.24 Umgekehrt liefern jene in der gedruckten Version der »Historia naturalis Brasiliae« einen Motivfundus für weitere Künstler, so für Jan van Kessels »Zyklus der Erdteil-Allegorien«.25
22 Ebd.: S. 42. 23 Wolfgang Joost : Die wundersamen Reisen des Caspar Schmalkalden nach West- und Ostindien 1642 – 1652, Leipzig 1983. 24 Friederike Ulrichs : Johan Nieuhofs Blick auf China (1655 – 1657). Die Kupferstiche in seinem Chinabuch und ihre Wirkung auf den Verleger Jacob van Meurs, Wiesbaden 2003. 25 Robert Bauernfeind : Die Ordnung der Dinge durch Malerei. Jan van Kessels Münchener Erdteile-Zyklus, Dissertation Universität Augsburg 2015, S. 98 – 102.
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4.6 Sammlungen und Medien Vor dem Hintergrund dieser vielfältigen Remedialisierungen der Gemälde Posts und Eckhouts sowie der zahlreichen in diesem Kontext entstandenen Zeichnungen muss betont werden, dass diese Medien ja nur eine Möglichkeit darstellten, Brasilien begreifbar zu machen. Mindestens ebenso wichtig waren die Kunstkammer bzw. die Sammlung, die Johann Moritz in Brasilien und im Mauritshuis ausstellte. Ein Teil der Objekte wurde im Gabentausch ähnlich wie die Gemälde weitergegeben. In Brasilien sammelte Johann Moritz eifrig Gegenstände und auch Geschenke, die er von den Einheimischen erhielt. Er schaute sich die Dinge an, die die portugiesisch-brasilianischen Bewohner Recifes besaßen, so dass er aus diesem Kreis Gaben von den einheimischen Eliten erhielt, z. B. seltene Vögel wie Papageien (lebend oder ausgestopft), Affen, Rosenholz, Federn oder Zucker sowie brasilianische Früchte und Pflanzen. Letztere landeten in Herbarien, wogegen die anderen Geschenke in Johann Moritz’ Sammlung einverleibt wurden. Da das Interesse von Johann Moritz bekannt war, versuchten die Einheimischen, ihn durch Gaben wohlwollend zu stimmen. Johann Moritz nutzte selbst Geschenke, um in Kontakt mit der indigenen Bevölkerung zu kommen und diese als Verbündete zu gewinnen. So schenkte er Leinen, Frauenkleider, Messer und Angelhaken und erhielt im Gegenzug Pfauenfedern und natürlich auch Pfeil und Bogen. Federgestecke und Federmäntel waren eine Spezialität der Tupi, die diese den Europäern seit dem 16. Jahrhundert verehrten, um mit ihnen ins Geschäft zu kommen.26 Der Gabentausch beschränkte sich aber nicht nur auf die einheimischen Eliten und die indigene Bevölkerung. Da die WIC auch in Westafrika operierte, wurde sie zu einem Bundesgenossen der Könige des Kongo, die von den Niederländern Hilfe gegen die Portugiesen erwarteten. Gesandte aus diesen Regionen besuchten Johann Moritz in Brasilien und übergaben ihm Präsente. Hierzu gehörten nach der Aussage von Barlaeus im Jahre 1643 z. B. 200 Sklaven, ein Halsband und eine Silberschale. Im Gegenzug schickte Johann Moritz einen goldund silberbestickten Seidenmantel (satin doublet), einen Biberhut (aus Nordamerika) und ein Schwert. Besonders interessant ist die Silberschale, die sich heute als Taufschale in der Nikolai-Kirche in Siegen befindet. Sie stammte ursprünglich aus Peru, wurde von spanisch-portugiesischen Händlern zum Einkauf von Sklaven in Westafrika genutzt und landete am Hof des Königs von Kongo, der die Schale zurück über
26 Amy J. Buono : Tupi Featherwork and the Dynamics of Intercultural Exchange in Early Modern Brazil, in : Anderson, Jaynie (Hg.) : Crossing Cultures. Conflict, Migration and Convergence. The Proceedings of the 32nd International Congress of History of Art, Melbourne 2009, S. 291 – 295.
Sammlungen und Medien
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den Atlantik als Geschenk für Johann Moritz schickte. Johann Moritz vermachte sie 1658 mit anderem Silbergerät seiner Heimatkirche in Siegen. Zurück in Den Haag präsentierte Johann Moritz seine Sammlung ausgesuchten Besuchern, wie er auch immer interessiert war, andere Brasilienreisende zu empfangen. Er feierte brasilianische Abende mit Tanz, musikalischen Aufführungen und Bällen, wozu scharfe »brasilianische Getränke« gemixt und serviert wurden und indigene Tänzer als lebende Objekte auftraten. Bei diesen oder anderen Gelegenheiten müssen auch die Porträts entstanden sein, auf denen sich weibliche Angehörige des Oranierhofes wie Maria Henrietta Stuart und Sophie von der Pfalz mit Federkopfschmuck und bunten Federmänteln porträtieren ließen.27 Einige dieser Federmäntel gelangten dann ebenfalls schon im 17. Jahrhundert in die Kopenhagener Kunstkammer.28 Wie auch seine Bilder verschenkte Johann Moritz Teile seiner Sammlung an euro päische Fürsten. Dem Statthalter Friedrich Heinrich hatte er bereits wilde Tiere aus Brasilien geschickt und auch gravierte, mit Gold und Edelsteinen verzierte Kokos nüsse verehrt. Friedrich Wilhelm von Brandenburg empfing neben den erwähnten Alben mit Zeichnungen und Aquarellen auch Möbel aus brasilianischem Holz sowie aus prachtvoll geschnitztem Elfenbein. Ehemalige WIC-Angestellte brachten ebenfalls Objekte, wie Möbel aus Brasilholz oder Hängematten, mit nach Hause oder hängten in ihren Häusern gut sichtbar für Besucher Karten von Brasilien oder Porträts von Johann Moritz auf.29 Neben den fürstlichen Medien, d. h. den Objekten, Gemälden und Alben mit Skizzen und Zeichnungen, die Johann Moritz seinen Zeitgenossen verehrte, ist in jüngster Zeit durch die Arbeiten von Michiel van Groesen auch der Markt für »brasilianische« Druck-Erzeugnisse in den Mittelpunkt des Interesses geraten. Die Rolle Amsterdams als Informationszentrum, in dem neben Zeitungen vor allem Karten und Reiseberichte veröffentlicht wurden, ist schon seit Langem von der Geschichtswissenschaft gewürdigt worden.30 Hinzu kam die öffentliche Diskussion durch den 27 Rebecca Parker Brienen : Dressing Up like the Cannibals ? Adriaen Hanneman’s Portrait of Princess Mary Stuart in a Tupi Feather Cape, in : Anderson, Jaynie (Hg.) : Crossing Cultures. Conflict, Migration and Convergence. The Proceedings of the 32nd International Congress in the History of Art, Melboure 2009, S. 285 – 290. 28 Mariana de Campos Françozo : De Olinda a Holanda. O gabinete de curiosidades de Nassau, S. 220 – 221. 29 Michiel van Groesen : Officers of the West India Company, their Networks, and their Personal Memories of Dutch Brazil, in : Huigen, Siegfried/Jong, Jan L. de/Kolfin, Elmer Kolfin (Hg.) : The Dutch Trading Companies as Knowledge Networks, Leiden/Boston 2010, S. 39 – 58, hier S. 53 – 55. 30 Clé Lesger : The Rise of the Amsterdam Market and Information Exchange. Merchants, Commercial Expansion and Change in the Spatial Economy of the Low Countries c. 1550 – 1630, Aldershot 2006 ;
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Markt für Flugschriften oder Pamphlete, an dem Schreiber im Auftrag niederländischer wie ausländischer Interessengruppen partizipierten.31 So versuchten sowohl die Vertreter der WIC als auch ihre Gegner mit einer Medienoffensive für ihre brasilianischen Interessen zu werben. Auch Karten dienten diesem Ziel, insbesondere die Karten von Claes Jansz. Visscher, der bereits die erste Eroberung von Salvador 1624 auf einer Karte festhielt, die möglicherweise nach dem Misserfolg der Mission die Stimmung für eine zweite Invasion, die 1630 erfolgte, bereiten sollte. Entsprechend wurde auch diese, insbesondere die Eroberung von Olinda, in einer Karte mit Erläuterungen festgehalten. Weitere niederländische militärische Erfolge wurden ebenfalls verewigt.32 Gleichzeitig diskutierte die Pamphletistik offen die Pros und Kontras des nieder ländischen Engagements in Brasilien. Während die WIC an die Öffentlichkeit zur Bewahrung ihres Handelsmonopols und auch zur Stabilisierung ihrer Position in Brasilien appellierte, stellten sich Amsterdamer Kaufleute und Regenten die Frage, ob der Handel mit Brasilien nicht für alle Niederländer (insbesondere für die Amsterdamer) freigegeben werden sollte. Die Öffentlichkeit verfolgte daher aufgrund von Zeitungsnachrichten, Pamphleten und natürlich der mündlichen Berichte der Heimkehrer die aktuelle Entwicklung in Brasilien.
4.7 Die Aufgabe Brasiliens und ihre Nachwirkungen Aufgrund finanzieller Engpässe war die WIC nicht gewillt bzw. nicht in der Lage, die von Johann Moritz geforderte Verstärkung von Truppen zu gewährleisten. Da die Zuckerlieferungen nicht den Erwartungen entsprachen und die Profite ausblieben, reduzierte man die Garnisonen in Brasilien und rief Johann Moritz 1644 zurück. Kurz darauf brach eine Revolte der luso-brasilianischen Zuckerpflanzer aus.33 Für die Zuckerpflanzer versprach die Revolte vor allem eine Entschuldung. Sie hatten John J. McCusker/Cora Gravesteijn : The Beginnings of Commercial and Financial Journalism. The Commodity Price Currents, Exchange Rate Currents, and Money Currents of Early Modern Europe, Amsterdam 1991. Siehe auch Kapitel 1. 31 Olaf Mörke : Pamphlet und Propaganda. Politische Kommunikation und technische Innovation in Westeuropa in der Frühen Neuzeit, in : North, Michael (Hg.) : Kommunikationsrevolutionen. Die neuen Medien des 16. und 19. Jahrhundert, Köln/Weimar/Wien 2001, S. 15 – 32. 32 Michiel van Groesen : Amsterdam’s Atlantic. Print Culture and the Making of Dutch Brazil, Philadelphia 2017, S. 50 – 54, 80 – 89. 33 Groesen : Amsterdam’s Atlantic, S. 123 – 126 ; siehe auch Cátia Antunes/Erik Odegard/Joris van
Die Aufgabe Brasiliens und ihre Nachwirkungen
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bei der WIC große Kredite aufgenommen und dafür ihr Land, ihre Geräte und ihre Sklaven verpfändet. Hinzu kam die Organisation des Aufstandes durch Vertreter der portugiesischen Krone und luso-brasilianische Kaufleute, die dem portugiesischen Regime nachtrauerten. Brasilien war dauerhaft nicht zu halten, zumal die Amsterdamer Politiker und Regenten der Kolonie keine große Zukunft einräumten und Investitionen in die militärische Infrastruktur verweigerten. Es war in dieser Situation ein Wunder, dass nach der Aufgabe der Kolonie 1654 mit Portugal noch eine Entschädigung ausgehandelt werden konnte. Im August 1661 schlossen der Ratspensionär Johan de Witt und der portugiesische Botschafter Graf von Miranda do Corvo einen Frieden, der festlegte, dass die WIC für eine Entschädigung von 4 Mill. Cruzados auf ihre früheren Besitzungen in Brasilien, Angola und São Tomé verzichtete.34 Das bedeutete aber nicht, dass der Handel zum Erliegen kam. Brasilianische Kaufleute und Plantagenbesitzer waren weiterhin an afrikanischen Sklaven interessiert, die ihnen die WIC von Guinea aus vermittelte. Die Kaufleute aus Bahia lieferten dafür Tabak und im 18. Jahrhundert auch brasilianisches Gold.35 Aus Brasilien dagegen waren die meisten niederländischen Siedler und Unternehmer bereits in den 1650er Jahren zurückgekehrt. Einige von ihnen forderten Entschädigungen von der WIC. Ihren ehemaligen Soldaten blieb die WIC den Sold schuldig. Dies berichtete der Nordschleswiger Peter Hansen Hajstrup, der 1643 – 1654 in Brasilien gedient hatte und den die Kompanie nach seiner Ankunft in den Niederlanden mit zwei Monatslöhnen und einem Schuldschein abspeiste.36 Besonders hart traf es die jüdische Bevölkerung, die die Toleranz der Religionsausübung in Recife genossen hatte und jetzt die portugiesische Verfolgung fürchtete. Einige blieben vor Ort, andere gingen nach Amsterdam oder migrierten in die Karibik und nach Guayana, das ihnen später als Surinam eine neue Heimat geben sollte. Besonders enttäuscht waren die einheimischen Alliierten, die sich durch die Aufgabe der Kolonie gleichermaßen betrogen und gefährdet fühlten. Ihre Position hatte Caspar Schmalkalden wie folgt beschrieben : den Tol : The Networks of Dutch Brazil. Rise, Entanglement and Fall of a Colonia Dream, in : Antunes, Cátia/Gommans, Jos (Hg.) : Exploring the Dutch Empire. Agents, Networks and Institutions, 1600 – 2000, London/New York 2015, S. 77 – 94. 34 Groesen : Amsterdam’s Atlantic, S. 155. 35 Stuart B. Schwartz/Johannes Postma : The Dutch Republic and Brazil as Commercial Partners on the West African Coast during the Eighteenth Century, in : Postma, Johannes/Enthoven, Victor (Hg.) : Riches from Atlantic Commerce. Dutch Transatlantic Trade and Shipping, 1585 – 1817, Leiden/Boston 2003, S. 171 – 199. 36 Frank Ibold/Jens Jäger/Detlev Kraack : Das Memorial und Jurenal des Peter Hansen Hajstrup (1624 – 1672), Neumünster 1995, S. 43, 120 – 121.
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Sie hassen die Portugiesen über alle Maßen und werden von denselben ebensosehr wiederum gehasset als treulose, undankbare und leichtfertige Leute. Die Waren, die sie den
Ausländischen im Handel zukommen lassen, sind : Zucker, Brasilien-Holz, Tabak, Ochsenhäute, Baumwolle und dergleichen mehr.37
Einer ihrer Führer, António Paraupaba von den Potiguar in Paraíba, der schon 1625 in den Niederlanden gewesen war, hatte mehrfach weitere Reisen über den Atlantik auf sich genommen, um Hilfe zu erbitten, aber ohne Erfolg. Entsprechend besaßen er und seine Leute nur die Möglichkeit, in entferntere Provinzen (wie Ceará) zu fliehen oder weiter nach Guayana bzw. in die Karibik zu ziehen.38 Die Mehrheit der Einheimischen blieb natürlich im Land und auch die calvinistischen Gemeinden, deren meiste Mitglieder Ureinwohner waren, existierten noch einige Zeit weiter. Zum Abschluss dieses Kapitels bleibt die Frage nach der Nachwirkung der niederländischen Episode in Brasilien. Während auch heute noch die niederländische Periode zumindest von einem Teil der brasilianischen Historiker*innen und Kunsthistoriker*innen als Phase der Toleranz und des kulturellen Austausches, insbesondere durch das Interesse an der einheimischen Bevölkerung, dargestellt wird, sind die Hinterlassenschaften in der Stadtplanung festzustellen, wenn in der Altstadt Recifes das niederländische Straßennetz weiterhin durchscheint. Auch die zahlreichen Reste der Befestigungen sind noch zu sehen. In Olinda zeigt der Ausbau der Stadt vor allem in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und im beginnenden 18. Jahrhundert eine Blüte der Azulejo-Kultur. Die Azulejos wurden aber nicht in den Niederlanden geordert, sondern im großen Stil in Portugal hergestellt. Dabei verwendete man durchaus flämische und niederländische Bildvorlagen auf der Grundlage von Emblem-Büchern.39 Die Synagoge Kahal zu Israel, die erste Synagoge in Amerika überhaupt, hat ebenfalls die Zeiten von ihrer Errichtung 1636 bis heute überlebt und spiegelt einen jüdisch-niederländischen Kontext wider, den wir später noch in Surinam und Curaçao finden werden.
37 Joost : Reisen des Caspar Schmalkalden, S. 33. 38 Mark Meuwese : From Dutch Allies to Portuguese Vassals. Indigenous Peoples in the Aftermath of Dutch Brazil, in : Groesen, Michiel van (Hg.) : The Legacy of Dutch Brazil, Cambridge/New York 2014, S. 59 – 76 ; Klooster : The Dutch Moment, S. 90 – 96. 39 Julie Berger Hochstrasser : Visual Impact. The Long Legacy of the Artists of Dutch Brazil, in : Groesen, Michiel van (Hg.) : The Legacy of Dutch Brazil, Cambridge/New York 2014, S. 248 – 283.
5. Surinam und Curaçao
Focus : Maria Sibylla Merian Im Juni 1699 schiffte sich die 52-jährige Maria Sibylla Merian (1647 – 1717) zusammen mit ihrer 21 Jahre alten Tochter Dorothea Maria von der Insel Texel nach Surinam ein, das sie knapp zwei Monate später erreichte. Maria Sibylla Merian war die Tochter des berühmten Verlegers Matthäus Merian und wuchs nach dessen Tod im Haushalt ihres Stiefvaters, des niederländischen Malers und Kunsthändlers Jacob Marrel, in Frankfurt auf. Nach ihrer Ausbildung bei diesem und künstlerischer und naturforscherischer Tätigkeit in Nürnberg zog sie 1685 in das niederländische Friesland. Hier lebte sie im Kreis der »pietistischen Sekte« der Labadisten, denen die Familie van Aerssen van Sommelsdijk ein Schloss zur Verfügung gestellt hatte. Schon bald siedelte sie nach Amsterdam über, wo sie in den Naturalienkabinetten und botanischen Gärten Anregungen für ihre wissenschaftlichen Forschungen ebenso wie für ihre Blumen-, Vogel- und Insektenbilder erhielt. Konfrontiert mit den Pflanzen und Tieren Südamerikas reiften ihre Pläne für eine Expedition dorthin. Unterstützt von ihrer Tochter ließ sich Maria Sibylla Merian auch nicht vom ungesunden Klima Surinams abschrecken. Die Merians lebten dort sowohl in Para maribo als auch vor allem in der Labadistengemeinde in Providentia. Von dort aus unternahm Maria unter Führung einzelner Ureinwohner Exkursionen in den Regenwald. Von den Arawak wie von den afrikanischen Sklaven lernte sie die Pflanzen- und Insektenwelt Surinams kennen, die sie nach ihrer Rückkehr in dem Corpus »Metamorphosis insectorum Surinamensium« darstellte. Mit der Veröffentlichung leistete sie einen wichtigen Beitrag zur Kenntnis Surinams und errang gleichzeitig Ruhm und Anerkennung in der europäischen Gelehrtenwelt.1
1 Ella Reitsma : Maria Sibylla Merian. Eine außergewöhnliche Frau, in : Delft, Marieke van/Mulder, Hans (Hg.) : Maria Sibylla Merian. Metamorphosis insectorum Surinamensium. Die Verwandlung der surinamischen Insekten 1705, Den Haag 2016, S. 9 – 18. Allgemein siehe Ella Reitsma : Maria Sibylla Merian and Daughters. Women of Art and Science, Zwolle 2008, S. 37 – 56, 169 – 195.
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Surinam und Curaçao
5.1 Die europäische Einwanderung nach Guayana Die niederländische Besiedlung in Guayana hatte bereits in den 1650er Jahren begonnen, als die WIC-Kammer von Seeland die Kolonialisierung in dem Gebiet förderte, das nominell zu Spanien gehörte, aber Siedler aus anderen europäischen Ländern angezogen hatte. Ursprünglich als »zweites Brasilien« geplant, wechselte die Region während der Englisch-Niederländischen Kriege den Besitzer. Die Engländer besetzten 1651 die europäische Siedlung am Surinam-Fluss und richteten die Zuckerproduktion ein, die auf afrikanischer Sklavenarbeit beruhte. 1667 nahmen die »Staaten« (Stände) von Seeland den Engländern Surinam mit Gewalt weg und es blieb im Frieden von Breda niederländisch. Surinam hatte in den 1670er Jahren eine kleine Siedlerpopulation von ca. 4000 Personen, die in den nächsten Jahrzehnten noch weiter anwuchs. Der »Hauptstadt« von Paramaribo fehlte eine städtische Infrastruktur, und erst im achtzehnten Jahrhundert sollte hier eine richtige Stadt entstehen.2 1683 gründeten die Stadt Amsterdam, die Westindische Kompanie und die Familie van Aerssen van Sommelsdijck die Sociëteit van Suriname, die als Surinamkompanie Handel und Politik Surinams bis zum Jahre 1795 bestimmte, als die Batavische Republik die Handelskompanien verstaatlichte. Jeder der drei Teilhaber hatte ein Drittel der Kosten zu tragen und wurde mit dem entsprechenden Teil der Gewinne entschädigt. Cornelis van Aerssen van Sommelsdijck übernahm als erster Gouverneur die Niederlassung. Neben Niederländern ließen sich dort französische Flüchtlinge aus Cayenne nieder. Ein zweiter Zustrom von Hugenotten verband die Kolonie mit Frankreich und dem hugenottischen Handelsnetzwerk im Atlantik.3
5.2 Sephardische Kaufleute und Pflanzer Die jüdische Migration war von großer Bedeutung. Sephardische Kaufleute bauten neue Handelsbeziehungen auf, die sich sowohl über die Karibik als auch auf das nordund südamerikanische Festland erstreckten. Während des Aufstandes der portugiesischen Pflanzer gegen die niederländische Herrschaft in Brasilien und der Verfolgung der jüdischen Bevölkerung suchten sie zunächst Schutz in Curaçao. Von dort zogen sie nach Guayana, das zu dieser Zeit von den Engländern kontrolliert wurde, aber 2 Klooster : The Dutch Moment, S. 190. 3 Karwan Fatah-Black : White Lies and Black Markets. Evading Metropolitan Authority in Colonial Suriname, 1650 – 1800, Leiden/Boston 2015, S. 16 – 40.
Sklaven und Plantagen
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bald von den Seeländern erobert werden sollte. Eine kleine Gruppe jüdischer Siedler lebte bereits hier.4 Ein Beispiel für die jüdischen Händler ist David Cohen Nassy, der gleichsam die Entwicklung Surinams zur Plantagenkolonie verkörpert.5 Er war während des Aufstandes der portugiesischen Pflanzer zunächst nach Curaçao geflohen. 1659 begab er sich nach Cayenne und von dort 1667 nach Surinam. Nassy stand weiterhin in Kontakt zu Amsterdam und baute sein Handelsgeschäft im Atlantik aus. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass die Neuen Niederlande englisch geworden waren. Nassy besaß Handelspartner unter seinen Glaubensgenossen in New York, Newport, Rhode Island und Boston. Regelmäßig lieferten Schiffe aus Boston, New York und Connecticut Pferde, Fisch und koscheres Fleisch, Produkte, die in Surinam stark nachgefragt wurden. Auf dem Rückweg von Surinam nahmen die Schiffe Zucker an Bord, den sie oftmals über Boston und New York weiter nach Amsterdam transportierten.6 1685 gründeten sephardische Kolonisten die »Jodensavanne« als privilegierte autonome Kolonie.7 Sie errichteten Zuckerplantagen auf der Grundlage von Sklavenarbeit. Sklaven waren wirklich die wichtigste Arbeitskraft der Kolonie und wurden zunächst von der Surinamkompanie, später vor allem von privaten Unternehmern nach Surinam gebracht. Die Sklaven stammten aus verschiedenen Regionen Afrikas, sprachen unterschiedliche Sprachen und folgten jeweils eigenen kulturellen Praktiken. Im Austausch mit anderen entwickelten sie gemeinsame Kreolsprachen und ließen die jeweils anderen auch an ihrem Wissen, z. B. beim Anbau von Pflanzen, teilhaben.8
5.3 Sklaven und Plantagen Ein Teil der Sklaven erreichte im 18. Jahrhundert – zum Teil durch Freikauf – die Freilassung und bildete die Gruppe der freien Schwarzen und freien Mulatten. Eine 4 Claudia Schnurmann : Atlantische Welten. Engländer und Niederländer im amerikanisch-atlantischen Raum 1648 – 1713, Köln/Weimar/Wien 1998, S. 231 – 234, 293 – 301. 5 Fatah-Black : White Lies and Black Markets, S. 76 – 77. 6 Schnurmann : Atlantische Welten, S. 231 – 234, 293 – 301. 7 Aviva Ben-Ur : Een joods dorp in een slavenmaatschappij. Jodensavanne in de Nederlandse kolonie Suriname, in : Cohen, Julie-Marthe (Hg.) : Joden in de Cariben, Zutphen 2015, S. 131 – 153 ; Aviva Ben-Ur/Rachel Frankle : Remnant Stones. The Jewish Cemeteries of Suriname. Bd. 1 : Epitaphs, Cincinnati 2006. 8 Joshua R. Hyles : Guiana and the Shadows of Empire. Colonical and Cultural Negotiations at the Edge of the World, Langham 2014, S. 85.
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Surinam und Curaçao
besondere Gruppe stellten die Maroons (Marrons) dar, entlaufene Sklaven, die sich – meist mit Unterstützung der indigenen Bevölkerung – in den Waldgebieten niederließen. Sie überfielen zeitweise die Plantagen, handelten aber mit der Zeit mit der Regierung von Surinam einen autonomen Status sowie die Möglichkeit des freien Handels aus. Ein Teil der Maroons und ehemalige Plantagensklaven wurden auch von der Kompanie als Miliz unter Vertrag genommen, um gegen aufständische Sklaven zu kämpfen.9 Hilfe erhielten die Maroons von den Arawak, die im Regenwald lebten und regelmäßig auf dem Markt von Paramaribo ihre Waren anboten. Die Plantagenwirtschaft war zunächst auf die Zuckerproduktion konzentriert, aber sowohl die Surinamkompanie als auch die Plantagenbesitzer begannen schon um die Wende zum 18. Jahrhundert nach anderen Produkten Ausschau zu halten, die das Exportsortiment bereichern konnten. An Indigo, Tabak und Baumwolle wurde gedacht, aber schließlich konzentrierte man sich auf Kaffee, der zu dieser Zeit in den Niederlanden populär wurde. Die ersten Kaffeepflanzen, die nach Surinam eingeführt und dort kultiviert wurden, stammten vermutlich aus dem Botanischen Garten in Amsterdam und von hier aus ließ man sich auch Informationen über den Kaffeeanbau in Mokka kommen.10 Ein »Kaffeefieber« setzte in Surinam ein und die Plantagen wurden erweitert bzw. auf den Kaffeeanbau umgestellt. Das Plantagenland, insbesondere am Surinam-Fluss, wurde knapp ; ebenso wuchs der Kapitalbedarf der Plantagen. Damit wurde die Abhängigkeit zum Mutterland enger. Bankhäuser, wie das Bankhaus Deutz, legten Plantagenanleihen auf, so dass Amsterdamer ihr überschüssiges Kapital in Surinam, der Karibik und auch in Südostasien anlegen konnten.11 Neben den Exportprodukten spielte auch die Waldwirtschaft eine große Rolle. Anders als die Karibischen Inseln war Surinam waldreich. Das geschlagene Holz diente vor allem als Bau- und Feuerholz, aber einige Tropenhölzer wurden auch für den Innenausbau der Häuser geschätzt. Die Architektur in Paramaribo spiegelt bis heute die Bedeutung des Holzbaumaterials wider, das die indigene Bevölkerung und die Maroons in den Wäldern schlugen.12 Die Plantagenbesitzer lebten zu einem Teil auf den Plantagen, andere pendelten zwischen den Plantagen und ihren Häusern in Paramaribo. Die Reichen zogen darüber hinaus oft nach Amsterdam, wenn sie nicht ausschließlich in Amsterdam 9 Jeroen Dewulf : Grijs slavenijverleden ? Over zwarte milities en redimoesoegedrag, Amsterdam 2018, S. 70 – 84. 10 Fatah-Black : White Lies and Black Markets, S. 66 – 70. 11 Jan de Vries : The Dutch Atlantic Economies, in : Coclanis, Peter A. (Hg.) : The Atlantic Economy during the Seventeenth and Eighteenth Centuries. Organization, Operation, Practice, and Personnel, Columbia 2005, S. 1 – 29, hier S. 12. 12 Fatah-Black : White Lies and Black Markets, S. 110 – 115.
Sklaven und Plantagen
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18 Dirk Valkenburg, »Sklavenfest« auf einer Zuckerplantage in Surinam, 1706 – 1707.
lebten und ihre Plantagen und die Arbeit auf den Plantagen von Verwaltern vor Ort in Surinam organisieren ließen. Ein Beispiel für einen dieser in Amsterdam lebenden Besitzer ist Jonas Witsen, der Neffe des berühmten Amsterdamer Bürgermeisters Nicolaas Witsen, der von seiner früh verstorbenen Ehefrau mehrere Plantagen, darunter die in Palmeneribo, geerbt hatte. Da Witsen seine Plantagen ebenso wie Surinam noch nicht gesehen hatte (und in seinem Leben auch nicht sehen würde), schickte er den relativ bekannten Maler Dirk Valkenburg mit dem Auftrag nach Surinam, die Plantagen zu zeichnen und zu malen, um ihm einen Eindruck von seinem Beisitz zu geben. Witsen schloss dazu 1706 einen Vertrag mit Valkenburg, in dem man vereinbarte, dass Valkenburg für vier Jahre auf den Plantagen Witsens als Buchhalter, Schreiber und Maler arbeitete und drei Plantagen ebenso malen sollte wie Vögel und die Vegetation. Gleichzeitig wurde ihm verboten, Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen für den Kunstmarkt anzufertigen. Dafür wurde Valkenburg in den ersten beiden Jahren mit 500 Gulden, später mit 600 Gulden entlohnt. Aufgrund des Klimas und der speziellen Umstände auf den Plantagen hielt es der Maler aber nur zwei Jahre in Surinam aus. Abgesehen von den Zeichnungen sind bis heute zwei wichtige Gemälde bekannt.
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19 Dirk Valkenburg, Die Plantage des Jonas Witsen am Surinam-Fluss.
Das eine zeigt die angeblich feiernden Sklaven auf einer der Zuckerplantagen, aber eine festliche Stimmung will nicht so recht aufkommen. Dies kann damit zusammenhängen, dass zur selben Zeit aufgrund der Abschaffung des freien Samstags eine Sklavenrebellion auf Palmeneribo ausbrach, die mit einem Streik und der Flucht zahlreicher Sklaven endete. Mit Gewalt wurde jedoch »die Ruhe« von der Regierung wieder hergestellt. Ein anderes Gemälde Valkenburgs stellt die Plantage mit Blick über den Surinam-Fluss dar.13 Interessanterweise gelangte das Gemälde der Sklaven aus dem Besitz Witsens nach Dänemark in die Königliche Sammlung, die es in den Jahren zwischen 1775 und 1799 angekauft haben muss. Der dänische Maler Nicolai Abildgaard inventarisierte es 1799 für die Gemäldesammlung von Schloss Fredensborg und schrieb es dem Maler Willem Buytewech zu. Erst im 20. Jahrhundert wurden die wahre Identität des Gemäldes und der Kontext seiner Entstehung entschlüsselt. Der Erwerb des Gemäldes für Fredensborg muss aber im Zusammenhang mit dem Interesse an Darstellungen der außereuropäischen Welt gesehen werden, die sich schon im
13 Eveline Sint Nicolaas : Shackles and Bonds. Suriname and the Netherlands since 1600, Amsterdam 2018, S. 55 – 63.
Maria Sibylla Merian
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17. Jahrhunderts in den brasilianischen Porträts und den Stillleben Eckhouts in der Königlichen Kunstkammer widerspiegelte.14
5.4 Maria Sibylla Merian Einige Jahre vorher hatte auch Maria Sibylla Merian die Plantagen von Jonas Witsen in Surinam besucht. Sie kannte ihn ebenso wie seinen Onkel aus Amsterdam, weil beide Naturalienkabinette besaßen.15 Maria Sibylla Merian unternahm – wie eingangs erwähnt – in der Begleitung ihrer Tochter und indigener Helfer von verschiedenen Plantagen aus kleinere Expeditionen in die Natur, insbesondere in den Regenwald. Sie sammelte Species, zeichnete diese und fertigte Aquarelle an, aber erst nachdem sie zu Hause angekommen war, schuf sie die endgültigen Illustrationen für das Surinam-Insektenbuch und kompilierte dazu altes und neues Material. Dies lässt sich durch einen Vergleich der vorhandenen Vorstudien, z. B. der in St. Petersburg erhaltenen Zeichnungen, mit der späteren Publikation zeigen. Man kann das durchaus als »Copy-and-Paste-Verfahren« bezeichnen.16 Das erklärt sich vielleicht auch aus dem Bestreben Marias, mit ihrem Buch schnell auf den Markt zu kommen. Hans Sloane, der berühmte englische Sammler, hatte einige Jahre zuvor die Karibik bereist und plante die Ergebnisse der Reise natürlich mit Abbildungen von Pflanzen und Tieren zu veröffentlichen. Vielleicht wollte sie auch ihre Forschungen schnell zu Geld machen, um damit die Kosten ihrer Reise zu decken. Die Reise selbst war dann doch kürzer geworden als ursprünglich gedacht, weil Maria Sibylla unter dem Klima in Surinam litt und sich vermutlich eine Tropenkrankheit zugezogen hatte. Es zeichneten sich auch schon die globalen Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Spanien einerseits und 14 Für Hinweise zur Einordnung des Valkenburg-Gemäldes in den dänischen Sammlungskontext danke ich herzlich den Kolleg*innen Steffen Heiberg und Merete Sanderhoff. 15 »In Holland sah ich jedoch voller Verwunderung, was für schöne Tiere man aus Ost- und West-Indien kommen ließ, besonders, wenn mir die Ehre zuteil wurde, die kostbare Sammlung des Hochwohlgeborenen Herrn Dr. Nicolaas Witsen, Bürgermeister der Stadt Amsterdam und Vorsteher der Ostindi schen Gesellschaft, sehen zu dürfen wie auch die des edlen Herrn Jonas Witsen, Sekretär selbiger Stadt.« Übersetzung des Originaltextes Metamorphosis insectorum Surinamensium, in : Delft, Marieke van/Mulder, Hans (Hg.) : Maria Sibylla Merian. Metamorphosis insectorum Surinamensium. Die Verwandlung der surinamischen Insekten 1705, Den Haag 2016. S. 177 – 188, hier S. 177. Zu Witsens Insektensammlung siehe Marion H. Peters : De wijze koopman. Het wereldwijde onderzoek van Nicolaes Witsen (1641 – 1717), burgemeester en VOC-bewindhebber van Amsterdam, Amsterdam 2020, S. 420 – 421. 16 Reitsma spricht auf S. 186 von »cut-and-paste technique«. Reitsma : Maria Sibylla Merian, S. 186.
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20 Maria Sibylla Merian, Ananas mit Kakerlaken, 1705.
England und den Niederlanden andererseits um die spanische Erbfolge ab. Entsprechend bestieg Maria Sibylla am 18. Juni 1701 zusammen mit ihrer Tochter und einer indigenen Helferin ein Schiff, das sie nach Amsterdam bringen sollte. Das Schiff lief aber kurz nach der Abfahrt auf Grund und musste wieder flott gemacht werden, so dass sich die Reise verzögerte. Am 23. September 1701 erreichten die Frauen die Niederlande. Dort arbeitete Maria Sibylla mit Hochdruck an ihrem Buch, wobei beide Töchter der Mutter assistierten. Das Insektenbuch beginnt nach einer Einleitung mit einer lebendigen Darstellung einer Ananas, die von Kakerlaken bekrabbelt wird. Interessant ist die Erläuterung, die Maria Sibylla Merians intellektuelle Vernetzung zeigt und vor allem auf die brasilianischen Zeichnungen Marcgrafs und Pisos hinweist. Die Ananas als wichtigste aller eßbaren Früchte ist demzufolge auch die erste dieses Werkes und meiner Beobachtung. Auf dem ersten Blatt wird sie blühend gezeigt, während
auf dem folgenden eine reife zu sehen sein wird. Die kleinen farbigen Blätter dicht unter der Frucht sind wie roter Satin mit gelben Flecken verziert. Die kleinen Schößlinge an
den Seiten wachsen weiter, wenn die reife Frucht abgepflückt ist. Die langen Blätter sind
von außen leicht seegrün, von innen grasgrün, an den Rändern rötlich und mit scharfen
Maria Sibylla Merian
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Dornen versehen. Im übrigen ist die Zierlichkeit und die Schönheit dieser Frucht von verschiedenen Gelehrten, wie von den Herren Piso und Marcgravius in ihrer Geschichte
von Brasilien, von Reede in seinem elften Teil des Hortus Malabaricus und vom Commelin in ersten Teil des Amsterdamer Gartens wie auch von anderen ausführlich beschrieben
worden, und ich werde mich deshalb nicht damit aufhalten, sondern zu meinen Beobachtungen der Insekten übergehen. Kakerlaken sind die berüchtigtsten aller Insekten in
Amerika wegen des großen Schadens, den sie allen Bewohnern zufügen, dadurch, daß sie
alle deren Wolle, deren Leinen, Speisen und Getränke verderben. Süßes ist ihre gewöhn-
liche Nahrung, weshalb sie dieser Frucht sehr zugetan sind.17
Insbesondere die Kombination von Insekten und Pflanzen stellte ein beliebtes Motiv dar, so beispielsweise die Abbildung 141, die einen Guaven-Baum mit Taranteln zeigt. Daneben nehmen natürlich die Raupen in ihrer Entwicklung über den Kokon zum Schmetterling einen wichtigen Platz ein ; ebenso werden das einheimische Hauptnahrungsmittel Maniok und die Nutzpflanzen ausführlich beschrieben. Auch die Rolle einiger Pflanzen als Arzneimittel bzw. ihre anderen speziellen Anwendungen werden hervorgehoben. So heißt es bei der sog. Pfauenblume (Flos Pavonis) : Diese Flos Pavonis ist eine neun Fuß hohe Pflanze, sie trägt gelbe und rote Blüten. Ihr
Samen wird gebraucht für Frauen, die Geburtswehen haben und die weiterarbeiten sollen.
Die Indianer, die nicht gut behandelt werden, wenn sie bei den Holländern im Dienst stehen, treiben damit ihre Kinder ab, damit ihre Kinder keine Sklaven werden, wie sie
es sind. Die schwarzen Sklavinnen aus Guinea und Angola müssen sehr zuvorkommend
behandelt werden, denn sonst wollen sie keine Kinder haben in ihrer Lage als Sklaven.
Sie bekommen auch keine, ja sie bringen sie zuweilen um wegen der üblichen harten
Behandlung, die man ihnen zuteil werden läßt, denn sie sind der Ansicht, daß sie ihrem
Land als Freie wiedergeboren werden, so wie sie mich aus eigenem Munde unterrichtet haben.18
Diese und andere Beschreibungen zeigen die Arbeitsweise von Maria Sibylla Merian, die sich auf die Hilfe und den Rat der einheimischen Bevölkerung ebenso verließ, wie sie die Sklaven in den Wald schickte, um ihr Zugang zu den Pflanzen zu verschaffen :
17 Delft/Mulder: Maria Sibylla Merian, S. 177 (I. Abbildung). 18 Ebd.: S. 185 (XLV. Abbildung).
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Diese Pflanze habe ich im Wald gefunden, und da man dort wegen der Hitze keine
Pflanze abschneiden kann, weil sie sonst gleich verwelkt, habe ich diese von meinem
Indianer mit der Wurzel ausgraben, nach Hause tragen und in meinen Garten pflanzen lassen. Sie hat eine ganz weiße Wurzel und ähnelt sonst dem Tabak. Sie bekommt eine weiße Blüte wie die der Tuberose. Als diese abgefallen war, blühte die Pflanze nach
sechs Monaten wieder. Ihr Name und ihre Eigenschaften sind in Surinam unbekannt.
Die Menschen haben dort auch keine Lust, so etwas zu untersuchen, ja sie verspotten
mich, daß ich etwas anderes in dem Lande suche als Zucker. Doch meiner Meinung nach
könnte man viel mehr Dinge in dem Wald finden, wenn dieser passierbar wäre. Aber der
Wald ist so dicht mit Disteln und Dornen verwachsen, daß ich meine Sklaven mit Beilen
in der Hand vorwegschicken mußte, damit sie für mich eine Öffnung hackten, um einigermaßen hindurchzukommen, was doch ziemlich beschwerlich war.19
Von 1705 an war das Buch »Metamorphosis insectorum Surinamensium« auf Niederländisch und Lateinisch mit Illustrationen in Schwarz-Weiß bzw. koloriert für 15 bzw. 45 Gulden erhältlich, ein Preis, der einem Gemälde in mittlerer Preislage entsprach. Es konnte bei der Malerin selbst erworben werden, die regelmäßig Besucher aus dem Ausland empfing und so zu einer Attraktion für die Hollandreisenden des beginnenden 18. Jahrhunderts wurde. Maria Sibylla Merian korrespondierte mit Gelehrten und Sammlern und arbeitete an weiteren Publikationen. Ihre Tochter Johanna Helena lebte seit 1711 in Surinam und versorgte ihre Mutter weiterhin mit Pflanzen und Tieren und schuf Aquarelle für verschiedene Gelehrte. Auch wenn sich Maria Sibylla Merians Gesundheit rapide verschlechterte, gelang es ihr noch, einen Teil ihrer Werke an Zar Peter den Großen zu verkaufen, dessen Leibarzt sie in Amsterdam aufgesucht hatte. Maria Sibylla Merian starb 1717 und im selben Jahr veröffentlichte ihre Tochter Dorothea Maria unter dem Namen der Mutter ein weiteres Raupenbuch.20 Dorothea Maria ging selbst mit ihrem Mann, dem Schweizer Maler Georg Gsell, ein Jahr später nach St. Petersburg, wo beide in der Kunst19 Ebd.: S. 184 (XXXVI. Abbildung). 20 Maria Sibilla Merian : Der Rupsen Begin, voedzel en wonderbaare Verandering, waar in de oorsronk, Spys en Gestaltverwisseling : als ook de Tyd, Plaats en Eigenschappen der Rupsen, Wormen, Kapellen, Uiltjes, Vliegen en andere diergelyke bloedelooze Beesjes vertoond word. Bd. 3 : Derde of laatste deel der rupsen begin, voedzel̄ en wonderbaare verandering : ten dienst van alle Liefhebbers der Insecten, Kruiden, Bloemen en Gewassen ; ook Schilders, Borduurders &c. / naauwkeurig onderzogt, na ’t leven geschildert, en in ’t korte beschreven door Maria Sibilla Merian. Als mede een Appendix Behelsende eenige Surinaamsche insecten geobserveert door haar dochter Johanna Helena Herolt, tegenwoordig noch tot Surinaame woonagtig. Alles in print gebracht en in ’t licht gegeven door haar jongste dochter Dorothea Maria Henricie, Amsterdam 1717.
Paramaribo
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21 Johan Antonie Kaldenbach nach J. H. Hottinger, Ansicht auf Paramaribo, um 1800.
kammer des Zaren wirkten. Dorothea Maria lehrte ihre russischen Studierenden, wie man Naturgegenstände zeichnete, und wies sie in die Technik des Kupferstechens, Radierens und Kolorierens ein. Sie starb 1743 in St. Petersburg, während ihre Schwester Johanna Helena 1728 in Paramaribo verstorben war.21
5.5 Paramaribo Im Laufe des 18. Jahrhunderts avancierte Paramaribo zum urbanen Zentrum Suri nams. Die Plantagenbesitzer errichteten Stadthäuser und ein größerer Teil der Bevölkerung ließ sich jetzt dauerhaft in der Stadt nieder. Die bestehenden Häuser wurden erweitert und Empfangsräume für die Teilnahme am sozialen Leben geschaffen. Eine erste Zeitung »De Weekelyksche Woensdaagsche Surinaamsche Courant« erschien 1774 und veröffentlichte Nachrichten aus der Region und anderen Kolonien, aber auch aus Europa. Über abgehende und ankommende Schiffe wurde ebenso berichtet wie über diejenigen, die nach Europa reisten. Zur Unterhaltung und Konversation trugen darüber hinaus ein Theater und die Freimaurerloge bei. Auch trafen sich die 21 Reitsma : Maria Sibylla Merian, S. 15 – 18 ; Reitsma : Maria Sibylla Merian and Daughters, S. 169 – 197.
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Literaturinteressierten in einer Lesegesellschaft.22 Das gesellschaftliche Leben gestaltete sich divers, insbesondere dadurch, dass daran zunehmend freie Schwarze teilhatten. Der wachsende Anteil sog. freier Schwarzer und Mulatten in der Gesellschaft Paramaribos ist eine der bemerkenswerten Erscheinungen des 18. Jahrhunderts. Dabei handelte es sich um Personen, die entweder schon frei geboren waren, z. B. als Kind eines weißen Plantagenbesitzers und einer Sklavin, aber auch um freigelassene Sklaven, die dann oft noch als Zusatz den Namen ihres ehemaligen Besitzers trugen. Während die weiße Bevölkerung Paramaribos mit rund 2000 Mitgliedern im ausgehenden 18. Jahrhundert weitgehend konstant blieb, wuchs die Zahl der freien Nichtweißen deutlich an, von 260 im Jahre 1762 auf 740 (1781), um weiter bis 1811 auf 3000 zuzunehmen.23 Damit übertrafen sie im beginnenden 19. Jahrhundert zahlenmäßig die Weißen und machten ca. 60 % der freien Bevölkerung aus. Innerhalb von zwei Jahrzehnten gehörte die Mehrheit der Sklaven in Paramaribo nicht mehr weißen Besitzern, sondern Besitzern afrikanischer Abstammung. Diese neue aufsteigende Gruppe, aus der zahlreiche Frauen in die lokale Gesellschaft einheirateten, übte vielfältige Berufe aus. Wir finden darunter Plantagenbesitzer, Mitglieder der Verwaltung, Soldaten, aber auch Ladenbesitzer, Handwerker und Waschfrauen.24 Während Letztere in der Regel über nur wenige Kleidungsstücke und etwas Hausrat verfügten, zeichnete sich eine kleine Gruppe der Nichtweißen – nach Aussage der Nachlassinventare – durch einen gediegenen Wohlstand aus. Sie besaßen nicht nur eine größere Anzahl von Sklaven, darunter durchaus auch Familienmitglieder, sondern reichhaltiges Porzellan und Kleidung und vor allem Schmuck. Bei einigen, wie Sipora van Mercado, Amimba van Delconcourt, Louisa de Graeff oder Elisabeth Samson,25 finden wir darüber hinaus schön eingerichtete Räume mit Spiegeln, Standuhren, Kandelaber und einer Vielzahl großer und kleiner Gemälde sowie gerahmter Scherenschnitte – einem beliebten Wandschmuck der damaligen Zeit.26 Wertvolle Gegenstände wurden in den Familien weitervererbt bzw. in den Testamenten ausdrücklich vermacht.27 22 Sint Nicolaas : Shackles and Bonds, S. 121. 23 Ebd.: S. 117 – 121. 24 Aviva Ben-Ur : Relative Property. Close-Kin Ownership in American Slave Societies, in : New West Indian Guide 89, 1 – 2 (2015), S. 1 – 29, hier S. 5. 25 Cynthia McLeod : Elisabeth Samson. Een vrije zwarte vrouw in het achttiende-eeuwse Suriname, Paramaribo 1994. 26 Nationaal Archief, Den Haag (NL-HaNA), Suriname : Oud Notarieel Archief, 1699 – 1829, 1.05.11.14 : Inv. Nr. 274 (Sipora van Mercado, 1790), Inv. Nr. 277 (Amimba van Deloncourt, Louisa de Graeff, 1791). 27 Karwan Fatah-Black : The Use of Wills in Community Formation by Former Slaves in Suriname, 1750 – 1775, in : Slavery & Abolition. A Journal of Slave and Post-Slave Studies (2019), S. 1 – 20.
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Nach Paramaribo zogen auch jüdische Plantagenbesitzer aus der »Jodensavanne«, die bis 1825 als autonome Enklave existierte, als die Autonomie jüdischer Gemeinden in der Karibik abgeschafft wurde. Dafür erhielten die Mitglieder der jüdischen Gemeinden die Möglichkeit, das Bürgerrecht zu erwerben und damit auch Positio nen im Staatsdienst zu erlangen. Dabei hatte sich die ökonomische Situation der »Jodensavanne« bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert verschlechtert. Abgesehen von der Bedrohung durch Sklavenaufstände waren die für den Zuckeranbau genutzten Böden erschöpft und auch der Börsencrash in Amsterdam 1773 verringerte das Kapitalangebot für die Plantagenbesitzer. Die verbliebenen Juden wurden älter, und es ist nicht klar, ob die Mitglieder der »Jodensavanne« ausstarben bzw. wann sie diese verließen. An die »Siedlung« erinnern noch heute die erhaltenen Grabsteine, die auf eine europäische Prägung der Friedhöfe verweisen, zumal die Grabinschriften vermutlich in Amsterdam angefertigt wurden.28 Der persönliche Besitz blieb bescheiden und spiegelt die Grundbedürfnisse für den täglichen Konsum und die Zuckerproduktion wider. Deshalb dominieren Werkzeuge, Tiere und Sklaven die Nachlassbestände.29 Nicht alle Juden gehörten zur Schicht der Plantagenbesitzer. Viele lebten Seite an Seite mit den freien Schwarzen, obwohl sie sich von diesen auch abzugrenzen versuchten. In der materiellen Kultur unterschieden sie sich von den Mitgliedern der niederländischen Verwaltung und der Kaufmannschaft. Die Wohnkultur war laut Aussage der Nachlässe einfacher,30 dafür war die Einrichtung der Synagogen von Surinam üppig und der Reichtum der Gemeinden wurde offen zur Schau gestellt. Ihre Ausstattung verdanken die Synagogen Schenkungen als Ausdruck persönlicher Frömmigkeit.31 Anders sah das Leben in den neuen Häusern in Paramaribo wie auch auf den Plantagen aus. Hier schufen die Damen, z. B. die Witwen Elisabeth Danforth und Dorothea Desmarets,32 mit niederländischem Mobiliar, Delfter Fayence, japanischem und sächsischem Porzellan, bemalten friesischen Uhren und Pendeluhren aus Paris, London oder Amsterdam und einer Vielzahl von Gemälden, die oft nach Su28 Ben-Ur : Een joods dorp, S. 130 – 153. 29 NL-HaNA : Suriname : Oud Notarieel Archief, 1699 – 1829, 1.05.11.14, Inv. Nr. 785 (Meza David, 1768), Inv. Nr. 788 (Naar Ribea, 1780), Inv. Nr. 791 (Abraham Gobay Izidro, 1786), Inv. Nr. 795 ( Jacob de Samuel de Meza, 1794). 30 Siehe z. B. das Inventar von Sara Marcus, Witwe von Salomon Samson (1798), NL-HaNA : Suriname : Oud Notarieel Archief, 1669 – 1829, 1.05.11.14 : Inv. Nr. 801. 31 Ben-Ur : Een joods dorp, S. 146 – 148 ; Wieke Vink : Tussen kleur en halacha. De geschiedenis van een joodse gemeenschap in koloniaal Suriname, in : Cohen, Julie-Marthe (Hg.) : Joden in de Cariben, Zutphen 2015, S. 176 – 201. 32 NL-HaNA : Suriname : Oud Notarieel Archief, 1699 – 1829, 1.05.11.14 : Inv. Nr. 290 (Elisabeth Danforth, 1798), Inv. Nr. 288 (Dorothea Desmarets, 1796).
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jets verzeichnet sind, eine gesellige Atmosphäre. Wir werden Zeugen außergewöhnlicher Sammlungen, wie beispielsweise der Freimaurerin Elisabeth Danforth, deren Ehemann und Nachkommen in der Verwaltung der Kolonie tätig waren. Danforth hinterließ 1798 neben der reichhaltigen Einrichtung zwei Landschaften, vier Gemälde der vier Jahreszeiten, zwei Darstellungen von Bauernhöfen, natürlich mehrere Portraits der Familie und von Freunden sowie weitere Gemälde, die Ereignisse und Gestalten des 18. Jahrzehnts darstellten : fünf Gemälde vom Ausbruch des Vulkans Vesuv (1794), zwei Gemälde von der Belagerung Gibraltars (1779 – 1783), fünf Gemälde von der Schlacht auf der Doggerbank und der Schlacht beim Kap Santa Maria (beide 1781), fünf Porträts von Ludwig XVI. und seinen Familienmitgliedern, »sieben verborgene Silhouetten«, d. h. Scherenschnitte mit Darstellung des Oranierhauses, sowie ein Porträt vom Admiral Johan Zoutman.33 Dorothea Desmarets, Witwe von Jacques Groispoil, schmückte ihre Räume mit einem Genregemälde eines geldzählenden Bauern und acht verschiedenen niederländischen Landschaften sowie acht englischen Hinterglasgemälden. Das gesellschaftliche Leben scheint vor allem beim gemeinsamen Spiel stattgefunden zu haben, denn neben einem Billardtisch, -queues und -bällen befanden sich drei Toccadillebretter mit Spielsteinen, ein Damebrett, zwei Schachspiele und 21 Dutzend Spielkarten in diesem Haushalt.34 Ergänzt wurden diese – wie auch in anderen Nachlässen – durch zahlreiche Bilder von Plantagen, die zusammen mit Karten von Surinam ein Gefühl der lokalen Zugehörigkeit erzeugten. Elemente der indigenen Kultur wurden in Form von Hängematten und Wassertöpfen integriert. Bogen und Pfeile sowie Blasrohre und Pfeile dienten als Wanddekoration.35
5.6 Curaçao Curaçao, eine Insel nahe der Küste Venezuelas, geriet in den 1620er Jahren aufgrund seiner Salzproduktion in das Blickfeld der niederländischen Händler. Die strategische Lage für den Handel mit Spanisch-Amerika und die Freibeuterei im spanischen Reich veranlassten die WIC 1634 zur Eroberung der Insel. Die Gründung 33 NL-HaNA : Suriname : Oud Notarieel Archief, 1699 – 1829, 1.05.11.14 : Inv. Nr. 290 (Elisabeth Danforth, 3. Inventar, 11.06.1795). 34 NL-HaNA : Suriname : Oud Notarieel Archief, 1699 – 1829, 1.05.11.14 : Inv. Nr. 288 (Dorothea Desmarets, 1796). 35 NL-HaNA : Suriname : Oud Notarieel Archief, 1699 – 1829, 1.05.11.14 : Inv. Nr. 285 (Frans Ewoud Becker, 1795), Inv. Nr. 286 ( Jan Daniel Limes, 1795), Inv. Nr. 290 (Elisabeth Danforth, 1798).
Curaçao
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von Stützpunkten in der Karibik und die Handelsposten in Afrika ermöglichten es den Niederländern, »ihre« atlantische Welten, insbesondere für den Sklavenhandel, zu verbinden. Zwischen 1676 und 1689 transportierte die WIC etwa 20.000 Sklaven, hauptsächlich nach Curaçao und von dort in die spanische Karibik.36 Die Inselbevölkerung blieb während der nächsten Jahrzehnte mit weniger als 500 Menschen, darunter 50 einheimische Caquetios, klein, denn die meisten von ihnen hatte man nach der Eroberung nach Venezuela deportiert. Die Mehrheit bestand zunächst aus Soldaten und Matrosen verschiedener europäischer Nationalitäten. Da die Böden arm waren und der Niederschlag gering, musste Curaçao einen Großteil seiner Nahrungsmittel importieren, sowohl aus Nordamerika als auch aus den spanischen Kolonien, die für die Belieferung mit Sklaven mit Nahrungsmitteln bezahlten. Darüber hinaus konzentrierte sich die WIC darauf, von Curaçao aus die westindischen Kolonien der anderen europäischen Mächte zu versorgen. In der Karibik war mit niederländischem Know-how und Kapital die Zuckerproduktion verbreitet worden und die Niederländer lieferten den portugiesischen, spanischen und englischen Pflanzern die dafür notwendigen Arbeitskräfte und Gerätschaften. Immer mehr Pflanzer verschuldeten sich bei den niederländischen Händlern. Als besonders ertragreich erwies sich der Handel mit Spanisch-Amerika, der sowohl direkt als auch indirekt über das Mutterland lief. Denn hier wurde das Silber verdient, das man für die Einkäufe im Ostseeraum, vor allem aber in Südostasien benötigte. 1679 endete das Quasi-Monopol der WIC im Sklavenhandel mit den spanischen Kolonien, woraufhin sich die Spanier selbst auf den Sklavenmärkten im englischen Jamaika mit Arbeitskräften eindeckten. Aufgrund seiner günstigen Lage vor der amerikanischen Küste blieb das niederländische Curaçao weiterhin das Zentrum für den Transithandel mit Spanisch-Amerika und anderen Inseln der Karibik, die von hier aus mit Leinen, Gewürzen, Wachskerzen, Seide und Papier versorgt wurden.37 Im 18. Jahrhundert entwickelten sich dann die französischen Inseln in der Karibik – wie Guadeloupe, Martinique und Saint-Domingue – zum Haupthandelspartner Curaçaos, das vom Aufschwung der französischen Plantagenwirtschaft und deren wachsender Zucker-, Kaffee- und Indigoproduktion profitierte.38
36 Klooster : The Dutch Moment, S. 60 – 62 ; Israel : Dutch Primacy, S. 320 – 324. 37 North : Das Goldene Zeitalter, S. 34 – 36 ; Henk den Heijer : De geschiedenis van de WIC, Zutphen 2 2002, S. 151 – 162. 38 Wim Klooster : Curaçao as a Transit Center to the Spanish Main and the French West Indies, in : Oostindie, Gert/Roitman, Jessica V. (Hg.) : Dutch Atlantic Connections, 1680 – 1800. Linking Empires, Bridging Borders, Leiden 2014, S. 25 – 51, hier S. 29 – 43.
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Im Handel mit den spanischen Kolonien dominierten sephardische Juden, die nicht nur fließend Spanisch sprachen, sondern kommerzielle Handelskontakte auf- und ausbauten.39 Sie waren, als sich 1644 portugiesische Pflanzer gegen die niederländische Herrschaft auflehnten, als Flüchtlinge aus dem niederländischen Brasilien nach Curaçao eingewandert. Unter ihnen befanden sich sephardische Kaufleute, die entscheidend zum Aufbau des atlantischen Handels zwischen Amsterdam, Nordafrika und Brasilien beigetragen hatten. Sie spielten eine wichtige Rolle bei der Entwicklung des Handels auf Curaçao und machten die Insel zur Heimat der größten und vermutlich reichsten jüdischen Siedlung in Amerika, denn die Erlöse ihrer Handelsaktivitäten investierten sie in den Hauskauf in Willemstad ebenso wie in den Erwerb von Plantagen.40 Ein Zeugnis des individuellen Reichtums der Mitglieder der jüdischen Gemeinde ist auch der 1732 eingeweihte Neubau der Mikvé-Israel-Emanuel-Synagoge (Abb. 22 und 23). Aufgrund der Bedeutung des Sklavenhandels kamen die meisten Afrikaner als Handelsware nach Curaçao und blieben unfrei. Sie arbeiteten aber nicht nur auf den Plantagen, sondern vor allem im Hafen von Willemstad und auf den Schiffen. Nach einer Schätzung aus dem Jahre 1741 waren zwei Drittel der Seeleute schwarz oder Sklaven. Ein Teil von ihnen nutzte die Chance zu entkommen, wenn ein Schiff einen Hafen auf dem südamerikanischen Festland anlief, denn dort erhielten sie ihre Freiheit, wenn sie zum katholischen Glauben konvertierten.41 Es gab jedoch immer eine kleine Gruppe von freien Schwarzen und Mulatten. Im 18. Jahrhundert kamen auch französische Hugenotten nach Curaçao, ebenso wie Menschen aus Spanisch-Amerika. Curaçao war – wie auch die anderen niederländischen Niederlassungen – multi ethnisch, polyglott und multireligiös. Niederländer, Deutsche, Hugenotten, Juden und Abkömmlinge anderer europäischer Länder lebten hier zusammen mit freien und unfreien Schwarzen sowie der indigenen Bevölkerung.42 Spezifische Kreolsprachen, wie das auf Curaçao und anderen Inseln gesprochene Papiamentu, sind Zeugen dieses multikulturellen Austausches. Papiamentu begann als afro-portugiesisches Kreol an der Westküste Afrikas und kam mit den Sklaven in die niederländische Karibik. Anders als das jamaikanische Patois oder das haitianische Kreyòl stammte es
39 Wim Klooster : Contraband Trade by Curaçao’s Jews with Countries of Idolatry, 1660 – 1800, in : Studia Rosenthaliana 31 (1997), S. 58 – 73. 40 Linda M. Rupert : Creolization and Contraband. Curaçao in the Early Modern Atlantic World, Athens 2012, S. 41, 44 – 56, 95 ; Wim Klooster : De Portugese joden op Curaçao. Levens gefundeerd op inter-Amerikaanse handel, in : Cohen, Julie-Marthe (Hg.) : Joden in de Cariben, Zutphen 2015, S. 92 – 107. 41 Klooster : Curaçao as a Transit Center, S. 50. 42 Klooster : The Dutch Moment, S. 215 – 251.
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nicht aus der Sprache der Kolonisatoren, sondern wurde wahrscheinlich auch durch die Einwanderung sephardischer Juden aus Brasilien gefördert.43
5.7 Willemstad Mit der Zunahme des Handels im 18. Jahrhundert wurde der Hafen von Willemstad umgestaltet. Lokale Architekten oder Bauherren passten die niederländische Architektur dem lokalen Klima und den kolonialen Moden an. Die frühen Handelshäuser mit steilen Satteldächern wurden durch Häuser mit offenen Galerien mit Fenstern und überdachten Veranden ersetzt. So ermöglichten die offenen Fenster die Zirkulation von kühlenden Winden, die durch das Haus wehen konnten.44 Dabei strahlten die Innovationen in der Architektur Curaçaos auch auf die Hafenstädte auf dem benachbarten südamerikanischen Festland aus. Die Häuser der niederländischen, jüdischen, hugenottischen und spanischen Einwohner Curaçaos zeigen eine gediegene häusliche Wohnkultur. Bei den Porzellan- Services fällt – neben dem Delfter Blau – das umfangreiche Sortiment an japanischem Porzellan auf. Die Tischkultur wurde darüber hinaus durch Services und Einzelstücke des teureren sächsischen Meißener Porzellans bereichert, das in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts auch in den Niederlanden in Mode kam. Figuren aus diesem Porzellan sowie chinesischer Herkunft wurden auch auf Schränken oder Kommoden ausgestellt. Asiatische Textilien füllten die Schränke und javanische Rattanstöcke sind in vielen Inventaren verzeichnet. Diese Stöcke (rottangs) mit Wappen der VOC wurden ursprünglich von der VOC den Dorfvorstehern im indonesischen Archipel überreicht und später in die Niederlande oder die übersee ischen Stützpunkte gebracht, wo sie als Wanderstöcke oder Erinnerungsstücke an Ostindien dienten.45 Die Inventare erwähnen regelmäßig die »ostindische« Herkunft der Stöcke und differenzieren sie nach dem Material des Knaufs (Gold, Silber, Porzellan, Bernstein), mit dem der Stock versehen war. Verzierte friesische Uhren und teure englische Pendeluhren zeigten die Zeit an. Spanische Stühle, ostindische Kabinettschränke zusammen mit französischen, spanischen und indianischen Wassertöpfen dokumentieren einen internationalen Einrichtungsstil, den im Falle jüdischer 43 Jeroen Dewulf : From Papiamentu to Afro-Catholic Brotherhoods. An Interdisciplinary Analysis of Iberian Elements in Curaçao and Popular Culture, in : Studies in Latin American Popular Culture 36 (2018), S. 69 – 94. 44 Rupert : Creolization and Contraband, S. 133 – 135. 45 Siehe Kapitel »China«.
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Surinam und Curaçao
22 Mikvé-Israel-Emanuel-Synagoge in Willemstad. 23 Innenausstattung der Synagoge in Willemstad.
Curaçao
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Haushalte Sabbatlampen und Chanukka-Kandelaber ergänzen. Im Vergleich zu den Surinamer Nachlässen sticht in Curaçao der Reichtum der jüdischen Gemeinde ins Auge, deren Einrichtung und Besitz globale Verbindungen widerspiegelt. Neben den Kultgegenständen finden wir natürlich hebräische Bücher, Porträts, Karten, Marmortische, die charakteristischen mit russischem Leder ( Juchten) bezogenen Stühle, japanisches Geschirr, ostindische Kabinette sowie die erwähnten rottangs.46 Englische Stühle und Schreibtische, die in Europa in Mode kamen, tauchten ebenfalls in den Haushalten Curaçaos auf. Natürlich waren die Wände mit Gemälden, Karten, Drucken oder Stichen dekoriert.47 Sie erscheinen recht umfangreich, nicht nur in den Häusern der (ehemaligen) Regierungsmitglieder, wie Johan Mattheus Brunings, der verschiedene Porträts und vier Mappen mit Zeichnungen und Stichen sowie eine Camera obscura besaß, sondern auch in den Wohnungen niederländischer Witwen, hugenottischer Kaufleute und jüdischer Händler. Theodorus Brouwer, der Priester der katholischen Gemeinde, hinterließ 1787 eine bemerkenswerte Gemäldesammlung, in der er niederländische Sujets mit katholischen Themen verband. Sie enthielt sechs Landschaften, eine Jagdszene und sieben religiöse Gemälde, die das Leiden Christi und die Krönung Mariens darstellten. Selbst in den Haushalten der freien Schwarzen und freien Mulatten sind wir Zeugen bescheidener, aber ansprechender Interieurs. Gracia Anthonia (1770) zum Beispiel hatte japanisches Porzellan, eine Karte und ein Porträt. Eine andere, Maria Martha (1770), besaß zehn »katholische« Stiche.48
46 NL-HaNA, Curacao : Oude archieven tot 1828, 1.05.12.11 : Inv. Nr. 894 (Benjamin Dias Lorenzo, 1765), Inv. Nr.875 (Leon Jacob Judah, 1759), Inv. Nr. 968 (Aron Henriques Moron, 1784). 47 NL-HaNA, Curaçao : Oude archieven tot 1828, 1.05.12.11 : Inv. Nr. 968 (Aron Henriques Moron, 1784), Inv. Nr. 978 ( Jean Rodier, 1787), Inv. Nr. 997 ( Johannes de Veer, 1797). 48 NL-HaNA, Curaçao : Oude archieven tot 1828, 1.05.12.01 : Inv. Nr. 940 (Maria Martha, 1770), Inv. Nr. 941 (Gracia Anthonia, 1770), Inv. Nr. 968 (Aron Henriques Moron, 1784), Inv. Nr. 978 (Theodorus Brouwer, 1787), Inv. Nr. 989 (Guilleaume Charles Cabiol, 1793), Inv. Nr. 999 (Maria Kottes, Johan Mattheus Brunings, 1798).
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6. Neue Niederlande
Focus : Margrieta van Varick Im Juli 1686 kam Margrieta van Varick (1649 – 1695) mit ihrem zweiten Ehemann Roelof und vier Kindern in New York an. Sie sollten die nächsten Jahre in Flatbush (im heutigen Brooklyn) verbringen, wo man Roelof van Varick die Pastorenstelle der niederländisch-reformierten Kirche angeboten hatte. Margrieta war 1649 in Amsterdam geboren worden und, da ihre Eltern früh starben, mit ihrer Schwester Catharina und ihrem Onkel nach Malakka übersiedelt. Hier wirkte der Onkel, Abraham Burgers, in Diensten der VOC, und in der Hafenstadt heiratete Margrieta 1673 Egbert van Duins, einen verwitweten Kaufmann, der im Handel zwischen Malakka und Bengalen tätig war. Nach Duins’ frühem Tod lernte sie Roelof van Varick kennen, der als Pastor die reformierte Kirche in Malakka betreute. Das Paar kehrte zurück in die Niederlande und heiratete dort, bekam Kinder, aber bald schon erreichte Roelof van Varick das Angebot aus Flatbush. Daraufhin machte sich die Familie mit den Kindern auf den Weg nach Amerika. Margrieta brachte aber nicht nur ihren niederländischen Hausstand über den Atlantik, sondern auch die in Asien erworbenen Güter. Hierzu gehörten Möbel, Porzellan, Kleider, Textilien, Lackwaren, chinesische Figuren und eine Betelbox. Hinzu kam eine Sammlung von niederländischen Gemälden, Darstellungen von Ostindien sowie Silbergefäße. Sie verkörpert damit auch materiell die amerikanische wie die asiatische Welt.1
6.1 Pelze und Siedler Auf dem nordamerikanischen Kontinent ließen sich die Niederländer zunächst per Zufall nieder. 1609 hatte die VOC den englischen Kapitän Henry Hudson unter Vertrag genommen, um eine Nord-Ost-Passage nach Asien zu finden. Eigentlich sollte er an Skandinavien und Russland vorbeisegeln, aber als er vom arktischen Eis blockiert wurde, drehte er um und versuchte es in nordwestlicher Richtung. In der Hoffnung, eine Passage zum Pazifik zu finden, traf er auf das Flussdelta, das später 1 Marybeth de Filippis : Margrieta van Varick in the East. Traces of a Life, in : Krohn, Deborah L./ de Flippis, Marybeth/Miller, Peter (Hg.) : Dutch New York between East and West. The World of Margrieta van Varick, New Haven 2009, S. 41 – 53.
Pelze und Siedler
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seinen Namen tragen sollte. Nachdem er den Fluss hinaufgesegelt war, ging er in der Nähe des heutigen Albany an Land, das später das Zentrum der Neuen Niederlande werden sollte. Der Bericht von seiner Reise veranlasste eine Kaufleutegruppe um Lambert van Tweenhuysen, nacheinander mehrere Schiffe zur Fahrt an die Küste Nordamerikas auszurüsten. Andere Kaufleute und Kapitäne folgten. Die Attraktion für die Holländer waren Pelze, insbesondere die Biberpelze, die ihnen von den Algonkin am Hudsondelta und von den Mohawk am oberen Hudson angeboten wurden. Um zu vermeiden, dass man sich im Pelzhandel mit den Einheimischen gegenseitig überbot, gründeten die beteiligten Kaufleute 1614 die Compagnie van Nieuwnederlandt, die ein Patent für vier Jahre erhielt, woraufhin im gleichen Jahr Händler das Fort Nassau am oberen Hudson errichteten. Ab 1621 fielen die Neuen Niederlande in den Zuständigkeitsbereich der WIC.2 Mit der Zeit kamen auch niederländische Siedler in die Hudsonregion. 1624 ankerte die Nieu Nederlandt auf der Reede vor Manhattan ; an Bord hatte man Saatgut, Setzlinge, Vieh und Ackergeräte zur Errichtung einer Kolonie. 1626 gründete der WIC-Generalgouverneur Peter Minuit zusammen mit einigen Siedlerfamilien, die aus den Niederlanden gekommen waren, Fort Amsterdam, aus dem sich mit Neu Amsterdam (später New York) ein lebendiges Handelszentrum entwickeln sollte.3 Die Neuen Niederlande, mit einer Siedlerpopulation zwischen 7000 und 9000 Kolonisten, umfassten Dörfer im gesamten Hudson Valley, in Manhattan, Long Island und entlang des Delaware River. Die Ureinwohner prägten zusammen mit europäischen Pelzhändlern und Bauern die Neuen Niederlande. Sie lebten zusammen mit freien und versklavten Afrikanern sowie mit französischsprachigen Migranten, Skandinaviern, Deutschen und Engländern.4 Die kleine Gruppe von Juden, die 1654 aus Recife gekommen war, wurde anfänglich diskriminiert, mit der Zeit aber toleriert, so dass sie sich wirtschaftlich betätigen konnte.5 Es dominierten die Nieder länder und die niederländische reformierte Kirche. Auch als die Engländer 1664 Neu Amsterdam übernahmen, änderte sich die Situation nicht grundlegend. Viele 2 Jaap Jacobs : New Netherland. A Dutch Colony in Seventeenth-Century America, Leiden/Boston 2005, S. 30 – 37. 3 Oliver A. Rink : Seafarers and Businessmen. The Growth of Dutch Commerce in the Lower Hudson River Valley, in : Panetta, Roger (Hg.) : Dutch New York. The Roots of Hudson Valley Culture, New York 2009, S. 7 – 34. 4 Susanah Shaw Romney : New Netherland Connections. Intimate Networks and Atlantic Ties in Seventeenth-Century America, Chapel Hill, North Carolina 2014, S. 9 – 25. 5 Jaap Jacobs : De joodse natie niet uit te sluiten, maar toegang tot handel en verblijf aldaar in de kolonie te verlenen. Joden in Nieuw-Amsterdam, in : Cohen, Julie-Marthe (Hg.) : Joden in de Cariben, Zutphen 2015, S. 74 – 87.
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Neue Niederlande
der führenden niederländischen Familien nahmen Beziehungen zu den neuen englischen Herren auf, um ihre Positionen zu behalten. Einerseits brachten allgemeine Entwicklungen in der Hochkultur sowie Mischehen die niederländische und die englische Elite einander näher, andererseits wirkten sprachliche und religiöse Unterschiede – die sich nur langsam änderten – trennend.6 Im Unterschied zu den Handelsniederlassungen der WIC und der VOC waren die Neuen Niederlande als Siedlungskolonie durch Familien geprägt, die zwei Drittel der Einwohner ausmachten. Entsprechend bildeten sich familiäre Netzwerke, die sich über den Atlantik in das Mutterland, aber auch nach Brasilien, die Karibik oder Afrika erstreckten. So halfen Familienmitglieder in Amsterdam bei der Ausreise nach Amerika und waren Anlaufstellen bei der zeitweiligen Rückkehr. Vor allem benötigten die Auswanderer jemanden, der sich zu Hause um die ökonomischen und finanziellen Angelegenheiten kümmerte. Nachdem die WIC 1638 den Pelzhandel für jedermann freigegeben hatte, schickten zahlreiche Neuniederländer kleinere Mengen an Biber-, Otter- und Eichhörnchenfellen mit aussegelnden Seeleuten an Ehefrauen, Verwandte oder Geschäftspartner in Amsterdam, die diese dann verkauften und den Erlös gutschrieben bzw. in Waren umsetzten, die wiederum in die Neuen Niederlande verschifft wurden. In diesen Netzwerken spielten Ehefrauen, sei es zu Hause oder in Übersee, eine zentrale Rolle. Sie betrieben hier und dort Geschäfte und überquerten nicht selten mehrfach den Atlantik. Eine dieser Frauen war die 31-jährige Amsterdamer Witwe Geertge Nanningsdochter, die 1641 mit zwei Kindern und einer Magd nach Neu Amsterdam kam, wo sie ebenso wie die Magd kurz nach der Ankunft heiratete und neun Monate später einen Sohn zur Welt brachte. Erneut Witwe geworden, brach sie 1644 wieder nach Amsterdam auf. Dort hielt sie es nicht lange aus und ging 1646 an Bord des Schiffes Prinses, um ihren Sohn, der in den Dienst der WIC getreten war, nach Curaçao zu begleiten und dann nach Neu Amsterdam weiterzureisen. Hier heiratete sie wieder und brachte einen weiteren Sohn zur Welt. Auch ihr neuer Ehemann, Claes Jansz. Kust, wurde nicht alt. Ein weiteres Mal Witwe geworden, zog sie nach Beverwijck am oberen Hudson und betätigte sich zusammen mit ihrem neuen Ehemann Willem Bout im Pelzhandel mit den Mohawk, betrieb eine Mühle und eine Taverne. Ihre Mobilität und ihre Heiraten verschafften ihr eine ökonomisch gesicherte Stellung.7
6 Jaap Jacobs : »It has pleased the Lord that we must learn English«. Dutch New York after 1664, in : Krohn, Deborah L./de Flippis, Marybeth/Miller, Peter (Hg.) : Dutch New York between East and West. The World of Margrieta van Varick, New Haven 2009, S. 55 – 65, hier S. 60. 7 Romney : New Netherland Connections, S. 81 – 84.
Afrikaner und Ureinwohner
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6.2 Afrikaner und Ureinwohner Afrikaner kamen erst in den 1640er Jahren in die Neuen Niederlande. Bis dahin hatten die Siedler die Dienste europäischer Mägde und Knechte in Anspruch genommen, die oftmals saisonal arbeiteten. Die Sklaven wurden in kleinen Gruppen, hauptsächlich aus Brasilien und der Karibik, nach Neu Amsterdam gebracht, 1655 aber auch eine größere Anzahl direkt aus dem Golf von Guinea. Die Sklaven trugen portugiesische Namen, waren katholisch getauft und sprachen portugiesisch bzw. eine portugiesisch-afrikanische Kreolsprache. Die Mehrheit der Afrikaner a rbeitete für die WIC, aber auch wohlhabendere Niederländer konnten sich den Erwerb von Sklaven leisten. Nicht alle Afrikaner waren unfrei, als die Engländer 1664 Neu Amsterdam übernahmen. Dort lebte ein Fünftel der Schwarzen frei mit ökonomischen Rechten, die die Engländer nach und nach einschränkten. Neben der Freilassung wurde zahlreichen Afrikanern auch der Status einer »halben Freiheit« gewährt, die man durchaus mit dem europäischen Feudalsystem vergleichen kann. Für ihre Freiheit mussten sie der WIC Naturalabgaben (Mais, Getreide, ein Schwein) entrichten und als Arbeitskräfte (gegen Bezahlung) dauerhaft zur Verfügung stehen. Als wirtschaftliche Basis erhielten sie einige Parzellen Land in Manhattan.8 Die unfreien Afrikaner arbeiteten im Hafen, in den Mühlen und im Handwerk, im 18. Jahrhundert auch auf den Farmen im Hudson Valley. Reiche niederländische Familien hielten sich Haussklaven als Statussymbol, und so kam der Sklavenjunge der Rensselaer-Familie aus Albany mit auf das Porträt der Tochter mit ihrem Hund. Statt englischen Hausangestellten bevorzugten die Niederländer und ihre Familien niederländisch sprechende Sklaven.9 Unter den führenden Familien wurden Sklaven weitergegeben, verschenkt oder vererbt.10 Gleichzeitig bewahrten die Afroamerikaner in den Neuen Niederlanden, auch als diese englisch geworden waren, ihre afrikanischen Traditionen, die sie mit niederländischen Bräuchen amalgamierten und so z. B. dem Pfingstfest (Pinkster) eine eigene Bedeutung verliehen.11 Besondere Beziehungen bauten die Niederländer zu der indigenen Bevölkerung, insbesondere den Mohawk am Oberlauf des Hudson, auf. 8 Jacobs : New Netherland, S. 380 – 388. 9 Jeroen Dewulf : Pinkster King and the King of Kongo. The Forgotten History of America’s DutchOwned Slaves, Jackson 2017, S. 50 – 52. 10 Nicole Saffold Maskiell : Elite Slave Networks in the Dutch Atlantic, in : Dewulf, Jeroen/ Praamstra, Olf/Kempen, Michiel van (Hg.) : Shifting the Compass. Pluricontinental Connections in Dutch Colonial and Postcolonial Literature, Newcastle upon Tyne 2013, S. 186 – 205. 11 Dewulf : Pinkster King, S. 75 – 95.
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Neue Niederlande
Biberfelle waren das Objekt der Begierde. Sie stellten gleichzeitig eine Ware und ein Zahlungsmittel dar und wurden von den Ureinwohnern bei den Niederländern gegen Wampum (von wampumpeag) oder Sewant (von seawan) getauscht. Dabei handelte es sich um Perlen, die die Algonkin an der Küste aus Muscheln herstellten. Ursprünglich als »heilige Objekte« in Ritualen und beim Geschichtenerzählen benutzt, avancierten sie zum Zahlungsmittel nicht nur zwischen den Europäern und der indigenen Bevölkerung, sondern auch unter den Niederländern in den Neuen Niederlanden und Neu Amsterdam. Dabei beauftragten die Niederländer die Algonkin standardisierte längliche Perlen zu fertigen, die auf Fäden gezogen wurden, und gaben ihnen dafür europäische Güter, wie Metallwerkzeuge und Geräte. Die Wampumketten wurden dann zum Kauf von Biberfellen eingesetzt ; sie besiegelten aber gleichfalls Freundschaften und Bündnisse mit den Einheimischen.12 Siedler und Ureinwohner interagierten und waren an den Fellen, dem Mais oder den Handelswaren des jeweils anderen interessiert. Dabei ist bemerkenswert, dass die WIC – anders als Spanier und Engländer – die indigenen Landnutzungsrechte anerkannte und Landerwerb durch Kauf oder Gabentausch propagierte. Solange die Siedler die Mohawk oder die Munsee südlich von Neu Amsterdam fürchteten, respektierten sie sie und hielten Abstand zu den Siedlungen. Mit der Zeit wurde das Land knapper, die Siedler rückten näher aneinander heran und es kam zu Konflikten.13 1655 griff eine größere Gruppe Indigener niederländische Siedlungen am unteren Hudson und auf Staten Island an. Sie töteten Menschen, schlachteten Tiere ab und brannten die Gehöfte nieder. Weitere Auseinandersetzungen folgten. Trotz dieser liefen die Handelsgeschäfte und der tägliche Austausch weiter. Die Beziehungen wurden ständig neu ausgehandelt. Dabei eröffnete die Konkurrenz zwischen Engländern und Niederländern der indigenen Bevölkerung vielfältige Spielräume, die aber mit der Übernahme der Neuen Niederlande durch England geringer wurden.14
6.3 Politische Rivalitäten Die Engländer avancierten spätestens 1648 nach dem Frieden mit Spanien zum Hauptfeind der Niederländer. Aber die Rivalität bestand schon länger, und die West 12 Janny Venema : Beverwijck. A Dutch Village on the American Frontier, 1652 – 1664, Hilversum 2003, S. 156 – 163. 13 Mark Meuwese : Brothers in Arms, Partners in Trade. Dutch-Indigenous Alliances in the Atlantic World, 1595 – 1674, Leiden/Boston 2012, S. 234 – 235. 14 Romney : New Netherland Connections, 145 – 190 ; Andrew Lipman : The Saltwater Frontier. Indians and the Contest for the American Coast, New Haven 2015, S. 125 – 168.
Politische Rivalitäten
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indische Kompanie war zerstritten, mit welcher Strategie man in Nordamerika vorgehen sollte. Während ein Teil für eine reine Handelspräsenz plädierte, sprach sich ein anderer Teil dafür aus, Landwirtschaft und Siedlung zu fördern. Letztere Gruppe hoffte, dass nach der Freigabe des Pelzhandels 1638 die Neuen Niederlande sich in eine Getreide produzierende und exportierende Kolonie entwickeln würden. Dabei ignorierte man die Tatsache, dass das vergleichsweise dünn besiedelte Land gegenüber englischen Ansprüchen kaum zu verteidigen war. So startete die WIC eine Einwanderungskampagne und veröffentlichte dazu eine »Beschryvinge van Nieuw-Nederlant« (Beschreibung der Neuen Niederlande) von Adriaen van der Donck 1655. Das Buch informierte über die Lebensmöglichkeiten in den Neuen Niederlanden für diejenigen, die daran dachten, dort hinzuziehen.15 Erste Einwanderungserfolge zeichneten sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ab, obwohl sich die Einwanderer in den Städten konzentrierten. Während im Ersten Englisch-Niederländischen Krieg die Neuen Niederlande noch verschont blieben, hatten sie die Engländer beim zweiten Ausbruch des Krieges bereits erobert. Der Friede von Breda (1667) war ein Kompromiss, da die Niederländer mit Rücksicht auf das im Süden stärker werdende Frankreich übermäßige Forderungen zurücksteckten. Sie waren bestrebt, die gefährlichsten Streitpunkte zu beseitigen, und traten deshalb in Nordamerika die Neuen Niederlande an England ab. Im karibischen Raum behielt man Surinam, das 1667 erobert worden war, Curaçao und einige kleinere Inseln. Gleichzeitig gaben die Engländer endgültig ihre Ansprüche auf die Molukken auf. Dem Verzicht auf die Neuen Niederlande lag eine realistische Einschätzung zugrunde. So blieb – anders als beim Verlust Brasiliens – ein öffentlicher Aufschrei aus, da den Neuen Niederlanden im Mutterland keine oder nur eine geringe ökonomische Bedeutung beigemessen wurde.16
15 Adriaen van der Donck : Beschryvinge van Nieuw-Nederlant, Amsterdam 1655. Der Untertitel lautete »Begrijpende de Nature, Aert, gelegentheyt en vruchtbaerheyt van het selve Lant ; mitsgaders de proffijtelijcke ende gewenste toevallen, die aldaer tot onderhout der Menschen, (soo uyt haer selven als van buyten ingebracht) gevonden worden« [Verständnis der Natur, des Wesens, der Beschaffenheit und der Fruchtbarkeit des gleichen Landes ; mit all den gewinnbringenden und gewünschten Zufuhren, die dort zum (Lebens-)Unterhalt der Menschen angetroffen werden (sowohl von [aus] sich selbst, wie auch von außerhalb) eingeführt]. Frans R. E. Blom : Picturing New Netherland and New York. Dutch-Anglo Transfer of New World Information, in : Huigen, Siegfried/Jong, Jan L. de/ Kolfin, Elmer (Hg.) : The Dutch Trading Companies as Knowledge Networks, Leiden/Boston 2010, S. 103 – 126, hier S. 105. 16 Wim Klooster : The Place of New Netherland in the West India Company’s Grand Scheme, in : Goodfriend, Joyce D. (Hg.) : Revisiting New Netherland. Perspectives on Early Dutch America, Leiden/Boston 2005, S. 57 – 70.
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6.4 Architektur und materielle Kultur Im Kontrast zu dieser Einschätzung zeigen Architektur und materielle Kultur der Region eine niederländische Prägung, in die lokale Elemente integriert bzw. Neuschöpfungen und Adaptionen angeregt wurden. Aufschlüsse über die Bauweise der heute nicht mehr erhaltenen Häuser bieten Verträge, die die Händler und Siedler z. B. in den 1640er Jahren mit lokalen Handwerkern abschlossen. Danach wurden die Häuser aus Holz oder aus – als Schiffsballast eingeführtem – Backstein gebaut. Manchmal verpflichteten die Verträge die Zimmerleute, zuvor das Bauholz im Wald zu schlagen. Henk Zantkuyl hat mit Hilfe der Kontrakte verschiedene Bautypen rekonstruiert und will die Vorbilder in den Landgebieten Nordhollands gefunden haben, aus denen ein Teil der Einwanderer stammte.17 Zunächst überwogen Reetdächer, obwohl die Behörden diese wegen der Feuergefahr mehrfach verboten wurden. In den Städten Neu Amsterdam und Beverwijck mit 5000 bzw. 1000 Einwohnern um 1700 fand daher der Übergang zur Backsteinarchitektur und gebrannten Dachziegeln als Erstes statt. Es bildeten sich »niederländische« Charakteristika, wie Häuser mit Treppengiebeln, hohen Decken im ersten Stock und großen Fenstern, heraus. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fand dann auch die Rezeption englischer Architekturmuster statt, wobei die Übergänge fließend waren, so dass man auch von einer »Dutch-American Architecture« gesprochen hat.18 Der wichtigste Raum im neuniederländischen Haus war die sog. »große Kammer«, die wir auch in anderen niederländischen Stützpunkten in der Welt finden. Hier empfing man Gäste und stellte seine Wohnkultur mit Dekorationsobjekten zur Schau. Geschirr (und Besteck) aus Silber, Zinn und Porzellan fand hier ebenso seinen Platz wie Spiegel und Bilder, Landkarten und Drucke. An Möbeln finden wir hier neben mehreren Tischen 10 bis 20 Stühle, oft mit Kissen, Schränke wie den dekorativen kas und bei den Wohlhabenderen Ebenholzkabinette, in denen sich Preziosen fanden. Im Laufe des 18. Jahrhunderts wurde dann in den Städten zunehmend die englische Bezeichnung parlour verwendet, während in den ländlichen Gebieten die groot kamer weiterhin beibehalten wurde.19
17 Henk J. Zantkuyl : Reconstructie van enkele Nederlandse huizen in Nieuw-Nederland uit de zeventiende eeuw, in : Bulletin KNOB. Tijdschrift van de Nederlandse Oudheidkundige Bond 84, 2 – 3 (1985), S. 166 – 179 ; Henk J. Zantkuyl : Hollandse huizen, gebouwd in de 17de eeuw in Amerika, in : Amsterdamse Monumenten (1987), S. 47 – 76. 18 David Steven Cohen : The Dutch-American Farm, New York/London 1992, S. 405 – 408. 19 Roderic H. Blackburn/Ruth Piwonka : Remembrance of Patria. Dutch Arts and Culture in Colonial America, 1609 – 1776, New York 1988, S. 169 – 172.
Politische Rivalitäten
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24 Pierre Eugène du Simitière, Holländisches Haus (mit Datum 1689) in Manhattan, ca. 1769.
Vielfältige Quellen berichten über diejenigen, die aus Europa in die Neuen Nieder lande reisten, und ihre kulturelle Verortung. Beispielhaft ist Jonas Bronck, ein schwedischer Kaufmann, der ein Vermögen im Ostseehandel gemacht hatte, in den Niederlanden lebte und eine Niederländerin heiratete. Er finanzierte einen Teil der Reise des Schiffes Brand van Trogen, um Siedler, Vieh und Waren in die Neuen Niederlande zu bringen, und ließ sich bis zu seinem Tod 1643 in Westchester County nieder, wo er in einem ziegelgedeckten Steinhaus lebte. Nicht nur sein Vieh und seine Werkzeuge waren beträchtlich, sondern auch seine persönliche Habe, die aus vier Anzügen, einem Wams, zwei Mänteln, sieben Hemden, Handschuhen, einem Degen und einem goldenen Siegelring bestand. Zur Ausstattung und Dekoration seines Haushaltes gehörten 37 Zinnteller verschiedener Größe, sieben Silbergegenstände, zwei Spiegel (in Ebenholz gerahmt und vergoldet), ein Ausziehtisch, elf Gemälde, Geschirr aus Alabaster und Porzellan, drei Betten mit den entsprechenden Laken und Kissen sowie vier Tischdecken und 16 Servietten. Seine Bibliothek war gut ausgestattet und enthielt u. a. zahlreiche Werke theologischen, juristischen und historischen Inhaltes in den Sprachen Latein, Niederländisch, Deutsch und Dä-
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nisch, darunter Blaeus’ berühmten Meeresatlas »Zeespiegel« von 1623, die »Cosmo graphia« von Petrus Apianus sowie Jan Henrick Jarichs van der Leys »’t Gesicht des grooten Zeevaerts« (1619), ein Atlas- und Navigationswerk.20 1646 hinterließ der Schiffskapitän Jan Jansz. Wansaer wertvolle Güter wie Textilien (darunter einen spanischen Baumwollunterrock), Gold- und Silbergegenstände, eine silbergefasste Kokosnuss auf einem Fuß und eine kleine Schildpattdose sowie größere Summen Geldes in Wampum und Schuldverschreibungen in den Neuen Niederlanden.21 Luxusobjekte, wie Juwelen oder besondere Möbel, wurden von den Eliten auch speziell bei Geschäftspartnern oder Familienmitgliedern in den Niederlanden bestellt. So brachte Jan Tjekensz. Schellinger, der Kapitän des Schiffes Hoop, 1643 einen Teil seines Hausrates mit nach Amerika, um Gemälde, Silbergeschirr, Kleidung, Schmuck und Möbel dort zu verkaufen.22 Jan Jansz. Damen, der ein großes Haus in der heutigen Wall Street hatte bauen lassen, schmückte sein »großes Vorderzimmer« mit gerahmten Bildern (auf Papier) und einem Spiegel. Im Bett nutzte er eine Wärmpfanne, machte es sich mit Kissen und Decken bequem und trug bedruckte Nachtmützen aus Baumwollstoff, die wir – wie auch das vielfältige Sortiment an Textilien – später auch in anderen Inventaren finden. Neben niederländischen und spanischen Silbermünzen bestand der größte Teil der Barschaft wiederum aus Wampum.23 In Beverwijck (heute Albany) im oberen Hudson-Tal sind wir Zeugen schön eingerichteter Häuser, mit niederländischen Gemälden dekoriert, die in den Neuen Niederlanden oder in Amsterdam gekauft wurden. Dabei boten die Nachlassauktionen immer wieder Gelegenheit, sich mit Gemälden und anderen Einrichtungsgegenständen einzudecken.24
20 Ruth Piwonka : »I could not guess what she intended to do with it«. Colonial American-Dutch Material Culture, in : Panetta, Roger (Hg.) : Dutch New York. The Roots of Hudson Valley Culture, New York 2009, S. 159 – 187, hier S. 161 – 165. Kenneth Scott/Kenn Stryker-Rodda (Hg.) : New York Historical Manuscripts. Dutch, Volume II : Register of the Provincial Secretary, 1642 – 1647, übersetzt von J. F. van Laer, Baltimore 1974, S. 120 – 125. 21 Kenneth Scott/Kenn Stryker-Rodda (Hg.) : New York Historical Manuscripts. Dutch, Volume III : Register of the Provincial Secretary, 1648 – 1660, übersetzt von J. F. van Laer, Baltimore 1974, S. 338 – 340. 22 Piwonka : Colonial American-Dutch Material Culture, S. 167 ; Jacobs : New Netherland, S. 253. 23 Piwonka : Colonial American-Dutch Material Culture, S. 168 – 170 ; Scott/Stryker-Rodda (Hg.) : New York Historical Manuscripts. Dutch, Volume III, S. 267 – 276. 24 Venema : Beverwijck, S. 213.
Politische Rivalitäten
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6.5 Der Van-Varick-Haushalt Leider erwähnt die Mehrzahl der Nachlassinventare meistens nur die Anzahl der Gemälde nach Größe und Rahmenqualität. Eine Ausnahme bildet hier die Hinterlassenschaft der bereits eingangs erwähnten Margrieta van Varick, denn hier werden die Gegenstände genau aufgeführt und die Gemälde im Inventar vergleichsweise ausführlich, d. h. nach Sujet, beschrieben. Gemälde im Nachlass von Margrieta van Varick 1696/9725 6 Drucke mit schwarzem Rahmen zu 3s 2 dito größere 9s 4 dito mit vergoldetem Rahmen zu 6s 3 Ostindien-Bilder mit vergoldetem Rahmen zu 3s 1 dito zu 6s 3 dito mit schwarzem Rahmen zu 16 :8d 2 dito mit kleinem schwarzem Rahmen zu 4 :6d 2 dito größer mit vergoldetem Rahmen zu 12s 1 dito größer zu 18s 2 dito zu 18s 2 Karten mit schwarzem Rahmen zu 6s 2 kleine gemalte Bilder mit schwarzem Rahmen zu 16s 2 Bilder von Schiffen mit schwarzem Ebenholzrahmen zu 30s 1 Bild mit schwarzem Ebenholzrahmen zu 25s 1 Bild mit schwarzem Rahmen 24s 1 Bild des Apostels 18s 1 Bild einer Frucht zu 18s 1 Bild einer Schlacht 30s 1 Bild Landschaft 35 zu £ 2 :10 1 großer Blumentopf zu 30s 1 Bild mit einem Römer zu 12s 1 Vogelkäfig & Geldbörse &c 1 große Pferdeschlacht £ 3 : – : – 1 großes Bild mit Wurzeln ein Spiegel
25 «6 prints with black frames at 3s 2 ditto larger 9s 4 ditto with guilded frames at 6s 3 East India pictures with guilded frames at 3s 1 ditto at 6s 3 ditto with black frames at 16 :8d 2 ditto with small black frames at 4 :6d 2 ditto larger with guilded frames at 12s 1 ditto larger at 18s 2 ditto at 18s
£ 0 :18 : – £ 0 :18 – £ 1 : 4 : – £ 0 : 9 : – £ 0 : 6 : – £ 2 :10 : – £ 0 : 9 : – £ 1 : 4 : – £ 0 :18 : – £ 1 :16 : –
£ 0 :18 : – £ 0 :18 : – £ 1 : 4 : – £ 0 : 9 : – £ 0 : 6 : – £ 2 :10 : – £ 0 : 9 : – £ 1 : 4 : – £ 0 :18 : – £ 1 :16 : – £ 0 :12 : – £ 1 :12 : – £ 3 : 0 : – £ 1 : 5 : – £ 1 : 4 : – £ 0 :18 : – £ 0 :18 : – £ 1 :10 : – £ 2 :10 : – £ 1 :10 : – £ 0 :12 : – £ 1 :10 : – £ 3 : 0 : – £ 1 : 4 : – £ 5 : 0 : –
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Zunächst fallen hier die dekorativen Gold- und Ebenholzrahmen auf, die die Drucke – vermutlich Kupferstiche und Radierungen – fassten. Bemerkenswert sind die zahlreichen Ostindien-Darstellungen, die ebenso wie Karten die Wände schmückten. Die Gemäldesammlung bietet einen guten Querschnitt der Themen und Sujets des Goldenen Zeitalters. Neben Landschaften und Seestücken finden wir hier mit dem Bild eines Apostels auch eine religiöse Historie. Verschiedene Stillleben mit Blumen, Früchten, Gemüse oder ein Vanitas-Stillleben mit einem Römer (Trinkgefäß) regten zum Innehalten an, während großformatige Reiter- und Schlachtdarstellungen den Patriotismus bedienten. Sie waren zusammen mit den größeren Landschaften die teuersten Gemälde im Inventar. Daneben hing im Hause Varick eine Reihe von Familienporträts, die Margrieta ihren Kindern vermachte. Außergewöhnlich war der Haushalt der van Varicks auch in Bezug auf die Textilien. Neben Serge- und Leinenstoffen finden wir zahlreiche bemalte Baumwollstoffe (z. B. 22 Schürzen, 13 Bettdecken, 106 Servietten, 84 Kissenbezüge sowie zahlreiche Vorhänge).26 Diese Mengen legen die Vermutung nahe, dass Margrieta van Varick in New York mit indischen Textilien handelte und damit die Familientradition fortsetzte, denn auch ihr Großvater und ihr Onkel waren in dieser Branche tätig. Ein beträchtlicher Teil der Baumwollwaren wurde zusammen mit Petticoats, Schürzen, verschiedenen Mützen, Tischdecken und Servietten an die Kinder vererbt. Andere New Yorker Witwen hatten ähnliche Textilien in ihren Haushalten oder Geschäften.
2 maps with black frames at 6s £ 0 :12 : – 2 small painted pictures black frames at 16s £ 1 :12 : – 2 pictures of ships black Ebony frames at 30s £ 3 : 0 : – 1 picture black Ebony frame at 25s £ 1 : 5 : – 1 picture with a black frame 24s £ 1 : 4 : – 1 picture of the apostell 18s £ 0 :18 : – 1 picture of a fruit at 18s £ 0 :18 : – 1 picture of a Battle 30s £ 1 :10 : – 1 picture landskip35 at £ 2 :10 £ 2 :10 : – 1 large flower pott at 30s £ 1 :10 : – 1 picture with a Rummer at 12s £ 0 :12 : – 1 burd Cage & purse &c £ 1 :10 : – 1 large horse battle £ 3 : – :– £ 3 : 0 : – 1 large picture of Roots £ 1 : 4 : – a looking glasse £ 5 : 0 : –.« Deborah L. Krohn/Marybeth de Flippis/Peter Miller (Hg.) : Dutch New York between East and West. The World of Margrieta van Varick, New Haven 2009, S. 356. 26 Krohn/de Flippis/Miller (Hg.) : Dutch New York between East and West, S. 108.
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Dabei kann der »Chint flowered carpett«, der vermutlich von der Koromandelküste stammte, als Wand- oder Bettbehang gedient haben. Türkische Tischteppiche bereicherten wie überall in der niederländischen Welt die Tischkultur.27 Bemerkenswert sind die ostindischen Objekte der häuslichen Inneneinrichtung. Dazu gehörten reichhaltiges Porzellan aus China und Japan sowie Delfter Fayence ebenso wie chinesische Figuren, die wir auch in den Niederlassungen am Indischen Ozean finden. Herausragend waren die ostindischen Möbel : 13 Stühle aus Ebenholz sowie ein ostindisches Kabinett mit einem Ebenholzfuß, das auch andere New Yorkerinnen wie Judith Stuyvesant und Christina Cappoen ihr Eigen nannten. Auffallend sind die fünf ostindischen silberverzierten Holzschatullen, die zum Aufbewahren und zum Genuss von Betelnüssen (Sirih) dienten, eine Gewohnheit, die Margrieta wahrscheinlich während ihres Aufenthaltes im Osten praktiziert und in New York weitergeführt hatte. Japanische rote Lackkästen mit Perlen und Muscheln wurden ebenfalls erwähnt und zusammen mit den anderen ostindischen Gegenständen, Silber und Porzellan von Margrieta ausdrücklich ihren Kindern hinterlassen. Sie waren wahrscheinlich als Erinnerung an die im Osten verbrachten Jahre aufbewahrt worden. Ihre Haussklavin Bette vermachte Margrieta ihrer Tochter Cornelia, ohne dass – wie bei anderen Erb lasserinnen – eine spätere Freilassung verfügt wurde.28
6.6 Niederländische Lebensstile im englischen New York Ähnlich wie Margrietas Haushalt zeigen auch andere Inventare aus der beginnenden englischen Periode eine reichhaltigere Ausstattung der Haushalte. So fällt die Vielzahl der Tische und Stühle auf. Hierbei ging der Trend von traditionellen rechteckigen Tischmöbeln zum modernen ovalen Tisch. Daneben finden wir Auszieh-, Klappschreib- und Glastische, die dann teilweise eine Marmorplatte erhielten. Auch nach der Funktion wurden die Tische (Schreib- oder Spieltisch) unterschieden, wozu dann später auch noch Kaffee- oder Teetische kamen. Die Stühle waren mit russischem Leder ( Juchten) überzogen bzw. mit Kissen bequem gemacht. Auch die Zahl der Gemälde und Spiegel nahm, wie bei Cornelis Steenwyck (1686), einem reichen New Yorker Kaufmann, deutlich zu. Dabei konnten im 18. Jahrhundert New Yorker, 27 Krohn/de Flippis/Miller (Hg.) : Dutch New York, S. 262 – 264, 266 – 267. 28 Ruth Piwonka : Margrieta van Varick in the West. Inventory of a Life, in : Krohn, Deborah L./de Flippis, Marybeth/Miller, Peter (Hg.) : Dutch New York between East and West. The World of Margrieta van Varick, New Haven 2009, S. 99 – 116.
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wie Adolphe Philipse, gleichzeitig ein geschmackvoll eingerichtetes Haus in New York besitzen und auf dem Lande einem niederländischen Lebensstil folgen. Die Unterschiede fielen auch den Zeitgenossen auf, die zwischen englischen und niederländischen Lebensstilen unterschieden. So schrieb William Smith 1762 über die ehemaligen Neuen Niederlande : Englisch ist die vorherrschende Sprache unter uns, aber nicht wenig verdorben durch den
niederländischen Dialekt, der in einigen Grafschaften immer noch viel benutzt wird. […]
Die Sitten der Menschen unterscheiden sich ebenso wie ihre Sprache. In Suffolk und
Queen’s County, deren erste Siedler entweder aus England stammten oder die unmittelbaren Nachkommen derer waren, die die Plantagen in den östlichen Kolonien begannen, ähneln die Sitten denen, die in den englischen Grafschaften vorherrschen, aus denen sie
ursprünglich stammten. In der Stadt New York folgen wir durch unseren Verkehr mit den Europäern den Londoner Moden, und wenn wir sie übernommen haben, sind sie
in England bereits veraltet. […] Die niederländischen Grafschaften folgen in gewissem
Maße dem Beispiel von New York, behalten aber noch viele Moden, die den Niederländern eigen sind. […]29
Um 1700 begannen in New York niederländische Möbel die englischen Möbel zu beeinflussen, während im Laufe des Jahrhunderts englisches Design immer mehr in Mode kam. So bewahrten niederländische Haushalte einerseits ihre materielle Identität, indem sie traditionelle Einrichtungsmuster und Möbel beibehielten, und integrierten andererseits englische und französische Formen in ihr Möbelrepertoire. Im Hudson Valley lebte die niederländische Möbeltradition mit großen Schränken fort, dem sog. großen kast oder kas, der mit getäfelten Türen verziert war. In diesen Schränken bewahrte man das Familienleinen auf und sah darin ein Zeugnis familiärer Tradition. Wir finden einen solchen Schrank auch im Inventar vom Margrieta van Varick, der vermutlich ein Teil ihrer Aussteuer war und aus den Nieder29 »English is the most prevailing language amongst us, but not a little corrupted by the Dutch dialect, which is still much used in some counties. […] The manners of the people differ as well as their language. In Suffolk and Queen’s county, the first settlers of which were either natives of England, or the immediate descendants of such as begun the plantations in the eastern colonies, their customs are similar to those prevailing in the English counties from which they originally sprang. In the city of New-York, through our intercourse with the Europeans, we follow the London fashions ; through, by the time we adopt them, they become disused in England. […] The Dutch counties, in some measure, follow the example of New York, but still retain many modes peculiar to the Hollanders. […]« William Smith : The History of the Province of New York from the First Discovery to the Year 1732, New York 1762, S. 229.
Niederländische Lebensstile im englischen New York
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25 Kast, Rosenholzund Ebenholzfurniere über Eiche und Kiefer, ca. 1650 – 1680.
landen mit nach Flatbush gebracht wurde. Ein solcher Schrank wurde dem Brooklyn Museum von Mary und Charles van Kleeck geschenkt und könnte in der Varickund der van-Kleeck-Familie in den Jahren zwischen 1696 bis zur Schenkung an das Brooklyn Museum überlebt haben.30 Ein gutes Beispiel für die Adaption neuer englischer Stilelemente in die niederländische Haushaltseinrichtung ist der sog. Queen-Anne-Hudson-Valley-Stuhl. Er war ursprünglich ein gedrechselter Stuhl und erhielt geschnitzte Elemente sowie gedrechselte Beine mit speziellen Füßen, um den Queen-Anne-Stil zu imitieren. Dieser Stuhltyp stammte vermutlich aus der Werkstatt von Daniel Coutant in New York und wurde vor allem im Hudson Valley nachgefragt und weiterentwickelt. Lokale Stuhlmacher fügten ihre eigene Note hinzu und warben für ihr neues Produkt.31
30 Krohn/de Flippis/Miller : Dutch New York, S. 307 – 308. 31 Piwonka : Colonial American-Dutch Material Culture, S. 184 – 185.
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26 The Gansevoort Limner (vermutlich Pieter Vanderlyn), Porträt von Susanna Truax, 1730.
6.7 Die Anfänge einer neuniederländischen Malerei Auch eine spezielle Maltradition entstand in der Region durch die Einwanderung niederländischer Maler. Eine spezifische Gattung sind die sog. »scripture paintings«, Gemälde mit biblischen Themen, die in den Neuen Niederlanden von einheimischen Malern nach Kupferstichen oder Radierungen geschaffen wurden. Insbesondere die Illustrationen in den niederländischen Bibeln regten diese Gemälde an, denen sie oft eng folgen. Neben den Gemälden, die man aus den Niederlanden mitbrachte bzw. sich aus dem Mutterland schicken ließ, entwickelte sich eine lokale Porträtkunst. Einer der geschätzten Porträtisten war Pieter Vanderlyn, der um 1700 aus Holland in die Region kam und viele der führenden neuniederländischen Familien porträtierte ; so beispielsweise Susanna Truax, die auf dem Gemälde nicht nur ihr neues vermutlich direkt aus Europa importiertes Baumwollkleid mit breiten farbigen Streifen zur Schau stellt, sondern auch die neue Wohn- und Tischkultur mit einem Teetisch, auf dem sich Teekanne und Teetasse aus Porzellan sowie eine Zuckerschale befinden, während Susanna selbst den Zucker auf einem Löffel konsumiert bzw. damit ihren Tee süßt. Auch Gerardus Duyckinck, ein Maler-Handwerker niederländischer Abstammung in dritter Generation, schuf zahlreiche Porträts und »scripture pictures« und
Die Anfänge einer neuniederländischen Malerei
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27 Nehemiah Partridge, Porträt von Ariantje Coeymans Verplanck (1672 – 1743), 1718 oder 1722 – 1724.
war ebenfalls als Kunsthandwerker aktiv. Im Jahr 1735 warb er für seine Fähigkeiten als Limnograph, Maler, Vergolder, Japanner und Händler von Brillen und Künstler farben »im Zeichen der zwei Amoretten, in der Nähe des Old Slip Market« in Manhattan. Als Limnograph oder Limner bezeichnete man oft die Maler in den nordamerikanischen Kolonien, weil sie vorwiegend als Zeichner und Illustratoren tätig waren. »Japanning« war eine Methode der Möbelbearbeitung, um den Möbeln das Aussehen japanischer oder chinesischer Lackmöbel zu geben. Ein weiterer Maler, Nehemiah Partridge, reiste durch Neuengland und erfüllte vor allem im Hudson Valley zahlreiche Porträtaufträge, wie z. B. von Ariantje Coeymans Verplanck. Dieses monumentale Porträt soll das erste lebensgroße Ganzfigurenbildnis einer Frau im kolonialen Amerika sein. Ariantje Coeymans Verplanck war eine einflussreiche Persönlichkeit, die Land mit Häusern, Scheunen und Mühlen geerbt und gekauft hatte. Zusammen mit ihrem Bruder Samuel baute sie eines der größten Häuser im niederländischen Stil im Upper Hudson Valley. Ariantjes Porträt könnte anlässlich ihrer Heirat im Alter von einundfünfzig Jahren mit einem dreiundzwanzig Jahre jüngeren Mann gemalt worden sein. Dies erscheint wahrscheinlich, da sie eine Rose (ein traditionelles Symbol der Liebe) hält und einen Ring an prominenter Stelle zeigt. Sie wird im charakteristischen Stil des Künstlers Nehemiah Partridge
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mit schnellen, sichtbaren Pinselstrichen und einer Palette von Schwarz, Braun, Blau und Rot dargestellt. In diesen Kontext gehört auch John Heaten, dessen Bild einer Tochter aus der Familie van Rensselaer mit Hund und einem Sklavenjungen bereits oben erwähnt wurde.32 Heaten war durch Einheirat in der niederländischen Gesellschaft des Hudson Valley gut vernetzt und schuf neben Porträts auch Landschaften und Genrebilder.
6.8 Die Bilderarmut der britischen Amerikaner Insgesamt blieb die niederländische materielle Kultur in den Neuen Niederlanden in Bezug auf Gemälde und Bilder einzigartig. Dies wird noch deutlicher, wenn wir sie mit der britischen nordamerikanischen Kolonialwelt vergleichen. Für die britischen Siedlungen in Nordamerika sind die Hinweise auf Bilderschmuck viel spärlicher. Obwohl das spätkoloniale Nordamerika einen Bau- und Dekorationsboom erlebte, vor allem in den Hafenstädten und auf den südlichen Plantagen, hielt die Innenausstattung in Bezug auf Gemälde und ähnliche Kunstgegenstände nicht mit den niederländischen Vorbildern Schritt. Wenn Menschen Bilder in ihren Zimmern hatten, waren dies Familienporträts, die manchmal über dem Kamin hingen. Sogar Gouverneur William Tryon in Fort George in New York, dessen Haus 1773 durch einen Brand zerstört wurde, besaß neben »Bildern ihrer Majestät« (König Wilhelm III. und Königin Ann, König Georg I., König Georg II. und Königin Caroline, König Georg III. und Königin Charlotte) im Ratssaal nur noch drei weitere Porträts in seinem Speisezimmer ; Letztere stellten »Maria, Königin der Schotten«, »Marquis von Granby« (den beliebten General John Manners) und »Mr. Reid« (den britischen Armeegeneral John Reid) dar.33 Dies steht im Gegensatz zu seiner außergewöhnlichen Bibliothek und seinem Haushalt, der reichhaltig mit Möbeln, Porzellan und Silber ausgestattet war. Die unbedeutende Rolle von Bildern in englischen nordamerikanischen Haushalten hatte sicher mehrere Ursachen. Zum einen spiegelt sich hier die späte Entwicklung der Kunstproduktion und des Kunstmarktes im Mutterland wider, der den Mittelschichten kein Bilderangebot machte. Bis zu einem gewissen Grad lässt sich die Bilderarmut auch mit einer »puritanischen
32 Siehe oben. 33 Winterthur Library, Winterthur, The Joseph Downs Collection of Manuscripts and Printed Ephemera, No. PH96/Col-61, S. 300 – 307.
Die Bilderarmut der britischen Amerikaner
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Ethik« und Genügsamkeit (»ländlicher Suffizienz«) erklären.34 Die »koloniale Erhabenheit«, die in vielen Hafen- und Handelsstädten des 18. Jahrhunderts sichtbar ist, zeigt jedoch, dass die Puritaner demonstrative Geselligkeit nicht länger verhinderten. Kaufleute und Plantagenbesitzer errichteten neue prunkvolle Häuser und vergrößerten auch alte Gebäude. Sie schmückten (oder renovierten) die Innenräume, vor allem die Salons, nach französischem Rokokodesign, vermittelt durch englische Dekorationshandbücher, wie Barettis »New Book of Ornaments for 1762«, oder durch britische Hausschnitzer, die nach Nordamerika gezogen waren.35 In Charleston, wo Rokoko-Interieurs als Mittel der elitären Verfeinerung große Popularität erlangten, galten Gemälde noch immer nicht als modische Objekte. Obwohl die Handelselite von Zeit zu Zeit Porträts bei lokalen Malern in Auftrag gab, nahmen der Ankauf und das Sammeln europäischer Kunstwerke erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts zu. Die Charlestoner besuchten dann auf ihrer »Grand Tour« Europa und kauften Gemälde in England, Frankreich oder Italien. Besonders nach der Französischen Revolution und dem Ende der Napoleonischen Kriege wurden die Adelssammlungen zerstreut und billig auf dem Markt erworben. Sammeln erforderte jedoch mehr als nur Geld. Deshalb bestanden Sammlungen in Charleston – wie auch anderswo in Amerika – meist aus Kopien nach alten Meistern und manchmal aus einigen wenigen »Originalen«. Darüber hinaus gaben manche Reisende, wie Joseph Allen Smith, »Grand Tour«-Porträts mit Florenz oder Rom im Hintergrund in Auftrag. Erst zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde das Sammeln von Gemälden in den Häusern in Charleston häufiger, und das Interesse an den Künsten führte 1822 zur Gründung der South Carolina Academy of Fine Arts.36 Insgesamt stellen wir ästhetische Unterschiede zwischen der britischen und der niederländischen Sphäre in Nordamerika fest. Die verschiedenen Traditionen werden am deutlichsten in der häuslichen Wanddekoration sichtbar. Während niederländische oder sogar englische Amerikaner im niederländischen Kontext ihre Wände mit Gemälden unterschiedlicher Sujets und mit Drucken schmückten, blieben die 34 Edmund S. Morgan : The Puritan Ethic and the American Revolution, in : The William and Mary Quarterly, 3rd Ser., 24 (1967), S. 3 – 43 ; Lorena S. Walsh, Urban Amenities and Rural Sufficiency. Living Standards and Consumer Behavior in the Colonial Chesapeake, 1643 – 1777, in : The Journal of Economic History 43 (1983), S. 109 – 177 ; Lois Green Carr/Lorena S. Walsh : The Standard of Living in the Colonial Chesapeake, in : The William and Mary Quarterly, 3rd Ser., 45 (1988), S. 135 – 159. 35 John Bivins Jr.: Charleston Rococo Interiors, 1765 – 1755. The »Sommers« Carver, in : Journal of Early Southern Decorative Arts XII (1986), S. 1 – 129. 36 Maurie D. McInnis : Picture Mania. Collectors and Collecting in Charleston, in : McInnis, Maurie D., in Collaboration with Angela D. Mack : In Pursuit of Refinement. Charlestonians abroad, 1740 – 1860, Columbia 1999, S. 39 – 53.
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Wände im britischen Neuengland – mit Ausnahme von Spiegeln – weitgehend leer, abgesehen davon, dass sie getäfelt waren. Kontrastierende kulturelle Identitäten sind offensichtlich. Erst als die Briten und später die Amerikaner Europa besuchten, entstanden Geschmack und Interesse an der Malerei.
7. Kapstadt
Focus : Angela van Bengalen Angela van Bengalen (auch Ansla van Bengale, gestorben 1692) kam als Sklavin aus Indien auf dem Schiff Amersfoort an das Kap der Guten Hoffnung. Im Oktober 1655 kaufte Jan van Riebeeck, der Gründer der Kapkolonie, Angela von dem Kommandanten Pieter Kemp, und Angela kümmerte sich um die Riebeeckschen Kinder. Als van Riebeeck 1662 das Kap verließ, verkaufte er Angela weiter an den Fiscal Abraham Gabbema. Dieser verfügte 1666 die Freilassung innerhalb von sechs Monaten, in denen sie Thomas Christoffel Muller dienen sollte. Angela war insgesamt die dritte Sklavin, die am Kap freigelassen wurde. 1668 wurde sie getauft. Bevor sie 1669 die Ehe mit Arnoldus Willemsz. Basson, einem Bürger der Kapkolonie, einging, hatte Angela schon mehrere Kinder von verschiedenen Vätern. In der Ehe mit Basson kamen sieben weitere hinzu. Zusammen mit Basson leistete sie sich einen gediegenen Lebensstil mit Haus, Grundbesitz außerhalb der Stadt und einem Garten. Gleichzeitig richtete Angela ihr Haus geschmackvoll ein. Dazu gehörten – neben einer reichhaltigen Ausstattung mit chinesischem Porzellan und Silber – an den Wänden sechs printjes (Drucke) sowie ein Porträt ihres verstorbenen Ehemannes. Ihre letzten Lebensjahre verbrachte sie vor allem in ihrem Garten, wo sie auch einen Alkoholausschank betrieb. Mehrere Sklaven halfen ihr dabei. Angelas Kinder und Enkelkinder heirateten in wohlhabende Familien ein und integrierten sich über mehrere Generationen in das gesellschaftliche Leben des Kaps.1
7.1 Die Niederlassung am Kap Die Südspitze Afrikas, insbesondere die Bucht am Tafelberg, war seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert ein Liegeplatz für Schiffe auf dem Weg nach Asien (oder 1 Laura J. Mitchell : Belongings. Property, Family, and Identity in Colonial South Africa. An Exploration of Frontiers, 1725 – c. 1830, New York 2009, S. 53 – 57 ; Karel Schoeman : Early Slavery at the Cape of Good Hope, 1652 – 1717, Pretoria 2007, S. 353 – 357 ; South Africa’s Stamouers : Van Bengale Angela (https:// www.stamouers.com/stamouers/surnames-v-z/21-van-bengale-angela) und Basson Arnoldus Willemsz. (https://www.stamouers.com/stamouers/a-c/32-basson-arnoldus-willemsz), (letzter Zugriff : 24.07.2020) ; Inventories of the Orphan Chamber Cape Town Archives Repository, South Africa : MOOC8/4.15 (Ansla van Bengalen, 1720) (http://databases.tanap.net/mooc/, letzter Zugriff : 24.07.2020).
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Kapstadt
zurück). Crews aus Portugal, Frankreich, England und den Niederlanden machten von der Möglichkeit Gebrauch, hier nach mehrmonatiger Reise anzuhalten. Die vom Skorbut und Krankheiten ausgezehrten Besatzungsmitglieder konnten sich erholen und Trinkwasser, Fleisch und Gemüse als Proviant für die Weiterreise an Bord genommen werden. Außerdem hinterließ man Nachrichten unter sog. Poststeinen. Als im Jahre 1647 auf dem Rückweg von Batavia die Haarlem hier Schiffbruch erlitt, ließ der Kapitän – der selbst auf einem anderen Schiff der Retourflotte zurücksegelte – den Unterkaufmann Leendert Janszen mit einer Gruppe von 62 Mann am Strand zurück. Nachdem die Gruppe dort ein Jahr dank der Unterstützung der einheimischen Khoikhoi ausgeharrt hatte, wurden die Überlebenden von der nächsten Retourflotte an Bord und mit in die Niederlande genommen. Nach ihrer Rückkehr verfassten Janszen und einer seiner Kameraden, Matthijs Proot, ein Memorandum, in dem sie die VOC-Direktoren auf die günstigen Bedingungen für eine dauerhafte Siedlung hinwiesen, die auf dem Tauschhandel mit den Khoikhoi und dem Reichtum an Trinkwasser beruhten. Nach der Verkündigung des englischen Navigation Act beschlossen die Heeren XVII 1651 die Anlage einer Verproviantierungsstation am Kap. Mit dieser Aufgabe wurde Jan van Riebeeck betraut, der dies als Karriereschritt in der VOC-Hierarchie in Batavia ansah.2 Jan van Riebeeck hatte den Plan, die Station zu einem Handelsposten zu entwickeln, in dem Vorräte – wie Nahrungsmittel, Brennholz und Wasser – von den Khoikhoi im Tausch gegen europäische Waren erworben werden könnten. Kurzfristig erwies sich dies als Illusion, denn das Kap war weiterhin auf Reislieferungen aus Batavia angewiesen. So hatte die Kompanie keine andere Wahl, als eine Kolonie für die Produktion von so notwendigen Gütern wie Getreide, Gemüse, Fleisch und Wein zu gründen. Das Hauptziel bestand darin, Siedler anzuziehen. Andernfalls wäre es nicht möglich gewesen, VOC-Schiffe auf ihren Ost- und Westfahrten mit ausreichend Vorräten zu versorgen. Als Riebeeck 1662 die langersehnte Beförderung nach Batavia erhielt, übergab er seine Geschäfte dem uns aus Brasilien bekannten Zacharias Wagener, der nach vielen Stationen in Asien zum Ende seiner Karriere Gouverneur der Kapkolonie wurde. Er entspannte die Beziehungen zu den Khoikhoi, für deren Sprache er sich interessierte, errichtete Hospital, Kirche und Schule und 2 Martine Gosselink : The Khoekhoe and the Dutch around 1600, in : Gosselink, Martine/Holtrop, Maria/Ross, Robert (Hg.) : Good Hope. South Africa and the Netherlands from 1600, Nijmegen/ Amsterdam 2017, S. 32 – 47, hier S. 33 – 43 ; Martine Gosselink : Jan van Riebeeck. The Founder of a VOC Post, in : Gosselink, Martine/Holtrop, Maria/Ross, Robert (Hg.) : Good Hope. South Africa and the Netherlands from 1600, Nijmegen/Amsterdam 2017, S. 49 – 67, hier S. 51 – 63.
Die Kapgesellschaft
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propagierte den Anbau fremder Pflanzen in den Kompanie-Gärten.3 So förderte Wagener einen seiner Soldaten, den Braunschweiger Georg Friedrich Wreede, der ein Kompendium der Khoikhoi-Sprache mit niederländischer Übersetzung zusammengestellt hatte. Wagener schickte das Werk an die Direktoren der Kammer Middelburg, die versprachen, es drucken zu lassen.4 Die Siedler, die ans Kap kamen, waren Männer, die der VOC zuvor als Matrosen, Soldaten oder Handwerker gedient hatten. Sie blieben als Freibürger in Kapstadt oder betrieben Landwirtschaft als Kleinbauern im Liesbeek-Tal hinter dem Tafelberg. Andere wanderten aus Europa ein. Eine dieser Gruppen waren die hugenottischen Flüchtlinge, die 1688 vor den Verfolgungen in Frankreich flohen und Ackerland als Besitz am Südwestkap erhielten. Die Höfe wurden auf Land angelegt, das die Niederländer der einheimischen Bevölkerung raubten. Bereits in den 1670er Jahren verteilte die Kompanie weiter landeinwärts gelegene Grundstücke, so am EersteFluss, wo 1679 die Stadt Stellenbosch gegründet wurde. Weitere Landzuweisungen folgten. Zwei oder drei Generationen lang bauten die Bauern am Südwestkap, die vor allem mit Sklaven aus dem Indischen Ozean arbeiteten, Weizen an und produzierten Wein. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts zogen unternehmungslustige Siedler über die Berge, um die Schaf- und Viehzucht aufzunehmen. Ihre Farmen wurden unentbehrlich, um den Bedarf der wachsenden Bevölkerung Kapstadts zu decken und die Schiffe der VOC zu versorgen.5
7.2 Die Kapgesellschaft Während des 17. Jahrhunderts erlebte die Kapkolonie eine kontinuierliche Einwanderung und einen Anstieg der Bevölkerung.6 Anders als die meisten Stützpunkte der Westindischen und der Ostindischen Kompanie war das Kap in erster Line eine bäuerliche Siedlung mit begrenzten Handelsmöglichkeiten, wobei die Vertreter der VOC dafür sorgten, dass das Kap seine zentrale Rolle als Versorgungshafen auf dem Weg von und nach Indien erfüllte. Auch wenn der Gouverneur des Kaps hierarchisch dem Generalgouverneur in Batavia untergeordnet war, korrespondierten 3 Sybille Pfaff : Zacharias Wagener (1614 – 1668), Haßfurt 2001, S. 203 – 207, 218 – 233, 254 – 260. 4 Hans den Besten : A Badly Harvested Field. The Growth of Linguistic Knowledge and the Dutch Cape Colony Until 1796, in : Huigen, Siefried/Jong, Jan L. de/Kolfin, Elmer (Hg.) : The Dutch Trading Companies as Knowledge Networks, Leiden/Boston 2010, S. 267 – 294. 5 Robert Ross : A Concise History of South Africa, Cambridge 1999, S. 21 – 22. 6 Nigel Worden (Hg.) : Cape Town between East and West. Social Identities in a Dutch Colonial Town, Johannesburg/Hilversum 2012.
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Kapstadt
die VOC-Verantwortlichen am Kap aufgrund der Nähe zu Europa auch direkt mit den Niederlanden. Anders als in Batavia war am Kap die personelle Fluktuation gering. Viele der Gouverneure und obersten Beamten verbrachten die längste Zeit ihrer Karriere am Kap und die Mitglieder der mittleren Verwaltungsebene waren dort oft geboren. So bildete sich eine Kap-Elite heraus, die vor allem aus den obersten VOC-Beamten und ihren Familien bestand und die sich in ihrem demonstrativen Konsum von dem Rest der Bevölkerung Kapstadts abgrenzte.7 Die Familien heirateten untereinander, aber auch die Funktionäre der VOC in Batavia wählten sich bei ihren kurzen Aufenthalten in Kapstadt Frauen aus dem Kap-Establishment.8 Trotz dieser Abgrenzung war es den einfachen Zuwanderern aus Deutschland, Skandinavien und Polen möglich, ihre soziale Stellung innerhalb einer einzigen Generation zu verbessern. Wir begegnen pensionierten VOC-Soldaten, die als erfolgreiche Handwerker oder als wohlhabende Monopolisten im Alkoholhandel tätig waren.9 Die wachsende Bevölkerung Kapstadts und ihre Nachfrage nach Nahrungsmitteln stimulierten das Wachstum der Landwirtschaft im Hinterland. Bis heute zeugt davon die große Zahl von Giebelhäusern im sog. kapholländischen Stil. Abgesehen von den Angestellten der VOC und den Freibürgern bestand die multiethnische Gesellschaft des Kaps hauptsächlich aus Nachkommen aus Verbindungen zwischen Niederländern und einheimischen Afrikanern sowie freien Schwarzen. Während Erstere an den Grenzen der Kapkolonie lebten und oft von den Farmern als Arbeitskräfte versklavt wurden, wohnten die freien Schwarzen hauptsächlich in Kapstadt, wo sie als Fischer, Kleinhändler und manchmal als Handwerker arbeiteten. Die Bezeichnung »freie Schwarze« bezog sich nicht auf die Hautfarbe. Sie waren freigelassene Sklaven oder Verbannte, die von Batavia zum Kap geschickt wurden. Ihre Herkunft aus dem Indischen Ozean lässt sich an den Namen ablesen, die sie trugen, wie z. B. Angela oder Rosetta van Bengalen. Die Chinesen am Kap, von denen die meisten Ex-Sträflinge waren, fielen ebenso in diese Kategorie.10 Nach ihren 7 Dazu diente auch die Verkündigung von Luxusgesetzen, die die Ausgaben für Kleidung und Feste wie in Europa einschränkte und die Nutzung von Kutschen und livrierten Sklaven den obersten VOC-Bediensteten vorbehielt. 8 Robert Ross/Alicia Schrikker : The VOC Official Elite, in : Worden, Nigel (Hg.) : Cape Town between East and West. Social Identities in a Dutch Colonial Town, Johannesburg/Hilversum 2012, S. 26 – 44 ; Robert Ross : Status and Respectability in the Cape Colony, 1750 – 1870. A Tragedy of Manners, Cambridge 1999, S. 14 – 16, 32 – 39. 9 Gerald Groenewald : Entrepreneurs and the Making of a Free Burger Society, in : Worden, Nigel (Hg.) : Cape Town between East and West. Social Identities in a Dutch Colonial Town, Johannesburg/ Hilversum 2012, S. 45 – 64. 10 James C. Armstrong : The Chinese Exiles, in : Worden, Nigel (Hg.) : Cape Town between East and West. Social Identities in a Dutch Colonial Town, Johannesburg/Hilversum 2012, S. 101 – 127.
Die Kapgesellschaft
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Nachlassbeständen zu urteilen, gelang es den freien Schwarzen, ein bescheidenes Einkommen zu erzielen. Mit Glück konnte eine freie schwarze Frau einen Bediensteten der Kompanie oder einen Freibürger heiraten und damit einen begehrenswerteren Lebensstil anstreben. Diese Möglichkeit war für die Zehntausenden von Sklaven, die auf Bauernhöfen oder in städtischen Haushalten arbeiteten, unerreichbar.11 Im Gegensatz zu Batavia, wo die Nachkommen aus einer Ehe zwischen einem niederländischen Mann und einer indigenen Frau legalisiert werden konnten, wurde diesen am Kap kein Status zuerkannt.12 Darüber hinaus kamen Malaien, Javaner und andere Einwohner des indonesischen Archipels auf VOC-Schiffen nach Kapstadt, wo sie kürzere und längere Zeit verbrachten. Sie bildeten zusammen mit freien Schwarzen und den aus Batavia Verbannten, die sich zumeist gegen die Herrschaftsintensivierung der VOC aufgelehnt hatten, am Ende des 18. Jahrhunderts eine sichtbare muslimische Gemeinschaft.13 Die Napoleonischen Kriege brachten eine dauerhafte Veränderung des Status der Kapkolonie mit sich. Im Jahr 1795, nach der Ausrufung der Batavischen Republik, nahmen die Briten alle niederländischen Stützpunkte im Ausland, einschließlich des Kaps, bewaffnet in Besitz. Obwohl Großbritannien das Kap 1803 an die Niederlande zurückgab, eroberte es 1806 das Kap erneut. 1816 traten die Briten die Kontrolle über Batavia und Java ab, behielten aber das Kap. Es wurde in das britische Kolonialreich integriert. Der Regimewechsel zog keine vollständige Umgestaltung der Gesellschaft am Kap nach sich. Die Briten akzeptierten das bestehende niederländische Rechtssystem, das auf dem römischen Recht basierte. Zudem ließen sie die politische Macht der Großgrundbesitzer und damit die herrschenden gesellschaftlichen Verhältnisse intakt. Für die Grundbesitzer eröffnete die Integration der Kapkolonie in das britische Empire neue Märkte für ihre Agrarproduktion. Erst in den 1820er Jahren, als die Briten 4000 neue Siedler ans Kap brachten, hielt der englische Nationalismus Einzug in die Gesellschaft, da die Neuankömmlinge sich den Kapbewohnern überlegen fühlten.14
11 Schoeman : Early Slavery ; Nigel Worden : Slavery in Dutch South Africa, Cambridge/London/ New York 1985. 12 Nigel Worden : Ethnic Diversity at the VOC Cape, in : Eliëns, Titus M. (Hg.) : Domestic Interiors at the Cape and in Batavia 1602 – 1795, Zwolle 2002, S. 129 – 137. 13 Kerry Ward : Southeast Asian Migrants, in : Worden, Nigel (Hg.) : Cape Town between East and West. Social Identities in a Dutch Colonial Town, Johannesburg/Hilversum 2012, S. 84 – 100. 14 Ross : Status, S. 40 – 66.
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Kapstadt
28 Jan Brandes, Die Strandstraat in Kapstadt, 1786.
7.3 Die Architektur am Kap Mit der Einwanderung und dem Wachstum der Bevölkerung Kapstadts im 18. Jahrhundert entstanden neue Häuser, und die Stadt hob sich von den ländlichen Gebie ten ab. Einstöckige Stroh- und Giebelhäuser wurden nach und nach durch doppelstöckige, stuckverzierte Stadthäuser ersetzt, die Jan Brandes während seines Aufenthalts in Kapstadt 1786 in einem Aquarell festhielt.15 Veränderungen in den Funktionen der Räume gingen Hand in Hand mit architektonischen Innovationen und stimulierten neue Moden in der Wohnkultur, wie die Schaffung von Empfangs- und Familienräumen.16 Während der Umgestaltung wurden in Batavia, Ceylon und in der Karibik offene Galerien in der Mitte der Häuser errichtet, um die kontrollierte Belüftung zu fördern. Sie spiegeln eine Art niederländischen Überseestil wider, der seine lokalen Ausdrucksformen fand. Am Kap bevorzugte man eine symmetrische Raumaufteilung mit einem Eingangsraum (voorhuis) und einem großen Raum im Inneren (galdery). Davor ordnete man rechts und links zwei Kammern an (voorcamer ter rechterhand, voorcamer ter linkerhand). Davon avan-
15 Antonia Malan : The Cultural Landscape, in : Worden, Nigel (Hg.) : Cape Town between East and West. Social Identities in a Dutch Colonial Town, Johannesburg/Hilversum 2012, S. 1 – 44 ; Antonia Malan : Strand Street, Cape Town, in : Bruijn, Max de/Raben, Remco (Hg.) : The World of Jan Brandes, 1743 – 1808. Drawings of a Dutch Traveller in Batavia, Ceylon and Southern Africa, Amsterdam 2004, S. 359 – 365. 16 Antonia Malan : The Form and Layout of Early Cape Town Households, 1660 – 1740, in : Vassa Journal 18 (2007), S. 34 – 63, hier S. 50 – 58 ; Antonia Malan : Households at the Cape, 1750 to 1850. Inventories and the Archaeological Record, Dissertation University of Cape Town 1993 ; Antonia Malan : Identifying Buildings and Building Lives at the Cape in the Early VOC Period, in : Worden, Nigel (Hg.) : Contingent Lives. Social Identity and Material Culture in the VOC World, Rondebosch 2007, S. 23 – 52.
Die Architektur am Kap
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29 Panorama von Kapstadt, 1727.
cierte der Raum auf der rechten Seite zum Empfangsraum, in dem man Gemälde und Spiegel aufhängte sowie Porzellan und kostbare Möbel ausstellte.17 Darüber hinaus leistete sich die Kap-Elite ebenso wie die Reichen Batavias Landbzw. Lusthäuser außerhalb der Stadt, die zum Teil zu Palästen ausgebaut wurden. Die Mittelschicht verbrachte einen Teil der heißen Sommertage außerhalb der Stadt in ihren Gärten, wo oft auch die Sklaven lebten und arbeiteten, denn die Gärten wurden landwirtschaftlich und gewerblich genutzt. Im Laufe des 18. Jahrhunderts 17 Inventories of the Orphan Chamber Cape Town Archives Repository, South Africa : MOOC8/19.28 (Catharina Frank, 1787).
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verdichtete sich das städtische Straßen- und Gartennetz durch eine intensivere Nutzung bzw. die zunehmende Bevölkerungsdichte. Die Bevölkerung wuchs von ca. 3000 (1731) auf 13.000 (1795), und die Zahl der Häuser verdoppelte sich von 254 im Jahr 1714 auf 500 im Jahr 1777. Die Panoramen von Johannes Schumacher aus dem Jahre 1776 zeigen die verdichtete Siedlung. Die Straßen waren gerade und die Häuser bildeten regelmäßige Bebauungsblöcke ; einige waren mit Stroh gedeckt, andere hatten Flachdächer, während die Gärten und das Vieh von Mauern und Hecken eingeschlossen waren. Im Zentrum des Bildes befinden sich die zentralen Orte : die Kirche, der Hinrichtungsplatz, das Fort und der Landungskai für die Schiffe. Diese Orte der VOC-Regierung und des Handels blieben für den Künstler der Kompanie die wichtigsten Merkmale der Siedlung, die er darzustellen hatte, obwohl sich die Struktur Kapstadts zu diesem Zeitpunkt weitaus differenzierter entwickelte.18
7.4 Eine globale materielle Kultur Die Inneneinrichtung der Häuser zeichnet sich durch eine vielfältige materielle Kultur aus. Sie war durch Dekorationselemente europäischer, asiatischer, aber auch lokaler Herkunft bestimmt. So finden wir im ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhundert bereits Gemälde und Drucke niederländischer Provenienz. Einige Jahre zuvor hatte der uns bereits bekannte Zacharias Wagener, der mit einem reichhaltigen, japanisch geprägten Hausrat an das Kap gekommen war, die Amsterdamer Direktoren darum gebeten, ihm zur Dekoration seiner kahlen Räume Gemälde aus den Niederlanden schicken zu lassen. Van Riebeeck hatte nämlich alle Gemälde und Stiche, die sich im Fort gefunden hatten, mit nach Batavia genommen. Drei Jahrzehnte später scheinen dann Gemälde keine Seltenheit mehr gewesen zu sein. 1697 hinterließ Godfried Meijhuijsen »7 Schilderijen, vertonenden de 7 sebillen« (sieben Gemälde, die die sieben Sibyllen darstellen), wobei es sich wahrscheinlich um eine Reihe von Stichen von Crispijn van de Passe handelte, die wir auch an den Wänden in Batavia finden.19 Das erste ausführliche Inventar, das Einzelheiten über Gemälde enthält, stammt aus dem Jahr 1707. Der ehemalige Junior-Kaufmann und Kassier (onderkoopman en kassier) der Kompanie, Hendricus Munkerus, und seine Frau Elsje van Suurwaarden hatten ihr Haus mit Landschafts- und Genrebildern, vor allem Bauerndarstellungen, geschmückt :
18 Malan : The Cultural Landscape, S. 1 – 25, hier S. 23 – 25. 19 MOOC8/1.23 ( Jennetjen Kouthoff, 1697), 43. Pfaff : Zacharias Wagener, 2001, S. 192.
Eine globale materielle Kultur 1 Gemälde, das eine Bauernkirmes darstellt 1 betrunkener Bauer und Bäuerin 1 Landschaft 1 Landschaft 1 Porträt eines jungen Mannes 1 Porträt einer Tochter sowie zwei Porträts des Bruders und der Schwester von Frau Munkerus 1 bäuerlicher Schulmeister 1 bäuerliche Schulmeisterin 2 Meereslandschaften 4 2 italienische Häfen 4 2 Landschaften 6 3 Bauernkirmessen alt 6 5 ramponierte Gemälde von Kapkunst
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2 Reichstaler 1 4 4
3 2 2 4 4 6 6 21/2.20
Neben den Beschreibungen der Sujets fällt die Hervorhebung »5 ramponierte Gemälde der Kapkunst« auf, wobei nicht klar ist, ob die Gemälde verdorben bzw. beschädigt waren oder die Kunst an sich. Die Differenzierung ist aufschlussreich, denn sie impliziert, dass die anderen erwähnten Gemälde niederländischer Herkunft waren oder zumindest aus den Niederlanden importiert wurden. Die Drucke sind wie folgt spezifiziert : 11 Drucke 9 Porträtdrucke auf gerahmtem Papier 3 gerahmte Papiere 12 Papiere gerahmt 2 gemalte Porträts gerahmt 2 zusammen gerahmte Papierbilder
1 3/8 1 0 3/8 11/2 11/2.21
20 MOOC8/2.8 (Hendricus Munkerus, Elsje van Suurwaarden, 1707) Schilderijen
Rd :s
een schilderij verbeeldende een boerekermis
2 :--
een dronke boer en boerin
1 :--
een landschapje
4 :--
een landschapje
4 :--
een jongelings portrait een dogters portrait sijnde suster en broeder van juff :w Munkerus
3 :--
een boere schoolmeestertie
2 :--
een boere matresje
2 :--
twee verbeeldende zetjens
4 :--
twee Italiaanse zeehavens
4 :--
twee landschappen
6 :--
drie boere kermissen oud vijv getramponeerde schilderijen Caabse kunst
21 MOOC8/2.8 (Hendricus Munkerus, Elsje van Suurwaarden, 1707).
6 :-2 :1/2.
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30 Porzellanlöwen aus dem vor Kapstadt gesunkenen VOC-Schiff Oosterland.
Andere Inventare, wie z. B. die von Joris van Stralen und Jacob van Doorninck aus dem Jahr 1701, unterscheiden zwischen kleinen Bildern (schilderijtjes), Drucken auf Papier (papier prentjes), kleinen Drucken auf Papier (kleine papier prentjes), indischen Drucken (Bengaalse prenten), wobei zwischen ihnen weiter differenziert wird, was die Qualität oder Farbe des Rahmens betrifft.22 Ähnliche Kriterien finden sich in Einträgen wie »3 gewöhnliche Gemälde sind Landschaften mit einfachem Rahmen« (3 gemeene schilderijen zijnde landschappen met geringe lijste) oder wenn zahlreiche Familienporträts aufgenommen wurden.23 In den folgenden Jahren ist ein stetiger Anstieg der chinesischen Exportkunst in den Haushalten und Beständen am Kap zu verzeichnen. Chinesisch schilderijen, schilderijtjes, prenten und beeldjes werden häufig erwähnt. Die chinesischen Bilder wurden vermutlich aus Kanton importiert, wo die Intensivierung des Handels zur Entstehung einer Exportindustrie führte.24 Diese neuen modischen Objekte fanden nicht 22 MOOC8/1.62 ( Jacob van Doorninck, Joris van Stralen, 1701). 23 MOOC8/2.50, 304. 24 Siehe Kapitel »China«.
Wohnkultur und Dekorationsmuster
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nur in den Haushalten am Kap und in Batavia, sondern auch bei Kennern in der Niederländischen Republik und in England lebhaftes Interesse. Aus den Einträgen ist nicht immer klar, ob es sich bei einem Gegenstand um ein Gemälde oder einen Druck handelte. Neben den Exportgemälden von Hafenszenen besaßen die Haushalte sowohl in Kapstadt als auch in Batavia gemalte Hängerollen auf Seide und vor allem farbige Holzschnitte aus Suzhou.25 Zusätzlich zu Gemälden finden wir schon bei Munkerus chinesische beeldjes – weiß oder farbig glasierte Porzellanfiguren. Dabei könnte es sich um Figuren von Göttern und Göttinnen, aber auch um Tiere gehandelt haben. Figuren dieser Art befanden sich an Bord der Oosterland, als diese 1697 in der Tafelbay versank.26 In mehreren Kapinventaren werden diese beeldjes als Löwen (leeuwtjes) beschrieben, ein typisch buddhistisches Symbol. Sie waren zu billigen Dekorationsobjekten in vielen Kap-Haushalten geworden.27
7.5 Wohnkultur und Dekorationsmuster Mitte des 18. Jahrhunderts nahm die Zahl der Gemälde und Drucke in den Haushalten der Kapstädter Bürger zu. Wie in der Niederländischen Republik war es nicht selten, mehr als 20 Bilder in einem Inventar zu finden.28 Die bereits erwähnte Erweiterung der Häuser und die Veränderung der Funktion von Räumen förderten das Entstehen neuer Moden in der Wohnkultur, die sich auch in der Hängung von Gemälden widerspiegelt. Die Familienporträts sowie die größten und kostspieligsten Gemälde des Hauses befanden sich in der voorcammer ter regterhand, dem Empfangsraum. Außerdem 25 Die erste Erwähnung von vier »Chineesche schilderijties« am Kap stammt aus dem Jahr 1713 : MOOC8/3.30 (Abraham Diemer, Anna Elisabeth Sneeuwind, 1713). Für die folgenden Jahrzehnte siehe MOOC8/5.3 (Helena Siebers, 1727) ; MOOC8/5.79 (Elisabeth Pretorius, 1730) ; MOOC8/6.67 (Geertruijd Meijboom, 1743) ; MOOC88,34 (1752) ; MOOC8/8.34 (Thomas de Wit, 1752). 26 Bruno Werz : »Een bedroefd, en beclaaglijck ongeval«. de wrakken van de VOC-schepen Oosterland en Waddinxveen (1697) in de Tafelbaai, Zutphen 2004, S. 148 – 149, 152. 27 MOOC8/3.83 (Simon Faessen, 1718) ; MOOC10/3.62 (Arend Vlok, 1725) ; MOOC8/4.103 (Gisella van de Caab, Jan Stavorinus, 1727). 28 John Michael Montias : Works of Art in a Random Sample of Amsterdam Inventories, in : North, Michael (Hg.) : Economic History and the Arts, Köln 1996, S. 67 – 88 ; Marion Elisabeth Wilhelmina Goosens : Schilders en de Markt : Haarlem 1605 – 1635, Dissertation Universiteit Leiden 2001, S. 332 ; Piet Bakker : Gezicht op Leeuwarden. Schilders in Friesland en de markt voor schilderijen in de Gouden Eeuw, Dissertation Universiteit Amsterdam 2008, S. 136 – 142 ; Harm Nijboer : De fatsoenering van het bestaan. Consumptie in Leeuwarden tijdens de Gouden Eeuw, Dissertation Universiteit Groningen 2007, S. 49 – 51.
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Thomas de Wit, Anordnung der Gemälde in seinem Haus, 1752.
wurden in der voorcamer das Porzellan und andere kostbare Gegenstände der materiellen Kultur aufwendig ausgestellt. Einfachere Kunstobjekte, z. B. chinesische Gemälde und Grafiken, schmückten die weniger repräsentativen Räume, insbesondere die neuen oberen Zimmer. Die Einrichtung des Hauses von Thomas de Wit, einem Hauptmann der Reitermiliz, bestätigt diese Wohnmuster eindrücklich.29 De Wit stammte aus New York und begann seine Kapstädter Karriere als knegt (Knecht), 29 Inventories of the Orphan Chamber Cape Town Archives Repository, South Africa : MOOC8/8.34 ( Johanna Elisabeth Delitsch, 1755).
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Wohnkultur und Dekorationsmuster
d. h. als Geselle im handwerklichen Bereich. Durch die Heirat mit Johanna Delitsch, der Tochter eines Mitglieds der Bürgerkavallerie, stieg er im Bürgertum auf. Möglicherweise vermietete er einen Teil der Räume in seinem großen Haus, in dem sich 1752 auch noch 13 Sklaven befanden.30 In ihrem Empfangsraum zeigten Thomas de Wit und Johanna Delitsch zahlreiche Gemälde. Darüber hinaus dekorierten sie die voorcamer mit Spiegeln, Porzellan, Schreibtischen und Guéridons. Vorhänge, Stuhlkissen und ein Tischteppich sorgten für eine gemütliche Atmosphäre bei der Geselligkeit am Teetisch und beim Betel-Kauen. Beim Eintritt in das Haus (in ’t voorhuijs) sah der Gast fünf größere Karten und in der linken Kammer (in de camer aan de linkerhand) weitere – vermutlich niederländische – Gemälde. Eine Vielzahl chinesischer Gemälde (20) im Wert zwischen 4 und 9 Gulden schmückte die hinteren Räume. Am Ende des Jahrhunderts stieg die Zahl der Gemälde in den Haushalten am Kap noch weiter an. So besaß beispielsweise Catharina Frank, die Witwe des zweiten Chefchirurgen der Regierung, Hendrik van Amstel, im Jahr 1787 44 Gemälde, die sieben Räume schmückten.31
30 Antonia Malan : Furniture at the Cape in the Eighteenth Century. An Archaeological Approach, in : Eliëns, Titus M. (Hg.) : Domestic Interiors at the Cape and in Batavia 1602 – 1795, Zwolle 2002, S. 139 – 159, hier S. 148. MOOC8/8.34 (Thomas de Wit, 1752, In de camer aan de regterhand) : f 1 cabinet [Kabinett]
90
1 stel porcelijne potten [Regal mit Porzellantöpfen]
45
2 spiegels met vergulde lijsten [Spiegel mit vergoldeten Rahmen]
120
2 tafelkasjes [Schreibtische mit Deckel]
72
1 oud Engels schrijfcomptoirtje [alter englischer Schreibtisch]
24
1 vierkante tafel met een alcatief [viereckiger Tisch mit einem Teppich]
12
3 tafels in soort [verschiedene Tische]
18
14 schilderijtjes in soort [verschiedene Gemälde]
60
2 guerridons [Guéridons] 5 coopere quispidoors [Kupfer-Spucknäpfe]
6 45
14 stoelen in soort [verschiedene Stühle]
90
12 stoelkussens [Stuhlkissen]
18
1 kleijn vierkant kistje [kleines viereckiges Kästchen (Betelbox)]
6
2 ophaalgordijnen [Vorhänge]
9
31 MOOC8/19.28 (Catharina Frank, 1787).
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Kapstadt
Im selben Jahr hinterließ der Chirurg des Kompaniekrankenhauses, David Reijn dertsz., 43 Gemälde und fünfzehn chinesische Figuren.32 Letztere befanden sich zusammen mit reichhaltigem Tafelsilber wiederum in der rechten Vorkammer. Gerade im ausgehenden 18. Jahrhundert dekorierten die Kapstädter die Galerie und die Kammern zunehmend mit Gemälden. Daneben waren Möbel, die vorwiegend von Tischlern am Kap aus einheimischen Hölzern gefertigt wurden, ein wichtiges Element der Kapstädter Wohnkultur. Anders als in Batavia, wo wir ein üppiges geschnitztes »niederländisch-indisches« Mobiliar vorfinden, erscheinen die Kapmöbel eher altmodisch. Ähnlich wie in den Neuen Niederlanden herrschen Stühle und Tische vor, die an Holland in der Mitte des 17. Jahrhunderts erinnern. Dabei gab es in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, inspiriert vom niederländisch-englischen William-und-Mary-Stil, einige Veränderungen bei den Sitzmöbeln, hin zu gedrechselten und geschwungenen Beinen, die wir mit den Queen-Anne-Stühlen in den Neuen Niederlanden vergleichen können. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurden europäische Trends am Kap rezipiert und die Kapmöbel, insbesondere die Kabinettschränke aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert, avancierten zu Statussymbolen in den Häusern.33
7.6 Sozialer Kontext Die Nachlassinventare geben zusätzlich Einblicke in den sozialen Kontext der Wohnkultur. Außerdem berichten Reisende über die Kapstädter Häuser, und einige wenige Gemälde dokumentieren die Interieurs. Nach den Inventaren zu urteilen, besaß nur jeder dritte Kapstädter Gemälde. Die Mehrzahl der Haushalte war nicht mit Gemälden oder Drucken geschmückt. Dies ist in den ländlichen Gebieten ebenfalls zu beobachten. Mitte des 18. Jahrhunderts gab es beispielsweise in Stellenbosch kaum Farmhäuser, in denen Kunst an den Wänden zu sehen war.34 Als die Bewohner 32 MOOC8/19.31 (David Reijndertsz., 1787). 33 Deon Viljoen : Furniture at the Cape of Good Hope 1652 – 1795, in : Eliëns, Titus M. (Hg.) : Domestic Interiors at the Cape and in Batavia 1602 – 1795, Zwolle 2002, S. 161 – 169. Siehe Kapitel »Neue Niederlande«. 34 In weniger als zehn Fällen hinterließ der Verstorbene ein oder mehrere schilderijtjes. Beispiele dafür sind Inventories of the Orphan Chamber Cape Town, Archives Repository, South Africa : MOOC8/23.9 (1709), in dem »2 papiere schilderijtjes« aufgeführt sind, und MOOC8/514.16 (1734) mit »1 schilderijtje«. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts begegnen uns mehr Gemälde, aber immer in kleiner Zahl. MOOC8/131.10 (1769), MOOC8/147.10 (1772), MOOC8/184.13 (1781), MOOC8/107.10 (1788), MOOC18/35.1 STB (1795).
Sozialer Kontext
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begannen, ihre Häuser zu verschönern, erwarben sie als Erstes einen Spiegel, gefolgt von Vorhängen oder einem Vogelkäfig, manchmal chinesischen Ursprungs. Erst wenn die Grundbedürfnisse der Verschönerung erfüllt waren, schmückten die Bauern – und das gilt auch für das einfache Bürgertum in der Stadt – ihre Häuser mit Gemälden, Drucken, Karten und Statuetten. Gemälde und Drucke waren nicht teuer : Nach den Schätzungen in den Inventaren, bestätigt durch die Ergebnisse der Nachlassverkäufe, reichen die Preise für normalformatige Gemälde (schilderijen) von 2½ bis 25 Gulden. Die Mehrheit lag zwischen 6 und 8 Gulden. Kleine Gemälde (schilderijtjes) kosteten zwischen 15 stui vers (drei Viertel eines Guldens) und 2 Gulden. Noch billiger waren Drucke (print schilderijtjes, papier schilderijtjes, printjes), deren Preise zwischen 4 stuivers und 1 Gulden schwankten.35 Da diese Kunstgegenstände zu so niedrigen Preisen erhältlich waren, hielten vermutlich keine finanziellen Zwänge die Menschen vom Kauf von Gemälden ab. Haushalte, die überhaupt keine Gemälde besaßen, fielen dennoch durch teure Möbel, Spiegel und natürlich Silberbesteck auf. Als die ländlichen Gebiete wohlhabender wurden, schlug sich das nicht notwendigerweise in einer Bereicherung der materiellen Kultur oder einer deutlichen Zunahme von Kunstobjekten nieder. Wie Susan Newton-King und Laura Mitchell gezeigt haben, zogen es die Viehzüchter am Kap vor, ihren Reichtum in Tieren anzulegen und ihre Gewinne in landwirtschaftliche Geräte zu investieren, bevor sie Güter für den Haushalt oder gar die Verschönerung der Wohnräume erwarben.36 Im Südwesten des Kaps zeigten die Farmer ihren wachsenden Wohlstand, indem sie weiß getünchte Giebelhäuser bauten oder ihre bestehenden Häuser mit entsprechenden Giebeln versahen.37 Obwohl wir Belege dafür haben, dass auf den Farmen in Stellenbosch, Drakenstein, Paarl usw. Gemälde nicht ganz fehlten, war die Zahl im Vergleich zu Kapstadt gering. Bevor ein Hausbesitzer seine Wände mit Kunstgegenständen schmückte, mussten ein bestimmter Geschmack sowie ein gewisser Drang zur Verfeinerung vorhanden sein. Dies würde erklären, warum Gemälde vor allem in den Haushalten der aufstrebenden Mittelschicht zu finden sind. Dieser Schicht von Kunstbesitzern entstammten der ehemalige Bürgerkommissar (oudburgercommissaris) 35 Kriterien für die Preisgestaltung von Gemälden waren Größe, Zustand (Erhaltung) und sogar (im Falle von schilderijtjes) die Qualität des Rahmens (wobei goldene Rahmen mehr Wert waren als schwarze). 36 Susan Newton-King : Masters and Servants on the Cape Eastern Frontier 1760 – 1803, Cambridge 1999, S. 201 – 209 ; Mitchell : Belongings, S. 104 – 113. 37 Für die wirtschaftliche Expansion der Landwirtschaft am Südwestkap und den sozialen Aufstieg der Produzenten siehe Robert Ross : The Rise of the Cape Gentry, in : Zeitschrift für Studien über das südliche Afrika 9.2 (1983), S. 193 – 217.
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Kapstadt
George Schoester (1754),38 der Stadtrat Paulus Artois (1756), Johanna Siekermans, die Witwe des Präsidenten der Waisenkammer (weesmeester) Jacob van Renen (1756), Anna Margaretha Smuts, die Witwe des Chefchirurgen Johannes van Sitters (1755), oder der oben erwähnte Hauptmann der Bürgerkavallerie, Thomas de Wit (1752). Sie waren wohlhabend, die meisten von ihnen besaßen mehrere Häuser, aber sie gehörten nicht zur Oberschicht der Kapgesellschaft. Wie Robert Ross gezeigt hat,39 war es diese obere Mittelschicht – heute zuneh mend als middling-sort bezeichnet –, die auf ihrem Weg zu Status und Ansehen am meisten zur Verbreitung neuer Moden und Einrichtungsmuster beitrug. Dabei orientierten sie sich – auch im Mobiliar – an westeuropäischen Vorbildern.40 Am Ende des Jahrhunderts stiegen die Ausgaben dieser Gesellschaftsschicht für Kunst, wie wir in den Haushalten von Catharina Frank und David Reijndertsz.41 gesehen haben, in noch größere Höhen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sickerte der Geschmack für Gemälde in die untere Mittelschicht des Kaps ein. Im Jahr 1786 begegnen wir einem Kompanie-Soldaten, George Hendrik Godlieb Bergman, der seine bescheidenen Räume mit 30 verschiedenen Gemälden (in zoort), vier Gemälden mit braunen Rahmen, zwölf kleinen Gemälden, neun chinesischen Gemälden im Hochformat (Chinaase staande schilderyen) und fünf chinesischen Statuetten dekoriert hatte.42 Im selben Jahr besaß der Bürger und Bote des Waisenhauses, Johan Leonard Waldpot, der wie Bergman recht genügsam lebte, dennoch 36 Gemälde und vier schilderijtjes.43 Eine Klasse, die fast keine Gemälde in ihrem Haushalt hatte, waren die freien Schwarzen. Vermutlich lag das daran, dass sie sich keine Gegenstände leisten konnten, die nicht eng mit ihrer Arbeit in der Landwirtschaft oder in einem Handwerk verbunden waren. Es gibt einige wenige Ausnahmen von der Regel. 1697 vermachte der vrije swaart Klaas Gerritz. van Bengalen ein schilderijtje im Wert von 13 Gulden. 1764 hatte Rosetta van Bengalen, die Witwe von Jan Jansz. van Ceijlon, die caamer ter regterhand mit acht Gemälden und das voorhuijs mit fünf schilderijtjes dekoriert und damit die Raumhierarchie respektiert.44 Wenn ehemalige Sklavinnen Männer heirateten, die im Dienst der Kompanie standen, neigten sie dazu, die Einrichtungs- und Dekorationsgewohnheiten ihres 38 39 40 41 42 43 44
MOOC8/7.33 (Catharina Christina, George Schoester, 1754). Ross : Status, S. 70 – 88 (obwohl Ross sich hauptsächlich auf das 19. Jahrhundert konzentriert). Worden : Ethnic Diversity, S. 129 – 137. MOOC8/19.28 (Catharina Frank, 1787) ; MOOC8/19.31 (David Reijndertsz., 1787). MOOC8/19.12 (George Hendrik Godlieb Bergman, 1786). MOOC8/19.14 ( Johan Leonard Waldpot, 1786). MOOC8/13.23 (Rosetta van Bengalen, 1769).
Kunstproduktion und Lebensstile
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neuen Milieus zu übernehmen. So hatte die eingangs erwähnte Angela van Bengalen, Witwe des wohlhabenden Bürgers Arnoldus Willemsz. Basson, sechs printjes und ein Porträt ihres verstorbenen Mannes in ihrem Haus (1720).45 Gisella van de Caab, Witwe des Jan Stavorinus, hatte ihre Räume mit zwei sineese beeltjes und fünf schilderijtjes sowie drei oude und sechs papiere schilderijtjes (1727) dekoriert. In späteren Jahren finden wir schilderijtjes und schilderijen im Haushalt von Su sanna van de Caab, Witwe von Jan Philipp Reimers ; und 1787 hinterließ die vrij swartin Eijda van Punto-Gale, Witwe von Hendrick Pietersen, zehn Gemälde in der camer ter regterhand in ihrem Testament.46 Auch Hanna van Boegies und Lucas van Bengalen fallen als ein erfolgreiches Ehepaar auf. Sie handelten mit Haushaltswaren, einschließlich Farben und Malerbedarf, dekorierten ihre Räume mit Kandelaber, Spiegel und zehn Gemälden, wobei Sklaven aus dem Indischen Ozean die Hausarbeit verrichteten und im Geschäft halfen.47
7.7 Kunstproduktion und Lebensstile Die Gemälde in den Haushalten des Kaps decken – wie in den anderen niederländischen Niederlassungen in der Welt – die meisten der in der Malerei des Goldenen Zeitalters bekannten Themen ab : Klassische Historien, Landschaften, Genrebilder, Stillleben und Porträts waren ebenso vertreten wie chinesische Exportkunst aller Art. Leider können wir die Bedeutung der verschiedenen Sujets im Laufe der Zeit nicht quantifizieren. Das Vorherrschen von Landschaften und Seestücken in den Sammlungen, z. B. im Haushalt von Hendricus Munkerus, lässt uns jedoch vermuten, dass der größte Teil des Zuwachses an Gemälden in den Häusern des 18. Jahrhunderts aus preiswerteren Landschaften bestand, wie es in der Niederländischen Republik der Fall war. Wer vermittelte Geschmack in die Kap-Gesellschaft ? Die Personen, die am ehesten Geschmacksnormen inspiriert haben dürften, waren Maler und Auftraggeber. Möglicherweise haben auch Kaufleute zur Geschmacksbildung beigetragen. Aus Batavia wissen wir, dass dort zahlreiche Maler sowohl als Kartenzeichner als auch 45 MOOC8/4.15 (Ansla van Bengalen, 1720) ; zu Angela und ihre Familie siehe Mitchell : Belongings, S. 53 – 57. 46 MOOC8/19.26 (Eijda van Punto-Gale, 1787). 47 MOOC8/19.8 (1785). Jean Gelman Taylor : Seven. Belongings and Belonging. Indonesian Histories in Inventories from the Cape of Good Hope, in : Ricci, Ronit/Yang, Anand A./Matteson, Kieko (Hg.) : Exile in Colonial Asia. Kings, Convicts, Commemoration, Hawaii 2016, S. 165 – 192, hier S. 177 – 178.
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31 Pieter Willem Regnault, Porträt von Joachim Lodewijk Wernich, seiner Frau Anna Margaretha van Reenen und ihrer Tochter Magdalena Elisabeth, datiert 1754.
als Soldaten im Dienst der VOC standen.48 Fast alle kamen auf ihrem Weg am Kap vorbei und verbrachten möglicherweise einige Zeit hier. Am Kap befriedigten einheimische und zugereiste Maler die lokale Nachfrage, vor allem nach Porträts, von denen einige erhalten sind. So zeigt ein Porträt von Pieter Willem Regnault den Kaufmann oder Weinhändler Joachim Wernich und seine erste Frau Anna Margarethe van Reenen und ihre zweijährige Tochter mit Hund in modischer europäischer Kleidung. Im Hintergrund sehen wir den Weinkeller und einen für das Kap typischen Eckstuhl.49 Pieter Willem Regnault stammte aus Middelburg und hatte in Den Haag gewirkt, bevor er 1753 zunächst als Soldat nach Südafrika ging, um dort die Jahre bis zu seinem Tod 1765 zu verbringen.
48 Marten Jan Bok : European Artists in the Service of the Dutch East India Company, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 177 – 204. 49 Antonia Malan : Home from Home. The Colonists Settle in, in : Gosselink, Martine/Holtrop, Maria/Ross, Robert (Hg.) : Good Hope. South Africa and the Netherlands from 1600, Nijmegen/ Amsterdam 2017, S. 102 – 114, hier S. 106 – 108.
Kunstproduktion und Lebensstile
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Neben Porträts schufen die einheimischen Maler sog. Caabse kunst, indem sie vermutlich importierte Sujets kopierten. Dass ein sichtbarer Unterschied zwischen lokal hergestellten und aus dem Ausland eingeführten Gemälden bestand und wahrgenommen wurde, konnten wir aus dem Inventar von Hendricus Munkerus erschließen. Die Nachlässe von Malern geben uns einen weiteren Einblick in die lokale Kunstproduktion. Als Adriana Strijdom 1767 starb, wurden ihre Besitztümer zusammen mit denen ihres verstorbenen Ehemannes, des Malers Jan de Waal de Jonge, registriert. Der Nachlass umfasste nicht nur fünf Gemälde und drei Familienbilder in der voorcaamer ter regterhand sowie sieben Gemälde in der voorcaamer ter linkerhand, sondern auch zahlreiche Gemälde, Rahmen, Pigmente, Utensilien des Malers, Drucke und einen weiteren Bestand von 33 Gemälden, fertig und unfertig, in den oberen Räumen. Unter den ausstehenden Schulden wurden außerdem sieben rijksdaalders für die Lieferung eines Gemäldes vermerkt, das Philip Hartog bestellt, aber nie bezahlt hatte.50 Noch aufschlussreicher aus kultureller Sicht ist der Nachlass des »bescheidenen Malers« (als schilder bescheiden geweest zijnde) Dirk de Jongh aus dem Jahr 1797. Neben Utensilien zum Drucken, Zeichnen und Malen befanden sich hier Stiche, Skizzen und Zeichnungen (zum Teil in Büchern und Mappenwerken) sowie een schilderboek van Laireste en voorts.51 Die Anwesenheit von Gérard de Lairesses »Het groot schilderboek« (Großes Malerbuch) in zwei Bänden (erstmals 1707 veröffentlicht) zeigt, dass den Künstlern am Kap ein maßgeblicher Traktat für die Ausbildung niederländischer Maler zur Verfügung stand und der Gesellschaft am Kap vermittelt werden konnte.52 Wir wissen auch, dass die Malerei als Hobby bis in die unteren Schichten des Kaps vordrang. Der Nachlass von Sergeant Carel Benedict Smeckkenbecher umfasste neben Malerutensilien auch 28 Gemälde, Drucke und Zeichenbücher.53 Er war ein ernsthafter Amateurmaler. Leider ist nicht viel darüber bekannt, wie und von wem die Gemälde am Kap oder in anderen Zentren in Auftrag gegeben wurden. Die zahlreichen Porträts und Familiengemälde, die in repräsentativen Räumen zur Schau gestellt und Familienmitgliedern oder Freunden vermacht wurden, zeigen jedoch, dass solche Aufträge recht 50 MOOC8/12.54 (Adriana Strijdom, 1767). 51 MOOC8/21.56 (Carel Benedict Smeckkenbecher, 1797). Der erwähnte Maler könnte der holländische Kupferstecher und Zeichner Dirk de Jongh sein, der 1779 in Rotterdam tätig war und möglicherweise an das Kap gezogen ist. Ein Hinweis darauf, dass dies der Fall gewesen sein könnte, ist, dass seine Stiche eine südafrikanische Landschaft enthalten. Thieme-Becker, Kuenstler-Lexikon, Band 19, S. 128 – 129. 52 Gérard de Lairesses : Het groot schilderboek, Amsterdam 1707. 53 MOOC8/21.56.
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Kapstadt
häufig gewesen sein müssen.54 Solche Gemälde haben vermutlich auch länger überlebt als andere bewegliche Güter aus denselben Nachlässen, die versteigert wurden. Johan Fourie, der sich mit dem Reichtum des niederländischen Kaps (im Vergleich z. B. mit Neuengland) beschäftigte, erklärt die Anzahl der Gemälde in den Kap-Haushalten mit bedeutenden Gemäldeimporten, die von »einer wohlhabenden Gesellschaft mit Geld, das für Luxusgüter ausgegeben werden kann«, erworben wurden.55 Insgesamt rezipierten die Kap-Eliten die europäischen Lebensstile und Güterwelten, während die materielle Kultur der freien Schwarzen weiterhin viele Elemente aus dem Indischen Ozean aufweist. Aber auch hier finden wir – wenn man wie Angela van Bengalen und ihre Kinder zu Wohlstand gelangte – die Tendenz, sich an europäischen Vorbildern zu orientieren bzw. den Haushalt der Eliten zu imitieren. Obwohl die Kap-Eliten permanent nach Europa schauten, wurde sie von den Niederlanden und auch von Batavia aus eher als lokale provinzielle Gesellschaft wahrgenommen. Gegen diese Sichtweise kämpfte ein Teil der Kap-Eliten an, indem sie versuchten, sich in übergreifende Netzwerke zu integrieren. So zählte die 1779 gegründete Bataviaasch Genootschap voor Kunsten en Wetenschappen unter ihren Mitgliedern auch Bewohner Kapstadts. Die Genootschaft hatte sich zur Aufgabe gemacht, das Wissen über den Indischen Ozean, insbesondere über Sprachen, Sitten, Gebräuche und Landwirtschaft der Inseln des indonesischen Archipels, zu vermitteln und sie baute auch eine Naturaliensammlung (Herbarium) zu diesem Zwecke auf. Auch wenn sich die aktive schriftstellerische Betätigung an dem publizierten Journal in Grenzen hielt, bot die Gesellschaft doch ihren Mitgliedern aus der VOC-Welt die Möglichkeit, im Austausch mit den gelehrten Gesellschaften in den Niederlanden zu bleiben und sich mit den dortigen kulturellen Eliten zu vernetzen, d. h. die soziale Bedeutung der Mitgliedschaft war für viele Mitglieder wichtiger als ihr wissenschaftliches Interesse.56 Dennoch zeigt ein Blick in die privaten Bibliotheken, dass das Kap nicht vom europäischen Diskurs über Geschmack und Kunst isoliert war. Bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts repräsentierten die Bibliotheken die Interessen ihrer Besitzer an niederländischen Publikationen auf den Gebieten von Theologie, Recht, Geschichte, klassischen Sprachen und Geographie. Von der zweiten Hälfte des Jahrhunderts an und zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden die Bibliotheken internationaler und 54 Jean Gelman Taylor : Painted Ladies of the VOC, in : Worden, Nigel (Hg.) : Contingent Lives. Social Identity and Material Culture in the VOC World, Rondebosch 2007, S. 512 – 537. 55 Johan Fourie : The Remarkable Wealth of the Dutch Cape Colony. Measurements from Eighteenth-Century Probate Inventories, in : The Economic History Review 66.2 (2013), S. 419 – 448. 56 Ross/Schrikker : The VOC Official Elite, S. 41 – 44 ; Hans Groot : Van Batavia naar Weltevreden. Het Bataviaasch Genootschap voor Kunsten en Wetenschappen, 1778 – 1867, Leiden/Boston 2009.
Kunstproduktion und Lebensstile
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spiegelten ästhetische Vorlieben wider, die u. a. mit Gedichten, Belletristik und Philosophie befriedigt wurden. So waren in diesen Bibliotheken Herder und Kant ebenso vertreten wie Sulzers »Theorie der schoenen Kuenste«.57 Entsprechend warteten die Gebildeten am Kap sehnsüchtig auf Reisende, die die neuesten Bücher mit aus Europa nach Kapstadt brachten und die Debatten darüber schilderten. Geschätzt waren vor allem Besucher, die mit wissenschaftlichen Interessen an das Kap kamen. Sie legten, wie z. B. der Linné-Schüler Carl Peter Thunberg, auf dem Weg nach Osten einen längeren Aufenthalt am Kap ein, um von dort aus in das subsaharische Afrika zu reisen und botanischen, geographischen oder ethnographischen Interessen nachzugehen. Mit ihren Büchern machten diese Gelehrten die europäische wissenschaftliche Welt auf den Süden Afrikas und seine Pflanzenwelt aufmerksam.58
57 Inventories of the Orphan Chamber Cape Town Archives Repository, South Africa : MOOC8/41.41 ( Jan Christoffel Berrangé, 1827). Ein weiteres Inventar zeigt eine niederländische Ausgabe von Johann Georg Sulzer : Kort begrip van alle wetenschappen, Amsterdam 1773. MOOC8/44.7 (Franz Rynhard Bresler, Maria Elizabeth Brink, 1825). Für den englischen Diskurs über Geschmack siehe John Brewer : The Pleasures of Imagination. English Culture in the Eighteenth Century, London 1997. Für den Kontinent, mit besonderem Schwerpunkt auf der Zusammensetzung der Bibliotheken, siehe Michael North : Material Delight and the Joy of Living. Cultural Consumption in the Age of Enlightenment in Germany, Aldershot 2008, S. 5 – 26, 97 – 114. Johann Georg Sulzer : Allgemeine Theorie der schönen Künste in einzeln, nach alphabetischer Ordnung der Kunstwörter auf einander folgenden Artikeln abgehandelt, Leipzig 1771 – 1774. 58 Siegfried Huigen : Knowledge and Colonialism. Eighteenth-Century Travellers in South Africa, Leiden/Boston 2009 ; Karl Peter Thunberg : Reise durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien, hauptsächlich in Japan, in den Jahren 1770 bis 1779. Aus dem Schwedischen frey übersetzt von Christian Heinrich Groskurd, 2 Bde., Berlin 1792 – 1794 ; Karl Peter Thunberg : Prodromus plantarum Capensium : quas in promontorio Bonæ Spei Africes, annis 1772 – 1775, Upsala 1794 – 1800 ; Karl Peter Thunberg : Flora Capensis, Sistens Plantas Promontorii Bonae Spei Africes, Secundum Systema Sexuale Emendatum Redactas Ad Classes, Ordines, Genera Et Species, Uppsala 1807 – 1823. Siehe auch Kapitel »Japan«.
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8. Batavia
Focus : Sayfoedin von Tidore Sayfoedin, der Sultan von Tidore (gestorben 1687), regierte in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts die gleichnamige Insel der Molukken, die für ihre Gewürznelken und Muskatnüsse berühmt war. Sein Porträt ist eines der wenigen erhaltenen Bilder eines einheimischen Fürsten im Kontext der VOC in Südostasien. Es zeigt den Sultan in einem prächtigen Gewand und goldenem Kopfschmuck. Sein verkrüppelter rechter Arm hängt in einer Binde, was auf eine Lepraerkrankung schließen lässt. Sayfoedin hatte sich 1667 auf Druck der VOC – ebenso wie der Sultan von Ternate – in einem Vertrag verpflichtet, die VOC als Schirmherren anzuerkennen und Muskatnüsse und Gewürznelken nur an sie zu verkaufen. Vermutlich entstand das Porträt Sayfoedins, den die Niederländer 1657 an die Macht gebracht hatten, im Zusammenhang mit der Eroberung Makassars (1667), bei der der Fürst der VOC als Bundesgenossen diente. Es war nämlich üblich, Porträts unter Verbündeten auszutauschen, und die Sultane erhielten die Porträts der Generalgouverneure – in diesem Falle Cornelis Speelmans.1 Das sehr wahrscheinlich in Batavia entstandene Gemälde ist aber nicht nur im Hinblick auf die Malerei in Südostasien interessant, sondern auch unter dem Aspekt kultureller Transfers in Europa. Die Biographie des Bildes zeigt die vielfältigen Funktionen eines Kunstobjektes – vom Geschenk über ein Handelsgut hin zum Sammlungs- und Ausstellungsobjekt in Asien und Europa. Sayfoedins Porträt gelangte nämlich über den Amsterdamer Kunstmarkt in die Sammlung der polnischen Adelsfamilie Czartoryski, die 1801 in Puławy an der Weichsel ein Museum errichtete, das zum einen dem untergegangenen polnischen Staat, zum anderen den Helden der europäischen Geschichte sowie Freiheitskämpfern wie Wilhelm Tell, Jeanne d’Arc, George Washington, Tipu Sultan u. a. gewidmet war. In diese Reihe fügt sich dann auch Sayfoedin von Tidore passend ein.2
1 Kees Zandvliet (Hg.) : De Nederlandse ontmoeting met Azië 1600 – 1950, Zwolle/Amsterdam 2002, S. 120 – 122. 2 Zur Czartoryski-Sammlung siehe Nationalmuseum Kraków, Collection Czartoryski, Warsaw 1978, S. 6 – 21.
Batavia
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32 Anonym, Sayfoedin – Sultan von Tidore, 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts.
8.1 Wirtschaft und Gesellschaft Mit der Gründung von Batavia 1619 erhielt die VOC ein Zentrum, von dem aus sie den Pfeffer- und Gewürzhandel unter Kontrolle bringen konnte. Die Idee einer festen Niederlassung, eines sog. Rendezvous, stammte von Admiral Cornelis Matelieff de Jonge, der 1606 vergeblich das portugiesische Malakka belagert hatte.3 Sie wurde von dem Generalgouverneur Jan Pietersz. Coen umgesetzt. In unmittelbarer Nähe des Pfefferhafens Bantam auf Java, an der Stelle des vormaligen Jacatra, gründete er die Festung Batavia (die heutige indonesische Hauptstadt Jakarta). Die Festung war auch als Antwort auf die wachsende Konkurrenz der englischen East India Company in dieser Region gedacht. Der Hafen erschien durch die Nähe zur Sunda-Straße leicht zugänglich und bot sowohl niederländischen Schiffen als auch chinesischen Dschunken Schutz vor den Monsunen. Jacatra wurde aufgrund seiner Lage zwischen den rivalisierenden Sultanaten von Bantam und Mataram von niederländischen und portugiesischen Kaufleu3 Peter Borschberg (Hg.) : Journal, Memorials and Letters of Cornelis Matelieff de Jonge. Security, Diplomacy and Commerce in 17th-Century Southeast Asia, Singapore 2015.
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Batavia
ten als Ankerplatz geschätzt, die hier auf den Reisen zu den Gewürzinseln Station machten.4 Obwohl Batavia unter der administrativen Aufsicht der Heeren XVII in den Niederlanden stand, dauerte es nicht lange, bis es sich zu einem eigenständigen Machtzentrum entwickelte. Als Sitz des Generalgouverneurs wurde es zum Hauptquartier der VOC in Asien, mit der Verantwortung für alle Operationen in diesem Teil der Welt. Die Verbindung zum Mutterland wurde durch den regelmäßigen Flottenverkehr hergestellt. Im September, im Dezember oder Januar, April oder Mai segelte jeweils eine Flotte von den Niederlanden nach Batavia, die rund 200 Tage, manchmal auch kürzere Zeit, unterwegs war. Im September oder Oktober machte sich dann eine Retourflotte auf den Rückweg von Batavia nach Europa. Sie musste in Batavia so lange warten, bis die Schiffe mit den Waren von den anderen asiatischen Handels plätzen zurückgekehrt waren, denn neben dem interkontinentalen Handel bot allein der intra-asiatische Handel die in Europa nachgefragten Güter. Hierfür etablierte die VOC ein regelmäßiges Schifffahrtsnetz mit regulären Abfahrtszeiten. So fuhren im Mai oder Juni Schiffe nach Nagasaki, vor allem mit niederländischen und indischen Textilien, Gewürzen und Rochenhaut, die man in Japan zur Bearbeitung von Holz verwendete. Die Schiffe kamen von Japan mit Porzellan, Lackwaren, Seide und Kupferstäben zurück. Ein Teil des Kupfers wurde weiter nach Bengalen gebracht, um dort Seide und Baumwolltextilen sowie Opium zu erwerben. Zwischen April und August segelten Schiffe nach Nagapattinam und Pulicat an der Koromandelküste, um von dort Textilien, Indigo, Salpeter und Diamanten ebenso wie Steine (als Ballast) mitzubringen. Im September fuhren Schiffe mit Gewürzen nach Galle auf Ceylon und von dort aus weiter nach Persien, wo man vor allem persische Seide, Weine aus Shiraz und Pferde einkaufte. Darüber hinaus schickte Ceylon mehrere Schiffe mit Zimt nach Batavia. Nach Siam fuhren die Schiffe im Sommer und belieferten den dortigen König mit bestellten Textilien und Waffen. Im Gegenzug erhielt man Tropenhölzer, Wachs und Elfenbein. Mit China und Tonkin wurde der Handelsverkehr von chinesischen Dschunken abgewickelt. Die Gewürzinseln liefen die Schiffe zwischen Dezember und Februar an. An Bord hatten sie Reis, Weizen, Schinken, Öl, Bier, Wein und Essig zur Verpflegung der dort stationierten VOC-Soldaten, die den Anspruch auf das Handelsmonopol mit Gewürzen vor Ort durchzusetzen hatten. Die Schiffe kamen dann entsprechend mit
4 Leonard Blussé : On the Waterfront. Life and Labour around the Batavian Roadstead, in : Haneda, Masashi (Hg.) : Asian Port Cities 1600 – 1800. Local and Foreign Cultural Interactions, Singapore/ Kyoto 2009, S. 119 – 138.
Wirtschaft und Gesellschaft
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Gewürzen und Sandelholz gerade rechtzeitig vor der Abfahrt der Retourflotte nach Batavia zurück.5 Batavia war eine multiethnische Stadt. Europäische und einheimische Kaufleute waren hier ebenso präsent wie Soldaten und Sklaven, wobei sich die Niederländer zahlenmäßig in der Minderheit befanden. Die Zusammensetzung der Gesellschaft Batavias zeigt die aufgrund einer Bevölkerungsschätzung 1679 zusammengestellte Übersicht. Tabelle 1 : Ethnische Zugehörigkeit in Batavia 16796 Zugehörigkeit Niederländer
Zahlen
Prozent
2227
7,0
Eurasier
760
2,4
Chinesen
3220
10,0
Mardijker
5348
17,0
Javaner
1391
4,3
Malaien
1049
3,3
1364
4,2
Sklaven
Balinesen
16.695
51,8
Gesamt
32.054
100,0
Das niederländische Kontingent bestand aus Kompaniebediensteten und so genannten Freibürgern, die oft ehemalige Mitarbeiter der Kompanie waren. Die Männer lebten entweder mit einheimischen Partnerinnen zusammen oder nahmen sich asiatische Ehefrauen. Obwohl es den oberen Rängen der niederländischen Gesellschaft gegen Ende des 17. Jahrhunderts gelang, europäische Frauen zu heiraten, nahm die Zahl der verfügbaren niederländischen Frauen langfristig mit dem allgemeinen Rückgang der Zahl der Europäerinnen, die nach Asien reisten, ab. Infolgedessen stieg die Häufigkeit von Eheschließungen zwischen niederländischen Männern und eurasischen oder asiatischen Frauen, was wiederum im Laufe des 18. Jahrhunderts zu einem enormen Anstieg der Zahl der Kinder aus eurasischen oder indoasiatischen Verbindungen führte. Auch die Männer der VOC-Elite wählten sich als Ehefrauen junge Mädchen aus eurasischen Familien. Die Frauen überlebten, da sie jung die Ehe eingegangen waren, in der Regel ihren älteren Ehemann und gingen wei5 Blussé : On the Waterfront, S. 126 – 134. 6 Hendrik Everwinus Niemeijer : Calvinisme en koloniale stadscultuur, Batavia 1619 – 1725, Amsterdam 1996, S. 26.
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Batavia
tere Ehen ein, die ihnen gesellschaftliches Ansehen und Reichtum einbrachten. Sie hatten maßgeblichen Einfluss auf die »niederländisch-indische« Prägung der Haushalte.7 Die Chinesen, die die Europäer zahlenmäßig übertrafen, unterschieden sich sozial. Es gab Kaufleute, die sich vor der Ankunft der Niederländer in Jacatra niedergelassen hatten. Daneben finden wir chinesische Handwerker, die nach Batavia gebracht wurden, um die lokale Nachfrage, vor allem nach Möbeln, zu befriedigen. Darüber hinaus spielten chinesische Grundbesitzer eine entscheidende Rolle bei der Zuckerproduktion. Außerdem wanderten regelmäßig chinesische Händler und Arbeiter ein, die auf den Zuckerplantagen und in den Zuckerraffinerien Arbeit fanden. Der Zustrom der chinesischen Einwanderer löste Spannungen mit den einheimischen Malaien, aber auch der VOC-Verwaltung aus. Eine verschärfte Repressionspolitik der niederländischen Verwaltung führte 1740 zu lokalen Revolten und dann zu einem Massaker an der chinesischen Bevölkerung, an dem sich niederländisches Militär mit seinen Hilfstruppen sowie Seeleute, verschiedene einheimische Gruppen und Sklaven beteiligten.8 Trotz der Dezimierung der chinesischen Bevölkerung nahm diese in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wieder zu und war durchaus in Batavia kulturell präsent. Die Mardijker (von portugiesisch mardicas = freie Leute) waren europäisierte christliche Ex-Sklaven bengalischer oder tamilischer Herkunft. Die meisten von ihnen hatten unter den Portugiesen ihre Freiheit gewonnen, trugen portugiesische Namen und sprachen diese Sprache. Andere hatten anlässlich ihrer Taufe niederländische Namen erhalten. Mardijker neigten dazu, Eurasierinnen zu heiraten. Einen wichtigen Bestandteil der batavischen Gesellschaft stellten die freien asiatischen Gruppen wie die Bandanesen oder Balinesen dar, die als Hilfstruppen in niederländischen Militärkampagnen dienten. Die Malaien bildeten eine Gruppe von muslimischen Händlern und Reedern, die durchaus auch chinesische Frauen heirateten.9 Daneben finden wir eine als mooren bezeichnete Gruppe, eingewanderte Muslime, oft tamilischer Herkunft, die u. a. im Hafen in Batavia und auf den dortigen Schiffen arbeiteten. 7 Jean Gelman Taylor : The Social World of Batavia. European and Eurasian in Dutch Asia, Madison 1983, S. 3 – 20, 78 – 96 ; Hendrik Everwinus Niemeijer : Batavia. Een koloniale samenleving in de zeventiende eeuw, Amsterdam 2005 ; Ulbe Bosma/Remco Raben, Being «Dutch« in the Indies. A History of Creolisation and Empire, 1500 – 1920, Singapore 2008, S. 33 – 89. 8 Leonard Blussé : Batavia, 1619 – 1740. The Rise and Fall of a Chinese Colonial Town, in : Journal of Southeast Asian Studies 12, 1 (1981), S. 159 – 178. 9 Siehe hierzu die jüngsten Aufsätze von Remco Raben, die die fließenden ethnischen Grenzen in Batavia herausstellen. Remco Raben : Colonial Shorthand and Historical Knowledge. Segregation and Localisation in a Dutch Colonial Society, in : Journal of Modern European History 18 (2020), S. 177 – 193 ; Remco Raben : Ethnic Disorder in VOC Asia. A Plea for Eccentric Reading, in : BMGN – Low Countries Historical Review 134 (2019), S. 115-128.
Repräsentation durch Kunst
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Angehörige der verschiedenen sozialen Gruppen hatten Grundbesitz im Hinterland von Batavia, wobei die Niederländer und einige wenige Chinesen die großen Landgüter besaßen. Die Niederländer und die Chinesen – aber auch Mardijker und Händler aus der freien asiatischen Bevölkerung – konkurrierten miteinander im Sklavenhandel und brachten Sklaven aus dem Indischen Ozean und dem indonesischen Archipel auf den Sklavenmarkt von Batavia. Nur eine kleine Anzahl von Sklaven war im Besitz der VOC. Die meisten befanden sich in Privatbesitz. Die Sklaven machten einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung Batavias aus. Im Jahr 1673 lebten in der Stadt 27.051 Menschen, von denen 13.281 Sklaven waren.
8.2 Repräsentation durch Kunst Die Metropole Batavia wies eine vielfältige Produktion von Kunst und materieller Kultur auf. Hier arbeiteten zahlreiche Maler für private und institutionelle Auftraggeber, wie die VOC. Dabei spielte Kunst als Medium der Repräsentation der VOC sowohl vor Ort als auch in den verschiedenen asiatischen Niederlassungen eine wichtige Rolle. Die Herstellung von Legitimität durch Porträts war ein Motiv der Auftragsvergabe an Künstler durch die VOC. So haben de oude landvoogdsportretten, d. h. die Porträtgalerie der Generalgouverneure im Kastell Batavia, lange Zeit das Bild von der Rolle der Kunst im Herrschaftsbereich der VOC bestimmt, da die Porträts als einzige in größerer Zahl erhalten blieben und darüber hinaus bis in das letzte Jahrhundert fortgeführt wurden.10 Die Porträtgalerie vermittelte und betonte die jahrhundertealte Kontinuität niederländischen Machteinflusses in Südostasien und sollte damit die Legitimität der Herrschaft bestätigen. Die Tradition europäischer Fürstenhäuser, mit Porträtgalerien die Dynastie zu repräsentieren, wirkte dabei sicher im Hintergrund. Nicht ohne Grund wurden bereitwillig Bilder der republikanischen »Ersatzdynastie« der Oranier verschenkt.11 Möglicherweise stand für die batavischen Gouverneursporträts auch 10 Jeanne de Loos-Haaxmann : De landsverzameling schilderijen in Batavia. Landvoogdsportretten en Compagnieschilders, Leiden 1941, S. 19 – 34, 125 – 137 ; David van Duuren : Governors-General and Civilians. Portrait Art in the Dutch East Indies from the Seventeenth to the Nineteenth Century, in : Scalliet, Marie-Odette/Brakel, Koos van/Duuren, David van/Kate, Jeannette ten : Pictures from the Tropics. Paintings by Western Artists during the Dutch Colonial Period in Indonesia, Wijk en Aalburg 1999, S. 90 – 102 ; Zandvliet : De Nederlandse ontmoeting, S. 77 – 97. 11 Vgl. hierzu »Oranierdynastie« Olaf Mörke : ›Stadtholder‹ oder ›Staetholder‹ ? Die Funktion des Hauses Oranien und seines Hofes in der politischen Kultur der Republik der Vereinigten Niederlande im 17. Jahrhundert, Münster/Hamburg 1997.
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Batavia
die Galerie der portugiesischen Vizekönige in Goa Pate.12 Daneben beeinflussten die Porträts der Generalgouverneure die Bilder von indigenen Herrschern wie Sultan Sayfoedin von Tidore. Die Anfänge lagen um die Mitte des 17. Jahrhunderts, als die ersten zehn Porträts, möglicherweise von Philips Angel, im Auftrag der Kompanie angefertigt wurden. Danach bürgerte es sich ein, dass ein Generalgouverneur nach Ablauf seiner Dienstzeit der Galerie ein Konterfei von sich auf eigene Kosten hinzufügte. Die meisten Porträts wurden während der VOC-Zeit in Asien gemalt, obwohl im 18. Jahrhundert die Generalgouverneure zunehmend Maler im Mutterland beauftragten. Dabei achtete man auf Repräsentativität im Vergleich zu Vorgänger und Nachfolger, scheute keine Aufwendungen, wobei das Porträt im großen Vergaderzaal oft nur eines von mehreren darstellte. Bereits im 17. Jahrhundert hatten erfolgreiche Generalgouverneure wie Rijcklof van Goens, der die niederländische Herrschaft auf Ceylon und an der Malabarküste durchsetzte, zahlreiche Aufträge für Porträts und andere Themen an Isaack Luttichuys, Bartholomeus van der Helst, Govert Flinck und die van de Veldes tot de voyagie nae India (1656) vergeben. Dabei blieb ein Teil der Porträts quasi als Erinnerung in der Heimat, die anderen wurden mitgenommen und zum Teil repräsentativen Zwecken in Asien zugeführt.13 Im 18. Jahrhundert wurde es dann für die Gouverneure regelrecht Mode, sich im Mutterland porträtieren zu lassen. Gleichzeitig gestaltete man die Porträts herrschaftlicher. Die Gouverneure, im neuesten Geschmack der Zeit gekleidet, demonstrierten ihre Stellung mit Gouverneurstab und Familienwappen. So ließ sich der aus Ostfriesland stammende Gouverneur Baron Gustaaf Willem van Imhoff vom Prominentenmaler Philip van Dijk in Den Haag und noch einmal von Jan Maurits Quinkhard malen und brachte die Porträts mit nach Asien (und darüber hinaus entstand auf Java eine Kopie aus beiden Porträts).14 Die Krönung in der Übertragung europäischen Geschmackes nach Asien stellt das ebenfalls in den Niederlanden gefertigte Porträt Johann Friedrich August Tischbeins von Willem Arnold Alting dar. Es zeigt den Generalgouverneur der VOC als eleganten, französisch gestylten 12 Francisco Bethencourt : The Inquisition. A Global History, 1478 – 1834, Cambridge 2009 ; Francisco Bethencourt : Cosmopolitanism in the Portuguese-speaking World, Leiden 2018. 13 Vgl. hierzu auch Eberhard Schmitt/Thomas Schleich/Thomas Beck (Hg.) : Kaufleute als Kolonialherren. Die Handelswelt der Niederländer vom Kap der Guten Hoffnung bis Nagasaki 1600 – 1800, Bamberg 1988, S. 121 – 122. Zur Politik van Goens siehe : Hugo K’s Jacob : Father and Son van Goens in Action. War and Diplomacy in the Relations between the Malabar Rulers and the Dutch East India Company 1658 – 1682, in : Mathew, Kuzhippallil Skaria (Hg.) : Maritime Malabar and the Europeans 1500 – 1962, Gurgaon 2003, S. 313 – 328. 14 Heinrich Seemann : Spuren einer Freundschaft. Deutsch-Indonesische Beziehungen vom 16. bis 19. Jahrhundert, Jakarta 2000, S. 45 – 49 ; Roelof van Gelder : Het Oost-Indisch avontuur. Duitsers in dienst van de VOC (1600 – 1800), Nijmegen 1997, S. 185 – 187.
Repräsentation durch Kunst
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33 Johann Wolfgang Heydt, Der Ratssaal der Regierung im Kastell Batavia, 1744.
Repräsentanten des Ancien Régime und symbolisiert gleichsam persönliche Bereicherung vor dem sich abzeichnenden Bankrott der VOC.15 Bemerkenswerterweise waren es nicht nur die Porträts der Gouverneure, die den Ratssaal der Regierung im Kastell Batavia schmückten. Zeitgenössische Bilder, wie dasjenige aus Johann Wolfgang Heydts »Allerneuester Geographisch- und Topographischer Schau-Platz von Africa und Ost-Indien« von 1744,16 zeigen den Gouverneur und die Mitglieder des Indienrates unter einem payung, einem großen Sonnenschirm, der in Java als Statussymbol fungierte und auch rituelle Bedeutung besaß. 15 Femme S. Gaastra : De geschiedenis van de VOC, Zutphen 2002, S. 166 – 170. 16 Johann Wolfgang Heydt : Allerneuester Geographisch- und Topographischer Schau-Platz von Africa und Ost-Indien oder Ausführliche und Wahrhafte Vorstellung und Beschreibung, von den Wichtigsten der Holländisch-Ost-Indischen Compagnie in Africa und Asia zugehörigen Ländere, Willhermsdorf 1744. Digitaler Bestand der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (http://diglib. hab.de/drucke/cd-2f-3/start.htm, letzter Zugriff : 25.02.2021).
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Batavia
Darüber hinaus wurde der Eingang des Saales durch einen chinesischen Teakschirm geschmückt, der wie auch in Privathäusern das Innere des Hauses vom Äußeren abgrenzte. Neben diesen Ausstattungselementen belegen die Gemälde klassischer Historien (»antique Gemählte«) und einer Landschaft Südostasiens die kulturübergreifende Dekoration des Ratssaales.17 Niederländische Gemälde waren auch bevorzugte Medien in der Diplomatie der VOC. Schon bei ihren ersten tastenden Versuchen, im asiatischen Handel Fuß zu fassen, setzte die VOC Kunst als Ware und Geschenk ein. So hatte angeblich schon Cornelis de Houtman auf seiner Reise ein Schiffsbild dabei, das er 1595 dem Sultan von Bali verehrte. Belegt ist dagegen bereits 1602 ein Bild, das van Spilbergen dem »König« von Kandy auf Ceylon schenkte. Es stellte, sozusagen noch pinselfrisch, Moritz von Oranien in der erfolgreichen Schlacht von Nieuwpoort (1600) dar und soll noch Jahrzehnte später im Thronsaal von Kandy gehangen haben. 1620 schenkte Jan Pietersz. Coen dem Sultan von Palembang (Sumatra) eine Hafenansicht von Amsterdam. Auch in den 1640er Jahren setzte die VOC ihre Kunstdiplomatie fort und schickte auf Ersuchen des Shahs den Unterkaufmann Hendrick Boudewijn van Lockhorst als Maler für die fürstliche Gage von 4000 fl. an den persischen Hof, weil man dem Shah die Bitte nicht abschlagen konnte. Einer seiner Nachfolger wurde Philips Angel, der sich in seiner Leidener Zeit als Verfasser eines »Lobs der Malerei« (Lof der Schilder-Konst) hervorgetan hatte. Er trat in den Dienst der VOC, für die er in Batavia und auf Ceylon wirkte und 1651 an den Hof von Shah Abbas II. in Isfahan gesandt wurde. Er reüssierte dort als Hofmaler, bis er bei seinen Vorgesetzten in Batavia in Ungnade fiel.18
8.3 Maler in Batavia Die Gründe für einen niederländischen Maler, nach Südostasien zu reisen, waren vielfältig. Die Mehrheit kam als Soldaten im Dienst der VOC nach Batavia. Ein besonderer Bedarf bestand an Kartenzeichnern. So hatte z. B. der spätere Admiral Ma17 Zandvliet : De Nederlandse ontmoeting, S. 36 – 37 ; Dawn Odell : »Chinese« Screens in the Dutch East Indies, in : Hahn, H. Hazel (Hg.) : Cross-Cultural Exchange and the Colonial Imaginary. Global Encounters via Southeast Asia, Singapore 2019, S. 107 – 130 ; Dawn Odell : Public Identity and Material Culture in Dutch Batavia, in : Anderson, Jaynie (Hg.) : Crossing Cultures : Conflict, Migration and Convergence. The Proceedings of the 32nd International Congress in the History of Art, The University of Melbourne 13 – 18 January 2008, Carlton VIC 2009, S. 253 – 257, hier S. 255. 18 Gary Schwartz : Terms of Reception. Europeans and Persians and Each Other’s Art, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 25 – 63, hier S. 34 – 36.
Repräsentation durch Kunst
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34 Albert Eckhout (zugeschrieben), Marktstand in Batavia, um 1653 – 1663.
telieff als Kartenzeichner angefangen und der uns bereits bekannte Zacharias Wagener startete seine VOC-Karriere ebenfalls als Zeichner in Batavia, bevor er rasch aufstieg und an mehreren asiatischen Niederlassungen tätig war. Auch einige Maler, die im Umkreis von Rembrandt in Amsterdam gearbeitet hatten, tauchten später in Batavia auf und bildeten gleichsam einen Rembrandt-Kreis um Rembrandts Tochter Cornelia van Rijn, die mit ihrem Mann, dem Maler Cornelis Suijthoff, nach Batavia kam. Ein Sohn von Frans Hals und zwei seiner Enkel wirkten ebenso in Batavia wie ein Enkel von Jan Steen. Die großen holländischen Namen des Goldenen Zeitalters waren gleichsam durch die zweite und dritte Generation in Batavia vertreten.19 Die Maler erfüllten verschiedene Aufträge, entweder vor Ort oder nach ihrer Rückkehr. Einige, die im Auftrag der VOC oder Privater Bilder von Batavia malten, hatten Batavia nie besucht, sondern sich über Berichte oder andere Medien mit der Situation vor Ort vertraut gemacht. Auch zahlreiche Stadtansichten beruhten auf den Erzählungen von Seeleuten und Kaufleuten, wie beispielsweise im Falle des Amsterdamer Kartenmachers Johannes Vingboons, der 250 Stadtansichten in Asien und Amerika zwischen 1630 und 1673 erstellte. Sie sahen manchmal täuschend ähn19 Marten Jan Bok : European Artists in the Service of the Dutch East India Company, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 177 – 204, hier S. 184 (Reinier Fransz. Hals, 1627 – 1672 ; Jan Regniersz. Hals, 1664 – 1694 ; Jan Fransz. Hals, 1658 – 1718 ; Jan Jansz. Percellis alias Steen, 1687 – 1718).
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lich aus, obwohl sie unterschiedliche Städte bezeichneten. Bemerkenswert bei all diesen Ansichten ist die Perspektive vom Meer aus bzw. von einem Schiff, das auf der Reede ankert, denn sie erklärt die Sicht der Niederländer, die die Meere und allenfalls die Küste, aber kaum das Hinterland beherrschten.20 Der uns aus Brasilien bekannte Albert Eckhout war ebenfalls nie in Südostasien, doch wird ihm bzw. einem seiner Nachahmer ein Gemälde eines »ostindischen Marktstandes« zugeschrieben. An dem Marktstand sehen wir einen chinesischen Verkäufer und einheimische Frauen, von denen eine in der linken Hand eine Zigarre, eine andere eine japanische Lackdose hält. Die Früchte (u. a. Ananas, Banane, Kokosnuss, Mango, Pampelmuse), die auf einer kleinen Tafel genannt werden, stammen sowohl aus Brasilien als auch aus Südostasien. Ein Pendant dieses Gemäldes befand sich in Schloss Schwedt, das am Ende des Zweiten Weltkrieges verbrannte. Möglicherweise wurde dieses ebenso wie das im Rijksmuseum erhaltene Gemälde nach Zeichnungen von Albert Eckhout kompiliert.21 Eckhout – oder sein Nachahmer – imaginiert also Südostasien, indem er durchaus Früchte aus der atlantischen Welt integriert.22 Andries Beeckman hingegen konnte bei seiner Ansicht von Batavia,23 die er zur Ausstattung des Ostindischen Hauses der VOC in Amsterdam malte, auf eigene Zeichnungen zurückgreifen, die er während seiner Zeit in Batavia angefertigt hatte. So fällt in dem Gemälde neben der exakten Topographie die Vielfalt der – durchaus stereotyp – dargestellten Ethnien (Chinesen, Japaner, Koreaner, Mardijker, Malaien, Molukken, Niederländer und Eurasierinnen) auf.24 20 Auch Hendrick Jacobsz. Dubbels (1621 – 1707) Gemälde »Blick auf Batavia von der See« zeugt von dieser vorherrschenden Sichtweite. Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr.: SK-A-2513 (»View of Batavia«, 1640 – 1676). Jean Gelman Taylor : Painted Ladies of the VOC, in : Worden, Nigel (Hg.) : Contingent Lives. Social Identity and Material Culture in the VOC World, Rondebosch 2007, S. 512 – 537 ; Kees Zandvliet : Mapping for Money. Maps, Plans and Topographic Paintings and their Role in Dutch Overseas Expansion during the 16th and 17th Centuries, Amsterdam 1998, S. 270. 21 Zandvliet : De Nederlandse ontmoeting, S. 183 – 184. Siehe auch die Internetseite : Follower of Albert Eckhout, 281353 (»Chinese trades people with Brasilian fruit«, ca. 1653 – 1663), RKD – Netherlands Institute for Art History, Den Haag, Illustration Nr.: 1001245687 (https://rkd.nl/en/explore/ images/281353, 24.07.2020). 22 Zu den nie in Batavia gewesenen Malern gehört auch Aelbert Cuyp, dessen Gemälde den Kommandeur der Retourflotte und seine Ehefrau unter einem payung, der von einem Sklaven gehalten wird, vor der Abfahrt in Batavia zeigt. Zandvliet : De Nederlandse ontmoeting, S. 181 – 183. Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr.: SK-A-2350 (»Portrait of a Senior Merchant of the Dutch East India Company in Batavia«, VOC Senior Merchant, Aelbert Cuyp (circle of ), Aelbert Cuyp (rejected attribution), c. 1650–c. 1655). 23 Rijksmuseum Amsterdam, Inv.-Nr.: SK-A-19 (»The Castle of Batavia «, c. 1661). 24 Zandvliet : De Nederlandse ontmoeting, S. 34 – 36.
Repräsentation durch Kunst
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35 Andries Beeckman, Blick auf Kastell Batavia, um 1661.
Längere Zeit wirkte Jacob Jansz. Coeman als Porträtist in Batavia. Er hatte sich als ziekentrooster (Krankentröster) 1663 auf dem Weg nach Batavia gemacht und auf der Fahrt dem Pastor der Flotte assistiert. In Batavia war er als Laienseelsorger für die Christen tätig. Integriert in die lokale Kirchengemeinde erhielt er prestigeträchtige Aufträge, wie das Familienporträt des Oberkaufmannes Pieter Cnoll aus dem Jahr 1664.25 Der Oberkaufmann hatte seine Frau Cornelia 1652 in Batavia geheiratet, wohin Cornelia, die 1629 als Kind eines niederländischen Vaters und einer Geisha in Japan geboren war, im Alter von acht Jahren gekommen war. Coeman malte Cornelia, die auch im Fort Batavia repräsentative Aufgaben übernahm, als elegante Frau aus einer reichen Familie mit ihren Töchtern. Neben dem Schmuck fallen die reichdekorierten Seidenkleider mit Schleifen und Spitzen auf. Cornelia und ihre Töchter Katharina und Hester werden als eurasische Damen porträtiert und typische ostindische Attribute unterstreichen ihre Lebenswelt. Hierzu gehören nicht nur die Fächer, sondern auch die Betelbox aus Elfenbein und das aus Haussklaven bestehende Personal. Ein Jahr später verstarb Cnoll überraschend und Cornelia fiel als reiche Witwe einem niederländischen Heiratsschwindler zum Opfer. Die daraus folgenden Auseinandersetzungen um ihr ererbtes Vermögen sind ein Spiegel für die 25 Zandvliet : De Nederlandse ontmoeting, S. 200 – 201.
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Rolle einer Frau, die zwischen den verschiedenen kulturellen, ökonomischen und rechtlichen Welten Batavias lebte.26 Coeman werden noch zwei weitere Porträts zugeschrieben : Die Porträts zweier junger Mädchen, die man als Elisabeth und Joanna van Riebeeck identifiziert hat, die Töchter des Gründers der Kapkolonie. Dabei spielen auch die Attribute, die Pfauenfeder in der Hand Elisabeths und die Weintrauben in der Hand Joannas als Reminiszenzen an das Kap, eine Rolle.27 Coemans Porträts spiegeln die soziale Umgebung der Porträtierten wider, wobei dies in Batavia auf die VOC-Elite beschränkt war, während in der Gesellschaft des Mutterlandes das Porträtieren auch die mittleren Gesellschaftsschichten erreichte.28 Dies kann natürlich auch eine Frage der Überlieferung sein, denn nur in der VOC-Elite wurden vermutlich die Porträts aufbewahrt, weitergegeben oder vermacht. Als letztes Beispiel soll Cornelis de Bruyn erwähnt werden, der als reisender Maler und Wissenschaftler gleichsam in die Epoche der Aufklärung hinüberleitet. De Bruyn hatte in Den Haag bei Theodoor van der Schuer gelernt und als Zwanzigjähriger längere Zeit auf Reisen in Rom, Griechenland, Kleinasien, Ägypten und dem Nahen Osten verbracht, bevor er sich für acht Jahre in Venedig niederließ. Bereits hier knüpfte er die Kontakte, die ihn nach seiner Rückkehr in die Niederlande zum erfolgreichen Künstler, Sammler und Händler in orientalischen Kuriositäten werden ließen. 1701 begab er sich auf seine ihn berühmt machende Reise, die ihn über Aufenthalte am Moskauer Zarenhof, Persepolis und Ceylon nach Batavia führte, wo er 1706 ankam. Hier porträtierte er nicht nur den Generalgouverneur Joan van Hoorn, sondern bereiste und ermalte auch Java, wo er sich am Hofe des Sultans von Bantam aufhielt. Noch im gleichen Jahr trat de Bruyn zu Schiff mit Gemälden, Zeichnungen und Kuriositäten die Rückreise an, die er in Gambroon an der Straße von Hormus unterbrach, um auf dem Landweg nach Hause zu reisen, wo er 1709 nach achtjähriger Abwesenheit ankam. Die Früchte seiner Reise legte der Künstler in seinem zweibändigen illustrierten Bericht »Reizen over Moskovie, door Perzie en Indie : verrykt met Driehondert Konstplaten« (1711) nieder. In Amsterdam wurde sein Haus zum 26 Leonard Blussé : Bitter Bonds. A Colonial Divorce Drama of the Seventeenth Century, Princeton, NJ 2002, S. 23 – 26. Taylor : Painted Ladies, S. 524 – 526. 27 Taylor : Painted Ladies, S. 530 – 532 ; Loos-Haaxmann : De landsverzameling schilderijen, S. 69 ; Marie-Odette Scalliet : The East India Company 600 – 1800. European Painters in the Dutch East Indies in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, in : Scalliet, Marie-Odette/Brakel, Koos van/ Duuren, David van/Kate, Jeannette ten : Pictures from the Tropics. Paintings by Western Artists during the Dutch Colonial Period in Indonesia, Wijk en Aalburg 1999, S. 19. 28 Michael North : Das Goldene Zeitalter. Kunst und Kommerz in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts, Köln/Weimar/Wien 2001.
Haus- und Wohnkultur
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36 Jacob Jansz. Coeman, Porträt von Pieter Cnoll, Cornelia van Nijenrode und ihren Töchtern, 1665.
Mittelpunkt ausländischer Reisender wie der Brüder Uffenbach (1753/54), denen er bereitwillig seine indischen Gemälde sowie seine Zeichnungen und Wasserfarbenbilder zeigte. Er machte damit, wie die anderen Zeichner Johan Nieuhof, Johann Wolfgang Heydt und Johannes Rach, das sehende Publikum mit Flora, Fauna, Topographie, Architektur, aber auch mit dem Leben in Asien vertraut.29
8.4 Haus- und Wohnkultur Nach den überlieferten Plänen und Bildern ähnelte die Stadtstruktur von Batavia sehr stark den niederländischen Vorbildern. Die Befestigungen, Kanäle, Zugbrücken usw. wurden von Ingenieuren und Maurern aus den Niederlanden gebaut. Sogar die Baumaterialien (Ziegel) kamen als Ballast in niederländischen Schiffen aus Europa. Aber die tatsächliche Baukonstruktion und Architektur unterschied sich sichtbar von den Niederlanden. In Batavia wurden die Außenwände der Gebäude verputzt, um 29 Scalliet : The East India Company, S. 13 – 38, hier S. 19 – 20, 31 – 33. Zu den Zeichnern siehe Ebd.: S. 30 – 31, 34 – 37. Zum Werk Johannes Rachs erschien ein Katalog : Max de Bruijn/Bas Kist : Johannes Rach (1720 – 1783). Artist in Indonesia and Asia, Amsterdam/Jakarta 2001.
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die Ziegel vor Hitze, starkem Regen und der für ein tropisches Klima charakteristischen Korrosion zu schützen ; Dachfirste baute man parallel (und nicht senkrecht wie in Europa) zur Straße, um den Abfluss und die Drainage bei starken Regenfällen zu erleichtern ; und an der Vorder- und Rückseite der Häuser wurden breite überhängende Dächer errichtet, um die Eingänge vor Sonne, Hitze und tropischen Stürmen zu schützen. Die Schöpfer dieser »niederländisch-indischen« Architektur waren Vertreter einer neuen Art von Wohnkultur : die niederländischen Hausbesitzer und ihre einheimischen Partnerinnen (nyai) oder Ehefrauen, unterstützt von ihren chinesischen Aufsehern (mandor) sowie chinesischen und javanischen Arbeitern.30 Die an den Kanälen liegenden Häuser betrat man über einen breiten Flur, der in einen Empfangsraum mit Blick zur Straße führte. Im Hinteren des Hauses befand sich ein großer Familienraum mit einem Hof sowie einer Galerie oder Veranda und weiteren Räumen. Die VOC-Elite besaß darüber hinaus noch Landhäuser und Gärten, die bis heute auf den Zeichnungen und Aquarellen von Johannes Rach zu sehen sind.31 Im Innern des Hauses herrschten europäische Objekte vor, aber auch asiatische Kulturgüter, insbesondere Porzellan, Laternen, Lackwaren, Figuren und Gemälde. Ein Aquarell »Teebesuch in Batavia« des niederländischen Pfarrers Jan Brandes dokumentiert diese multikulturelle Dekoration ebenso wie die Bedeutung der Teezeremonie als Praxis interkultureller Geselligkeit. Batavische Damen europäischer und eurasischer Herkunft treffen sich in einem aufwendig dekorierten Empfangsraum (zaal), der mit den neuesten Objekten der materiellen Kultur gefüllt ist. An der Wand zwischen den modernen Fenstern finden wir chinesische Gemälde und aus Europa importierte vergoldete Spiegel. Marmortische und ein Guéridon für die Teetassen unterstreichen den Geschmack des mit chinesischem Porzellan, chinesischen Stühlen, vietnamesischen Wassertöpfen und einem kupfernen Spucknapf ausgestatteten Oberschichtshaushaltes. Ein Sklave bereitet in der Küche auf dem Herd das Essen vor. Sklavinnen in Sarongs bieten Tee und Betel in einer dekorierten Sirih-Box an.32 30 Peter J. M. Nas : Indische Architecture in Indonesia, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 129 – 140. 31 Jan Veenendaal : Furniture in Batavia, in : Eliëns, Titus M. (Hg.) : Domestic Interiors at the Cape and in Batavia 1602 – 1795, Zwolle 2002, S. 23 – 45, hier S. 38 – 39, 16 ; Bruijn/Kist : Johannes Rach, S. 56, Nr. 20 ; S. 72, Nr. 28 ; S. 82, Nr. 31. 32 Max de Bruijn/Remco Raben (Hg.) : The World of Jan Brandes, 1743 – 1808, Zwolle/Amsterdam 2004, S. 193 – 196 ; zum Aufstieg des Betel-Kauens siehe William Gervase Clarence-Smith : Betel, Tobacco and Beverages in Southeast Asia, in : Reyes, Raquel A. G. (Hg.) : Art, Trade, and Cultural Mediation in Asia, 1600 – 1950, London 2019, S. 75 – 102.
Haus- und Wohnkultur
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37 Jan Brandes, Teebesuch in Batavia, 1780er Jahre.
Die gesellschaftliche Praxis des Betel-Kauens spiegelt sich auch in den zahlreichen Spucknäpfen im Wohnraum des Gouverneurs Valckenier wider, die in Johann Wolfgang Heydts Reisebericht von 1744 abgebildet sind.33 Wir sehen einen aufwendig dekorierten Empfangsraum mit Holzschnitzereien, Guéridons, Stühlen, Kanapees, Gemälden, Spiegeln, Vogelkäfigen, Porzellan und anderen Gegenständen. Eine Besonderheit in Batavia stellte das reichhaltige Mobiliar dar, das zumeist von chinesischen Tischlern aus exotischen Hölzern, wie Ebenholz und Teak, hergestellt wurde. Eine »regelrechte Möbelindustrie« entwickelte sich in Japara, an der Nordküste Javas, wo Teakbäume weit verbreitet waren. Die Werkstätten wurden von Niederländern geleitet, während einheimische Handwerker Arbeiten – wie Schnitzerei und Einlegearbeiten – durchführten. Auf diese Weise entstand eine »niederländisch-indische« Möbelkultur, die Muster von Daniel Marot, einem hugenottischen Architekten und Designer, der in den Niederlanden wirkte, an lokalen Hölzern adaptierte und mit einheimischen floralen Dekorationen versah. Dabei waren die floralen Dekorationsmotive weder auf Möbel noch auf Java beschränkt. Wir finden sie auch auf Textilien wie Chintz und Silberwaren sowie auf Grabsteinen, die von der Ko33 Heydt : Allerneuester Geographisch- und Topographischer Schau-Platz von Africa und Ost-Indien.
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38 Johann Wolfgang Heydt, General Gouerneur Adrian Valckeniers Wohnsaal, 1744.
romandelküste nach Batavia und in andere Orte in Südostasien verschifft wurden.34 Ein anderes Netzwerk bildeten singhalesische und tamilische Möbeltischler in Ceylon. Ihre Erfindung, der sog. Bürgermeisterstuhl, wurde in der VOC-Welt verbreitet und war in vielen Haushalten und auf den Terrassen anzutreffen.35
8.5 Gemälde im Besitz niederländischer Einwohner Wenn Menschen in die Kolonien umzogen, brachten sie Gemälde als Familien erinnerungen mit, während der Großteil der Möbel von lokalen Handwerkern
34 Siehe Kapitel »Indien«. 35 Veenendaal : Furniture in Batavia, S. 30 – 40.
Gemälde im Besitz niederländischer Einwohner
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stammte.36 Wie in den Niederlanden finden wir auch in den gut ausgestatteten Haushalten niederländischer VOC-Bediensteter und privater Kaufleute eine beträchtliche Anzahl von Kunstgegenständen. Diese vermachte oder verschenkte das höhere VOC-Personal in Batavia an Familie, Freunde und Institutionen, wenn sie nicht in einer Auktion versteigert wurden. Im Jahr 1647 hinterließ z. B. der Hofmeister des Generalgouverneurs, Jan Cornelisz. van Heck, seinen Erben drei Porträts von Mitgliedern des Hauses Oranien, vier Allegorien der vier Jahreszeiten und drei Landschaften.37 Bereits in den 1620er Jahren hatte Gillis Vinant, ein Kaufmann und Bürger von Batavia, eine beeindruckende Sammlung von Gemälden und Kunstgegenständen aufgebaut, die nach seinem Tod 1627 zusammen mit seinem Nachlass versteigert wurde. Die Objekte und ihr Zuschlagspreis sind wie folgt angegeben : 1 kleines quadratisches Gemälde
11 reales
2 quadratische Gemälde
12 ½
2 Landschaften mit Ebenholzrahmen
26 ½
2 chinesische Gemälde 9
1 großes quadratisches Gemälde 5 1 dito kleiner
10
1 dito [Landschaft] ohne Rahmen
26 ½
1 dito [Landschaft]
41
2 Landschaften gerahmt
1 große dito [Landschaft] ohne Rahmen 1 dito [Landschaft] kleiner
1 dito [Landschaft] etwas größer 1 dito [Landschaft] gerahmt 1 dito [Landschaft] gerahmt
18
25
12 ½ 14 16 12
2 chinesische Gemälde 7
1 großes niederländisches Gemälde gerahmt 1 dito
3 chinesische Gemälde auf Papier
2 kleine Gemälde in Ebenholzrahmen
30 ½ 18
3¼
17 ½
1 großes Gemälde, das meiste davon verdorben 6 einige Porzellanfiguren oder -puppen 4
36 Jan Veenendaal : Furniture from Indonesia, Sri Lanka and India during the Dutch Period, Delft 1985, S. 92 – 109. 37 Loos-Haaxman : De landsverzameling schilderijen, S. 151 – 152.
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12 Sibyllen in quadratischem Rahmen
11 ½
4 Alabaster-Jahreszeiten-Allegorien
18
7 Planeten, zwei davon ohne Rahmen
24 ½
1 Alabaster-Figur 4 3 orientalische Teppiche, 1 altes Stück Tapisserien 9 2 Silberplaketten in Ebenholzrahmen
20
5 Silberplaketten in Ebenholzrahmen [und] 2 Köpfe auf Glas 25.38
Gillis Vinant hatte in seinem reich eingerichteten Haus vielfältige Gemälde und Kunstgegenstände gesammelt. Ein genauerer Blick auf das Inventar zeigt nicht nur niederländische Landschaften und die berühmte Kupferstichserie von 12 Sibyllen von Crispijn van de Passe sowie eine weitere Planetenserie, sondern auch chinesi38 »1 Cleijn viercant schilderijken 11 2 Lantschappen met ebben-houte Lijsten 26 ½ 2 viercante schilderijen 12 ½ 2 Chineesche Schilderijen 9 1 Groot viercant stuck Schilderije 5 1 ditto cleender 10 2 Lantschappen in Lijsten 18 1 ditto ongelijst 26 ½ 1 groot ditto ongelijst 25 1 ditto 41 1 ditto cleender 12 ½ 1 ditto wat grooter 14 1 ditto in Lijste 16 1 Lantschap in Lijste 12 2 Chinesche schilderijen 7 1 groote hollantsche Schilderij in Lijste 30 ½ 1 ditto 18 3 Chineesche schilderijen op pampier 3 ¼ 2 Cleijne schilderijen met ebbenhoute Lijsten 17 ½ 1 groote schilderij meest bedorven 6 eenige porceleijne beeldekens off poppen 4 12 Sijbillen in viercante Lijsten 11 ½ 7 planneten daer onder 2 ongelijst 24 ½ 4 getijen van Albaster 18 1 Albaster beeldeken 4 3 alcatijven, 1 out stuck Tapissery 9 2 silvere plaetjens met ebben houte Lijsten 20 5 silvere plaetiens met ebben houte Lijsten, 2 tronien in Glas 25«. Nationaal Archief Den Haag, NA 1.04.02, 1093. Teilweise veröffentlicht A. M. Lubberhuizen-van Gelder : Een oude indische inventaris, in : Cultureel Indië 8 (1946), S. 211 – 220.
Gemälde im Besitz niederländischer Einwohner
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sche Gemälde und chinesische Porzellanfiguren. Gillis Vinants Sammlung war das Ergebnis des intensiven ökonomischen und künstlerischen Austausches zwischen Westeuropa und Südostasien, denn in Batavia lernten die Niederländer erstmals chinesische und japanische Kunst aus Asien kennen. So belieferten chinesische Händler Batavia mit ihren Kunstwerken und die Niederländer exportierten japanisches Lackwerk weiter in Asien sowie nach Europa.39 Entsprechend finden wir dieses zusammen mit chinesischem Porzellan ebenfalls bei Vinant und in anderen Haushalten. Diese neu in Mode gekommenen Objekte wurden zunächst (1620er Jahre) nur in Batavia geschätzt, aber am Ende des 17. Jahrhunderts auch von Kennern in der Niederländischen Republik und in England gesammelt. Aus den Inventareinträgen geht nicht immer klar hervor, ob es sich bei einem Gegenstand um ein Gemälde oder einen Druck handelte. So finden wir in Batavia auch gemalte Hängerollen auf Seide und Farbholzschnitte aus Suzhou. Der Erfolg der Auktion des Vinantschen Nachlasses deutet darauf hin, dass bereits zu diesem frühen Zeitpunkt ein lebhafter sekundärer Markt für Kunst- und Einrichtungsgegenstände existierte. Die meisten Gemälde und Kunstgegenstände erwarb die Diakoneesche (Ehefrau eines Diakons) Appolonia Danckaerts. Am Ende des 17. und zu Beginn des 18. Jahrhunderts stieg die Zahl der vererbten Nachlässe deutlich an. Zahlreiche Gemälde sind verzeichnet, obwohl sie oft nur in Bezug auf die Größe oder Qualität der Rahmen spezifiziert wurden. Dies gilt z. B. für den Nachlass des Offiziers und Mitglieds des Rates der Indischen Inseln (Raad van Indië) Isaac de l’Ostal de Saint-Martin. Gouverneur Johannes Camphuys vermachte in seinem Testament von 1695 seinen Freunden und Verwandten in Batavia zahlreiche Porträts, während vier Bände mit chinesischen, japanischen und moorse (südostasiatischen) Zeichnungen an Pieter van Dam, den Syndikus der Amsterdamer Kammer der VOC, gingen. Aus der Fülle der Inventare beschränke ich mich auf die zwei großen Sammlungen von Willem van Outhoorn und Baron Gustaaf Willem van Imhoff. Willem van Outhoorn wuchs in der niederländischen Faktorei von Ambon auf den Molukken auf und studierte später in den Niederlanden Jura. Er kehrte nach Asien zurück und wurde Mitglied, Vizepräsident und Präsident des Gerichtshofes in Batavia, bevor er von 1691 bis 1704 als Generalgouverneur diente. Nach seiner Pensionierung lebte er auf seinem Landgut außerhalb von Batavia. Vor seinem Tod im Jahr 1720 besaß er zahlreiche Gemälde in seinem Haus in Batavia und auf seinem Landgut ; darunter 36 Porträts seiner eigenen Familie und anderer berühmter nieder39 Jean Gelman Taylor : Visual History. A Neglected Resource for the Longue Durée, in : Henley, David/Schulte Nordholt, Henk (Hg.) : Environment, Trade and Society in Southeast Asia. A Longue Durée Perspective, Leiden/Boston 2015, S. 181 – 202, hier S. 186.
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ländischer Familien, wie der Familien Valckenier und Backer sowie aus dem Hause Oranien (Wilhelm III. und Maria). Aus seinem Gemäldebestand stellte er einige zusammen, die versteigert werden sollten. Hierbei handelte es sich um Darstellungen des Neuen Testamentes, von der Christgeburt über die Kreuzigung bis hin zur Himmelfahrt. Sieben Früchtestillleben sowie Marktszenen (aus dem Eingangsraum seines Hauses) sollten ebenfalls mit vielen anderen Gemälden, deren Sujets nicht bekannt sind, unter den Hammer kommen. Weitere Gemälde vermachte Outhoorn der VOC, z. B. zwei Ansichten von Amsterdam und des Amsterdamer Rathauses, eine große Schlachtenszene sowie drei klassische Historien zur Ausschmückung des Ratssaales in der Festung Batavia. Dabei dürfte es sich um die bei Johann Wolfgang Heydt abgebildeten und beschriebenen »antique[n] Gemählte« handeln.40 Die Sujets der Historienbilder – »Marcus Curius oder Sparsamkeit«, »Gaius Fabricius oder Standhaftigkeit«, »Scipio Africanus oder Abstinenz« – verraten Out hoorns Absichten. Dies waren klassische Motive der römischen Geschichte, die von der zeitgenössischen niederländischen Publizistik und auch bildlich in den Rathäusern, z. B. in der Bürgermeisterstube des Amsterdamer Rathauses, rezipiert wurden. Die Bilder vermittelten Tugenden, die die Amsterdamer Bürgermeister von sich erwarteten und die andere in ihnen sehen sollten. Diese zentralen Botschaften wurden vom Mutterland nach Batavia transportiert und von Willem van Outhoorn seinen Nachfolgern im Indienrat kommuniziert.41 Die bedeutendste der beiden Sammlungen war die des Generalgouverneurs Baron Gustaaf Willem van Imhoff. Er besaß etwa 130 Gemälde, die er in den Räumen des Generalgouverneurs in Kastell Batavia und in seinen Landhäusern ausstellte. Im Gegensatz zu seiner beeindruckenden Sammlung von Münzen und Medaillen sowie seiner Bibliothek sind die Gemälde in seinem Nachlassinventar nur grob spezifiziert. Einige der erwähnten, wie die 25 Porträts der Generalgouverneure, gehörten tatsächlich der VOC. 17 Familienporträts im Kastell und ein großes Porträt von sich selbst vermachte er seinem Nachfolger als Generalgouverneur, Jacob Mossel. Die anderen Räume in Batavia und die Landhäuser waren mit sechs Landschaften, zwei Blumenstücken, elf 40 Siehe oben. 41 Loos-Haaxman : De landsverzameling schilderijen, S. 152 – 155. Siehe auch Inventory of the Estate of Willem van Outhoorn, dated 2 July, 1720, Collection Gelders Archief, Arnhem, 0525 – 81, in : Brommer, Bea : To my dear Pieternelletje. Grandfather and Granddaughter in VOC Time 1710 – 1720, Leiden 2015, S. 310 – 313 ; Trudy van den Oosten : Pyrrhus und Fabritius sowie Marcus Curius Dentatus weist die Geschenke der Samnitzer zurück, in : Gamboni, Dario/Germann, Georg (Hg.) : Zeichen der Freiheit. Das Bild der Republik in der Kunst des 16. bis 20. Jahrhunderts, Bern 1991, S. 259 – 260 ; Michael North : Kunst und bürgerliche Repräsentation in der Frühen Neuzeit, in : Historische Zeitschrift 267, 1 (1998), S. 29 – 56, hier S. 52 – 55.
Chinesische und muslimische Haushalt
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englischen Gemälden, gerahmt und hinter Glas, chinesischen Gemälden, Drucken und gerahmten Karten sowie einigen Gemälden unbestimmter Natur dekoriert. Van Imhoff besaß eine große Karte mit Bildern verschiedener holländischer Städte, Drucke einer niederländischen Faktorei in China, verschiedener Orte auf Java sowie 23 englische Drucke. Die üppige Ausstattung wurde durch zahlreiche Vorhänge und Laternen, Wappen und Skulpturen, wie zwölf Marmorbüsten der römischen Kaiser, abgerundet.42 Leider sind weder die Sujets noch die Maler angegeben. Dies gilt nicht nur für die meisten der erfassten asiatischen Sammlungen, sondern auch für die große Mehrheit der europäischen Haushalte. Nur in der Niederländischen Republik finden wir im 17. Jahrhundert mehr Zuschreibungen an Maler. Das liegt daran, dass die Nachlässe in dieser Zeit von Meistern der örtlichen Lukasgilde inspiziert wurden. Die einzige nachgewiesene Ausnahme in Batavia findet sich im Testament von Geertruyda van Pollinckhoven, der Witwe des »ersten Oberkaufmannes« Gerardus Klinck, die 1709 ihren Amsterdamer Verwandten eine Landschaft von Ruysdael und ein Porträt eines alten Mannes von Rembrandt vermachte.43
8.6 Chinesische und muslimische Haushalte Chinesische und muslimische Haushalte in Batavia bieten einen Kontrast zu der »niederländisch-indischen« Wohnkultur. Nach den Nachlässen der chinesischen Haushalte zu urteilen, besaß die Mehrheit keine Gemälde. Ein Grund dafür dürften die vergleichsweise bescheidenen Mittel dieser Bevölkerungsgruppe gewesen sein. Der Prozess der Verschönerung und Dekoration eines chinesischen Hauses folgte bestimmten Mustern. Zu den ersten Gegenständen, die für den Haushalt erworben wurden, gehörte der Vogelkäfig, gefolgt von Laternen, Kupferlampen, Spiegeln und Uhren. Erst nachdem diese wertvollen und prestigeträchtigen Objekte in einem Haushalt vorhanden waren, gingen die Chinesen dazu über, dekorative Gemälde und Drucke zu erwerben. Jedoch scheinen diese Bilder allgemein von bescheidenem Wert gewesen zu sein. Sicherlich war es nicht so, dass sich die Chinesen kaum Kunstobjekte leisten konnten, aber sie zogen es vor, ihren Reichtum nicht in Kunst, sondern in Arbeitskräfte (d. h. in Sklaven) zu investieren. Darüber hinaus gab es in Haus42 Rijksarchief Noord-Brabant, Nassause Domeinarchieven, nr. 894 B, Inventaris van de boedel van G. W. Baron van Imhoff. Hester C. Dibbits : »Als men sooverre van den anderen is …« Het maatschappelijk vermogen van Gustaaf Willem Baron van Imhoff, gouverneur-generaal van de Verenigde Oostindische Compagnie 1743 – 1750, Master dissertation Universiteit Amsterdam 1989, S. 80 – 81. 43 Loos-Haaxman : De landsverzameling schilderijen, S. 154 – 155.
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halten, die keine Gemälde besaßen, möglicherweise stattdessen teure Möbel, wie verschwenderisch verzierte (chinesische) Betten, Guéridons, Spiegel und Uhren.44 Vor allem die farbenfrohen Friesenuhren waren in chinesischen Haushalten begehrt, während die Europäer Pendeluhren und Standuhren bevorzugten. Über diese Vorliebe können wir leider nur spekulieren, abgesehen von der allgemeinen chinesischen Faszination für Uhren und Instrumente, die z. B. in den riesigen kaiserlichen Sammlungen in Peking (Beijing) dokumentiert ist. Friesische Uhren waren natürlich billiger als andere in Europa hergestellte Uhren, aber die Verzierungen mit maritimen Szenen, Bauerndörfern und Tieren scheinen vor allem die chinesische Neugier auf die »niederländische oder europäische Exotik« befriedigt zu haben. Obwohl viele Chinesen geneigt waren, vor dem Kauf von Kunstobjekten in Kleidung und persönliche Ausstattung zu investieren, erscheinen Gemälde zusammen mit anderen Dekorationsobjekten wie teuren Vogelkäfigen, Spiegeln, Uhren und Lampen zunehmend in chinesischen Haushalten im Laufe des 18. Jahrhunderts. Die Gruppe wohlhabender Chinesen repräsentiert die 1790 verstorbene Oey Tjoenko. Sie hinterließ neben einem vollen Kleiderschrank und 18 Sklaven ein großzügig mit vielen Spiegeln und Laternen eingerichtetes Haus, in dem zwei große Bilder, japanische Lackkabinette, eine Friesenuhr und ein vergoldetes chinesisches Regal zur Aufstellung des Porzellans und der teuren Deckelpokale Geschmack demonstrieren.45 Die Nachlässe spiegeln somit einen intensivierten kulturellen und sozialen Austausch zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen und Haushalten und Verschiebungen in den Ausgabenpräferenzen wider. Die Protokolle der Nachlassauktionen dokumentieren nicht nur die hohen Preise von Spiegeln, Uhren und Lampen, sondern auch die Tatsache, dass die Auktionen Treffpunkte aller ethnischen Gruppen waren. Niederländische Bürger kauften chinesische Gemälde und andere asiatische Objekte aus den Nachlässen der chinesischen Gemeinschaft, während chinesische, muslimische und europäische Bieter europäische Gemälde, Marmortische, Uhren und japanische Comptoirs, aber ebenso chinesische Vogelkäfige erwarben.46 44 Catherine Pagani : Eastern Magnificence and European Ingenuity. Clocks of Later Imperial China, Ann Arbor 2001. 45 Michael North : Art and Material Culture in the Cape Colony and Batavia in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 111 – 128, hier S. 122 (Tabelle 2). Arsip Nasional Republic of Indonesia : Schepenbank 751 (1790 ; dies ist eine ganz andere Situation als am Kap, wo der bescheidene Haushalt einer Chinesin namens Thisgingno, die außer Vorhängen keine Wanddekoration hatte, als typisch angesehen werden kann ; James C. Armstrong : The Estate of a Chinese Woman in the Mid-Eighteenth Century at the Cape of Good Hope, in : Worden, Nigel (Hg.) : Contingent Lives. Social Identity and Material Culture in the VOC World, Rondebosch, S. 75 – 90. 46 Arsip Nasional Republic of Indonesia : Schepenbank 1718 (1798).
Geschmack und Moden
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Besonders interessant sind die Gemälde in den Nachlässen von Angehörigen anderer ethnischer Gruppen. 1792 starb ein bankrotter Muslim (insolventer overledene Moor), der sechs Gemälde in einem dekorativen Goldrahmen besaß.47 Zwei Jahre später hinterließ ein anderer Muslim ein Gemälde, während ein weiterer, abgesehen von einem »kleinen runden niederländischen Tisch« (kleyne ronde nederlandse tafel) im Wert von drei Rijksdaalders (Rd.), ein großes Gemälde, dreizehn Drucke, zwei zerbrochene Spiegel und vier flache Kerzenhalter besaß, die auf 6 Rd. 24 geschätzt wurden. Die freie Buginesin Saliera schmückte ihr Zimmer 1788 nur mit vier Spiegeln und zwei Blakkern (Kerzenhalter mit polierter Wandplatte), aber ein Jahr später hinterließ der Muslim Bamba Sa Assan Miera fünf Gemälde sowie eine Standuhr (stand hoorlogie). Dies war keine Ausnahme ; der freie Makassar Abdul Ilalik besaß vier Gemälde, als er 1790 starb, zusätzlich zu Baumaterialien, Spiegeln und einer friesischen Uhr (friese klok). Als letzte Beispiele mögen die freie Balinesin Asamie und ihr Landsmann Kaliep Oemar dienen. Asamies Nachlass bestand 1811 neben teurem Schmuck aus einer Kupferlampe, vier erlesenen Vitrinen und vier beschädigten Gemälden. In Oemars bescheidenem Haushalt befanden sich 1813 drei Gemälde und ein Hängeschrank mit einheimischen Büchern (hang kastje met inlandsche boeken).48
8.7 Geschmack und Moden Wer vermittelte Geschmack in Batavia ? Die Personen, die am ehesten Geschmacksnormen kommuniziert haben dürften, waren Maler und Mäzene. Möglicherweise haben auch Kaufleute zur Geschmacksbildung beigetragen. Wie wir gesehen haben, verließen zahlreiche Maler die Niederländische Republik in Richtung Asien, um sich dort entweder als Maler oder als Bedienstete der Kompanie niederzulassen. Die Hauptquelle für ihre Aufträge war die VOC selbst. Wenn die Kompanie Gemälde an einheimische Herrscher schenkte, ihre Kontore mit Bildern aus der Heimat schmückte oder Porträts in Auftrag gab, vermittelte sie auf effektive Weise künstlerische Motive von den Niederlanden in den Indischen Ozean. Die Adressaten waren Kaufleute in den Niederlassungen ebenso wie die einheimische Bevölkerung. Als Generalgouverneur van Imhoff seine Residenz mit 130 Gemälden schmückte und in einen Raum ein Gemälde der Königin von Dänemark zusammen mit Drucken des Großmoguls und Ansichten von Kampong Baroe, Tangerang und Tanjungpura stellte, setzte er kulturübergreifende Maßstäbe für das Sammeln. 47 Arsip Nasional Republic of Indonesia : Schepenbank 749. 48 North : Art and Material Culture in the Cape Colony and Batavia, S. 123 (Tabelle 3).
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Batavia
Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass auch der Markt zur Geschmacksbildung beitrug. Niederländische Gemälde gelangten nach Batavia entweder als Import oder als lokale Produktion, die auf dem Markt für Nachlassauktionen recycelt wurden. Auf diesen Auktionen kauften Männer und Frauen höchst unterschiedlicher Herkunft nicht nur Gegenstände, die sie für ihre berufliche Tätigkeit benötigten, sondern in zunehmendem Maße auch Dekorationsgegenstände. Alle hatten Zugang zu diesen Auktionen, deren bloße Existenz die Nachfrage nach Kunst stimulierte. Nachlassauktionen ermöglichten die Interaktion der verschiedenen ethnischen Gruppen und ihrer jeweiligen kulturellen Märkte. Quellen aus dem frühen 17. Jahrhundert lassen zwar vermuten, dass es zunächst vor allem niederländische Bürger waren, die Gemälde, Möbel und asiatische Objekte aus den Nachlässen ihrer Mitbürger erwarben, aber im 18. Jahrhundert waren Auktionen eindeutig zu einem Forum für alle ethnischen Gruppen geworden. Ein gutes Beispiel ist das überlieferte Auktionsprotokoll des verstorbenen, bankrotten armenischen Kaufmannes Cosorop Petrus, dessen Besitz im November 1798 versteigert wurde.49 Neben einem großen Vorrat an Madeira-Wein kam der reiche Haushalt unter den Hammer und niederländische, chinesische und muslimische Bieter ersteigerten verschiedene Einrichtungsgegenstände. Ein Chinese namens Sim Tjimko scheint ein Auge für dekorative Objekte gehabt zu haben. Zunächst erwarb er ein großes Gemälde (een grote schilderijen) für den Preis von 17 Rd. Die Größe und der Preis lassen vermuten, dass es sich dabei um ein großes niederländisches Gemälde handelte, das seinen Weg von einem armenischen in einen chinesischen Haushalt und vielleicht sogar noch weiter fand, wenn Sim Tjimko als Agent für einen weiteren Kunden tätig war. Er erwarb auch drei Hängelampen aus Kupfer für insgesamt 27 Rd., vier kupferne Spucknäpfe für 22 Rd. und ein Ensemble von Tagesbetten (rustbanken), Korbstühlen und anderen Stühlen, Guéridons und zwei Spieltischen für insgesamt 94 Rd. Neben einigen Flaschen Wein kaufte Piro Mochamat (der laut seinem Vornamen Piro = Pero ein muslimischer oder vielleicht sogar christlicher Mardijker sein könnte) eine teure Kupferlaterne und eine kostbare, mit Glas ummantelte Tischuhr für 74 Rd. Leider wissen wir sehr wenig über die erfolgreichen Bieter bei diesen und anderen Nachlassversteigerungen. Die meisten der Käufer scheinen ohnehin als Kaufleute oder Kleinhändler im Geschäft gewesen zu sein. Andere haben wahrscheinlich versucht, einige Dekorationsobjekte für ihre Häuser zu erwerben. Ob familiäre Verbindungen (wie bei anderen Nachlassverkäufen dokumentiert) eine Rolle spielten,50 ist nicht immer offensichtlich oder schlüssig. 49 Arsip Nasional Republic of Indonesia : Schepenbank 1718 (1798). 50 Tracey Randle : Patterns of Consumption at Auctions. A Case Study of Three States, in : Worden,
Rezeption und Austausch
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8.8 Rezeption und Austausch Die Produktion und Rezeption niederländischer Kunst im Indischen Ozean und in Asien waren Funktionen der intensivierten Marktbeziehungen, wobei die VOC eine wichtige Mittlerrolle spielte. An dieser Entwicklung nahmen aber auch zahlreiche lokale Protagonisten innerhalb und außerhalb der europäischen Handelsgesellschaften teil. Kunstgegenstände stellten Waren auf den internationalen, vor allem aber auf den lokalen Märkten dar. Wenn Menschen aus Europa, Amerika oder Asien nach Batavia oder ans Kap zogen, brachten sie nur wenige Kunstgegenstände zu Dekorations- oder Gedenkzwecken mit. Wünschten sie mehr Kunst in ihren Häusern oder wollten sie durch eine demonstrative Zurschaustellung von Reichtum gesellschaftlich aufsteigen, mussten sie Kunstgegenstände in Auftrag geben oder auf dem Markt kaufen. Hierfür waren importierte Gemälde aus den Niederlanden ebenso wie chinesische Gemälde und Erzeugnisse der lokalen Produktion vorhanden.51 Die Rezeption niederländischer Kunst in der Gesellschaft Batavias verlief gleichzeitig auf mehreren Wegen. Zum einen verbreiteten sich Dekorationsmuster aus den Niederlanden und wurden über die VOC-Eliten an das Bürgertum und die verschiedenen indigenen Gruppen weitergegeben. Zum anderen adaptierten die lokalen Hersteller von Kunst- und Handwerksgegenständen diese Muster. Das ist im besonderen Maße im Bereich der Möbelherstellung festzustellen, bei der sich eine reiche »niederländisch-indische« Tradition ausbildete. So inspirierten Möbel, die auf Nachlassauktionen in Ceylon verkauft wurden, die indigene Handwerkskunst. Singhalesische und tamilische Möbelhersteller in Ceylon waren kreativ und erfanden den bereits erwähnten Bürgermeisterstuhl, der innerhalb des VOC-Handelsnetzes nachgeahmt wurde.52 Die Existenz dieses Netzwerkes kann auch erklären, wie einzelne Dekorationsmotive zirkulierten. Auch hier scheint die VOC als vermittelnder Faktor gewirkt zu haben. In diesem Fall trug sie dazu bei, die auf Grabsteinen, Schränken, Chintz und Silberwaren verwendeten floralen Motive in der ganzen Region zu verbreiten.53 Nigel (Hg.) : Contingent Lives. Social Identity and Material Culture in the VOC World, Rondebosch 2007, S. 53 – 74. 51 So berichtet Marten Jan Bok von einem Vertrag zwischen Balthasar Wyntgis und dem Utrechter Maler Herman van Vollenhoven, bei dem es um den Verkauf von Gemälden in Südostasien ging. Bok : European Artists, S. 190 – 191. 52 Veenendaal : Furniture in Batavia, S. 38 – 39. Siehe oben. 53 Martin Krieger : Dutch Cemeteries in South India, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 83 – 93. Siehe Kapitel »Indien«.
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Diese Muster waren wahrscheinlich von holländischen Drucken inspiriert, wie sie in den von Crispijn van de Passe gestochenen floralen Illustrationen von »Den blomhof« zu finden sind.54 Ein weiterer Austauschprozess war unabhängig von dem ersten, aber dennoch mit diesem verflochten. Einige der lokalen ethnischen Gruppen besaßen ihre eigenen Einrichtungs- und Dekorationstraditionen, die im Laufe der Zeit westliche oder niederländische Muster aufnahmen. Chinesische Einrichtungsstile drangen dagegen schon früh in die europäischen und eurasischen Haushalte in Batavia ein, da diese Kulturgüter vielerlei Art erwarben und zur Schau stellten. Dazu gehörten nicht nur Gemälde, sondern auch Porzellan, Laternen und Möbel. Bereits in den 1620er Jahren entstand in Batavia ein beachtlicher Markt für chinesische Kunstgegenstände, ein Geschmack, der sich in den Niederlanden erst um 1700 manifestierte, als chinesische Gemälde in einigen der reicheren Sammlungen auftauchten. In Batavia erwarb man diese Objekte wahrscheinlich direkt von chinesischen Händlern oder indirekt auf Auktionen chinesischer Nachlässe. Erst später wurden chinesische Produkte von der VOC am Kap und in den Niederlanden gehandelt. In Batavia waren sie ein wichtiges Element der »niederländisch-indischen« Kultur, die auch die Auflösung und Verstaatlichung der VOC 1799 durch die Batavische Republik überstand. In den globalen Auseinandersetzungen zwischen England und Frankreich und ihren Alliierten war der Schiffsverkehr zwischen Batavia und dem Mutterland sogar zwischen 1808 und 1811 für mehrere Jahre unterbrochen. Gleichzeitig übersiedelten – nach dem die Briten 1795 Malakka und Ceylon erobert hatten – die niederländischen VOC-Funktionäre aus diesen Zentren nach Batavia. Die britische Invasion in Batavia zwischen 1811 und 1816 ließ die kulturellen Vorlieben der Führungsschichten intakt, auch wenn sie sich der britischen Herrschaft anzupassen versuchten. Erst nach der Rückgabe Batavias und Javas an das neue Königreich der Niederlande änderte sich die Situation allmählich. Die neuen Beamten, die 1816 in Niederländisch-Indien eintrafen, waren stärker niederländisch orientiert, was auch die Alltagskultur veränderte.55
54 Veenendaal : Furniture in Batavia, S. 30 – 34. 55 Bosma/Raben : Being «Dutch« in the Indies, S. 66 – 103 ; Taylor : The Social World of Batavia, S. 78 – 113.
9. Der Indische Subkontinent (einschließlich Ceylon) Focus : Hendrik van Schuylenburgh Hendrik van Schuylenburgh (ca. 1620 – 1689) hat uns mit der Darstellung der Faktorei in Hugli, dem Hauptkontor der VOC in Bengalen, einen Eindruck vom Leben um einen europäischen Handelsstützpunkt in Bengalen hinterlassen. Das nach dem gleichnamigen Fluss im Gangesdelta benannte Kontor wurde nach Überschwemmungen in den 1650er Jahren in das benachbarte höher gelegene Chinsura verlegt, so dass beide Bezeichnungen nebeneinander in Gebrauch waren. Über van Schuylenburgh ist nicht sehr viel bekannt. Er wurde ca. 1620 in Middelburg in Seeland geboren, wo er 1689 auch verstarb. Als Maler war er Mitglied der dortigen Lucasgilde, deren Register ihn 1644, 1653 und 1655 – 1660 erwähnt. Das Gemälde der Faktorei von Hugli ist indes mit dem Jahre 1665 datiert und fällt also in eine Zeit, in der van Schuylenburghs Namen nicht in den Gildedokumenten auftaucht. Er könnte sich in diesen Jahren tatsächlich in Asien und insbesondere in Bengalen aufgehalten haben. Der Detailreichtum seines Gemäldes spricht nämlich dafür, dass van Schuylenburgh die Faktorei und das dortige Leben mit eigenen Augen gesehen hatte. Seine Aufzeichnungen müssen so detailliert gewesen sein, dass er sie später zu einem Gesamtbild in beachtlichem Format von 133 x 205 cm zusammensetzen konnte. Als Auftraggeber kommt der ebenfalls aus Middelburg stammende Pieter Sterthemius infrage, dessen Familienwappen sich auf dem Bild befindet.1 Sterthemius war bereits in den 1640er Jahren als VOC-Kaufmann in Indien tätig gewesen und kehrte nach Stationen in Batavia und Deshima dorthin als Direktor der Kompanie in Bengalen zurück. Nachdem er die Retourflotte 1659/60 sicher zurück in die Niederlande geführt hatte, wurde er aus ihrem Dienst verabschiedet und beendete sein Leben als Schöffe und Rat der Stadt Veere und Präsident des Finanzhofes der Provinz Seeland. Möglicherweise war das Gemälde auch ein Geschenk für ihn von der VOC-Kammer Seeland. Das Bild, das für europäische Augen gemalt wurde, zeigt die mit einer Mauer umschlossene Anlage und damit das Innere ebenso wie die Umgebung der Faktorei. Innerhalb der Mauern arbeiten Gärtner, Stallknechte, Wasserträger, Handwerker und außerhalb lebt die einheimische Bevölkerung und es wird Holz beispielsweise für den Schiffbau bearbeitet. Niederländische Kompaniebedienstete stehen zusammen 1 Martine Gosselink : Schilderijen van Bengaalse VOC-loges door Hendrik van Schuylenburgh, in : Bulletin van het Rijksmuseum 46 (1998), S. 390 – 409, hier S. 397 – 399.
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39 Hendrik van Schuylenburgh, Der Handelsposten der VOC in Hugli (Bengalen), 1665.
mit Einheimischen und unterhalten sich mit diesen. Außerhalb der Mauern, die auch als Schutz gegen Hochwasser dienen sollten, sehen wir verschiedene Freizeitvergnügen. Hinzu kommen Aufmärsche und Paraden ebenso wie eine Witwenverbrennung, mit der Schuylenburgh die europäische Neugierde nach exotischen Darstellungen befriedigen wollte. Entsprechend schauen die auf dem Gemälde dargestellten Niederländer interessiert zu. Wenn man bedenkt, dass die erste Niederlassung der VOC aus stroh- und bambusgedeckten Hütten sowie einem Lagerhaus aus Lehm inmitten einheimischer Häuser bestanden hatte, repräsentiert diese Anlage die enorme Expansion der VOC in Bengalen wenige Jahrzehnte später.
9.1 Die VOC im lokalen Machtgefüge Die VOC war jedoch weiterhin auf die Kooperation mit den einheimischen Würdenträgern angewiesen, die notwendige Arbeitskräfte und auch die Handelsgüter vermittelten.2 2 Byapti Sur : The Dutch East India Company through the Local Lens. Exploring the Dynamics of Indo-Dutch Relations in Seventeenth Century Bengal, in : Indian Historical Review 44 (2017), S. 62 – 91, hier S. 72 – 78.
Die VOC im lokalen Machtgefüge
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Anders als bei den bisher behandelten VOC-Zentren, die sich in der Regel auf einen wichtigen Hafen konzentrierten, bot der indische Subkontinent mit seinen beiden langgestreckten Küsten vielfältige, bereits seit der Antike genutzte Möglichkeiten der Schifffahrt und des Handels. Dabei lagen die Häfen in der Regel an Flussmündungen oder Flussdeltas und waren auf diese Weise mit ihrem Hinterland verbunden.3 Entsprechend versuchten die Europäer in einigen dieser Häfen Fuß zu fassen, wozu sie sowohl mit dem Mogulreich im Norden als auch mit vielen regionalen Fürsten, wie den Najaks im Süden, in Kontakt treten mussten. Ein erstes Ziel war das an der Westküste gelegene Surat, der wichtigste Hafen Gujarats. Dies war eines der Textilzentren Indiens, dessen Hinterland bis nach Rajasthan und weiter nach Agra und Delhi, dem Zentrum des Mogulreiches, reichte. Solange die Herrschaft des Mogulreiches nicht infrage gestellt wurde, waren die Landrouten, die die Küste mit dem Hinterland verbanden, zentral für Import und Export. Erste Versuche der Niederländer, sich in Surat niederzulassen, waren fehlgeschlagen, aber in den 1620er Jahren nahm die Faktorei Gestalt an, gründete kleinere Kontore im Hinterland und erhielt ein Handelsprivileg der Moguln. Von Surat aus wurden Kontakte nach Persien aufgebaut, wo sich bereits die Engländer niedergelassen und die Portugiesen aus Hormus vertrieben hatten. Dabei wurden die Niederländer zeitweilig ein wichtiger Partner Persiens beim Seidenexport. Unter den Europäern war zunächst Portugal, das ebenso Faktoreien an der Westküste unterhielt, der Hauptgegner der VOC. Noch vor der endgültigen Eroberung Malakkas (1641) erfolgte der Angriff auf Ceylon 1637, wo die Stadt Galle sowohl durch ihre Lage in den Zimtanbaugebieten als auch durch ihren Hafen große Bedeutung besaß. Danach folgte 1656 Colombo, in dem sich der VOC-Gouverneur niederließ. Ein großer Teil der Insel wurde vom Königreich Kandy beherrscht, so dass die VOC um Erlaubnis bitten musste, wenn sie die Rinde der königlichen Zimtbäume zur Gewinnung des kostbaren Gewürzes abschälen wollte. Daher machten sich jährlich Delegationen mit reichen Geschenken an den Hof von Kandy im gebirgigen Hochland auf.4
3 Ranabir Chakravarti : The Pull towards the Coast and other Essays. The Indian Ocean History and the Subcontinent before 1500 CE, Delhi 2020 ; Ranabir Chakravarti : Coasts and Interiors of India. Early Modern Indo-Dutch Cross-Cultural Exchanges, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/ North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 95 – 110. 4 Lodewijk Wagenaar : The Cultural Dimension of the Dutch East India Company. Settlements in Dutch-Period Ceylon, 1700 – 1800 – with Special Reference to Galle, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 141 – 176, hier S. 142.
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Der Indische Subkontinent
Die südwestliche Malabarküste war ein Hauptproduzent des schwarzen Pfeffers und 1663 wurde die portugiesische Hafenstadt Kochin eingenommen. Dies bot die Möglichkeit, sowohl Pfeffer als auch ceylonesischen Zimt direkt in die Niederlande zu transportieren, obwohl das bei den VOC-Direktoren in Batavia nicht gerne gesehen wurde. An der Koromandelküste zogen die Emporien Pulicat und Masulipatnam mit ihrem Angebot an Seide- und Baumwolltextilien sowie als Absatzmarkt für Gewürze aus Südostasien die Aufmerksamkeit der Niederländer auf sich. Masulipatnam war außerdem der Exporthafen für die Sultanate Golkonda und Bijapur, aus denen die Niederländer Reis, Baumwolle und auch Diamanten erhielten. An der Koromandelküste herrschten verschiedene Nayaks, Fürsten, die lange unter der Oberherrschaft des Vijayanagar-Reiches gestanden hatten, im 17. Jahrhundert aber großzügig Handelsprivilegien erteilten. Pulicat, wo die Niederländer 1610 das Fort Geldria errichteten, wurde so zum Hauptquartier der VOC an der Küste. Indem die VOC die Weber in den Dörfern versorgte und Geldvorschüsse zahlte, versuchte sie sich einen Teil der lokalen Textilproduktion zu sichern. Weitere Faktoreien wurden in Petapoli (Nizampatnam), Bimunipatnam und Sadras errichtet. Nachdem die Portugiesen aus Nagapattinam (1659) vertrieben worden waren, verlegte die Kompanie ihr Hauptquartier von Pulicat dorthin.5 Wie überall auf dem indischen Subkontinent kooperierten die Niederländer nicht nur eng mit den lokalen Kaufleuten, sondern auch mit den einheimischen Eliten, die den Fürsten als Ratgeber, Militärführer oder Steuerpächter dienten und so einen Zugang zu den Höfen ermöglichten.6 Von der Koromandelküste aus hatte die VOC ebenfalls Bengalen im Blick, das durch das Delta des Ganges mit seinen Nebenflüssen geprägt war. Hier emanzipierte sich das Zentrum in Hugli/Chinsura aber von Pulicat. In Bengalen bereicherten Salpeter und Opium neben Seide und Baumwolle das Warensortiment der VOC. Hier pflegten die VOC-Angestellten einen ähnlichen Lebensstil wie die lokalen Eliten. Sie pachteten Dörfer und bezahlten dafür dem Vertreter der Moguln Steuern.7 5 Martin Krieger : Dutch Cemeteries in South India, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 83 – 93, hier S. 83 ; Tapan Raychaudhuri : Jan Company in Coromandel, 1605 – 1690. A Study in the Interrelations of European Commerce and Traditional Economies, ’s-Gravenhage 1962, S. 15 – 16. 6 Pieter C. Emmer/Jos J. L. Gommans: The Dutch Overseas Empire, 1600 – 1800, Cambridge 2020, S. 314 – 318 ; Sanjay Subrahmanyam/Christopher A. Bayly : Portfolio Capitalists and the Political Economy of Early Modern India, in : The Indian Economic and Social History Review 25,4 (1988), S. 401 – 424. 7 Sur : The Dutch East India Company, S. 70.
Die VOC im lokalen Machtgefüge
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Auch nach dem Zerfall des Mogulreiches im 18. Jahrhundert blieb die Situation stabil, da die VOC der größte Händler bengalischen Salpeters war. Der Hauptrivale war hier die Englische East India Company, die im ausgehenden 18. Jahrhundert ökonomisch und militärisch die Oberherrschaft gewinnen sollte. Die Position Surats litt dagegen unter der Desintegration des Mogulreiches und dem Niedergang der Safawidendynastie in Persien (1722), so dass Surat sowohl vom Hinterland mit den Textil- und Indigolieferungen als auch von seinen benachbarten Handelspartnern abgeschnitten wurde. An der Koromandelküste konnten sich die Niederländer länger halten, denn trotz der Konkurrenz von Engländern, Franzosen und Dänen kooperierten Vertreter der verschiedenen Kompanien und der einheimischen Kaufleute, insbesondere in ihrem Privathandel, regelmäßig. An der Malabarküste wurden die Niederländer im 18. Jahrhundert sowohl von den Fürsten von Travancore als auch später von Mysore in die Zange genommen, die eigene Handelsmonopole errichteten. Während des Vierten Englisch-Niederländischen Krieges eroberten die Briten die Stützpunkte der VOC, die 1784 bis auf Nagapattinam zurückgegeben wurden. Dennoch waren die Faktoreien und ihre Handelskontakte zerstört. 1795 wurden die dortigen niederländischen Besitzungen erneut von den Engländern erobert. 1814 erhielt das neue Königreich der Niederlande die Faktoreien in Surat, Bengalen und an der Koromandelküste zurück, aber ein Wiederaufbau der Handelsnetzwerke erwies sich als unmöglich, so dass die Niederländer sie 1824 den Briten dauerhaft überließen.8 Über die niederländische Präsenz in den »indischen Kontoren« gibt die folgende Tabelle Auskunft. Tabelle 2 : VOC-Personal in den »indischen Kontoren« (1687 – 1688, 1700, 1753, 1780)9 Kontore Surat Malabar Bengalen Koromandel Ceylon
1687 – 1688
1700
1753
1780
78
106
385
56
619
690
1395
949
72
162
440
205
683
514
789
775
2631
2966
4652
3784
8 Emmer/Gommans : The Dutch Overseas Empire, S. 351 – 352. 9 Eberhard Schmitt/Thomas Schleich/Thomas Beck (Hg.) : Kaufleute als Kolonialherren. Die Handelswelt der Niederländer vom Kap der Guten Hoffnung bis Nagasaki, 1600 – 1800, Bamberg 1988, S. 82 – 83.
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Hieraus wird deutlich, dass die VOC in den einzelnen Gebieten in der Regel von verhältnismäßig wenigen Personen repräsentiert wurde. Dabei ist gleichfalls zu bedenken, dass das VOC-Personal in einer Region meist ein großes und zahlreiche kleine Kontore unterhielt, um von dort aus Handel mit der einheimischen Bevölkerung zu treiben. Allein Ceylon stellte ein größeres Handelszentrum der VOC dar, aus dem regelmäßig Schiffe direkt in die Niederlande geschickt wurden. Der Höhepunkt der niederländischen Handels- und damit auch der Personalstärke lag um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Danach zeichnete sich ein Bedeutungsverlust einzelner Regionen, wie Surat, ebenso deutlich ab wie der Rückgang des VOC-Personals insgesamt auf dem indischen Subkontinent.
9.2 Niederländische Maler und Kunst an den Höfen des Mogulreiches Eng verbunden mit den ökonomischen Aktivitäten war auch die regionale Rezeption niederländischer Kunst. Wie in anderen Gebieten der VOC finden wir in Südasien ebenfalls niederländische Maler im Dienste einheimischer Fürsten, wohin sie teilweise durch Vermittlung der Kompanie gelangt waren. Ebenso wie in Batavia und beim persischen Shah wirkten niederländische Künstler am Mogulhof in Indien.10 Die VOC förderte diese Aktivitäten, da die Künstler gleichzeitig politische und wirtschaftliche Kontakte herstellten. Das Zentrum bildete natürlich der Mogulhof in Agra. Hier war man offen für vielfältige künstlerische Anregungen und bat regelmäßig das VOC-Hauptquartier in Batavia um die Rekrutierung von Malern für den Herrscherhof. Oft übernahmen die von Batavia nach Agra geschickten Maler neben ihrer künstlerischen Tätigkeit auch noch eine offizielle Funktion als Repräsentant in den lokalen Kontoren der Handelskompanie. Einer der erfolgreichen Maler und VOC-Bediensteten war Hendrick Arentsz. Vapoer. Er stammte aus dem künstlerischen Milieu der Stadt Delft. Ein Onkel und mehrere Cousins wirkten als Maler und Kupferstecher ; auch die Brüder seiner Frau waren Maler. Vapoer trat kurz nach seiner Heirat 1611 in den Dienst der VOC und begab sich nach Indien. Hier wird über ihn als Maler am Hofe von Cambay (Khambhat) berichtet, wo er dank seiner bewunderten Fähigkeiten der VOC Zugang zum Herrscher und zu Handelsprivilegien eröffnete. Cambay war einer der wichtigsten Häfen Gujarats für die Ausfuhr von Textilien. Leider ist nur eine Zeichnung eines 10 Hendrick Arentsz. Vapoer, Jan Lucasz. van Hasselt, Barend van Sichem, Hendrick Boudewijn van Lockhorst, Abraham Emauelsz. van Meteren, Philips Angel und Isaäc Janz Koedijck. Gijs Kruijtzer : Xenophobia in Seventeenth-Century India, Leiden 2009, S. 36 – 64.
Niederländische Maler und Kunst an den Höfen des Mogulreiches
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indischen Paares von Vapoers Hand überliefert. 1626 avancierte Vapoer dann zum Direktor der Faktorei in Agra und später in Surat, wo er 1632 starb. Mit seinen Fähigkeiten als Kaufmann und Künstler scheint er dank seines privaten Handels ein erhebliches Vermögen angehäuft zu haben, das er in Diamanten und Juwelen anlegte. Das Interesse an westlicher Malerei muss unter den Moguln groß gewesen sein, denn 1626 wollte Shah Jahangir einen seiner Maler mit einem VOC-Schiff nach Europa schicken, um dort Kunstobjekte zu erwerben. Die VOC lehnte dieses Ansinnen ab, da sie ihre Vermittlerrolle nicht gefährden wollte. Kurze Zeit zuvor hatte die Faktorei in Agra nämlich selbst in den Niederlanden Gemälde mit Schlachtenszenen, Weltkarten und Aquarelle bestellt, um das Interesse des Mogulhofes an niederländischer Kunst zu befriedigen.11 Jene Passion versiegte aber im Laufe des 17. Jahrhunderts, spätestens mit der Thronübernahme durch Aurangzeb, der seinen Vater Shah Jahan abgesetzt hatte. Bereits zu Beginn der 1650er Jahre wiesen die Verantwortlichen in Batavia darauf hin, dass der Shah keine Personendarstellungen schätzte, und dies traf auf Aurangzeb, einen streng gläubigen Muslim, im besonderen Maße zu. Wir kennen aber auch andere Malerschicksale, die mehr oder weniger spektakulär in Indien endeten. Cornelis Claesz. Heda aus Haarlem, der von Cornelis Cornelisz. ausgebildet worden war und für den deutschen Kaiser Rudolf in Prag arbeitete, meldete sich freiwillig für eine diplomatische Mission nach Persien. Von den Portugiesen gefangen genommen, gelang ihm die Flucht nach Bijapur im Hinterland der Malabarküste, wo er für Sultan Ibrahim Adil Shah II. arbeitete und für die VOC spionierte.12 Der bekannte Maler Michiel Sweerts reiste als Mitglied einer Missionsgesellschaft nach Indien und starb 1664 auf Goa. Darüber hinaus wurden niederländische Motive von indischen Künstlern rezipiert, wie auch niederländische Sammler und Maler Miniaturen aus Indien sammelten und künstlerisch umdeuteten. So war das Mogulreich zumindest bis zur Herrschaftsübernahme durch Aurangzeb offen für vielfältige künstlerische Impulse. Jesuitische Missionare vermittelten dem Mogulhof europäische religiöse Kunst in Form von Kupferstichen flämischer Herkunft und gedruckten Büchern, darunter Bibeln mit illustriertem Frontispiz. Letztere waren oft von niederländischen Druckern und Verlegern publiziert worden. Hierzu gehörten z. B. die »Biblia sacra« (1567 – 1572) von Christoffel Plantijn und der Atlas »Theatrum orbis terrarum« von Abraham Ortelius 11 Marten Jan Bok : European Artists in the Service of the Dutch East India Company, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 177 – 204, hier S. 187 – 189. 12 Kruijtzer : Xenophobia, S. 18 – 33.
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(1570), der bis nach China und Japan verbreitet wurde. An den genannten Werken hatten die Antwerpener Maler Pieter van der Borcht, Jan Wierix, Gerard van Kampen, Pieter Huys und Philips Galle mitgewirkt und die Vorlagen für die Illustrationen geliefert.13 Der Großmogul Akbar (1556 – 1605) beauftragte daraufhin seine eigenen Maler zur Anfertigung zahlreicher religiöser Darstellungen, z. B. von Christus, Maria und den Heiligen, mit denen Bücher und Alben verziert wurden. Gleichzeitig gab Akbar Wandgemälde zur Verschönerung der Wände in seinen Palästen mit religiösen Motiven in Auftrag. Auch wenn sich die Hoffnungen der Jesuiten auf eine Konversion der Moguln zum christlichen Glauben als Illusion erweisen sollten, regten doch die flämischen Stiche die Kunst am Mogulhof an.14 Die Rezeption der Stiche reichte von einfachen Kopien für den Markt bis zur selbständigen Weiterverarbeitung europäischer Motive. Da die Künstler am Mogulhof mit persischer und arabischer Kalligraphie vertraut waren, interessierten sie sich besonders für die physische und technische Qualität der Kupferstiche bzw. Holzschnitte. Insbesondere die Alben der Moguln geben Aufschluss darüber, wie die Hofkünstler die Drucke rezipierten und in der künstlerischen Praxis adaptierten. So wurden die Kupferstiche oder deren Kopien in die Alben aufgenommen und mit Hilfe der Kalligraphie in das System der Mogulkunst integriert, wobei die Kalligraphie als Bindeglied zwischen den europäischen Drucken und den indischen Miniaturen diente.15 Ein Beispiel ist das berühmte Album von Jahangir, dem Nachfolger Akbars. Jenes Album enthielt alte und neue Mogulminiaturen, timuridische und safawidische Bilder, Kalligraphien von berühmten Meistern sowie deutsche und flämische Holzschnitte und Kupferstiche, die christliche Motive, aber auch Naturstudien und Themen der antiken Mythologie darstellten. Das Album kann gleichermaßen als Studienbuch für die Künstler am Hof oder als gedruckte Galerie des Herrschers verstanden werden. Die Kollektionen bestanden natürlich nicht nur aus Alben, Büchern, Atlanten und Karten ; im Gegenteil, in ihrer Schatzkammer sammelten Akbar und Jahangir vor allem Edelsteine und Juwelen, aber auch Augsburger Goldschmiedearbeiten, Uhren, chinesisches Porzellan und japanische Lackarbeiten. Teleskope und Globen reprä13 Jos J. L. Gommans : The Unseen World. The Netherlands and India from 1550, Amsterdam 2018, S. 199 – 205. Zur Rezeption des Ortelius-Atlases in Japan siehe Mia M. Mochizuki : The Movable Center. The Netherlandish Map in Japan, in : North, Michael (Hg.) : Artistic and Cultural Exchanges between Europe and Asia, 1400 – 1900, Farnham/Surrey 2010, S. 109 – 133. 14 Gauvin Alexander Bailey : The Indian Conquest of Catholic Art. The Mughals, the Jesuits, and Imperial Mural Painting, in : Art Journal 57 (1998), S. 24 – 30. 15 Yael Rice : The Brush and the Burin. Mogul Encounters with European Engravings, in : Anderson, Jaynie (Hg.) : Crossing Cultures. Conflict, Migration and Convergence. The Proceedings of the 32nd International Congress in the History of Art, Melbourne 2009, S. 305 – 310.
Niederländische Maler und Kunst an den Höfen des Mogulreiches
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sentierten den mit dem Titel jahāng-gīr (derjenige, der die Welt ergreift) verbundenen Anspruch auch nach außen.16 Die VOC schenkte den Moguln – natürlich auch anderen Fürsten Indiens – Kupferstiche und Radierungen und weckte bei ihnen ein Interesse an europäischer Kunst. Delegationsreisen der VOC-Direktoren fanden ein Medienecho, das sich in der lokalen künstlerischen Produktion niederschlug. Ein Beispiel ist die Reise von Joan Josua Ketelaar zum Mogulhof, die ihn auch nach Rajasthan an den Hof des Maharadscha Sangram Singh nach Udaipur führte. Ketelaar war als Johann Kettler 1659 in Elbing, einer Hafenstadt an der Ostsee im Königlichen Preußen, geboren worden und hatte sich – weil ihm dort der Boden unter den Füßen wegen einiger Delikte zu heiß geworden war – 1682 in den Dienst der VOC begeben, wo er es über mehrere Karrierestationen in Surat zum Direktor der Faktorei in Agra gebracht hatte. Zwei erfolgreiche Reisen hatten ihn zum Kaffeekauf nach Mokka auf die Arabische Halbinsel geführt, die er zur Vervollkommnung seiner interkulturellen Kompetenz und seines Wissens nutzte. So verfasste er u. a. eine erste Grammatik für Hindi und Persisch zum praktischen Spracherwerb für den Gebrauch an den Höfen. Für die Reise an den Mogulhof erwarb Ketelaar wertvolle Geschenke, wie Elefanten aus Ceylon, Pferde aus Persien und von der Arabischen Halbinsel, Paradiesvögel, europäische Waffen und Glasgeräte, wie Spiegel, Teleskope und Lupen, sowie natürlich chinesisches Porzellan und japanische Lackwaren. Während der Eindruck der Delegation an dem in Nachfolgekämpfe verstrickten Mogulhof gleichwohl bescheiden blieb, war der visuelle Erfolg am Hof des gerade an die Macht gekommenen Sultans von Udaipur nachhaltig.17 Zwei gemalte Tücher (jeweils im Rijksmuseum und im Victoria and Albert Museum) dokumentieren den Empfang in Udaipur. Wir sehen nicht nur die Audienz beim Sultan, wo Ketelaar und zwei Mitglieder der Delegation auf den Herrscher und seine Höflinge treffen. Während Sangram Singh im Profil erscheint, werden die Europäer in Dreiviertelansicht dargestellt, was die Vertrautheit des einheimischen Malers mit der europäischen Porträttradition verdeutlicht.18 16 Ebba Koch : Jahangir’s Hazelnut and Shah Jahan’s Chini Khana. The Collections of the Mughal Emperors, in : Wellington Gahtan, Maia/Troelenberg, Eva-Maria (Hg.) : Collecting and Empires. An Historical and Global Perspective, London/Turnhout 2019, S. 135 – 161. 17 Gommans : The Unseen World, S. 63 – 67 ; Amin Jaffer : Diplomatic Encounters. Europe and South Asia, in : Jackson, Anna/Jaffer, Amin (Hg.) : Encounters. The Meeting of Asia and Europe, 1500 – 1800, London 2004, S. 74 – 87. 18 Ranabir Chakravarti : Coasts and Interiors of India. Early Modern Indo-Dutch Cross-Cultural Exchanges, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 95 – 110, hier S. 102 – 103 ; Kees Zandvliet : De Nederlandse ontmoeting met Azië 1600 – 1950, Zwolle/Amsterdam 2002, S. 123 – 126, Nr. 63.
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40 Unbekannte Künstler, Maharana Sangram Singh empfängt die Gesandtschaft Joan Ketelaars (Ausschnitt), Udaipur, 1711.
Im Kontext des Besuches entstanden zahlreiche weitere Gemälde und Darstellungen, so z. B. Abbildungen von Niederländern. Ein solches Bild eines Niederländers, das sich heute im Britischen Museum befindet, zeigt ihn stehend, die Arme auf die Hüfte gestützt. Oben links ist in Hindi farangiri sabi geschrieben (dies ist ein Bild eines farangi = Europäers). Entsprechend markiert die Reise Ketelaars den Anfang der sog. Farangi-Darstellungen durch indische Künstler. Ein weiterer Niederländer erscheint auf der Rückseite eines Porträts von Sangram Singh (jetzt in der National Gallery of Victoria in Australien). Der Niederländer ist in Dreiviertelansicht zu sehen, in typisch niederländischer Kleidung einschließlich Perücke und Hut, ein Schwert in der linken Hand haltend, unter einem Baum im Stil einer Chinoiserie mit einem kleinen Hund zu seinen Füßen. Diese Art von Melange lässt sich durch die Kompositionsmethode des Künstlers erklären, die darin besteht, einen französischen Modedruck mit dem visuellen Eindruck der in Indien anwesenden niederländischen VOC-Mitarbeiter zu kombinieren.19 Noch bemerkenswerter ist ein Gemälde des am Hof von Udaipur wirkenden indischen Künstlers Bakhta : »Maharadscha Ari Singh im Durbar«. Der Durbar, der große Saal, ist mit blauen und weißen Kacheln niederländischer und chinesischer Herkunft dekoriert, die von der VOC geliefert worden sein müssen. In seinem Gemälde kopierte Bakhta allerdings jene Wanddekoration nicht einfach, sondern erfand und interpretierte die floralen Motive und die niederländischen 19 Andrew Topsfield : Paintings from Rajasthan in the National Gallery of Victoria. A Collection Acquired through the Felton Bequest’s Committee, Melbourne 1980.
Niederländische Maler und Kunst an den Höfen des Mogulreiches
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41 Bakhta, Maharadscha Ari Singh im Durbar, 1765.
Genreszenen neu, indem er sie durch Skizzen von Tieren, Booten, europäischen und indischen Figuren, indischen Landschaften und erotischen Szenen ersetzte und damit seine Vertrautheit mit westeuropäischer Kunst bewies.20 Auch niederländische Genremalerei wurde über das Medium der Radierung von indischen Künstlern adaptiert. Ein populäres niederländisches Motiv war die Pfannenkuchenbäckerin, die wir nicht nur aus einer Radierung von Rembrandt kennen. Auch Adriaen Brouwer hat dieses Motiv gemalt, wobei seine Darstellung über Radierungen weiterverbreitet wurde. Zumindest eine davon gelangte nach Indien, wo ein unbekannter Künstler die Pfannenkuchenbäckerei in ein indisches Milieu verpflanzte. Zwar bleibt die Katze auf dem Hocker unverändert, aber statt einer einfachen niederländischen Tür finden wir einen reichgeschnitzten indischen Türbogen und die einfachen niederländischen Krüge und Töpfe sind durch dekoriertes, chinesisches, blauweißes Porzellan ersetzt.
20 Topsfield : Paintings from Rajasthan, S. 29, S. 118 – 119, Plate 14, 167 ; siehe auch Hermann Goetz : Holländische Wandfliesen in einem altindischen Königspalast, in : Oud-Holland LXVI (1951), S. 239 – 240.
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Der Künstler übersetzte sozusagen die niederländische Genreszene für seine Auftraggeber in ein indisches Umfeld und remedialisierte sie so.21
9.3 Rembrandt Als Kontrapunkt können wir die Darstellungen indischer Motive durch niederländische Künstler, vor Ort durch van Schuylenburgh, oder die Rezeption indischer Kunst im Mutterland, z. B. durch Rembrandt, ansehen. Insgesamt waren es doch nur wenige Maler, die sich in den Niederlanden mit den Erzeugnissen ihrer indischen Kollegen auseinandersetzten. Das heißt aber nicht, dass überhaupt kein Interesse an indischer Kunst in den Niederlanden bestand. So besaß der bereits erwähnte Nicolaas Witsen nicht nur Objekte aus Brasilien oder der Karibik, sondern auch aus Südostasien und Indien. Dazu gehörten mehrere Hundert Miniaturen, die großenteils aus Golkonda stammten, wo sie von VOC-Angestellten bei lokalen Künstlern in Auftrag gegeben worden waren. 49 davon hatte Witsen in einem Album, dem nach ihm benannten Witsen-Album, zusammengestellt. Sie zeigen Herrscherporträts, die mit persischen und portugiesischen Titeln bezeichnet sind.22 Möglicherweise kannte Rembrandt, der zeitweise bei Witsens Vater, dem Amsterdamer Bürgermeister Cornelis Witsen, verschuldet war, die Sammlung indischer Miniaturen. An die Öffentlichkeit gelangten Rembrandts indische Zeichnungen aber erst im Jahr 1747, als »A Book of Indian Drawings, by Rembrandt, 25 in Number« aus dem Nachlass des britischen Porträtmalers Jonathan Richardson versteigert wurde. Wie diese Zeichnungen in den Besitz des englischen Künstlers kamen, ist unbekannt. Manche Rembrandtforscher*innen nehmen an, dass es sich bei den »kuriosen Miniaturzeichnungen, Holzschnitten und Radierungen verschiedener Trachten« (curieuse miniatuur teeckeningen nevens verscheydene hout en kopere printen van alderhande dragt), die in einem Inventar der Rembrandtschen Besitztümer genannt werden, um die
21 Stephanie Schrader : Rembrandt and the Mughal Line. Artistic Inspiration in the Global City of Amsterdam, in : Schrader, Stephanie (Hg.) : Rembrandt and the Inspiration of India, Los Angeles 2018, S. 5 – 27, hier S. 20 – 21, 124 – 125, Plate 52 – 54. 22 Gommans : The Unseen World, S. 137 ; Pauline Lunsingh Scheurleer : Het Witsenalbum. Zeventiende-eeuwse Indiase portretten op bestelling, in : Bulletin van het Rijksmuseum 44, 3 (1996), S. 167 – 210 ; Marion H. Peters, Catalogue Entries 55a – b and 56 a – b, in : Corrigan, Karina H./ Campen, Jan van/Diercks, Femke/Blyberg, Janet C. (Hg.) : Asia in Amsterdam. The Culture of Luxury in the Golden Age, New Haven/London/Salem, MA 2015, S. 200 – 204.
Rembrandt
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42 Rembrandt, Porträts von Shah Jahan und seinem Sohn, um 1656 – 1661.
indischen Zeichnungen handelte.23 Das ist aber nicht sicher, da Rembrandt sich für Kuriositäten aus aller Welt interessierte. Ob Rembrandt die indischen Miniaturen, die ihm als Vorbild dienten, selbst besaß, ist daher nicht zu sagen. In seinen Zeichnungen auf japanischem Papier versuchte er, die indische künstlerische Tradition nachzuempfinden. Dabei legte Rembrandt sein Augenmerk u. a. auf den Schmuck und die reich verzierte Kleidung der Mogulherrscher. Die Nutzung des teureren japanischen Papiers machte die Zeichnungen selbst – ähnlich wie die indischen Originale – zu Luxusobjekten, denn die Vorlagen, die Rembrandt sah und kopierte, waren sämtlich Porträts höchster Qualität, die im Atelier am Mogulhof geschaffen worden waren.24 Hierzu gehörten zahlreiche Porträts von Shah Jahan, der stehend und zu Pferde sowie in mehreren Szenen zusammen mit seinem Sohn Dara Shikoh abgebildet wird. Hinzu kommen mehrere Zeichnungen, die den Mogulkaiser Jahangir, 23 »Curious drawings in miniature as well as woodcuts and engravings on copper of various costumes«, Schrader : Rembrandt and the Mughal Line, S. 10. 24 Ebd.: S. 10 – 18.
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43 Willem Schellinks, Shah Jahan und seine vier Söhne, Ende 17. Jahrhundert.
u. a. auch in einer Apotheose mit Akbar, zeigen. Shah Jahans Nachfolger, Aurangzeb, fand ebenso Rembrandts Interesse wie Adlige und Frauen am Mogulhof.25 Rembrandt war nicht der einzige niederländische Maler, der von der Kunst am Mogulhof fasziniert war. Willem Schellinks hatte im Gegensatz zu seinem Malerbruder Laurens Asien nie bereist, aber er muss mit indischen Miniaturen in Kontakt gekommen sein. So schuf er vor allem drei großformatige Gemälde, die Shah Jahan mit seinen vier Söhnen darstellen. Zwei davon stellen die Mogulfamilie gleichsam wie einen Theateraufzug dar, über den wir in den Wolken die bekannte Apotheose von Akbar und Jahangir sehen. Ein weiteres Gemälde zeigt Jahan und seine Söhne auf der Jagd, so wie man sich das in Amsterdam vorstellte.26 Wir verdanken Schellinks auch ein Gedicht, in dem er die indische Kunst preist, die aller Welt überlegen sei. Er drückt damit die Stimmung einer kleinen Gruppe von Enthusiasten aus, die sich in Amsterdam für die Mogulkunst interessierten und diese sammelten.27 25 Stephanie Schrader (Hg.) : Rembrandt and the Inspiration of India, Los Angeles 2018, S. 80 – 131, Plates 1 – 62. 26 Gommans : The Unseen World, S. 215 – 223. 27 Gary Schwartz : Terms of Reception. Europeans and Persians and Each Other’s Art, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 25 – 63, hier S. 55 ; Thomas DaCosta Kaufmann/Michael North, Introduction.
Rembrandt
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44 Jean-Baptiste Oudry, Clara in Paris, lebensgroß vor einer erdachten Landschaft, 1749.
9.4 Das Nashorn Clara Es gelangten jedoch nicht nur Miniaturen aus Indien in die Niederlande, auch Textilien, Statuen von Hindu-Gottheiten und natürlich naturalia wurden dort gesammelt. Das größte Medienecho aber erfuhr Clara. 1738 schenkte der Nawab von Bengalen dem Direktor der VOC-Niederlassung in Chinsura, Jan Albert Sichtermann, ein junges Nashorn, dessen Mutter von Jägern getötet worden war. Sichtermann hatte im Dienst der VOC großen Reichtum erworben und war in Bengalen sowohl mit den einheimischen Eliten als auch mit den Kollegen der französischen Kompanie gut vernetzt. Das Nashorn, dem er den Namen Clara gab, lebte auf dem Kompaniegelände und wurde von Sichtermann als Haustier gehalten, das er Freunden bei Abendgesellschaften vorführte.28
Mediating Cultures, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2015, S. 9 – 23, hier S. 19 – 20 ; Pauline Lunsingh Scheurleer, Mogol-miniaturen door Rembrandt nagetekend, in : De Kroniek van het Rembrandthuis 32 (1980), S. 10 – 40. 28 Hier und zum folgenden Glynis Ridley : Claras Grand Tour. Die spektakuläre Reise mit einem Rhinozeros durch das Europa des 18. Jahrhunderts, Hamburg 2008.
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Als Clara groß wurde und den Haushalt Sichtermanns sprengte, übergab er das Nashorn dem Kapitän Douwe Jansz. Mout van der Meer, der es auf seinem Schiff Knappenhof mit nach Rotterdam nahm, wo beide 1741 ankamen. Clara wurde zu einer Attraktion und zog die Medien wie die Künstler an, denn van der Meer gab die Indienfahrten auf und brachte Clara in zahlreiche europäische Hauptstädte und stellte sie dort aus. Bücher wurden über Clara geschrieben, Zeichnungen, Kupferstiche und Radierungen veröffentlicht. Dazu kamen Nashörner aus Porzellan, Medaillen und Gemälde. Für die Reise durch Europa ließ sich Douwe Mout ein spezielles Fahrzeug bauen, in dem Clara über die Landstraßen reiste. Größere Entfernungen, beispielsweise zwischen Marseilles und Neapel, legte das Nashorn mit dem Schiff zurück. Zunächst aber ging es im Frühjahr 1746 nach Hannover und von dort aus nach Berlin, wo König Friedrich II. Douwe Mout fürstlich belohnte. Noch im selben Jahr wurde Clara in Wien vom Kaiser Franz I. und Maria Theresia empfangen. Danach ging es zurück nach Sachsen an den Dresdner Hof und in die Messestadt Leipzig. Hier – wie in anderen Städten – wurde Clara wie folgt angekündigt : Es wird allen Resp. Liebhabern in Leipzig Kund gethan ;
daß anjetzo allhier ankommen ist ein lebendiger Rhinoceros, […] Dieses Wunder=Thier
ist dunckel=braun, hat keine Haare, gleichwie der Elephant, doch an den Ohren, und am
Ende von dem Schwantz seynd einige Härlein ; auf der Nase hat es sein Horn, womit
es die Erde viel geschwinder kann umgraben, als niemahls ein Bauern mit dem Pflug
thut, ist schnell im Lauffen, kann schwimmen und tauchen im Wasser, wie ein Endte ; sein Kopf ist nach und nach forne spitzig, die Ohren gleich eines Esels, die Augen, nach
Proportion von dem grossen Thier, sehr klein, und kan nicht anders, als über die Seite von sich ab sehen ; die Haut ist, also ob sie mit Schilden gedeckt sey, dieselben schlagen wohl
eine Hand breit übereinander hin, sie seynd 2. Zoll dicke ; die Füsse sind kurtz und dick,
als wie des Elephanten, versehen mit 3. Klauen. Diß Thier ist auch ein grosser Feind von
dem Elephanten, so daß wenn es ihn antrifft, denselben mit seinem Horn unten in Leib
stösset, auch aufreisst und tödtet.29
Diese Anzeige ebenso wie Drucke und Flugblätter erklären den Erfolg, der Clara an jeder ihrer Stationen zuteilwurde. In Versailles und Paris entwickelte sich 1749 geradezu eine »Claramanie«. Jean-Baptiste Oudry, der in der 1730er und 1740er Jah29 Charissa Bremer-David : »Es wird allen Thierliebhabern Kund gethan«, in : Berswordt-Wall rabe, Kornelia von (Hg.) : Oudrys gemalte Menagerie. Porträts von exotischen Tieren im Europa des 18. Jahrhunderts, München 2008, S. 91 – 103, hier S. 91.
Englische Maler im Umkreis der English East India Company
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ren die Tiere der Menagerie des französischen Königs in großformatigen Gemälden porträtiert hatte, malte auch das Nashorn in Lebensgröße und stellte das Bild im Pariser Salon aus. Auf der weiteren Reise wurde Clara in Venedig zusammen mit ihrem Publikum und ihrem Reisewagen im Bild verewigt (1751). Ihre letzte Reise machte Clara über den Kanal, wo sie 1758 im Alter von ca. 20 Jahren verstarb. Die Gemälde hielten die Erinnerung an das bengalische »Rhinozeros« auch in Norddeutschland wach. Christian Ludwig II. von Mecklenburg-Schwerin erwarb nämlich nach längeren Verhandlungen Oudrys »Menagerie«, daneben auch das Bild von Clara, für seine Sammlung. Im März 1752 kam die in Öl verewigte Clara dann in Schwerin an, wo sie der Hofmaler Johann Friedrich Findorff ein weiteres Mal porträtierte. Danach bewahrte man das Bild für einige Zeit im Schweriner Schloss in einem Schrank auf, bevor es in den 1770er Jahren den Speisesaal des neuen Schlosses in Ludwigslust schmückte. 1808 gelangte Clara schließlich mit anderen Bildern der »Menagerie« in die Herzogliche Galerie in Schwerin.30 In einer Zeit, als das Tierwohl noch keine Rolle spielte, avancierte Clara zum vermutlich populärsten Objekt Bengalens, das gleichermaßen das allgemeine Publikum beeindruckte, wie es die wissenschaftliche Forschung befriedigte. Lebend und als Bild wurde Clara permanent remedialisiert und fasziniert bis heute nicht nur die jungen Leser populärer Bücher, sondern auch die Besucher des Staatlichen Museums in Schwerin.
9.5 Englische Maler im Umkreis der English East India Company Anders als im Goldenen Zeitalter der Niederlande hatte sich in England im 17. Jahrhundert noch keine eigenständige Malschule entwickelt und erst im Laufe des 18. Jahrhunderts bildete sich durch die Importe von Bildern und Malern eine eigene visuelle Kultur heraus.31 Diese wurde dann partiell nach Indien exportiert, wo sich vor allem Madras (Chennai) und Kalkutta (Kolkata) seit dem letzten Drittel des 30 Christoph Frank : Künstlerisch-fürstliche Beziehungen. Neue Erkenntnisse zu Jean-Baptiste Oudry und dem Hof von Mecklenburg-Schwerin, in : Berswordt-Wallrabe, Kornelia von (Hg.) : Oudrys gemalte Menagerie. Porträts von exotischen Tieren im Europa des 18. Jahrhunderts, München 2008, S. 31 – 58 ; Mark Leonard : Anmerkungen zur Restaurierung von Jean-Baptiste Oudrys Rhinozeros und Löwen, in : Berswordt-Wallrabe, Kornelia von (Hg.) : Oudrys gemalte Menagerie. Porträts von exotischen Tieren im Europa des 18. Jahrhunderts, München 2008, S. 105 – 120. 31 Iain Pears : The Discovery of Painting. The Growth of Interest in the Arts in England, 1680 – 1768, New Haven/London 1988 ; David H. Solkin : Painting for Money. The Visual Arts and the Public Sphere in Eighteenth-Century England, New Haven/London 1993.
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18. Jahrhunderts zu Lebensmittelpunkten britischer Angehöriger des Militärs und der Verwaltung herausbildeten. Nicht mehr die Kompaniekaufleute mit ihren indischen bibis bestimmten den Lebensrhythmus, sondern die englischen Beamten mit ihren europäischen Frauen in ihren Georgian Houses. Darüber hinaus sonnte man sich z. B. in Madras im Glanze des Nawabs von Arcot, Muhammad Ali Khan, der die neuesten Erzeugnisse britischer Luxusproduktion (Stühle, Lampen, Mahagoni-Spieltische, mechanisches Spielzeug) liebte und seine Familie zu English breakfast und afternoon tea versammelte. In dieser Umgebung wuchs der Bedarf an Bildern nicht nur zur Dekoration der neuen großen Häuser, sondern auch zur Demonstration von Geschmack und sozialer Stellung. Dieses Klima zog Maler aus England regelrecht an, für die Indien ein Karrieresprungbrett darstellte ; anders als bei den VOC-Malern war der Indienaufenthalt nur für eine kürzere Zeit geplant und wurde vor allem dann gewählt, wenn es im Mutterland mit der Karriere hakte.32 Einer der ersten Maler, der nach Indien ging, war Tilly Kettle, der sich mit einem angefangenen Porträt des früheren Gouverneurs von Madras, Lord Pigot, eine Eintrittskarte in die dortige Gesellschaft beschaffte. Weitere Porträts von Kompaniebediensteten und Marineoffizieren folgten schnell, so dass der Nawab von Arcot auf ihn aufmerksam wurde. Er gab ein Porträt von sich und seinen Söhnen in Auftrag, das als Abschiedsgeschenk für den Gouverneur von Madras, Charles Bourchier, gedacht war und als erstes Gemälde eines indischen Potentaten auf einer Ausstellung der »Society of Artists« in London gezeigt wurde. So konnte Kettle dem Londoner Publikum seinen Erfolg in Indien beweisen. Dieser führte ihn über Kalkutta weiter zur Residenz eines anderen Herrschers, nämlich des Nawabs von Oudh, Shuja-ud-Daula, in Faizabad im Norden. Hier malte er den Herrscher und seine Familie ebenso wie Tempeltänzerinnen und Mitglieder der lokalen englischen Gesellschaft, die sich für indische Kunst zu interessieren begann. Aber auch führende britische Persönlichkeiten, wie Warren Hastings, der Generalgouverneur Britisch-Indiens, zählten zu seinen Kunden. Nach insgesamt sieben Jahren in Indien hatte Kettle so viel verdient, dass er nach London zurückkehren, heiraten und ein Haus in der feinen Bondstreet bauen konnte. Auch wenn die Londoner Kunstszene weiterhin von Gainsborough und Reynolds dominiert wurde, kamen Kettle auch hier jetzt die indischen Kontakte zugute.33 John Zoffany repräsentiert eine andere Karrierestufe. Bevor der Maler nach Indien ging, hatte er schon mehrere Stationen in Deutschland, Italien und England hinter sich und war erfolgreich auf dem Londoner Kunstmarkt gestartet. Da Zoffany aber bei der Queen und damit auch bei den Hofschranzen in Ungnade gefallen war, 32 Grundlegend hierzu Mildred Archer : India and British Portraiture 1770 – 1825, London u. a. 1979. 33 Ebd.: S. 67 – 97.
Englische Maler im Umkreis der English East India Company
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versuchte er sein Glück in Indien, das er 1783 betrat. Auch er begann in Madras, um von dort aus nach Kalkutta und Lucknow zu gehen. Eine seiner Neuerungen war die Einführung des englischen Conversation piece in Indien. Das Conversation piece hatten englische Künstler aus der niederländischen Genremalerei entwickelt und darin elegante Unterhaltungen in Häusern oder im Freien dargestellt.34 Zoffany passte jetzt das Conversation piece der indischen Umgebung an, gleich ob es sich dabei um das Ehepaar Hastings oder um andere englische Familien wie die Auriols und Dashwoods handelte. Ebenfalls erfolgreich war Zoffany in Lucknow, wohin der neue Nawab von Oudh die Hauptstadt seines Fürstentums verlegt hatte. In dieser Stadt wirkten nicht nur Gelehrte, Kalligraphen und Dichter, sondern es entstand hier auch eine lokale britische Gesellschaft, die Lucknow zum Treffpunkt und zu einer Symbiose indisch-europäischer Kultur machte. Während der Nawab neben seiner Förderung einheimischer Künstler vor allem europäische Waffen, Lüster, Spiegel und andere Güter der englischen Luxusproduktion für seine Gärten und Paläste kaufte, sammelten die Mitglieder der englischen Gesellschaft Manuskripte in Sanskrit und in persischer Sprache sowie indische Zeichnungen und Drucke. Hinzu kam eine Vorliebe für europäische Malerei, die an indische Künstler vermittelt wurde. Ein Porträt Zoffanys zeigt drei dieser Connaisseurs : Colonel Antoine Polier (einen Schweizer), Ingenieur und Architekt in Diensten des Nawabs, den Major Claude Martin, ebenfalls im Dienste des Nawabs, und John Wombwell, den Zahlmeister der East India Company in Lucknow. Im Nachlass von Martin fand sich neben 4000 Büchern und Manuskripten eine Sammlung von Ölgemälden, wobei Kopien europäischer Landschaften, Stillleben und Porträts durch einheimische indische Künstler besonders erwähnt werden. Zoffany selbst, der in Indien insbesondere an Hastings sehr gut verdient hatte, reiste 1789 zurück nach England, wo er im Alter von 56 Jahren nur noch das malen musste, wozu er Lust hatte.35 Einen anderen Künstlertyp verkörpern die sog. »Painter-Travellers« wie William Hodges sowie Thomas und William Daniell. Hodges, der Cook auf seiner zweiten Weltreise 1772 bis 1775 begleitet hatte, war einer der ersten Landschaftsmaler, die die tropische Südsee-Atmosphäre malerisch einfingen. Nach einem längeren Aufenthalt in Indien veröffentlichte er seine Eindrücke in »Travels in India« (1793), die auch als Anleitung für Maler auf dem Wege nach Asien gedacht waren. Ihm folgten auch Thomas Daniell und sein Neffe William 1785, die aber nicht auf dem direkten Wege nach Indien reisten, sondern über Kanton. Entsprechend veröffentlichten sie ihre Reiseerinnerungen als »A Picturesque Voyage to India by the Way of China« 34 Solkin : Painting for Money, S. 48 – 77. 35 Ebd.: S. 131 – 177.
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45 John Zoffany, Colonel Antoine Polier mit seinen Freunden Claude Martin, John Wombwell und dem Künstler, Lucknow, 1786/1787.
(1810).36 Sie regten damit die malerische Landesaufnahme, nicht nur in Südasien, sondern auch in anderen Teilen der Welt während des 19. Jahrhunderts an.37
9.6 Die steinernen Zeugnisse der Niederländer : Friedhöfe und Grabmonumente Bis heute sichtbare Zeugnisse der Niederländer auf dem indischen Subkontinent sind ihre Friedhöfe und Grabmonumente. Sie spiegeln die Rezeption einheimischer 36 Mildred Archer : Early Views of India. Picturesque Journeys of Thomas and William Daniell 1786 – 1794, London 1980. 37 Marie-Odette Scalliet : »Back to Nature« in the East Indies. European Painters in the Nineteenth Century East Indies, in : Scalliet, Marie-Odett/Brakel, Koos van/Duuren, David van/Kate, Jeannette ten : Pictures from the Tropics. Paintings by Western Artists during the Dutch Colonial Period in Indonesia, Wijk en Aalburg 1999, S. 39 – 89. Vgl. ebenso den Ausstellungskatalog Jenns E. Howoldt/Uwe M. Schneede (Hg.) : Expedition Kunst. Die Entdeckung der Natur von C. D. Friedrich bis Humboldt, Hamburg/München 2002.
Die steinernen Zeugnisse der Niederländer : Friedhöfe und Grabmonumente
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46 Mausoleum von Hendrik Adriaan Baron van Rheede tot Draakenstein, 1636 – 1691, Surat.
künstlerischer Traditionen ebenso wider wie die Interaktion mit der lokalen Bevölkerung. Weder im Leben noch im Tod war man allein, sondern konkurrierte und kooperierte mit einheimischen Händlern und den Vertretern der anderen europäischen Handelskompanien. So ist in Surat die Rezeption der Mogularchitektur auf den Friedhöfen nicht zu übersehen. Beispielsweise finden wir sowohl auf dem englischen wie auf dem niederländischen Friedhof in Surat zwei- bis dreistöckige Mausoleen mit Kuppeln und Säulen, die Arkaden formen. Ein Beispiel ist das Mausoleum von Hendrik Adriaan Baron van Rheede tot Draakenstein. Adriaan van Rheede war eine bedeutende VOC-Persönlichkeit. Er hatte an der Eroberung Kochins 1663 teilgenommen und war zum Direktor der niederländischen Stützpunkte an der Malabarküste aufgestiegen. Hier konnte er auch seinen naturwissenschaftlichen Interessen, insbesondere an der Flora der Region, nachgehen, denen wir die Sammlung des sog. »Hortus Malabaricus« verdanken.38 Er verstarb auf einer Inspektionsreise von Kochin nach Surat und wurde dort auf dem niederländischen 38 Hendrik van Reede tot Drakestein : Hortus Indicus Malabaricus. Continens regni Malabarici apud Indos cereberrimi onmis generis plantas rariores, Latinas, Malabaricis, Arabicis, Brachmanum charactareibus hominibusque expressas … Johannis van Someren, Joannis van Dyck, Amsterdam 1678 – 1703.
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Friedhof beigesetzt. Es fand nicht nur ein üppiges Leichenbegängnis statt, sondern es wurde auch ein gewaltiges Mausoleum errichtet, bei dem die Mogularchitektur in Delhi und Agra Pate stand. Bemerkenswert sind der achteckige Grundriss des Mausoleums und seine enorme Höhe. Es handelt sich um ein zweigeschossiges Monument mit einem Balkon im oberen sowie einer Kolonnade im unteren Stockwerk. Nur der Unterbau erinnert an einen griechischen Tempel, der Rest ist indisch. Das gesamte Obergeschoss wird von drei Säulen auf jeder Seite gestützt. Diese lassen sich aber keiner der klassischen Kategorien eindeutig zuordnen, denn die Basis bildet ein Steinblock, vermutlich Mauerwerk, auf dem die Säulen errichtet wurden. Die Kuppel ist im Vergleich zu den englischen Gräbern eher klein, aber auch sie ist mit einer Spitze gekrönt. Der Fries zwischen Kolonnade und Balkon scheint durch islamische Wanddekorationen inspiriert. Im Innern des Kuppelgewölbes finden wir ein kleines Fresko, das eher ungewöhnlich für die Grabarchitektur erscheint. Der Zugang der Grabkammer ist durch eine Tür mit reichhaltig geschnitzten hölzernen Rahmen geschmückt.39 Man könnte Architektur und Ausstattung als Ausdruck eines »kolonialen Repräsentationsbedürfnisses« erklären und vielleicht auch auf die Konkurrenz zu benachbarten Mausoleen auf dem englischen Friedhof in Surat verweisen, aber eine solche Erklärung griffe zu kurz. Weit ab von jeglicher Konkurrenz, beispielsweise in der bescheidenen Faktorei Chhapra im heutigen Bihar am Oberlauf des Ganges, wurde für den dortigen VOC-Vertreter Jacob van Hoorn ebenfalls ein monumentales Grab im Mogulstil (1712) errichtet, das die Mausoleen in Surat in Größe und Pracht übertraf.40 Die Mogularchitektur faszinierte als Insigne der Macht die niederländischen Auftraggeber, wie sie gleichzeitig die lokalen Handwerker und Baumeister anregte. Im Süden Indiens, an der Malabarküste, folgten die Niederländer unterschiedlichen Traditionen, z. B. dem portugiesisch-indischen Modell der Beerdigung in der Kirche mit einfachen Grabsteinen. An der Koromandelküste sah die Beerdigungspraxis wiederum anders aus. Hier wurden die Toten außerhalb der Kirche bestattet und die Gräber mit reichdekorierten Grabsteinen geschmückt. Die Verzierungen und die aufwendigen Inschriften machen sie einzigartig unter den europäischen 39 Alexander Drost : Changing Cultural Contents. The Incorporation of Mughal Architectural Elements in European Memorials in India in the Seventeenth Century, in : North, Michael (Hg.) : Artistic and Cultural Exchanges between Europe and Asia, 1400 – 1900, Farnham/Surrey 2010, S. 71 – 87, hier S. 79 – 80 ; Bauke van der Pol : The Dutch East India Company in India. A Heritage Tour Through Gujarat, Malabar, Coromandel and Bengal, Bath 2014, S. 109 – 114 ; Alexander Drost : Tod und Erinnerung in der kolonialen Gesellschaft. Koloniale Sepulkralkultur in Bengalen (17. – 19. Jahrhundert), Berlin 2011, S. 81 – 88. 40 Pol : The Dutch East India Company, S. 37 – 38.
Die steinernen Zeugnisse der Niederländer : Friedhöfe und Grabmonumente
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Grabplastiken im Ausland. Insbesondere die Randverzierungen der niederländischen Grabsteine, die von Marion Peters eingehend untersucht wurden, zeugen von einer zunehmenden Professionalisierung in der Herstellung der Grabsteine an der Koromandelküste zwischen 1650 und 1750. Die floralen Motive, die auf den niederländischen Grabsteinen an der Koromandelküste zu sehen sind, fehlen auf den Grabsteinen in den Niederlanden selbst, obwohl wir zahlreiche Beispiele für nahezu identische Verzierungen, z. B. auf Möbeln, finden.41 Einige der Motive kamen sicher aus den Niederlanden und wurden in Indien oder Südostasien von einheimischen Handwerkern und niederländischen Auftraggebern vielfältig rezipiert, wie wir das z. B. bei Möbeltischlern auf Java feststellen konnten.42 Unter den niederländischen Faktoreien an der Koromandelküste entwickelte sich der kleine Ort Sadras, südlich des heutigen Madras, zum Zentrum für die Herstellung von dekorierten Grabsteinen. Eine Reihe von Dörfern in der Umgebung der niederländischen Siedlung spezialisierte sich offensichtlich auf solche Steinmetzarbeiten. Grabmonumente waren nicht die einzigen Steinartefakte, die dort nach europäischem Geschmack produziert wurden. Die Steinmetze stellten auch Portale, Giebel und andere architektonische Elemente für den Export entlang der Koromandelküste sowie nach Ceylon, Batavia und Malakka her.43 Die Dekorationen auf den Grabsteinen aus Sadras, Pulicat, Nagapattinam und Masulipatnam ähneln einander so, dass sie praktisch identisch erscheinen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts änderte sich die Begräbnisarchitektur grundlegend. In Europa hatte die klassizistische Architektur einen erheblichen Einfluss auf die Friedhöfe. Die Rezeption der Antike ebenso wie des alten Ägypten prägten neben der urbanen Architektur auch die Grabdenkmäler, wobei diese neue Sepulkralkultur vor allem von Großbritannien aus auf den indischen Subkontinent ausstrahlte. Die einstige kulturelle Interaktion mit einheimischen Vorbildern, Architekten und Handwerkern wurde durch eine europäische Dominanz auf den kolonialen Friedhöfen ersetzt, die vom neuen Zentrum Bengalen aus auch andere Regionen erfasste. Im Zuge eines professionalisierten Beerdigungsunternehmertums wurden jetzt Friedhöfe wie der South Park Street Cemetery in Kalkutta oder der St. Mary’s in Madras mit Obelisken und Pavillons überzogen, mit denen sich die englische Elite auch nach ihrem Tode ins rechte Licht rückte.44 41 Marion H. Peters : In steen geschreven. Leven en sterven van VOC-dienaren op de kust van Coromandel in India, Amsterdam 2002 ; Krieger : Dutch Cemeteries, S. 88 ; Martin Krieger : European Cemeteries in South India (Seventeenth to Nineteenth Centuries), New Delhi 2013, S. 133 – 145. 42 Siehe oben. 43 Peters : In steen geschreven, S. 133. 44 Drost : Tod und Erinnerung, S. 130 – 157, 249 – 257 ; Krieger : European Cemeteries, S. 145 – 154.
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Focus : Shiba Kōkan Shiba Kōkan (1747 – 1818), ein japanischer Maler und Niederlande-Liebhaber (rangaku-sha), wuchs in Edo (dem heutigen Tokio) auf. Er schuf zunächst Farbholzschnitte im traditionellen Stil und begann sich seit den 1770er Jahren für westliche Kunsttechniken zu interessieren. Mit Hilfe eines niederländisch lesenden Freundes studierte er niederländische Werke und experimentierte mit europäischen Techniken. 1783 schuf Kōkan die erste Radierung auf einer Kupferplatte in Japan. Diese zeigt eine Flusslandschaft mit dem Mimeguri-Schrein. Auf dem Sumida-Fluss herrscht reger Schiffsverkehr und am Ufer promenieren Menschen. Die Technik des Kupferstiches bzw. der Radierung war durch portugiesische Jesuiten nach Japan gebracht worden, aber nach der Vertreibung der Christen und der Portugiesen im beginnenden 17. Jahrhundert verloren gegangen. Kōkan bemerkte, dass die niederländischen Bücher und die darin enthaltenen Abbildungen so realistisch seien, dass man allein durch das Anschauen der Bilder den Inhalt verstände. Diese Tatsache zeige die Brillanz und die Überlegenheit der westlichen Kunst, und er fuhr fort : Niemand in Japan kannte die Methode des Kupferstechens. Daher griff ich auf ein Buch eines Holländers mit Namen Boisu zurück. Ich konsultierte es zusammen mit Ōtsuki
Gentaku (1757 – 1827), der mir bei der Übersetzung des Textes half. So konnte ich Kup-
ferplattenbilder in Japan herstellen. 1783 machte ich die erste Radierung.1
Bei dem genannten Buch handelte es sich um Egbert Buys’ »Nieuw en volkomen woordenboek van konsten en weetenschappen (1769 – 1778)«,2 ein zehnbändiges Lexikon, das auch eine detaillierte Beschreibung der Herstellung von Kupferstichen enthielt. 1 Zitiert nach Matthi Forrer : From Optical Prints to Ukie to Ukiyoe. The Adoption and Adaption of Western Linear Perspective in Japan, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 245 – 266 ; Calvin L. French : Shiba Kōkan. Artist, Innovator, and Pioneer in the Westernization of Japan, New York/ Tokyo 1974, S. 42 – 43. 2 Egbert Buys : Nieuw en volkomen woordenboek van konsten en weetenschappen, 10 Bde., Amsteldam [Amsterdam] 1769 – 1778.
Japan
47 Shiba Kōkan, Ansicht des Mimeguri-Schreins vom Sumida-Fluss/Mimegurinokei, 1783.
48 Shiba Kōkan, Blick in die Residenz der Faktorei in Deshima, 1794.
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Kōkan war neugierig auf die Erkenntnisse der westlichen Wissenschaft, verfasste Werke über Astronomie und Geographie und nahm schon bald die Ölmalerei auf. Seine Werke stiftete er Tempeln und Schreinen, um sie einem größeren Publikum sichtbar zu machen. 1788 reiste er nach Nagasaki, um die Niederländer auf Deshima zu sehen, und berichtete in seinem Tagebuch darüber. Auf dem Weg machte er zahlreiche Zeichnungen, u. a. auch in Hirado, der ersten niederländischen Niederlassung auf Kyushu. In Deshima durfte er einen Blick in die Residenz des Direktors der Faktorei werfen. Kōkan war beeindruckt von der Pracht und zeichnete die Einrichtung. Der Raum war mit Gemälden und den anderen Insignien der niederländischen materiellen Kultur, wie einem Kandelaber, einer Uhr und zahlreichen Spucknäpfen dekoriert. Der Aufenthalt in Deshima gab Kōkan einen weiteren Impuls für seine Malerei. Er nutzte die Perspektive ebenso wie Licht und Schatten und malte vor allem Landschaften in Öl, wie den Shichirigahama-Strand von Kamakura mit einem Hund. Wir kennen aber auch ein Bild einer ausländischen Faktorei, das dem Vorbild der niederländischen Genremalerei folgt. Mit seinem Werk regte Kōkan die Meisterwerke der ukiyo-e-Holzschnitte von Katsushika Hokusai und Utagawa Hiroshige an, die wiederum im 19. Jahrhundert europäische Künstler inspirieren sollten.3
10.1 Die Anfänge der niederländischen Präsenz in Japan Die niederländischen Kontakte mit Japan begannen im Jahre 1600, als das Schiff De Liefde an der Ostküste von Kyushu strandete. De Liefde war 1598 mit vier weiteren Schiffen von Rotterdam aufgebrochen, um über die Magellanstraße in den Pazifik zu gelangen und dort Handelsmöglichkeiten zu sondieren. Nur eines der Schiffe kehrte zurück in die Niederlande. Die 22 Seeleute, die von der ursprünglich 110-köpfigen Besatzung der De Liefde übrig geblieben waren, wurden an den Hof des Shōguns nach Edo gebracht und sollten, wie Jan Joosten van Lodensteyn (1557 – 1623), künftig in Japan für die Niederlande werben.4 3 Ito Shiroi : Western and Chinese Influences on Japanese Paintings in the Eighteenth Century, in : Haneda, Masashi (Hg.) : Asian Port Cities, 1600 – 1800. Local and Foreign Cultural Interactions, Singapore/Kyoto 2009, S. 63 – 87 ; Leonard Blussé : Visible Cities. Canton, Nagasaki and Batavia and the Coming of the Americans, Cambridge/London 2008, S. 74 – 77. 4 Leonard Blussé : From Inclusion to Exclusiveness. The Early Years at Hirado, 1600 – 1640, in : Blussé, Leonard/Remmelink, Willem/Smits, Ivo (Hg.) : Bridging the Divide. 400 Years the Netherlands-Japan, Hilversum 2000, S. 13 – 15 ; Willem Remmelink : The Voyage of the Liefde,
Die Anfänge der niederländischen Präsenz in Japan
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Der Handel zwischen Europäern und Japanern, der sog. Namban-Handel, war in dieser Zeit in portugiesischer Hand, und portugiesische Jesuitenmissionare nutzten die Handelspräsenz Portugals zur Mission. Noch vor der Gründung Batavias erhielten die Niederländer 1609 vom Shōgun die Erlaubnis zur Errichtung einer Faktorei in Hirado, ohne aber dadurch die portugiesische Vormachtstellung im China- und Japanhandel gefährden zu können. Da japanische Schiffe vom direkten Handel mit China ausgeschlossen waren, trafen die Japaner chinesische Kaufleute in Südostasien, z. B. auf Formosa, in Manila oder Hội An in Vietnam. Auf Formosa, wo die Niederländer ein Fort errichtet hatten, kam es zu Auseinandersetzungen mit den japanischen Händlern, was wiederum Folgen für den niederländischen Japanhandel hatte, denn als Reaktion sperrte das Tokugawa-Shōgunat die Niederländer zwischen 1628 und 1633 aus dem Handel mit Japan aus. Hieraus lernten die Direktoren der VOC und legten nach dem Ende des Konfliktes fest, dass sich niederländische Kaufleute in Japan genau an die verkündeten Gesetze und Verhaltensmaßregeln zu halten hätten. Die strikte Einhaltung dieser Regeln und ihre interkulturelle Kompetenz gaben den Niederländern einen langfristigen Vorteil gegenüber den anderen Handelsnationen. Dies zeigte sich bei der Verfolgung des christlichen Glaubens, die sich die Tokugawa-Shōgune auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Um den christlichen Glauben auszurotten, verbot man nicht nur christlichen Japanern, die im Ausland gelebt hatten, in das Land zurückzukehren, sondern man verfolgte auch die japanischen Christen bzw. die Missionare. Dieser Verfolgungswut führte zur Abschottung Japans, dem sog. sakoku, für die nächsten 200 Jahre. Die calvinistischen Niederländer konnten dabei den Vertretern des Shōgunats glaubhaft versichern, dass auch sie seit Jahren gegen den katholischen Glauben und die jesuitischen Missionare kämpften. 1639 hatten die Niederländer ihr Ziel erreicht, als die Portugiesen für immer aus Japan verbannt wurden. Im folgenden Jahr wurde die niederländische Faktorei in Hirado geschlossen und zum Umzug auf die kleine Insel von Deshima in der Bucht von Nagasaki gezwungen, wo bisher die Portugiesen residiert hatten. In Deshima waren die Niederländer auf einer 15.000 Quadratmeter großen künstlich angelegten Insel isoliert und durften nur gelegentlich Besuch von Prostituierten empfangen. Allein bei den jährlichen Delegationsreisen an den Hof des Shōguns in Edo bot sich die Gelegenheit, das Land kennenzulernen.5
in : Blussé, Leonard/Remmelink, Willem/Smits, Ivo (Hg.) : Bridging the Divide. 400 Years the Netherlands-Japan, Hilversum 2000, S. 16-19. 5 Siehe unten.
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Da den Japanern jetzt der Handel außerhalb Japans verboten war, übernahmen die Schiffe der VOC den Verkehr mit Hội An oder Formosa. Hier wurden die chinesischen Waren erworben und nach Japan eingeführt. Mit der Zeit gelangten mit den chinesischen Waren aber auch chinesische Dschunken nach Nagasaki, und als die Handelsverbote 1684 aufgehoben wurden, nahm die Zahl der chinesischen Kaufleute im chinesischen Quartier Nagasakis deutlich zu.6 Unabhängig davon blieben die Niederländer von 1641 bis 1859 die einzigen westlichen Kaufleute, die in Japan Handel treiben duften. Sie wurden so zu Zeugen der gewaltsamen Öffnung der japanischen Häfen durch den amerikanischen Kommodore Perry im Jahre 1853. Die VOC führte Seide, Textilien, Sappanholz und Zucker nach Japan ein, während von dort vor allem Edelmetalle geliefert wurden, die die VOC für den Einkauf in Indien und im Indonesischen Archipel brauchte : Silber, Kupfer und die goldenen Kobangs.7 Das Verbot des Silberexportes 1668 und der Rückgang des japanischen Handels insgesamt reduzierten die asiatischen Silbervorräte der VOC drastisch, weshalb sie verstärkt zur Silbereinfuhr aus Europa übergehen musste. Da der europäischasiatische Handel kontinuierlich wuchs und die in Europa nachgefragten Textilien sowie die neuen Genussmittel Kaffee und Tee in Asien nur noch gegen Silber zu haben waren, verschlang dieses Geschäft immer mehr Edelmetall. Nach dem Verbot des Silberexportes war Kupfer das begehrte Metall der Niederländer, die es vor allem zum Einkauf auf den indischen Märkten verwendeten, wo das Kupfer selbst zu Münzen verprägt wurde. Der Generalgouverneur Baron Gustaaf Willem van Imhoff formulierte es drastisch : »Kupfer ist die Braut, für die wir tanzen« (dat is bruyd, waarom wij dansen).8 Darüber hinaus wurden in Japan die berühmten Lackwaren sowie Porzellan eingekauft, die wir dank niederländischer Vermittlung in allen Teilen der Welt finden. Dabei machten die Niederländer sowohl beim Porzellan aus Arita als auch bei den Lackwaren Design-Vorschläge, um den Absatz zu sichern bzw. die Nachfrage auf den verschiedenen Märkten zu befriedigen. In Japan nutzten Kunsttischler den in 6 Blussé : Visible Cities, S. 20 – 23, 28 – 29. 7 Ivo Schöffer/Femme S. Gaastra : The Import of Bullion and Coin into Asia by the Dutch East India Company in the Seventeenth and Eighteenth Centuries, in : Aymard, Maurice (Hg.) : Dutch Capitalism and World Capitalism, Cambridge/Paris 1982, S. 215 – 233 ; Femme S. Gaastra : Die Vereinigte Ostindische Compagnie der Niederlande – ein Abriss ihrer Geschichte, in : Schmitt, Eberhard/Schleich, Thomas/Beck, Thomas (Hg.) : Kaufleute als Kolonialherren. Die Handelswelt der Niederländer vom Kap der Guten Hoffnung bis Nagasaki 1600 – 1800, Bamberg 1988, S. 1 – 89, hier S. 89 (Tab. 13) ; Pieter C. Emmer/Jos Gommans : Rijk aan de rand van de wereld. De geschiedenis van Nederland overzee, 1600 – 1800, Amsterdam 2012, S. 414 – 419 ; Pieter C. Emmer/Jos Gommans : The Dutch Overseas Empire, 1600 – 1800, Cambridge 2020, S. 371 – 376. 8 Jan Feenstra Kuiper : Japan en de buitenwereld in de achttiende eeuw, Den Haag 1921, S. 130.
Die Anfänge der niederländischen Präsenz in Japan
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Südostasien gewonnenen Lack zur Konservierung und Verschönerung hölzerner Schränke, Kisten, Wandschirme und anderer Möbel. Japanische Lackwaren wurden im Indischen Ozean und vor allem in Europa geschätzt, was zur steigenden Nachfrage und zu einem ungeheuren Produktionsaufschwung führte.9 Regelmäßig gab der Direktor der VOC-Niederlassung in Deshima bei den in der Umgebung ansässigen Lackierern Bestellungen auf und verhandelte hart über die Preise.10 Kontakte der Niederländer zu der japanischen Gesellschaft ergaben sich auf den Delegationsreisen, aber auch in Deshima berichteten Dolmetscher und Beamte regelmäßig über die Tätigkeiten der Niederländer, deren Warensortiment genau kontrolliert wurde. Besonders schauten die japanischen Zöllner nach verbotenen christlichen Büchern. So berichtet der uns bereits aus Brasilien bekannte Caspar Schmalkalden von seiner Ankunft in Japan : Den 22. ejusdem [ Juni], des Morgens, sahen wir Japon NOTN vor uns : es wurde allem
Schiffsvolk in gemein gesagt, alle Bücher von Religionssachen, geistliche Gemälde, europäische Münze herfürzugeben und einzupacken. Auch wurde bei Leibesstrafe untersagt,
mit den Japonern etwas von Religionssachen zu gedenken, vielweniger äußerlich papistische Zeremonien von sich merken zu lassen. Bald nach Mittag kamen wir vor das Land,
liefen zwischen dem Pfastenberg und den kleinen Klippen hinein. Unser Constabel gab
dreimal Salve, darauf kam eine japonische Schute zu uns gerudert. Und als sie an Bord
kamen, waren es japanische Soldaten. Wir segelten gegen die Insel Kisma, ließen die
Flaggen streichen und den Anker in Grund fallen, damit gab der Constabel noch drei
Schüsse. Folgenden Tages kamen etliche Japoner, worunter ein Bonjos [japanisch Banjos = hoher Staatsbeamter] war, an Bord. Sie visitierten alles im Schiff, auch die Stücke, ob sie noch geladen waren. Es mußte auch Mann für Mann seinen Namen, Alter und
Qualität ansagen, welches alles fleißig niedergeschrieben wurde. Endlich verschlossen sie das Schiff und fuhren auch diesmal wieder an das Land.11
Der Buchimport und der Gabentausch waren wichtige Medien des kulturellen Austausches, der sich auf europäischer Seite in den Dagregisters und natürlich in den Reiseberichten der VOC-Ärzte Engelbert Kämpfer, Carl Peter Thunberg und Philipp 9 Barbara Watson Andaya/Leonard Y. Andaya : A History of Early Modern Southeast Asia, 1400 – 1830, Cambridge 2015, S. 149. 10 So z. B. Zacharias Wagenaer : Dagregister of Opperhoofd Zacharias Wagenaer, 2 November 1656 – 26 October 1657 (NFJ 70), in : Cynthia Viallé/Leonard Blussé : The Deshima Dagregisters, Vol. XII 1650 – 1660, Leiden 2005, S. 272 – 328, hier S. 274 – 275. 11 Wolfgang Joost (Hg.) : Die wundersamen Reisen des Caspar Schmalkalden nach West- und Ostindien 1642 – 1652, Leipzig 1983, S. 149 – 150.
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Franz Siebold niederschlägt. 1720 wurde das Bucheinfuhrverbot auf religiöse Texte beschränkt. Zunächst importierte man chinesische Übersetzungen europäischer Bücher und dann westliche Bücher allgemein. Der Shōgun Yoshimune (reg. 1617 – 1645) interessierte sich für die westlichen Wissenschaften, z. B. den europäischen Kalender. Diese kulturelle Offenheit führte zu einem Aufschwung der sog. »Hollandstudien« (ran-gaku). Japanische Gelehrte waren begierig, niederländische Bücher kennenzulernen, und begeisterten sich auch für die westliche Kunsttradition. Die Vertreter der VOC-Faktorei in Deshima schenkten einheimischen Gelehrten, wie Hiraga Gennai, Bücher aus ihrem Besitz, die von diesen übersetzt bzw. weiterverbreitet wurden. Ein weiterer VOC-Direktor, Hendrik Doeff, nutzte seine Zwangspause auf Deshima während der globalen englisch-französischen Auseinandersetzungen (1800 – 1817) nicht nur zur Abwehr zweier englischer Invasionsversuche, sondern – mit Hilfe eines einheimischen Dolmetschers – auch zur Kompilation eines niederländisch-japanischen Wörterbuches, das die Niederlandestudien weiter stimulierte.12
10.2 Niederländische Gemälde für den Shōgun Dank der in Deshima geführten Dagregisters und der gründlichen Forschungen von Yoriko Kobayashi-Sato wissen wir einiges über die Einfuhr niederländischer Gemälde nach Japan, die als Geschenke für den Shōgun und seine Würdenträger gedacht waren.13 Wie auch andere Fürsten in Asien versuchte die VOC in Japan mit Gemälden zu beeindrucken, die erfolgreiche Feld- und Seeschlachten der Niederländer gegen die Spanier darstellten. Diese Gemälde wurden 1639 nach ihrer Ankunft in Hirado mit Preisen zwischen 700 und 1000 Gulden taxiert. Die Freude des Shōguns über diese Bilder hielt sich in Grenzen. Daher bat der Direktor der Faktorei, François Caron, darum, nicht länger großformatige Gemälde als Geschenke nach Japan zu schicken.14 Vermutlich waren diese zu groß für die Innenräume selbst größerer Paläste und widersprachen auch den Gewohnheiten japanischer Inneneinrichtungen mit hängenden Bildrollen oder faltbaren Wandschirmen. Dies erklärt auch, warum Shiba Kōkan – wie eingangs erwähnt – gleichermaßen überrascht und beeindruckt
12 Blussé : Visible Cities, S. 91 – 98. 13 Ich folge hier dem Aufsatz von Yoriko Kobayashi-Sato : Japan’s Encounters with the West through the VOC. Western Paintings and their Appropriation in Japan, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/ North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 267 – 290. 14 Ebd.: S. 268 – 269.
Niederländische Gemälde für den Shōgun
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von der Dekoration der niederländischen Faktorei auf Deshima mit großformatigen Bildern war. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts während der Regierungszeit Yoshimunes (1716 – 1745) wandelte sich das Klima und der Shōgun und andere fragten niederländische Gemälde nach. 1736 bat der Gouverneur von Nagasaki, Kubota Tadatō, um 25 kleinformatige niederländische Gemälde, die Blumen, Vögel und Landschaften darstellen sollten. Eine erste Lieferung umfasste fünf Bilder – zwei Porträts, zwei Blumenstillleben und eine schlafende Venus – für insgesamt 600 Gulden. Der Gouverneur war schockiert, nicht nur, weil er fünf statt 25 Gemälde erhalten, sondern auch, weil er mit einer nackten schlafenden Venus nicht gerechnet hatte. Das nächste Mal wünschte er sich etwas Anständigeres. Ob sein Wunsch erfüllt wurde, ist leider nicht aus den Quellen zu ersehen.15 Bemerkenswert ist die Tatsache, dass Yoshimune nach der Aufhebung des Bücher bannes neben Büchern auch nach Gemälden fragte. Die VOC beeilte sich, diesem Wunsch nachzukommen. 1726 erreichte ein reichhaltiges Bildersortiment, bestehend aus fünf Gemälden – eins mit Tiger, Elefant und Pferd, eins mit Pfau, Reiher und Strauß, ein Blumenstillleben, eine Jagdszene und eine Schlachtszene – Nagasaki und wurde mit 2850 Gulden beziffert. Dort interessierten sich als Erste die japanischen Beamten für die Details der Bilder und fragten den VOC-Direktor aus. Über die Reaktion Yoshimunes wissen wir leider nichts. Yoshimune stiftete aber zwei der Gemälde, das Blumenstillleben und das mit den Vögeln, dem Gohyakurakan-Tempel, seinem Lieblingsschrein. Der Tempel in der Umgebung Edos war eine Touristenattraktion, so dass japanische Besucher die Gemälde dort bewundern konnten. Insbesondere die lebensechte Darstellung der Blumen und der Tiere wurden von japanischen Besuchern bestaunt und von japanischen Künstlern in Zeichnungen, Farbholzschnitten und Gemälden remedialisiert. Am Ende des 18. Jahrhunderts kopierten die Brüder Tairo und Moko Ishikawa (gegen Ende des 18. Jahrhunderts aktiv) sowie Buncho Tani das Blumenstillleben.16 In der rechten oberen Ecke des Bildes der Brüder Ishikawa drückte Gentaku Otsuki, ein ran-gaku-Gelehrter, seine Bewunderung für das Gemälde und die Kopie der Brüder aus :
15 Ebd.: S. 270 – 271. 16 Yoriko Kobayashi-Sato : An Assimilation between Two Different Cultures. Japan and the West during the Edo Period, in : North, Michael (Hg.) : Artistic and Cultural Exchanges between Europe and Asia, 1400 – 1900, Farnham/Surrey 2010, S. 163 – 186, hier S. 167 – 169.
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Japan
49 Tairo und Moko Ishikawa, Kopie des Gemäldes von W. van Roijen mit Blumen und Vögeln aus dem Jahr 1725, Edo, 1796.
Nach fünf Tagen Arbeit haben sie [die Brüder Ishikawa] die Kopie, die Sie hier sehen,
fertiggestellt. Die Formen von Blumen und Blättern, Samen und Früchten sowie die De-
tails der kleinen Tiere, Vögel, Insekten und Schmetterlinge sind in lebensechten Farben
dargestellt, so perfekt komponiert und so wunderbar leuchtend, dass man sich vor diesem
Exemplar fühlt, als säße man inmitten eines herrlichen Gartens, der vom süßen Duft der
Blumen erfüllt ist. Auf diese Weise übertrifft das Gemälde sogar die Wunder der Natur, indem es jedes Detail so vollständig und lebensecht wiedergibt.
Es war vor allem die realistische Darstellung in der niederländischen Malerei, die Gentaku Otsuki wie die Japaner allgemein faszinierte. Die Brüder Ishikawa und Tani kopierten auch die Inschrift auf dem Originalgemälde : »W. van Roijen 1725«. Am Beginn des 18. Jahrhunderts arbeiteten zwei niederländische Maler namens van Roijen, Willem Frederick van Roijen und Hendrick Willem van Roijen. Wenn das von den Brüdern Ishikawa und Tani kopierte Datum korrekt ist, kommt allein Hendrick Wilhelm van Roijen als Maler in Frage. Interessanterweise erwähnt Gentaku den abgekürzten Namen des niederländischen Künstlers als Willem, d. h. das Bild bzw. das Original muss ebenso wie sein Urheber unter japanischen ran-gaku-Gelehrten bekannt gewesen sein.
Die Akita-ranga-Schule
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10.3 Die Akita-ranga-Schule Das Interesse für niederländische Kunst und Wissenschaft blieb aber nicht allein auf die Umgebung von Nagasaki und die Hauptstadt Edo beschränkt. Auch fern im Norden entstand in der kleinen Herrschaft Akita eine Malerschule, die sich für westliche künstlerische Techniken interessierte und als Akita-ranga-Schule bezeichnet wird. Wie der Kontakt zu niederländischer Kunst und Wissenschaft in dieser Gegend zustande kam, ist weiterhin rätselhaft. Akita war aber ein Zentrum der japanischen Kupferproduktion und der daimyō, Satake Shozan, stand im Kontakt mit der Regierung wegen Kupferlieferungen, die von den Niederländern begehrt wurden. Shozan war auch ein Amateurmaler und interessierte sich daher für die Kultur und Wissenschaft der Niederlande. Er verfasste z. B. ein Traktat über die westliche Malerei (Gahō kōryō). Dabei hob er hervor, dass die klassische chinesische Auffassung der Malerei, die den Wert des Gemäldes an der Ähnlichkeit des dargestellten Objektes maß, richtiger sei als die Meinung der damaligen Literati-Maler, die den repräsentativen Charakter der Malerei in den Vordergrund stellten. In einem anderen Werk berief er sich auf Gérard de Lairesses »Groot schilderboek« und diskutierte die perspektivische Darstellung und die Farben der westlichen Künstler.17 1773 lud Satake Shozan den ran-gaku-Gelehrten Hiraga Gennai zu sich ein, der unter anderem bisher unentdeckte Kupfervorkommen explorieren sollte. Während dieser Zeit lernte Gennai einen jungen lokalen Maler, Odano Naotake, kennen, dem er die Grundlagen der westlichen Malerei vermittelte. Hierzu gehörte vor allem die Technik der Schattierung, die dem Betrachter eine Räumlichkeit des Bildes vermittelte und die in der traditionellen japanischen Malerei unbekannt war. Gennai empfahl Naotake, nach Edo zu gehen, damit er mit ihm selbst und anderen ran-gaku-Gelehrten studieren konnte. In Edo illustrierte Naotake »Kaitai Shinsho«, die japanische Ausgabe des deutschen Anatomiehandbuches von Johann Adam Kulmus,18 die japanische Gelehrte nach der niederländischen Ausgabe erstellt hatten. Naotake reproduzierte die Kupferstiche als Holzschnitte, da die Kupferstichtechnik damals noch nicht in Japan bekannt war. Dabei kopierte Naotake zwangsläufig auch nackte Personen – es handelte sich um ein Anatomiehandbuch – was ebenfalls außergewöhnlich in der japanischen Kunst war. Durch das Studium niederländischer 17 Matthi Forrer : Hokusai. Prints and Drawings, London/München/New York 2010, S. 15 – 16 ; Ko bayashi-Sato : Japan’s Encounters, S. 282 – 284 ; Gérard de Lairesses : Het groot schilderboek, Amsterdam 1707. 18 Johann Adam Kulmus : Anatomische Tabellen, Danzig 1722.
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50 Odano Naotake, Blick auf dem Berg Fuji vom Kisigawa-Fluss, 1770er Jahre.
Gemälde, wie der im erwähnten Gohyakurakan-Tempel, und ihrer Abbildungen, z. B. in Gérard de Lairesses »Groot schilderboek«, entdeckte er die Landschaftsmalerei. Sein berühmter Blick auf den Berg Fuji, gesehen vom Kisigawa-Fluss, spiegelt die neue Darstellungsweise wider, wenn beispielsweise die Bäume im Hintergrund kleiner werden und an Farbe verlieren. Die Analogien zu niederländischen Gemälden wie Esaias van de Veldes »Fähre« (1622) sind nicht zu übersehen.19
10.4 Ukiyo-e-Farbholzschnitte Innerhalb der japanischen Städte, insbesondere in Edo und Osaka, entwickelte sich unabhängig von der Rezeption westlicher Malerei eine eigenständige künstlerische Tradition, die der ukiyo-e-Farbholzschnitte. Es entstand ein großer Markt für Farbholzschnitte. Diese stellten nicht nur die beliebten Schauspieler des Kabuki-Theaters in ihren verschiedenen Rollen und Kostümen dar, sondern auch die bekannten Kurtisanen. Künstler wie Masanobu Okumura waren durch chinesische Kopien und europäische Drucke mit westlichen Techniken vertraut. In ihren Darstellungen des Kabuki-Theaters und seines Publikums finden sich Ansätze einer räumlichen Darstellung, ohne eine geometrische Perspektive konsequent anzuwenden, denn die 19 Kobayashi-Sato : An Assimilation, S. 178 – 181.
Ukiyo-e-Farbholzschnitte
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Kabuki-Theater-Szenen lebten von der Atmosphäre und Interaktion zwischen den Schauspielern und dem Publikum. Wenn japanische Künstler die Perspektive verwendeten, dann »als eine Art mechanischen Trick«, um die sichtbare Welt so überzeugend wie möglich darzustellen.20 Dies erklärt auch das japanische Interesse an perspektivischen Stadtansichten aus Europa, sog. Guckkastenbildern. Bei diesen Radierungen erhielt der Betrachter durch den Blick in den Guckkasten eine dreidimensionale Illusion. In den 1750er Jahren brachten die Niederländer solche Radierungen mit den dazugehörigen Guckkästen nach Deshima und der Gouverneur von Nagasaki war stolz darauf, einen zu besitzen. Die Guckkästen wurden von Künstlern wie Maruyama Ōkyo in Kyoto rezipiert, und auch Shiba Kōkans erste Radierung entsprach einem Guckkastenbild.21 Darüber hinaus beauftragten wohlhabende Kaufleute, die selbst Gedichte schrieben und Lyrikclubs organisierten, Künstler, ihre Lyrikalben mit Holzschnitten zu illustrieren. Die Alben mit den Gedichten und den Holzschnitten wurden dann unter Freunden in den Kaufmannseliten weitergegeben. Auch der Maler Katsushika Hokusai arbeitete für diese Auftraggeber und entwarf Illustrationen für solche prestigeträchtigen Alben. Am Ende des Jahrhunderts konzentrierte er sich auf Landschaftsdarstellungen, insbesondere auf Edo und seine Umgebung. Hokusai veröffentlicht diese Holzschnitte zunächst noch unter dem Namen Sōri, änderte 1798 aber seinen Namen offiziell in Hokusai. Aus dieser Zeit stammt auch eine erste Zeichnung eines Themas, das ihn später berühmt machen sollte : »Die große Welle«. Hokusais »Große Welle« gilt bis heute als eines der Paradebeispiele für die Darstellung des Meeres und seiner Elemente und zahlreiche Interpretationen haben sich daran entzündet. Der Vorläufer »Die große Welle vor Kanagawa« macht deutlich, wie er mit solchen Holzschnitten westliche Vorbilder imitierte. Das beginnt bereits beim gezeichneten Goldrand, der einen europäischen Bilderrahmen suggerieren sollte. Ansonsten fallen die verschiedenen Schattierungen auf, mit denen sowohl das Meer als auch die Küste plastisch dargestellt werden. Bei der »Großen Welle« schließlich springen die schwarz-blauen Schattierungen des Meeres ebenso ins Auge wie die Ausarbeitung der Wellenkämme. Abhängig vom Erhaltungszustand des Druckes wird auch die rosafarbene Wolke im Himmel sichtbar. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass sich der westliche und der japanische Blick auf die Welle unterscheiden. Während das japanische Publikum Bücher und auch 20 Ebd.: S. 177. 21 Forrer : From Optical Prints, S. 257 – 261 ; Oka Yasumasa : Exotic »Holland« in Japanese Art, in : Blussé, Leonard/Remmelink, Willem/Smits, Ivo (Hg.) : Bridging the Divide. 400 Years the Netherlands-Japan, Hilversum 2000, S. 141 – 155, hier S. 149 – 150.
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Japan
51 Katsushika Hokusai, Die große Welle vor der Küste von Kanagawa aus den »Sechsunddreißig Ansichten des Mount Fuji«, 1830 – 1832.
Gemälde wie Schriftrollen von rechts nach links liest und die Welle dann plötzlich ins Auge springt, rollt die Welle für westliche Betrachter von links nach rechts. »Die Große Welle« gehört zu der Serie der »36 Ansichten des Berges Fuji«, den man im Hintergrund erkennt. Der Vulkan Fuji, 3776 Meter über dem Meeresspiegel, war von Edo aus (und ist heute von Tokio aus) an klaren Tagen zu sehen. Dichter und Maler hatten ihn besungen und abgebildet. Hokusais Serie stellt aber die erste Serie großformatiger Landschaftsholzschnitte dar, die sich diesem Thema widmet. In seinen Blicken auf den Berg schuf Hokusai eine Symbiose zwischen der japanischen und der westlichen Tradition, und daher sind die Holzschnitte gleichermaßen für japanische und westliche Augen attraktiv. Ungewöhnlich und von europäischen Gemälden entlehnt sind die Wolkenformationen am Himmel, z. B. in dem Holzschnitt »Der Berg Fuji im klaren Wetter«, allgemein bekannt als »Roter Fuji«.22 In anderen Holzschnitten benutzt Hokusai die japanische Himmelsdarstellung, einen dunkelblauen »Himmelsstreifen« am oberen Ende des Druckes. Diese Art der Darstellung wird als charakteristisch für viele japanische Landschaftsholzschnitte angesehen, und wir finden sie häufig im Werk von Utagawa Hiroshige. Aber auch dieser japanische Himmel stammt möglicherweise aus der westlichen Kunst und gelangte 22 Forrer : Hokusai, Nr. 12.
Ukiyo-e-Farbholzschnitte
52 Katsushika Hokusai, Roter Fuji, 1823 – 1831.
53 Utagawa Hiroshige, Plötzlicher Schauer über Shin Ohashi (L), Vincent van Gogh, Brücke im Regen (R).
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mit handkolorierten Kupferstichen aus den Niederlanden nach Japan. Hiroshige war inspiriert von Hokusais Landschaften und machte die Darstellung von Land und Leuten in seiner Serie »Die 53 Raststationen der Tōkaidō-Straße« populär.23 Hiroshiges Ruhm wuchs mit den »Hundert berühmten Ansichten von Edo«, die dann wiederum in Europa in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Rahmen der Japanbegeisterung des Japonisme rezipiert wurden. Vincent van Gogh z. B. sammelte, studierte und kopierte japanische Farbholzschnitte und integrierte sie in seine Kunst. Er adaptierte Hiroshiges »Regenschauer über der großen Brücke in Atake« oder den »Pflaumengarten von Kameido« als Ölgemälde. So inspirierten ukiyo-e-Farbholzschnitte van Gogh zur farbenfrohen Gestaltung seiner flachen Bildoberflächen.24
10.5 Delegationsreisen und wissenschaftlicher Austausch Eine wichtige Gelegenheit, Deshima zu verlassen und mit Land und Leuten in Kontakt zu kommen, boten die jährlichen Reisen an den Hof des Shōguns in Edo. Wie die daimyōs aus dem ganzen Land mussten die Niederländer eine offizielle Reise nach Edo unternehmen, um dem Shōgun ihre Aufwartung zu machen. Hieran nahmen der Direktor der Niederlassung in Deshima, ein Arzt und ein Schreiber der Faktorei teil. Mit der Zeit wuchsen die Delegationen auf 100 bis 150 Personen einschließlich japanischer Dolmetscher und Begleiter an. Die Reise dauerte rund drei Monate und verursachte hohe Ausgaben für Geschenke an den Shōgun und andere Würdenträger. In der Regel wurde den Niederländern einige Zeit zuvor eine Liste der erwarteten Gaben bekannt gemacht. Die Dagregisters aus Deshima informieren genau über diesen reziproken Prozess und bilden somit eine wichtige Quelle für den kulturellen Austausch zwischen Japan, den Niederlanden und Europa. Die Delegationen gaben nicht nur den Niederländern die Gelegenheit, einmal im Jahr Deshima zu verlassen, sondern boten umgekehrt den Japanern die Möglichkeit, Leute aus dem Westen zu treffen. Insbesondere wenn die Niederländer in Kyoto Station machten, kamen japanische Beamte, um westliche Sitten und Gebräuche kennenzulernen und sich vor allem über die westliche Wissenschaft mit den der Delegation angehörigen Ärzten auszutauschen. Dasselbe war natürlich am Hof des Shōguns in Edo sowie anlässlich der Audienz beim Gouverneur von Osaka der Fall.
23 Ebd.: S. 20 – 23. 24 Matthi Forrer : Hiroshige. Prints and Drawings, München u. a. 2004, Nr. 93, 95.
Delegationsreisen und wissenschaftlicher Austausch
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Die Ärzte Engelbert Kämpfer und Carl Peter Thunberg berichteten über die Reise ebenso wie die einzelnen Direktoren. Dabei ist zunächst Kämpfers Darstellung in seiner »Geschichte und Beschreibung von Japan« von großer Aussagekraft, da er die Reise zweimal mitgemacht hatte. So spricht er als Augenzeuge und korrigiert beispielsweise Arnoldus Montanus, der über diese Delegationsreisen nur aus zweiter Hand berichtete.25 Die Reise begann in Nagasaki zunächst zu Pferde oder in einer Sänfte, später per Schiff nach Shimonoseki. In der Hafenstadt bestieg die Delegation ein oder mehrere Schiffe zur Weiterfahrt nach Osaka. Von dort führte die Reise über Land nach Kyoto und nach kurzem Aufenthalt über mehrere Stationen nach Edo. In dieser Stadt blieben die Niederländer mehrere Wochen, um dann wieder denselben Weg zurückzunehmen. Die Länge der Reise variierte. So wissen wir von dem uns bereits mehrfach begegneten Zacharias Wagener, der seit 1656 Direktor (Opperhoofd) in Deshima war, dass seine erste Reise vom 18. Januar bis zum 7. April 1657 dauerte. Seine zweite Reise war deutlich länger – vom 30. Januar bis zum 2. Juni 1659 ; dabei verzögerten starke Regenfälle und reißende Flüsse die Hinreise nach Edo. Wie die Audienzen beim Shōgun in Edo abliefen, zeigen die Skizzen von Kämpfer, die als Kupferstiche in seinem Werk veröffentlicht wurden.26 Die Begegnung fand in der sog. »Halle der hundert Matten« statt, in der der Shōgun unsichtbar für die Gäste in der Regel hinter einem Wandschirm saß.27 Die Mitglieder der niederländischen Delegation warfen sich vor den Würdenträgern zu Boden, der Direktor hielt eine Ansprache und überreichte die vorbereiteten Geschenke. Manchmal wurde die Delegation dann aufgefordert, europäische Gesänge und Tänze vorzuführen. Dies lehnte Zacharias Wagener mit dem Hinweis ab, die Niederländer sängen nur, wenn sie betrunken seien. Fragen des Handels und der Politik besprach man im kleineren Kreis mit Fachleuten. Dasselbe galt natürlich auch für die Treffen mit wissenschaftlich interessierten Beamten und Gelehrten, die mehr über Astronomie, Medizin und Botanik in Erfahrung bringen wollten. Am Ende des Aufenthaltes in Edo wurde in der Regel den Niederländern ein Vereinbarungskatalog vorgelegt, den sie zu unterzeichnen hatten. In diesem ging es u. a. darum, dass die Niederländer auch künftig mit den Portugiesen keine politischen, kommerziellen oder diplomatischen Kontakte aufnahmen.28 25 Engelbert Kaempfer : Geschichte und Beschreibung von Japan, hg. v. Christian Wilhelm von Dohm, Bd. 2, Lemgo 1779 ; Arnoldus Montanus : Gedenkwaerdige Gesantschappen der Oost-Indische Maetschappy in’t Vereenigde Nederland, aen de Kaisaren wan Japan, Amsterdam 1669. 26 Kaempfer : Japan ; Sybille Pfaff : Zacharias Wagener (1614 – 1668), Haßfurt 2001, Abb. 22. 27 Kaempfer : Japan, S. 283 – 290. 28 Adam Clulow : The Company and the Shogun. The Dutch Encounter with Tokugawa Japan, New York 2014, S. 115.
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Jede Reise bedeutete einen erheblichen Organisationsaufwand, da Pferde, Schiffe, Träger und Unterkünfte organisiert werden mussten.29 So benötigte Wagener auf seiner ersten Reise allein für die Strecke von Osaka über Land nach Edo 45 Träger und 46 Pferde für den Transport der Delegation und der Geschenke. Teuer und mit Unwägbarkeiten behaftet war gleichfalls die Bereitstellung der Geschenke, die auf der langen Reise nicht beschädigt werden durften. Hier hatte man nicht nur die Bestellung des Shōgun-Hofes zu erfüllen, sondern auch die lokalen Würdenträger wollten beschenkt werden oder gaben Ratschläge, was am Hof in Edo ankommen würde. Im Oktober 1657 begab sich Wagener mit dem Schiff zurück nach Batavia, um im VOC-Hauptquartier Bericht von seiner Reise zu erstatten.30 Mit im Gepäck hatte er mehrere Porzellanmuster japanischer Produktion aus Arita, deren Qualität in Batavia und Amsterdam begutachtet werden sollten. Batavia war von der Qualität begeistert, so dass Wagener bei seiner Rückkehr 56.700 Stück blau-weißes Porzellan (Kaffeetassen, Schüsseln, Teller und Flaschen) zum Verkauf auf der Arabischen Halbinsel mitnahm. 1659 ging Wagener wieder auf Delegationsreise nach Edo, wo er dem Shōgun mit einem Gespann zweier bengalischer Ochsen (indischer Zwergbüffel) beeindruckte. Dagegen stieß ein Kräuterbuch am Hofe auf geringeres Interesse. Dennoch war das kommerzielle Klima positiv und sollte auch Wageners Abreise im Herbst 1659 überdauern, was sich insbesondere im wachsenden Porzellanexport widerspiegelt.31 Rund 100 Jahre später hatte sich die Art des Reisens nach Edo verändert, obwohl das Ziel der jährlichen Aufwartung der Niederländer beim Shōgun gleich geblieben war. Die führenden Vertreter reisten jetzt, laut Carl Peter Thunberg, in einer Sänfte und beobachteten – wie der Aufklärer betont – Land und Leute aufmerksam. Auf dieser Reise 1776 wurde der niederländische Delegationschef privat vom Shōgun in einem Audienzzimmer empfangen, und der Shōgun mischte sich später inkognito unter die Delegation und die japanischen Gastgeber. Das Interesse an Wissenschaft, insbesondere an Physik, Ökonomie, Botanik und vor allem an Chirurgie und Medizin, hatte stark zugenommen, so dass sich Ärzte und Beamte intensiv um das Gespräch mit den Niederländern, insbesondere mit dem Arzt Carl Peter Thunberg, bemühten. Die Gesprächspartner waren gebildet, sie 29 Über den Gesamtverlauf der Reise berichtet Wagener in dem Dagregister vom Januar bis April 1657, siehe Cynthia Viallé/Leonard Blussé : The Deshima Dagregisters, Bd. XII 1650 – 1660, Leiden 2005, S. 282 – 303. 30 Pfaff : Zacharias Wagener, 2001, S. 120 – 152. 31 Ebd.: S. 168 – 178.
Delegationsreisen und wissenschaftlicher Austausch
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[…] sprachen das Hollaendische ziemlich gut, und besaßen einige Einsicht in die Mineralogie, Zoologie und Kraeuterkunde, und ueberhaupt in die Naturgeschichte, die sie
theils Chinesischen und Hollaendischen Buechern, theils den Hollaendischen Aerzten, die ehemahls hier gewesen waren, zu verdanken hatten. Sie waren beyde unbeschreiblich
freundschaftlich, dienstfertig und lernbegierig. Sie suchten mich um so viel mehr zu benutzen, da sie bey mir Kenntnisse, die sie vorher bey andern vermißt hatten, zu finden
glaubten, und da lange vor unsrer Ankunft durch die Dolmetscher das Geruecht sich
hierher verbreitet hatte : dies Jahr wuerde ein Hollaendischer Doctor nach Jedo kommen, der gelehrter waere, als die, freylich oft sehr unwissenden, Feldschere, die man hier zu
sehen gewohnt ist. […] Sie brachten oft, bald zum Geschenk, bald zum Besehen, kleine
Sammlungen von Droguen, Mineralien und frischen Kraeutern, theils mit, theils ohne
Bluethe mit. Die Kraeuter trocknete und verwahrte ich. Sie lehrten mich ihre Japanischen
Nahmen, und den Gebrauch, den man hier zu Lande davon macht ; ich sie dagegen die
Lateinischen und Hollaendischen Benennungen, und den zweckmaeßigern Gebrauch, den die Europaer davon machen.32
Für den Linné-Schüler Thunberg, der bereits auf seinem Weg nach Japan am Kap und in Batavia botanisiert hatte, war der Austausch mit den japanischen Gelehrten ebenfalls fruchtbringend. Das setzte sich auch bei der Beobachtung der Gewächse und Bäume fort, die er in Edo antraf, ohne sie bisher im Lande gesehen zu haben.33 Auf den veröffentlichten Forschungen Thunbergs konnte Philipp Franz Siebold aufbauen, der ebenso wie sein Vorgänger als Arzt im Dienste der VOC in Deshima wirkte. Er brachte medizinisches Wissen aus dem Westen nach Japan und gründete zu diesem Zweck eine medizinische Schule für japanische Schüler in Nagasaki. Daneben sammelte er Informationen von den Einheimischen über Flora und Fauna Japans sowie über die Lebensgewohnheiten und legte hierzu eine botanische, eine zoologische und eine ethnographische Sammlung an, die sich großenteils noch heute in Leiden und München befinden. Während das medizinische Wissen aus dem Westen in Japan sehr geschätzt wurde, stieß seine Sammeltätigkeit, als sie durch einen Schiffbruch mit Teilen seiner Sammlung aufflog, auf Widerstand und Siebold wurde 1829 als Spion aus Japan verbannt.34
32 Karl Peter Thunberg : Reise durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien, hauptsächlich in Japan, in den Jahren 1770 bis 1779. Aus dem Schwedischen frey übersetzt von Christian Heinrich Groskurd, 2. Bd., Berlin 1794. 33 Ebd.: S. 119. 34 Arlette Kouwenhoven/Matthi Forrer : Siebold and Japan. His Life and Work, Leiden 2000, S. 20 – 31, 44 – 47.
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10.6 Gabentausch und Japan-Sammlungen Wir haben gesehen, dass die Niederländer überall in der Welt, wenn sie Handel treiben wollten, die einheimischen Würdenträger gnädig zu stimmen suchten. Das betraf die Stammesältesten der Potiguar in Brasilien und der Algonkin und Munsee in Nordamerika ebenso wie die Moguln in Indien, die Alliierten im Indonesischen Archipel und die Shōgune in Japan. Dabei verfuhr die VOC in Asien nach einem abgestuften System und kalkulierte genau, welcher Geschenkaufwand getrieben werden musste und ob er sich lohnte.35 Während die alliierten Fürsten im Indonesischen Archipel mit einigen Spiegeln, Gläsern, Textilien und Rosenwasser abgespeist werden konnten, war Japan richtig teuer. Denn hier hielt nach der Beobachtung des ersten Faktoreidirektors Jacques Specx jedermann die Hand auf. Nach einer Aufstellung von 1690 wendete die japanische Faktorei mehr Geld als andere VOC-Niederlassungen für Geschenke auf. Die Zentrale in Batavia sammelte die Bestellungen, die die einzelnen Niederlassungen nach den artikulierten Wünschen der Herrscher oder ihrer Beamten kompilierten, und leitete sie im Falle europäischer Waren nach Amsterdam weiter. Aber auch die Heeren XVII wurden selbst aktiv, wenn sie als Dank für die Aufhebung des Embargos 1634 einen riesigen Bronzekandelaber für den Shōgun Iemitsu in Auftrag gaben, der bis heute in Nikkō, dem Mausoleumsgelände für den Shōgun Ieyasu, zusammen mit anderen prächtigen Geschenken der Niederländer und Koreaner zu bewundern ist.36 Nicht alle Geschenke kamen an, wie wir das bei einigen großformatigen Schlachtengemälden gesehen haben. Manchmal standen auch die Bedenken lokaler Beamter einem erfolgreichen Gabentausch im Wege oder die Niederländer taten mit den Geschenken des Guten zu viel. So lehnte das Shōgunat 1735 eine reichhaltige Gabensendung, die von vergoldeten Narwalhörnern, Kristallkandelabern, Gemälden und Musikinstrumenten bis zu einer Kutsche reichte, mit dem Argument ab, ein weiteres Geschenk sei unschicklich, da sich der Shōgun bereit mit einer Gabe für die ihm von der VOC verehrten Pferde bedankt habe. Die Hoffnungen der Niederländer, auf diese Weise eine zusätzliche Kupferlieferung zu erhalten, blieben vergeblich.37 35 Hier und zum folgenden Cynthia Viallé : ›To capture their favor‹. On Gift-Giving by the VOC, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 291 – 320. 36 Ebd.: S. 303 – 304 ; Clulow : The Company and the Shogun, S. 247 – 254. 37 Kobayashi-Sato : Japan’s Encounters, S. 269 – 270 ; Viallé : On Gift-Giving by the VOC, S. 307 – 308.
Gabentausch und Japan-Sammlungen
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Um solche Enttäuschungen in der Zukunft zu vermeiden, wurden die sog. Eisen, die Bestelllisten, in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunehmend detaillierter. So fertigte man z. B. von verschiedenen am Hof gewünschten europäischen Gläsern ebenso wie von den arabischen Pferden detaillierte Zeichnungen an. Auch die wissenschaftlichen Geräte wurden bisweilen genau spezifiziert. Unabhängig von den Geschenken für die Shōgune und die Beamten erlebte Japan im 18. Jahrhundert eine regelmäßige Einfuhr europäischer Güter, die in speziellen Läden erworben werden konnten. Diese sog. karamonoya verkauften – neben chinesischen Einrichtungsgegenständen – Gläser und Keramik, zum Teil versehen mit Bildern von Niederländern oder Schiffen sowie Textilien und Ledermaterialien. Präzisionsgeräte (Teleskope) und mechanische Instrumente wurden ausgestellt und vorgeführt. Ran-gaku-Gelehrte, Kaufleute und Beamte dekorierten ihre Studios mit Büchern, wissenschaftlichen Instrumenten, Uhren und Bildern, aber auch Möbeln und europäischer Kleidung. Sie zeigten ihre Kuriositätenkabinette Freunden und waren besonders stolz, europäische Besucher zu empfangen.38 Gleichzeitig spezialisierten sich Handwerker auf die Imitation der eingeführten Güter für eine breite Käuferschaft und adaptierten diese in die materielle Kultur. Ein Beispiel ist die Verarbeitung des eingeführten niederländischen Goldleders zu Tabakbeuteln, die man am Gürtel trug. Gleichzeitig stellten japanische Handwerker ihre eigenen Goldlederimitationen her. Die Kuriositätenkabinette mit niederländischen Objekten der ran-gaku-Enthusiasten besaßen ihr Pendant in den Japan-Sammlungen in den Niederlanden. Zwar hatten niederländische Haushalte schon immer Objekte der japanischen Kultur wie Porzellan, Lackmöbel, Kimonos oder Waffen der Samurai in die Dekoration ihrer Haushalte integriert, aber systematische länderkundliche Japan-Sammlungen entstanden erst um die Wende zum 19. Jahrhundert. Sie gehen auf die ehemaligen VOC-Bediensteten Jan Cock Blomhoff und Johannes Frederik van Overmeer Fisscher zurück, die während ihrer Zeit in Deshima vor allem Alltagsobjekte, Münzen und Medaillen, Waffen, Bücher und Gemälde, aber auch Utensilien für die Teezeremonie, Dioramen und Kleiderpuppen erworben und mit in die Niederlande gebracht hatten. Blomhoffs Sammlung wurde nach und nach in das 1816 errichtete Königliche Kuriositätenkabinett eingegliedert, das auch Fisschers Objekte erwarb. Sie konnten im Binnenhof und im Mauritshuis in Den Haag sowie in Leiden bewundert werden. Die Leidener Rapenburg war auch der Ausstellungsort für die wichtige Sammlung Philipp Franz Siebolds, die dieser als naturhistorische und ethnographische Studien-
38 Yasumasa : Exotic »Holland«, S. 141 – 155.
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sammlung konzipiert hatte. Kawahara Keigas Bilder vom japanischen Alltagsleben dienten dabei der Ausbildung künftiger Japan-Kaufleute.39
39 Matthi Forrer : Nineteenth Century Japanese Collections in the Netherlands, in : Blussé, Leonard/ Remmelink, Willem/Smits, Ivo (Hg.) : Bridging the Divide. 400 Years the Netherlands-Japan, Hilversum 2000, S. 159 – 171 ; Kouwenhoven/Forrer : Siebold and Japan, S. 76 – 90.
11. China
Focus : Johan Nieuhof Johan Nieuhof (1618 – 1672) stammte aus Uelsen in der Grafschaft Bentheim, wo er als Sohn des Bürgermeisters geboren wurde. Wie viele andere Altersgenossen trat er als Soldat in den Dienst der WIC und schiffte sich 1640 nach Brasilien ein. Ähnlich wie Zacharias Wagener und Caspar Schmalkalden blieb er längere Zeit dort und kehrte erst 1649 in die Niederlande zurück. 1653 führte ihn eine weitere Reise, jetzt im Dienst der VOC, nach Java. Von hier aus nahm er an der Gesandtschaft nach China teil, die von 1655 bis 1657 dauerte. Der umfassende Bericht erschien in Nieuhofs Abwesenheit auf Veranlassung seines Bruders Hendrik 1665 in Amsterdam bei Jacob van Meurs und trug den Titel »Het gezantschap der Neêrlandtsche Oost-Indische Compagnie, aan den grooten Tartarischen Cham, den tegenwoordigen keizer van China«. Nieuhof selbst war zu dieser Zeit in verschiedenen Unternehmungen der VOC auf den Molukken, in Sumatra und an der Malabarküste unterwegs. 1665 warf man ihm Eigenhandel auf Kosten der VOC vor und kerkerte ihn in Colombo für elf Monate ein. Von den Vorwürfen freigesprochen, kehrte er kurz in die Niederlande zurück, um 1672 erneut im Dienst der VOC nach Südostasien aufzubrechen. Im selben Jahr verlieren sich seine Spuren auf Madagaskar, wo er wegen eines Sklavengeschäftes an Land gegangen war. Daher wurden auch Nieuhofs Berichte von seinem Aufenthalt in Brasilien sowie seiner Tätigkeit auf Java und der Malabarküste erst posthum von seinem Bruder Hendrik unter dem Titel »Gedenkwaerdige zee en lantreize door de voornaemste landschappen van West en Oostindien« nunmehr bei der Witwe des Verlegers Jacob van Meurs 1682 in Amsterdam veröffentlicht.1 Dabei geht der erste Teil dieses Buches auf die Erlebnisse Nieuhofs in Brasilien zurück, nutzt aber als Illustration die bereits bekannten Vorlagen von Eckhout und Marcgraf. Der asiatische Teil dieses Buches kompiliert Texte portugiesischer und niederländischer Autoren, wenn auch einige persönliche Erkenntnisse von Nieuhofs Zeit auf den Molukken und an der Malabarküste aufgenommen werden. Dagegen ist Nieuhofs erstgenannter Chinabericht mit seinen zahlreichen Abbildungen die 1 Das Werk umfasst zwei Teile mit eigenem Titelblatt. Teil 1 : Gedenkweerdige Brasiliaense Zee en Lant-Reize, Teil 2 : Zee en Lant-Reize, door verscheide gewesten van Oostindien. Friederike Ulrichs : Johan Nieuhofs Blick auf China (1655 – 1657). Die Kupferstiche in seinem Chinabuch und ihre Wirkung auf den Verleger Jacob van Meurs, Wiesbaden 2003, S. 6 – 7.
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China
wohl wichtigste Darstellung des Reiches der Mitte im 17. Jahrhundert. Zwar lasen die Gelehrten die Werke der Jesuiten über China, aber Nieuhof bietet mit seinen Informationen und Kupferstichen das Bild eines Augenzeugen. Nieuhof stellt China als Land dar, das von einem weisen und kultivierten Herrscher regiert werde, was die Voraussetzung für den Wohlstand seines Volkes darstelle.2
11.1 Die Beziehungen der Niederlande zu China Die Delegationsreise, an der Nieuhof teilnahm, war einer der vielen Versuche der Vereinigten Ostindischen Kompanie, dauerhafte Beziehungen mit dem Reich der Mitte aufzubauen. China entzog sich nämlich dem direkten Handel mit der VOC. Anders als die Portugiesen, die von Macao aus einen unmittelbaren Zugang zum chinesischen Markt hatten, waren die Niederländer in erster Linie auf chinesische Kaufleute angewiesen, die ihnen die chinesischen Luxuswaren vermittelten. 1622 schlug eine Belagerung Macaos durch eine niederländische Flotte fehl, und es gelang nicht, eine dauerhafte Niederlassung an der chinesischen Küste zu etablieren. Entsprechend versuchte die VOC von einem Stützpunkt auf den Pescadoren aus, sich in den chinesischen Fernhandel einzuschalten. Von hier aus erreichten 1623 die Niederländer Barend Pessaert und Jacob Constant mit Hilfe des chinesischen Schmugglers Li Dan, den die VOC-Quellen als Kapitein China nennen, die Bucht von Taoyuan an der Südwestküste von Formosa. Man traf auf die einheimische Bevölkerung und handelte mit dieser die Erlaubnis für eine Niederlassung aus.3 Nach der chinesischen Invasion der Pescadoren 1624 wurden die VOC-Bediensteten von dort nach Formosa evakuiert. Im selben Jahr errichteten die Niederländer hier Kasteel Seelandia, die zweitgrößte Festung der VOC in Asien. Die VOC rekrutierte Festlandchinesen aus Fukien als Fachkräfte für Landwirtschaft, Hirschjagd, Fischfang, Handwerk und Handel.4 Um 1650 lebten ca. 15.000 Chinesen auf Formosa, während die indigene einheimische Bevölkerung rund 100.000 Menschen zählte. Sie setzte sich aus ca. 20 verschiedene Ethnien zusammen, die zur austronesischen Sprachgemeinschaft zählten. Einen größeren Teil der Einwohner machte die VOC tributpflichtig, die dafür Wildtierfelle liefern mussten. Diese verkaufte die VOC nach Japan, das mit Silber 2 Ulrichs : Johan Nieuhofs Blick, S. 15. 3 Leonard Blussé : Van tussenpersonen, tolken en trotse heersers. Inheemse stemmen uit het verre verleden van het eiland Formosa, in : Wagenaar, Lodewijk (Hg.) : Aan de overkant. Ontmoetingen in dienst van de VOC en WIC (1600 – 1800), Leiden 2015, S. 11 – 33, hier S. 13 – 17. 4 Tonio Andrade : How Taiwan Became Chinese. Dutch, Spanish, and Han Colonization in the Seventeenth Century, New York/Chichester 2008, S. 119 – 132, 134 – 138.
Die Beziehungen der Niederlande zu China
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zahlte. Von den chinesischen Händlern erwarb die VOC Seide, die ebenfalls nach Japan, aber auch nach Europa ging. Die Kolonie entwickelte sich erfolgreich, und die Faktorei wurde zu einer der profitabelsten VOC-Niederlassungen.5 Die inneren Kämpfe Chinas zwischen der Ming-Dynastie und der neuen Mandschu-Dynastie der Quing beeinträchtigten jedoch auch Handel und Schifffahrt Formosas. In dieser Situation versuchten die Niederländer, das Machtvakuum im Süden Chinas zu nutzen und mit Hilfe einheimischer Piraten und Schmuggler einen direkten Zugang zur Küste Fujians und damit zum chinesischen Markt zu gewinnen. Einer ihrer Alliierten war ein gewisser Zheng Zhilong, der in Macao zum katholischen Glauben übergetreten war und den Namen Nicholas Iquan Gaspard angenommen hatte. Er sprach viele Sprachen und suchte sich allenthalben Verbündete. Der bereits erwähnte Kapitein China Li Dan war sein Mentor und vermittelte ihn als Dolmetscher den Niederländern, mit denen er auf Portugiesisch kommunizierte. In den 1620er Jahren betätigte sich Zheng Zhilong als Freibeuter im Auftrag der VOC. Nach mehreren Siegen über die Flotte der Ming wechselte er die Seiten und kon trollierte als Ming-Admiral den chinesischen Schiffsverkehr mit Formosa. Für Silber und Gewürze versprach er den Niederländern chinesische Seide, Porzellan und Gold. Nach der Übernahme Pekings durch die Mandschu 1644 begab sich Zheng Zhilong dorthin und bot sich der neuen Quing-Dynastie an. Sein Sohn, Zheng Chenggong (Koxinga), blieb indes dem Ming-Hof treu, der in den Süden geflohen war. Er operierte als Pirat im Südchinesischen Meer, obwohl die Quing-Regierung ein Verbot über den Küsten- und Seehandel verhängt hatte. Die Niederländer handelten zunächst mit Koxinga und sandten gleichzeitig eine Delegation an den Kaiserhof, um ein Privileg für den direkten Handel mit China zu erhalten.6 Diese Hoffnung erfüllte sich nicht, und die VOC verlor auch ihren Stützpunkt Formosa, den Koxinga 1661 nach einer achtmonatigen Belagerung eroberte.7 Obwohl Koxinga schon 1663 starb, gelang den Niederländern die Rückeroberung nicht. Seine Familie behauptete Formosa weitere 20 Jahre, bis die Insel in das QuingReich inkorporiert wurde. Ein Jahr später gab der Kaiser den chinesischen Privathandel frei, wovon chinesische Kaufleute an den Küstengebieten ebenso wie in den chinesischen Niederlassungen in Nagasaki, Manila, Batavia oder Hội An und Tonkin in Vietnam profitierten.8 Diese wurden zu Hauptlieferanten für die VOC. Die Nie5 Hsin-Hui Chiu : The Colonial »Civilizing Process« in Dutch Formosa, 1624 – 1662, Leiden/Boston 2008, S. 3 – 12. 6 Andrade : How Taiwan Became Chinese, S. 209 – 227. 7 Ebd.: S. 240 – 250. 8 Hoang Anh Tuan : Silk for Silver. Dutch-Vietnamese Relations, 1637 – 1700, Leiden/Boston 2007, S. 104 – 115, 150 – 156.
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derländer nutzten diese Möglichkeit gerne, denn sie mussten keine eigenen Schiffe für die Fahrt nach China ausrüsten und konnten sich den Zoll ebenso wie Bestechungen der lokalen Mandarine sparen. Der Handel lebte von der jährlichen Ankunft von ca. 20 Dschunken, die neben Waren natürlich auch Migranten nach Batavia brachten.9
11.2 Niederländische Spuren auf Formosa Ähnlich wie in Brasilien halten sich die Zeugnisse des niederländischen Intermezzos auf Formosa in Grenzen. Anders als Brasilien ist Formosa aber heute nicht im visuellen Gedächtnis der Niederlande präsent. Die Dagregisters von Fort Seelandia berichten immerhin über den Alltag der Handelsniederlassung, ohne dass wir hieraus – anders als in Deshima – Nachrichten über die Einfuhr von Gemälden erhalten.10 Nur wenige andere Quellen geben Aufschluss über die materielle Kultur. So war die Einrichtung im Haus des Direktors der Niederlassung vergleichbar mit denen anderer Stützpunkte. Dennoch fällt hier die große Anzahl von Gemälden auf. So übergab 1644 der Gouverneur von Formosa, Maximiliaan Lemaire, die Amtsgeschäfte an seinen Nachfolger François Caron zusammen mit 22 niederländischen Gemälden, darunter 14 Oranierporträts und 8 biblische Themen. Zwei Jahre später, bei der nächsten Amtsübergabe an Pieter Overtvater, waren zwei weitere Porträts und eine Seeschlacht Maarten H. Tromps hinzugekommen.11 Auch die Anwesenheit des niederländischen Malers Joost Pauwels Noorwits auf Formosa ist belegt, der hier einige Porträts schuf. Noorwits verband, wie so viele andere, seine Malertätigkeit mit dem Dienst in der VOC und verbrachte die Zeiten vor und nach seinen beiden Formosa-Aufenthalten (1642 – 1647, 1648 – 1652) in Batavia.12 Heute sind die niederländischen Überreste vor allem in Gestalt der Forts – neben Seelandia auch Fort Provintia (Seckam) – sichtbar. Während Seelandia verfiel und 9 Leonard Blussé : Visible Cities. Canton, Nagasaki, and Batavia and the Coming of the Americans, Cambridge, MA/London 2008, S. 25 – 28. Siehe auch oben Kapitel »Batavia«. 10 Leonard Blussé/Margaretha E. van Opstall/Ts’Ao, Yung-Ho : De Dagregisters van het kasteel Zeelandia, Taiwan 1629 – 1662 (Bd. 1 : 1629 – 1641, Bd. 2 : 1641 – 1648, Bd. 3 : 1648 – 1655, Bd. 4 : 1655 – 1662), ’s Gravenhage 1986. 11 Jeanne de Loos-Haaxman : De landsverzameling schilderijen in Batavia. Landvoogdsportretten en Compagnieschilders, Leiden 1941, S. 151 – 152 ; Kees Zandvliet : Art and Cartography in the VOC Governor’s House in Taiwan, in : Gerstel-van het Schip, Paula van/ Krogt, Peter van der (Hg.) : Mappae Antiquae. Liber Amicorum Günther Schilder, Utrecht 2007, S. 579 – 594. 12 Marten Jan Bok : European Artists in the Service of the Dutch East India Company, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 177 – 204, hier S. 197.
Niederländische Spuren auf Formosa
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zur Zeit der japanischen Besatzung im 20. Jahrhundert von Grund auf neu aufgebaut wurde, ist Provintia gut erhalten und mit einem chinesischen Tempel geschmückt, was das Weiterleben des Platzes und dessen Umwidmung dokumentiert. Beide Forts sind aus Backsteinen gebaut, die sowohl lokal produziert wurden, vor allem aber von weither als Schiffsballast kamen. Interessant erscheint, dass die Niederländer – als sie ihre Niederlassung von Hirado nach Deshima verlegen mussten – das dortige Packhaus abrissen und einen Teil der Steine, Türen und Glasfenster zum Ausbau von Fort Seelandia nach Formosa verschifften.13 Baumaterial und Bauhand13 Thomas DaCosta Kaufmann : Scratching the Surface. The Impact of the Dutch on Artistic and Material Culture in Taiwan and China, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 203 – 238, hier S. 214 – 215. »Nagasaki 10 october 1641 Gescheept door Le Maire in Orangienboom, schipper Harman Sagelsen en boekhouder Barent Rosendael, naar Tayouan aan Traudenius schuitzilverer kamfer 1460 viercante witte vloersteen 687 glaasen, bestaende in 50 cassen, sijnde ijder geschilderde parcken mede voor een stx gereeckent, costen tsamen met d’ijsere roeden f3449 :0 :8 Ongetaxeerde : 240 stx witte grauwe vloersteenen vande plaets in Firando 1038 blauwe als witte gesleepe plaverij sten} 156 halve dittos } van de eetsael ende portael in Firando 2 anckers 6 cassen met glaasen van d’affgebroocke woninge in Firando 7 bos ijsere roeden tot glaase ramen 119 stx deuren ende versters van d’affgebroocken packhuijesen ende woningen 2 stx groote poortdeuren 29 stx stijlen van vensters. 1636 voor 1637 200 ramen van goet schoon fijn glas geschilderde 200 ramen ongeschilderde ditto 100 dito van slecht glas 1635 voor 1636 400 ramen fijne venster glas 100 ramen slechte ditto Voor 1651 Batavia 31 december 1649 30 cassen fijn vesterglas, om tot de kerck, het stadthuijs ende nieuwe wooningen te gebruijcken als mede om tot een cento aen perticuliere vercocht te werden
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werker kamen ebenfalls von den Pescadoren, vom chinesischen Festland und aus Batavia. Auf der Insel war die niederländische materielle Kultur in einzelnen Gebieten präsent, wo z. B. Perlen und Tonpfeifen gegen lokale Produkte, wie die berühmten Wildtierfelle, getauscht wurden. Eine Besonderheit stellen die sog. rottang-Stöcke dar, die wir auch bereits in niederländischen Haushalten in anderen Teilen der Welt kennengelernt haben. Diese mit einem Silberknopf und Wappen versehenen Stäbe übergab die VOC den Dorfvorstehern auf Formosa wie auf Java. Sie symbolisierten die Autorität der Dorfältesten noch lange Zeit nach dem Ende der niederländischen Herrschaft und wurden in den Familien weitergegeben.14
11.3 Die Jesuiten und die Rezeption westeuropäischer Druckgraphik in China Wie auch in anderen Teilen Asiens vermittelten jesuitische Missionare westeuropäische Druckgraphik in China.15 Matteo Ricci, der 1592 in Macao erstmals chinesischen Boden betrat, versuchte ein missionarisches Netzwerk in China aufzubauen. In Macao musste er sich einige Jahre gedulden, bis er 1595 die Erlaubnis erhielt, nach Peking zu reisen, um dort den offiziellen chinesischen Kalender zu korrigieren. Ricci wartete mehrere Wochen vor den Toren Pekings, ohne in die Hauptstadt gelassen zu werden. Darauf reiste er zurück nach Nanking, das zum Zentrum seiner missionarischen Aktivitäten wurde. Als Ricci 1601 schließlich von dem Kaiser Wanli empfangen wurde, verehrte er diesem wertvolle Geschenke, darunter mechanische Uhren, Spiegel, ein Rhinozerushorn und Gemälde von Christus und Maria. Außerdem präsentierte er dem Kaiser den Ortelius’ Weltatlas »Theatrum Orbis Terrarum« aus der Antwerpener Druckerei Plantin und ebenso das sechsbändige Werk von Braun und Hogenberg »Civitates Orbis Terrarum« (veröffentlicht in Köln zwischen 1572 und 1616).16 Die prachtvollen Publikationen hinterließen einen starken Eindruck nicht nur am Hof, sondern auch bei chinesischen Malern. Ricci wusste von der Bedeutung solcher Werke für das chinesische Beamtenpublikum und bat in Europa um weitere Bücherlieferungen. 1605 kam so eine weitere Publikation aus dem Hause Plantin 100 casen Frans glas, voor de kerck, stathuijs ende andere wercken. Item geschildert glas, te weten het wapen van Batavia, ende het wapen van de Ed Oostindische Compa beijde inde kerkvensters gevoeght.« 14 Chiu : The Colonial »Civilizing Process«, S. 117. Siehe auch Kapitel »Surinam und Curaçao«. 15 Siehe Kapitel »Indien«. 16 Ronnie Po-chia Hsia : A Jesuit in the Forbidden City. Matteo Ricci 1552 – 1610, Oxford 2010, S. 206 – 207.
Die Jesuiten und die Rezeption westeuropäischer Druckgraphik in China
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54 Anonym, Ansicht von Frankfurt, Kupferstich aus Braun und Hogenberg, »Civitates Orbis Terrarum«, Köln, 1572 – 1616.
an, Gerónimo Nadals »Evangelicae Historiae Imagines«, das Leben Christi in 153 Kupferstichen. Diese hatten die Brüder Antoine und Jan Wierix sowie Adrian und Jan Collaert nach Gemälden von Bernardino Passeri und Maarten de Vos geschaffen. Die Bilder eigneten sich hervorragend dazu, die chinesische Zielgruppe der Missionare mit der christlichen Lehre vertraut zu machen.17 Einen größeren Eindruck hinterließen die illustrierten Bücher und Kupferstiche bei den chinesischen Malern, unter denen sie zirkulierten. Sie konnten leicht kopiert und in chinesischen Holzschnitten vervielfältigt werden. So orientieren sich manche chinesischen Holzschnitte durchaus an der Landschaftsdarstellung, insbesondere an der Gestaltung von Berg und Tal, in den Kupferstichen Adrian Collaerts. Zwar kannten nur wenige chinesische Maler Ricci und andere Jesuiten persönlich, aber viele waren mit den Drucken vertraut. Hier fällt insbesondere Chang Hung (1557 – 1652) aus Suzhou auf, der sich mehrfach an Nadal und ebenso an Braun und Hogenberg orientierte. So übernahm Chang Hung Brauns und Hogenbergs Vogelperspektive von Frankfurt am Main und adaptierte sie in seiner Gesamtansicht des Chih-Gartens. 17 Michael Sullivan : The Meeting of Eastern and Western Art. Revised and Expanded Edition, Berkeley/Los Angeles 1989, S. 41 – 50.
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55 Chang Hung, Gesamt ansicht des Chih-Gartens.
Kupferstiche von Crispijn van de Passe, dessen Werke auch an den Wänden in Batavia hingen, wurden von chinesischen Malern in ihre Kunst integriert. Der Landschaftsmaler Wu Li muss in den jesuitischen Kirchen und Bibliotheken ebenfalls westliche Gemälde und Druckgraphik kennengelernt haben, denn er stellte in einem Traktat chinesische und westliche Kunsttraditionen gegenüber. Obwohl wir über die konkrete Zusammenarbeit jesuitischer Künstler mit einheimischen Malern bzw. Schülern nur wenig wissen, stellen sich mehrere Kunsthistoriker*innen diese als einen Verflechtungsprozess westlicher und chinesischer Kunst vor und analysieren dazu exemplarische Werke wie die »36 Ansichten der kaiserlichen Sommerfrische Jehol« des Jesuiten Matteo Ripa. Ripa hatte 1712 vom Kaiser den Auftrag erhalten, ältere chinesische Holzschnitte und Gemälde dieser Bergregion in Kupfer zu stechen. Er arbeitete dazu mit zwei seiner chinesischen Schüler zusammen. Während diese die Vorlagen weitgehend unverändert in der neuen Technik umsetzten, fügte Ripa in den 12 eigenhändig gefertigten Kupferstichen nicht nur neue Elemente wie Sonne und Wolken ein, sondern verlieh den Landschaften durch Schraffuren und Schattierungen einen räumlichen Eindruck.18 18 Michele Fatica/Yue Zhuang : Copperplates Controversy. Matteo Ripa’s Thirty-Six Views of Je-
Die Jesuiten und die Rezeption westeuropäischer Druckgraphik in China
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56 Matteo Ripa nach Shen Yu, Rote Wolken beim Sonnenaufgang über den westlichen Hügeln aus den »36 Ansichten der kaiserlichen Sommerfrische Jehol«, 1711 – 1713.
In diesem Kontext wird angenommen, dass es die Jesuiten waren, die die chinesischen Maler mit der westlichen Perspektive bekannt gemacht haben.19 Hierbei fällt immer wieder der Name des Flamen Ferdinand Verbiest (in China 1659 – 1688). Verbiest wirkte als Astronom und Mathematiker am kaiserlichen Observatorium in Peking und soll den Maler Chiao Ping-chen Elemente der Perspektive gelehrt haben. Auch wenn wir den Wahrheitsgehalt dieser Darstellung nicht überprüfen können, so hat doch Chiao in einigen seiner Gemälde und auch seiner Druckgraphik die westliche Perspektive in traditionelle Landschaftsdarstellungen integriert. Neben solchen Ideen interessierten chinesische Künstler besonders die Techniken der Ölmalerei, die der Jesuit Giuseppe Castiglione (in China unter dem Namen Lang Shining bekannt) eingeführt hatte. hol and the Chinese Rites Controversy, in : Zhuang, Yue/Riemenschnitter, Andrea M. (Hg.) : Entangled Landscapes. Early Modern China and Europe, Singapore 2017, S. 144 – 186. 19 Sullivan : The Meeting of Eastern and Western Art, S. 41 – 59.
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Nach Aussage der Unterlagen des kaiserlichen Haushaltes unterrichteten europäische Maler tatsächlich einheimische Künstler in den Techniken der Ölmalerei. Entsprechend erfreute sich eine Ausstellung von Ölgemälden, die Vater Ludovicus oder Louis Buglio im Garten der Mission in Peking und an den Wänden mehrerer Kirchen organisierte, eines größeren Künstlerpublikums. Auch wenn einige chinesische Künstler an dieser Ausstellung mitwirkten, war der Effekt der jesuitischen Ölmalerei und ihrer Lehre auf einen kleinen Kreis von Hofmalern in Peking beschränkt. Auch die Porträts des Kaisers Yongzheng in europäischer Kleidung bleiben eine Ausnahme.20 Populäre Massenprodukte, wie die sog. Suzhou-Holzschnitte, waren davon ebenso unbeeinflusst wie die Hängerollen, die wir als chinesische Gemälde in den Inventaren in Batavia oder Kapstadt finden.21
11.4 Niederländische Gesandtschaften nach China Johan Nieuhofs Bericht über die Gesandtschaft an den Kaiserhof ist die b edeutendste Darstellung einer solchen Delegationsreise, die in Europa großen Widerhall fand. Nieuhof schildert darüber hinaus frühere Reiseaktivitäten der VOC nach China. An einer dieser vorhergehenden Delegationen war der uns bereits aus Brasilien, Kapstadt, Batavia und Deshima bekannte Zacharias Wagener beteiligt gewesen. Die Bemühungen der Niederländer, mit China zu handeln, fielen zeitlich zusammen mit den Machtkämpfen zwischen der Ming- und der Quing-Dynastie und waren daher nicht von Erfolg gezeitigt. So blieb Formosa die wichtigste Schaltstelle für diesen Handel. 1652 keimten aber in Batavia erneut Hoffnungen auf einen direkten Handel mit China auf. Martino Martini, ein Jesuit aus China, machte Station in Batavia, um die Frucht seiner Tätigkeit, den »Atlas Sinensis« (eine Übersetzung des chinesischen Atlas des Chu-Ssu Pen), bei Joan Blaeu in Amsterdam unterzubringen.22 20 Jing Sun : Curiosity and Authority. Images of Europeans at the Quing Court during the Kangxi and Yongzheng Reigns, in : Weststeijn, Thijs (Hg.) : Foreign Devils and Philosophers. Cultural Encounters between the Chinese, the Dutch, and Other Europeans, 1590 – 1800, Leiden/Boston 2020, S. 254 – 277, hier S. 265 – 275. 21 Guter Überblick bei Matthi Forrer : From Optical Prints to Ukie to Ukiyoe. The Adoption and Adaptation of Western Linear Perspective in Japan, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2014, S. 245 – 266, hier S. 251 – 254. 22 Zu Martinis Aufenthalt in den Niederlanden siehe Thijs Weststeijn : Just Like Zhou. Chinese Visitors to the Netherlands (1597 – 1705) and their Cultural Representation, in : Weststeijn, Thijs (Hg.) : Foreign Devils and Philosophers. Cultural Encounters between the Chinese, the Dutch, and Other
Niederländische Gesandtschaften nach China
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Aufgrund seiner Informationen über die Handelspolitik des neuen Kaisers schickten die Niederländer im Sommer 1652 eine Jacht von Formosa nach Kanton, um mit Geschenken an die lokalen Mandarine für den Handel zwischen China und den Niederlanden zu werben. Die Geschenke machten nicht den gewünschten Eindruck, gleichzeitig intrigierten portugiesische Händler aus Macao gegen die Niederländer, um ihren lukrativen Handel nicht zu verlieren. Auch wenn die Niederländer keine Handelserlaubnis erhielten, waren doch erste Kontakte geknüpft, die Zacharias Wagener zusammen mit Friedrich Schedel, der bereits die erste Delegation geleitet hatte, ausnutzen wollte. Beide brachen im Sommer 1653 zu einer weiteren Expedition in das Reich der Mitte auf und ankerten im Perlfluss, ohne aber zunächst die Genehmigung für die Einreise nach Kanton zu erhalten. Die Niederländer wurden lange hingehalten und Wagener, dessen interkulturelle Kompetenz im Umgang mit chinesischen Beamten noch gering entwickelt war, kehrte enttäuscht nach Batavia zurück. Einige Jahre später unternahm der niederländische Gouverneur Joan Maetsuyker einen weiteren Versuch der Handelsanbahnung und sandte Peter Goyer und Jakob Keyser auf eine Delegationsreise, an der jetzt Johan Nieuhof teilnahm und darüber berichtete.23 Diese Reise war besser vorbereitet und auch eine kaiserliche Genehmigung für die Gesandtschaft lag vor. Entsprechend scheuten die Niederländer keinen Aufwand an Geschenken und stellten ein reichhaltiges Sortiment an Gewürzen, Textilien sowie europäischen und japanischen Luxusgütern zusammen : […] Und also erwaehlten sie dazu eine große maenge allerlei der besten und teuersten
Tücher und Zeuge, so wohl von Seide als wolle, und anderem dergleichen gewebe auf das
allerzierlichste und zahrteste gewuerket. Ja das leinwand, das sie darbei fuegten, war zum
teil so zahrt und duenne, daß ein spingewebe kaum zaehrter sein kann. Die bluhmen und nuesse der Muskaten, der Zimmet, die Naeglein, der Amber, der Baernstein, das Koral
von mancherlei farben, das Sandelholz, die Prunkkaestlein mit zierlichem lakwerke überzogen, die Fernglaeser, die Spiegel, die Federbuesche, die Harnsche und viel dergleichen sachen mehr, welche alle zu den Keiserlichen geschenken erlesen worden, scheinen eine
kleine Welt zu sein, da die kunst und Natur beinahe ihren gantzen krahm ausgebreitet.24
Europeans, 1590 – 1800, Leiden/Boston 2020, S.104 – 131, hier S. 111 – 114. 23 Zu den ersten Reisen siehe Pfaff : Zacharias Wagener, 2001, S. 47 – 68. 24 Ebd.: S. 67 ; François Valentijn : Oud en nieuw Oost-Indiën, vervattende een naaukeurige en uitvoerige verhandelinge van Nederlands mogendheyd in die gewesten, benevens eene wydluftige beschryvinge der Moluccos, Amboina, Banda, Timor, en Solor, Java, en alle de eylanden onder dezelve landbestieringen behoorende ; het Nederlands comptoir op Suratte, en de levens der groote Mogols ; als ook een keurlyke verhandeling van ’t wezentlykste, dat men behoort te weten van Choromandel, Pegu, Arracan, Bengale, Mocha, Persien, Malacca, Sumatra, Ceylon, Malabar, Celebes of Macassar,
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Auch wenn diese Reise nicht in Handelsprivilegien mündete, war sie doch ein publizistischer und kultureller Erfolg, der noch jahrhundertelang das europäische Chinabild bis hin in die materielle Kultur prägen sollte. Nieuhofs Reisebericht befriedigte das europäische Interesse und auch die Neugier an diesem weitgehend unbekannten Land. Die Publikation vermittelte einen aktuellen Bericht über die Zustände im Reich der Mitte und die mehr als 150 Illustrationen gaben dem Leser auch eine anschauliche Vorstellung. Das Buch wurde bereits kurz nach seiner Veröffentlichung übersetzt ; zunächst ins Deutsche, dann folgten englische, französische und lateinische Ausgaben. Der Erfolg Nieuhofs erklärt sich aus dem Anschein eines unmittelbaren Augenzeugenberichtes ebenso wie aus den Illustrationen. Bisher hatten sich die Publikationen über China in der Regel auf zahlreiche Berichte der Missionare gestützt oder diejenigen weniger Reisender kompiliert. Es gab durchaus wichtige Werke, wie die von Matteo Ricci und vor allem den erwähnten Atlas von Martino Martini, aber die meisten jesuitischen Berichte waren von missionarischen Erfolgsnachrichten der Societas Jesu durchtränkt und von dieser zensiert. Dagegen macht Nieuhofs Buch einen frischen Eindruck und lässt den Leser China durch die Brille eines europäischen Reisenden miterleben. Vor allem der erste Teil des Buches, der über Nieuhofs Reise von Kanton nach Peking berichtet, strahlt eine Unmittelbarkeit aus, obwohl der Autor in seinen Informationen zur Geographie und Geschichte Chinas Anleihen bei Nicholas Trigault und dem Atlas Martinis nimmt. So reist der Leser mit Nieuhof mit und kann sich auch durch die Abbildungen einer Vorstellung von den durchreisten Orten machen : Wir gingen diesen Tag / wiewoll mit rudern oder ziehen gegen den Strom / zimlich fort / daß wir auff den spaeten Abend das feine Dorff Sahu erreichten. Selbiges Dorff ist zwar
nicht gar groß / noch beruehmt / jedoch ueberaus zierlich und anmuhtig anzusehen. Es
lieget etwas 6 Stunden von Kanton, auff einem sehr fruchtbahren flachen Lande / und
ist rings umbher mit Baeumen / Huegeln / Reis-Acker / und anderm fetten Grunde umbgeben. Man findet darin unterschiedene / des Orts Gelegenheit nach / fast große
Gebaue ; wiewol die uebrigen / und meisten / nur gemeine Bawrhaeuser seyn. Die EinChina, Japan, Tayouan of Formosa, Tonkin, Cambodia, Siam, Borneo, Bali, Kaap der Goede Hoop en van Mauritius. Te zamen dus behelzende niet alleen eene zeer nette Beschryving van alles, wat Nederlands Oost-Indiën betreft, maar ook ’t voornaamste dat eenigzins tot eenige andere Europeërs, in die gewesten, betrekking heeft. Met meer dan thien honderd en vyftig prentverbeeldingen verrykt. Alles zeer naaukeurig, in opzigt van de landen, steden, sterkten, zeden der volken, boomen, gewasschen, land- en zee-dieren, met alle het wereldlyke en kerkelyke, van d’oudste tyden af tot nu toe aldaar voorgevallen, beschreven, en met veele zeer nette daar toe vereyschte kaarten opgeheldert, Bd. 4, Dordrecht/ Amsterdam 1726, S. 30.
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57 Johan Nieuhof, Blick auf Sahu, 1666.
wohner dieses Dorffs sind mehrentheils Seydenweber / so das gantze Jahr durch / von
einer Zeit zur andern / allerhand Seydenzeug in großer Menge weben / davon das Dorff
große Nahrung hat. Allhie blieben wir/mit unser gantzen Flotte/die Nacht ueber liggen /
und fuhren des andern Tages / kurtz nach der Sonnen Auffgang / weiter fort. Heute war
unsere Fahrt annoch gluecklich / daß wir ein gut Stueck Weges hinter uns brachten. Aber den 19. dieses ward der Weg aerger/und die Reyse verdrießlicher : denn da konten wir die
Schiffe mit rudern und ziehen kaum fortbringen/ und endlich nicht weiter / biß vor die Stadt Xanxui kommen / da wir die Anker fallen liessen.25
Die prosperierende Landschaft und der Gewerbefleiß der Seidenweber werden dem Leser gleichsam als Vorbild vorgeführt. Und Nieuhof übernimmt die Reisestrapazen gerne, um das Land kennenzulernen und darüber zu berichten. Im zweiten Teil des Werkes baut Nieuhof dann seinen Text weiter zu einem landeskundlichen Überblick über China mit vielfältigen Informationen für den euro25 Joan Nieuhof : Die Gesandtschaft der Ost-Indischen Gesellschaft in den Vereinigten Niederländern an den Tartarischen Cham und nunmehr auch Sinischen Keiser : verrichtet durch die Herren Peter de Gojern und Jacob Keisern ; darinnen begriffen die aller märkwürdigsten Sachen, welche ihnen auf währender Reise vom 1655. Jahre bis in das 1657. aufgestoßen, Amsterdam 1666, S. 66 – 67 (https:// digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/nieuhof1666/0011, letzter Zugriff : 12.03.2021).
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päischen Leser aus. Besonders attraktiv sind die Illustrationen, die Nieuhof als Augenzeuge gewonnen haben will. Einige grundlegende Kenntnisse als Zeichner waren hierfür von Nöten. Aber auch hierin unterscheidet sich Nieuhof von älteren Publi kationen, die bekannte traditionelle Abbildungen immer wieder recycelten, ohne genaue Vorstellungen über das zu haben, was sie wiederholt publizierten. Nieuhof will seine Illustrationen nach dem Leben in China gezeichnet haben und in der Tat, auf den ersten Blick erscheinen sie innovativ und neu im Vergleich zu älteren Reise berichten. Die Glaubwürdigkeit von Nieuhofs Angaben wurde dennoch diskutiert, zumal die Reisenden des 17. Jahrhunderts – wie Engelbert Kaempfer – immer wieder die Verlässlichkeit eigener und die Unglaubwürdigkeit anderer Berichte hervorhoben. Andere VOC-Gesandte, wie Vincent Paets oder Isaac Titsingh, der 100 Jahre später eine VOC-Gesandtschaft nach China leitete, fanden dagegen, dass Nieuhof China zu positiv gezeichnet habe. Vor dem Hintergrund solcher Fragen haben die Kunsthistoriker*innen Dawn Odell und Reindert Falkenburg sowie der Historiker Leonard Blussé den Entstehungsprozess des Buches untersucht und festgestellt, dass der Amsterdamer Publikation bei van Meurs mehrere Manuskripte vorausgingen, die Nieuhof nach seiner Rückkehr 1658 in den Niederlanden, u. a. für die Heeren XVII, angefertigt hatte. Eines dieser Manuskripte, das Blussé in Paris entdeckte, gibt Aufschluss über den Entstehungsprozess und insbesondere über die Authentizität der Zeichnungen und Kupferstiche.26 So fertigte Nieuhof vor Ort Zeichnungen mit Bleistift und Kreide sowie Aquarelle über das Leben in China an. Hierzu gehörten Landschaften, Stadtansichten, Schiffe, Pflanzen und natürlich auch die Kleidung der Einheimischen. Einen Teil davon überarbeitete Nieuhof nach seiner Rückkehr mit Feder und Tinte. Dabei verfeinerte er die Zeichnung, um klarer zu zeigen, was er gesehen hatte bzw. an was er sich erinnerte, d. h. er passte seine Rohzeichnungen schon einem vermeintlichen Publikum an, und die Kupferstecher gingen noch einen Schritt weiter. Die Kupferstiche folgen weitgehend den ersten Zeichnungen, jedoch haben die Kupferstecher einige Details ergänzt, z. B. bei der Stadtansicht von Nanking. Hier finden wir zusätzlich blühende Bäume und Menschen, ebenso eine Palme, die in der Originalzeichnung fehlt.27
26 Jing Sun : The Illusion of Verisimilitude. Johan Nieuhof ’s Images of China, Leiden 2013, S. 4 – 38 ; Leonard Blussé/Reindert Falkenburg : Johan Nieuhofs beelden van een Chinareis, 1655 – 1657, Middelburg 1987. Dawn Odell : The Soul of Transaction. Illustration and Johan Nieuhof ’s Travels in China, in : Bostoen, Karel/Kolfin, Elmer/Smith, Paul J. (Hg.) : »Tweelinge eener dragt«. Woord en beeld in de Nederlanden (1500 – 1700), Verloren 2001, S. 223 – 242. 27 Sun : The Illusion of Verisimilitude, S. 30 – 31, 282 – 288.
Niederländische Gesandtschaften nach China
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Die Neugier der Leser und den Bedarf an exotischen Bildern zu befriedigen war das Ziel der Kupferstecher und Verleger. Dabei ging es nicht um genaue topographi sche Informationen oder Exaktheit im Detail. Entsprechend löste Nieuhofs China- Buch weitere Publikationen über China aus, Athanasius Kirchers »China Illustrata« (1667) und vor allem Olfert Dappers »Gedenkwaerdig Bedryf der nederlandsche Oost-Indische Maetschappye op de Kuste en in het Keizerrijk van Taising of Sina« (1670) (Gedenkwürdige Verrichtung der Niederländischen Ost-Indischen Gesellschaft in dem Kaiserreich Taising oder Sinischen Reich) wären hier zu nennen. Mit der Veröffentlichung von Dappers Buch versuchte der Verleger van Meurs von der China-Konjunktur zu profitieren, die er mit der Nieuhof-Veröffentlichung ausgelöst hatte. Dapper schilderte zwei nachfolgende niederländische Gesandtschaften nach China (1662 – 1663, 1666 – 1667), die er mit einer Landesbeschreibung verband. Da Dapper nie in China gewesen war, war er auf Berichte aus zweiter Hand und die ältere Literatur angewiesen. Die Illustrationen beruhen u. a. auf den Zeichnungen, die ein Mitglied der Gesandtschaft von 1666 – 1667, Pieter van Doornik, geschaffen hatte. Daneben nutzten die Kupferstecher Bildquellen aus älteren Werken, wobei »Sitten und Gebräuche der Chinesen« besondere Aufmerksamkeit fanden. Außerdem wurden Motive Nieuhofs von den Kupferstechern als Versatzstücke verwendet und ausgeschmückt sowie Details von Nieuhofs Beobachtungen grundlegend verändert. Die Authentizität spielte also im Gegensatz zu Nieuhof nunmehr keine große Rolle, vielmehr ging es um den prachtvollen exotischen Reisebericht, den Jacob van Meurs zur Geschäftsidee seines Verlages erhoben hatte.28 Sowohl Nieuhof als auch Dapper waren in Amsterdam gut vernetzt und wurden von dem Amsterdamer Bürgermeister und VOC-Direktor Nicolaas Witsen gefördert, dem sie – wie zahlreiche Autoren – ihre Werke widmeten. Witsen sammelte, wie so viele andere Dinge, auch chinesische Bücher, Drucke und Karten. Er verlieh seine Bücher an Autoren und nutzte auch z. B. Nieuhofs Abbildungen für eigene Publikationen, wie die »Architectura navalis« (1690).29 Nieuhofs und Dappers China-Bilder lösten die europäische Chinabegeisterung mit aus, die in der Kunst mit der sog. Chinoiserie ihren Ausdruck fand. Die Bilder aus Nieuhofs »Gesandtschaft« setzten den Standard für die visuelle Vorstellung von China und fanden ihren Niederschlag in der Dekoration der Häuser, von den 28 Ulrichs : Johan Nieuhofs Blick, S. 105 – 125. 29 Ebd.: S. 134 – 136 ; Marion H. Peters : De wijze koopman. Het wereldwijde onderzoek van Nicolaes Witsen (1641 – 1717), burgemeester en VOC-bewindhebber van Amsterdam, Amsterdam 2020, S. 303 – 339. Siehe oben.
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Möbeln bis zum Porzellan und ebenso in der Architektur.30 Vor allem die europäi schen Herrscher liebten chinesische Räume. So ließ Friedrich III. von Dänemark in Schloss Rosenborg in den 1660er Jahren ein Turmzimmer als ein Lackkabinett mit Türkis- und Perlmutt-Intarsien einrichten, für die der Niederländer Francis de Bray verantwortlich zeichnete.31 Nieuhofs Darstellungen chinesischer Pagoden wurden vielfältig in Europa nachgebaut, z. B. in Kew Gardens, aber auch in Münchens Englischem Garten und in Schloss Sanssouci, wo sie als »Chinesische Teehäuser« firmieren. In den Niederlanden selbst verewigten einheimische Kunsthandwerker Nieuhofs Motive auf Fliesen der Delfter Fayence. Französische Tapisserienwerkstätten verarbeiteten, ähnlich wie die Gemälde Eckhouts, Darstellungen aus China und stützten sich dabei auf Nieuhof. Auch Jan van Kessel nutzte in seinem bereits erwähnten »Erdteile-Zyklus« für das Asiengemälde Motive Nieuhofs.32 Nieuhofs Illustrationen, die bereits auf ein europäisches Publikum ausgerichtet waren, wurden auf diese Weise weiter remedialisiert. Dabei ersetzten die Künstler die Imitationen und das Nachempfinden der China-Bilder durch die Produktion eines eigenen europäisch-chinesischen Stiles. Nieuhofs Bilder können dabei als »Prototypen der Chinoiserie« angesehen werden.33
11.5 Tee und die Neuausrichtung des niederländischen Chinahandels Der Teekonsum in Europa veränderte die Ausrichtung aller europäischen Handelskompanien in China. Im 18. Jahrhundert konzentrierten sich immer mehr Handelskompanien auf den direkten Kontakt mit China und den einzigen Exporthafen Kanton. Die Niederländer, die lange Zeit ihren Tee durch die Vermittlung chinesischer Händler und Dschunkenkapitäne in Batavia bezogen hatten, sahen sich zu einer Neuorganisation ihres Handels gezwungen. Nachdem die chinesischen Herrscher das Verbot des maritimen Außenhandels endgültig aufgehoben hatten, errichteten auch die Niederländer 1727 eine Handelsniederlassung (einen sog. Hong) in Kanton. Ein Jahr später nahm die Kompanie den direkten Schiffsverkehr zwischen den Niederlanden und Kanton auf. Die Handelssaison dauerte gewöhnlich von August 30 So beruft sich Johann Bernhard Fischer von Erlach in seiner Architekturgeschichte »Entwurff einer Historischen Architektur« (Leipzig 1725) auf die Abbildungen aus Nieuhofs Werk. Freundlicher Hinweis von Kristoffer Neville. 31 Elsa Dikkes : The «Chinese Tower Room« in Rosenborg Castle (1663 – 65) and the Dynamics of Transculturation in Seventeenth-Century Europe, Master thesis Universiteit Amsterdam 2018. 32 Ulrichs : Johan Nieuhofs Blick, S. 142 – 143. 33 Sun : The Illusion of Verisimilitude, S. 280.
Tee und die Neuausrichtung des niederländischen Chinahandels
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bis Januar, da die Schiffe vor der Umkehr der Monsunwinde im Februar nach Europa zurückzukehren versuchten. Die Vertreter der VOC blieben in dieser Zeit des ruhenden Geschäftes entweder in Kanton oder besuchten ihre Familien in Macao. 1756 etablierten die Heeren XVII in Amsterdam ein China-Komitee zur Reorganisation des Handels mit Asien und förderten damit die direkte Schifffahrt zwischen den Niederlanden und Kanton unter Umgehung Batavias. Denn schon längst hatten hier die europäischen Konkurrenten, wie Briten, Dänen und Schweden, die Oberhand gewonnen. Die Briten erlangten einen Preis- und Qualitätsvorteil, weil sie den Tee schneller als die Niederländer auf den europäischen Markt bringen konnten. Außerdem war die Umladung des Tees in Batavia seiner Qualität abträglich. Durch die Umstellung auf den direkten Schiffsverkehr behaupteten die Niederländer bis die 1790er Jahre jedoch einen Marktanteil von 20 % für Tee in Europa.34 In Kanton passten sich die Niederländer dem dortigen Handelssystem an. Der europäische Handel war strikt reguliert und der Spielraum der Europäer eingeschränkt. Das System war die Idee der hohen Mandarine in Kanton, die damit den Teehandel monopolisierten und den Einfluss der Europäer unter Kontrolle halten wollten. Die Beziehungen zu den Europäern wurden von den sog. Hong-Kaufleuten und ihren Dolmetschern beherrscht. Jede Handelskompanie musste daher einige dieser Hong-Kaufleute engagieren, die als Sicherheit für die Zahlung der Zolltarife hafteten. Diese Kaufleute waren ebenfalls verantwortlich für das Benehmen der Ausländer. Mit ihren Partnern mussten die Niederländer dann den Kauf und Verkauf der Waren aushandeln. Auf diese Weise entstand in Kanton eine spezielle Handelskultur. Eine interkulturelle Kompetenz in Bezug auf Vorstellungen, Einstellungen und Praktiken der Handelspartner sowie die Teilnahme an chinesischen Festivitäten war Voraussetzung für vertrauensvolle Handelskontakte. Wie in Japan achteten die Verantwortlichen der VOC-Niederlassung streng auf die Einhaltung der lokalen Handelsregeln und der chinesischen Gesetze. Vor allem versuchten die Niederländer, langfristige Beziehungen zu den einheimischen Kaufleuten aufzubauen. Dies erschien insbesondere in der Konkurrenzsituation mit den anderen europäischen Kompanievertretern essenziell. Aber auch hier war man auf Kooperation angewiesen, so dass selbst während des Vierten Englisch-Niederländischen Krieges die Vertreter der VOC mit den englischen Kollegen im Gespräch blieben.35 34 Hierzu grundlegend Yong Liu : The Dutch East India Company’s Tea Trade with China, 1757 – 1781, Leiden 2007. 35 Yong Liu : The Commercial Culture of the VOC in Canton in the Eighteenth Century, in : Haneda, Masashi (Hg.) : Asian Port Cities 1600 – 1800. Local and Foreign Cultural Interactions, Singapore/
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Mit der Kommerzialisierung des Austausches mit China durch die Präsenz in Kanton veränderte sich gleichfalls die künstlerische Produktion. Dies fiel zusammen mit einem ästhetischen Wandel in Europa. Während dort die Chinoiserie in der Barockzeit und im Rokoko ihren Höhepunkt erlebt hatte, galt sie in der folgenden klassizistischen Periode als unmodern. Ein Interesse an China blieb aber bestehen, statt »europäischer« Chinoiserien erwarben jetzt die europäischen Kaufleute »echte« chinesische Objekte und insbesondere Gemälde. Es entstand ein Markt für chinesische Kunst, der durch die Produktion sog. chinesischer Exportgemälde (»China-Trade-Paintings«) in Kanton befriedigt wurde. In Kanton bildete sich eine Malerkolonie, die ausschließlich für den Export auf den europäischen und amerikanischen Markt arbeitete. Die Bilder sind unsigniert, obwohl die Maler durchaus individuelle Malstile nutzten. Sie versuchten Kapitäne und Kaufleute in ihre Ateliers zu locken, um Porträtaufträge zu erhalten. Aber auch auf dem Markt konnte man anonyme chinesische Gemälde erwerben, und die chinesischen Hong-Kaufleute stellten ebenfalls Bilder chinesischer Künstler zum Verkauf aus. Wenn westliche Kaufleute und Kapitäne ihre chinesischen Partner besuchten, fanden sie gleichfalls Gemälde vor, die sie dann als Erinnerungsstücke erwarben. Insgesamt bestimmte der westliche Geschmack die lokale Produktion in Kanton. Ölgemälde und Aquarelle waren ebenso darunter wie die sog. Hinterglasgemälde, die wir in den Inventaren überall in der Welt finden. Wie die europäische Chinoiserie vom Nachempfinden chinesischer Motive gelebt hatte, so bezogen die chinesischen Maler in Kanton europäische Gegenstände und lokale Szenen in ihre Darstellungen ein. Neben chinesischen Landschaften waren vor allem die Ansichten Kantons, insbesondere die Darstellung der verschiedenen europäischen Handelsniederlassungen mit ihren Flaggen, ein beliebtes und in Europa nachgefragtes Motiv.36 Aber auch die Gemälde chinesischer Personen sowie von Flora und Fauna wurden von den Europäern gerne erworben. Das Interesse an der chinesischen Exportkunst blieb aber nicht auf Kanton und auf die späteren Vertragshäfen beschränkt. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wirkten in Macao, Batavia oder Manila gleichfalls chinesische Maler, die die lokale Kundschaft ebenso wie die Kaufleute mit Ölgemälden und Aquarellen erfreuten.37 In größeren Mengen konnten Gemälde auch von Europa aus bei chinesischen Künstlern bestellt werden. Kyoto 2009, S. 43 – 62. 36 Rosalien H. M. van der Poel : Made for Trade – Made in China. Chinese Export Paintings in Dutch Collections. Art and Commodity, Dissertation Universiteit Leiden 2016. 37 Ebd.: S. 65 – 106.
Tee und die Neuausrichtung des niederländischen Chinahandels
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58 Ein Hinterglas-Exportbild der 13 Faktoreien in Kanton (Guangzhou), ca. 1820.
Ein gutes Beispiel ist der niederländische Kaufmann und Amateursinologe Jean Theodore Royer, der seit den 1770er Jahren den größten Teil der Gemälde für sein China-Museum in Den Haag in Kanton orderte. Royer reiht sich in die Gruppe der niederländischen Asiatika-Sammler ein, die wir bereits mit den ehemaligen VOC-Bediensteten Jan Cock Blomhoff und Johannes Frederik van Overmeer Fisscher als Japan-Enthusiasten kennengelernt haben. Anders als diese hatte der Jurist Royer Asien und insbesondere China nicht besucht. Dennoch verwendete er einen großen Teil seiner Zeit darauf, die chinesische Sprache zu studieren und Einblicke in die chinesische Kultur zu gewinnen. Das Lernen fremder Sprachen fiel ihm leicht, er zeichnete gerne und sammelte Zeichnungen und Grafiken im großen Stil. Um einen Eindruck von China zu gewinnen, wollte er sich von den jesuitischen Berichten unabhängig machen und die Sprache studieren. Dazu kompilierte er selbst aus verschiedenen Wörterbüchern sein eigenes Lexikon und nahm Kontakt mit Dolmetschern in China auf. Einer davon, Carolus Wang, schickte Royer chinesische Schulbücher für Kinder als Lehrmaterial und Informationen über Buchstaben und Aussprache. Über einen VOC-Bediensteten kam er zudem mit dessen chinesischem Diener in Kontakt, der 1775 für zwei Wochen bei Royer einzog und ihm beim Lernen der Sprache ebenso half, wie er auch die Objekte in Royers Museum erläuterte. Die Royersche
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59 Anonym, Plakette mit der Darstellung des Besuchs eines Mandarins, aus der Sammlung von Jean Theodore Royer, ca. 1770 – 1775.
Sammlung sollte einen Einblick in das Leben der Chinesen geben. Hierbei interessierten Royer vor allem die gebildeten Chinesen, die Literati, die die verschiedenen Beamtenexamen absolviert hatten und dafür die klassische chinesische Literatur und Kunst studiert hatten. Nach seinem Tod vermachte Royers Witwe die Sammlung im Jahr 1814 dem zukünftigen König Wilhelm I. So gelangte die Royersche Sammlung als wichtiger Bestand in das 1816 gegründete »Koninklijk Kabinet van Zeldzaamheden« (Königlichen Kuriositätenkabinett).38
38 Jan van Campen : De Haagse jurist Jean Theodore Royer (1737 – 1807) en zijn verzameling Chinese voorwerpen, Hilversum/Verloren 2000.
Fazit
Die vorliegende Studie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Rolle und Rezeption der niederländischen Malerei und materiellen Kultur in jenen Weltgegenden zu untersuchen, in denen Niederländer in der Frühen Neuzeit handelten und lebten. Dazu mussten für jede Region auch die Beziehungen zu der einheimischen Bevölkerung und natürlich zu den lokalen Fürsten analysiert werden, denn jene bestimmten die Rezeption der Kunst. Insgesamt scheint die niederländische kulturelle Prägung im Ostseeraum am intensivsten gewesen zu sein. Das mag kaum überraschen, lag die Ostsee geographisch deutlich näher als die anderen Regionen. Neben diese Nähe trat die immense Dichte von Handelskontakten. Allein für die Ostsee lässt sich geradezu von einer »Niederlandisierung« sprechen. Träger dieses Prozesses waren nicht wie in Amerika oder Asien die großen Handelskompanien, sondern Bauern, Handwerker, Kaufleute und Künstler. In den untersuchten Regionen überquerten die Kaufleute als Erste die Meere, und die Waren und kulturellen Güter, die sie brachten, veränderten die sie empfangenden Gesellschaften ebenso, wie sich die Bedeutung dieser Güter im Austauschprozess wandelte. Ihre Rezeption prägte die Mentalitäten von Kaufleuten, Handelspartnern, Abnehmern und Konsumenten. Einheimische Handwerker, Künstler und Gelehrte nahmen die neuen Ideen auf, verarbeiteten sie, vermittelten sie weiter und lösten damit weitreichende Medialisierungsprozesse aus. Ein gutes Beispiel dafür ist die niederländische Präsenz in Brasilien. Hier waren sowohl die indigene Bevölkerung als auch die portugiesischen Eliten im Gabentausch mit der niederländischen materiellen Kultur konfrontiert, für die sie im Austausch Federn, Papageien und seltene Pflanzen schenkten. Die Gaben gelangten im Bild wie in natura in die Niederlande. Gleichzeitig führte die Interaktion mit Teilen der einheimischen Bevölkerung zur bildlichen Erforschung von Flora und Fauna ebenso wie der brasilianischen Landschaft. Die vielfältigen medialisierten Porträts der Einwohner Brasiliens schließlich verankerten ein spezifisches Brasilienbild im europäischen kulturellen Gedächtnis. Vergleichbar ist die Medialisierung Surinams mit Hilfe der Pflanzen- und Insektenbilder Maria Sibylla Merians, die in Europa remedialisiert wurden. In Surinam und Curaçao, wohin sich vor allem die jüdische Bevölkerung Brasiliens aus Furcht vor der portugiesischen (Re)katholisierung begeben hatte, blieb die materielle Kultur der niederländischen, jüdischen und hugenottischen Haushalte ebenso wie die der
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freien Schwarzen europäisch-niederländisch. Einheimische Gegenstände, wie Hängematten und »indianische« Wasserkrüge, wurden geschätzt und die Wände mit Pfeil und Bogen dekoriert. Die jüdische Bevölkerung verfügte außerdem zu Hause über Sabbatlampen und Chanukka-Leuchter und die Synagogen waren reich mit liturgischen Geräten aus Silber ausgestattet. Durch die Ausschmückung der Wohnräume mit Gemälden, Drucken und Karten schufen die Hausbesitzerinnen eine gesellige Atmosphäre, die auch vom gemeinsamen Spiel lebte. Zu den Gemälden kamen Landkarten von Surinam und Ansichten von Paramaribo oder einzelnen Plantagen, die ein Gefühl von lokaler Zugehörigkeit erzeugten. Im Vergleich zu Surinam und Curaçao erscheinen die Neuen Niederlande stärker holländisch geprägt, obwohl vor allem in Neu Amsterdam intensiv mit asiatischen Textilien gehandelt wurde und niederländische Übersiedler Güter, Einrichtungsgegenstände und Erinnerungsstücke an den Hudson brachten. Über Nachlassversteigerungen erreichten sie – wie überall in den Siedlungen der Handelsgesellschaften – große Teile der lokalen Gesellschaft. Obwohl der Markt hier eine Vielzahl globaler kultureller Güter anbot, war es aber ein weiterer Schritt, diese in den Haushalt zu integrieren. So präferierte man im Hudson Valley, auch nachdem die Neuen Niederlande englisch geworden waren, durchaus ein Mobiliar mit lokalem Kolorit. Darüber hinaus entstand um 1700 durch eingewanderte Niederländer eine lokale Porträtkunst, von deren Angeboten die führenden neuniederländischen Familien Gebrauch machten. Ansonsten spielten individuelle Vorlieben und Erinnerungen bei der Einrichtung wie der Rezeption von Kunst eine Rolle, zumal die WIC im Atlantischen Raum weniger künstlerische Impulse setzte als die VOC in Asien. Auch hier variierten die Austauschbedingungen sowie die Interaktion mit den lokalen Gesellschaften. Während die VOC am Kap oder in Batavia den ökonomischen Austausch bestimmen konnte, gestalteten sich die Beziehungen mit den großen Höfen Indiens und Persiens oder mit dem in Japan gänzlich anders. In Japan waren die Niederländer auf Deshima isoliert und verpflichtet, jährlich eine Delegation zu entsenden, um dem Shōgun in Edo zu huldigen und Tribut zu entrichteten. Formen der Vermittlung bzw. der Rezeption veränderten sich nicht nur mit der Zeit und von Ort zu Ort, sondern auch abhängig davon, ob sie Architektur, Skulptur, Malerei, Drucke oder Objekte der materiellen Kultur betrafen. In Batavia wurden, wie überall, die europäischen Praktiken an die lokalen Gegebenheiten angepasst. In diesem Hauptstützpunkt der VOC trafen viele verschiedene Kulturen aufeinander. Obwohl die Niederländer in Batavia (wie später auch in Formosa, Galle oder Kapstadt) die gleichen städtebaulichen Prinzipien verwendeten, unterschied sich das Erscheinungsbild der Bauten in Batavia deutlich von dem ihrer
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niederländischen Vorbilder. Die Häuser wurden verputzt und die Dächer mit breiten Überhängen versehen, um sie vor Hitze und tropischen Regenfällen zu schützen. Die Schöpfer dieser lokalen Architektur waren auch die Protagonisten einer neuen »niederländisch-indischen« Wohnkultur, die uns die Aquarelle von Jan Brandes plastisch vor Augen führen. Jene verdankt ihr Entstehen in vielen Fällen dem Zusammenwirken des niederländischen Hausbesitzers und seiner einheimischen Partnerin, die von ihrem chinesischen Aufseher sowie von chinesischen und javanischen Bauhandwerkern unterstützt wurden. Chinesische und muslimische Haushalte integrierten demgegenüber durch niederländische Vermittlung einzelne fremde Dekorationselemente, wie friesische Uhren und Spiegel oder Bilder, in ihr Wohnumfeld. Auch chinesische Dekorationsstile wurden in Batavia schon früh von den europäischen Mitgliedern der Stadtgesellschaft rezipiert, denn die Europäer kauften und zeigten chinesische Kulturgüter aller Art. Dazu gehörten nicht nur Gemälde, sondern auch Porzellan, Lampions und Möbel. Bereits in den 1620er Jahren entstand in Batavia ein ansehnlicher Markt für chinesische Kunstobjekte ; bezeichnenderweise war dies ein Geschmack, der sich in den Niederlanden erst um 1700 manifestierte, als chinesische Gemälde in einigen der reicheren Sammlungen auftauchten. In Batavia wurden diese Objekte wahrscheinlich direkt von den dort zahlreich lebenden Chinesen und indirekt auf Auktionen chinesischer Haushalte erworben, auf denen auch muslimische Einwohner z. B. dekorierte Vogelkäfige ersteigerten. Die Kapstädter schätzten ebenfalls chinesische und niederländische Kunst und frönten gleichzeitig dem Genuss des Betel-Kauens. Andere, oft ähnliche Kräfte der Vermittlung sind in kleineren Orten wie Galle auf Ceylon zu erkennen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erwarben hier Singhalesen und muslimische Händler Tee und entsprechendes Zubehör (japanische Teekessel), Spielkarten und Drucke. Sie schienen damit einem niederländischen Lebensstil nacheifern zu wollen. Darüber hinaus regten Objekte, die auf Nachlassauktionen in Ceylon verkauft wurden, einheimische Möbeltischler an. Ähnlich wie sich in Japara auf Java einige Werkstätten auf die Herstellung von Stühlen im französischen Rokokostil und chinesischer Truhen spezialisierten und diese exportierten, waren auch singhalesische und tamilische Möbelhersteller in Ceylon kreativ und produktiv. Ihre Erfindung des sog. Bürgermeisterstuhles wurde auch innerhalb des Handelsnetzes der VOC verbreitet und nachgeahmt. Die sich auf diese Weise ergebenden kulturellen Verflechtungen könnten erklären, wie einzelne dekorative Motive zirkulierten. Auch hier scheinen VOC-Kaufleute als Vermittler gewirkt zu haben. In diesem Fall trugen sie dazu bei, dass die auf Grabsteinen, Schränken, Chintz und Silberwaren verwendeten Motive in der gesamten Region verbreitet wurden. Niederländische Grabsteine, die von Sadras an der Koro-
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mandelküste nach Batavia und andere Orten in Südostasien verschifft wurden, tragen dieselben floralen Bordüren wie Möbel aus Batavia im späten 17. Jahrhundert. Im Umgang der VOC mit den Höfen verlief der Austausch anders. Die VOC schenkte den Herrschern Gemälde, und sie entsandte auch Maler. Das Mogulreich erhielt in der Tat westeuropäischen künstlerischen »Input« über mehrere verschiedene Kanäle. Jesuitenmissionare konfrontierten den Mogulhof – ebenso wie den chinesischen Kaiserhof – mit europäischer religiöser Kunst ; Stiche und gedruckte Bücher mit Frontispiz und Illustrationen stellen wichtige Medien dar. Diese waren hauptsächlich von niederländischen Druckern oder Verlegern hergestellt oder in Auftrag gegeben worden. Sie ließen sich leicht in einen lokalen Kontext einfügen, wie ihn die Mogul-Alben boten, weil der Mogulhof davon ausging, dass sie ähnliche Qualitäten besaßen wie die Gemälde und Kalligraphien persischer oder indischer Künstler, die den Großteil der kaiserlichen Sammlungen ausmachten. Die Niederländer brachten Bilder und Drucke aber auch an anderen indischen Höfen in Umlauf, so an denen der Rajput-Herrscher. In Rajasthan integrierten einheimische Maler auf diese Weise europäische Bildelemente in die lokale Kunstproduktion. Ein solches Phänomen bezeichnen manche Kunsthistoriker*innen in der Nachfolge Homi Bhabhas als Hybridisierung. Sie suggerieren damit das Verschmelzen zweier distinkter Kulturen und ignorieren so die Tatsache, dass jede Art von Kunst bereits in sich hybrid ist.1 Wir sollten uns daher derartige Formen der künstlichen Produktion als transkulturelle Remedialisierungsprozesse vorstellen, in denen Künstler vielfältige Elemente und Traditionen in einem neuen Medium zusammenführten bzw. daraus ein neues Medium erschufen.2 Ähnliche Remedialisierungen charakterisieren die Rezeption der niederländischen Malerei in Japan. Nach der Aufhebung des Verbotes der Einfuhr westlicher Bücher nach Japan im Jahre 1720 durch den Shōgun Yoshimune erfasste eine Welle des Interesses an der niederländischen Kultur Japan. Die Nachahmung von holländischen Dingen wurde sogar zu einer Art »Hollandomanie«. Ein wichtiges Zeichen dafür ist die Produk1 Homi K. Bhabha : The Location of Culture, London/New York 1994. Zur Kritik siehe Carolyn Dean/Dana Leibsohn : Hybridity and its Discontents. Considering Visual Culture in Colonial Spanish America, Colonial Latin American Review 12.1 (2003), S. 5 – 35. 2 Wolfgang Welsch : Transkulturalität. Realität – Geschichte – Aufgabe, Wien 2017 ; Wolfgang Welsch : Transculturality – The Puzzling Form of Cultures Today, in : Featherstone, Mike/Lash, Scott (Hg.) : Spaces of Culture. City, Nation, World, London 1999, S. 194 – 213 ; Astrid Erll : Circulating Art and Material Culture. A Model of Transcultural Mediation, in : Kaufmann, Thomas DaCosta/North, Michael (Hg.) : Mediating Netherlandish Art and Material Culture in Asia, Amsterdam 2004, S. 321 – 328, hier S. 325 – 326.
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tion von ranga, Gemälden in westlicher Manier, insbesondere durch die Akita-ranga- Schule. Das japanische Interesse an »Holländischen Studien« (ran-gaku) wurde dadurch befriedigt, dass niederländische Mitglieder der VOC-Faktorei auf Deshima den Japanern zunehmend niederländische Bücher schenkten. In einem solchen Buch entdeckte der japanische Künstler Shiba Kōkan Methoden zur Herstellung von Kupferstichen und Radierungen. Perspektivische Drucke, die Straßenansichten und das Innere von Kabuki-Theatern darstellen, tauchten in den 1760er Jahren in Edo auf, vielleicht auch als ein weiteres Ergebnis der Rezeption niederländischer Drucke. Westliche Medien (Bücher und Drucke) erwiesen sich also sowohl für die Etablierung der japanischen Kunsttradition des ranga als auch für das Sujet der ukiyo-eFarbholzschnitte wichtig. In China sah die Situation wiederum völlig anders aus. Hier hatten sich die Niederländer zuerst auf Formosa niedergelassen, aber allein wenige Objekte, die sie selbst in ihren Forts benutzt hatten, wie Pfeifen und Keramik, sowie interessanterweise die Stäbe, die sie als Zeichen ihres Amtes mitbrachten, wurden Bestandteil der einheimischen materiellen Kultur. Umgekehrt zeitigten die Versuche der VOC, im Reich der Mitte Handelsprivilegien zu erhalten, lang anhaltende publizistische Erfolge in Europa, die in Gestalt von Nieuhofs Gesandtschaftsbericht das europäische Chinabild nachhaltig prägten. Daneben wurden niederländische Drucke durch jesuitische Vermittlung von chinesischen Malern rezipiert, die dadurch ebenfalls Verständnis für perspektivische Darstellungen gewannen. Insgesamt waren die Rezeption und die Interaktion mit einheimischen Künstlern vielfältig verflochten. Dies betraf nicht nur die chinesische Landschaftsmalerei, sondern auch die japanischen ukiyo-e-Farbholzschnitte, die wiederum unter europäischen Malern im 19. Jahrhundert eine Begeisterung für den Japonisme entstehen ließen. Rembrandts Mogul-Zeichnungen sind ebenfalls ein Beleg für reziproke Austauschprozesse, die aber auch das Werk Maria Sibylla Merians ebenso wie die Zeichnungen des Zacharias Wagener kennzeichnen. Hierbei ist die Vielzahl der lokal tätigen Künstler bemerkenswert, von denen wir zwar aus den Quellen die Namen kennen, aber keine Bilder zuweisen können und umgekehrt. Dies trifft gleichermaßen auf Möbeltischler, Holzbildhauer und Keramiker zu. Überall, wo Niederländer lebten oder Handel trieben, finden wir einen einmaligen Bilderreichtum als Ausdruck der spezifischen Kunstproduktion des Goldenen Zeitalters. Ein Blick auf die britischen Siedlungsgebiete ist in diesem Kontext aufschlussreich. Erst als britische Maler das aus der niederländischen Genremalerei adaptierte Conversation piece im ausgehenden 18. Jahrhundert in einigen ihrer kolonialen Besitzungen einführten, entstand partiell eine vergleichbare visuelle Kultur.
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Dies gibt zum Abschluss Gelegenheit, über die Bedeutung der Kunst und materiellen Kultur für das niederländische Handelsimperium insgesamt nachzudenken. In den letzten Jahren haben die visuelle Welt bzw. die Visualierungsstrategien der europäischen Kolonialreiche zunehmend Beachtung gefunden.3 Die Niederlande finden in dieser Diskussion aufgrund ihres geringen und am Ende des 18. Jahrhunderts sogar immer mehr abnehmenden Territorialbesitzes wenig Beachtung.4 Wir können die Niederlande, wenn überhaupt, als mediales Imperium verstehen, das durch die vielfältige künstlerische und verlegerische Produktion im 17. Jahrhundert Lesern und Betrachtern in aller Welt eine niederländische Weltsicht bot, die im 18. Jahrhundert aber zunehmend neutral und objektiv wurde. Was blieb, war die Faszination mit der materiellen Kultur, die global vermittelt und rezipiert wurde. Die Gegenden, in denen Niederländer handelten und lebten, waren Orte der transkulturellen Vermittlung.5 Durch Rezeption und Adaption erhielten die kommunizierten Bilder, Objekte und Praktiken in jedem Kontext eine neue Funktion. Diese konnte vom Geschenk oder Repräsentationsobjekt zur Handelsware und zum Einrichtungsgegenstand ebenso reichen, wie sie sich zum Sammlungsobjekt bzw. zum Medium persönlicher und familiärer Erinnerung wandelte. Wenn wir nach den Charakteristika des globalen Goldenen Zeitalters fragen, dann geht es wie bei der Globalgeschichte allgemein um Verbindungen, Vergleiche und Verflechtungen.6 Dabei standen in diesem Buch die Menschen im Mittelpunkt, die kulturelle Güter und künstlerische Ideen von einer Welt in die andere vermittelten. Der Vergleich der einzelnen Regionen zeigte ein weites Spektrum von Rezeptionsund Austauschbedingungen : vom Ostseeraum, wo die Niederländer dank ihrer ökonomischen Interessen auch das kulturelle Leben prägten, über Batavia oder Kapstadt, wo sie Macht ausübten, bis hin zu China, wo sie allenfalls visuell präsent waren. Aber selbst in Batavia folgte aus der Machtausübung keine kulturelle Dominanz, da sich 3 Martin Jay/Sumathi Ramaswamy (Hg.) : Empires of Vision. A Reader, Durham/London 2014. 4 Eine Ausnahme bildet der Beitrag von Benjamin Schmidt : Mapping an Exotic World. The Global Project of Dutch Cartography, circa 1700, in : Jay, Martin/Ramaswamy, Sumathi (Hg.) : Empires of Vision. A Reader, Durham/London 2014, S. 246 – 266. 5 Erll : Circulating Art and Material Culture, S. 321 – 328. 6 Michael North : Zwischen Hafen und Horizont. Weltgeschichte der Meere, München 2016, S. 11 – 14, Patrick O’Brien : Historiographical Traditions and Modern Imperatives for the Restoration of Global History, in : Journal of Global History 1 (2006), S. 3 – 39 ; Christopher A. Bayly : The Birth of the Modern World 1780 – 1914. Global Connections and Comparisons, Oxford 2004 ; Jürgen Osterhammel : Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, München 62020, 13 – 21. Vgl. auch Wolfgang Reinhard (Hg.) : Geschichte der Welt. Weltreiche und Weltmeere 1350 – 1750, München 2014 ; Maxime Berg (Hg.) : Writing the History of the Global. Challenges for the 21st Century, Oxford 2013.
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chinesische Dekorationsmuster als Alternativen anboten und sich vielfältige neue »niederländisch-indische« Praktiken herausbildeten. Die künstlerischen Aktivitäten waren eng verflochten, wobei persönliche Beziehungen der Künstler untereinander und auch mit ihren Auftraggebern und Kunden, aber vor allem die Medienrezeption eine zentrale Rolle spielten. Durch die vielfältigen Verflechtungen der kulturellen Rezipienten und Konsumenten entstand eine transkulturelle Geselligkeit oder Soziabilität, die vor allem von Frauen höchst unterschiedlicher Herkunft geschaffen wurde. In unseren Quellen haben wir u. a. Elisabeth Danforth in Paramaribo, Gracia Anthonia in Willemstad, Margrieta van Varick in Malakka und New York, Angela van Bengalen in Kapstadt, Asamie und Oey Tjoenko in Batavia oder Petronella Oortman in Amsterdam als Trägerinnen dieser neuen Soziabilität kennengelernt. Sie rezipierten und vermittelten Kunst und materielle Kultur, traten in Dialog mit allen Teilen der Welt und wurden so zu Protagonistinnen eines »langen« globalen Goldenen Zeitalters.
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This book investigates the role and reception of Dutch painting and material culture in those parts of the world where the Dutch traded and lived in the early modern period. For this purpose, the relations of the merchants to the local population and, of course, to the local princes must be analyzed for each region, because they determined the reception of the art. Overall, the Dutch cultural impact seems to have been most intense in the Baltic region. This may hardly be surprising, since the Baltic Sea was geographically much closer than the other regions discussed in this book. In addition to this proximity, there was also great density of trade contacts. For the Baltic Sea alone, one can almost speak of a “Netherlandization”. The protagonists of this process were not the large trading companies, as in America or Asia, but farmers, craftsmen, merchants and artists. In the regions studied here, merchants were the first to cross the seas, and the goods and cultural commodities they brought with them changed the societies into which they were introduced as well as the meaning of these commodities. Their reception was accompanied by a change in the mentalities of merchants, trading partners, recipients, and consumers. Local craftsmen, artists and scholars took up the new ideas, processed them, passed them on and thus triggered far-reaching mediation processes. A good example of this is the Dutch presence in Brazil. Here, both the indigenous population and the Portuguese elites were exposed to Dutch material culture through gift exchanges. Netherlandish traders gave textiles and other goods to the native population and local residents in exchange for feathers, parrots and rare plants. The gifts and images of the Brazilian world made an impact in the Netherlands. At the same time, interaction with parts of the indigenous population led to the pictorial exploration of flora and fauna as well as the Brazilian landscape. Finally, the diverse mediated portraits of Brazil’s inhabitants anchored a specific image of Brazil in European cultural memory. This included the mediated image of Suriname with the help of Maria Sibylla Merian’s plant and insect images, which were remediated in Europe. In Suriname and Curaçao, where especially the Jewish population of Brazil had gone for fear of Portuguese Recatholicization, the material culture of Dutch, Jewish, and Huguenot households remained European-Dutch, as did that of the free blacks. Indigenous objects, such as hammocks and “Indian” water jugs, were appreciated, and walls were
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decorated with bows and arrows. The Jewish population also had Sabbath lamps and Hanukkah candlesticks in their homes, and synagogues were richly furnished with silver liturgical implements. By decorating the living rooms with paintings, prints and maps, the homeowners created a sociable atmosphere. The paintings were joined by maps of Suriname and views of Paramaribo or individual plantations, which created a sense of local belonging. Compared to Suriname and Curaçao, New Netherland appears more strongly Dutch in character, although especially in New Amsterdam there was intensive trade in Asian textiles and Dutch emigrants brought goods, furnishings and memorabilia to the Hudson. Through estate auctions, they reached large segments of local society, as they did everywhere in the settlements of the trading companies. Although the market offered a variety of cultural goods from around the globe, it was another step to integrate them into the household. Thus, even after New Netherland became English, people in the Hudson Valley certainly preferred furnishings with a local character derived from traditional Dutch goods. In addition, a local tradition of portraiture developed around 1700 through immigrant Dutchmen, and the leading New Netherland families embraced it. Otherwise, individual preferences and memories played a role in the furnishing as well as the reception of art, especially since the Dutch West India Company (WIC) in the Atlantic region provided less artistic impetus than the Dutch East India Company (VOC) in Asia. Here, too, the conditions of exchange varied, as did interaction with local societies. While the VOC was able to determine the economic exchange at the Cape or in Batavia, the relations with the great courts of India and Persia or with the one in Japan were completely different. In Japan, the Dutch were isolated on Deshima and obliged to send an annual delegation to pay homage and tribute to the shōgun in Edo. Forms of mediation or reception changed not only with time and from place to place, but also depending on whether they involved architecture, sculpture, painting, prints, or objects of material culture. In Batavia, as everywhere else, European practices were adapted to local conditions. Many different cultures met in this main base of the VOC. Although the Dutch used the same urban planning principles in Batavia (as they did later in Formosa, Galle or Cape Town), the appearance of the buildings in Batavia differed markedly from that of their Dutch models. The houses were plastered and the roofs had wide overhangs to protect them from heat and tropical rains. The creators of this local architecture were also the protagonists of a new “Indisch” home culture, which Jan Brandes’ watercolors show us vividly. This owes its emergence in many cases to the collaboration of the Dutch house owner and his native partner, who were assisted by their Chinese overseer and by Chinese and Javanese building craftsmen. Chinese and Muslim households, on the other hand, integrated individual foreign decorative ele-
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ments, such as Frisian clocks and mirrors or paintings, into their living environments through Dutch mediation. Chinese decorative styles were also adopted early in Batavia by European members of urban society, as Europeans purchased and displayed Chinese cultural objects of all kinds. These included not only paintings, but also porcelain, lanterns, and furniture. As early as the 1620s, a remarkable market for Chinese art objects emerged in Batavia ; significantly, this was a taste that did not manifest itself in the Netherlands until the late 17th century, when Chinese paintings began to appear in the collections of some of the wealthier burgers. In Batavia, these objects were probably acquired directly by the Chinese, who lived there in large numbers, and indirectly at auctions held from Chinese households, where Muslim residents also bought, for example, decorated birdcages. People from Cape Town also appreciated Chinese and Dutch art while indulging in the pleasures of betel chewing. Other, often similar, forces of mediation can be seen in smaller places like Galle in Ceylon. In the second half of the 18th century, Sinhalese and Muslim merchants there purchased tea and related accessories, such as Japanese teakettles, playing cards, and prints. In doing so, they seemed to emulate a Dutch lifestyle. In addition, objects sold at estate auctions in Ceylon stimulated local cabinetmakers. Similarly, just as some workshops in Japara, Java, specialized in making and exporting French Rococo-style chairs and Chinese chests, Sinhalese and Tamil furniture makers in Ceylon were creative and productive. Their invention of the so-called burgomaster chair was also disseminated and imitated within the VOC trade network. The cultural linkages that emerged in this way may explain how individual decorative motifs circulated. Again, VOC merchants appear to have acted as intermediaries. In this case, they helped ensure that motifs used on tombstones, cabinets, chintz, and silverware were disseminated throughout the region. Dutch tombstones shipped from Sadras on the Coromandel Coast to Batavia and other locations in Southeast Asia bear the same floral borders as furniture from Batavia in the late 17th century. In the VOC’s dealings with the courts in Asia, the exchange was different. The VOC gave paintings to the rulers, and it also sent painters. Indeed, the Mughal Empire received Western European artistic “input” through several different channels. Jesuit missionaries confronted the Mughal court – as well as the Chinese imperial court – with European religious art ; engravings and printed books with frontispieces and illustrations represent important media. These were mainly produced or commissioned by Netherlandish printers or publishers. They were easy to fit into a local context, such as that provided by the Mughal albums, because the Mughal court believed that they possessed similar qualities to the paintings and calligraphy by Persian or Indian artists that made up the bulk of the imperial collections. However, the Dutch
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also circulated paintings and prints in other Indian courts, such as those of the Rajput rulers. In Rajasthan, native painters thus integrated European pictorial elements into local art production. Some art historians, following Homi Bhabha, refer to such a phenomenon as hybridization. They suggest the merging of two distinct cultures and thus ignore the fact that every kind of art is already hybrid in itself. We should therefore think of such forms of artistic production as transcultural processes of re-mediation, in which artists brought together diverse elements and traditions in a new medium or created a new medium from them. Such re-mediations also characterize the reception of Dutch painting in Japan. After the lifting of the ban on the import of Western books to Japan in 1720 by the Shōgun Yoshimune, who was also a patron of Dutch art that he ordered through the VOC, a wave of interest in Dutch culture swept Japan. The imitation of Dutch things even became a kind of “Hollandomania.” An important sign of this is the production of ranga, paintings in the Western manner, especially by the Akita-ranga school. Japanese interest in “Dutch studies” (ran-gaku) was satisfied by the fact that Dutch members of the VOC faction on Deshima increasingly gave Dutch books to the Japanese. In one such book, Japanese artist Shiba Kōkan discovered methods for making copperplate engravings and etchings. Perspective prints depicting street views and the interiors of Kabuki theaters appeared in Edo in the 1760s, perhaps as another result of the reception of Dutch prints. Western media (books and prints) thus proved important both for the establishment of the Japanese artistic tradition of ranga and for the subject of ukiyo-e woodblock prints. In China, on the other hand, the situation was completely different. Here, the Dutch had first settled on Formosa, but only a few objects that they themselves had used in their forts, such as pipes and ceramics, and, interestingly, the staffs that the VOC presented to the local chieftains as a sign of their office, became part of the indigenous material culture. Conversely, the VOC’s attempts to obtain trade privileges in China were reflected in various media, which had a lasting impact on the European image of China in the form of Nieuhof ’s report of the Embassy to the Emperor. In addition, through Jesuit mediation Netherlandish prints circulated among Chinese painters, who also gained an understanding of perspective depictions as a result. Overall, reception and interaction with local artists were entangled in many ways. This affected not only Chinese landscape painting, but also Japanese ukiyo-e woodblock prints, which in turn created an enthusiasm for Japonisme among European painters in the 19th century. Rembrandt’s Mughal drawings are evidence of reciprocal exchange processes, which also characterize the work of Maria Sibylla Merian as well as the drawings of Zacharias Wagener. Here, we find a remarkable
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number of locally active artists, of whom we know the names from the sources, but cannot assign any pictures, and vice versa. This is equally true of cabinetmakers, wood sculptors and ceramists. Wherever Dutch people lived or traded, we find a unique wealth of images as an expression of the specific art production of the Golden Age. A look at the British settlements is instructive in this context. It was not until British painters introduced the “conversation piece”, adapted from Dutch genre painting, to some of their colonial possessions in the late 18th century that a comparable visual culture partially emerged in the British territories. In conclusion, this book provides an opportunity to reflect on the importance of art and material culture to the Dutch trading empire as a whole. In recent years, the visual world and the visualization strategies of European colonial empires have gained increasing interest. The Netherlands have received little attention in this discussion due to its small and, by the end of the 18th century, even diminishing territorial holdings. We can therefore understand the Netherlands, if at all, as a media empire that offered a Dutch worldview to readers and viewers around the world through its diverse artistic and publishing production in the 17th century, but which became increasingly objective in the 18th century. What remained was the fascination with each other’s material culture, which was conveyed and received globally. The areas where Dutch people traded and lived were sites of transcultural mediation. Through reception and adaptation, the transported images, objects, and practices took on new functions in each context. These could range from gifts or representational objects to commodities and furnishing objects or objects of decoration as much as they transformed into collectibles or media of personal and familial memory. If we conclude by asking about the characteristics of the global Golden Age, then, as with global history in general, we are concerned with connections, comparisons, and entanglements. In this book, the focus is on the people who mediated cultural goods and artistic ideas from one world to another. The comparison of the individual regions show a wide spectrum of reception and exchange conditions : from the Baltic Sea region, where the Dutch also shaped cultural life thanks to their economic interests, to Batavia and Cape Town, where they exercised power, to China, where they were at best visually present. Even in Batavia, the exercise of power was not associated with cultural dominance, as Chinese decorative patterns offered alternatives and a variety of new “Dutch-Indisch” practices emerged.
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Artistic activities were closely entangled, with personal relationships among artists, but also with their clients and customers, and above all media reception playing a central role. Through the multiple interconnections of cultural recipients and consumers, a transcultural sociability emerged, created above all by women of highly diverse origins. In our sources we have come to know Elisabeth Danforth in Paramaribo, Gracia Anthonia in Willemstad, Margrieta van Varick in Malacca and New York, Angela van Bengalen in Cape Town, Asamie and Oey Tjoenko in Batavia, or Petronella Oortman in Amsterdam as bearers of this new sociability. They received and communicated art and material culture, entered into dialogue with all parts of the world, and thus became protagonists of a “long” global Golden Age.
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Zwanzig Jahre nach dem »Goldenen Zeitalter. Kunst und Kommerz in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts« analysiert das vorliegende Buch die niederländische Präsenz in der Welt, die Interaktion mit den einheimischen Gesellschaften sowie die davon ausgehenden künstlerischen Wechselwirkungen vor Ort einschließlich ihrer Rückwirkungen auf das Mutterland und Europa. Das Werk ist das Ergebnis langjähriger Forschungen, die in vielfältigen Projekten und internationalen Kooperationen stattgefunden haben. Es begann mit »Land und Meer. Kultureller Austausch zwischen Westeuropa und dem Ostseeraum in der Frühen Neuzeit« und den polnischen Kolleg*innen Edmund Kizik, Ewa Manikowska, Adam Manikowski, Anna Oleńska und Michał Wardzyński. Zur selben Zeit unternahm ich die ersten Feldforschungen in Südostasien, wobei Martin Krieger ein unentbehrlicher Mitstreiter und Peter Borschberg ein wichtiger Ratgeber waren. 2005 ergab sich auf dem internationalen Historikerkongress in Sydney die Gelegenheit, Forscher*innen aus Asien, Europa und Amerika zu einem Round Table zu versammeln, aus dem der Band »Artistic and Cultural Exchanges between Europe and Asia, 1400 – 1900« hervorging. Dadurch inspiriert entwarfen Thomas DaCosta Kaufmann und ich ein Forschungsprogramm, um die Rezeption niederländischer Kunst und materieller Kultur im Indischen Ozean und Ostasien zu untersuchen. Dieses Forschungsprogramm fand das Interesse von Wim Blockmans, dem Rektor des Netherlandish Institute for Advanced Study (NIAS). So konnte sich eine Gruppe von Wissenschaftler*innen 2009/2010 in Wassenaar treffen und gemeinsam ihre individuellen Forschungsergebnisse diskutieren und publizieren : Marten Jan Bok, Ranabir Chakravarti, Astrid Erll, Matthi Forrer, Thomas DaCosta Kaufmann, Yoriko Kobayashi-Sato, Gary Schwartz, Lodewijk Wagenaar und Cynthia Viallé. In den letzten Jahren habe ich dann selbst Brasilien, Surinam, Curaçao und die Neuen Niederlande in den Blick genommen. Hierbei erwies sich der Austausch mit João Klug, Philip Dikland, Flip de Vries, Rose Mary Allen, Michael Newton und Jeroen Dewulf als ungeheuer ertragreich. Überall in der Welt boten mir Freunde bei kürzeren oder längeren Aufenthalten eine fruchtbare Arbeitsatmosphäre. Zu erwähnen sind hier nicht nur die Historiker*innen und Kunsthistoriker*innen an der University of California in Santa Barbara, sondern auch Barbara Watson-Andaya und Peter Arnade in Hawaii, Maryanne Kowaleski in New York, Michelle Facos in Bloomington, Jan de Vries in Berkeley, Benjamin Schmidt in Seattle, Laura Mitchell in Irvine, Richard Unger in Vancouver, Sun Lixin in Peking, Miki Sugiura, Junko
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Aono, Toshiaki Tamaki und Yuta Kikuchi in Japan, Quang Minh Pham und Hoang Anh Tuan in Vietnam, Peter Lee in Singapur, Antonia Malan, Susan Newton-King und Nigel Worden in Südafrika, Cátia Antunes, Filipa Ribeiro da Silva, Leonard Blussé und Pieter Emmer in den Niederlanden, Amélia Polónia in Porto, Renate Pieper in Graz und schließlich Olaf Mörke in Kiel. Beim Böhlau Verlag sorgten Dorothee Rheker-Wunsch und Julia Beenken dafür, dass das Buch ansprechend gestaltet ist. Martin Krieger, Kristoffer Neville, Hielke van Nieuwenhuize, Lasse Seebeck und Jeroen Dewulf kommentierten und korrigierten das Manuskript. Neben diesen bin ich den vielen individuellen Helfern zu Dank verpflichtet, die kürzere Passagen des Textes lasen oder Detailfragen beantworteten. Hierzu gehörten vor allem Museumskuratoren, die wie Jan van Campen in Amsterdam, Merete Sanderhoff in Kopenhagen, Gero Seelig und Torsten Fried in Schwerin und Claudia Brink in Dresden bereitwillig Auskünfte erteilten und bei der Bildbeschaffung halfen. Auch Jan Six aus Amsterdam stellte großzügig ein Bild aus seiner Sammlung als Foto zur Verfügung. Nutzen konnte ich ebenfalls das unveröffentlichte Quellen- und Bildmaterial, das Sybille Henfling (damals Pfaff ) für ihre Dissertation über Zacharias Wagener zusammengetragen hatte. In Greifswald – wo die Kollegen Kilian Heck, Jens E. Olesen und Karl-Heinz Spieß meine Forschungen mit regem Interesse begleiteten –, trugen die Mitarbeiter*innen des Lehrstuhls für Allgemeine Geschichte der Neuzeit die Last der Buchproduktion. Daniele Hackenhaar, Karla Hartmann, Charlotte Haugg, Julian Hildebrandt, Martin Hildebrandt, Bernd von Kampen, Eric Ladenthin, Gonzalo Landau Brenes, Vivien Popken, Jan Richard Reinicke, Giovana Zamboni Rossi, Jörn Sander, Friederike Schmidt und Sarah Thiele recherchierten, besorgten und sichteten die kaum mehr überschaubare Literatur. Jörg Driesner und Alexander Drost fanden und transkribierten Quellen in Jakarta und Indien. Hielke van Nieuwenhuize erschloss Quellen und Literatur in niederländischen Bibliotheken und Archiven und begleitete die verschiedenen Stadien des Manuskriptes. Der größte Dank gebührt meiner langjährigen Mitarbeiterin, Doreen Wollbrecht, die auch hier – wie bei den vorausgegangen 25 Buchpublikationen – Manuskriptgestaltung und Endredaktion übernahm. Ihr sei das »Goldene Zeitalter global« gewidmet. Greifswald, im Frühjahr 2021 Michael North
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Quellen- und Literaturverzeichnis
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Abbildungsnachweis 1 Wiki Commons. 2 Mauritshuis, Den Haag. 3 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. NG-1985-7-1-144. 4 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. RP-P-1940-549. 5 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. SK-C-528. 6 Jan Six Fine Art, Amsterdam. 7 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. BK-NM-1010. 8 Wiki Commons. 9 Wiki Commons/Schloss Stockholm, Königliche Rüstkammer, Inv.-Nr. 24726 (87 :8). 10 Wiki Commons/Main Town Hall, Gdańsk. 11 Wiki Commons/Københavns Museum, Inv.-Nr. 1921 :31 x 0001 15728 12 Private Collection, Riksarkiv Stockholm, Vol. E 3514. 13 Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin, Inv.-Nr. G 522. 14 Statens Museum for Kunst, Copenhagen, Inv.-Nr. NM-ES-375511/NM-FOR-20214. 15 Statens Museum for Kunst, Copenhagen, Inv.-Nr. NM-ES-25608. 16 Statens Museum for Kunst, Copenhagen, Inv.-Nr. NM-ES-25636. 17 Dresden, Staatliches Kupferstichkabinett, Sig. Ca 226a. 18 Statens Museum for Kunst, Copenhagen, Inv.-Nr. KMS376. 19 Amsterdam Museum, SA 35413. 20 Wiki Commons. 21 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. RP-T-1895-A-3085. 22 Foto : Michael North. 23 Foto : Michael North. 24 Library Company of Philadelphia, Du Simitière Yi 2, 1412.Q.9. 25 Brooklyn Museum, Gift of Mary van Kleeck in Memory of Charles M. van Kleeck, 51.157.1. 26 National Gallery of Art, Washington, Accession Nr. 1980.62.31. 27 Albany Institute of History & Art, Albany, New York, Accession Nr. 1938.5. 28 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. NG-2012-41. 29 Museum Africa, Johannesburg, U 5. 30 Aus : Werz, Bruno : ›Een bedroefd, en beclaaglijck ongeval‹ : de wrakken van de VOCschepen Oosterland en Waddinxveen (1697) in de Tafelbaai, Zutphen 2004, S. 152. 31 Koopmans-de Wethuis, Cape Town, Inv./Cat. Nr. 66/456. 32 Wiki Commons/Czartoryski Museum, Krakau. 33 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. 34 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. SK-A-4070. 35 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. SK-A-19. 36 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. SK-A-4062.
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Abbildungsnachweis
37 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. NG-1985-7-2-15. 38 Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel. 39 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. SK-A-4282. 40 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. NG-1987-7. 41 National Gallery of Victoria, Melbourne, Felton Bequest, 1980. 42 British Museum, London, Museum-Nr. 1895,0915.1281. 43 Wiki Commons. 44 Staatliche Schlösser, Gärten und Kunstsammlungen Mecklenburg-Vorpommern, Schwerin, G 1928. 45 Wiki Commons/Victoria Memorial Hall, Kolkata, R 2066. 46 Foto : Alexander Drost, Old Dutch Burial Ground, Surat, Gujarat, India 2004. 47 Wiki Commons/National Diet Library, Tokyo/Kyoto. 48 Aus : Blussé, Leonard : Visible Cities. Canton, Nagasaki, and Batavia and the Coming of the Americans, Harvard University Press 2008, S. 76/Edo, Nagasaki, Illustrated Account of a Western Journey. Author’s Collection. 49 Wiki Commons/Akita Museum of Modern Art, Yokote, Japan. 50 Wiki Commons/Akita Museum of Modern Art, Yokote, Japan. 51 Wiki Commons/Tokyo National Museum, Japan, A-10569-685. 52 Wiki Commons. 53 Wiki Commons/Van Gogh Museum, Amsterdam (Vincent van Gogh Foundation). 54 Wiki Commons. 55 Aus : Sullivan, Michael : The Meeting of Eastern and Western Art. Revised and Expanded Edition, Berkeley/Los Angeles 1989, S. 50. 56 Louis Blancard @ArtDigitalStudio © Sotheby’s. Courtesy of the Huaihai Tang Collection. 57 Universitätsbibliothek Heidelberg, Heidelberger historische Bestände. 58 Wiki Commons. 59 Rijksmuseum Amsterdam, Objekt-Nr. AK-NM-6620-A.
Register Orte Åbo 82 Afrika 20, 28, 29, 32, 54, 105, 117, 118, 124, 141, 161 Agra 68, 191, 194, 195, 197, 210 Ägypten 174, 211 Albany 17, 123, 125, 130 Altona 65, 66 Ambon 181 Amerika 20, 29, 30, 44, 47, 49, 52, 54 – 56, 102, 111, 118, 122, 124, 130, 137, 139, 171, 187, 253, 260 Amersfoort 91 Amrum 67 Amsterdam 13, 20, 23, 28, 32, 34, 40, 43, 44, 48, 49, 52, 55 – 57, 60, 61, 63, 65, 67, 69, 73, 74, 80, 82, 85, 91, 95, 96, 99, 101, 103 – 107, 109 – 112, 115, 118, 122, 124, 130, 170 – 172, 174, 182, 202, 228, 230, 233, 242, 247, 249, 259, 265 Amsterdam, Fort 31, 123 Andalusien 28 Angola 90, 92, 96, 101, 111 Antillen 32 Antonio de Vaz, Insel 86, 87 Antwerpen 59, 70, 73 – 75, 85 Arabische Halbinsel 197, 228 Arabische See 33 Archangelsk 63 Arcot 206 Arguin 30 Arita 216 Arnheim 29 Aruba 32 Asien 16, 20 – 23, 26, 27, 31 – 34, 37, 38, 41, 44, 46, 47, 49, 52, 54, 55, 122, 141, 142, 162, 164, 165, 168, 171, 175, 181, 185, 187, 189, 202, 207, 216, 218, 230, 234, 238, 249, 251, 253, 254, 260 – 262 Atlantik 21, 28, 31, 34, 85, 99, 102, 104, 105, 122, 124, 254, 261 Australien 34, 198
Ayutthaya 21 Azoren 22, 85 Bahia 101 Bali 170 Bandainseln 24 Bantam 24, 46, 163, 174 Barbados 30 Basel 86 Batavia ( Jakarta) 17, 20, 21, 23 – 25, 27, 33, 34, 36 – 39, 46, 48, 49, 68, 69, 97, 142 – 148, 151, 154, 157, 160, 162 – 167, 169 – 179, 181 – 183, 185 – 189, 192, 194, 195, 211, 215, 228 – 230, 235 – 238, 240, 242, 243, 248 – 250, 254 – 256, 258, 259, 261, 262, 264, 265 Beijing 184 Bengalen 24, 26, 37, 122, 164, 189, 190, 192, 193, 203, 205, 211 Bentheim, Grafschaft 233 Bergen 61 Berlin 204 Beverwijck 124, 128, 130 Bihar 210 Bijapur 192, 195 Bimunipatnam 192 Boston 105 Brandenburg-Preußen 81 Brasilien 16, 18, 20, 28 – 30, 33, 44, 54, 57, 68, 84 – 102, 104, 111, 118, 119, 124, 125, 127, 142, 172, 200, 217, 230, 233, 236, 242, 253, 260 Braunsberg (Braniewo) 73 Braunschweig-Wolfenbüttel 65 Breda 31, 104, 127 Brooklyn 122, 135 Brügge 61 Cambay (Khambhat) 194 Cayenne 104, 105 Ceará 102 Ceylon 24, 28, 33, 37, 146, 164, 168, 170, 174,
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Register
178, 187 – 189, 191, 193, 194, 197, 211, 255, 262 Charleston 139 139 Chhapra 210 Chile 97 China 17, 18, 21 – 24, 27, 45, 47, 50, 54, 56, 86, 133, 164, 183, 196, 207, 215, 233 – 236, 238, 241 – 248, 250, 251, 257, 258, 263, 264 Chinsura, siehe auch Hugli 189, 192, 203 Christianopel 70 Colombo 39, 191, 233 Connecticut 105 Curaçao 17, 31, 32, 102 – 105, 116 – 119, 121, 124, 127, 253, 254, 260, 261 Dänemark 27, 34, 60, 63, 65, 70, 73 – 75, 77, 80, 81, 88, 108, 185 Danzig (Gdańsk) 61, 62, 64 – 66, 70, 73, 78 – 80, 82, 83 Darß, Fischland 82 Delaware River 123 Delft 23, 48, 74, 194 Delhi 191, 210 Den Haag 17, 38, 39, 48, 71, 72, 91, 99, 158, 168, 174, 231, 251 Deshima, siehe auch Kisma 20, 25, 68, 189, 213 – 215, 217 – 219, 223, 226, 227, 229, 231, 236, 237, 242, 254, 257, 261, 263 Deutschland 16, 82, 144, 205, 206 Deventer 29 Dordrecht 29 Dresden 204 Edo (Tokio) 20, 68, 212, 214, 215, 219 – 224, 226 – 229, 254, 257, 261, 263 Eerste-Fluss 143 Eiderstedt 64 Elbing (Elbląg) 68, 73, 197 Elmina, Fort 30 Emden 70 England 16, 27, 31, 42, 60, 83, 110, 126, 127, 134, 139, 142, 151, 181, 188, 205 – 207 Enkhuizen 22, 23 Europa 13, 16, 19, 20, 22, 24 – 26, 33, 34, 37, 40, 41, 44, 45, 48, 54, 59, 62, 80, 84 – 86, 113, 121,
129, 136, 139, 140, 143, 144, 160 – 162, 164, 175, 176, 181, 184, 187, 195, 204, 211, 216, 217, 223, 226, 235, 238, 242, 248 – 250, 253, 257, 260 Faizabad 206 Falun 66 Finnland 82 Finspong 67 Flatbush 122, 135 Flensburg 69 Florenz 139 Föhr 67 Formosa (Taiwan) 20, 24, 97, 215, 216, 234 – 238, 242, 243, 254, 257, 261, 263 Frankfurt am Main 103, 239 Frankreich 16, 32, 40, 42, 59, 60, 88, 94, 104, 109, 127, 139, 142, 143, 188 Fredensborg, Schloss 108 Frederica 89 Frederik Hendrik, Fort 87 Frederiksborg, Schloss 70, 75 Friedrichstadt 68 Fujian 235 Fuji, Berg 222, 224, 225 Fukien 234 Galle 164, 191, 254, 255, 261, 262 Gambroon (Bandar Abbas) 174 Ganges, Fluss 189, 192, 210 Geldria, Fort 192 George, Fort 138 Gibraltar 116 Glückstadt 65, 66 Goa 22, 23, 168, 195 Golf von Guinea 85, 125 Golkonda 42, 192, 200 Goree 30 Gottorf, Schloss 68 Greifswald 81, 89 Griechenland 174 Groningen 29, 91 Großbritannien 28, 32, 40, 145, 211 Guadeloupe 117 Guayana 101, 102, 104 Guinea 29, 92, 101, 111
Register
Gujarat 191, 194 Haarlem 22, 29, 57, 87, 88, 142, 195 Hamburg 55, 60, 65, 66, 77, 78, 80 Hannover 204 Heiliges Römisches Reich 80 Helsingör 55, 76 Herborn 86 Hirado 25, 214, 215, 218, 237 Hoflößnitz 95 Hội An 21, 215, 216, 235 Holstein, Herzogtum 34 Hoorn 23 Hormus 191 Hormus, Straße 174 Hudson, Fluss 31, 69, 123 – 126, 130, 254, 261 Hudson Valley 123, 125, 134, 135, 137, 138, 254, 261 Hugli, siehe auch Chinsura 26, 189, 190, 192 Husum 68 Igarassu 89 Ijssel, Fluss 61 Indien 17, 18, 21, 25, 27, 39, 40, 68, 69, 86 – 88, 90, 109, 117, 119, 122, 131, 132, 141, 143, 169, 189, 191, 194, 195, 197 – 200, 203, 205 – 208, 210, 211, 216, 230, 233, 254, 261 Indischer Ozean 21, 22, 33, 35, 44, 47, 52, 82, 133, 143, 144, 157, 160, 185, 187, 217 Indonesien 17, 18, 23, 25, 28, 160, 216, 230 Isfahan 170 Italien 42, 139, 206 Jacatra 24, 163, 166 Jakarta (Batavia) 17, 23, 39, 163 Jamaika 117 Japan 17, 18, 20 – 23, 25, 26, 44, 45, 50, 97, 133, 164, 173, 196, 212, 214 – 218, 221, 226, 227, 229 – 232, 234, 235, 249, 251, 254, 256, 261, 263 Japara 177, 255, 262 Java 23, 28, 33, 163, 168, 169, 174, 177, 183, 188, 211, 233, 238, 255, 262 Jingdezhen 46 Kalkutta (Kolkata) 205 – 207, 211
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Kamakura 214 Kampong Baroe 185 Kanagawa 224 Kandy, Königreich 33, 170, 191 Kanton (Guangzhou) 20, 27, 150, 207, 243, 244, 248 – 251 Kap 141 – 146, 148, 150, 151, 154 – 161, 174, 188 Kap der Guten Hoffnung 17, 21, 33, 34, 45, 68, 97, 141, 187 Kapkolonie 17, 20, 28, 44, 141 – 145, 174 Kapstadt 20, 39, 143 – 148, 150 – 152, 154, 155, 160, 161, 242, 254, 258, 259, 261, 262, 264, 265 Karibik 16, 18, 28 – 32, 57, 82, 85, 101, 102, 104, 106, 109, 115, 117, 118, 124, 125, 146, 200 Karibische Inseln 106 Kimbrische Halbinsel 64 Kisigawa, Fluss 222 Kisma, Insel, siehe auch Deshima 217 Kleinasien 174 Kleve 84 Kochin (Kochi) 69, 192, 209 Köln 238, 239 Kolumbien 31 Kongo 98 Königsberg (Kaliningrad) 62, 65, 73 Kopenhagen 65, 70, 71, 75, 77, 79 – 82, 84, 88, 99 Koromandelküste 24, 37, 133, 164, 178, 192, 193, 210, 211, 256, 262 Kremper Marsch 66 Kronborg, Schloss 70, 75, 76 Kuba 29, 31 Kyoto 223, 226, 227 Kyushu 214 La Rochelle 55 Leiden 29, 65, 81, 89, 229, 231 Leipzig 204 Liesbeek-Tal 143 Lissabon 23, 28, 45, 85 London 28, 55, 61, 65, 69, 115, 134, 206 Long Island 123 Luanda, Fort 30 Lübeck 67 Lucknow 207, 208 Ludwigslust 205 Lützen 59
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Macao 37, 234, 235, 238, 243, 249, 250 Madagaskar 33, 233 Madeira 85, 186 Madras (Chennai) 39, 205 – 207, 211 Magellanstraße 214 Makassar 20, 162 Malabarküste 24, 68, 168, 192, 193, 195, 209, 210, 233 Malakka 21, 28, 122, 163, 188, 191, 211, 259, 265 Manhattan 123, 125, 129, 137 Manila 21, 215, 235, 250 Marseilles 204 Martinique 117 Maryland 57 Masulipatnam 192, 211 Mataram 33, 163 Mauritius 34 Mauritsstad 86, 87, 89 Mecklenburg 88 Mecklenburg-Schwerin 65, 205 Memel (Klaipėda) 73 Mexiko 29 Middelburg 28, 143, 158, 189 Mittlerer Osten, siehe auch Naher Osten 21 Mokka 106, 197 Molukken 23, 24, 43, 127, 162, 181, 233 Moskau 42, 174 Mouree 30 München 59, 229, 248 Mysore 193 Nagapattinam 164, 192, 193, 211 Nagasaki 25, 164, 214 – 216, 219, 221, 223, 227, 229, 235, 237 Naher Osten, siehe auch Mittlerer Osten 174 Nanking 238, 246 Nassau, Fort 31, 123 Neapel 204 Neidenburg (Nidzica) 73 Neu Amsterdam 31, 69, 123 – 126, 128, 254, 261 Neuengland 105, 137, 140, 160 Neue Niederlande 16, 17, 31, 105, 123 – 127, 129, 130, 134, 136, 138, 154, 254, 261 Neuguinea 56 Neva 82 Newport 105
New York 17, 31, 105, 122, 123, 132 – 135, 138, 152, 259, 265 Nikkō 230 Nordafrika 118 Nordamerika 16, 17, 31, 32, 44, 98, 104, 117, 122, 123, 127, 137 – 139, 230 Nordatlantik 33 Nordsee 16, 34, 64, 65, 67 Nordstrand 64 Norrköping 67 Norwegen 34 Novgorod 42 Nürnberg 103 Nyköping 67 Olinda 85, 89, 100, 102 Öresund 63 Osaka 222, 226 – 228 Osmanisches Reich 47 Ostchinesisches Meer 33 Österreich 27 Ostfriesland 168 Ostholstein 64 Ostsee, Ostseeraum 16, 17, 34, 57, 59, 61 – 65, 67, 68, 74, 79, 81, 82, 117, 197, 253, 258 Oudh 206, 207 Palembang 170 Palmeneribo 107, 108 Panama 31 Paraíba, Fluss 85, 89, 102 Paramaribo 17, 103, 104, 106, 113 – 115, 254, 259, 261, 265 Paris 84, 115, 203, 204 Pazifik 21, 22, 122, 214 Peking (Beijing) 184, 235, 238, 241, 242, 244 Pernambuco 29, 85 Persepolis 174 Persien 25, 47, 164, 191, 193, 195, 197, 254, 261 Peru 98 Pescadoren 234 Petapoli (Nizampatnam) 192 Pillau (Baltijsk) 73 Polen 34, 59, 73, 80, 144 Portugal 22, 28, 29, 40, 53, 57, 66, 101, 102, 142, 191, 215
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Prag 59, 195 Preußen 64, 197 Providentia 103 Provintia, Fort (Seckam) 236 Puławy 162 Pulicat 164, 192, 211 Rajasthan 191, 197, 256, 263 Recife 29, 85, 86, 94, 95, 98, 101, 102, 123 Rhode Island 105 Riga (Rīga) 73, 83 Rom 60, 61, 139, 174 Rosenborg, Schloss 75, 248 Roskilde 70 Rostock 75, 89 Rotterdam 23, 70, 159, 204, 214 Rouen 55 Russland 80, 82, 122 Sachsen 20, 95, 204 Sadras 192, 211, 255, 262 Sahu 245 Saint-Domingue 117 Salvador (de Bahia) 85, 100 Salvador de (Bahia) 85 Sanlúcar 28 Sanssouci, Schloss 248 Santa Maria, Kap 116 São Tomé 30, 85, 101 Schleswig, Herzogtum 34 Schleswig-Holstein 60, 64, 69 Schottland 34 Schweden 27, 34, 59, 60, 63, 66, 67, 71, 73, 76, 77, 80 – 82 Schwedt 95, 172 Schwerin 81, 88, 205 Seeland 23, 26, 27, 104, 189 Shimonoseki 227 Shiraz 164 Siam 33, 164 Sibirien 42 Siegen 98, 99 Sint Maarten 32 Skandinavien 82, 122, 144 Skokloster, Schloss 72 Smyrna 42
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Spanien 22, 28, 29, 40, 53, 66, 85, 86, 104, 109, 126 Sri Lanka 24 Staten Island 126 Steinberg 69 Stellenbosch 143, 154 Stockholm 59, 60, 65, 71, 72 St. Petersburg 63, 83, 109, 112, 113 Südafrika 18, 20, 32, 33, 38, 158 Südamerika 16, 33, 58, 91, 103, 104, 118, 119 Südasien 194, 208 Südatlantik 22, 33 Südchinesisches Meer 235 Südeuropa 62 Südostasien 22, 24, 27, 33, 35, 44, 45, 47, 49, 106, 117, 162, 167, 170, 172, 178, 181, 187, 192, 200, 211, 215, 217, 233, 256, 262 Suffolk 134 Sumatra 170, 233 Sumida, Fluss 212 Sunda-Straße 163 Surat 191, 193 – 195, 197, 209, 210 Surinam 32, 42, 102 – 109, 112, 113, 115, 116, 127, 253, 254, 260, 261 Suzhou 151, 181, 239 Tafelberg 141, 143 Taiwan 20, 24 Tangerang 185 Tanjungpura 185 Taoyuan, Bucht 234 Ternate 162 Texel, Insel 103 Thorn (Toruń) 73, 79 Tidore 162, 163 Tokio 212, 224 Tonkin (Hanoi) 20, 164, 235 Tranquebar 40 Travancore 193 Udaipur 197, 198 Uelsen 233 Uppsala 59, 82 Utrecht 29, 76 Veere 189
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Venedig 60, 174, 205 Venezuela 31, 116, 117 Versailles 204 Vesuv, Vulkan 116 Vietnam 215, 235 Vijayanagar 192 Virginia 57
Westafrika 28 – 30, 98 Westchester Country 129 Westeuropa 62, 181 Wien 48, 204 Willemstad 118 – 120, 259, 265 Wilstermarsch 64 Wittenberg 89
Weichsel, Fluss 64, 162 Weißes Meer 63
Zeelandia, Fort 24, 234, 236, 237 Zuiderzee 22
Personen Abbas II., Shah 170 Abildgaard, Nicolai 108 Aerssen van Sommelsdijck, Cornelis van 104 Aerssen van Sommelsdijck, van (Familie) 32, 103, 104 Akbar, Großmogul von Indien 196, 202 Alting, Willem Arnold 168 Amalia von Solms, Prinzessin von Oranien 56 Amstel, Hendrik van 153 Amsterdam, Reinier van 73 Andersen, Jürgen 68 Angel, Philips 168, 170, 194 Ann, Königin von Großbritannien 138 Antunes, Cátia 40 Anvaedt, Pieter van 57 Apianus, Petrus 130 Appelboom, Harald 72 Arc, Jeanne d’ 162 Ari Singh II., Maharadscha von Mewar 198, 199 Armand-Jean du Plessis, Duc de Richelieu 49 Artois, Paulus 156 Asamie, freie Balinesin 185 Aurangzeb, Großmogul von Indien 195, 202 Auriol (Familie) 207 Backer (Familie) 182 Badens, Frans 74 Baen, Jan de 30 Bakhta, indischer Künstler 198, 199 Balen, Hendrick van I. 75 Bamba Sa Assan Miera 185 Baretti, P. 139
Barlaeus, Caspar 43, 44, 88 – 90, 97, 98 Baseler, Adam 75 Bassé, Jan 51 Basson, Arnoldus Willemsz. 141, 157 Beck, David 60 Becker, Frans Ewoud 116 Becx, Jasper 94 Beeckman, Andries 172, 173 Beijeren, Abraham van 57 Bengalen, Angela van 18, 141, 144, 157, 160, 259, 265 Bengalen, Klaas Gerritz. van 156 Bengalen, Lucas van 157 Bengalen, Rosetta van 144, 156 Berger Hochstrasser, Julie 57 Bergman, George Hendrik Godlieb 156 Besche, Willem de 67 Bette, Haussklavin 133 Bhabha, Homi 256, 263 Bicker, Gerrit 27 Blaeu, Joan 242 Blaeu, Willem Jansz. 20, 54, 56, 95, 96, 130 Blasius, Leonard 70 Blocke, Abraham van den 70 Blocke, Isaak van den 62, 70, 73 Blocke, Willem van den 70 Bloemaert, Abraham 76 Blomhoff, Jan Cock 231, 251 Blondel de Gagny, Augustin 88 Blon, Michel le 60, 72 Blussé, Leonard 246 Boegies, Hanna van 157
Register
Borcht, Pieter van der 196 Bourchier, Charles 206 Bourdon, Sébastien 60 Bout, Willem 124 Brahe, Tycho 70 Brandes, Jan 35, 146, 176, 177, 255, 261 Brandt, Johannes 52 Branicki, Jan Klemens 80 Braun, Georg 238, 239 Bray, Francis de 248 Bray, Salomon de 75 Bronck, Jonas 129 Brouwer, Adriaen 199 Brouwer, Theodorus 121 Brownover, Sylvanus 97 Brueghel, Jan der Ältere 75 Brunings, Johan Mattheus 121 Bruyn, Cornelis de 174 Bry, Theodor 92 Buglio, Louis 242 Buglio, Ludovicus 242 Burgers, Abraham 122 Buys, Egbert 212 Buytewech, Willem 108 Caab, Gisella van de 151, 157 Caab, Susanna van de 157 Cabiol, Guilleaume Charles 121 Campen, Jacob van 56, 71, 73, 91 Campen, Jan Dircksz. van 70, 71 Camphuys, Johannes 181 Cappoen, Christina 133 Caroline von Brandenburg-Ansbach, Königin von Großbritannien 138 Caron, François 218, 236 Castiglione, Giuseppe (auch unter Lang Shining bekannt) 241 Castro, Miguel de 94 Caulery, Louis de 75 Ceijlon, Jan Jansz. van 156 Chang Hung 239, 240 Charisius, Jonas 74, 75 Charlotte von Mecklenburg-Strelitz, Königin von Großbritannien) 138 Chiao, Ping-chen 241
Christian IV., König von Dänemark 66, 70, 74, 75 Christian Ludwig II., Herzog von Mecklenburg-Schwerin 205 Christian V., Kronprinz von Dänemark 77 Christina, Königin von Schweden 18, 59 – 61 Chu-Ssu Pen 242 Claesz., Cornelis 81 Claesz., Pieter 57, 58 Clara, Nashorn 204 Cleyn, Frantz 75 Cnoll, Hester 173 Cnoll, Katharina 173 Cnoll, Pieter 173, 175 Coeman, Jacob Jansz. 173 – 175 Coen, Jan Pietersz. 24, 163, 170 Coeymans Verplanck, Ariantje 137 Coeymans Verplanck, Samuel 137 Collaert, Adrian 239 Collaert, Jan 239 Coninxloo, Gillis van 74 Constant, Jacob 234 Cook, Harold 40 Cook, James 41, 207 Cornelisz., Cornelis 195 Coutant, Daniel 135 Cuyp, Aelbert 172 Czartoryski (Adelsfamilie) 162 Dahlberg, Erik 71 Damen, Jan Jansz. 130 Dam, Pieter van 181 Danckaerts, Appolonia 181 Danforth, Elisabeth 115, 116, 259, 265 Daniell, Thomas 207 Daniell, William 207 Dapper, Olfert 53, 247 Dara Shikoh, Sohn von Shah Jahan 201 Dashwood (Familie) 207 David, Meza 115 De Besche (Familie) 71 Delconcourt, Amimba van 114 Delitsch, Johanna Elisabeth 152, 153 Denner, Balthasar 65 Descartes, René 59 Desmarets, Dorothea 115, 116
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Dickmann, Ägidius 73 Diemen, Anthonie van 20 Diemer, Abraham 151 Dijck, Floris van 57 Dijk, Philip van 168 Doeff, Hendrik 218 Donck, Adriaen van der 127 Doornick, Jacob van 150 Doornik, Pieter van 247 Doorninck, Jacob van 150 Dou, Gerrit 15 Dubbel, Hendrick Jacobsz. 172 Duins, Egbert van 122 Duyckinck, Gerardus 136 Eckhout, Albert 84, 86, 88, 90 – 98, 109, 171, 172, 233, 248 Ehrenstrahl, David Klöcker 60 Elsevier, Reinier Jan 37 Faessen, Simon 151 Falck, Jeremias 73 Falkenburg, Reindert 246 Findorff, Johann Friedrich 205 Fischer von Erlach, Johann Bernhard 248 Flinck, Govert 168 Fourie, Johan 160 Francken, Hendrick 42 Frank, Catharina 147, 153, 156 Franz I., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches 204 Friedrich Heinrich, Statthalter 56, 87, 88, 99 Friedrich III., König von Dänemark 76, 84, 93, 94, 248 Friedrich II., König von Preußen 204 Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg 82, 91, 95, 99 Gabbema, Abraham 141 Gainsborough, Thomas 206 Galle, Philips 196 Gama, Vasco da 21, 45 Gaspard, Nicholas Iquan 235 Geer, Louis de 66, 67, 71, 72 Gelton, Toussaint 77 Gennai, Hiraga 218, 221
Gentaku, Ōtsuki 212 Georg I., König von Großbritannien 138 Georg II., König von Großbritannien 138 Georg III., König von Großbritannien 138 Gerritsen, Anne 47 Gesewitz, Jürgen 71 Gietermarker, Claes Hendricksz. 82 Gijsbrecht, Cornelis 77 Goens, Rijcklof van 168 Goes, Adriaen van der 48 Goes, Willem van der 48 Gogh, Vincent van 225, 226 Goyer, Peter 243 Gracia Anthonia 121, 259, 265 Graeff, Louisa de 114 Groesen, Michiel van 99 Groispoil, Jacques 116 Grotius, Hugo 59 Gustav II. Adolf, König von Schweden 59 Haarlem, Cornelis van 74 Hals, Frans 171 Halwegh, Aelbert 77 Hansen Hajstrup, Peter 67, 68, 101 Hartog, Philip 159 Hasselt, Jan Lucasz. van 194 Hastings, Warren 206, 207 Heaten, John 138 Heck, Jan Cornelisz. van 179 Heda, Cornelis Claesz. 195 Heda, Willem Claesz. 57 Heem, Jan Davidsz. de 57, 58 Heemskerck, Maarten van 75 Heinsius, Nicolaas 59 Helst, Bartholomeus van der 168 Hendricksz., Boudewijn 85 Herder, Johann Gottfried 161 Heydt, Johann Wolfgang 169, 175, 177, 178, 182 Heyn, Piet 29 Himke, Mrs.. s. Wahl, Helen Hiroshige, Utagawa 214, 224 – 226 Hodges, William 207 Hogenberg, Franz 238, 239 Hokusai, Katsushika 214, 223 – 226 Holst, Jørgen 77 Hondius, Willem 70
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Honthorst, Gerrit van 76 Hooft, Pieter Cornelisz. 44 Hoorn, Jacob van 210 Hoorn, Joan van 174 Hottinger, J. H. 113 Houbraken, Arnold 19 Houtman, Cornelis de 23, 170 Hudde, Johannes 45 Hudson, Henry 31, 122 Huygens, Constantijn 44 Huys, Pieter 196 Ibrahim Adil Shah II., Sultan von Bijapur 195 Ilalik, Abdul 185 Imhoff, Gustaaf Willem, Baron van 69, 168, 181 – 183, 185, 216 Isaacsz., Isaac 76 Isaacsz., Pieter 74 – 76 Ishikawa, Moko 219, 220 Ishikawa, Tairo 219, 220 Iversen, Volquard 68 Izidro, Abraham Gobay 115 Jahangir, Großmogul von Indien 195, 196, 201, 202 Janssonius, Johannes 54 Janszen, Leendert 142 Jensen, Morten 76 Johann Georg II., Kurfürst von Sachsen 95 Johann Moritz von Nassau-Siegen 18, 20, 29, 30, 84, 86 – 88, 90, 91, 93 – 95, 97 – 100 Jong, Antonius 74 Jongh, Dirk de 159 Jonghe, Clement de 25 Jordaens, Jacob 59 Judah, Leon Jacob 121 Kaempfer, Engelbert 246 Kaldenbach, Johan Antonie 113 Kalf, Willem 57 Kampen, Gerard van 196 Kämpfer, Engelbert 217, 227 Kant, Immanuel 161 Katharina die Große, Zarin von Russland 80 Keiga, Kawahara 232 Kemp, Pieter 141
Kessel, Jan van 97, 248 Ketelaar, Joan Josua 197, 198 Kettler, Johann 68, 197 Kettle, Tilly 206 Keyser, Hendrick de 74 Keyser, Jakob 243 Kiær, Søren 75 Kircher, Athanasius 247 Kleeck, Charles van 135 Kleeck, Mary van 135 Klinck, Gerardus 183 Knüpfer, Nicolaus 76 Kobayashi-Sato, Yoriko 218 Kōkan, Shiba 18, 212 – 214, 218, 223, 257, 263 Koninck, Salomon de 76 Kottes, Maria 121 Kouthoff, Jennetjen 148 Kulmus, Johann Adam 221 Kust, Cleas Jansz. 124 Laet, Johannes de 90, 91 Lairesse, Gérard de 159, 221, 222 Lange, Philip de 70 Leckebusch, Auguste. s. Enters, Auguste Lemaire, Maximiliaan 236 Leopold Wilhelm, Erzherzog von Österreich 48 Leyden, Lucas van 75 Leys, Jan Henrick Jarichs van der 130 Li Dan 234, 235 Limes, Jan Daniel 116 Linné, Carl von 50 Linschoten, Jan Huygen van 22, 23 Locke, John 97 Lockhorst, Hendrick Boudewijn van 170, 194 Lodensteyn, Jan Joosten van 214 Lopez, Alfonso 49 Lorenzo, Benjamin Dias 121 Louis-François de Bourbon, Graf von Conti 88 Loys, Jacob 74 Ludwig XIV., König von Frankreich 84, 87, 94 Ludwig XVI., König von Frankreich 116 Luttichuys, Isaack 168 Maetsuyker, Joan 243 Maire, Jacob de 94 Man, Cornelis de 50
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Mander, Karel van 74, 77 Manners, John 138 Marcgraf, Christian 90 Marcgraf, Georg 86, 89 – 91, 97, 110, 111, 233 Marcus, Sara 115 Maria de Medici, Königin von Frankreich 43, 44 Maria Eleonora, Königin von Schweden 59 Maria Henrietta Stuart, Prinzessin von Oranien 99 Maria II., Königin von England 182 Maria Theresia, Erzherzogin von Österreich 204 Marot, Daniel 177 Marrel, Jacob 103 Martha, Maria 121 Martin, Claude 207, 208 Martini, Martino 242, 244 Matelieff de Jonge, Cornelis 163, 171 McCant, Anne 47 Meijboom, Geertruijd 151 Meijhuijsen, Godfried 148 Memhardt, Georg 82 Mercado, Sipora van 114 Merian, Dorothea Maria 103, 112, 113 Merian, Johanna Helena 112, 113 Merian, Maria Sibylla 18, 42, 103, 109 – 112, 253, 257, 260, 263 Merian, Matthäus 103 Meteren, Abraham Emauelsz. van 194 Meurs, Jacob van 233, 246, 247 Meza, Jacob de Samuel de 115 Mieris, Frans van 15 Minuit, Peter 31, 123 Mitchell, Laura 155 Mochamat, Piro 186 Moeyaert, Claes 76 Momma, Jakob 67, 71 Momper, Joos de 75 Montanus, Arnoldus 54, 227 Morell, Gerhard 78, 88 Moritz von Oranien, Statthalter 170 Moron, Aron Henriques 121 Mossel, Jacob 182 Mout van der Meer, Douwe Jansz. 204 Muhammad Ali Khan, Nawab von Arcot 206 Muller, Thomas Christoffel 141 Munkerus, Hendricus 148, 149, 151, 157, 159
Musscher, Michiel van 45 Nadal, Gerónimo 239 Nanningsdochter, Geertge 124 Naotake, Odano 221, 222 Nassy, David Cohen 105 Newton-King, Susan 155 Nieuhof, Hendrik 233 Nieuhof, Johan 18, 54, 86, 97, 175, 233, 234, 242 – 248, 257, 263 Nieulandt, Adriaen van 76 Nijenrode, Cornelia van 173, 175 Noorwits, Joost Pauwels 236 Obberghen, Anthonis van 70, 73 Odell, Dawn 246 Oemar, Kaliep 185 Okumura, Masanobu 222 Ōkyo, Maruyama 223 Olearius, Adam 68 Oortman, Petronella 51, 52, 259, 265 Ortelius, Abraham 195, 238 Otsuki, Gentaku 219, 220 Oudry, Jean-Baptiste 203 – 205 Outhoorn, Willem van 181, 182 Ovens, Jürgen 60 Overmeer Fisscher, Johannes Frederik van 231, 251 Overtvater, Pieter 236 Oxenstierna, Axel 59, 60 Paets, Vincent 246 Paraupaba, António 102 Parker Brienen, Rebecca 92 Partridge, Nehemiah 137 Passe, Crispijn van de 76, 148, 180, 188, 240 Passeri, Bernardino 239 Passe, Simon de 76 Patinir, Joachim 75 Perry, Matthew Calbraith 25, 216 Pessaert, Barend 40, 234 Peter der Große, Zar von Russland 42, 50, 63, 112 Peters, Marion 211 Petrus, Cosorop 186 Philipse, Adolphe 134
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Pietersen, Hendrick 157 Pietersz., Aert 74 Pietersz., Frans 74 Pigot, George 206 Piso, Willem 86, 89, 90, 97, 110, 111 Plantijn, Christoffel 195 Polier, Antoine 207, 208 Pollinckhoven, Geertruyda van 183 Polónia, Amélia 40 Pomp, Dirck Gerritsz. 23, 37 Porcellis, Jan 14 Post, Frans 84, 86 – 89, 94, 95, 97, 98 Post, Pieter 86, 87 Pretorius, Elisabeth 151 Proot, Matthijs 142 Punto-Gale, Eijda van 157 Quellinus, Artus 56, 59 Quellinus, Erasmus 59 Quinkhard, Jan Maurits 168 Rach, Johannes 175, 176 Ravesteyn, Hubert van 57 Reenen, Anna Margaretha van 158 Regnault, Pieter Willem 158 Reid, John 138 Reijndertsz., David 154, 156 Reimers, Jan Philipp 157 Rembrandt, siehe Rijn, Rembrandt van 77, 171, 183, 199 – 202, 257, 263 Renen, Jacob van 156 Rensselaer (Familie) 125, 138 Reynolds, Joshua 206 Reynst, Gerrit 27 Rheede tot Draakenstein, Hendrik Adriaan, Baron van 111, 209 Ribea, Naar 115 Ricci, Matteo 238, 239, 244 Richardson, Jonathan 200 Riebeeck, Elisabeth van 174 Riebeeck, Jan van 20, 141, 142, 148 Riebeeck, Joanna van 174 Rijn, Cornelia van 171 Rijn, Rembrandt van 77, 171, 183, 199 – 202, 257, 263 Ringeler, Peter 74 Ripa, Matteo 240, 241
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Rodenburgh, Theodor 75 Rodier, Jean 121 Roijen, Hendrick Willem van 220 Roijen, Willem Frederick van 220 Roosen (Familie) 65 Rosendael, Barent 237 Ross, Robert 156 Rotteberg, Franz Gottfried 78 Royer, Jean Theodore 251, 252 Rudolf II., Kaiser des Heiligen Römischen Reichs 195 Ruysdael, Salomon van 183 Sagelsen, Harman 237 Saint-Martin, Isaac de l’Ostal de 181 Saliera, freie Buginesin 185 Samson, Elisabeth 114 Samson, Salomon 115 Sangram Singh II., Maharadscha von Mewar 197, 198 Sayfoedin, Sultan von Tidore 18, 162, 163, 168 Schedel, Friedrich 243 Scheitz, Carl Ludwig 69 Schellinger, Jan Tjekensz. 130 Schellinks, Willem 202 Schenk, Petrus 43 Schmalkalden, Caspar 86, 95, 97, 101, 217, 233 Schmidt, Benjamin 53 Schmittens, Arnold 78 Schoester, Catharina Catharina 156 Schoester, George 156 Schooten, Floris van 57 Schuer, Theodoor van der 174 Schultz, Daniel 79 Schumacher, Johannes 148 Schuylenburgh, Hendrik van 18, 189, 190, 200 Seba, Albertus 50 Shah Jahan, Großmogul von Indien 195, 201, 202 Shen Yun 241 Shozan, Satake 221 Shuja-ud-Daula, Nawab von Oudh 206 Sichem, Barend van 194 Sichtermann, Jan Albert 203, 204 Siebers, Helena 151 Siebold, Philipp Franz 218, 229, 231
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Register
Siekermans, Johanna 156 Simitière, Pierre Eugène du 129 Sim Tjimko 186 Sitters, Johannes van 156 Six, Jan 88 Sloane, Hans 109 Smeckkenbecher, Carel Benedict 159 Smith, Joseph Allen 139 Smith, William 134 Smuts, Anna Margaretha 156 Snayers, Pieter 75 Sneeuwind, Anna Elisabeth 151 Sophie, Prinzessin von der Pfalz, Herzogin von Braunschweig-Lüneburg 99 Specx, Jacques 230 Speelmans, Cornelis 162 Spierinck, Peter 72 Spies, Pieter 49 Spilbergen, Joris van 170 Staden, Daniël van 37 Staden, Hans 92 Stavorinus, Jan 151, 157 Stech, Andreas 79 Steen, Aernout 49 Steen, Jan 171 Steensgaard, Nils 39 Steenwinckel, Hans van der Ältere 70 Steenwinckel, Hans van der Jüngere 70 Steenwinckel, Lourens van 70 Steenwinckel, Morten van 75 Steenwyck, Cornelis 133 Stern, Philip 39 Sterthemius, Pieter 189 Stralen, Joris van 150 Strijdom, Adriana 159 Stuyvesant, Judith 133 Suijthoff, Cornelis 171 Sulzer, Johann Georg 161 Suurwaarden, Elsje van 148, 149 Sweerts, Michiel 195 Tadatō, Kubota 219 Tani, Buncho 219, 220 Tell, Wilhelm 162 Tessin, Nicodemus der Ältere 73 Tessin, Nicodemus der Jüngere 73
Thedens, Johannes 68, 69 Thim, Reinholdt 75 Thunberg, Carl Peter 161, 217, 227 – 229 Tipu, Sultan von Mysore 162 Tischbein, Johann Friedrich August 168 Titsingh, Isaac 246 Tjoenko, Asamie 259, 265 Tjoenko, Oey 184, 259, 265 Tokugawa, Iemitsu, Shōgun von Japan 230 Tokugawa, Ieyasu, Shōgun von Japan 230 Tokugawa, Yoshimune, Shōgun von Japan 218, 219, 256, 263 Tollius, Cornelius 59 Tongeren, Johan von 88 Trigault, Nicholas 244 Trip, Elias 66 Trip, Pieter 66 Tromp, Maarten H. 236 Trotzig, Peter 72 Truax, Susanna 136 Tryon, William 138 Tweenhuysen, Lambert van 123 Uffenbach, Johann Friedrich Armand von 175 Uffenbach, Zacharias Conrad von 175 Valckenier, Adrian 177, 178 Valckenier (Familie) 182 Valkenburg, Dirk 107, 108 Vanderlyn, Pieter 136 Vapoer, Hendrick Arentsz. 194, 195 Varick, Cornelia van 133 Varick, Margrieta van 18, 122, 131 – 134, 259, 265 Varick, Roelof van 122 Vaz, Antônio de 86 Veer, Johannes de 121 Velde, Esaias van de 14, 222 Velde, van de (Familie) 168 Verbiest, Ferdinand 241 Vermeer, Johannes 15 Vinant, Gillis 179 – 181 Vinckboons, David 75 Vinckboons, Justus 73 Vingboons, Johannes 171 Visscher, Claes Jansz. 70, 100 Vlok, Arend 151
Register
Vollenhoven, Herman van 187 Vondel, Joost van den 19, 60 Voort, Cornelis van der 74 Vos, Maarten de 239 Vossius, Isaac 59 Vrancx, Sebastiaen 75 Vredeman de Vries, Jan 70, 73, 79 Vries, Adriaen de 74 Vries, Klaas de 82 Vroom, Hendrick 56 Waal, Jan de Jonge 159 Wagener, Zacharias 18, 20, 86, 95 – 97, 142, 143, 148, 171, 227, 228, 233, 242, 243, 257, 263 Wahl, Johan Salomon 78 Waldpot, Johan Leonard 156 Wang, Carolus 251 Wanli, Kaiser von China 238 Wansaer, Jan Jansz. 130 Washington, George 162 Wernich, Joachim Lodewijk 158 Wernich, Magdalena Elisabeth 158 Westpalm, Michael 68 Wierix, Antoine 239 Wierix, Jan 196, 239 Wilde, Frans de 69
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Wilhelm I., König der Niederlande 252 Wilhelm III., König von England 138 Wilhelm III. von Oranien, König von England 182 Wilhelm V. von Oranien, König von England 28 Wille, Frans Bastiaensz. de 75 Willer, Peter 73 Witsen, Cornelis 200 Witsen, Jonas 107 – 109 Witsen, Nicolaas 18, 42, 43, 107 – 109, 200, 247 Wit, Thomas de 151 – 153, 156 Witt, Johan de 101 Wombwell, John 207, 208 Wrangel, Carl Gustav 60, 72 Wreede, Georg Friedrich 143 Wuchters, Abraham 77 Wu Li 240 Wyntgis, Balthasar 187 Yongzheng, Kaiser von China 242 Zantkuyl, Henk 128 Zheng Chenggong (Koxinga) 235 Zheng Zhilong 235 Zoffany, John 206 – 208 Zoutman, Johan 116
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ZWISCHEN DEPRESSION UND EKSTATISCHEM SCHAFFENSRAUSCH
Manfred Clemenz Van Gogh: Manie und Melancholie Ein Porträt 2020. 456 Seiten mit 17 s/w- und 59 farb. Abb., gebunden € 55,00 D | € 57,00 A ISBN 978-3-412-51594-2 E-Book € 44,99 D | € 46,30 A
Preisstand 17.6.2021
Tiefste Melancholie und ekstatischer Schaffensrausch wechseln einander ab, wobei Leiden für van Gogh eine Voraussetzung für Kreativität ist, ein höherer Bewusstseinszustand, den er deshalb häufig aktiv herbeiführt: durch Nahrungsentzug, durch Intoxikation, Selbstkasteiung. Kunst ist für van Gogh aber auch Therapie durch mühsame Arbeit, zugleich die Möglichkeit, sich seiner Bedeutung als Teil einer »Wiedergeburt der Kunst« zu vergewissern. Entwertung der eigenen Person und grandiose Selbsterhöhung stehen sich unmittelbar gegenüber. Van Gogh verortet sich selbst zwischen Manie und Melancholie, er unterscheidet bei sich eine destruktive und eine kreative, »aktive« Melancholie. Intuitiv bezieht er sich auf eine Diagnose, die seit der Antike bekannt ist und einen Gemütszustand beschreibt, der zwischen Depression und Manie schwankt. Im vorliegenden Band wird der Versuch unternommen, aus psychologischer Sicht erstmals umfassend van Goghs Leben und Werk sowie seine Kunstphilosophie zu betrachten und miteinander in Verbindung zu setzen.
GEPRÄGT VON BEWUNDERUNG UND KONKURRENZ: DIE BILDKÜNSTE IN DEN NIEDERLANDEN UND IN FRANKREICH
Caecilie Weissert (Hg.) Niederlande und Frankreich / The Netherlands and France Austausch der Bildkünste im 16. Jahrhundert / The Exchange of Visual Arts in the 16th Century 2020. 147 Seiten mit 29 farb. und 21 s/w-Abb., gebunden € 40,00 D | € 42,00 A ISBN 978-3-412-51982-7 E-Book € 32,99 D | € 34,00 A
Die Zentren der beiden Länder, Antwerpen und Paris, pflegten im 16. Jahrhundert rege Kontakte und trotz politisch und religionspolitisch schwierigen Zeiten wurden Luxusgüter, Bücher, Gemälde und Graphiken ausgetauscht. Der Austausch von Ideen, Literatur und Kulturgütern ist dabei geprägt von Rivalität, aber auch Bewunderung und Zusammenarbeit. Die Mehrsprachigkeit einiger Teile der Niederlande machte den Austausch und die Zusammenarbeit zwischen französischen und niederländischen Künstlern einerseits einfacher, regte auf der anderen Seite aber auch zur Abgrenzung an und beförderte die Entwicklung spezifisch französischer bzw. spezifisch niederländischer Kunst. Die in Frankreich lebenden niederländischen wie auch die in den Niederlanden lebenden französischen Künstler und Drucker trugen maßgeblich zu einer Vernetzung und der Verbreitung von Bildideen aus den Zentren in die verschiedenen Regionen bei.
Preisstand 17.6.2021
Auf beiden Seiten gab es Exportschlager, die besonders erfolgreich rezipiert wurden, wie die niederländische Graphik oder die Poesie und Dichtungstheorie der französischen Dichter der Pléiade.