Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) [1 ed.] 9783428475582, 9783428075584


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German Pages 383 Year 1992

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Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) [1 ed.]
 9783428475582, 9783428075584

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VOLKER TÜRK

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR)

Schriften zum Völkerrecht Band 103

Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR)

Von Volker Türk

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Türk, Volker: Das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen: (UNHCR) / von Volker Türk. - Berlin : Duncker und Humblot, 1992 (Schriften zum Völkerrecht; Bd. 103) Zugl.: Wien, Univ., Diss., 1991 ISBN 3-428-07558-7 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1992 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41

Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-0251 ISBN 3-428-07558-7

Den Menschen gewidmet, die zur Flucht gezwungen sind.

Vorwort WMit der zunehmenden Erkenntnis der Notwendigkeit, den allgemeinen menschlichen Zielen Vorrang vor den Sonderinteressen einzuräumen, um das Überleben der Menschheit sicherzustellen, kann der Druck der Völker auf ihre Regierungen aber die soziologische Basis dafür schaffen, die UNO allmählich zu einem Organe der Menschheit auszubauen. n (Alfred Verdross/Bruno Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Auflage, BerUn 1984, § 101)

Fluchtbewegungen und alle Phänomene, die damit zusammenhängen, sind Indikatoren dafür, daß Menschenrechte in einem umfassenden Sinn verletzt werden. Die Ursachen von Fluchtbewegungen sind gleichbedeutend mit den großen Sorgen und Problemen der Menschheit, deren Lösungen jedem Einzelnen von uns in seinem Bereich aufgetragen sind, will er/sie sich nicht dem Prinzip Verantwortung, wie es beispielsweise Hans Jonas vorgesehen hat, entziehen: schweIWiegende und systematische Menschenrechtsverletzungen, Armut, Hunger, alle Formen des bewaffneten Konflikts und des Krieges, ökologische Gefährdungen, srukturelle Probleme der Entwicklung und benachteiligende und ungerechte Sozial- und Wirtschaftsstrukturen. Die Art und Weise, wie der Einzelne bzw. die Gemeinschaft zu Fluchtbewegungen Stellung bezieht und sich um Lösungsmöglichkeiten, wenn überhaupt, bemüht, sagt viel darüber aus, wie ernsthaft es der Einzelne bzw. die Gemeinschaft mit der Anerkennung der allen Mitgliedern der menschlichen Familie innewohnenden Würde und gleichen und unveräußerlichen Rechte meint. Die der Fluchtbewegung inhärente Bewegung bewirkt eine notwendige Aufklärung in den Bevölkerungen der Industrieländer, die die Relativität von Freiheit, Gerechtigkeit, Gleichheit und Frieden klarmacht und sie als universell zu schützende Werte erkennen läßt. Angesichts unbekannter, fremder Schicksale besteht die Hoffnung, daß die allgemeine Verdrängung bezüglich der Realitäten,

vm

VOlwort

mit denen der Großteil der Menschheit konfrontiert ist, eine Aufhebung erfährt. Die in diesem Bewußtwerdungsprozeß liegende Herausforderung führt in einer von Vernunft bestimmten Auseinandersetzung zu einer weiteren Sicht der globalen Zusammenhänge und dem dringenden Wunsch nach einer Welt, die alle Bereiche des menschlichen Lebens nach menschenrechtlichen Maßstäben zu begreifen strebt. Angesichts der unwürdigen Lebensverhältnisse des Großteils der Menschheit stellt sich auch für die Völkergemeinschaft die Frage nach einem Paradigmenwechsel, der die Phänomene der internationalen Beziehungen und des sich darauf beziehenden Rechtssystems vorerst einmal aus dem Blickwinkel der Menschenrechte in einem umfassenden Sinn zu erfassen und zu durchdringen sucht und danach beurteilt. Auf diese Weise werden die Diskrepanzen zwischen außenpolitischen Programmvorgaben, besonders im Menschenrechtsbereich, und tatsächlicher Verwirklichung entdeckt und rechtliche Lücken aufgezeigt. Es lohnt sich in diesem Zusammenhang, institutionelle Aspekte der internationalen Fluchtproblematik zu analysieren und die Spannungsfelder, die aufgrund unterschiedlicher Interessensbereiche entstehen, und deren Lösungen anband eines menschenrechtlich orientierten Maßstabs aufzuzeigen. Die internationale Staatengemeinschaft hat früh institutionell im Rahmen der Vereinten Nationen auf die Fluchtproblematik reagiert und verschiedene Organisationen zu deren Bewältigung im Laufe der Zeit geschaffen. Als die wichtigste und bedeutendste unter ihnen hat sich das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen (UNHCR) herauskristallisiert. Der UNHCR hat nicht nur den weitestgehenden und umfassendsten Mandatsbereich in bezug auf Menschen auf der Flucht, sondern auch angesichts seines einmaligen "international protection" - Mandats institutionelle Vorbildfunktion für weitere Entwicklungen auf dem Gebiet eines immer effektiver werdenden internationalen Menschenrechtsschutzsystems. 1991 gedachte das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen, dem zweimal der Friedensnobelpreis verliehen wurde, seines vierzigjährigen Bestehens. In diesen vierzig Jahren hat diese Institution der Vereinten Nationen ungefähr 28 Millionen Menschen geholfen, Lösungen für ihre Probleme zu suchen und zu fmden. Derzeit zeichnet sich der UNHCR für ca. 17 Millionen Flüchtlinge auf der ganzen Welt verantwortlich.

Vorwort

IX

Diese Schrift hat zum Ziel, das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen völkerrechtlich zu analysieren und darzustellen und rechtsdogmatisch zu erfassen. Im ersten Teil wird das historische Vorverständnis erarbeitet, das notwendig ist, um die weitere Entwicklung dieser Institution der Vereinten Nationen historisch einzuordnen. Der zweite Teil will eine institutionelle und rechtliche Struktur bezüglich des UNHCR entwickeln, wobei im besonderen die Rolle und Funktion der Generalversammlung, des Wirtschafts- und Sozialrats, des Generalsekretärs und des Exekutivkomitees für das Programm des UNHCR hinsichtlich des UNHCR behandelt werden. Das von diesen Organen verabschiedete Rechtsmaterial zum UNHCR wird dabei in ein System gebracht und nach dessen rechtlichen Wirkungen untersucht. Im dritten Teil geht es um die rechtliche Stellung des UNHCR und dessen Organisationsstruktur sowie im besonderen um eine Erörterung der Aufgaben und Tätigkeiten des UNHCR und der damit verbundenen völkerrechtlichen Probleme. Der Darlegung der Kompetenz ratione materiae folgt abschließend eine Analyse und Diskussion des UNHCR - Kompetenzbereichs ratione personae. Die vorliegende Arbeit wurde im Sommer 1991 in Wien abgeschlossen und im Wintersemester 1991/92 von der Juridischen Fakultät der Universität Wien als Dissertation angenommen. Jüngste Entwicklungen, die im speziellen Mandats- und Kompetenzfragen des UNHCR betreffen, konnten aufgrund meines Auslandaufenthaltes nicht in concreto eingearbeitet werden. Hervorzuheben wären beispielsweise die Tätigkeiten des UNHCR in Jugoslawien und im Nordirak sowie Diskussionen hinsichtlich "intemally displaced persons" in der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen im Februar/März dieses Jahres. Angesichts der Wichtigkeit größerer Repatriierungsprogramme, vor allem in Kambodscha und Südafrika, hat der UNHCR das Jahr 1992 zum Jahr der freiwilligen Rückkehr erklärt- und aufs neue die

- Die derzeitige Flüchtlingshochkomrnissarin, Frau Sadako Ogara, schrieb dazu in einem "Die Zeit" - Artikel vom 27. Dezember 1991, daß "wir uns aufs neue einem Weg verschreiben müssen, der zu einer gerechteren Welt und offeneren Weltordnung führt. Wir müssen zu einer humaneren Welt beisteuern, in der mehr Flüchtlinge heimkehren können und weniger Menschen zur Flucht gezwungen werden. ".

x

Vorwort

besondere Bedeutung dieser Lösung einer Flüchtlingsproblematik unterstrichen und gleichzeitig die Leitlinie zukünftiger Arbeit des UNHCR vorgegeben. Hinsichtlich der Ausführungen zu der Stellung des UNHCR - Büros im österreichischen Asylverfahren gemäß § 9(3) AsylG ist anzumerken, daß sich die einschlägige österreichische Asylrechtslage stark geändert hat und mit 1. Juni 1992 ein neues Asylgesetz in Kraft tritt, dessen Besonderheiten im Zusammenhang mit dem UNHCR nicht berücksichtigt werden konnten. Auch wenn die Rechtslage diesbezüglich überholt ist, ist das dazu einschlägige Kapitel auf den Seiten 172-189 insofern bedeutsam, als die in diesem Kapitel analysierte Verwaltungspraxis und höchstrichterliche Rechtsprechung inhaltlich unter Umständen auch für die weitere Zuasmmenarbeit zwischen UNHCR und österreichischen Behörden richtungsweisend ist. Dem Betreuer und Erstbegutachter meiner Dissertation, Herrn Professor Dr. Gerhard Hafner, dessen Assistent ich am Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen an der Universität Wien im Jahr 1991 war, möchte ich meinen besonders herzlichen Dank für seine aufmunternde Unterstützung, für seine wertvollen Anregungen und seine stets fördernde Anteilnahme an meiner Arbeit aussprechen. Dem Zweitbegutachter, Herrn Dozent Dr. Manfred Nowak, Dozent am Institut für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien danke ich für seine wertvollen Hinweise und seine jederzeitige Gesprächsbereitschaft. Meinen Freunden und Kollegen Judith Putzer und Peter Kustor, beide Assistenten am Institut für Völkerrecht und Internationale Beziehungen der Universität Wien, bin ich zu großem Dank verpflichtet. Sie haben sich nicht nur um alle Angelegenheiten hinsichtlich der Publikation meiner Dissertation während meines Auslandsaufenthaltes angenommen, sondern auch das mühsame und arbeitsintensive Erstellen der Druckvorlage und des Stichwortverzeichnisses übernommen. Dem österreichischen Wissenschaftsministerium danke ich für ein siebenmonatiges Stipendium, das mir einen Forschungs- und Praktikumsaufenthalt am Sitz des UNHCR in Genf im Jahr 1990 ermöglichte. Meinen Gesprächspartnern im UNHCR - Büro in Wien und am Sitz des UNHCR in Genf, besonders Herrn Gervase Coles und Herrn Hans Thoolen sowie des Flüchtlingsdokumentationszentrurns (CDR) des UNHCR in Genf, gilt mein besonderer Dank für ihre Gesprächsbereitschaft und Unterstützung.

XI

Vorwort

Ich möchte im übrigen darauf hinweisen, daß die in dieser Arbeit zum Ausdruck gebrachten Ansichten ausschließlich meine persönlichen sind und nicht notwendigerweise die des UNHCR oder der Vereinten Nationen wiedergeben.

Kuwait, im April 1992

Volker Türk

Inhaltsverzeichnis Erster Teil

Historischer Hintergrund A. Allgemeines ............................................................................................. . B. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit dem Völkerbund....................

3

I. Das Hochkommissariat des Völkerbundes für die russischen und später auch für

eine Reihe weiterer Flüchtlingsgruppen (1921-1930) .....................................

3

11. Das Internationale Nansenamt (1930-1938) ..................................................

6

111. Das Hochkommissariat für die aus Deutschland kommenden Flüchtlinge (1933-1938) ........................................................................

9

IV. Das zwischenstaatliche Komitee für Flüchtlinge (1938-1947; ICR) ....................

11

V. Das Hochkommissariat des Völkerbundes für Flüchtlinge (1938-1946) ...............

13

C. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit den VN ...............................

14

I. Die "United Nations Relief and Rehabilitation Administration"

(1943-1947; UNRRA)...........................................................................

14

11. Die internationale Flüchtlingsorganisation (1948-1952; IRO).............................

15

D. Die Gründung des UNHCR.. .......... ........................ ............... ... ...... ..............

20

I. Politisch-historisches Umfeld.. ...................................................................

20

11. Ablauf des Gründungsprozesses .......... ... .................... ... ..................... .......

23

111. Errichtung des UNHCR (eigentlicher Gründungsvorgang) .............. ...... ...........

27

XIV

Inhaltsverzeichnis

Zweiter Teil

Die institutionelle und legislative Struktur bezüglich des UNHCR Kapitell: Grundsätzliche Überlegungen...................................................... .......

29

1. Abschnitt: Externe Organe........................................................................

32

2. Abschnitt: 1nteme Organe........................................................................

33

Kapitel 2: Die GeneralversammlUDg (GV)...........................................................

33

1. Abschnitt: Allgemeines ............................................................................

33

2. Abschnitt: Die Kompetenzen der GY hinsichtlich von "FliJchtlingen"....................

34

3. Abschnitt: Das Delegationskonzept im Verhältnis GV - UNHCR..........................

40

4. Abschnitt: Die Rechtsetzung der GY hinsichtlich des UNHCR.............................

43

A. Allgemeine dogmatische Einordnung....................................................

43

I. Primäres bzw. sekundäres Organisationsrccht......................................

44

11. Internes Recht...........................................................................

46

1. Begriff................................................................................

46

2. Rechtscharakter ....................................................................

47

ill. Externes Recht .........................................................................

51

IV. Weiterführende Überlegungen ......................................................

52

B. Analyse des internen Rechts der GV hinsichtlich des UNHCR........ ..............

53

I. UNHCR-Statutsbestimmungen ........................................... .............

54

11. Fundamentale Prinzipien..............................................................

57

I. Das humanitäre Prinzip...........................................................

57

2. Das "non-political" Prinzip ......................................................

59

3. Das universelle Prinzip ...........................................................

59

4. Das Vennittlungs- und Vertrctungsprinzip....................................

60

5. Abschließende, grundlegende Überlegungen.................................

63

ill. GV -Rechtsetzung auf der Grundlage von para 9 UNHCR-Statut ieS ........

65

IV. GV-Rechtsetzung auf der Grundlage von para 3 UNHCR-Statut ieS ........

67

V. Abschließende Bemerkungen.........................................................

68

C. Interne und externe Wirkungen der Rechtsetzung der GV hinsichtlich des UNHCR .................................................................................

69

I. Interne Wirkungen.......................................................................

69

11. Externe Wirkungen (Außenwirkungen).............................................

71

Inhaltsverzeichnis

1. Indirekt externe Wirkungen......................................................

XV

71

a) Die "exekutive Kraft" des GV Rechtsmaterials hinsichtlich des UNHCR.................................................................

71

b) "oedoublement fonctionnel", Personal, Budget........................

72

c) Art. 22 SVN, Interpretation, Kooperationsgebot, bons fides ........

75

aa) Art. 22 SVN ............................................................

75

bb) Interpretstionsvorgänge ..............................................

77

cc) Art. 2 (2)(5), 55, 56 SVN............................................

81

dd) Abschließende Bemerkungen........................................

86

2. Direkt externe Wirkungen........................................................

87

3. Wirkungen des externen Rechts.................................................

88

m. Zusammenfassende, ergänzende Überlegungen..................................

90

Kapitel 3: Der Wu1scbafts- und Sozialrat (ECOSOC)............................................

92

1. Abschnitt: ECOSOC-RechtselZJUlg auf der Grundlage der Funktionen und Befugnisse gemlJß An. 62 SVN iVm An. 66 SVN........... ......... ..................... ................

93

2. Abschnitt: ECOSOC-Rechtsetzung auf der Grundlage von para 4 UNHCR-SlalUt ieS

94

3. Abschnitt: ECOSOC-Rechtsetzung auf der Grundlage von para 3 UNHCR-Statut ieS

94

Kapitel 4: Der Generalsekretär.........................................................................

95

Kapitel 5: Das Exekutivkomitee für das Programm des Hohen Fliichtlingskommissars der Vereinten Nationen (EXCOM) ................... ............................... .............

98

1. Abschnitt: Allgemeines ............................................................................

98

2. Abschnitt: Beratende Funktionen ................................................................

101

3. Abschnitt: Steuerungsjunlaionen ("govemingfunctions") ..................................

102

A. Neue KompetellZ ............................................................................. 104 B. Interpretative Regelungen...................................................................

c. Umfassende Formulierung .................................................................

104 105

4. Abschnitt: Kompetenzen hinsichtlich "externer RechtselZJUlg" und "international protection Aspekten" ..........................................................

105

5. Abschnitt: EXCOM-organisatorische undfof71lale Angelegenheiten ......................

109

6. Abschnitt: Schlußbemerlcungen ..................................................................

110

XVI

Inhaltsverzeichnis

Dritter Teil

Das Amt des UNHCR unter der Leitung des HKs Kapitell: Allgemeines und rechtliche Stellung des UNHCR ....................................

113

1. Abschnitt: Die Auronomie des UNHCR................................................. ........

113

2. Abschnitt: Die Rechtsflihigkeit des UNHCR ...................................................

115

3. Abschnitt: Der befristete Charakter des UNHCR.............................................

118

Kapitel 2: Die OrganisatioDSstruktur des UNHCR ................................................

120

1. Abschnitt: Sitz.......................................................................................

121

2. Abschnitt: Personal............. ........................ ...... ............ ........ ....... ..........

121

3. Abschnitt: 1mmunitäten und Privilegien des UNHCR ........................................

124

4. Abschnitt: Innerorganisarorische Struktur des UNHCR ......... .......... ....... ....... ....

125

5. Abschnitt: Finanzierung ..... ..... ......... ................ .... ............. ........ ....... ........

127

A. Reguläres VN-Budget .......................................................................

127

B. UNHCR-Budget ........ ....................... .................... .......... ...... ........ ...

128

I. "General Programmes" .................................................................

129

11. "Special Programmes" ...... ........ ...................... .......... ...... ......... ....

131

111. Der Programmzyklus des UNHCR.................................................

133

IV. Budgetkontrolle ........................................................................

134

Kapitel 3: Die Kompetenzen und Funktionen des UNHCR......................................

135

1. Abschnitt: Allgemeine Bemerkungen............................................................

135

A. Formaler Ansatz: Die Rechtsgrundlagen der Funktionen des UNHCR............

135

B. Materieller Ansatz: Kompetenzen ratione materiae et personae .... ....... ....... ...

137

2. Abschnitt: Die Kompetenz ratione materiae ...................................................

138

A. Übersicht....... ............ ......................... .............. ............ ..... ............

138

B. "International Protection" .................... ..................... ........ ...... ......... ...

139

I. Grundlegendes, generelle Beschreibung und Einordnung........................

139

1. Die historisch-institutionelle Perspektive ..... ............ ............. ........

142

2. Die dogmatisch-institutionelle Perspektive....................................

143

3. Die historisch-teleologische Perspektive (Überlegungen zum Substitut des diplomatischen Schutzes) ......................................

144

Inhaltsverzeichnis

XVII

11. Inhaltliche Dimension..................................................................

148

1. Direkter internationsler Schutz...... ............................................

149

a) Fundamentale ·international protection·-Prinzipien ...................

150

b) ·Protection·-Situationen..................................................... 151 2. Indirekter internationsler Schutz ...... . . ............. .... ................. ......

154

m. Art und Weise der Durchführung und Durchsetzung der ·internationsl protection· Funktion ................................................

156

1. Rechtsmaterial ......................................................................

156

2. Das Prinzip der Einheitlichkeit des ·protection·-Standards................ 157 3. Konkrete Durchsetzung ...........................................................

158

4. Problemstellung im Diskrepanzfall und Lösungsmöglichkeiten (Art. 35 GFK etc.)...............................................................

159

5. Die Überwachungstätigkeit des UNHCR......................................

163

6. Genereller Verweis ................................................................

169

IV. Exkurs...................................................................................

169

1. Genereller Teil......... ....... .................. ............... ......... ...........

169

a) Informationsaustausch .......................................................

170

b) Hilfeleistung...................................................................

170

c) Konsultation ...................................................................

170

d) Beobachter- bzw. Beratungsfunktion .....................................

170

e) Initiativrechte..................................................................

171

t) Mitentscheidungsfunktion ...................................................

171

g) Hauptentscheidungsfunktion . . . ......... .. . . . ..... . ..... .... ........ .. .. . .. . 171 2. Spezieller Teil................... ..... ............ ... ............. ......... .........

172

a) Problemstellung und rechtlicher Hintergrund...........................

172

aa) Verwaltungspraxis zu §9 AsylG ... ............ ................ .....

173

bb) Auffassung des VwGH zu einer Verletzung des § 9 (3) AsyIG.......................................

175

cc) Rechtspolitische Würdigung.........................................

176

b) Rechtsdogmatische Analyse der Stellung des UNHCR-Büros im österreichischen Asylverfahren gemäß §9 (3) AsylG ................

178

aa) UNHCR als nichtamtlicher Sachverständiger? ...................

179

bb) UNHCR als anhörungsberechtigte Institution....................

181

(l) Qualifizierte Anhörung ..........................................

182

(2) Einfache Anhörung...............................................

184

(3) Folgen einer Verletzung des §9 (3) AsylG für den UNHCR.. .... .............. ............... ...................

2 Türk

184

XVOI

Inhaltsverzeichnis

(4) Folgen einer Verletzung des §9 (3) AsylG für die Partei des Verfahrens ...................................................

187

c) Zusammenfassung ............................................................

189

C. "Assistance" ...................................................................................

190

I. Einleitung und historische Perspektive...............................................

190

11. Herausbildung der "assistance" Funktion ..........................................

191

U1. Analyse des Rechtsmaterials .................. .... ...................................

194

IV. Inhaltliche Dimension.................................................................

194

1. "Emergency Relief" ................................ ....................... ........

196

2. "Care and maintenance" ..........................................................

197

3. Dauerhafte Lösungen .............................................................

198

a) Lokale Integration........ ................... ... ........ ...... ....... .........

198

b) Freiwillige Repatriierung....................................................

198

c) Wiederansiedlung ("resettlement") ........................................

199

4. Sonstige "assistance" Aktivitäten ...............................................

199

V. Organisatorische Umsetzung .........................................................

199

VI. Größerer rechtlicher Zusammenhang, Einordnungs- und sonstige Rechtsfragen....................................... .................. ...................

199

VII. Politische Dimension................................................................. 204 D. Das Suchen und die Förderung von dauerhaften Lösungen für Flüchtlingsprobleme ...... . . . . . . . . . . . . . . .. ........ . .. ... . . .................................. 204 E. Spezielle humanitäre Aufgaben und Aktivitäten des UNHCR .......................

208

I. Generelle Einordnung, Rechtsgrundlagen........................................... 208 11. "Humanitarian and social activities" ...... ...... ..................................... 211 1. Recht auf humanitäre Initiative..................................................

212

2. Ersatzschutzmacht ................................................................. 218 3. Sonstiges . . ... ....... .. . . .... . . . . . ............ ......................................

220

F. Spezielle Aufgaben in Bezug auf Staatenlose......... ................ .................. 221 G. Die "good offices" Funktion des UNHCR .............................................. 225 H. Die Koordinations- und Kooperationsfunktion des UNHCR inner- und außerhalb des VN Systems ............................ .......... 229 I. Die entwicklungspolitische Funktion des UNHCR ........................... .......... 230 I. Einführung................................................................................ 230 11. Problemstellung ................ ......................................................... 231 01. Historische Entwicklung............................ .......... ....... ................. 233 IV. Rechtsgrundlagen und Rechtsquellen .... .......................................... 242 V. Inhaltliche Aspekte dieser Funktion und rechtliche Probleme........ ....... ... 245

Inhaltsverzeichnis

1. Akteure

XIX

........................................................................... 246

2. Dauerhafte Lösungen ............................................................. 249 3. Interimsphase, "burden sbaring" und "aBsistance" .......................... 249 4. Rolle und Stellung des UNHCR; Kompetenzabgrcnzungsprobleme ..... 251 5. Finanzierung ........................................................................ 255 I. Die Beobachterfunktion des UNHCR in Bezug auf Flüchtlingssituationen ........

255

K. Die Infonnationafunktion des UNHCR .................................................. 257 L. Präventive Funktionen des UNHCR sowohl hinsichtlich bereits existierender als auch möglicherweise entstehender Flüchtlingssituationen ..... 259

3. Abschnitt: Die Kompetenz radone penonae................................................... 263 A. Allgemeine Bemerkungen............................................................. 263 I. Flüchtlingsdefinition: Probleme und aktueller Diskussionsstand ......... 263 11. Analyse des Rechtsmaterials zur Kompetenz ratione personae des UNHCR ......... ... .......... ....... ........ ...... ......... ....... ..... ...... 266

m. Der Antagonismus zwischen dem UNHCR und den Staaten............. 270 IV. Systematisierungsmterien hinsichtlich der Kompetenz ratione personae des UNHCR .......................................................... 272 B. Kategorie A: Flüchtlinge iSd UNHCR-Statuts ieS ............ ...... .............. 274 I. Verhältnis von para 2 zu para 6 UNHCR-Statut ieS.........................

275

11. Sonderfall: Palästina-Flüchtlinge.. ......... ............. ....... ....... ......... 277

m. Sonderfall: Desertation, Militär- bzw. Kriegsdienstverweigerung ......

280

C. Kategorie B: Flüchtlinge ("externally displaced persons") iSd UNHCR-Statuts iwS (d.h. iSv nachfolgenden Statutsbestimmungen) ...... 281 I. Entstehungsgeschichte, Begriffsbildung und -inhalt: "externally versus internally displaced persona" ........... ........ ... ..... 281 11. Kompetenz ratione materiae ..................................................... 290

m. Verpflichtungen der Staaten ....................................................

291

D. Sub kategorie zu A und B (Asylsuchende) ......................................... 295 E. Kategorie C: Personen, die hauptsächlich der "assistance" Funktion des UNHCR bedürfen..................................................................... 298 I. Erfaßter Personenkrcis ............................................................ 298 11. Kompetenz ratione materiae ..................................................... 299 F. Kategorie D: Spezielle verwundbare Gruppen .................................... 300 G. Kategorie E: Staatenlose............................................................... 300

xx

Inhaltsverzeichnis

Annex I (GV-GrüDdungsresolutionen des UNHCR)

301

Annex n (Rechtsmaterial zum EXCOM)

313

Annex m (Principles for Action in Developing Countrles)

329

Literaturverzeichnis

333

Sachverzeichnis

345

Abkürzungsverzeichnis

a.a.O. ACABQ

am angegebenen Ort Advisory Comminee on Administrative and Budgetary Questions

ACC

Administrative Committee on Co-ordination

Add.

Addendum

AJIL

American lournal of International Law

aM

anderer Meinung

Anm.

Anmerkung

Art.

Artikel

AsylG

Bundesgesetz vom 7. MälZ 1968 über die Aufenthaltsberechtigung von Flüchtlingen im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge

Aufl.

Auflage

AVG

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1950

A.W.R.

Association for the Study ofthe World Refugee Problem

Bd.

Band/Bände

BGBI

Bundesgesetzblatt

Blg. NR

Beilage(n) zu den stenographischen Protokollen des Na tionalrates

BMI

Bundesministerium für Inneres

Bull.

Bulletin

B-VG

Bundes-Verfassungsgesetz 1920 in der Fassung von 1929

BYIL

Tbe British Year Book of International Law

bzw.

beziehungsweise

ca.

circa

CCPR

Covenant on Civil and Political Rights

CDR

Centre for Documentation on Refugees

CERD

International Convention on the Elimination of All Forms of Racial Discrimination

XXII

Abkürzungsverzeichnis

CESCR

Covenant on Economic, Social and Cultural Rights

CIREFCA

Internationale Konferenz über zentralamerikanische

Conf.

Conference

Flüchtlinge, 29.-31. Mai 1989 CPA

Comprehensive Plan of Action

den.

derselbe

d.h.

das heißt

DHK

Deputy High Commissioner

dies.

dieselbe

Diss.

Dissertstion

doc.

Dokument

ebd

ebenda

ECOSOC

Economic and Social Council

EG

Europäische Gemeinschaften

EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

Engl.

English

etc.

et cetera

EvBI

Evidenzblan der Rechtsmittelentscheidungen in "Österreichische Juristen-Zeitung"

EXCOM

Exekutivkomitee für das Programm des UNHCR

EXCOM concl. No.

EXCOM Conclusions on the International Protection of Refugees, veröffentlicht im gleichnamigen UNHCR Kompendium (Genf 1988, fortlaufend), UN doc. HCRlIP/2/EngIREV.1987

f

und die folgende (Seite)

FAO

Food and Agriculture Organization

ff

und die folgenden (Seiten)

Flüchtlinge

wenn nicht genauer angegeben oder ersichtlich, dann idR Flüchtlinge in einem umfassenden Sinn, d.h. iSd "Kategorien A und B"

FN

Fußnote

FS

Festschrift

GA

General Assembly

GebAG

Gebührenanspruchsgesetz

GewO

Gewerbeordnung

Abkürzungsveneichnis

GFK

xxm

Genfer Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7. 1951

GIPRI

Geneva International Peace Research Institute

GP

Gesetzgebungsperiode

GV

Generalversammlung

HCR

High Commissioner for Refugees

HK

HochkommisRär

hM

herrschende Meinung

Hrsg.

Herausgeber

lAEA

International Atornic Energy Agency

ICARA I

Internationale Konferenz über Hilfe rur Flüchtlinge in Afrika, 9.-10. April 1981

ICARA II

Zweite Internationale Konferenz über Hilfe rur Flüchtlinge in Afrika, 9.-11. Juli 1984

ICJ

International Court of Iustice

ICJ Reports

International Court of Justice, Reports of Judgments,

ICR

Inter-Govemmental Committee on Refugees

Advisory Opinions and Orders

ICRC

International Committee of the Red Cross

idR

in der Regel

ieS

im engeren Sinn

IGH

Internationaler Gerichtshof

IGO

Intergovemmental Organization

URL

International Journal ofRefugee Law

IKRK

Internationales Komitee vom Roten Kreuz

ILC

International Law Commission

ILO

International Labour Organization

10M

International Organization for Migration

IRO

International Refugee Organization

iSd

im Sinne des

iSv

im Sinne von

iVm

in Verbindung mit

iwS

im weiteren Sinn

JBl

Juristische Blätter

J.O.

Journal Officiel

XXIV

lit.

Abkürzungsverzeichnis

litera

mE

meines Erachtens

MRK

Menschenrechtskonvention

mwN

mit weiteren Nachweisen

NATO

North Atlantic Treaty Organization

NGO

Non-Govemmental Organization

No.

Nummer

NR

Nationalrat

Nr.

Nummer

OAU

Organization of African Unity

OAU-Konvention

OAU Convention of 10 September 1969 governing the

OGH

Oberster Gerichtshof

specific aspects of refugee problems in Africa ÖGZ

Österreich ische Gemeindezeitung

ORCI

Office for Research and the Collection of Information

ÖZöRV

Österreich ische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht

para PCIRO

paragraph Preparatory Commission of the International Refugee Organization

Protokoll 1967

Protocol relating to the Status of Refugees of 31 January 1967

pub!.

publication

RdC

Recueil des Cours de l'Academie de droit international

res.

Resolution

Rev.

Revised, Revision

RN

Randnummer

Rspr.

Rechtsprechung

RV

Regierungsvorlage

S.

Seite(n)

SARRED

International Conference on the P1ight of Refugees, Returnees, and Displaced Persons in Southern Africa, 22.-24. August 1988

sc.

scilicet

SdN

Societc! des Nations

SR

Sicherheitsrat

Abkürzungsverzeichnis

StbG

Staatsbürgerschaftsgesetz

Sten Prot

Stenographische Protokolle

StGB

Strafgesetzbuch

StGG

xxv

Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger

suppl.

supplement oder supplementaire

SVN

Satzung der Vereinten Nationen

Thesaurus

The Refugee Problem on Universal, Regional and National Level (Institute of Public International Law and International Relations of Thessaloniki), Thessaloniki 1987, Thesaurus Acroasium vol. 13

TSS

Technical Support Service

u.a.

unter anderem

UDHR

Universal Declaration of Human Rights

UN

United Nations

UNAT

UN Administrative Tribunal

UNCIO

United Nations Conference on International Organization (Dokumentation)

UNCTAD

United Nations Conference on Trade and Development

UNDP

United Nations Development Programme

UNDRO

Office of the United Nations Disaster Relief Co-ordinator

UNEP

United Nations Environment Programme

UNESCO

United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization

UNHCHR

United Nations High Comrnissioner for Human Rights

UNHCR

United Nations High Comrnissioner for Refugees

UNHCRI

Holborn L.W., Refugees: A Problem of Our Time, The Work ofthe United Nations High Comrnissioner for Refugees, 1951-1972, vol. I (1975)

UNHCR-geschützte Personen

Personen, die von der "international protection" Funktion des UNHCR ratione personae erfaßt werden

UNICEF

United Nations International Children's (Emergency) Fund

UNIDO

United Nations Industrial Development Organization

UNKRA

United Nations Korean Reconstruction Agency

UNREF

United Nations Refugee Fund

UNRRA

United Nations Relief and Rehabilitation Administration

XXVI

UNRWA

AbkülZUngsvelZeichnis

United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the N ear Bast

uU

unter Umständen

VfSlg

Sammlung der Erkenntnisse und wichtigsten Beschlüsse des Verfassungsgerichtshofes

vgl.

vergleiche

VN

Vereinte Nationen

vol.

volume (Band)

VwGG

Verwaltungsgerichtshofgesetz

VwGH

Verwaltungsgerichtshof

VwSlgNF

Erkenntnisse und Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofes, Neue Folge

WDK

Wiener Diplomatenrechtskonvention

WFP

World Food Programme

WHO

World Health Organization

WKK

Wiener Konsularrechtskonvention

WVK

Wiener Vertragsrechtskonvention

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht

ZAR

Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik

ZAS

Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht

z.B.

zum Beispiel

ZN

Zeitschrift für Verwaltung

ZI

Zahl

ZP

Zusatzprotokoll

z.T.

zum Teil

Erster Teil

Historischer Hintergrund A. Allgemeines Der historische Teil ist ausnahmsweise in der Art angeordnet, daß diesem Kapitel eine möglichst repräsentative Auswahl eines Literaturapparates vorangestellt ist, der im einzelnen nicht mehr an der jeweiligen Stelle eigens zitiert wird, sodaß bloß Primärquellen und sonstige wichtige Dokumente besonders im Text angeführt werden: Andre Mandelstam, Das armenische Problem im Lichte des Völker- und Menschenrechts (Göttingen 1931); Stephen P. Ladas, The Exchange of Minorities: Bulgaria, Greece and Turkey (New York 1932); Louise W. Holborn, The Legal Status of Political Refugees 1920-1938, AJIL 1938, 680 ff; Egidio Reale, Le Droit d'Asile, RdC (I) 1938, 473 ff; Louis Adamic, America and the Refugees (New York 1939); Eric Estorick, The Evian Conference and the Intergovernmental Committee, The Annals of the American Academy of Political and Social Science 1939, 136 ff; Yewdall R. Jennings, Some International Law Aspects of the Refugee Question, The British Year Book ofInternational Law 1939, 98 ff; Louise W. Holborn, The League of Nations and the Refugee Problem, The Annals of the American Academy of Political and Social Science 1939, 124 ff; Sir John Hope Simpson, The Refugee Problem (London 1939; Hauptwerk für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg); ders., Refugees, A Review of the Situation since September 1938 (London 1939); F.W. Amold, Zur Rechtslage der Flüchtlinge auf ihrer Rück- und Weiterwanderung, Flüchtlinge Wohin? (Zürich 1945), 130 ff; Andre Balazs, Die Flüchtlingsfrage auf der Ersten Generalversammlung der Vereinten Nationen, Die Friedenswarte 1946, 135 ff; Guido Poulin, Le probleme des refugies, Schweizerisches Jahrbuch für Internationales Recht 1946, 95 ff; M.J. Proudfoot, European Refugees, A Study in Forced Population Movement (London 1946); UNRRA, Das Amt für Hilfsmaßnahmen und Wiederaufbau, Europa-Archiv 1946, 86 ff; Eugene M. Kulischer, Europe on the Move (New York 1948); Elemer Balogh, World Peace and the Refugee Problem, RdC (II) 1949, 371 ff; Roger NathanChapotot, Les Nations Unies et les Refugies (Paris 1949); Sir Arthur Rucker,

2

1. Teil: Historischer Hintergrund

The Work of the International Refugee Organization, International Affairs 1949, 66 ff; Bruno Kiesewetter, Europäische Wanderungsbilanz der Weltkriege, Europa-Archiv 1950, 3044 ff und 3083 ff; George Woodbridge, UNRRA, The History of the United Nations Relief and Rehabilitation Administration (New York 1950); Paul Frings, Das Internationale Flüchtlingsproblem 1919-1950 (Freiburg 1951); Rene Ristelheuber, The International Refugee Organization, International Conciliation 1951, 167 ff; Louise W. Holborn, The United Nations and the Refugee Problem, Yearbook of World Affairs 1952, 124 ff; Jaques Vernant, Les Refugies dans l'apresguerre (Monaco 1953); G.J. van Heuven Goedhart, The Problem of Refugees, RdC (I) 1953, 265 ff; Elfan Rees, The Refugees and the United Nations, International Conciliation 1953, 267 ff; Louise W. Holborn, The International Refugee Organization, A Specialized Agency of the United Nations, its History and Work (London 1956; das umfangreiche Werk dieser Politologin gibt einen sehr guten Einblick in die geschichtliche Entwicklung dieser internationalen Organisation); John George Stoessinger, The Refugee and the World Community (Minneapolis 1956); M.J. Proudfoot, European Refugees: 1919-1952 (London 1957); Paul Weis und Eberhard Jahn, Die Vereinten Nationen und die Flüchtlinge, in: Walter Schätzei - Theodor Veiter, Handbuch des internationalen Flüchtlingsrechts (Wien 1960), 245 ff; Werner von Schmieden, Die Flüchtlingshilfe des Völkerbundes, in: ebd, 219 ff; Otto Kimminich, Der internationale Rechtsstatus des Flüchtlings (1962), 206 ff; Felix Schnyder, Les aspects juridiques actuels du probleme des refugies, RdC (I) 1965, 340 ff; Dennis Gallagher, The Era of Refugees: The Evolution of the International Refugee System (Refugee Policy Group, Washington 1989) bzw. International Migration Review 1989, 579 ff; Gilbert Jaeger, Les Nations Unies et les Refugies, Revue beIge de droit international 1989,22 ff. Da sich die vorliegende Untersuchung nicht als eine rechtshistorische versteht, finden hier in aller gebotenen Kürze nur jene geschichtlichen Fakten Erwähnung, die für das Verständnis der weiteren Entwicklung bedeutsam sind. Im Gefolge des Ersten Weltkrieges ist für die Staatengemeinschaft, die sich erstmals im 1919 gegründeten und allgemein - politisch orientierten Völkerbund organisiert hat, die Flüchtlingsfrage akut geworden, wobei als Ursachen nur exemplarisch der Zerfall des Osmanischen Reiches, die politischen Ereignisse in Rußland und das Auftreten faschistischer bzw. nationalsozialistischer Regime in Europa angeführt werden sollen. Daß es sich dabei um ein international zu lösendes Problem handelte, war evident, sodaß auch schon bald diese Problematik auf der Ebene des Völkerbunds diskutiert

B. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit dem Völkerbund

3

und in diesem Rahmen nach Lösungsmöglichkeiten gesucht wurde. Hervorgehoben werden müssen auch die vielfältigen Bemühungen der Organisationen des Roten Kreuzes und der zahlreichen auf diesem Gebiet tätigen NGOs. Auf zwischenstaatlicher Ebene ist erstmals in der Geschichte auf Veranlassung des Völkerbundes die Hilfe und der Schutz für Flüchtlinge institutionalisiert worden.

B. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit dem Völkerbund I. Das Hochkommissariat des Völkerbundes für die russischen und später auch für eine Reihe weiterer Flüchtlingsgruppen (1921-1930) Bereits 1920 ist der Völkerbund auf das Problem der russischen Flüchtlinge aufmerksam gemacht worden I, aber erst eine im Jahre 1921 abgehaltene und vom IKRK veranstaltete Koordinierungskonferenz von mit diesem Problem beschäftigten NGOs und eine von dieser Konferenz diesbezüglich verabschiedete Empfehlung an den Völkerbund waren auslösendes Moment für ein konstruktives Vorgehen des Völkerbunds in dieser Angelegenheit. So richtete der Völkerbundrat am 27.6.1921 em Hochkommissariat für russische Flüchtlinge als selbständiges Organ des Völkerbundes ein2 und betraute mit dieser Aufgabe am 20.8.1921 3 den Norweger Fridtjof Nansen, der seine Tätigkeit am 1.9.1921 begann. Die Flüchtlingsproblematik ist vom Völkerbund allerdings bloß als eine temporäre Angelegenheit betrachtet worden, obwohl sich in der Zwischenkriegszeit feststellen läßt, daß ehemalige Zufluchtsstaaten in relativ rascher Abfolge zu Herkunftsländem wurden und vice versa. Die Aufgaben dieses Völkerbundorgans umfaßten besonders Repatriierung, die Koordinierung der verschiedenen Hilfsmaßnahmen, die Determinierung des rechtlichen Status der Flüchtlinge, um diese mit Identitäts- bzw. Reiseausweisen zu versorgen, sowie das Vermitteln von geeigneter Arbeit und Unterkunft (soziale Dimension). 1 Damals war die Sowjetunion nicht Mitglied des Völkerbundes, deshalb war die sonst übliche Interessenskollision zwischen Zufluchts- und Herrunftsland noch nicht spürbar.

2 Siehe proces verbal de la treizieme session du Conseil de la SdN, juin 1921, rubrique Nr. 427,53 f. 3 Siehe proces verbal de la quatorzieme session du Conseil de la SdN, aout-septembre 1921, annexe 245, 64.

4

1. Teil: Historischer Hintergrund

Als für damals wertvoll muß das "Arrangement with regard to the issue of certificates of identity to Russian refugees" vom 5.7.19224 mit allerdings bloß empfehlendem Charakter hervorgehoben werden, das als ein Ergebnis der vom 3.-5.7.1922 vom HK veranstalteten internationalen Konferenz gewertet werden kann, eine Einrichtung, die in Hinkunft immer am Anfang von für die weitere Entwicklung nicht unwesentlichen Arrangements bzw. Konventionen in diesem Bereich gestanden ist. In diesem Arrangement von 1922 wurde für die russischen Flüchtlinge ein Dokument geschaffen, das nicht nur Identitäts- und Reiseausweis darstellte, sondern auch den Anknüpfungspunkt für den damals noch sehr rudimentären Rechtsstatus des Flüchtlings bildete. Im September 1923 kam es zu einer Kompetenzerweiterung ratione personae, und zwar wurden auch die armenischen Flüchtlinge in die Tätigkeiten des Hochkommissariats miteinbezogen. Dies hat auch formell seinen Ausdruck in einem Arrangement von 19245 gefunden, in dem das Arrangement von 1922 im wesentlichen auch auf die armenischen Flüchtlinge erstreckt wurde. Auch im September 1927 kam es wieder zu einer Erweiterung des Geltungsbereiches ratione personae, diesmal ging es um die assyrischen, assyro-chaldäischen bzw. ähnliche Flüchtlinge sowie um türkische Flüchtlinge. In weiterer Folge führte dies dazu, daß durch das Arrangement von 19286 die bisher ergangenen Arrangements von 1922, 1924 und 1926 auf die oben genannten Flüchtlinge ausgedehnt wurden. Erwähnenswert ist auch das Arrangement von 19267 , wo es zum ersten Mal zu einer notwendig gewordenen Definition der in die Kompetenz des Hochkommissariats fallenden Flüchtlinge gekommen ist (weil in einigen Zufluchtsländern der Begriff "Flüchtling" verschieden interpretiert wurde); dies ist auch für die 1928 hinzukommenden neuen Flüchtlingsgruppen so fortgeschrieben worden.

4 Siehe League of Nations, Treaty Series, vol. xm, Nr. 355; dieser Vereinbarung sind (z.T. mit Vorbehalten) immerhin 53 Staaten beigetreten, und sie bildete die Grundlage des sogenannten "Nansen Passes"; zur völkerrechtsdogmatischen Einordnung dieser Arrangements vgl. Kimminich, Die Entwicklung des internationalen Flüchtlingsrechts - faktischer und rechtsdogmatischer Rahmen, Archiv des Völkerrechts 1982,379.

5 Siehe "Arrangement du 31.5.1924 concemant I' institution d 'un certificat d' identite pour les refugies armeniens", League of Nations doc., C.L. 72 (a). 1924. 6 Siehe "Arrangement conceming the extension to other categories of refugees of certain measures taken in favour ofRussian and Arrnenian refugees", 30.6.1928; Text siehe League of Nations, Treaty Series, vol. LXXXIX, Nr. 2006. 7 Siehe "Arrangement relating to the issue of identity certificates to Russian and Arrnenian refugees, supplementing and amending the previous arrangements dated 5 Iuly 1922 and 31 May 1924",12.5.1926; Text siehe League ofNations, Treaty Series, vol. LXXXIX, Nr. 2204.

B. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit dem Völkerbund

5

Das Hochkommissariat bediente sich anfangs zur Bewältigung der ihm gestellten Aufgaben der Vertreter des Roten Kreuzes. Außerdem arbeitete es mit einem Beratungskommittee der Vertreter der in diesem Bereich tätigen NGOs, besonders eng mit der 1919 gegründeten ILO, mit der Gesundheitsabteilung des Völkerbundes sowie mit der "Commission Intergouvernementale Consultative pour les R6fugi6s" zusammen8 . 1924 mit Wirkung vom 1.1.1925 kam es auch zu einer formell-organisatorischen Aufgabenteilung zwischen ILO und Hochkommissariat in dem Sinne, daß das Hochkommissariat im Rahmen des Völkerbundsekretariates die rechtliche und politische Betreuung der Flüchtlinge durchführte, die ILO hingegen die in ihrer Zuständigkeit gelegenen technischen Fragen, darunter sozial-karitative (vor allem Arbeitsbeschaffung) und Wiederansiedelungsangelegenheiten, übernahm. Diese Kompetenzaufteilung auf zwei verschiedene Institutionen erwies sich nicht als besonders günstig, sodaß ab 23.9.1929 alle Agenden aufgrund eines Beschlusses der Völkerbundversammlung wieder dem Hochkommissariat, das dem Sekretariat unterstellt und eingegliedert wurde, zugeordnet wurden und die gesamte Verwaltungsarbeit ein Jahr probeweise organisatorisch vom Völkerbundsekretariat miterledigt wurde. Eine komplette Neuorganisation des Flüchtlingswesens ist allerdings erwogen worden. Essentiell ist ein weiteres Arrangement von 19289 , welches zum ersten Mal die rechtlichen Aspekte der Flüchtlingsproblematik (allerdings nur bezogen auf russische und armenische Flüchtlinge) weitgehend in ihrer Gesamtheit zu erfassen versuchte. Unter anderem wird darin dem HK empfohlen, in einer möglichst großen Anzahl von Staaten mit deren Einverständnis Vertreter zu ernennen, die quasi-konsularische Funktionen hinsichtlich der Flüchtlinge erfüllen sollen. Zuvor schon hatte der HK Delegationen vor Ort (d.h. in den wichtigsten Zufluchtsländern), die anfangs nahezu ausschließlich von Vertretern des Roten Kreuzes gestellt wurden, später aber ab 1923 nicht zuletzt wegen zu starker fmanzieller Belastung des Roten Kreuzes durch andere Vertreter ersetzt wurden. Finanziell wurde vom Völkerbund nur der Verwaltungsaufwand des Hochkommissariats beglichen, ansonsten waren die Hilfsmaßnahmen des Hochkommissariats auf Spenden von privater bzw. staatlicher Seite angewie8 Der HK entsandte Delegationen in die bedeutendsten Zufluchtsländer, während diese wiederum Delegierte zum HK entsandten, und diese Delegierten bildeten die eben genannte beratende Kommission; vgl. SdN, IX. session ordinaire de l'Assemblee, seance du 21.9.1928, J.O., suppl. special No. 64, 149 f.

9 Siehe • Arrangement relating to the legal status of Russian and Annenian refugees·, 30.6.1928; Text siehe League of Nations, Treaty Series, vol. LXXXIX, Nr. 2005.

1. Teil: Historischer Hintergrund

6

sen. Das Arrangement von 1926 sah darüber hinaus noch eine regelmäßige Einnahmequelle vor, und zwar die sogenannte "Nansen-Marke " , eine Art Stempelmarke für den Nansenpaß, die von nicht mittellosen Flüchtlingen auch bei der zumeist jährlich erfolgenden Verlängerung des Passes zu vergebühren war und deren Einnahmen in einen Völkerbundfonds für hilfsbedürftige Flüchtlinge wanderte. Darüber hinaus betätigte sich das Hochkommissariat auf dem Gebiet der griechisch-türkischen "Fluchtund Umsiedlungsproblematik"; die Einrichtungen des Hochkommissariats sowie vom Rat gewährte fmanzielle Mittel standen für die Hilfe (die auch das Bemühen um Wiederansiedlung in Griechenland inkludierte) in diesem Bereich zur Verfügung. Der Völkerbund gewährte Anleihen und richtete schließlich ein Autonomes Amt für die Ansiedlung der griechischen Flüchtlinge (1923-1930) durch ein mit Griechenland am 29.9.1923 unterzeichnetes Protokoll ein 10 ; dieses Amt war von zwei Beauftragten des Völkerbundes und zwei Beauftragten der griechischen Regierung geleitet worden. Auch im Rahmen des bulgarischen Flüchtlingsproblems betätigte sich der Völkerbund, er gewährte Anleihen und setzte einen Völkerbundkommissar für die Ansiedlung der bulgarischen Flüchtlinge von 1926 bis 1929 einlI. Beiden Organisationen oblag auch die Verwaltung der gewährten Gelder.

11. Das Internationale Nansenamt (1930-1938) F. Nansen verstarb im Mai 1930. Im selben Jahr kam es auch zu einer vollständigen Neustrukturierung des Flüchtlingswesens. Am 30.9.1930 wurde mittels Beschluß der Völkerbundversamrnlung l2 das Internationale Nansenamt für Flüchtlinge gegründet. Da man nach wie vor davon ausging, daß das Flüchtlingsproblem nicht von permanentem Charakter sei, hat man bereits den 31.12.1938 als Auflösungstermin der Organisation festgelegt. Wieder kam es zu einer Kompetenzaufteilung auf verschiedene Institutionen: der politisch-juristische Schutz war dem Sekretariat des Völkerbundes ohne zeitliche Begrenzung unmittelbar anvertraut worden, die weiteren Aufgaben (humanitär-sozialer, technischer Natur) waren dem 10 "Refugee Settlement Commission", Geneve, 29.9.1923, vgl. SdN, Recueil des Traites, vol. XX, 29.

11 Siehe "Protocole relatif a I'etablissement des refugies en Bulgarie", 8.9.1926, Geneve, SdN, Recueil des Traites, vol. LVm, 245. 12

Siehe SdN, J.O., suppl. special No. 84, 157 f.

B. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit dem Völkerbund

7

Nansenamt übertragen worden. Weil sich auch in diesem Fall die Aufgabenteilung als nicht besonders günstig erwies und das Nansenamt sich auch mit dem Rechtsschutz zu beschäftigen anfing (das Nansenamt war maßgeblich an der Ausarbeitung der Konvention von 1933 beteiligt), sind die Delegierten des Nansenamtes jährlich vom Generalsekretär des Völkerbundes mit der Wahrnehmung der mit dem Rechtsschutz zusammenhängenden Funktionen (Übertragung der grundlegenden, quasi-konsularischen Aufgaben, wie sie sich aus dem Arrangement von 1928 ergeben) betraut worden. Das Statut des Nansenamtes, das federführend in Ausführung eines Auftrags der Völkerbundversammlung von Max Huber (dem ersten Präsidenten des Amtes) ausgearbeitet worden war, ist im wesentlichen vom Völkerbundrat am 19.1.1931 gebilligt worden l3 . Das Nansenamt war eine selbständige, allein verantwortliche Institution, stand allerdings unter der "autorite " bzw. "Direktion" des Völkerbundes gemäß Art. 24 der Völkerbundsatzung; auch die Verwaltungskosten des Nansenamtes wurden vom Völkerbund getragen. Dem Nansenamt war es möglich, lokale Vertreter zu organisieren. Die Organstruktur des Nansenamtes erscheint aufwendig; das höchste Organ war der Verwaltungsrat ("Governing Body" , "Conseil d'Administration"), der zusammengesetzt war: von dem von der Völkerbundversammlung ernannten Präsidenten des Nansenamtes, von dem Vorsitzenden und drei weiteren Mitgliedern der "Commission Intergouvernementale Consultative pour les Refugies" (Beratungsausschuß, dieser Ausschuß entsandte erstmals zwei Flüchtlinge in den Verwaltungsrat), von jeweils einem vom Völkerbundgeneralsekretär designierten Mitglied, von einem vom Direktor der ILO ernannten Mitglied sowie von zwei vom Verwaltungsrat gewählten Mitgliedern aus dem Kreis großer internationaler Hifsorganisationen. Es gab ferner ein Exekutivkomitee (bestehend aus dem Präsidenten und zwei weiteren Mitgliedern des Verwaltungsrates), das die laufenden Geschäfte zusammen mit dem Präsidenten des Nansenamtes führte und dem die generelle Leitung des Nansenamtes oblag. Dazu kam noch ein Sekretariat für die Abwicklung der Verwaltungsangelegenheiten. Das Nansenamt trat darüber hinaus auch die direkte Nachfolge des Hochkommissariats des Völkerbundes für Flüchtlinge an (Art. 13 des Statuts). Das Nansenamt begann seine Arbeit am 1.4.1931. Im Mai 1935 ist das Nansenamt auch mit dem Schutz der saarländischen Flüchtlinge betraut worden (aufgrund eines Ratsbeschlusses); in diesem Zusammenhang ist - ähnlich wie bei den bisher ergangenen erweiternden Arrangements - ein Arrangement vom 30.7.1935 geschaffen worden, das in Bezug auf die Arrangements von 13

Siehe League ofNations, Official Journal 1931, 156,309.

3 Türk

8

1. Teil: Historischer Hintergrund

1922, 1924, 1926, 1928 sowie auf die Konvention von 1933 einen besonderen Ausweis für die Saarflüchtlinge vorsah l4 • Wie bereits erwähnt, war die Konvention vom 28.10.1933 15 nicht unwesentlich vom Nansenamt mitvorbereitet worden. Inhaltlich kommt es in dieser Konvention zu einer umfassenden Regelung der Rechtsstellung der Flüchtlinge im Völkerrecht, beibehalten wird ein allerdings verbessertes System der Nansenpässe (Art. 2), weiters ist ein Verbot der Ausweisung und des refoulement im Art. 3 normiert worden. Was die Rechtsstellung der Flüchtlinge an sich betrifft, vor allem deren Rechte, so lassen sich diese nach vier Grundsätzen systematisieren: (1) Grundsatz der Inländergleichbehandlung (z.B. freier Zugang zu den Gerichten, Recht der Ehescheidung, Recht auf Pflichtverteidigung); (2) Grundsatz der beschränkten Inländergleichbehandlung (z.B. Regelungen über die Arbeitsbedingungen); (3) Grundsatz der qualifizierten Ausländergleichbehandlung (z.B. Regelungen zu Arbeitsunfällen, Wohlfahrt und Unterstützung); (4) Grundsatz der bloßen Ausländergleichbehandlung (z.B. im Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtswesen). Ein wesentliches Prinzip ist im Art. 14 normiert worden, und zwar die Aufhebung des Grundsatzes der Reziprozität für Flüchtlinge, d.h., daß Flüchtlingen der Genuß gewisser Rechte und Vergünstigungen nicht deshalb verweigert werden kann, weil diese bei gewissen Ausländern unter der Bedingung der Gegenseitigkeit gewährt werden, beim Flüchtling diese Reziprozität allerdings nicht vorhanden ist. Im Art. 4 des Arrangements von 1928 über den Rechtsstatus der russischen und armenischen Flüchtlinge ist diese Aufhebung das erste Mal allerdings nur "empfohlen" worden, jetzt ist dieser Grundsatz in der ersten Genfer Flüchtlingskonvention verankert worden. Acht Staaten haben diese Konvention, z.T. mit erheblichen Vorbehalten (vor allem gegenüber Art. 3 und Art. 14), ratifiziert, ein weiterer Staat hat sie unterzeichnet.

14 Siehe "Arrangement du 30.7.1935 concernant I'institution d'un certificat d'identite pour les refugies provenant de la Sarre, en execution de la resolution adoptee par le Conseil de la SdN le 24. mai 1935", League ofNations doc., C.L. 120, 1935 XII.

15 Siehe "Convention relating to the International Status ofRefugees", 28.10.1933, League ofNations, Treaty Series, vol. CLIX, Nr. 3663.

B. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit dem Völkerbund

9

ill. Das Hochkommissariat für die aus Deutschland

kommenden Flüchtlinge (1933-1938)

Anfang der dreißiger Jahre gab es aus Deutschland kommende Flüchtlinge, vor allem Juden, aber auch politische Gegner des nationalsozialistischen Regimes. Es kam in weiterer Folge zu einer mehrmaligen Befassung des Völkerbundes mit dieser Angelegenheit, wobei sich die Situation deshalb als schwierig herausstellte, als Deutschland zu dieser Zeit noch Mitglied des Völkerbundes war. Deshalb konnten diese Flüchtlinge auch nicht dem Nansenamt unterstellt werden; es mußte daher formell-organisatorisch eine Ausgliederung aus dem Völkerbund vorgenommen werden. Am 26.10.1933 wurde das "Haut Commissariat pour les Refugü!s provenant d'Allemagne"16 gegründet. Die Abgrenzung gegenüber dem Völkerbund stellte man u.a. dadurch her, daß dieses Hochkommissariat seinen Sitz in Lausanne (später London) hatte, daß der HK nicht dem Völkerbund Bericht erstattete, sondern dem aus Vertretern der Zufluchtsländer und einigen NGOs zusammengesetzten Verwaltungsrat (und diesem auch allein verantwortlich war und nicht wie vielleicht üblich dem Völkerbundrat), daß weiters Völkerbundmittel bis auf eine anfängliche Anleihe des Völkerbunds für die Verwaltung des Hochkommissariats nicht zur Verfügung standen, sondern diese von privaten Quellen fmanziert werden sollte (miteingeschlossen freiwillige Beiträge von Regierungen). All dies, besonders aber die Tatsache, daß der Völkerbund nicht hinter dem Hochkommissariat stehen konnte (die sogenannte Autonomie des Hochkommissariats), entpuppte sich als für die Arbeit denkbar ungünstig, führte zu dessen Isolierung und einer starken Behinderung der Arbeit. Am 14.2.1936 ist ein neuer HK bestellt worden, der ein Beamter des Völkerbunds war und seine Verwaltungsausgaben direkt vom Völkerbund erstattet bekam. Er war auch wieder dem Völkerbund verantwortlich, erstattete diesem Bericht und konnte auf die Hilfe des Völkerbundsekretariats zurückgreifen. Dazu kam noch eine Kompetenzpräzisierung in Bezug auf den politischen und rechtlichen Schutz. Die Reintegration des Hochkommissariats in den Völkerbund ist nur durch den Austritt Deutschlands aus dem Völkerbund (Oktober 1935) möglich geworden. Formell erfolgte die Integration des Hochkommissariats in den Völkerbund durch Beschluß der Völkerbundversammlung vom 10.10.1936 17 •

16

Siehe SdN, 1.0. 1933/12, section 3346.

17

Siehe SdN doc., A. 73, 1936,

xn B.

12.

10

1. Teil: Historischer Hintergrund

Was den rechtlichen Schutz für Flüchtlinge aus Deutschland betraf, so kam es am 4.7.1936 wieder zur Unterzeichnung eines Arrangements l8 . Dieses Arrangement enthielt u.a. eine Definition der Begriffe "ein aus Deutschland kommender Flüchtling" in der damals üblichen Art und Weise (wobei allerdings im Tatbestand eine folgenlose Differenzierung zwischen jenen Flüchtlingen, die de jure und jenen. die de facto nicht den Schutz der deutschen Regierung hatten, vorgenommen wurde), Bestimmungen über die Ausstellung von Ausweisen und die sich daran anknüpfenden Rechte, wie z.B. die der ungehinderten Ein- und Ausreise, sowie restriktivere Bestimmungen über Ausweisung und Abschiebung als in der Konvention von 1933 (unter bestimmten Bedingungen war sogar eine Abschiebung nach Deutschland möglich). Die für die Flüchtlingsdefinition selbst folgenlos gebliebene Differenzierung hat indirekt insofern Rechtsfolgen, als sich das Personalstatut des Flüchtlings danach orientiert, ob der Flüchtling die Staatsangehörigkeit behalten hat (in diesem Fall gelten die Regeln, die für Ausländer angewandt werden) oder ob er staatenlos ist (hier gilt das Recht des Aufenthalts- oder Wohnsitzlandes). Ferner enthielt das Arrangement die Anerkennung des Grundsatzes der im Herkunftsland "wohlerworbenen Rechte" sowie den freien Zugang zu den Gerichten (Grundsatz der Inländergleichbehandlung) samt der Befreiung von der cautio iudicatum solvi. Acht Staaten sind diesem Arrangement beigetreten. Da das Arrangement bloß als provisorisch gedacht war, wurde es schließlich zur "Convention concerning the Status of Refugees coming from Germany" weiterentwickelt l9 , die am 10.2.1938 nur von sieben Staaten unterzeichnet und tatsächlich nur von drei Staaten ratifiziert wurde. Die Konvention enthielt eine exaktere und insofern extensivere Flüchtlingsdefinition, als expressis verbis auch jene Personen erfaßt waren, die das Gebiet eines anderen als ihres Herkunftsstaates verlassen haben. Erstaunlich und befremdend, weil die Realität der damaligen Situation verkennend, ist die Bestimmung, daß Personen, die Deutschland aus Gründen rein persönlicher Bequemlichkeit20 verlassen, nicht als Flüchtlinge gelten. Insgesamt betrachtet bildete die Konvention aber eine legistisch-systematisch verbesserte, die Konvention von 1933 und das provisorische Arrangement von 1936 im wesentlichen umfassende, in einigen Randbereichen sogar darüber hinausgehende Kodifikation der Rechtsstellung des Flüchtlings.

18 ·Provisional arrangement conceming the status of refugees coming from Germany·, 4.7.1936, League ofNations, Treaty Series, vol. CLXXI, Nr. 3952.

19

Text siehe League ofNations, Treaty Series, vol. CXCII, Nr. 4461, 59.

20

Siehe Art. 1 § 2 dieser Konvention: •... for reasons of purely personal convenience ...•.

B. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit dem Völkerbund

11

Nach dem" Anschluß" Österreichs im März 1938 sind auch aus diesem Land in verstärktem Ausmaß Flüchtlinge gekommen, deshalb wurden durch ein Zusatzprotokoll vom 14.9.193921 das Arrangement von 1936 sowie die Konvention von 1938 auf Flüchtlinge aus Österreich anwendbar. Zuvor im Mai 1938 hat der Völkerbundrat vorläufig den HK für die Flüchtlinge aus Deutschland autorisiert, sein Mandat in der Weise zu interpretieren, daß es auch auf Flüchtlinge aus Österreich anzuwenden wäre. Die Flüchtlinge aus dem Sudetenland sind durch einen Beschluß des Völkerbundrates vom 17.1.193922 ebenfalls im obigen Sinn mitumfaßt worden.

IV. Das zwischenstaatliche Komitee für Flüchtlinge (1938-1947; ICR) Bisher hat es sich immer um Flüchtlingsorganisationen gehandelt, die mehr oder weniger im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Völkerbund gestanden sind. Aufgrund einer Initiative des amerikanischen Präsidenten Roosevelt (die USA selbst war kein Mitglied des Völkerbundes) kam es vom 6. bis 15. Juli 1938 zu einer internationalen Konferenz über die Flüchtlingsproblematik in Evian, wobei als primärer Zweck des Treffens die Erleichterung der unfreiwilligen Emigration aus Deutschland (inklusive Österreich) angegeben wurde. Daran nahmen 32 Staaten und 39 NGOs teil. Ein zwischenstaatliches Komitee zur internationalen Organisation der Flüchtlingshilfe wurde durch die Konferenz von Evian gegfÜndet23 ; der personelle Geltungsbereich der Aktivitäten dieses Komitees erstreckte sich auf deutsche bzw. österreichische Personen, die noch nicht ihr Herkunftsland verlassen haben, dies aber aus politischen, religiösen oder rassischen Gründen tun müssen bzw. auf jene, die ihr Herkunftsland schon verlassen haben, die sich aber noch nicht dauernd woanders niedergelassen haben (para 8 lit. ader Resolution)24. Der Sitz des Komitees war in London und wurde von einem

21 "Additional Protocol to the Provisional Arrangement and to the Convention signed at Geneva on 4 Iuly 1936, and 10 February 1938, respectively, concerning the Status ofRefugees coming from Gennany", League ofNations, Treaty Series, vol. cxcvm, Nr. 4634, 141. 22

Siehe SdN, 1.0. 1939, 72 f.

Siehe "Resolution adopted by the Inter-Governmental Committee at Evian on 14 Iuly 1938 defining the functions of the Intergovernmental Committee", League of Nations, OfficialIournal XIXth year, Nos. 8-9: August-September 1948, 676 f; C.244 M.143.1938 XII, annex. 23

24 Beachte besonders die unterschiedliche Art und Weise der Erfassung des personellen Geltungsbereiches; para 8 lit. a der oben genannten Resolution im Vergleich zu Art. 1 der Konvention von 1938, zu para (2) des Arrangements von 1926 bzw. para (2) des Arrangements von 1928; im para 8 lit.a wird nicht mehr vom "Verlust des Schutzes des jeweiligen

12

1. Teil: Historischer Hintergrund

aus Vertretern von neun Staaten zusammengesetzten Exekutivkomitee geleitet. Weiters gab es noch ein Sekretariat, an dessen Spitze seit Februar 1939 der HK des Völkerbundes (Sir Herbert Emerson) stand. Diese Personalunion nahm dem vom Völkerbund völlig unabhängigen Komitee den Charakter einer konkurrierenden Organisation und förderte die Koordinierung der verschiedenen Aktivitäten und die Zusammenarbeit zwischen den beiden Organisationen. Die Aufgaben des ICR bestanden hauptsächlich darin, eine "optimale Emigration" (durch Verhandlungen mit Deutschland sowie mit den Zufluchtsländern, um dort Möglichkeiten für einen dauernden Aufenthalt zu entwickeln) derjenigen, die Deutschland verlassen mußten, zu ermöglichen; später kam auch der Rechtsschutz hinzu. Im August 1943 wurde der personelle Geltungsbereich folgendermaßen erweiternd defmiert25 : " ... alle Personen, gleich welchen Ursprungs, die infolge der Ereignisse in Europa ihr Aufenthaltsland wegen der Gefahr, die ihrem Leben oder ihrer Freiheit aufgrund ihrer Rasse, Religion oder politischen Überzeugung droht, verlassen mußten oder in Zukunft verlassen müssen "26. Damit sind auch die Flüchtlinge aus Spanien erfaßt worden. Ab Juli 1946 ist der Schutz auf die vertriebenen Personen, die nicht in ihre Herkunftsstaaten zurückzukehren wünschten, ausgedehnt worden. Damit sollte es aber nicht sein Ende haben, am 31.12.1946 (Beendigung der Tätigkeiten des Flüchtlingshochkommissars des Völkerbundes) wurden alle unter das Mandat des Völkerbundhochkommissariats fallenden Flüchtlinge dem Komitee anvertraut. Dem Komitee war somit im wesentlichen die gesamte Flüchtlingsproblematik der Zwischenkriegszeit und z. T. des Zweiten Weltkriegs überantwortet worden. Darüber hinaus kam es dank des Komitees am 15.10.1946 in London zur Unterzeichnung eines "Agreement", das die Ausstellung eines Reisedokumentes für Flüchtlinge betraf'27 . 16 Staaten unHerlrunftsstaates· als Abgrenzungsmerkmal gesprochen; dieser Verlust wird stillschweigend als ohnedies selbstverständlich angesehen; vgl. Arnold, a.a.O. (S. 1), 132. 25 Ergebnis der im April 1943 abgehaltenen Bermudakonferenz; zehn weitere Staaten (unter ihnen die Sowjetunion) sind zum Komitee dazugestoßen; dies führte zu einer Re-organisation und Verstärlrung des Komitees. 26 Zitiert in: Kimminich, Der Internationale Rechtsstatus des Flüchtlings (1962), 242 f mwN; für diese Definition gilt mutatis mutandis dasselbe wie zuvor beim para 8 lit. a der Resolution; die Elemente von ausgewählten und für wert befundenen Fluchtursachen und -motivationen fließen erstmalig entscheidend in die Definition ein; vgl. dazu Kimminich, ebd, 243 und Amold, a.a.O. (S. 1), 132. 27 • Agreement relating to the issue of a travel document 10 refugees who are the concern of the Intergovemmental Committee on Refugees·, UN Treaty Series, vol. 11,84, Nr. 150 (1947).

B. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit dem Völkerbund

13

terzeichneten dieses Übereinkommen, das genau die Schaffung eines einheitlichen Reiseausweises für alle Flüchtlinge regelte - in starker Anlehnung an früher in dieser Angelegenheit getroffene Maßnahmen, wie z.B. den Nansenpaß. Dieses zwischenstaatliche Komitee, das am Ende seines Bestehens zehn Delegationen in den verschiedensten Zufluchtsländern unterhielt, wurde mit dem Tag des Tätigkeitsbeginns der IRO am 1.7.1947 aufgelöst.

V. Das Hochkommissariat des Völkerbundes für Flüchtlinge (1938-1946) Da man zur Zeit der Errichtung des internationalen Nansenamtes und auch später noch die Flüchtlingsproblematik als eine temporäre Angelegenheit falsch einschätzte, kam es am 31.12.1938 - wie vorgesehen - zur Auflösung des internationalen Nansenamtes und des Hochkommissariats für die aus Deutschland kommenden Flüchtlinge. Was blieb, war eine große Anzahl von Flüchtlingen. Noch vor Beendigung der Tätigkeiten der beiden Organisationen am 30.9.1938 errichtete daher die Völkerbundversammlung nach anfänglichem Zögern und Uneinigkeiten28 ein neues Hochkommissariat für alle Flüchtlinge29 , das seine Tätigkeiten am 1.1.1939 aufnehmen sollte. Das Mandat dieses neuen Hochkommissariats bezog sich sowohl auf die vom Nansenamt als auch auf die vom Hochkommissariat für Flüchtlinge aus Deutschland betreuten Personen. Die Aufgaben umfaßten den politischen und rechtlichen Schutz, die Überwachung der Konventionen von 1933 und 1938, die Koordinierung der humanitären Hilfe sowie die Unterstützung von Regierungen und NGOs in ihren Bemühungen, die Emigration und den dauernden Aufenthalt zu fördern. Die Hilfe an die Flüchtlinge war nur eine indirekte, da der HK die ihm zur Verfügung stehenden Fonds auf die für die Verwaltung dieser Gelder am bedas sten qualifizierten Organisationen aufzuteilen hatte (d.h. Hochkommissariat war nicht eigentlich operationell). Die Verwaltungskosten des Hochkommissariats wurden vom Völkerbund getragen. Sitz des Hochkommissariats war London; es bestand jährliche Berichtspflicht an die Völkerbundversammlung; außerdem konnte der HK im Einvernehmen mit den jeweiligen Regierungen Vertreter in die wichtigsten Zufluchtsländer entsenden. Die Turbulenzen des Zweiten Weltkriegs machten es im übrigen 28 Dies war u.a. auch ein wesentlicher Grund für die Initiative des Präsidenten Roosevelt zur Gründung des ICR. 29

Siehe League ofNations, Official Iournal, 1938, Special Supplement Nr. 183,26 ff.

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1. Teil: Historischer Hintergrund

erforderlich, auch den außerhalb des Mandats stehenden Flüchtlingen seitens des Hochkommissariats zu helfen. Das Flüchtlingshochkommissariat des Völkerbundes Tätigkeiten am 31.12.194630 .

beendete seme

C. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit den VN I. Die "United Nations Relief and Rehabilitation Administration" (1943-1947; UNRRA)

Eine der furchtbaren Folgen des Zweiten Weltkriegs war das Flüchtlings-, Verschleppungs- und Umsiedlungsproblem. "Man schätzt, daß von Ausbruch des Krieges bis Anfang 1943 ca. 30 Millionen Europäer umgesiedelt, deportiert oder zerstreut wurden. "31. Am 9.11.1943 wurde in Atlantic City die UNRRA durch ein von 44 Staaten (später auf 48 Staaten erweitert) unterzeichnetes Abkommen gegründet. Abgesehen von den vorher behandelten Völkerbundaktivitäten bestanden während des Zweiten Weltkriegs von den Briten und Amerikanern für die Flüchtlings- und Kriegsopferhilfe geschaffene Einrichtungen, und zwar u.a. die britische MERRA ("Middle East Relief and Refugee Administration" mit seit 1942 bestehenden Flüchtlingslagern in Nordafrika) und das amerikanische, im November 1942 gegründete OFRRO ("Office of Foreign Relief and Rehabilitation Operations"). An sich war die Organisation der UNRRA32 in einem von der Tätigkeit her globalen Rahmen geschaffen worden, um den befreiten Völkern Hilfe zu leisten und Landwirtschaft, Industrie, Verkehr und den öffentlichen Dienst in den in Betracht kommenden Ländern wiederherzustellen. Diese Organisation hatte auch Aufgaben in Bezug auf Flüchtlinge und verschleppte Personen zu erfüllen. Die Aufgaben der UNRRA umfaßten u.a. die materielle Hilfe für die befreiten Gebiete und die Repatriierung der nach Deutschland und den 30

Hinsichtlich des Verhältnisses zum zwischenstaatlichen Komitee für Flüchtlinge siehe S.

14 fund Balogh, a.a.O. (5. 1),412 fmwN. 31 Siehe Kiesewetter, a.a.O. (5. 1), 3088.

32 Die UNRRA war eine der ersten Sonderorganisationen der noch im Entstehen begriffenen UNO, die formell erst am 24.10.1945 zu existieren anfing; siehe vor allem Woodbridge, a.a.O. (5. 1).

C. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit den VN

15

besetzten Gebieten verschleppten Personen (nach der Definition: "Alle deportierten und geflüchteten Angehörigen alliierter Nationen, die in den befreiten Ländern aufgefunden wurden, sowie Personen nicht alliierter Staatsangehörigkeit, aber Opfer der Diktaturstaaten, die sich in den befreiten Ländern befanden. "). Im Rahmen der Flüchtlingshilfe ist die UNRRA u.a. mit der Verwaltung der Lager, in denen um den Großteil der Flüchtlinge und verschleppten Personen gesorgt wurde, sowie mit der Repatriierung der verschleppten Personen betraut worden. Der Schwerpunkt der Tätigkeit lag auf der Repatriierung (insgesamt mehr als sieben Millionen Menschen laut 12. Bericht der UNRRA an den amerikanischen Kongreß am 30.7.1947), obwohl sich im Laufe der Zeit (nach Ende des Krieges) ein großer Teil der Flüchtlinge und verschleppten Personen weigerte, in die Herkunftsländer zurückzukehren. Am 1.7.1947 wurde die UNRRA aufgelöst. Diese spezielle Flüchtlingsarbeit der UNRRA, die am 30.6.1947 noch 633.000 meist nicht repatriierbare verschleppte Personen in Deutschland, Österreich, Italien und den Mittleren Osten betreute, ging an die IRO über.

11. Die internationale Flüchtlingsorganisation (1948-1952; IRO) Der Zweite Weltkrieg hat - wie zuvor bereits erwähnt - große Massenfluchtbewegungen ausgelöst (es kam zu Verschleppungen in KZ-Lager oder zur Zwangsarbeit, zur Massenflucht vor Verfolgungen und Krieg, zu Vertreibungen, zur Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte, Kriegsgefangenschaft etc.). Folglich lebte eine sehr große Anzahl von Menschen nicht in ihren Herkunftsländern, was sehr schwerwiegende Probleme mit sich brachte. Die Einsicht in die absolute Notwendigkeit einer Behandlung dieser Problematik im Rahmen der VN ist von Anfang an vorhanden gewesen. Schon auf der Konferenz von San Francisco 1945 ist die Gründung einer internationalen Flüchtlingsorganisation angeregt worden. So befaßte sich im Dezember 1945 die vorbereitende Kommission der UNoJ 3 in ihrem Bericht mit den Flüchtlingsfragen und stellte fest, daß "eines dieser Probleme, vielleicht das dringendste, das Problem der Flüchtlinge ist". Laut Bericht dieser Kommission hatte der ECOSOC auf seiner ersten Sitzung das Flüchtlingsproblem als "dringende Angelegenheit" zu behandeln, weiters 33

8 f.

"Preparatory Commission ofthe UN°, vgl. dazu Yearbook ofthe United Nations 1947-48,

1. Teil: Historischer Hintergrund

16

sollte der erste Teil der ersten Sitzung der GV "Angelegenheiten von dringender Wichtigkeit, einschließlich des Flüchtlingsproblems" in Behandlung nehmen. Dementsprechend hat der Dritte Ausschuß für soziale, humanitäre und kulturelle Angelegenheiten am 31.1.1946 die Beratung über die Flüchtlingsfrage im Auftrag der GV begonnen (19. Jänner 1946: Überweisung der Flüchtlingsfrage an den Dritten Ausschuß durch die GV); im Rahmen dieser Beratungen ist ein Bericht verfaßt und der GV vorgelegt worden, der auch von ihr angenommen wurde, sodaß die GV am 12.2.1946 zur Flüchtlingsfrage eine grundlegende Resolution verabschieden konnte34 . Diese Resolution ist auch im Annex III der IRO-Satzung enthalten. Sie ist wegen ihrer Indikatorfunktion bedeutsam für die Zukunft, da in ihr festgestellt wird, daß das Flüchtlingsproblem ein äußerst dringliches ist. Der ECOSOC wird in dieser Resolution beauftragt, die Flüchtlingsfrage gründlich zu prüfen, darüber Bericht zu erstatten, dafür einen speziellen Ausschuß zu errichten und gewisse Prinzipien und Richtlinien in dieser Angelegenheit zu beachten, die im wesentlichen zusammengefaßt und gekürzt folgende sind:

* Das Flüchtlingsproblem ist seiner Tragweite und seiner Natur nach international. * Weder ein Flüchtling noch eine verschleppte Person (außer es handelt sich um einen Kriegsverbrecher, einen Quisling oder einen Verräter), die ganz frei und nach bestem Wissen endgültig und entschieden triftige Vorbehalte gegen eine Rückkehr in das Herkunftsland erhoben hat, soll gezwungen werden, in das Herkunftsland zurückzukehren. * Die Hauptaufgabe gegenüber den verschleppten Personen besteht darin, sie zu einer baldigen Rückkehr in ihr Herkunftsland zu ermutigen und ihnen dabei umfassend zu helfen. * Die Zukunft der schützenswerten Personen (Flüchtlinge und verschleppte Personen) soll Aufgabe einer internationalen Organisation werden, die errichtet werden dürfte, wo das Zufluchtsland eine Vereinbarung mit dieser Organisation getroffen hat, in der es sich bereit erklärt, die vollen Aufenthaltskosten zu tragen und die Verantwortung für deren Schutz zu übernehmen. Ein spezielles Komitee des ECOSOC arbeitete in der ersten Hälfte des Jahres 1946 einen Entwurf für die Satzung einer internationalen Flüchtlingsorganisation aus (das Komitee tagte von 8.4.-1.6.1946 in London; 20 Staaten waren in diesem Komitee vertreten). Bei diesen Beratungen sind deutlich die z. T. sehr verschiedenen Auffassungen zur gesamten Problematik (vor allem Konfrontation zwischen westlichen Auffassungen und den restriktiven und der Behandlung dieser Flüchtlingsfragen gegenüber negativ einge34

Siehe UN doc. Al45, Resolution der GV vom 12. Februar 1946.

c. Die Flüchtlingsproblematik im Zusammenhang mit den VN

17

stellten sozialistischen Konzepten) offenbar geworden, besonders bei der Diskussion, welche Flüchtlingsdefinition der Arbeit der neuen Organisation zugrunde gelegt werden soll. Diese Konzeptunterschiede und Schwierigkeiten bei der Konsensfindung können z. T. damit erklärt werden, daß sowohl Zufluchts- als auch Herkunftsländer die Problematik diskutierten (Interessensgegensätze bezüglich des rechtlichen Schutzes wurden evident). Schließlich wurde ein Entwurf für die Satzung einer internationalen Flüchtlingsorganisation vorgestellt, die als eine zeitlich begrenzte Spezialorganisation der VN iSv Art. 57 und 63 SVN vorgesehen war. Mit geringfügigen Änderungen wurde dieser Entwurf am 15.12.1946 mit 30 gegen 5 Stimmen bei 18 Enthaltungen von der GV angenommen35 . Die IRO begann ihre Tätigkeit am 1. Juli 1947; allerdings sollte gemäß Art. 18 (2) IRO-Satzung diese Satzung in Kraft treten, wenn mindestens 15 Regierungen, deren Beiträge wenigstens 75 % des vorgesehenen Jahreshaushalts ausmachten, beigetreten waren, sodaß korrekterweise als der eigentliche Beginn der Arbeit der IRO mit Erfüllung der Inkraftsetzungsklauseln der 20.8.1948 angegeben werden muß. In der ZwischelJZeit arbeitete bis zu einem gewissen Umfang die PCIRO ("Preparatory Commission of the International Refugee Organisation") aufgrund einer besonderen Vereinbarung zwischen den Regierungen über die Interimsmaßnahmen36 und übernahm ab 1.7.1947 auch die für Flüchtlinge vorgesehenen Funktionen der UNRRA und des ICR37. Um das Mandat ratione personae der IRO zu determinieren, bediente man sich der Enumerationsmethode, d.h. die zu betreuenden Kategorien von Flüchtlingen und verschleppten Personen wurden exakt aufgezählt sowie jene Personen, für die die Organisation nicht zuständig war3 8 . Festgelegt wurde auch, unter welchen Umständen Flüchtlinge bzw. verschleppte Personen aus der Zuständigkeit der Organisation ausschieden. Ob sich die IRO für einen Flüchtling einsetzte und ihn betreute, entschied sie selbst. In einem eigenen Verfahren wurde die Eignung von Personen untersucht, ob sie unter das 35

Siehe GV res.

62 I vom 15.12.1946.

Siehe dazu: "Agreement on interim measures to be taken in respect of refugees and displaced persons"; Annex m, IRO-Satzung, GV res. 62 I; dieses" Agreement" war ein Teil der Resolution der GY über die Annahme der IRO-Satzung; fonnelle Voraussetzung für die Aufnahme der Tätigkeit der PCIRO war der Umstand, daß acht Regierungen ihren Beitritt erklärten. 36

31

Beide Organisationen wurden am

1.7.1947 aufgelöst.

Siehe zur genauen Untersuchung die Definitionen und allgemeinen Grundsätze im Annex I der IRO-Satzung. 38

18

1. Teil: Historischer Hintergrund

Mandat der IRO fielen oder nicht ("eligibility"). Es bestand bei negativem Ausgang des Eignungsverfahrens die Möglichkeit, Beschwerde an den "Review Board for Eligibility Appeals" beim Hauptquartier der IRO in Genf zu führen. Darüber hinaus gab es noch eine Klassifizierung nach Betreuungsgraden. Was die Finanzierung der Organisation betraf, so wurden neben den Verwaltungskosten auch die Arbeitskosten ins Budget miteinbezogen. Organisatorisch gab es ein "General Council" (das höchste Organ, in dem jeder Mitgliedstaat je einen Vertreter und eine Stimme hatte und das regelmäßig in Sitzungen tagte), ein "Executive Committee" (das ausführende Organ, dem neben übertragenen auch eigenständige Notbefugnisse sowie die Kontrolle der Arbeit des Generaldirektors oblagen; zusammengesetzt aus Vertretern von neun Mitgliedern, die für jeweils zwei Jahre vom "General Council" gewählt wurden) und ein Sekretariat (dem die Verwaltung anvertraut war und an dessen Spitze ein Generaldirektor stand). Weiters unterhielt die IRO 38 lokale "Vertretungen" ("Field Offices"). Die umfassenden Aufgaben der IRO waren gemäß Art. 2 IRO-Satzung folgende:

* Repatriierung: Zwar wurde die Repatriierung unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg als eine besonders wertvolle Problemlösung angesehen, aber immer mehr Menschen wollten aufgrund z. T. nicht unbedeutender geänderter Umstände, vor allem politischer Natur, immer weniger in ihre Herkunftsländer zurückkehren, sodaß nach anderen Lösungsmöglichkeiten gesucht werden mußte. Hinfällig wurde in diesem Zusammenhang die Unterscheidung zwischen "Displaced Persons" und Flüchtlingen, da alle jene "Displaced Persons", die sich nicht repatriieren ließen, als Flüchtlinge zu betrachten waren. * Neu- bzw. Wiederansiedlung: Eine der Möglichkeiten, den geänderten Umständen effektiv Rechnung zu tragen, war es, die in Betracht kommenden Personen in den jeweiligen Zufluchtsländern bzw. in Drittländern permanent anzusiedeln. Diese Tätigkeit der IRO hat sich daher auch als eine der wesentlichsten herauskristallisiert. Zu diesem Zweck hat die IRO auch mit 85 Regierungen Verträge abgeschlossen, sich gleichfalls um den Transport gekümmert und Transportmittel gemietet, um möglichst vielen Menschen zur Immigration in Länder auf allen Kontinenten zu verhelfen. Die IRO hat auch über die Lebens- und Arbeitsbedingungen der einzelnen Länder Informationen gesammelt und diese den Flüchtlingen zur Verfügung gestellt. * Versorgung und Betreuung: Die unter das Mandat fallenden Personen erhielten durch die IRO in und außerhalb von Lagern und Betreuungsstationen

C. Die Flüchtlingsproblematik: im Zusammenhang mit den VN

19

u.a. Verpflegung, Betreuung und Schulung. Neben einer umfassenden Gesundheitsfürsorge nicht nur während der Zeit des "Wartens" auf eine Neuansiedlung, sondern auch während der Weiterreise gab es Programme für den Unterricht von Kindern und Jugendlichen, für Berufsausbildung, Weiterund Fortbildung, Studium, für Sprachunterricht und Landeskunde, Umschulung nicht zuletzt im Hinblick darauf, eine optimale Neuansiedlung zu ermöglichen. * Rechtsschutz ("legal and political protection"): Trotz der beiden Adjektiva, die den Schutz beschreiben sollen, ging die hM dahin, daß damit nur eine einzige und unteilbare Funktion mit doppeltem Charakter gemeint sei39 . Im Rahmen des Rechtsschutzes geht es darum, sich für die Rechte und Interessen der Flüchtlinge einzusetzen, was die Schutzfunktion einerseits in der Weise definiert, daß alle einschlägigen nationalen und internationalen Bestimmungen auf dem Gebiet des Flüchtlingswesens beobachtet, gesichert und überwacht werden müssen (rechtliche Seite dieses Schutzes). Die Staatengemeinschaft hat andererseits mit der Ausübung dieser Schutzfunktion eine internationale Körperschaft betraut, die - wenn es notwendig ist - bei den einzelnen Regierungen vorstellig wird (politische Seite dieses Schutzes). Inhaltlich schließt der Rechtsschutz neben den üblichen quasi-konsularischen Tätigkeiten (sehr oft aber darüber hinausgehend, in verschiedenen Ländern z.B. die Funktionen, die einem Anwalt zukommen = "legal assistance") auch eine reformatorische Dimension in Richtung auf eine Verbesserung der Lage der Flüchtlinge durch Vorbereitung neuer völkerrechtlicher Flüchtlingsabkommen wie durch Verhandlung mit den einzelnen Regierungen, um eine nationale Gesetzgebung zugunsten der Flüchtlinge anzuregen bzw. zu verbessern, mitein. In Ausübung dieses Rechtsschutzes ist die IRO wohl auf allen Rechtsgebieten für die Flüchtlinge tätig geworden. * Weiterführung des internationalen Suchdienstes: Dieser Suchdienst wurde von der SHAEF (das alliierte Hauptquartier: "Supreme Headquarters Allied Expeditionary Force") gegründet und führte 1944 eine zentrale Registrierung aller befreiten Kriegsgefangenen, verschleppten Personen und nicht rückkehrwilligen Flüchtlingen ein. Die UNRRA verwaltete 1945 dieses Archiv, um allerdings bereits am 1.7.1947 von der vorbereitenden Kommission der IRO (PCIRO) die Weiterführung dieses internationalen Suchdienstes übernehmen zu lassen. Alle diese Aufgaben (besonders die des Rechtsschutzes) konnten idR jedoch nur in jenen Staaten ausgeführt werden, die auch tatsächlich Mitglieder der IRO (insgesamt 18) waren bzw. ausdrücklich (in Form von Vereinbarungen) oder konkludent die Ausübung dieser Tätigkeiten zuließen. 39

Siehe S. 144 ffmwN.

20

1. Teil: Historischer Hintergrund

Weder osteuropäische Länder noch Spanien wurden Mitglieder dieser Organisation, d.h., daß sich die damals aktuellen Herlrunftsländer von Flüchtlingen außerhalb der IRO befunden haben und nur mittelbar im Rahmen der GV und des ECOSOC (Berichtspflicht der IRO an dieses VN-Organ) bis zu einem gewissen Grad, vor allem in allgemeiner Hinsicht, Einfluß auf die IRO ausüben konnten. Die IRO war von Anfang an als eine bloß temporäre Organisation konzipiert gewesen; sie war daher ursprünglich nur bis zum 30.6.1950 vorgesehen, wurde jedoch für kurze Zeit verlängert, stellte schließlich am 31.1.1952 endgültig ihre Tätigkeiten ein und ging am 1.3.1952 in die Liquidation. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich ihr Betreuungsmandat auf 1.619.000 Personen erstreckt.

D. Die Gründung des UNHCR I. Politisch-historisches Umfeld Die IRO war - wie soeben festgestellt - von vornherein als eine nicht permanente Organisation gedacht gewesen, wobei sich allerdings die Flüchtlingsproblematik in immer verstärkterem Ausmaß nicht bloß als eine temporäre Angelegenheit herauskristallisierte. Die VN, die von Anfang an ein besonderes Augenmerk auf diese Problematik legte, konnte sich daher auch nicht einer Fortschreibung ihrer Aktivitäten auf diesem Gebiet entziehen, zumal die Einsicht, daß diese Problematik unbedingt in einem internationalen Kontext zu behandeln war, bereits zum gesicherten und unabdingbaren Wissensstand der internationalen Staatengemeinschaft gehörte4O • Bald schon wurde vor allem seitens der IRO daher die Notwendigkeit der rechtzeitigen Übertragung der Wahrnehmung des rechtlichen und politischen Schutzes von Flüchtlingen auf eine der IRO nachfolgende, unterschiedliche Institution betont41 . 40 Ein Indiz für diese Aussage ist die Feststellung in der GV-Resolution vom 12.2.1946 (UN doc. Al45): •... this problem is international in scope and nature ... "; diese Feststellung ist im übrigen bei nachfolgenden Resolutionen und sonstigen internationalen Dokumenten des öfteren wiederholt worden; siehe z.B. General Council der IRO res. 40, Memorandum an den ECOSOC. 41 Siehe IRO doc. IRO/PREP/41 vom 29.4.1947, 12; innerhalb der IRO kam es immer wieder zu Diskussionen, Anregungen, Empfehlungen und Vorschlägen bezüglich der zukünftigen internationalen Behandlung der Flüchtlingsproblematik; siehe dazu Holborn, Refugees: A Problem of Dur Time, Tbe Work of the United Nations High Commissioner for Refugees,

D. Die Gründung des UNHCR

21

Einer der Hauptgründe, warum es nicht zur Fortsetzung der IRO gekommen ist (abgesehen davon, daß man die Flüchtlingsproblematik als temporäre Angelegenheit betrachtete und folglich auch die damit beschäftigte Institution als eine befristete ansehen wollte) ist jener, daß die dreißig Unterzeichnerstaaten der IRO-Satzung davon ausgegangen sind, daß auch die übrigen VN-Mitgliedstaaten bzw. überhaupt "friedliebende" Staaten der IRO beitreten würden und es somit zu einem "burden-sharing" in finanzieller Hinsicht käme42 . Tatsächlich ist es aber nicht dazu gekommen; die IRO bestand aus achtzehn Mitgliedern, die die besonders kostspieligen und aufwendigen Tätigkeiten der IRO alleine finanzierten. Diese achtzehn Mitgliedstaaten waren allerdings nicht mehr gewillt, allein die Kosten für die Bewältigung der weltweiten Flüchtlingsproblematik zu tragen, wo doch diese sehr ernste Frage in den Verantwortungsbereich der VN insgesamt fie1 43 . Für ein umfassendes Verständnis des UNHCR erweist sich eine kurze historische Skizzierung der politischen Rahmenbedingungen und des politischen Klimas zur Zeit der Gründung des UNHCR als notwendig44 . Zwei Problembereiche charakterisieren die für die Diskussion relevante politische Atmosphäre. Einerseits zeichnen sich wachsende Spannungen und Konflikte zwischen Ost und West ab, der Beginn des Kalten Krieges fällt in diese Zeit, in einigen Ländern kommt es zu einer kommunistischen Machtübernahme, Konflikte entstehen, es kommt zu einer zunehmenden Polarisierung weltweit, die in der Folge zu militärischen Bündnissen und zur Herausbildung von zwei Machtblöcken auf der Welt und im speziellen in Europa führt. Andererseits war die internationale Staatengemeinschaft wieder vor die Frage gestellt, wie sie die Flüchtlingsproblematik behandeln könnte und lösen sollte. Die Vorstellungen zur Lösung der damit in Zusammenhang stehenden weiteren Fragen wichen z.T. stark voneinander ab und harrten einer Konsensfmdung im grundsätzlichen, wie in Hinkunft die Flüchtlingspolitik international organi1951-1972, vol. 1(1975), 36 ff: fortan abgekürzt UNHCR I; dies., The International Refugee Organization, A Specialized Agency ofthe United Nations, its History and Work (1956), 725 ff; vgl. weiters IRO docs. GCIW/3, GCIW/4, GC/80, GC/81; UN doc. ECQSOC IX, E/1392, 11. Iuli 1949; beachtenswert auch die Aussagen und Stellungnahmen während der Arbeitskonferenz der IRQ und der freiwilligen Hilfsorganisationen (" Associated Voluntary Agencies") im Iänner 1949, bei der auf die Dringlichkeit der Weiterführung internationaler Aktionen in Bezug auf die Flüchtlingsproblematik besonders aufmerksam gemacht wurde, siehe dazu genauer Holborn, UNHCR I (FN 41), 38 ff sowie Annex 2.4 auf den S. 50 f. 42 Siehe Holborn, UNHCR I (FN 41), 37; UN doc. ECOSOC, E 2211, Annex V, April 1952: 37.

43

Siehe Holborn, UNHCR I (FN 41), 37, 57.

Siehe dazu Holborn, UNHCR I (FN 41), 57-64 und im Detail 65-86 mwN; vgl. auch S. 231 fund 263 ff. 44

22

1. Teil: Historischer Hintergrund

siert und ausgestaltet werden sollte. All dies hatte einen beträchtlichen Einfluß auf Verhandlungen, Diskussionen und überhaupt auf die Gestaltung der internationalen Beziehungen innerhalb des Systems der VN, aber auch im besonderen auf Fragen, die im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik aufgeworfen wurden. Die grundsätzliche sozialistische Position zur neu entfachten Diskussion über die internationale Bewältigung der Flüchtlingsproblematik war jene der Repatriierung in die Herkunftsländer; alles andere wäre eine Ausbeutung der Flüchtlinge und müßte als Völkerrechtsverletzung bewertet werden, da ihrer Meinung die Souveränität der Herkunftsländer verletzt würde45 . Die grundsätzliche westliche Position betonte bei der Repatriierung immer besonders das Element der Freiwilligkeit und wollte keine andere Form der Repatriierung zulassen. Für die anderen Flüchtlinge mußte man sich international bemühen, andere Lösungen zu finden ("international protection" , "resettlement" etc.) und zu garantieren. Dazu kam noch u.a. infolge der Verschlechterung der Beziehungen zwischen Ost und West ein Paradigmenwechsel in der Außenpolitik der USA und westeuropäischer Staaten in Bezug auf die Einschätzung der Bedeutung der VN und in Bezug auf das Verhältnis zu ihr ("stiller Auszug aus dem System und der Idee der VN"). Das Schwergewicht der Gestaltung internationaler Beziehungen verlagerte sich auf regionale und bloß spezifische Kooperationen und Organisationen. Wegen dieser sich verändernden Umstände in der amerikanischen Außenpolitik und aus ökonomischen Gründen ("resettlement" in den USA war schwierig geworden und betrachtete man als beendet; es bestand wenig politischer Wille, für eine internationale Flüchtlingsorganisation wiederum hohe finanzielle Beiträge zu zahlen; alternative wirtschaftliche Hilfe für Europa in Form des in Europa anlaufenden Marshall Planes) sollten nun die Erstasylländer in Europa den Hauptanteil an der Bewältigung der Flüchtlingsproblematik tragen. Der Osten verhielt sich bewußt ablehnend gegenüber den vom Westen vorgestellten Konzepten und entwickelte eigene Entwürfe, die aber nur wenig Zustimmung fanden. Der Westen hatte genug Unterstützung und damit Stimmen erhalten, um der eigenen Auffassung zum Durchbruch zu verhelfen. Allerdings war diese Auffassung, als dessen Resultat die Gründung des UNHCR gesehen werden kann, ein Ergebnis von langen Diskussionen, Konzessionen und Kompromissen. Innerhalb des westlichen Lagers bestand nämlich anfänglich 45

Siehe Holborn, UNHCR I (FN 41), 58.

D. Die Gründung des UNHCR

23

auch nur Konsens darüber, daß die Hauptfunktion der zu schaffenden Institution die des internationalen Schutzes für Flüchtlinge sein sollte. Über die damit verbundenen Implikationen gab es innerhalb der regionalen Gruppe des Westens zwei unterschiedliche Positionen: die der Erstasylländer in Europa und die der Übersee-asylländer ("resettlement"-Länder, besonders aber die der USA):

* Die Überseeländer stellten sich eine genau definierte Behörde mit geringer Autorität und begrenzten Funktionen vor. Sie sollte nur befristet errichtet werden, ein geringes Budget und einen geringen Beamtenapparat haben; die Zielvorgaben sollten reduziert sein, vor allem aber die Wahrnehmung des Schutzes für die übriggebliebenen IRO-Flüchtlinge darstellen. Die Institution sollte ins VN-Sekretariat eingegliedert werden (wenn möglich, keine Ernennung eines HKs und wenn, dann nur aufgrund einer Ernennung durch den Generalsekretär; keine Spezialorganisation). Die FlüchtlingsdefInition sollte restriktiv gefaßt sein und dem Organ sollte nicht die Befugnis zur materiellen Hilfeleistung für Flüchtlinge eingeräumt werden. * Im großen und ganzen dieser Position diametral entgegengesetzt war die Auffassung der westeuropäischen Staaten, wobei es auch innerhalb dieser Untergruppe mehr oder minder extensivere Vorstellungen bezüglich der Organisationsstruktur, dem Aufgabenbereich der neuen Organisation und der Flüchtlingsdefinition gab. Die internationale Organisation und Strukturierung der Bewältigung der internationalen Flüchtlingsproblematik stellte sich somit als ein Kompromiß zwischen diesen beiden Positionen innerhalb der westlichen Gruppe dar46 .

ll. Ablauf des Gründungsprozesses Auf seiner sechsten Session Anfang März 1948 hat der ECOSOC auf Vorschlag der Menschenrechtskommission47 den Generalsekretär aufgefordert, eine Studie mit weiterführenden Empfehlungen über die gegenwärtige Situation in Bezug auf den Schutz von Staatenlosen und den zu treffenden interimistischen Maßnahmen auf diesem Gebiet anzulegen48 . In dieser Studie des Generalsekretärs über Staatenlosigkeit ist konkret von der Schaffung eines internationalen Organs zwischenstaatlichen Charakters für 46

Siehe zu alldem näher Holbom, UNHCR I (FN 41), 6S ff mwN.

47

Siehe Official Records ofthe ECOSOC, third year, sixth session, supplement Nr. 1, 13 f.

48

Siehe ECOSOC res. 116 D VI (1. und 2. März 1948).

4 Türk

24

1. Teil: Historischer Hintergrund

den Rechtsschutz von Flüchtlingen gesprochen worden; dabei standen nach bisherigen Modellen und Erfahrungen vier unterschiedliche Organisationsmuster zur Diskussion und zur Verfügung:

* Wahrnehmung der Aufgaben direkt durch das Generalsekretariat der VN (Eingliederung) * Wahmehmung durch ein zu schaffendes Amt eines Hohen Kommissars für Flüchtlinge, das im Rahmen der VN tätig wird und dessen Verwaltungskosten von der UNO gedeckt werden (partielle Ausgliederung) * Fortführung der IRO mit Beschränkung auf die Rechtsschutzaufgaben (Ausgliederung) * Schaffung einer neuen Spezialorganisation der VN (Ausgliederung). Folgende Funktionen waren dabei für dieses neue Amt vorgesehen: Für die Zentrale:

* Zusammenarbeit mit den Regierungen der Staaten in der Anwendung bestehender Abkommen * Erleichterung gemeinsamer und gleichzeitiger Aktionen der Regierungen zugunsten der Staatenlosen * Registrierung der Staatenlosen, Feststellung ihrer Bedürfnisse und Sammlung aller notwendigen Unterlagen und Informationen * Förderung des Abschlusses neuer Abkommen und des Beitritts der Staaten zu bereits bestehenden Abkommen * Abschluß von Vereinbarungen mit Regierungen, um den Staatenlosen die Beschaffung bestimmter Dokumente zu ermöglichen * Erleichterung und Zulassung Staatenloser in Länder, die willig sind, Staatenlose zeitweilig oder dauernd aufzunehmen * Erleichterung der Eingliederung und der Einbürgerung Staatenloser * Zusammenarbeit mit den privaten freiwilligen Hilfsorganisationen in der Betreuung von Staatenlosen. Für die Zweigstellen:

* Zusammenarbeit mit den Behörden des Aufenthaltsstaates

* Erfüllung von Aufgaben, die ihnen vom Hauptquartier im Hinblick auf die Ausführungen der von ihm getroffenen Vereinbarungen übertragen werden * Örtliche Zusammenarbeit mit den freiwilligen Wohlfahrtsverbänden und Koordinierung der Hilfstätigkeiten derselben * Erfüllung gewisser Funktionen, die normalerweise von Konsuln ausgeübt werden49 •

D. Die Gründung des UNHCR

25

Die Erwartungshaltung bezüglich der Aufrechterhaltung eines internationalen Organs für den Schutz von Flüchtlingen läßt sich auch anband von internationalen Instrumenten dokumentieren, die nur am Rande mit Flüchtlingsfragen zu tun haben. Im "Model Agreement on Temporary and Permanent Migration for Employment, inc1uding Migration of Refugees and Displaced Persons" (1949)50 fmdet sich im Art. 25 (2) der Hinweis auf den Vertreter jener Körperschaft, die in Übereinstimmung mit den Bestimmungen eines für den Schutz von Flüchtlingen und "displaced persons" (die nicht den Schutz irgendeiner Regierung genießen) verantwortlichen internationalen Instruments errichtet wird. In den Empfehlungen51 enthält Recommendation I, para 2 eine fast identische Bezugnahme auf eine internationale Körperschaft für den Flüchtlingsschutz. Bei der diplomatischen Konferenz vom 21. April bis zum 12. August 1949 (des internationalen Roten Kreuzes), anläßlich der u.a. die Genfer Konvention zum Schutz der Zivilbevölkerung in Kriegszeiten verhandelt und ausgearbeitet wurde, ist man davon ausgegangen, daß ein von den VN eingesetztes internationales Amt für den Flüchtlingsschutz als eine Organisation gemäß Art. 11 (1) dieser Konvention zu qualifizieren wäre52 . Die Studie samt Empfehlungen des Generalsekretärs über Staatenlosigkeit war der Anlaß dafür, daß der ECOSOC auf seiner neunten Sitzung den Generalsekretär in einer Resolution aufforderte, einen Plan für eine internationale Organisation, deren Struktur und Aufgaben mit der hauptsächlichen Funktion eines internationalen Schutzes für Flüchtlinge im Rahmen der VN vorzubereiten, wobei nur mehr folgende Alternative für das Organisationsmodell vorgegeben war: ... Errichtung eines Amtes eines HKs unter der Kontrolle der VN ... Errichtung einer Abteilung innerhalb des Generalsekretariats der VN53. Das zu errichtende Amt sollte nicht später als

49 Wiedergegeben aus Jahn, Der völkerrechtliche Schutz von Flüchtlingen (1955), 56 f mwN; vgl. UN docs. E/1l12 und E/1l12 Add. 1; "A Study of Statelessness", UN-Publications, Sales No. 1949, XN, 2, diese Studie wurde vom "Department of Social Affairs" des VNSekretariats in Konsultation mit der IRO erarbeitet. 50 Dieses "Agreement" wurde auf ihrer 32. Session von der "International Labor Conference" am 1. Juli 1949 angenommen; ILO Recommendation Nr. 86, Art. 25. SI Siehe "Recommendations Concerning Migration for Employment, Revised 1949", die von derselben Konferenz angenommen wurden, ILO Recommendation Nr. 86. S2 Siehe Conf. doc. C.D.G./MIX/SC. IIGR. 25; siehe weiters dazu Gutteridge, Tbe Geneva Conventions of 1949, BYIL 1949, 301 f; siehe Art. 11 dieser Genfer Konvention sowie Holborn, a.a.O. (FN 41 - IRO), 326 f; vgl. weiters dazu Weis, Tbe International Protection of Refugees, AJIL 1954,198,217 f; vgl. S. 218 ff.

26

1. Teil: Historischer Hintergrund

am 1.1.1951 mit seiner Arbeit beginnen. Der Bericht des Generalsekretärs erfolgte am 26. 10. 194954 . Auch die IRO führte - wie bereits erwähnt - zuerst interne Diskussionen über die zukünftige Bewältigung des Flüchtlingsproblems nach ihrer Liquidierung, bis sie dann u.a. in einem Memorandum des "General Council" an den ECOSOC ihre Position und konkreten Vorstellungen näher ausführte55 . Es erging auch ein Memorandum an die GV56. Zusammengefaßt ist in diesen beiden Memoranden folgendes vorgetragen worden: Die Flüchtlingsproblematik stellt sich als ein permanentes Problem dar. Deshalb sollte die internationale Hilfe in Form des Flüchtlingsschutzes ohne Unterbrechung fortgesetzt werden. Dafür sollte ein Organ im Rahmen der VN verantwortlich gemacht werden. Die IRO sollte nicht weitergeführt werden. Darüber hinaus sollte die Eröffnung eines internationalen, von dem eingesetzten VN-Organ verwalteten Fonds für die materielle Flüchtlingshilfe vom ECOSOC erwogen werden. Mehrere im "General Council" der IRO vertretene Delegationen der Mitgliedstaaten der IRO haben sich für die Errichtung eines UNHCR ausgesprochen und über dessen Organisation und Tätigkeitsbereich bereits konkrete Vorstellungen entwickelt. Einige europäische Staaten betonten im besonderen die Notwendigkeit von internationalen Aktionen auf dem Gebiet der materiellen Hilfe und der Errichtung eines Fonds. Im Rahmen der vierten Session der GV beschäftigte sich schließlich der Dritte Ausschuß mit dem Bericht des Generalsekretärs vom 26. 10. 194957 , in dem neben einer Flüchtlingsdefinition und einer Reflexion über Natur und Umfang der Funktionen des internationalen Rechtsschutzes auch Vorstellungen von der Organisation des Amtes, den notwendigen finanziellen Mitteln und der Verwaltung von Fonds entwickelt wurden. Gleichzeitig be-

53 Siehe ECOSOC res. 248 IX (6. und 8. August 1949), siehe Official Records of the ECOSOC, fourth year, ninth session, resolutions 58; UN doc. A/1385 para 4; in dieser Resolution wurde auch beschlossen, ein ad hoc Komitee aus 13 Regierungsvertretern zu ernennen, das sich mit der Problematik der Flüchtlinge und Staatenlosen zu beschäftigen hatte. 54 Siehe Official Records of the Fourth Session of the General Assembly, Annex to the Third Committee, UN docs. A/C.3/527 und A/C.3/SR 256 - 264. 55 Siehe Third Session ofthe General Council, 28 June - 8 July 1949: res. 40. GC/98/Rev. I, die auch dem ECOSOC auf seiner neunten Session vorlag. 56

Siehe Fourth Session of the General Council, 11 - 20 October 1949: res. 54 GC/135/Rev.

57

Siehe UN docs. A/C.3/527 und A/C.3/SR 256 - 264.

I.

D. Die Gründung des UNHCR

27

faßte sich der Ausschuß u.a. mit den beiden vorhergenannten Memoranden der IRO und mit Resolutionsentwürfen von Frankreich58 und den USA59 über die jeweiligen Ideen bezüglich des zu schaffenden Amtes. Schließlich zogen aber beide Staaten ihre Entwürfe zurück und brachten einen gemeinsamen ein60 . Die endgültigen Vorschläge des Dritten Ausschusses61 wurden von der GV auf ihrer 264. und 265. Sitzung behandelt und am 3. 12. 1949 angenommen62 .

ID. Errichtung des UNHCR (eigentlicher Gründungsvorgang) Ergebnis all dieser Studien, Diskussionen, Anregungen etc. war eine Resolution der GV vom 3.12.1949 63 , in der die GV die Verantwortung der VN für den internationalen Schutz von Flüchtlingen anerkannte. In dieser Resolution wurde beschlossen, am 1. Jänner 1951 ein Amt des Flüchtlingshochkommissars der VN zu gründen, wobei bis auf gegenteiligen Beschluß der GV nur die Verwaltungsausgaben aus dem Budget der VN getragen werden sollten. Der Generalsekretär und der ECOSOC wurden beauftragt, konkrete Vorschläge und Maßnahmen (wie z.B. Budgeterstellung für das erste Jahr) für die Durchführung dieser Resolution vorzubereiten sowie ein Statut anzufertigen, wobei diese Vorschläge von den Regierungen begutachtet werden sollen. In einem Annex zu dieser Resolution sind einige grundlegende und bei der Ausarbeitung des Statuts zu berücksichtigende Leitlinien über die Errichtung, Finanzierung, die Organisation, den Mandats- und Kompetenzbereich, die Funktionen, die Arbeitsweise, die Dauer etc. des neu zu schaffenden Amtes festgelegt worden. Die vom Generalsekretär ausgearbeiteten, detaillierten Entwürfe emes Statuts für den UNHCR orientierten sich an einem gegenüber der IROSatzung extensiveren Flüchtlingsbegriff, vor allem an der Defmition der im

Siehe UN doc. A1C.3/529. Siehe UN doc. A1C.3/L. 28. 60 Siehe UN doc. A1C.3/L. 29. 61 Siehe UN doc. AI 11 18. 62 Vgl. Weis/lahn, Die Vereinten Nationen und die Flüchtlinge, in: Schätzel-Veiter, Handbuch des internationalen Flüchtlingsrechts (1960), 252, die in ihrem Aufsatz u.a. den Gründungsvorgang des UNHCR zusammenfassend darstellen. 63 Siehe GV res. 319 IV. 58

59

28

1. Teil: Historischer Hintergrund

Ausarbeitungsstadium befindlichen Flüchtlingskonvention64 , hielten sich aber sonst idR an die Vorschläge des Dritten Ausschusses. Auf seiner 11. Sitzung wurden die Vorschläge des Generalsekretärs vom ECOSOC behandelt65 , und in der ECOSOC res. 319 XI wurde der GV der Entwurf einer Resolution bezüglich der Gründung des UNHCR übermittelt. Ferner wird in dieser Resolution des ECOSOC noch der Bericht des ad hoc Komitees über Flüchtlinge und Staatenlose behandelt und beschlossen, daß der noch von diesem Komitee zu revidierende Entwurf der Flüchtlingskonvention (zumindest) die vorgelegte Präambel und Flüchtlingsdefinition enthalten soll. Schließlich wurde wieder der GV die Flüchtlingsangelegenheit mittels eines Memorandums des Generalsekretärs vom 22. 9. 195066 auf ihrer fünften Session vorgelegt. Der Dritte Ausschuß beschäftigte sich in 17 Sitzungen mit dieser Angelegenheit67 und in seinem Bericht an die GV war der Text einer Resolution über den UNHCR samt Statut enthalten68 . Dieser Resolutionsvorschlag wurde schließlich am 14. 12. 1950 von der GV angenommen und als GV -Resolution verabschiedet69 . Diese Resolution ist als der eigentliche Gründungsakt und die prinzipielle Rechtsgrundlage des UNHCR zu qualifizieren. Sie enthält einerseits eine umfassende Aufforderung an die Regierungen, mit dem UNHCR zusammenzuarbeiten, wobei diese Zusammenarbeit anband konkreter und wichtiger Maßnahmen präzisiert wird, andererseits im Annex das Statut des UNHCR70. Darüber hinaus wurde in Übereinstimmung mit den Statutsbestimmungen auf Nominierung des Generalsekretärs der Holländer G.J. van Heuven Goedhart für die Dauer von drei Jahren von der GV zum Hohen Kommissar für Flüchtlinge gewählt.

64 Siehe UN docs. EI1669 und E/1618 von dem weiter oben genannten ad hoc Komitee des ECOSOC ("ad hoc Comminee on Refugees and Stateless Persons"), das einen Entwurf der zu schaffenden Flüchtlingskonvention ausarbeitete.

65

Siehe ECOSOC res. 319 XI vom 11. und 16. August 1950.

66

Siehe UN doc. Al1385.

67

Siehe UN doc. AlC.3/SR 324 - 338, 341, 344.

68

Siehe UN doc. Al1682.

69

Siehe GV res. 428 V.

Dieses im Annex der GV res. 428 V enthaltene Statut wird fortan als UNHCR-Statut ieS bezeichnet. 10

Zweiter Teil

Die institutionelle und legislative Struktur bezüglich des UNHCR Kapitell

Grundsätzliche Überlegungen Anfangs ist es wichtig im grundsätzlichen festzustellen, daß der UNHCR formal ein "subsidiary organ" der GV iSv Art. 22 SVN ist und nicht eine öffentliche internationale Organisation in dem allgemein verstandenen Sinn eines auf völkerrechtlichen Vertrag basierenden Zusammenschlusses von zwei oder mehreren Staaten bzw. anderen Völkerrechtssubjekten zur Besorgung von Angelegenheiten von gemeinsamen Interesse durch gemeinsame Organe7l . Materiell betrachtet unterliegt die Analyse und internationale Einordnung des UNHCR allerdings einer differenzierten Betrachtung. Man wird sich dieser Tatsache bewußt, wenn man die institutionelle Struktur im Rahmen der VN hinsichtlich des UNHCR als ein UNHCR-System zusammenfaßt und bezeichnet. Unter dem UNHCR-System wird im folgenden die institutionelle und legislative Struktur innerhalb der VN verstanden, die sich auf den UNHCR bezieht, d.h. alle Organe der VN, die im Zusammenhang mit dem UNHCR bestimmte Aufgaben wahrnehmen und mit einschlägigen Funktionen gegenüber ihm betraut sind, deren Zusammenwirken sowie deren einschlägige Rechtsetzung hinsichtlich des UNHCR. Das eigentliche Amt des UNHCR ist ein besonders wichtiger Teil dieses gesamten Systems. Dieses UNHCRSystem ist von der GV geschaffen worden und läßt sich letztlich auf sie zurückführen.

71 Siehe zu dieser Definition KöcklFischer, Grundzüge des Rechtes der Internationalen Organisationen (2. Aufl. 1986), 28; Schreuer in: Neuhold-Hurnrner-Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts (2. Aufl. 1991), Bd. I, RN 811 ff.

30

2.Teil: Die institutionelle und legislative Struktur bezüglich des UNHCR

Wie später noch näher begründet wird72 , kann der UNHCR wegen seines besonderen Status und seiner Rolle sowohl innerhalb des VN-Systems als auch im Völkerrecht im allgemeinen als eine spezielle Körperschaft innerhalb des VN-Systems mit einer starken Tendenz hin zur Autonomie und Unabhängigkeit identifiziert werden73. Ein derartiges "subsidiary organ", das in ein legislatives und institutionelles System eingebunden ist und diese starke Autonomietendenz aufweist, ist materiell durchaus mit einer "gewöhnlichen" öffentlichen internationalen Organisation vergleichbar74 • Dieser Aspekt wird der hier vorgenommenen Untersuchung zugrunde gelegt und die damit verbundene einschlägige Terminologie, die sich im Recht der internationalen Organisationen durchgesetzt hat, wird auch im gegenwärtigen UNHCR-Kontext übernommen. Diese vergleichende Übernahme hat nicht nur terminologisch-praktische Gründe, sondern resultiert vor allem aus der Tatsache, daß substantielle Ähnlichkeiten zwischen dem Recht hinsichtlich des UNHCR und dem Recht der internationalen Organisationen gefunden werden können. Dies wird im Laufe der Arbeit ersichtlich und begründet werden und läßt sich vorläufig kurz anhand zweier Überlegungen näher veranschaulichen. Es ist selbstverständlich richtig, daß das UNHCR-Statut ieS kein völkerrechtlicher Vertrag ist; dieser Rechtsakt der GV kann aber materiell als "delegierter Vertrag" von im Vergleich zu "gewöhnlichen" Verträgen iSd WVK 1969 unterschiedlichem rechtlichen Wert und Gewicht gesehen 72

Siehe S. 113 ff.

Vgl. auch Singh, Tbe Role and Record of the UN High Commissioner for Refugees (1984),8; siehe S. 113 ff, wo dies näher begründet wird. 13

74 Paul Reuter meint al1gemein zu diesem Bereich der "subsidiary organs": "Certains de ces organes ont, malgre leur caractere subsidiaire, des aspects constitutionnels ... ", vgl. Reuter, Les organes subsidiaires des organisations internationales, in: FS für President Basdevant (Hommage d'une Gem:ration des Iuristes au President Basdevant, 1960), 418 f, auf S. 419 meint er sogar: "Les organismes de gestion (operational agencies) prennent parfois une teile autonomie et traitent des problemes si particuliers que ce sont de veritables organisations nouvelles au sein des Nations Unies qui se developpent ( ... U.N.I.C.E.F., U.N.W.R.A., U.N.K.R.A., etc ....)". Blaine Sloan meint dazu, daß die GV "has established semi-autonomous agencies such as UNCTAD, UNIDO (nowa specialized agency) and UNEP, all of which arc very nearly international organizations", später führt er näher aus, daß diese Organisationen "are very nearly interchangeable with international organizations. UNIDO has by treaty been converted into a specialized agency. while the office of the HCR ... replaced IRO, an organization created by treaty". siehe Sloan, General Assembly Resolutions Revisited (Forty Years Later), BYIL 1987, 48 und FN 26. ME reiht sich der UNHCR in seiner derzeitigen Gestalt in die Reihe dieser von Paul Reuter klassifIZierten Organisationen ein. Hinsichtlich der Frage der Operationalität des UNHCR siehe S. 189 ff.

Kap. 1: Grundsätzliche Überlegungen

31

werden75. Wie später noch näher ausgeführt wird76 , kann die Qualifizierung des UNHCR-Statuts ieS als materieller "delegierter Vertrag" damit gerechtfertigt werden, daß das UNHCR-Statut ieS das Gründungsdokument (ähnlich der Satzung einer internationalen Organisation) des UNHCR darstellt und daß sich das UNHCR-Statut ieS über den Weg der GV direkt von der SVN ableiten läßt und als eine Teilimplementierung (-konkretisierung) der SVN gewertet werden kann. Abgesehen davon hat der UNHCR in gewisser Hinsicht materiell die Nachfolge der IRO angetreten, die wiederum eine internationale Organisation darstellte, die aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages (IRO-Satzung) geschaffen worden war ("specialized agency"). Der materielle Transfer einer derartigen Organisation (IRO) in das interne System der VN bringt selbstverständlich eine spezifisch formelle Anpassung und formelle Änderungen (Gestalt des UNHCR aufgrund des UNHCR-Statuts ieS) mit sich. Formal betrachtet mag dieser Ansatz durchaus angreifbar sein, aber aufgrund der Tatsache, daß es materiell so viele Ähnlichkeiten zwischen dem UNHCR und "echten" öffentlichen internationalen Organisationen gibt, ist mE eine generelle Analogie zum Recht der internationalen Organisationen in diesem Fall gerechtfertigt und stellt die Richtlinie für die vorliegende Untersuchung dar. Diese materielle Betrachtungsweise wird dazu beitragen, eine klarere und stärker dogmatisch orientierte Analyse und Systematisierung der institutionellen und legislativen Struktur in Bezug auf den UNHCR vorzunehmen und aufzubauen. Dieser Ansatz ist auch als ein Mittel anzusehen, um spezifische rechtliche Probleme in diesem Kontext zu lösen und zu neuen oder unterschiedlichen Ergebnissen zu gelangen. 75 Vgl. Bowett, The Impact of the UN Structure, Including that ofthe Specialized Agencies, on the Law of International Organization, Proceedings of the American Society of International Law 1970, 49, der dort meint: "Indeed, it may be said that it is now largely a matter of policy whether a new venture is established by resolution of the General Assembly or by a new intergovemmental agreement creating a specialized agency". Louis Sohn meint hinsichtlich dieser ·subsidiary org&ns": "Thus the old doctrine has been laid 10 rest that international organizations can be created only by treaty and that States can become members of an international organization only by ratifying (or acceding 10) the treBty creating it"; siehe Sohn, The Development of the Charter of the United Nations: the Present State, in: Bos, The Present State of International Law and Other Essays (1973), 58. Paul Reuter führt in diesem Zusammenhang näher aus: "D'une maniere generale les deux categories juridiques < < accord entre Etats> > et < < acte d 'une organisation> > ne sant pas aussi rigoureusement separees que leur definition le laisserait entendre ...• , siehe Reuter, a.a.O. (FN 74), 422. 76

Siehe S. 53 ff.

32

2.Teil: Die institutionelle und legislative Struktur bezüglich des UNHCR

Gleichzeitig soll die Gefahr der Hypertrophie dieses Ansatzes nicht unbedacht bleiben. Es ist wichtig, sich der Vorteile einer Institution innerhalb des VN-Systems bewußt zu sein (argumentum: para 1 UNHCR-Statut ieS: " ... under the auspices of the United Nations ... "), und es kann für selbstverständlich angenommen werden, daß diese Vorteile die Grenzen dieses Ansatzes bilden müssen. Das ganze System der "UNHCR-Institution" umfaßt folgende Organe: 1. Abschnitt

Externe Organe Die Organe innerhalb des VN-Systems, die direkt und unmittelbar den UNHCR betreffen, sind die GV und der ECOSOC. Diese stellen Organe für das UNHCR-System insoweit dar, als sie u.a. als Organe hinsichtlich des UNHCR handeln bzw. auftreten und Funktionen gegenüber dem UNHCR entsprechend ihrer diesbezüglichen Kompetenzen erfüllen bzw. wahrnehmen, d.h., daß sie Beschlüsse oder Resolutionen von unmittelbarer oder mittelbarer Bedeutung für den UNHCR verabschieden. Beide Organe sind als "beliehene" oder externe Organe bezüglich des UNHCR-Systems anzusehen, da ihr Bestand nicht von der Existenz des UNHCR abhängt. Ihre Funktionen gegenüber dem UNHCR bilden nur einen kleinen Teil ihrer Gesamtverpflichtungen und Verantwortungsbereiche insgesamt. Ihre Kompetenzbereiche und die Reichweite ihrer Aktivitäten sind viel breiter und umfassender und überschreiten bei weitem ihre Beziehung zum UNHCR. Die Existenz des UNHCR wird letztlich vom Hauptorgan (der GV) abgeleitet und hängt so auch im wesentlichen von der GV ab. Dies ist vergleichbar mit der Tatsache, daß die Existenz einer internationalen Organisation von den Mitgliedstaaten abhängt, die im allgemeinen im Hauptorgan vertreten sind. Dies führt zum Schluß, daß die GV in gewisser Weise das externe Hauptorgan hinsichtlich des UNHCR ist. Die Stellung der GV gegenüber dem UNHCR-System kann mit der Rolle verglichen werden, die das weitere bzw. das Haupt-Repräsentativorgan einer internationalen Organisation typischerweise spielen muß, was Verfassungsangelegenheiten und die Festlegung der allgemeinen Politik der Organisation betrifft77.

77 Gleichzeitig erfüllt die GV hinsichtlich des UNHCR auch die Rolle, die die Staaten nonnalerweise spielen würden, hätten wir es tatsächlich mit einer • echten· internationalen

Kap. 2: Die Generalversammlung

33

Andere Organe innerhalb des VN-Systems können uU ebenfalls von Bedeutung für den UNHCR sein, aber dies ist nur mit einer von der GV tatsächlich vorgenommenen, eigentlichen Aufgabenzuweisung an diese oder der Billigung durch die GV möglich78. 2. Abschnitt

Interne Organe Das Exekutivkomitee für das Programm des UNHCR79 und das Amt des UNHCR selbst unter der Leitung des HKs werden als interne Organe im UNHCR-System identifiziert. Sie können deshalb als interne Organe beschrieben werden, weil sie sich gänzlich auf das UNHCR-System beziehen und niemals die Reichweite dieses Systems überschreiten. Die Gründung des EXCOM ist bereits im UNHCR-Statut ieS festgelegt. Das EXCOM hat hauptsächlich beratende und exekutive (was spezifisch überwachende Aufgaben miteinschließt) Funktionen in Bezug auf die Aktivitäten des UNHCR. Das Amt des UNHCR ist mutatis mutandis mit dem Sekretariat einer internationalen Organisation vergleichbar, dessen typische Organisationsstruktur eine monokratische ist. Kapitel 2

Die Generalversammlung (GV) 1. Abschnitt

Allgemeines Die GV der VN ist eines der Hauptorgane der VN. Die Funktionen und Befugnisse der GV sind hauptsächlich in Art. 10 (Generalkompetenz und Generalklausel) bis Art. 17 SVN kodifiziert. Die GV wird im vorliegenden Kontext als das externe Hauptorgan bezüglich des UNHCR-Systems verstanden. Organisation zu tun; insoweit gibt es eine Art Doppelfunktion für die GV, eine "Personalunion" der GV in dieser Hinsicht. 78 Siehe z.B. die Rolle des Generalsekretärs, vgl. GV ces. 2956 XXVU Präambel, para 2; GV res. 32/119 Präambel und para 1. 79

Fortan EXCOM.

34

2.Teil: Die institutionelle und legislative Struktur bezüglich des UNHCR

2. Abschnitt

Die Kompetenzen der GV hinsichtlich von "Flüchtlingen" Um die Kompetenzen der GV hinsichtlich von "Flüchtlingen" zu definieren, ist es vorerst wichtig, sich der Problematik bewußt zu sein, daß es einen fortwährenden Konflikt zwischen Kompetenzen der VN (d.h. internationalen Kompetenzen) und bloßen nationalen Kompetenzen gibt80 . Es geht hier um die Frage nach der Determinierung des Konzepts von "der Einmischung in Angelegenheiten, die ihrem Wesen nach zur inneren Zuständigkeit eines Staates gehören" gemäß Art. 2 (7) SVN. Art. 2 (7) SVN ist eine Begrenzung für alle Organe der VN, miteingeschlossen selbstverständlich "subsidiary organs" 81. Was auch immer wesensmäßig in die innere Zuständigkeit eines Staates fällt, kann die VN nicht unmittelbar betreffen. Eine exakte Definition der inneren Zuständigkeit eines Staates ist schwer formulierbar und würde kontroversiell bewertet werden; dies findet z. T. seine Erklärung in der höchst dynamischen Natur dieses Konzepts, das sehr stark von den besonderen politischen Umständen abhängt. Explizit findet sich die Kompetenz "Flüchtlinge" (oder "Flüchtlingswesen") nirgends in der SVN. Der Wortlaut der SVN ist zu abstrakt gehalten, um sie miteinzuschließen. Implizit fallen "Flüchtlinge" in die Kompetenz der VN gemäß Art. 1, 13 (Kompetenz der GV), 55 und 60 SVN. Art. 1 (3) SVN sieht als ein Ziel der VN die Erzielung internationaler Zusammenarbeit, um Probleme wirtschaftlicher, sozialer, kultureller oder humanitärer Art zu lösen und die Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten für jedermann zu fördern und zu festigen 82 . In den Art. 55 und 60 SVN gibt es (z.T. noch ergänzende) Ausführungen, wie die Förderung der internationalen Zusammenarbeit auf diesen Gebieten seitens der VN beschaffen sein soll. Es bestehen kaum Zweifel darüber, daß die Bewältigung der internationalen Flüchtlingsproblematik unter die eben angeführten Kompetenzen der VN fällt 83 .

80

Siehe auch GV res. 832 IX.

81

Siehe Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht (3. Aufl. 1984), §§ 260 ffmwN.

82 Die GV hat sich in diesem Zusammenhang einmal explizit auf Art. 1 (3) SVN in einer Resolution (GV res. 1007 ES-lI Präambel) bezogen. 83 Vgl. auch Macalister-Smilh, International Humanitarian Assistance, Disaster Relief Actions in International Law and Organization (1985), 57 ff, der das Verhältnis von Art. 2 (7) und Art. 1 (3), 55, 56 SVN näher analysiert.

Kap. 2: Die Generalversammlung

35

Es ist schwierig, genau die Grenzen zu den VN-Kompetenzen sowohl ratione personae als auch ratione materiae in diesem Zusammenhang zu ziehen und zu definieren. Dies ist eng mit der Tatsache verbunden, daß die Auslegung der VN-Kompetenzen einer extensiven teleologisch-orientierten Interpretationsmethode folgt 84 . ME gibt es keine spezifischen, unveränderlichen Begrenzungen fiir VN-Kompetenzen auf dem Gebiet des Flüchtlingswesens, da das Konzept und Verständnis von Art. 2 (7) SVN flexibel und dynamisch ist. Abgesehen davon ist es die Entwicklung des Völkerrechts im allgemeinen, die letztlich die Antwort auf das genaue Verständnis des Art. 2 (7) SVN geben muß. Aber dies soll nicht heißen, daß VN-Kompetenzen auf dem Gebiet des Flüchtlingswesens gänzlich unbeschränkt sind. Die Grenzen hinsichtlich der Reichweite des VNKompetenzbereichs in dieser Hinsicht sind letztlich die Bestimmungen der SVN und deren Verständnis und Weiterentwicklung durch die verschiedenen Organe der VN, weiters das Konzept des ius cogens85 . Die Verantwortung und damit die Kompetenzen zur Wahrnehmung der Aufgaben auf dem Gebiet der internationalen Flüchtlingsproblematik liegen letztlich bei der GV86. Historisch betrachtet ist die internationale Staatengemeinschaft sowie die VN ebenfalls immer von einer internationalen Zuständigkeit in diesem Bereich ausgegangen und hat diesbezüglich Verantwortung übernommen87 . Es ist daher mE durchaus davon auszugehen, daß sich gewohnheitsrechtlieh die internationale Institutionalisierung der Behandlung, Bewältigung und Lösung der internationalen Flüchtlingsproblematik herausgebildet und verfestigt hat. Dieser Tradition ist die GV auch durch die Schaffung des UNHCR nachgekommen.

84 Siehe dazu die beiden Rechtsgutachten des IGH: "Entschädigung für im Dienste der VN erlittene Schäden", ICI Reports 1949, 174, 180; "Wirkungen von Entscheidungen des Verwaltungsgerichts der VN", ICI Reports 1954, 47, 56 f; vgl. Brownlie, Principles of Public International Law (4. Aufl. 1990), 689 ff mwN; CotlPellet, La Charte des Nations Unies, Commentaire article par article (1985), 220 f (Dutheil de la Rochere); Verdross/Simma, a.a.O. (FN 81), § 780 fmwN; Vallat, The Competence ofthe United Nations General Assembly, RdC (II) 1959, 249 f.

56 ff 86 Siehe Art. 13 und 85

Siehe S.

Art.

60 SVN.

Siehe die historische Entwicklung der Organisationen, die verantwortlich waren für das Suchen nach Lösungen zur internationalen Flüchtlingsproblematik; der Völkerbund hat mutatis mutandis die gleiche Zuständigkeit für sich in Anspruch genommen, siehe historischen Teil, S. 3 ff; vgl. weiter GV res. 319 IV Präambel, 639 VII Präambel, 727 vm, 1165 XII, 1167 XII, 1285 xm, 1783 XVII, 2038 XX, 2294 XXII, 2790 XXVI B, 2957 XXVII, 32/68, 34/61, 351135,35/184,36/170,37/196, 42/H)6, 42/108, 43/119; ECOSOC res. 248 IX. 87

36

2.Teil: Die institutionelle und legislative Struktur bezüglich des UNHCR

Sollten dennoch entgegen der hier vertretenen Ansicht noch Zweifel bestehen, daß die VN anfänglich bezüglich der Bewältigung der internationalen Flüchtlingsproblematik Kompetenzen hatte, so ist auf alle Fälle im nachhinein die Annahme der VN-Zuständigkeit auf diesem Gebiet durch die nachfolgende Praxis der Staaten (generelle Akzeptanz) und der Organisation selbst bestätigt, damit bekräftigt und verfestigt worden, sodaS daher ab initio davon ausgegangen werden muß, daß die GV keine Entscheidungen ultra vires in diesem Bereich getroffen hat88 . Folglich ist es möglich, die soziale Realität der internationalen Flüchtlingsproblematik unter Kompetenztatbestände der SVN in Bezug auf die GV zu subsumieren. Um die Verpflichtungen aus der SVN hinsichtlich der Bewältigung der internationalen Flüchtlingsproblematik zu implementieren, verabschiedete u.a. die GV das Statut des UNHCR89 und errichtete damit ein "subsidiary organ", den UNHCR, gemäß Art. 22 SVN. Art. 22 SVN ermächtigt nämlich die GV, "die zur Ausübung ihrer Funktionen für nötig erachteten 'subsidiary organs' zu schaffen" [vgl. auch Art. 7 (2), 29, 47, 68 SVN). Die in der SVN aufgezählten "Funktionen" der VN (im speziellen der GV), die ein hohes Abstraktionsniveau aufweisen, haben in der Errichtung des institutionellen Systems des UNHCR durch die GV eine teilweise Konkretisierung und Vollziehung anband eines internationalen Sachverhalts erfahren. Gleichzeitig manifestiert sich in der Schaffung des UNHCR eine konkrete Verwirklichung der Ziele und Prinzipien der VN für den in Betracht kommenden Bereich und die Präsentation der VN -Vorstellungen hinsichtlich der internationalen Zusammenarbeit zur Handhabung und Bewältigung der internationalen Flüchtlingsproblematik. Abgesehen von den Art. 7 (2) und Art. 22 SVN hätte sich die Ermächtigung zur Schaffung und organisatorischen Ausgestaltung von derartigen "subsidiary organs" bereits aus der Organisationsgewalt ergeben. Internationale Organisationen sind im Bereich ihrer inneren Ordnung Träger eigener Entscheidungsgewalt und benötigen zur Erfüllung ihrer Aufgaben auch eine gewisse Autonomie. Innerhalb ihres Eigenbereichs üben sie eine eigene Organisationsgewalt aus, die vor allem auch die Ein- und Zusammensetzung von "subsidiary organs" miteinschließt90 .

88

Siehe Ausführungen zur Praxis der Staaten auf diesem Gebiet auf den S. 77 Cf.

89

Siehe GV res. 428 V Annex.

Siehe Dahm, Völkerrecht, Bd. 11 (1961), 33 der von "innerorganisatorischer Legislative" spricht; Seidl-Hohenveldern, Recht der Internationalen Organisationen einschließlich der Supranationalen Gemeinschaften (4. Autl. 1984), RN 1522 Cf. 90

Kap. 2: Die Generalversammlung

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Von Anfang an war klar, daß die Schaffung des UNHCR bloß einen begrenzten Ansatz darstellte, um die weiteren VN-Kompetenzen in diesem Bereich wahrzunehmen. Dies läßt sich u.a. anband eines Vergleichs der Kompetenzen, die der IRO von der internationalen Staatengemeinschaft übertragen wurden, mit jenen des UNHCR näher veranschaulichen. Abgesehen von der Schaffung des UNHCR hat die GV u.a. ihre Kompetenzen hinsichtlich der Bewältigung der internationalen Flüchtlingsproblematik dadurch wahrgenommen, daß sie die UNKRO oder die UNRWA gegründet hat und mehrere andere Resolutionen, die diese Problematik betreffen, außerhalb des UNHCR-Rahmens verabschiedet hat91 . Innerhalb des VN-Systems werden die VN-Kompetenzen auf diesem speziellen Gebiet auch teilweise von der Menschenrechtskommission92 , der Unterkommission zur Verhinderung von Diskriminierung und dem Schutz von Minderheiten, dem VNMenschenrechtszentrum, dem Sekretariat, besonders dem "Office for Research and the Collection of Information", UNDRO, UNICEF, UNDP, UNEP oder von Organen, wie z.B. dem Spezialkoordinator für die humanitäre und wirtschaftliche Hilfe für Afghanistan, etc. implementiert. Auch die Rolle, die der Sicherheitsrat auf diesem Gebiet, vor allem hinsichtlich präventiver Aspekte der Bewältigung der internationalen Flüchtlingsproblematik spielen könnte, muß hervorgehoben werden93 . Darüber hinaus haben mehrere Spezialorganisationen der VN, wie z.B. die FAO, WHO, ILO und die UNESCO, Verantwortung übernommen und VN-Kompetenzen auf diesem Gebiet wahrgenommen. Es würde den Rahmen dieser Untersuchung sprengen, genauer die verschiedenen Aktivitäten dieser Organe oder Institutionen zu beschreiben und bis zu welchem Maß sie zur Lösung und Handhabung/Bewältigung der internationalen Flüchtlingsproblematik beitragen. Angesichts der zahlreichen VN-Organe und Institutionen, die, wenn auch idR nur partiell, mit Angelegenheiten der internationalen Flüchtlingsproblematik beschäftigt sind, muß festgehalten werden, daß der UNHCR die Hauptinstitution mit einem ausschließlichen und gleichzeitig mit dem umfassendsten Verantwortungsbereich hinsichtlich von Flüchtlingsangelegenheiten innerhalb des VN-Rahmens ist. Im Vergleich mit anderen Organen und Institutionen der VN beanspruchen die Kompetenzen des UNHCR einen universellen und den extensivsten Standard sowohl ratione 91 Siehe z.B. GV res. 35/124, 351196, 36/148, 37/121, 37/186, 38/84, 38/103, 39/100, 39/117,40/166,40/149,41170,41/148,42/144,43/154 etc. 92

Seit 1979; siehe u.a. res. 30 XXXVI, res. 1990/52 etc.

In jüngster Zeit gibt es Anzeichen einer größeren Bedeutung des Sicherheitsrates auch in diesem Bereich, siehe z.B. res. des Sicherheitsrates SIRES/688 (5. April 1991). 93

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2.Teil: Die institutionelle und legislative Struktur bezüglich des UNHCR

personae als auch ratione materiae. Diese Position des UNHCR innerhalb des VN-Systems alleine impliziert eine gewisse Priorität zugunsten des UNHCR, sobald es sich um flüchtlingsbezogene Angelegenheiten, die die VN betreffen, handelt. Was den Problembereich der Kompetenz ratione personae der VN (in concreto der GV) in diesem Bereich betrifft, so kann festgestellt werden, daß es einen Unterschied zwischen "refugees within the competence of the United Nations" (= fortan VN-Flüchtlingsbegrift) und "refugees within the competence of UNHCR" (= fortan UNHCR-Flüchtlingsbegrift) gibt94 . Der VNFlüchtlingsbegriff schließt den UNHCR-Flüchtlingsbegriff mitein, geht aber über diesen hinaus und hat somit eine extensive Bedeutung; d.h., daß der VNFlüchtlingsbegriff über den Personenkreis hinausgeht, der vom Kompetenzbereich ratione personae des UNHCR erfaßt wird. Die historische Entwicklung der Kompetenz ratione personae des UNHCR95 bezeugt diese Diskrepanz und läßt gleichzeitig den Schluß zu, daß im Laufe der Zeit der VN-Flüchtlingsbegriff partiell in den UNHCR-Flüchtlingsbegriff eingegangen ist und letzteren auf diese Weise erweitert hat. Probleme ergeben sich bei einer exakteren Determinierung des VN-Flüchtlingsbegriffs, d.h. bei der Erfassung jenes Personenkreises, der in die Gesamtverantwortung und in die umfassende Kompetenz der VN (GV) im Zusammenhang mit der Bewältigung von Fluchtbewegungen fällt. Es stellt sich die Frage, wie der VN-Flüchtlingsbegriff ("refugees within the competence of the United Nations") in diesem Zusammenhang definiert werden kann. Dabei ist zu beachten, daß eine solche DefInition dem Art. 2 (7) SVN Rechnung trägt und auf geeignete Weise gegenüber Immigranten, Gastarbeitern, Nomaden etc. eine Abgrenzung fmdet. Gleichzeitig muß sie sich auch in der Praxis der VN in irgendeiner Weise niedergeschlagen haben und nachvollziehbar sein. In diesem Sinn dürfte der VN-Flüchtlingsbegriff all jene Personen erfassen, die ganz gleich aus welchem Grund ihre Herkunftsländer unfreiwillig verlassen haben, wobei alle zwangsweisen Bevölkerungsbewegungen in kleinem oder größerem Umfang sowie sogenannte ·victims of natural disasters"

94 Siehe dazu auch näher Grahl-Madsen, Refugees Within the Competence of the United Nations, A.W.R.-Bull. 1974, 16 ff. 95

Siehe S. 266 ff.

Kap. 2: Die Generalversammlung

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miteinbezogen werden96 • Die entscheidenden Elemente dieses umfassenden VN-Flüchtlingsbegriffs sind eine Bevölkerungsbewegung in unmittelbarer Verbindung mit dem Element von direktem oder indirektem Zwang. Beide Begriffe (Bewegung und Zwang) sind in hohem Maße normativ, aber lassen sich sowohl auf den Einzelnen als auch auf Massentluchtbewegungen anwenden97 . Dieser extensive VN-Flüchtlingsbegriff schließt folglich alle Arten von freiwilligen Bevölkerungsbewegungen, wie z.B. die der Gastarbeiter, Nomaden etc. aus98 . Diese vernünftige Abgrenzung darf nicht zu dem Schluß führen, daß die VN keine Kompetenzen hinsichtlich dieser Personenkreise hätte. Derartige Kompetenzen können mE uU in einem anderen Zusammenhang implizit aus Bestimmungen der SVN abgeleitet werden. Diese umfassende Kompetenz der GV hinsichtlich von "Flüchtlingen· in der weitesten Bedeutung des Begriffs (VN-Flüchtlingsbegriff) wird vor allem durch die Überlegungen der VN-"Group of Govemmental Experts on International Co-operation to Avert New Flows of Refugees· bestätigt. Deren Ideen und Kriterien stellen die Ausgangslage für einen dynamischen, begriffsmäßigen Ansatz zu diesem weiten VN-Flüchtlingskonzept, das die VNZuständigkeit betrifft, dar99 . Ähnliche Kriterien und Kompetenzfragen sind auch im Falle von Nicht-Massenfluchtbewegungen anzuwenden 100. Darüber 96 Zu den sogenannten ·Umwelttlüchtlingen· vgl. Jacobson, Environmentsi Refugees: A Yardstick of Habitsbility (Worldwatch Institute 1988); El-Hinnawi, Environmentsi Refugees (UNEP 1985). 97 Siehe zu den Definitionsmerkmalen dieses weiten VN-Flüchtlingsbegriffs den Bericht der ·Group of Governmentsl Experts on International CQ-Qperation to Avert New Flows of Refugees·, UN doc. Al41/324 (13.5.1986); vgl. Coles, Placing the Refugee Issue on the International Agenda (Geneva, March 1990), 37 ff (nicht veröffentlicht); Goodwin-Gill, Different Types of Forced Migration Movements as an International and National Problem, in: Rystad, Tbe Uprooted, Forced Migration as an International Problem in the Post-War Era (1990), 15 ff; Grahl-Madsen, a.a.O. (FN 94), 21, der schreibt: •... the United Nations is competent to deal with - and intervene in respect of - any person who is outside his horne country and who claims to be a refugee in a very broad sense, by virtue of his non-submission to a new regime, by being a victim or a potential victim of a measure which may be labelIed as persecution ...•. 98

Siehe u.a. die Verfassung der 10M.

Siehe deren Analyse in ihrem Bericht, UN doc. Al411324 (13.5.1986), 10 ff, sie stellen die Umstände fest, die neue Massentluchtbewegungen auslösen, das sind ·man-made causes and factors (political causes and socio-economic factors) and natural causes·; diese Elemente sind für die Determinierung der VN-Kompetenzen auf diesem Gebiet notwendig; zur Ursachenforschung grenzüberschreitender Flüchtlingsströme vgl. auch Böhm, Grenzüberschreitende Flüchtlingsströme, Vereinte Nationen 1982, 52. 99

100

Siehe Coles, Tbe Causes ofRefugee Movements (Geneva 1990), para 50 (nicht veröffent-

licht). 5 Türk

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2.Teil: Die institutionelle und legislative Struktur bezüglich des UNHCR

hinaus ist diese umfassende VN-Kompetenz durch die in diesem Bereich gesetzten VN-Aktivitäten und durch den aus der Analyse ratione personae dieser Aktivitäten ableitbaren, in diesem weiten Sinn verstandenen VNFlüchtlingsbegriff der vorhin 101 erwähnten VN-Organe/Institutionen aktiviert worden. Auf diese Weise hat der extensive VN-Flüchtlingsbegriff eine Bestätigung in der Praxis der VN erfahren. Die UNHCR-Kompetenz ratione personae 102 bezieht sich explizit nur auf einen Teil dieses Konzepts von Flüchtlingen "within the competence of the United Nations", aber - wie zuvor gesagt - hat der UNHCR innerhalb der Gesamtkompetenz der VN den größten Anteil an Verantwortung. Der UNHCR ist der Hauptadressat angesichts flüchtlingsbezogener Angelegenheiten innerhalb des VN-Rahmens. Die Errichtung des UNHCR bildet den Hauptanteil im Rahmen des Konzepts der GV hinsichtlich der Institutionalisierung von VN-Kompetenzen auf diesem Gebiet. Sobald neue Flüchtlingsprobleme oder gemäß der Sprache der GV "refugee related problems" auftreten, zögert die GV nicht, das eine kompetente Organ innerhalb des VN-Systems, und zwar den UNHCR, zu "verwenden", um auftretende Probleme zu lösen. Diese Intention war von Anfang an gegeben 103 • 3. Abschnitt

Das Delegationskonzept im Verhältnis GV - UNHCR Es stellt sich das Problem, ob im Verhältnis GV - UNHCR das rechtliche Phänomen einer Delegation festgestellt werden kann. Wenn es z.B. der GV aus irgendeinem Grund nicht möglich ist, notwendige Maßnahmen ratione um bestimmte personae oder ratione materiae zu treffen, Flüchtlingssituationen zu behandeln, die in die Kompetenz der VN fallen (aber nicht direkt und augenscheinlich in die Kompetenzen des UNHCR weder ratione personae noch ratione materiae), ist mE uU davon auszugehen, daß die primäre Kompetenz der GV auf den UNHCR übertragen wird. Dieses rechtliche Konzept einer "stillschweigenden" Delegation ist nicht nur in der

\01

Siehe S. 36 f.

102

Vgl. S. 255

tr.

Beachte den dynamischen Charakter des Statuts, siehe z.B. paras 3, 9 UNHCR-Statut ieS und die für damalige Verhältnisse umfassendste Flüchtlingsdefinition. 103

Kap. 2: Die Generalversammlung

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Organisationspraxis der VN im allgemeinen 104, sondern auch m der Organisationspraxis der GV hinsichtlich des UNHCR nachweisbar. Der UNHCR, dessen Aufgabe die Bewältigung von spezifischen Fluchtbewegungen ist, darf sehr wohl bei entsprechendem Handlungsbedarf und Untätigkeit der an sich zuständigen Organe ( = factum) seine Kompetenzen ratione personae und sogar ratione materiae gegenüber den Staaten erweitern, solange er die Gesamtkompetenzen der VN beachtet und die Begrenzungen aufgrund der SVN sowie seine eigenen Verfassungsprinzipien, die von der GV errichtet worden sind, respektiert. Er wird sich dabei auf eine entsprechende Organisationspraxis berufen können sowie auf seine Verpflichtung als "subsidiary organ" der GV, die Ziele und Grundsätze der VN zu fördern. Diese Organisationspraxis ergibt sich daraus, daß die GV idR ex post die Aktivitäten des UNHCR (auch jene, die uU als ultra vires zu betrachten wären) genehmigt und auf diese Weise im nachhinein die UNHCR-Zuständigkeit, die auf einer Delegation beruht, bestätigt l05 . 104 Vgl. z.B. die Rolle des Generalsekretärs, was die Ausübung der guten Dienste auf dem Gebiet der Menschenrechte betrifft; diese Aktivität des Generalsekretärs gründet sich z.T. auf Art. 97 SVN, d.h., daß der Generalsekretär, als höchster Verwaltungsbeamter der VN, auch verpflichtet ist, die Implementierung der Ziele der Organisation zu fördern. Es wird argumentiert, daß es zulässig ist, daß der Generalsekretär, wenn es notwendig ist (d.h. keine der zuständigen Menschenrechtsorgane der VN tagt und es bestehen auch keine Vorkehrungen für Interimsaktivitäten), provisorisch-interimistisch einschreiten sollte, um Vorkehrungen für Interimsmaßnahmen zu treffen. Dies gilt bis zu jenem Zeitpunkt, als eines der betroffenen Organe die Angelegenheit aufnimmt. In diesem Fall wird weiter argumentiert, daß der Generalsekretär nicht bloß das Recht hat, Untersuchungen ohne vorherige Ennächtigung durch Organe der VN vorzunehmen, sondern auch das Recht, solche Untersuchungen zu initiieren, selbst in Fällen, in denen der Sicherheitsrat beschlossen hat, sich nicht mit dieser Angelegenheit zu befassen; siehe Ramcharan, Tbe Concept and Present Status of the International Protection of Human Rights (1989), 168 ff.

In diesem Zusammenhang kann auch die "Uniting for Peace Resolution" der GV angeführt werden, GV res. 377 V. In dieser Resolution beschloß die GV, daß "ifthe Security Council failed to exercise its primary responsibility for the maintenance of international peace and security in any case where there appeared to be a threat to the peace etc., the General Assembly was to consider the matter immediately with a view to making appropriate recommendations to Members for collective measures ... ". Diese beiden Beispiele der VN-Organisationspraxis können als Analogien im gegenwärtigen Kontext dienen, um den Nachweis zu erbringen, daß ein derartiges Delegationskonzept ein dem VN- Recht bestens bekanntes Rechtsinstitut ist; vgl. auch Macalister-Smith, a.a.O. (FN 83), 62, der ähnliche Zusammenhänge in Bezug auf den Generalsekretär und humanitäre "assistance" Programme feststellt; vgl. weiter Sloan, a.a.O. (FN 74), 56. lOS Siehe GV res. 728 vm, 832 IX, 1167 XII, 1286 xm, 1673 XVI, 2040 XX, 2294 XXII, 2594 XXIV, 2790 XXVI, 2956 XXVII, 2958 XXVII, 3455 XXX, 32170, 32/119, 34/61, 35141,

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2.Teil: Die institutionelle und legislative Struktur bezüglich des UNHCR

Somit muß die GV tätig werden, falls der UNHCR außerhalb semer Kompetenzen handelt und sie dies nicht gestatten will. Ein einzelner Staat, der die Aktivitäten des UNHCR als ultra vires betrachtet, aber innerhalb der allgemeinen VN-Kompetenzen, wird daher in dieser Hinsicht nicht gegenüber dem UNHCR z.B. Protest einlegen, sondern müßte innerhalb des dafür kompetenten Organs, und zwar der GV106, tätig werden und dort, als ein Mitglied der GV, im Rahmen eines Einspruchs gegen den jährlichen Bericht des UNHCR an die GV eine tiefere Reflexion über die interne Beziehung zwischen dem UNHCR und der GV anregen. In seinen Außenbeziehungen zu den Staaten kann der UNHCR nicht ultra vi res handeln, solange er innerhalb der VN-Kompetenzen verbleibt; innerhalb des VN-Systems könnte der UNHCR uU jedoch sehr wohl ultra vires handeln. Das für einen etwaigen Kompetenzstreit zuständige Organ wäre die GV, da die interne Beziehung zwischen der GV und dem UNHCR betroffen wäre 107 .

Para 7 (c) UNHCR-Statut ieS 108 unterstützt argumentativ bis zu einem gewissen Umfang ebenfalls dieses Delegationskonzept, da diese Bestimmung eine Art von Gesamtkompetenz der VN, die über die Kompetenzen des UNHCR hinausgeht, nahelegt. Gleichzeitig zeigt para 7 (c) UNHCR-Statut ieS indirekt, daß der UNHCR in gewisser Weise jene Organisation innerhalb des VN-Systems ist, die den allgemeinsten und umfassendsten Zuständigkeitsbereich hinsichtlich von "Flüchtlingen" (VN-Flüchtlingsbegriff) hat 109 . 351180, 35/183, 35/187, 36/125, 36/156, 37/195, 38/90, 39/140, 42/132, 43/117; ECOSOC res. 2011 LXI, 1980/9; vgl. Grahl-Madsen, a.a.O. (FN 94), 22. 106

Dies wird wohl im Dritten Ausschuß geschehen müssen.

Vgl. dazu mutatis mutandis das Rechtagutachten des IGH ("Bestimmte Ausgaben der VN"), IC] Reports 1962, 168: "If it is agrced that the action in question is within the scope of the functions of the Organization but it is alleged that it has been initiated or carried out in a manner not in conformity with the division of functions among the several organs which the Charter prescribes, one moves to the internal plane, to the internal structure of the Organization. If the action was taken by the wrong organ, it was irregular as a matter of that internal structure, but this would not necessarily mean that the expense incurred was not an expense of the Organization. Both national and internationallaw contemplatc cases in which the body corporate or politic may be bound, as to third parties, by an ultra vires act of an agent"; vgl. allgemein zu dieser Problematik Osieke, Tbe Legal Validity of Ultra Vircs Decisions of International Organizations, AJIL 1983, 239 Cf mwN. 107

108 " ••. the competence of the High Commissioner sball not extend to a person who continues to receive from other organs or agencies or the United Nations protcction or assistance".

109

Eine Art von Subsidiarität des UNHCR wird indiziert.

Kap. 2: Die Generalversammlung

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Innerhalb des VN-Systems ist der UNHCR somit in einem übertragenen Sinn als "lex (= organisatio) generalis" anzusehen. Wenn es daher eine explizite "lex (= organisatio) specialis" (wie z.B. die UNRWA, den Generalsekretär oder in Zukunft uU einen HK für Menschenrechte etc.) gibt, ist davon auszugehen, daß das allgemeine Rechtsprinzip, nämlich "lex specialis derogat legi generali", Anwendung findet; in diesem Fall hätte der UNHCR zwar nicht die primäre Kompetenz, aber es könnten durchaus subsidiäre Kompetenzen des UNHCR vorhanden sein. Solange es aber keine explizite "lex specialis" gibt, was gleichzeitig impliziert, daß die GV nicht tätig geworden ist und ihre Verantwortung hinsichtlich gewisser Situationen oder Probleme uU soweit nicht wahrgenommen hat, kann der UNHCR Kompetenzen der GV sowohl ratione personae als auch ratione materiae übernehmen 11 0, selbst dann, wenn zu Beginn unklar ist, ob diese Kompetenzen schon explizite Kompetenzen des UNHCR sind oder sein könnten (eine Art von Delegation von Kompetenzen der GV im allgemeinen auf den UNHCR; alle diese potentiellen Kompetenzen können als implizite Kompetenzen des UNHCR betrachtet und bezeichnet werden). 4. Abschnitt

Die Rechtsetzung der GV hinsichtlich des UNHCR Um sich diesem Kapitel enl