Das Erbauungs-Buch der Christen: Teil 8 Die apostolischen Briefe an die Hebräer, des Jakobus, Petrus, Johannes, Judas und die Offenbarung mit Erklärungen und Betrachtungen herausgegeben [Reprint 2020 ed.] 9783111429533, 9783111064154


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German Pages 430 [479] Year 1830

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Das Erbauungs-Buch der Christen: Teil 8 Die apostolischen Briefe an die Hebräer, des Jakobus, Petrus, Johannes, Judas und die Offenbarung mit Erklärungen und Betrachtungen herausgegeben [Reprint 2020 ed.]
 9783111429533, 9783111064154

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Das

Erbauungs - Buch der Christen, oder

die heiligen Schriften des Neuen Bundes mit

Erk lärungen und Betrachtungen. Herausgegrben von

Johannes Goßner. Achter Theil. Die apostolischen Briefe an die Hebräer, des Jakobus, Petrus, Johannes, Judas und die Offenbarung.

Berlin, 1831. Gedruckt und verlegt bei G. Reimer.

Die

apostolischen Briefe an die Hebräer, des

Jakobus, Petrus, Johannes, Judas und die Offenbarung, mit

Erklärungen und Betrachtungen herausgegeben von

Johannes Goßner.

Berlin, 1830. Gedruckt und verlegt bei

G. Reimer.

Vorrede zum

Briefe ö n die Hebräer.

JilSit PaoluS am Anfänge dieses Briefes feinen Namen nicht MW, Wie in seinen übrigen Briefen, so haben in älteren Zelten viele ge­ zweifelt, und auch jetzt noch zweifeln einige, ob et von Paulus sey, und halten dafür, Apollo sey der Verfasser. Die meisten Schrlftforschrr aber behaupten, Paulus habe ihn geschrieben, und zwar in Ita­ lien, bald nach seiner Befreiung aus seiner ersten römischen Gefan­ genschaft, etwa im Jahre Christi 63. Sey es aber Paulus oder sey ES Apollo, der ihn schrieb, wenn es NUr der heilige Geist ist, der ihn eingab, uNd wenn eS nut Christus ist, bet darin geprediget wird — und als solcher ist er anerkannt, — so genügt es uns. Die Hebräer, an welche er gerichtet ist, sind wahrscheinlich die aus dem JudeNthumL bekehrten Christen, welche im Judenlande wohn­ ten, und auch Wohl die in Klein-Asien zerstreuten Juden-Christen. Der Zweck des Briefes ist, die Juden- Christen, die immer noch das Gesetz MösiS Und die alte jüdische Kirche beibehalten wollten, zu belehren, daß durch Jesum Christum das Gesetz Moste UNd der levitische Gottesdienst abgeschafft und Überflüssig sey; daß die Opfer und Gebräuche deS alten Testamentes nur Vorbilder, Schatten rc., Jesus aber die Sache selber, das Vvrgebildete, das einzig wahre gültige Opfer, der rechte ewige Hohepriester und die Versöhnung für unsere Sünden sey-. Paulus hat seinen Ramen vermuthlich deswegen diesem Briefe nicht vorgesetzt, und diesmal anonym seyn wollen, damit er den 3u< den-Christen, denen er verdächtig war, keiner» Anstoß geben Möchte»

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Hebräer i, i. 2,

Das l. Kapitel. 1. Nachdem Gott in der Vorzeit vielfältig und auf mancherlei Weife zu den Vätern durch die Propheten geredet hat; 2. so hat Er in die­ sen letzten Tagen auch zu uns durch seinen Sohn geredet. Sowohl vor derSündfluth, als einige hun­ dert Jahre darnach haben die Kinder Gottes einen be­ sondern Umgang mit Gott gehabt. Er offenbarte sich ihren Herzen von einer Zeit zur andern, bald auf diese, bald auf eine andere Weise. Darum hat man sie für Propheten gehalten, d. i. man sagte: Der Mann zieht in seinen Handlungen Gott zu Rathe, und bekommt Antwort von Gott; er hat einen Umgang mit Gott rc. In der langwierigen Dienftbarkeit des Volkes Israel in Aegypten verlor sich dieses; sie wußten nichts mehr von den gnädigen Führungen Gottes mit ihren Vor­

fahren ; daher konnte sich Gott nicht mehr mit ihnen einlassen, wie vorher, sondern Er suchte sich den einen oder andern Mann aus, mit dem Er sich besonders zu thun machte. So redete Er mit Moses von Mund zu Munde; die Leute aber verbaten sichs, daß Er mit ihnen redete; sie fürchteten sich davor. Sie wurden immer schlechter und fielen immer tiefer, so daß sie Gott von Zeit zu Zeit durch einen Propheten oder Helden wieder in Ordnung zu bringen suchte. Nach­ dem aber alles im äußersten Verderben lag, und die Schriftgelehrten und Pharisäer haushielten (welches die schlechteste und gottloseste Haushaltung war, ist und bleiben wird, weil da Gottes Gesetz und Ehre ganz verloren ging, so daß Jesus sagte: „Ihr habet GotteS Gebot aufgehoben durch eure Satzungen"), da hat endlich Gort seine größte Verheißung erfüllt, und har zu uns durch und in seinem Sohne selbst geredet, der da redet, wie einer, der Gewalt hat; der »licht nur in

Heöracr i, 3.

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den Tagen seines Fleisches, sondern immerfort alle Lage bis ans Ende der Welt zu allen redet, die Ihn auf­ nehmen und hören wollen in ihren Herzen, weil Er das lebendige Wort des Vaters ist, das uns im Munde und Herzen nahe seyn will. Nun istS besser, als es zur Zeit der Patriarchen war; nun hört Ihn jeder, der Ihn angezogen hat. Den Er zum Erben gesetzt har über al­ les, durch den Er auch die Ewigkeiten oder die Welten, Weltzeiten rc., Ioh» 1,3.10., gemacht har. Wie die Juden sagten: Das ist der Erbe; lasset unS Ihn todtschlagen, so wird das Erbe unser seyn. Aber eben dadurch wurde Er der Erbe; eben dadurch hat Er das menschliche Geschlecht an sich gebracht, daß Er sich für dasselbe martern ließ; darum sind wir sein Ei­ genthum, sein Erb- und Proper-Gur, das Ihm der Vater zum Lohne seiner Schmerzen geschenkt hat. 3, Der als der Abglanz seiner -Herrlichkeit, das Licht vom Lichte, und als das Ebenbild seines wesens, der vollkommene Abdruck, in dem man den unsichtbaren Vater sehen kann, alle Dinge trägt mit dem Worte seiner Brafr, durch den Ausspruch sei­ ner Allmacht: Es werde! es bestehe! In Ihm besteht alles; Er erhält alle Dinge und giebt allen Leben und Odem und alles; der, nachdem Er die Reinigung unserer Sünden durch sich selbst, durch fun Plur. zuwegegebrachr, sich in die -Höhe zur Rechten der Majestät gesetzt hat, d, h, die Regierung, alle Gewalt übernommen hat in dem Stande seiner Erhö­ hung nach dem Stande seiner Erniedrigung. Die Reinigung unserer Sünden, unsere Entsündi« gung, Rechtfertigung und Heiligung, Gerechtigkeit und Erlösung -TT- oder unsere Wiedererschaffung und Er­ neuerung schreibt Paulus ganz Ihm zu; Er hats ge­ macht, durch Ihn kommen wir vom Tode der Sünde zum Leben der Gnade; Sein Blut macht uns rein von Sünde, weil Er dieses als Measchensohn zu Stande

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Hebräer i, 4—7.

brachte, und gehorsam ward bis zum Tode am KreuzDarum hat Ihn Gott erhöht, und da Er selbst GottMensch war, darum bat Er selbst sich gesetzt in die Höhe zur Rechten der Majestät — weil Er sich so er­ niedrigte, ward Er oder hat Er sich erhöht über alles, 4. Er ist so viel erhabner als die Engel, je vorzüglicher der Name ist, den Er vor ihnen ererbet har, und ihnen an Würde, Ehre und Hoheit, Macht und Herrlichkeit weit vorgebt, Phil. 2,5. 5, Denn zu welchem Engel har Gore je gesagt; Du Hist mein Sohn; heute habe ich dich gezeuger? ferner; Ich werde sein Varer und Er wird mein Sohn seyn — auch in der angenommenen menschli» eben Status? In den allertiefsten Ewigkeiten war Er Sohn, seines Vaters innige und höchste Freude, Er ist immer da gewesen. Bei Gott ist ein steter Tag, ein ewiges Heute, weder Gestern noch Morgen, Non erat, ubi non eras. Es war kein Augenblick, da Er nicht war, So lange der Vater ist, ist auch der Sohn, Das sind freilich Dinge, da einem die Gedanken ver­ gehen; aber sie sollen einem vergehen, wir haben sie dazu nicht. Uns sind die Tiefen Gottes nicht zum Er­ forschen, sondern zum Anbeten; uns ist das Evangetiums-Buch und alles, was darin steht, nur zum Küs­ sen gegeben; und so sind es unS selige Dinge, was wir lesen, 6. Und da Er den Erstgebornen in die welk einführek, spricht Er; Es sollen Ihn anderen alle Engel Eorres, Also muß Er doch eine hohe Per­ son seyn. Die Engel bezeugten es ja bei seiner Gebutt, daß etwas Anbetungswürdiges da wäre, 7, Von den Engeln spricht Er als von un­ tergeordneten, aber doch vortrefflichen Wesen nur; Er macht seine Engel wie Winde, und seine Diener wie Feuerflammen, Sie thun den Willen Gottes mit Freuden von Herzen, Sein Dienst ist ihre Se­ ligkeit, die dem Anschauen seiner Herrlichkeit gleich

Hebräer i, 8—n. ist.

7

Sie wissen, wie herrlich seine Befehle von Star­

ren gehen. 8. Vom Sohne aber heißt es: Dein Thron, 0 Gott! währt von Ewigkeit zu Ewigkeit; das Scepter deines Reiches ist ein gerades, gerechtes Scepter. Da wird also yon einem ewigen Könige geredet, der seines Gleichen nicht hat untet den Men­ schen, und der so hoch über den Engeln steht, daß sie nur seine Diener und Aufwärter sind, Alle Götter, sagt David, Pf, 97, 7., alle Elohim, die erhabensten Engel beten Ihn an; sie decken ihr Antlitz und ihre Füße, und sind bereit, entweder Ihn anzubeten, oder seine Befehle auszurichten. 9. Du liebest Gerech­ tigkeit und hassest Nngexechkigkeit; du bist gekom­ men, Sünde zu zerstören und Gerechtigkeit zu geben; darum hat dich, 0 Gott! dein Gott in deiner Menschheit, weil du Gott und Mensch zugleich bist, gesalbek mir Oele der Freude, mehr als alle deinGenossen, die es nur von dir und durch dich haben, das Freuden-Oel deines heiligen Geistes, 10. Ferner; Du, Herr, hast im Anfänge die Erde gegründet, und die Himmel sind da? Werk deiner Hände; weil aste Dinge von Ihm das Leben und den Ursprung haben; weil Er der Vater der Thro­ nen und der Ewigkeiten ist, wie es Vers 2. heißt: Daß durch Ihn die Zeitkäufe, die Ewigkeiten gemacht sind. Wo man nicht mehr zählt, das find Ewigkeiten, und derer sind viele, Wenn man nun den Erfinder und Schöpfer aller Dinge so betrachtet, so denkt man; Ist das mein lie­ ber Bruder? 11. Sie werden vergehen, du aber bleibest. Sie werden alle veralten, wie ein Rleid, Bei den irdischen Herren ist eS umgekehrt; sie veralten und sterben, verwesen und verschwinden; ihre Länder aber bleiben andern, Christus aber ist ein Kö­ nig, der ewig bleibt, wenn alle seine Werke und Reiche

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Hebräer i, 12—14. r, 1.

veMhen. Hinnnel und Erde wird umgekehrt und ver­ wandelt werden, wie ein Gewand; Er aber wird doch nicht ohne Land oder Reich seyn, sondern wird sich ein unvergängliches ewiges schaffen, 12. Wie ein Gewand wirst du sie, die Welten, die Sonnen, zusammenwickeln, und sie werden nicht vernichtet, sondern verwandelt werden. Du aber wandelst dich nicht, bist innner derselbe Un­ wandelbare, und deine Jahre nehmen kein Ende; wie du nie jung gewesen bist, so wirst du auch nicht älter. 13. Zu welchem Engel, wenn es auch der höchste wäre, hak Gott je gesagt: Seye dich zu meiner Rechten, bis ich alle deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege. Die Engel dürfen fid) nicht sehen, sondern nur stehen vor dem Throne des Lammes, um seine Befehle zu vollziehen. 14. Sind sie nicht alle dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienste derer, die die Seligkeit ererben? Wie beschämt stehen wir vor der EngelWelt, vor den Bedienten, die immer um uns sind, die mit unserer Schwachheit und Armseligkeit so große Ge­ duld haben, und manchen Dienst dabei verrichten müssen, der ihnen zur Demüthigung gereichen würde, wenn sie über ihre Pflicht zu spekuliren gewohnt wären, wie wir; wenn nicht alles Freude und Himmel für sie wäre, wozu sie bestellt sind. (Mehreres über die En­ gel ist nachzulesen Apostelg. 12, 17.)

Das II. Kapitel. 1. Darum müssen wir desto mehr achten auf das U)ort, das wir gehört, daß wir nicht leichtsinnig umkommen, nicht verloren gehen. Lasset uns

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Hebräer i, 12—14. r, 1.

veMhen. Hinnnel und Erde wird umgekehrt und ver­ wandelt werden, wie ein Gewand; Er aber wird doch nicht ohne Land oder Reich seyn, sondern wird sich ein unvergängliches ewiges schaffen, 12. Wie ein Gewand wirst du sie, die Welten, die Sonnen, zusammenwickeln, und sie werden nicht vernichtet, sondern verwandelt werden. Du aber wandelst dich nicht, bist innner derselbe Un­ wandelbare, und deine Jahre nehmen kein Ende; wie du nie jung gewesen bist, so wirst du auch nicht älter. 13. Zu welchem Engel, wenn es auch der höchste wäre, hak Gott je gesagt: Seye dich zu meiner Rechten, bis ich alle deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege. Die Engel dürfen fid) nicht sehen, sondern nur stehen vor dem Throne des Lammes, um seine Befehle zu vollziehen. 14. Sind sie nicht alle dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienste derer, die die Seligkeit ererben? Wie beschämt stehen wir vor der EngelWelt, vor den Bedienten, die immer um uns sind, die mit unserer Schwachheit und Armseligkeit so große Ge­ duld haben, und manchen Dienst dabei verrichten müssen, der ihnen zur Demüthigung gereichen würde, wenn sie über ihre Pflicht zu spekuliren gewohnt wären, wie wir; wenn nicht alles Freude und Himmel für sie wäre, wozu sie bestellt sind. (Mehreres über die En­ gel ist nachzulesen Apostelg. 12, 17.)

Das II. Kapitel. 1. Darum müssen wir desto mehr achten auf das U)ort, das wir gehört, daß wir nicht leichtsinnig umkommen, nicht verloren gehen. Lasset uns

Hebräer 2, 2. Z.

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die Gnade, die uns so oft angeboten wird, nicht ge­ ring schätzen. Lasset uns denken, wir sind ihrer nicht werth; lasset uns fürchten, wie das letzte Wort dieses Verses im Griechischen eigentlich heißt, wir möchten cS nicht sehen und so vorbeischießen, daß wir es nicht merkten. Es ist unbegreiflich, wie man zehn, zwanzig Jahre bei einer solchen Hauptsache darneben vorbeikom­ men kann; wie man das Blut, die Wunden, das Ver­ dienst seines Heilandes so nahe haben kann, ohne im Herzen davon ergriffen zu werden. Ueber die Schmer­ zen oder das Unglück des Nächsten kann man so leicht zu Thränen gerührt werden, und über seine eigenen Sünden, über seine Feindschaft gegen Gott und die Unbekanntschaft mit dem Heilande und über seine un­ versöhnte, unerleuchtete Seele kommt man nie in eine Verlegenheit, vergießt man keine Thräne! Wenn ich aber sage, daß man über sein Sündcn-Elend zum Wei­ nen gebracht werden soll, so meine ich nicht, daß es durch schöne rührende Vorstellungen, durch einen ein­ greifenden Schall oder Ton gemacht und erkünstelt wer­ den müsse, sondern durch die Sache selbst, sie mag so trocken weggesagt werden, und der Ton so wenig sonor oder eingreifend seyn, als er will. Die Nebenumstände machen nichts dazu, sondern die Sache selbst, das pure, bloße Hören von dem, was Er an uns gethan hat, sein Blut, sein Tod muß uns zerschmelzen. 2. Denn wenn schon das durch Engel be­ kannt gemachte wort (das Gesetz, das durch Mo­ ses und die Propheten, die auch Engel, Boten Gottes waren) so fest und unverbrüchlich stand, daß sede Uebertrecung, jeder Ungehorsam den verdienten Lohn empfing; 3, wie wollen wir entfliehen, wenn wir eine solche Seligkeit nicht achten, die anfangs vom Herrn selbst verkündiget, da Er auf Erden wandelte, und dann von denen, die Ihn gehört hatten, von seinen Aposteln und Jüngern,

unter uns bestätigt wurde.

io

Hebräer 2, 4.

Es hatte große Länder und Reiche gegeben, die lange vor uns mit dem Evangelium erfüllt waren, und gerade die apostolischen Gemeinen, an welche Paulus alle seine Briefe gerichtet hat, sind es, wo seht das Evangelium nicht mehr geprediget wird, wo die Men­ schen so herabgesunken sind, daß sie nicht nur wie Hei­ den sind, sondern kaum wissen, daß ein Schöpfer und Heiland ist. Das sollte billig alle diefenigen zum Ei­ fer reizen, denen der Heiland fetzt auf den Gaffen ge­ predigt wird, an die man des Heilandes Botschaft bitt­ weise bringt, die alle Tage Gelegenheit haben, von sei­ nem Tode zu hören, die dem Heilande nicht erst nach­ laufen dürfen, sondern denen Er nachgeht; Er streckt seine Hände nach ihnen aus und winkt ihnen: Kommet her, ihr Elenden! kommet her, ihr Gequälten! (denn jhr seyd auch äußerlich keine glücklichen Menschen), ge­ bet euch meinen Händen, die euch frei machen. Soll­ ten nicht wenigstens die, welche die Pflicht auf sich ge­ nommen haben, seinen Tod zu verkündigen, sich mehr um ihn herum macken, sich Ihm zu Füßen werfen, und flehentlich um Gnade bitten, die Kraft des Wor­ tes und Blutes Jesu an sich zu erfahren, daß es die äußern Sinne nicht allein sind, die damit umgehen; daß nicht nur der Mund davon redet, nicht nur die Ohren davon hören; sondern daß der Heiland die in­ nern Ohxen öffne und das Herz aufrhue, um es auf­ zufassen? 4. selbst gah iHv sein Zeugniß durch Zeichen und wundep, durch mancherlei Rräfce und Ausheilung des heiligen Geistes nach seinem willen. Gott ist ganz anders als die Menschen zu Werke gegangen, da Er die christliche Religion ein­ führte; Er wollte die Leute durch Wohlthaten, Wun­ der und Deichen, Schenkungen oder Gaben des heili­ gen Geistes zum Glauben reizen; die Menschen aber haben es hernach mit Feuer und Schwert, Ketten und Gefängniß erzwingen wollen, und noch; zum Beweise,

Hebräer 2, 5—8.

II

daß Gott nicht mit ihnen war und sie nicht zum Glau­ ben, sondern zum Aberglauben, nicht zu Christus, son­ dern zu ihnen, zu ihrer Parchei, die Leute bekehren wollten, 5, Denn nicht den Engeln, sondern Christo unterwarf Er die zukünftige Welt, von der wir reden, das ist, das Neue Testament, das im Alten zukünftig und zu erwarten war, oder die Welt der Se­ ligkeit. die durch Christum wiedergebrachte Schöpfung und Erneuerung des menschlichen Geschlechtes, welche

wir yerlündigen, 6. Es bezeuget aber einer irgendwo (Ps. 8,5,), und spricht: „Wa- ist der Mensch, wie muß er bei dir geachtet seyn, daß du seiner gedenkest, und der Menschen-Sohn, daß du ihn heimsuchest, und dich seiner so besonders annimmst, daß du durch deine Menschwerdung so klein wirst und zu armen Menschen herabsteigst? 7, „Du hast Ihn, den Men, schen-Sohn, Christum, nur kurze Zeit der Engel, des Engeldienstes mangeln lassen, oder Ihn nur ein wenig geringer als die Engel gesetzt, Ihn erniedriget und Ihn Knechts-Gestalt anziehen lassen, daß Er in sei? nem Leiben von einem Engel gestärkt wurde. Es hat aber nicht lange gedauert, so hast du Ihn mit Ehre und -Herrlichkeit gekrönt; ja über ave Werke deiner Hande hast du Ihn gesetzec." 8, „Alles hast du seinen Füßen unterworfen." Indem Er Ihm nun alles unterwarf, ließ Er Ihm nichts ununterworfen, hat Er nichts ausgenommen, auch die Engel, auch die Feinde selbst müssen Ihm noch seinen Fußschemel abgeben, Es ist nichts davon aus? genommen. Jetzt aber fehen wir noch nicht, daß Ihm alles unterworfen ist, Es sieht noch nicht darnach aus. Was aber noch nicht geschehen ist, das muß noch geschehen, wenn wir es schon jetzt noch nicht sehen. ES ist also von einer zukünftigen Welt hie Rede, wo Christo, oder Menschheit in Christo, alles unter-

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Hebräer 2, 9. 10,

werfen unv gehorsam seyn wird. Das hoffen wir, daß sehen wir noch nicht- 9. Aber Jesum sehen wir (und das ist genug), der nur kurze Zeit geringer gesetzt worden ist, als die Engel, den sehen wir wegen der Leiden und des Todes mit Herrlich­ keit und Ehre gekrZnet, weil Er nach Gottes gnädiger Absicht (Gnadenplan) für alle den Tod schmecken sollte (oder, ohne Gott, d, h. von Gott

verlassen, Ps. 8,6., oder für alle, Gott ausgenonnnen, sterben mußte), Das Kreuz scheuten die Juden an Christo, wie jetzt die Christen. Darum beweist Paulus, daß das Kreuz und der Tod der Herrlichkeit vorher gehen mußre. Daran ist Er eben zu erkennen als der wahre Messias nach dem Propbeten Iesaias 53,; aber die Juden wollten andere Zeichen.

Hier sind zwei Dinge enthalten, die immer gesagt werden müssen, weil sie mit vielen Worten in der Bi­ bel stehen, und weil ohne sie das ganze neue Testa­ ment unnöthig wäre. „Er ist über alles erhaben, und hat sich unter alle und für alle erniedrigt," Es ist alles durch Ihn und zu Ihm geschaffen, Kol, 1, 16., ohne Ihn ist nichts gemacht re, Joh. 1, 3. Er ist vor allen, und es besteht alles in Ihm, Diese Herrlichkeit hatte Er, ehe er Mensch ward. Nun ist Er für alles, außer Gott, gestorben, hat alles versöhnt an seinem Leibe auf dem Holze, Kol. 1, 20., hat die ganze Kreatur wiedergebracht. Und das Alles hat Er in menschlicher Gestalt und Natur gethan, als wahrer Mensch, Darum ist Er nun auch als Mensch mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt, die Er schon vorher von Ewigkeit beim Vater hatte als ewiger Gottes-Sohn.

10. Denn es war dessen, um deswillen alle Dinge sind, und durch den alle Dinge sind, ganz würdig, daß Er den, der viele Rinder zur Herr­ lichkeit führte, den Urheber, Anführer, Vorgänger

Hebräer 2, 10.

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ihrer Seligkeit durch Leiden vollendete *). Was vor den Augen der unerleuchteten Vernunft ein Greuel ist, das ist vor Gottes Augen ganz geziemend und würdig. Darum heißt es anderswo: Mußte nicht Cbristus leiden? Die Juden meinten, das sey eine Schande, daß Gott einen solchen Sohn haben sollte. Gerade auf dem Wege Les Kreuzes und Todes mußte Er die Menschen zur Seligkeit führen. Eben dadurch sind die Kinder selig geworden, daß der Vater den Erstgebor­ nen leiden und sterben ließ. Wenn aber Christus durch Leiden vollendet werden oder in seine Herrlichkeit ein­ gehen mußte, wie wollten wir ohne Leiden und anders, ober eigentlich vollkommen machte. Was ich hierüber in gewissen Schriften las, muß ich um seiner Eigenthümlichkeit willen hiehersetzen, ohne ganz beizustimmen. Die Leser mögen es prüfen: „2snt geborne, anerschaffne, auf einmal ekngegoßne Tugend ist leere Einbil­ dung. Tugend muß erworben werden. Unschuld, Unsündhaftigkeit kann etwa- Anerschaffenes seyn, Lugend aber nicht. Unsere ersten Eltern waren ohne Sünde, oder unschuldig im Paradiese; aber tu­ gendhaft waren sie deswegen noch nicht; das sollten sie erst durch Prüfung werden. Darum wurden sie versucht. Aber sie bestanden nicht. In Prüfungen treu bleiben, daS ist Tugend. Christus ist ohne Sünde geboren, aber nicht vollkommen in der Weisheit, in der Ge­ rechtigkeit und aller Lugend. Das sollte Er werden und viel mehr, unaussprechlich viel mehr Gerechtigkeit erwerben, alS Adam mit sei­ nen Nachkommen würde gehabt haben, wenn er auch nie gefallen wäre. Wenn Christus schon zu Bethlehem in der Krippe vollkommen in der Weisheit und Lugend gewesen wäre, so hätte es zu Nazareth nicht von Ihm geheißen: Jesus nahm zu an Weisheit, Gnade rc. Nahm Er ztt, so hatte Er vorher nicht so viel, als hernach. Er nahm zu, Er wurde immer vollkommener, vollendeter, Und da» will Paulus in obigem Verse und auch unten im 5ten Kap. 8. Vers sagen» Durch alle die Erfahrungen, Prüfungen, Versuchungen in der Wüste, durch Verfolgung von seinen Feinden, durch seine Leiden Und den Kreu­ zestod lernte Er immer, wurde Er immer geübter und vollkommener. Wie häkle Ek, oder seine menschliche Natur die allerhöchste Geduld, den allervcllkommensten Gehorsam rc. erlernen können, wenn Er nickt in solche Leiden gekommen wäre. Darum, wie Er Luk. 24,26. selbst sagt, mußte Christus leiden und also, durch Leiden, in seine Herrlichkeit ein gehen. Eö waren Prüfung^- und Vervollkommn nungeleiden, oder solche, die Ihm durch besondere Veranstaltungen GolteS Gelegenheit gaben, das allervollkommenste Wohlverhalten zu beweisen, und also seine innere Vortrefflichkeit zu offenbaren, die Er sich durch Verläugnen, Dulden und Gehorchen erworben hatte, und nun der gestimmten Menschheit, deren Haupt Er geworden ist, alS seinen Gliedern mitzutheilen " — Das mag seyn, aber dabei war doch sein Leben, Leiden und Sterben, sein Lernen und Gehorchen ein Opfer und die Versöhnung für unsere Sünden.

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Hebräer 2, 11 —13.

als durch Leiden in seiner Nachfolge mit Jbm und durch Ihn eingehen in dieselbe Herrlichkeit, die Et unS erworben und hinterlegt hat bei seinem Vater? 11. Denn der heiliget/ d. i. der Heiland, und die geheiltgec werden (das können wir alle seyn), sind alle von Einem (aus Einem Stammvater Adam; denn Lukas 3, 38. heißt es: Dieser war Adams, ein wahrer Mensch, wie mir). Aus diesem Grunde sichämr Er sich nicht, es ist Ihm nicht zu verächt­ lich, sie seine Brüder zu nennen, und zu sagen: 12. Ich will verkündigen meinen Brüdern deinen Namen, und mitten in der Gemeine dir Lob sim gen. Ps. 22, 23. Aber weil wir doch wirklich jüngere Bruder sind, weil wir, ehe und nachdem unser ältester Bruder die Welt geschaffen, manches tausend Jahr nicht gewesen Und jünger sind, sondern erst in späterer Zeit geworden und zur Kindschaft durch Ihn gekommen und in die Familie ausgenommen worden sind, so wollen wir solche Ehrfurcht vor unserm erstgebornen Bruder haben (der mehr Vater als Bruder ist, sowohl wegen seiner Haushaltung, als wegen seines Dienstes in seinem Hause), daß jedermann sehen kann, die Bruder haben ein kindliches Herz zu ihrem ersten Bruder; die Fami­ lie ehrt Ihn als ihren Vater; sie sehen Ihm alles an den Augen ab; sie sehen nach seinem Winke; es ist ein Volk, das das Andenken seines Leidens und Todes nie vergißt, und mit seinem Wandel tägliche Proben ab­ legt von dem, wovon das Herz voll ist. So werden wir mit Ehren Bruder des Herrn heißen. Wer den­ ken kann: So war das Lamm auf Erden, wie die Leute sind, der wird auch keinen Zweifel haben, sie für Brüder des Herrn zu halten. 13. Ferner: will mein Vtirtttoüen auf Ihn setzen (wie ein Mensch und für Menschen), Pf. 8, 17. und 18, 3., und abermal: Sieh da, ich und die Rinder, die du mit gegeben hast! Js. 8,

Hebräer 2, 14.

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18. Röm. 8, 19. Da Er, wie gesagt, unser ältester Bruder ist, der uns nach der Familien-Idee wie ein Vater ist, und dessen Kinder wir sind, wie Er unS hier seine Kinder heißt: so würden wir sehr thöricht handeln, wenn wir kein Vertrauen zu Ihm hätten, und hinter oder neben Ihm zu Werke gehen wollten. Wenn wir es mit Ihm halten, und unter seiner Pro­ tektion mit Gott zu thun haben, so nimmt Er sich unser so ernstlich an, daß Er immerdar an unS denkt; es ist, als wenn Er darum droben wäre, daß Er un­ sere Sache besorge. „Sie waren dein, sagte Er, du hast sie für dich geschaffen; aber seitdem ich ein Mensch geworden bin, hast du sie mir anvertraut und gesagt: Du bist nun ihres Gleichen; das sind deine Kinder, die erwarte ich einmal von deinen Händen/' Man muß aber Ein Geist mit Ihm werden, ehe man sich unter die Kinder zählen kann, die Er einmal seinem Vater präsentiren wird, und auf deren Bewahrung Ihm und dem Vater alles ankvmmt» Was für eine Seligkeit wäre es, wenn der Hei» land von unS sagen könntet Das sind meine lieben Kinder! und daß, wenn Er einmal sagen wird: Da bin ich und meine Kinder, die du mir gegeben hast! Er dazu setzen könne«: Sie haben immer meinen Sin» getroffen und meine Seele erfreut. Das wäre wirklich eine selige und unbeschreibliche Gnade, und der Him­ mel schon allhier. 14. weil nun die Aitider Fleisch und Bluc gemein haben, so hat Er es gleichfalls angenom­ men, damit Er durch den Tod dem die Macht nähme, der des Todes Gewalt hatte, das ist, dem Teufel» Er wollte ihn, den Lvdesfürsten, ab­ thun, zernichten, und das als Menschen-Sohn. Da niemand uns mit Gott versöhnen und des Teufels und des Todes Gewalt zerstören konnte, kein Bruder, kein Engel, keine Kreatur; so hat der Vater seinen Sohn hergegeben. Als Gott konnte Er nicht

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Hebräer 2, 15.

sterben, und sterben wollte Er doch. Darum erniedrigte Er sich, und nahm Knechts-Gestalt an, und wurde so wahrhaftig ein Mensch, als Er Gort ist. Das ist es, wenn wir uns einerseits in den Staub legen zu seinen Füßen, weil Er in der Höhe Gott und der Herr ist, und uns auf der andern Seite mit Freude/ Herzlichkeit und voller Zuversicht zu Ihm nahen, weil Er ein gan­ zer Mensch ist, wie wir. Wer das weiß, was ein Mensch für eine elende Kreatur ist, der wird durch die Menschwerdung des Sohnes Gottes erstaunlich beschämt, und dabei in eine unaussprechliche Seligkeit und Dankbarkeit versetzt. Die Menschwerdung des Heilandes war immer der große Gegenstand der orientalischen Kirche. In der äthiopi­ schen Kirche feiern sie alle Monate das Fest der Mensch­ werdung. 15. Und damit Er diejenigen ertS fete, die aus Furcht des Todes ihr ganzes Leben hindurch der Knechtschaft schuldig oder unterworfen waren, die ihres Lebens nie froh wurden, und dachten: Wir bauen und pflanzen wohl; aber was ist es, wir wissen ja nicht, ob wir es erleben und genießen werden? Es ist eine Furcht vor der Auflösung des Leibes und der Seele, weiche die Heiden das Erschrecklichste aller erschrecklichen Dinge nannten. Die Juden dach­ ten, es sey ein gewisser Engel, der sie hinrichte, und so sind sie in den Tod gegangen, wie Missethäter, die ihrem Urtheile gemäß ausgeführt werden. Aus diesen Ansichten entstanden die seriösen und philosophischen Leute, die zu keiner Sache mehr eine rechte Lust hatten, son­ dern thaten, was sie thaten, als Frohn-Bauern und Sklaven, oder wurden ganz unthätig, und sagten: Es ist alles eitel. Diese Ideen fallen bei Kindern Gottes weg, und der Heiland sagt: Wer an mich glaubt, der wird den Tod nicht sehen. Wenn seine Hütte daS Ihre gethan und müde ist, so deponirt er seinen Geist in meine Hände. Darin unterscheiden sich Kinder Got­ tes

Hebräer 2, 15,

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teS von den übrigen Menschen. Diese sterben wirk« lich, jene aber nicht. Dies ist eine Folge von der Auferstehung des Heilandes. Er hat den Tod und uns auseinander gebracht. Wenn andere von Tod und Ster­ ben reden, so reden wir vom Leben, vom wahren Le­ ben, das da erst recht angeht *). Er hat sein Leiden und seinen Tod immer vor Augen gehabt und gar oft davon gesprochen. Was Ihm sein Leben so schwer machte, das ist lauter Glück für uns; denn das hat uns erworben und verdient, selige Herzen zu seyn, keine solche Last, als die Furcht des Todes ist, mit herum­ schleppen zu müssen. Von dem schweren Gange durch diese Welt sind wir erlöst durch seinen schweren Gang; denn Ihm war angst und bange auf seinen Tod, wie •) Vom Tode und der Todesfurcht erlöst seyn heißt also, die Ge­ wißheit haben, sobald die Prüfungszeit ein Ende hat, sobald die elen­ de, gebrechliche, tödtliche, verweßliche Hütte eingerissen und zerbrochen wird, so soll die Seele bekleidet und nicht bloß, sondern mit Christo, dem Leben, angezogen erfunden werden. Die andern Menschen haben nichts als Schrecken zu erwarten, denn wer ohne Geist aus der Zeit geht, hat nichts zu hoffen, sondern wenn die Seele frei wird vom Körper, wenn der Leib gestorben, der erste Tod vorbei ist, so geht der andere Tod an, so kommt eine neue Qual. Und das ist ein ewi­ ges Unglück, in der Ewigkeit, wo man sich nicht ^mehr mit falsches Bildern täuschen und die Angst und Furcht vertreiben kann, sondern alles erscheint wie eS ist, da geht die Seele mir all ihrem Wissen, Gefühl und Empfindung in den andern und ewigen Tod ein. Weil nun diese Furcht, ob sie gleich auf tausenderlei Art verzau­ bert wird, doch immer wiederkehrt, so werden die Seelen eben dadurch in Knechtschaft gehalten, und Satan macht mit ihnen, was er will, weil er den Tod in Händen hat; mit dem kann er siebeständig in die Furcht jagen, kann ihnen ihre besten Tage verderben, daß sie nicht wissen, wo ihncn der Kopf steht. Sie stehen unter seiner Tyrannei, müssen ihn als ihren Herrn und Haupt erkennen, er ist ihr Gott und schreckt sie mit dem Tode, sie sind durch Furcht des Todes Knechte durch ihr ganzes Leben. Es ist ein großer Unterschied zwischen Freien und Leibeigen:». Jene, wenn sie gleich auch Unterthan sind, sind doch viel besser daran; sie wissen, das Haus, der Acker, das Land ist mein, haben Lust zu ar­ beiten 2C. Aber in Ländern, wo alles leibeigen ist, da sieht man nichts als Elend und Jammer, bei den größten Ländereien Armutb, sie bringen nichts vor sich, denn sie haben keine Lust, weil ihnen alle Augenblicke alles genommen werden kann. So ists mit den Sklaven und mit der Knechtschaft des Satans, der durch Furcht des TodeS rhnen alle Lust und Freude benimmt. LrbauungSbuch VIIL The»,

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Hebräer a, 16. 17.

man vor Alters die Ideen gehabt hat, daß man Ihn wohl weinen, nie aber lacken gesehen habe. 16. Denn Er nimmt Nirgend die Engel an, sondern Abrahams Samen nimmt Er an sich. Ihr werdet nirgend in der Schrift finden, daß Gott die englische Natur annehme, um darin zu herrschen und zu regieren, sondern die menschliche. Das sagt Paulus, weil die Juden die Person des Messias im­ mer gerne für eine englische Person gehalten hätten. Cs ist unleibentlich, wenn sich die Menschen nichts darauf einbilden, daß ihr Schöpfer nicht nur ein Mensch, sondern der Sohn eines Menschen werden wollte, daß Er unter einem müttetlichen Herzen liegen, im MutterLeibe zugerichtet werden und erfahren wollte, was wir alles erfahren. Das ist die Sache, was die Vernunft verwirrt. Denn wir würden mit einem Gott, der den MenscheU gleich geworden ist, den Juden nicht so an­ stößig und den Heiden keine Thorheit geworden seyn, wenn unsere Lehre in nichts anderni bestände, als daß Gott sich in einen Menschen verwandelt, und die Ge­ stalt eines Menschen angenommen hätte, wie Er manch­ mal im Alten Bunde in Gestalt eines Engels erschie­ nen ist. 17. Darum Mußte Er in allem seinen Brüdern gleich werden, damit Er Mitleidig, barm herzig, so thcilnehmend wie ein Mensch, und ein treuer Hoherpriester vor Gatt würde, um die Sünden des Volkes zu versöhnen. Das Wort Bruder ist gar ein süßes Wort. Das kantt man aus seinen Jugend-Jahren her wissen, wo man so vertraulich mit Brüdern umgeht. Die Leute, die keineü Bruder Und keine Schwester um sich haben, müssen sehr unglückliche Leute seyn, oder sie müssen den Heiland zum Bruder haben, und mit Ihm eine solche Gemeinschaft und Umgang pflegen, daß sie alles, was in ihrem Herzen liegt, mit Ihm theilen können, wenn es gleich gering wäre. Er läßt sich alles gefallen,

Hebräer 2, 17.

1$)

und tu'cht hüt das; Er hört gerne darauf. Es mag so schlecht und gering seyn, als es will, was man von Ihm begehrt, Man erhalt es. Man kann so brüderlich und schwesterlich mit Ihm i'MgeheN, ein jedes nach der Beschaffenheit seiner Umstände, daß man Ihn h si-iner Kindheit, in seinen Knaben-Iahren, und wenn man erwachsen ist- zum KoNsidenten/ Vertrauten seines gan­

zen Herzens machen kann; daS hat Er gerne. Wenn Man Ihn hat, so kann man mit Ihm, als mit seinem Bruder, über Sachen vertraulich reden, die einem sonst viel zu schlecht dazu dünkten. Er hat sich brüderlich zu uns Herabgelaffen, und will von uns nicht anders behandelt seyn, als brüderlich» Er Hal den Strahl sei­ ner Majestät mit Liebe bedeckt, Und sich ganz nahe und freundlich zu uns gethan. Seine Menschheit bat uns Unter andern den Trost juwegegebracht, daß Er weiß, was im Menschen ist, und das akme Gemächre kennt. Nun kann der Mensch Mit kleinlautem Herzen gleich zu seinem freunde und Mitmenschen, Mitgenvffen der Menschheit, kommen und Ihm seine Noth klagen, ohne zu fürchten: Er ist zu hoch Und zu entfernt für mich; meine Wenigkeit und Schlechtigkeit schickt sich Nicht für Ihn. Wenn einem jetzt etwas Beschwerliches und Unangenehmes begegnet so denkt man mit allem Rechter War doch unser lieber Gött auch ein kranker, leidender und geplagter Mensch. Er hat unsere Noth gefühlt; denn Er ist wahrhaftig Mensch gewesen nach Leib und Seele, wie wir. Darum Müssen wir Ihn als einen treuen Hohenpriester anse­ hen und glauben, daß Er hier auf Erden uns in allen Stücken gleich, in der Gemüths-Armuth und allen an­ dern Umständen auch gestanden ist, darunter seine Kin­

der noch jetzt hingehem Er har alles erfahren, was ihnen im Leben begegnet, Et ist den allergeringsten gleich geworden» Es ist kein Mensch in einer so elen­ den Lage, der sich nicht trösten konnte: Mein ^ejuo ist auch einmal so gewesen.

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Hebräer 2, 18. Z, 1—4»

18. Denn da Er selbst gelitten hat und ver­ sucht worden ist, so kann Er auch denen helfen, die versucht werden. Sein Leiden und Tod ist kein Spiegelfechten und Blendwerk gewesen; Er hals empfunden. Er hat in der Wüste erfahren die Anläufe des Teufels, die feuri­ gen Pfeile des Bösewichts. Er hat als Mensch gekämpft und hat sich eben so rote andere Menschen mit Gebet und Gottes Wort beholfen. Er hat in beständiger Ueberlaffung und Glauben an seinen Vater verharret.

Das III. Kapitel. 1. Vhtn denn, ihr heiligen Brüder! ihr Mit« genößen des himmlischen Berufes! sehet auf Je­ sum Lhmstttm, den Gesandten und -Hohenpriester, Den wir bekennen. Drücket und bildet euch recht ins Herz den Heiland, den Menschen Jesum, der eure Seelen und Leiber gemacht hat, der um eurer Sünde« willen Mensch geworden ist, und der auch einst eure Leiber ähnlich machen wird seinem verklärten Leibe. Denket so lange an Ihn, bis Er euch immer vor dein Herzen und dem Gemüthe steht. Wenn Er euch her­ nach gleich nicht leiblich erscheint, so sieht Ihn doch euer Herzens-Auge wohl tausendmal. 2. ÄOelcher dem, der Ihn dazu, zum Gesandten und Hohenprie­ ster bestellt hat, treu ist, wie Moses in feinet« ganzen Hause, 4. Mos. 12,7., und dem Moses nichü nachgiebt, ja dent der Moses nicht das Wasser reicher darf; denn wenn Moses es gewesen wäre, so hätte ntai ja keines andern nöthig gehabt. 3. Dieser ist grö ßerer Ehre würdig, als Moses, je größere Ehv dem gebührt, der das Haus bereiter (bauet), al, dem Haust selbst. 4. Denn jedes Haus ist vor

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Hebräer 2, 18. Z, 1—4»

18. Denn da Er selbst gelitten hat und ver­ sucht worden ist, so kann Er auch denen helfen, die versucht werden. Sein Leiden und Tod ist kein Spiegelfechten und Blendwerk gewesen; Er hals empfunden. Er hat in der Wüste erfahren die Anläufe des Teufels, die feuri­ gen Pfeile des Bösewichts. Er hat als Mensch gekämpft und hat sich eben so rote andere Menschen mit Gebet und Gottes Wort beholfen. Er hat in beständiger Ueberlaffung und Glauben an seinen Vater verharret.

Das III. Kapitel. 1. Vhtn denn, ihr heiligen Brüder! ihr Mit« genößen des himmlischen Berufes! sehet auf Je­ sum Lhmstttm, den Gesandten und -Hohenpriester, Den wir bekennen. Drücket und bildet euch recht ins Herz den Heiland, den Menschen Jesum, der eure Seelen und Leiber gemacht hat, der um eurer Sünde« willen Mensch geworden ist, und der auch einst eure Leiber ähnlich machen wird seinem verklärten Leibe. Denket so lange an Ihn, bis Er euch immer vor dein Herzen und dem Gemüthe steht. Wenn Er euch her­ nach gleich nicht leiblich erscheint, so sieht Ihn doch euer Herzens-Auge wohl tausendmal. 2. ÄOelcher dem, der Ihn dazu, zum Gesandten und Hohenprie­ ster bestellt hat, treu ist, wie Moses in feinet« ganzen Hause, 4. Mos. 12,7., und dem Moses nichü nachgiebt, ja dent der Moses nicht das Wasser reicher darf; denn wenn Moses es gewesen wäre, so hätte ntai ja keines andern nöthig gehabt. 3. Dieser ist grö ßerer Ehre würdig, als Moses, je größere Ehv dem gebührt, der das Haus bereiter (bauet), al, dem Haust selbst. 4. Denn jedes Haus ist vor

Hebräer z, 5—8.

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emand bereitet (erbaut), der aber alles bereitet (erschaffet), ist Gott Der Hausherr und Baumeister ist ja doch mehr, als das Haus selber, wenn es auch noch so herrlich ist. Es hat ja seine Herrlichkeit nur Ihm zu danken. Daher, von diesem Worte „sein Haus," kommt das Wort „-Haushaltung, Oekonomie Gottes im Alten und Neuen Bunde." 5. Und Moses zwar war rreu in seiften) gan­ zen Haufe, als Diener und Hausknecht Gottes, der da bezeugen mußte, was vorzucragen war. Zwi­ schen dem Hausknechte und Hausherrn ist aber doch ein Unterschied; darum soll man nicht bei Moses, dem Hausknechte, stehen bleiben, sondern zum Herrn selbst gehen. 6. Christus aber (war und ist treu) als Sohn in seinem (Gottes) Hause; und dieses Haus sind wir, wenn wir anders die Zuversicht und die herrliche Hoffnung bis ans Ende festhalten. Wir sind sein Haus; Er gehe in seinem Hause auS und ein im Frieden; Er mache auf und mache zu; Er sehe ernsthaft-, Er sehe freundlich aus; Er befehle. Er disponire; Er thue nach seinem Belieben. Sollten wir etwas haben, so gebe Er es uns; sollen wir etwas thun, so thue Er es durch und in uns; sollen wir et­ was wissen, so sage Er es uns; sollen wir etwas nicht wissen, so sage Er es uns nicht; wir wollen es gerne nicht wissen. 7. Darum, wie der heilige Geist spricht (Pf. 95,7.); Heute, da ihr seine Stimme höret, 8. ver­ härtet eure Herzen nicht, wie bei der Erbitterung geschah, am Tage der Versuchung in der wüste. 2. Mos. 17, 7. Es wird gar nichts von uns gefor­ dert, bis sich die Stimme des Sohnes Gottes hat hö­ ren lassen. Wir können einander nicht befehlen, daß wir uns bekehren sollen. Nichts wich von uns gefor­ dert, als wenn wir seine (Stimme hören, daß wir als­ dann unsere Herzen nicht verhärten und verstecken, daß wir die Ohren nicht verstopfen vor Ihm, daß wir seine

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Hebräer Z, 9,

Einladung nicht mit unbeugsamem Sinne anbören; daß es nicht von uns beiße: „Da ich mein Work sandte, habet ihr euer Herz gestählet, wie einen Diamant," Sehet, da sitzt es, und nicht, daß wir uns mußeen zu Tode beten ums Seligwerden; der Heiland denkt selbst zuerst an unsere Seligkeit; Er kommt zu jeder Seele, wenn ihr« Stunde ist, Er ruft einen im sech­ sten, einen andern im zehnten, einen andern im zwan­ zigsten, dreißigsten, sechzigsten Jahre; und wenn er die Stimme hört und bekehrt sich im sechzigsten Jahre, so ist er so selig, als der, welcher sich im sechsten Jahr­ bekehrt hat. Er bekommt auch den Groschen, Wir können ja leicht selig werden; es kostet ja gar nicht viel, es ist keine Kunst, man braucbt keine Lehrjahre dazu. Nur einen andern Sinn gefaßt! Nur andere Gedanken her! Nur wollen selig seyn! Nur mögen mit dem Heilande in seinem Reiche seyn, in dem, wie es Röm, 14, 17, beschrieben wird! Wer aber das nicht mag, der ist eben ganz todt, mit sol­ chen muß man Geduld haben. Denn wo keine Stim­ me des Syhnes Gottes sich hat hören lassen, wem keine Hhren gegeben sind, wem das Herz noch nicht geöffnet ist, dem muß man nachsehen, und mit des Heilandes Geduld sprechen; Laß ihn noch dieses Jahr! Aber sobald sich die Stimme des Herrn hat hören las­ sen, und die Seele will nicht hören, wist sich nicht se­ lig machen lassen, so tritt sie den Sohn Gottes mit Füßen, und hat zu erwarten, was Hebr,10,29. steht, 9. wo mich eure Vater versuchten, mich auf die Probe stellten, obwohl sie vierzig Jahre weine XVerke sahen. Er könnte uns wohl wider unsern Willen nehmen und wie in einem Mörser zerstoßen, und ein ganz anderes Thier aus uns machen, wenn wir als Menschen Ihm nicht gerathen wollten. Aber Er will Menschen Menschen bleiben lassen; und sie sclllen entweder ihren Schöpfer und Heiland kennen

Hebräer Z, io—12.

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lernen, oder unselige Menschen bleiben. Und da kann Er vierzig und hundert Jahre zusehen. 10. Darum wurde itfy emrüftek über dieses Geschlecht und sprach: Immer irren sie mit ihren -Herzen; sie Kennen meine Wege nicht. 11. Darum schwur ich in meinem Zorne: Sie sollen nicht in meine Ruhe eingehen. Wenn der Irrthum, der Skrupel, oder die Bedenklichkeit aus dem -Her­ zen kömmt, so ist Gott sehr streng. Im Herzen irren aber heißt: Keine Lust zur Sache haben { froh seyn, wenn man Zweifel gegen die Sache aufbrmgen kan»; sie sind willkommen; und wenn man jemand findet, der einem Skrupel macht, so ist ein solcher ein weiser und erfahrner Mann. Warum? Man will Zweifel; man will irren; es wäre einem leid, wenn man nichts dagegen hätte, und der Wahrheit gehorchen müßte. 12. Seher also zu, Brüder! daß nicht je­ mand unter euch ein böses, ungläubiges, oder was eins ist, ungehorsames Herz habe, daß er abfalle vom lebendigen Gott; denn wenn er schon beim todten Gott und Christus bleibt, der nützt ihm nichts. Ein böses, ungläubiges Herz ist das, welches un­ gläubig seyn will, das nicht aus Zweifel ungläubig ist, sondern aus einer ihm selbst am besten bekannten Ur» fache, weil es wünscht, daß nur nichts ypn dem wahr seyn möchte, was es glauben soll. Sagt man: Wir sehen ja nichts; es ist ja etwas Hanes, nicht sehen und doch glauben? Antwort: Wer hat dir denn gesagt, daß das Sehen mehr ist als das Hören, das Hören mehr als das Fühlen, das Fühlen mehr als das Deflken, und daß die Vorstellung im Gemüthe nicht so gut ist, wie der Spiegel im leibli­ chen Angesichte? Was sieht denn ein hlindgebornes Kind, oder das seine Mutter, seinen Vater früh ver­ loren hat? Wenn sich das gleich nicht vorstellen kann, wie sein Vater, seine Mutter ausgesehen hat, hat es darum kein Gefühl, keinen Genuß von ihnen, keine Liebe

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Hebräer Z, I Z.

zu ihnen? Cs ist nirgend gesagt, daß das Sehen daS Glauben vergrößere. Wie viel lausend Sachen glau­ ben und lieben wir, die wir nicht sehen können. Wie kommt es denn, daß man so behutsam ist, die Sachen zu glauben, die den Heiland angehen, und die einzige Bedingung, sich mit dem Herzen an Ihn zu halten, bis man Ihn sieht, nicht erfüllen kann? Der Heiland weiß es wohl, wie es kommt: „Sie lieben, sagt Er, die Finsterniß mehr, als das Lickt." Das böse Herz ist Schuld; das will nicht; es könnte wohl. Da wirds nickt heißen: Freund! ich thue dir nicht Unrecht; son­ dern : Ich habe alle meine Güte und Freundlichkeit für dich erschöpft; darum muß ich dich deinem Schicksale überlassen. 13. Ermahnet einander vielmehr alle Tage, so lange es heute heißt, so lange der Gnaden-Ter­ min dauert, und der ist ungewiß, damit nicht jemand aus euch verhärtet werde durch den Betrug der Sünde *). Der Betrug der Sünde har statt, wenn *) Wenn ein Mensch noch kein Gefühl von der Sünde hat, nicht weiß, was die Sünde für ein Greuel, Krankheit und Tod ist, so lange die Schlange noch seinen Verstand bethhrt und seine Sinnen verrückt hat, daß er nicht weiß, wie tief die Sünde frißt und daß er nichts als Sünde ist, und was das für ein Ende nehmen wird — so lange der Mensch darüber kein Licht hat, sondern noch im Finstern wandelt, so lange ists kein Wunder, daß er sich nicht nach dem GottMenschen umsteht, von dem eS heißt: Der Herr warf all unsere Sünde auf ihn. Isa. 53, 6. Denn einem thörichten, blinden Menschen, der nicht weiß, daß er krank ist, der sich noch in ein Paar Stunden, ehe ihm die Seele auefabrt, nicht geben und nicht erkennen will, ist det Arzt nichts nütze. Aber sobald einem der Heiland Gnade geschenket hat, daß man sein Elend erkennt und weiß, was im Fleische wohnt, so möchte man die Welt auslauferr, um von der schweren Pein loszu­ werden. Wenn einem Christus in der Christenheit noch so weit wäre, als Er noch jetzt den Chinesen und Japanesen ist, so wäre man übel daran, fände aber doch eher Entschuldigung. Aber Er ist uns so nahe, daß Er uns vor Augen und Herzen steht, sagt Paulus, daß man sei­ nen Mund kaum aufthun kann, Gnade zu bitten, daß kaum ein Seuf. zer über die Sünden - Noth aufsteigen und das Herz sich nach Ihm sehnen kann, so steht Er augenblicklich da und fragt, was willst du, daß ich dir thun soll? Es ist Ihm mehr daran gelegen als uns, es thut seiner Seele weher, wenn wir verloren gehen, als wirs selber fühlen und uns leid seyn lassen Da ist nun die Frage, ob Er uns die Gnade nicht anbictet und entgegen hält, und ob wir sie nicht zu genug schätzen und über unnütze Dwge vergessen und verschwerchcn?

Hebräer z, 14.

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die Sünde den Namen und die Gestakt der Tugend und des Guten annimmt, oder doch als verzeihliche menschliche Schwachheit und unschuldiges Vergnügen gering geachtet wird. 14. Denn wir sind Christi theilhaftig gewor­ den, wenn wir anders den Anfang seines Wesens bis ans Ende festhalten. Wenn uns der Hei­ land tausenderlei Gaben geschenkt', und eben so viele Wunder an uns gethan hätte, was wäre es alles, wenn unser Herz keinen Antheil an Ihm, an seinem Ver­ dienst, Blut und Tod hätte, wenn wir seines Wesens, seiner höher», göttlichen Natur, seines Geistes, nicht theilhaftig wären. 2. Petr. 1, 4. Das ist das Größte und das Eine Nothwendige, die Hauptsache bei einer jeden Seele, daß sie gewiß wisse: Ich bin Christi theilhaftig, geworden; Er ist mein, sein Leben und Leiden und Sterben, sein Verdienst und sein Geist ist mein, wie ich sein bin. Ich weiß pewiß: Er ist für mich gestorben und lebt in mir. Die Gewißheit und Festigkeit davon im Herzen ist das Kleinod, darauf al­ les ankömmt. Es giebt Seelen, denen die Gnade, die der Heiland andern erweist, wohlgefällt, und die an den schönen Gottesdiensten der Seinigen eine Freude haben. Sie können wirklich auch eine Arbeit der Gnade in ihren Herzen fühlen, und doch die Gnade noch nicht erfahren haben, daß sie als arme Sünder Seiner selbst theilhaftig geworden sind. Das sind dann noch un­ gegründete Leute, die jeder Wind wieder weghlasen kann, wie ein Blatt vom Baume. Wer aber Ibn hat, der hat eine ewig bleibende Gnade. Das Zei­ chen, daß man in Ihn und in seine Gerechtigkeit ein­ gekleidet sey, Ihn angezogen habe, seiner theilhaftig, md all das ©einige unser eigen sey, das ist der le­ bendige Eindruck von Ihm und seinem Tode; wenn man so von Ihm eingenommen ist, daß man fast nichts anderes denken kann. Es ist nicht schwer dazu zu kommen. Kaum sieht

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Hebräer 3, 15 — 17.

man sich nach Ihm umz kaum weint man nach Ihm, kaum ist es dem Herzen darum zu thun, daß eS Ihn gerne haben möchte (es muß nur Wahrheit im Herzen seyn), so steht Er da, und man fühlt es, daß Er dürste, sich uns nmzutkeilen und zu schenken, Es kann kein Sünder gegen Ihn äufneten und gegen Ihn zeugen, daß er wohl nach Ihm gedürstet und gehungert hätte, aber leer von Ihm weggegangen wäre. Er ist immer bereit, Sünder selig zu machen; Et «st ein offenes Gnaden? Meer, 15. Wenn es heißt: Heute, da ihr seine Stimme Hörer, verhärtet, verstocket eure -Herzen sticht, wie bei jener Erbitterung. Verstocket eure Herzen nicht — daß heißt nicht, daß wir uns zur Säche nöthigen und zwingen sollen, sondern daß wir uns nur nicht dagegen empören und verhärten soffen, Der Heiland braucht unsere Hülfe nicht, Er fordert nicht, daß wir Ihm etwas voraus­ geben; Er ist weift, mächtig, nahe, reich genug, uns die Herzen und Ohren aufzuthun und sich uns zu offtnbaren. Darauf können wir rechnen, Die Forderung geht nicht weiter als; Verstocket die Herzen nicht um dieser oder jener sportlichen Ehre, unruhigen Lust, ungewissen Habseligkeit, schändlichen Trägheit willen, Wenn ihr gewiß fühlet, es ist Gotkes Kraft, setzt euch nicht entgegen, laßt euch nicht von der Einbildung vormahlen, dieser oder jener Mensch werde euch darüber verachten, spotten, verlassen und das Le­ hen schwer machen rc. 16. Denn etliche, da sie es hörten, haben sich empört, aber nicht affe, dje unter tTlofea aus A-gypken zogen, 17, Und über welche war Er vierzig Jahre lang entrüstet? Waxen es nicht jene Sünder, deren Leibep in der wüste dahinffelen? Der Leichtsinn eines erweckten Menschen ist lebens­ gefährlich, Die Zeit zwischen Erweckung und Begnadi-

Hebräer z, 18. 19.

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gung oder Ausnahme ins Reich Gottes, die muß wohl bedacht und benützt werden mit großer Aufmerksamkeit und herzlichem Verlangen; denn wer angefaßt ist, und reißt sich wieder los; wer erweckt ist, und schläft wie­ der ein; wer gerüttelt ist, und giebt «sich wieder zur Muhe, der ist in der größten Gefahr; und so etwas läuft meistens sehr schlecht ah. Heute, heute, da ihr seine Stimme höret, verstecket eure.Herzen nicht, son­ dern fahret zu und sprechet: Nimm mich hin zum Lohne der Schmerzen! Wer diese Gnaden-Zeit versäumet, dessen Verstand wird verfinstert und benebelt, so daß, was er vorher für wichtig gefunden hat, ihm hernach zur Fabel wird, zur Ketzerei, zu verdächtigen Sachen; da denkt er, er sey nun klüger, weiser geworden, und das ist der Anfang vom Verderben. 18, welchen schwur Er, daß sie in sein« ^uhe nicht eingehen sollten? waren es nicht die, so ungläubig waren? 19. Und so sehen wir, daß sie um ihres Unglaubens willen nicht einge­ hen konnten. Der Heiland erwartet von den Ungläu­ bigen nicht, daß sie fromm seyn sollen, wie könnet idr Gutes thun, da ihr böse seyd? Matth. 12,24. Aber daß sie nicht glauben wollen, das wird ihnen ins Buch geschritben, Denn zu dem Gehorsame die? ses einzigen Gebotes, mit Erlassung aller Gesetzes-Las sten, werden alle Menschen gerufen, Das ist aber sein Gebot, daß wir glauben an seinen Namen. 1, Joh, 3, 23. So wird wegen des Falles und Verderbens kein Mensch mehr verdammt und verloren, sondern wie es hier heißt, wegen des Unglaubens; darum, weil er nicht glaubt an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes, Job. 3,18. Der Glaube ist also die erste Pflicht, die uni im Neuen Testamente gbgkfordert wird,



Hebräer 4, 1, 2,

Das IV. Kapitel. 1. Hüten wir uns sorgfältig, da die Verheißung in seine Ruhe einzugehen, auch uns noch übrig ist, daß unser keiner zurückbleibe, sondern ja gewiß hineinkomme. Da muß man alles stehen und liegen lassen, wenn die Gnaden-Zeir und der Zug des Vaters kommt; weil alles, auch das wichtigste Geschäft von der Welt, eher wieder eingebracht werden kann, als eine versäumte Gnade. Da finden sich die Christen in erschrecklicher Schuld, denn sie lassen eine Gelegenheit nach der andern vorbeigehen, lassen sich ein Evange­ lium und Zeugniß nach dem andern ans Herz kom­ men und denken immer: Es har noch Zeit. Wer wollte mit den Leuten kein Mitleiden haben, denen der heilige Geist noch nicht vor das Herz getreten ist, denen das Leiden und der Tod Jesu noch nie geprediget worden ist, denen die Sünde im Fleische noch nicht klar ist? Wer wollte da große Sachen, ein neues Leben fordern? Aber mit uns ist es anders, die wir wissen, warum Er sich selbst zur Sünde gemacht und keinen Isaak, son­ dern sich selbst auf den Altar gelegt hat, daß wir sol­ len eben so werden wie Er, daß wir in den Augen Gortes die Gerechtigkeit Jesu Christi werden. 2. Denn auch uns ist (die Verheißung) verkündiget, wie je­ nen, aber es half jenen nichts, das Wort der Predigt gehört zu haben, weil sie das Gehörte Nicht im Glauben aufnahmen, weil es sich nicht mit dem Glauben der Hörenden vermischte, nicht in den Glauben derer, so es börren, einging, wie es wört­ lich beißt. Mit dem Glauben oder Herzen sollen wir ins Wort hineinfahren, wie Paulus sagt: Ich fuhr zu. Glaube und das Wort müssen süh verbinden. Will kommen, willkommen, allerliebstes Lamm! Auf diesen Gruß kommt es an, wenn man von dem Tode und

Hebräer 4, 3—5.

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Blute des Lammes hört. Willkommen, willkommen! soll das Herz rufen und Ihm entgegenhüpfen, wie David sagt, daß Leib und Seele Gott entgegenhüpfen. Ps. 84, 3. 3. So werden auch wir in die Ruhe ringe» hen, nur wenn wir glauben, wie Er spricht: Ich schwur in meinem Zorne (über den Unglauben), sie sollen nicht in meine Ruhe eingehen; und das sagte Er lange nach der Ruhe von den werken, die bei Grundlegung der Welt geschaffen wor­ den sind. Wir sollen uns gedulden; es ist noch ein anderer Tag der Ruhe. Der Feind wird nicht aus­ bleiben; nur die Waffen nicht weggeworfen. Nur ge­ arbeitet! die Ruhe kömmt gewiß. Selbst Gott ruhte nicht, als erst nach Erfüllung seiner Werke; so sollen auch wir nicht begehren zu ruhen, ehe wir ausgerich­ tet haben, was Er uns aufgetragen hat. Nun beweist er, daß die Verheißung der Ruhe sich weiter erstrecke, als auf das Land Kanaan. Josua habe sie nicht in die rechte Ruhe eingeführt; die rechte Ruhe stehe noch bevor.

4. Denn es heißt in einer Stelle von dem siebenten Tage also.- Und Gott ruhte am sieben­ ten Tage von allen seinen werken. 5. Hier (Ps. 94, 4.) aber heißt es wiederum: Sie sollen nicht in meine Ruhe eingehen. Gott ging durch die Schöpfung seiner Werke gleich­ sam aus sich selbst heraus; durch die Ruhe aber ging er wieder in sich ein, indem er die Vollendung und das Ende aller seiner Werke in sich selbst finden läßt. Wir müssen schon jetzt suchen in Gottes Ruhe ein­ zugehen, dadurch, daß wir uns von uns selbst und den Kreaturen, d. i. von der eigenliebigen selbstsüchti­ gen Anhänglichkeit an die Dinge, scheiden und alle dem, was Gott nicht ist, absagcn, um Ihn allein aufzufangen und unsere Heiligung in Ihm zu finden. Der erste Sabbat oder Ruhetag Gottes ist gleich-

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Hebräer 4, 6—9,

fnnt das Pfand des großen ewigen Sabbats für alle Gläubige, den aber kein Ungläubiger mitgenießen wird. Da er sagt: in meine Ruhe, so verstehe, daß nur in Gott Ruhe ist, und du schlechterdings aus dir und allem ausgehen und in Gott durch Christum eingehen mußt, wenn du in die Ruhe eingehen und nicht ewig dich zerarbeiten willst ist deinen eigenen Wegen und Werken. Irrequietum est cot* meum, donec requiescat in te, sagt Augustin. Mein Herz findet überall keine Ruhe, bis es in dir ruhet. 6. weil nun noch zu erwarten i(l, daß ei­ nige in dieselbe Rühe eingehen werden, und die, welchen sie zuerst verheißen war, um ihres Un­ glaubens willen Nicht eingingen; 7. so bestimmt er eben durch jenes „-Heute" noch einen andern Tag, indem er nach so langer Zeit (nach Moses) durch David spricht: -Heute, da ihr seine Stimme höret, verhärtet eure Herzen Nicht. , 8» Denn wenn Josua sie zur Ruhe gebracht hatte, (indem er sie ins Land Kanaan einfühtte, wenn diese äußer­ liche Ruhe, bei der sie doch sehr beunruhiget waren, schon die wahre Ruhe gewesen wäre), so würde er Nicht hernach Noch (durch David) von einem an­ dern Ruhetag geredet haben. 9» Es bleibt also dem Volke Gottes noch eine Sabbats-Ruye übrig» Die Christen sind wieder Juden geworden, die nur eine ganz irdische Seligkeit und die vorbildliche Ruhe, ein irdisches Kanaan, ein reiches fruchtbares Land, wo ihnen Milch und Honig in den Mund läuft, suchen» Aber selbst dieset figürlichen Ruhe habest sich die Juden durch ihre Undankbarkeit, ihren Ungehorsam und ihre Liebe und Anhänglichkeit an Aegypten unwürdig gemacht; um wie viel mehr werden sich die Christen durch ihren irdischen Sinn und ihren Ungehorsam der wahren, ewigen Ruhe unwerth machen» Josua war das Vorbild von Jesu, und das Land

Hebräer 4, 10.

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Kanaan das Vorbild der himmlischen Seligkeit, in welche uns Jesus einsührt, wie Josua die Israeliten nach Kanaan führte. So ist auch unser Sonntag oder Ruhetag nur ein Bild des ewigen Ruhetages, der keinen Abend kennt, der uns nach der Arbeit im Himmel aufbehalten ist, wenn wir uns von den knechtischen Werken der Sünde »einigem 10. Denn wer in seine (eigene öder Gottes) Ruhe eingeganyen ist, der ruhet auch von seinen werken, wie Gott von den Geinigen. Man muß sich hüten, daß man nicht in eine falsche Ruhe und Gleichgültigkeit eingehe. Wie sich ein Mensch, der sich selbst aus der Welt hilft, wenig oder nichts Um die Zukunft bekümmert, sondern sich dem erbarmenden We­ sen aufs Gerathewohl überläßt, es gehe, wie es gehe, so weiß der Saran auch fromme Seelen in ihrer Se­ ligkeits-Sache zu betrügen, daß sie bei einer Sache ste­ hen bleiben Und nicht weiter gehen, z. B. wenn sie ihre Armuth erkannt und beweint haben, und darüber getröstet worden sind, ja die Welt und was in der Welt ist, mit Gleichgültigkeit ansehen können, so den­ ken sie, sie seyen nun vollkommen, Und werden nicht gewahr, daß fit die Hauptsache noch nicht haben, daß sie ihren Schöpfer noch nicht persönlich kennen, und dir sie angehende Hauptsache noch Nicht genießen, nämlich daß Er für Uns kümmerlich gelebt, schmerzlich gelitten und schmählich gestorben sey, aus tausend Ursachen, be­ sonders ober, daß wir ewig Sein seyn, Ihm leben und dienen sollen. Wer nun das nicht erfahren hat, ist denn doch ein unglücklicher Mensch bei allen übrigen glücklichen Umständen. Das giebt zweimal erstorbene Bäume und macht alles wieder verlieren, was man hat» Wenn e6 recht hergeht, so entsteht «ein Hunger und Durst, ein Sehnen, das man schmerzlich fühlt, nach einem Genusse von Seligkeit, wovon die Natur nichts weiß. Das eigene Gewissen kann einem die Armuth

ZL

Hebräer 4, n. 12.

fühlbar und darüber traurig machen; aber Speise und Trank und Ruhe für die Seele kann es einem nicht geben. Das kann allein die Offenbarung Jesu im

Herzen. 11. Lasset uns also eilen (oder Fleiß thun), in diese Ruhe einzugehen, damit nicht jemand falle, nach demselben Beispiele des Unglaubens, wie K. 3, 17-19. Der Heiland sagt: „Wer zu mir kommt, der soll es gut haben. Kommet zu mir, es soll euch wohl ge­ hen; ich will euch Ruhe schaffen." Da sollen wir nun eilen, zu Ihm zu kommen, in diese Ruhe einzugehen. Es ist nichts, das uns vom Heilande zurückhält, als der Unglaube. Nicht glauben, daß Er ist, daß Er so ist, und denen, die Ihn suchen, ein Vergelter ist; das kann uns im Tode und in der Finsterniß halten. Es ist das größte Unglück, wenn es der Satan so weit bringt, daß wir cs nicht glauben. Aber sobald wir glauben, daß Er ist, daß Er ins Fleisch gekommen ist, daß Er sein Leben für uns gelassen hat, daß der hei­ lige Geist Ihn stündlich verklart in deni Herzen, daß Er unser Heiland ist, der alle unsere Sachen, groß und klein, besorgt; sobald kann sich die'Seele nicht mehr halten; das Herz wird zu dem sanftmüthigen Lamme, zu dem demüthigen Könige hingezogen, damit es seiner innigen Liebe, seines treuen Herzens, seiner Mildigkeit, sich den Seelen zu offenbaren, auch inne werde und genieße. 12. Denn lebendig ist das wort Gottes, und kräftig und schärfer, als ein zweischneidiges Schwert; es dringt hindurch, bis daß es Seele und Geist, auch Mark oder Gelenke und Bein scheidet, und aus lhren geistlichen Ketten und Ban­ den in6 neue Leben, in die neue Schöpfung, die im Herzen vorgeht, übergebracht hat, und ist ein Rich­ ter der Gedanken und Anschläge oder Begierden des -Herzens; kurz, es richtet seine Sache ganz aus.

Hebräer 4, 13.

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Hier stehe still, Leser! das ist ein ernster Mink. Der Apostel will sagen, die, welchen Gorres Wort ge­ predigt wird, stehen auf einer scharfen Probe; das we­ sentliche Wort richtet in ihnen durch das gepredigte, und da ist, wie es im nächsten Verse heißt, kein Mensch vor Ihm sicher, und kann sich keiner dagegen verwahren. Das ist das Wort vom Kreuze, das wir predigen. Wenn kein Versöhner dabei zu betrachten wäre, dessen schönes Antlitz zugleich mit seinen Wunden erschiene, so wäre die Betrachtung noch viel trüber und die Verle­ genheit noch viel größer. Aber der Blick auf Ihn, der das große Gericht über sich hat ergehen lassen, weil Ihn unser Elend gejammert hat, der Blick ist magne­ tisch; er zieht das Herz und wendet es zu Ihm, daß es Ihm entgegenhüpft. Man wird wie einer, der Friede gefunden hat; man wird sanft im Herzen, beruhigt und bekömmt die ganze Gnade zur Seligkeit, ehe man sich recht bedacht hat, wer man war, und daß man Ihn so spät geliebt hat. 13. Rein Geschöpf ist vor seinem Angesichte verborgen; alles ist nackt und offenbar vor den Augen dessen, mit welchem wir zu thun haben, oder von dem wir reden, d. i. Christus. Wenn wir denken und uns darauf einlassen kön­ nen: „O daß mein Herz offen stände!" wenn wir nicht fürchten dürfen, daß unsere Worte die Sache schöner machen, als sie in der That ist, sondern gewiß versichert sind, wenn Er in unser Herz sähe, so würde Er es noch besser sehen; dann steht es gut mit uns. Denn Er weiß, was verborgen ist. Er sieht hinter den letzten Reffort (Triebfeder) im Herzen. Wenn wir treue Her­ zen sind, so kennt Er uns noch treuer, als wir uns kennen. Wenn wir untreu sind, so kennt Er uns noch untreuer, als wir es wissen. Darum kann Er Sachen erklären, entschuldigen, und uns darüber begnadigen, worüber wir uns selbst verdammen würben. Er ist lauter Licht, und hat Augen, wie die Sonne; cs Erhauun-»buch VHi. 3

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Hebräer 4, 14.

Hebräer 6, 6,

seyn, eS kann jetzt noch geschehen. Man kann heute noch so an ihm sündigen. Man kann jetzt noch so schrecklich sein Herz betrüben, so sehr, daß es unmög­ lich ist, sich wieder zurecht zu finden, und von dieser allergrößten und schwersten Sünde sich wieder zu be­ kehren. O du schreckliches Wort! möchtest du alle Erweckte aufschrecken und ihnen allen Schlaf aus den Augen wischen, daß sie ja nicht einschlafen, noch sicher wer­ den — sondern mit neuem Ernst anfangen, sich füg­ lich zu erneuern. Es ist unmöglich; wa- heißt das? Ist es durch­ aus unmöglich? Einige sagen: Paulus meine, es ist nicht Menschen-möglich, aber bei Gott ist kein Ding, also auch das Wiedererwecken eines Eingeschlafenen oder Abgefallenen nicht, unmöglich. Aber es bleibt doch immer sehr gefährlich. Denn alles Wiederaufwecken schläfrig gewordener (Kap. 5, 11) ist sehr schwer; und wenn auch Paulus nur von der Unmöglichkeit bei Men­ schen redet, und schon Vers 3. einen Wink dafür gege­ ben, auch V. 8. nur eine Verbrennung zur Reinigung und Wiederurbarmachung meinen soll; wenn es auch gleich heißt: es ist unmöglich, sie zu erneuern, und nicht: daß sie erneuert werden; so spricht doch die Stelle Hebr. 10, 26—31. bestimmt und entscheidend, daß wer muthwillig die Gnade wegwirft, sie nicht wie­ der erlange; und Röm. 11, 22, daß Eingepfropfte wie­ der abgehauen werden können. Ich glaube, daß der Heiland nur aus Barmher­ zigkeit so mancher Seele nicht nahe kömmt; denn es ist bekannt, wie schlecht man Ihm dankt, wie untreu man mit seiner Gnade umgeht, wie oft man sein Evange­ lium hört, ehe man es versteht, und wenn man es ver­ steht, und die theuersten Versprechungen gemacht hat, doch nichts hält, und wenn man es mit Thränen be­ kannt har: Es ist wahr! doch wieder davon abgeht. Die starken und oftmaligen Rührungen haben das Un-

Hebräer 6, 7—10.

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glück, daß sie hart machen, wenn sie nicht durchdrin­ gen, und bei einem Menschen, der allzu oft überzeugt wird, und immer wieder zurücktritt, geht die Gnade weg, wenigstens auf eine Zeitlang. Niemand in der Welt ist schwerer zu bekehren, als Leute, die schon oft bekehrt und überzeugt waren, die ein Gefühl, und wieder ein Gefühl und abermal ein Gefühl gehabt haben, und haben es nie zu etwas Gan­ zem kommen lassen. Diese werden oft die schlimmsten Menschen. 7. Denn die Erde, die durch den oft über sie kommenden Regen getränkt, heilsame Gewächse für diejenigen trägt, die sie bauen, empfängt Gegen von Gott, bringt reichliche Früchte; die lernbegierigen Hörer und Thäter des Worts erhal­ ten unmittelbare Erleuchtung und Kraft, allerlei Gutes zu thun. 8. wenn es aber Disteln und Dornen trägt, Werke der Eitelkeit, der Lust, des Stolzes, des Geizes rc., so ist es unnütz und dem Fluche nahe, und wird am Ende mir Feuer verbrannt. Ach Gott! verleihe, daß die Erde meines Herzens, die so oft mit deinem Blute besprengt, mit dem Wasser des Lebens begossen und mit deiner Gnade getränkt worden ist, die Frucht bringe, die dir gefällt und von dir den Segen empfange, den du verheißest! 9. Doch euch, meine Lieben! trauen wir das Bessere zu, und was mehr zu eurem -Heile führt, obgleich wir so reden. Die bessern Gemüther sind von der Art, daß sie scharfe Worte, womit man sichere Sünder schrecken will, gerne auf sich deuten und sich damit martern. Diesem will Paulus hiemit vorbeugen, in Hinsicht des scharfen, schrecklichen Wortes, Vers 4 bis 6. Nur den Sicheren sollen diese Worte ein Don­ nerkeil seyn, den Guten aber zur Bewahrung dienen. 10. Denn Gorr ist nicht ungerecht, daß Er nicht erfüllen sollte, was Er aus Gnaden verheißen hat, daß Er vergessen sollte eures Thuns und der Liebe i^das sind keine Disteln und Dornen), die ihr gegen

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Hebräer 6, n —14.

seinen Namen bewiesen habet, da ihr den -Heili­ gen dientet und noch diener. Und das rechnet Er so an, als hättet ihr es Ihm gethan. Wenn der Heiland nur einen Herzens-Seufzer in dir bemerkt, der durch die nahe und innige Vorstellung seines Todes und Verdienstes erweckt wird, so schreibt Er es sich auf; es wird ein Denkzettel vor Ihm. Und wenn es die Seele zwanzigmal wieder vergißt, so ver­ gißt es doch Er nicht, sondern da heißt es: Ich habe dich unter dem Feigenbäume wohl gesehen. Joh.1,48. Schreibet mir, sagt Er, das Herzens-Sehnen und Seuf­ zen dieser Seele auf; sie soll nicht beschämt werden, noch ohne Erhörung bleiben. Und was man einem seiner geringsten Brüder gethan har, das setzt der Hei­ land gewiß nicht bei Seite. 11. wir wünschen nur, daß jeder denselben Elfer beweise, die Hoffnung bis ans Ende fest zu halten. Die Beharrlichkeit befestiget die Hoffnung. Es muß zur Erfüllung, Vollbringung der Hoffnung kommen; der Glaube muß Stand halten, wie die Liebe, bis ans Ende. 12. Daß ihr nicht trage, sondern Nachfolger derer werdet, die durch Glauben und Geduld die Verheißung erben. Zum Glauben ge­ hört auch die Geduld; denn das ist kein Glaube, der nicht warten kann. Das ist auch die Seele des Chri­ stenthums, daß man an den Verheißungen Gottes hange; denn die Verheißungen werden nicht alle hier, sondern viele erst dort erfüllt. 13. Als Gorc dem Abraham die Verheißun­ gen gab, schwur Er, da Er bei keinem Größer» schworen konnte, als Er ist, bei sich selbst. l.Mos. 22, 16. Daß Gott seine Verheißungen selbst beeidet hat, ist der sicherste Grund unserer Hoffnung; zugleich aber beschämend, und ein Beweis, daß wir Gott nicht glauben, wenn Er nicht schwört. 14. Inden» Er sprach: wahrlich Eines Se­ gens will ich dich segnen und eines Vermehrens

Hebräer 6, 15—19.

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will ich dich vermehren. 15. Und da er gedul­ dig harrere, erlangte er die Verheißung. Abra­ ham mußte doch auch warten lernen und Geduld ha­ ben. Sind wir nun Abrahams Kinder im Glauben, in Geduld rc., so werden wir auch die Verheißung er­ erben. 16. Menschen schwören wohl bei einem Größern, als sie selbst sind, wenn sie Ihn nur auch besser kennten! Und der Eid zur Bestätigung gethan, macht jedem Streite unter ihnen ein Ende. Der Eid ist ihnen alles Widerspruchs Ziel, zur Bestätigung einer Sache, daß sie fest bleibe. Wenn nur auch Got­ tes Eid, womit Er un6 so herrliche Verheißungen be­ theuerte, allem Streite und Widersprüche der Menschen gegen das herrliche Evangelium ein Ende machte! 17. Daher als Gott den Erben der Ver­ heißung, das ist den Gläubigen, denn sie sind Kinder und Erben, die Unwan delbarkeir seines Rarhschlusses, den festen Vorsatz seines Willens überschwänglich beweisen, die Sache recht gewiß machen und alles Mißtrauen benehmen wollte, so fügte Er den Eid hinzu. 18. Go daß wir durch zwei unwandel­ bare Dinge, die nicht wanken, nämlich durch sein Wort der Verheißung, das an sich selbst schon glaubwürdig ist, und durch den Eid, wobei Gott unmöglich lü­ gen kann, einen festen Trost haben, und auch un­ möglich sollten zweifeln können, wir, die wir unsere Zuflucht dahin nehmen, daß wie an der angebo­ renen Hoffnung, an den versprochenen Gütern fest­ halten, weil uns unmöglich etwas davon entgehen kann. 19. welche wir als einen sichern festen An­ ker unserer Seele haben, der bis ins Innere des Vorhanges, ins Allerheiligste, in den Himmel hinein­ geht, so daß wir nicht am Glauben Schiffbruch lei­ den können. Der Heiland stirbt uns nicht ab; Er bleibt unser Anker, der in die Ewigkeit hineingeht. Wir blei­ ben an Ihm alle Stunden und Augenblicke und dür-

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Hebräer 6, ro.

fen nicht sorgen, daß wir fallen. Unsere Seligkeit hängt an einem festen Nagel, der nicht bricht: er ist im in­ nersten Heiligthume Gottes befestiget. 20. wohin für uns schon eingegangen ist unser Vorgänger Jesus, um uns den Weg, die Stätte zu bereiten, die Thüre offen zu halten, und in­ deß für uns Poffeffion zu nehmen, der nach der Ordnung Melchisedechs ewig Priester ist. Er ist vorangegangen, wir wollen nach; hier ist unsers Bleibens nicht. Er hebt auch bald den, bald jenen aus, und stellt ihn vor sein Angesicht. Er er­ halte uns nur immer ein Andenken dorthin, wohin Er uns vorangegangen ist, wohin wir auch gehören. Da­ rum sagt der Apostel, unser Hauptgeschäft und Wan­ del wäre nicht auf dieser Welt, sondern dort, wo Er hingegangen ist, und woher Er wieder kommen wird.

Das vii. Kapitel. Dieses Kapitel ist ganz für die Hebräer oder Ju­ den berechnet, die am levitischen Priesterthume hingen und meinten, es müßte ewig währen. Da zeigt ihnen nun Paulus, daß man beim levitischen Priesterthume nicht stehen bleiben müsse; das melchisedechische Priesterthum sey schon vor dem levitischen gewesen, sei er­ habener und vortrefflicher und ein Vorbild vom ewigen Hohenpriesterthume Christi; deswegen müßte das levitische abgeschaffk werden und aufhören. Und da das Gesetz am levitischen Priesterthume hing, und auch schwach war und nicht vollkommen, d. i. nicht völlige Ruhe und Freiheit von Sünden verschaffen konnte, so mußte es sammt dem iPriesterthume auch abgeschafft werden. Christus aber muß nach der Weise Melchise­ dechs, der ohne Vater und ohne Mutter, ohne Anfang

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Hebräer 6, ro.

fen nicht sorgen, daß wir fallen. Unsere Seligkeit hängt an einem festen Nagel, der nicht bricht: er ist im in­ nersten Heiligthume Gottes befestiget. 20. wohin für uns schon eingegangen ist unser Vorgänger Jesus, um uns den Weg, die Stätte zu bereiten, die Thüre offen zu halten, und in­ deß für uns Poffeffion zu nehmen, der nach der Ordnung Melchisedechs ewig Priester ist. Er ist vorangegangen, wir wollen nach; hier ist unsers Bleibens nicht. Er hebt auch bald den, bald jenen aus, und stellt ihn vor sein Angesicht. Er er­ halte uns nur immer ein Andenken dorthin, wohin Er uns vorangegangen ist, wohin wir auch gehören. Da­ rum sagt der Apostel, unser Hauptgeschäft und Wan­ del wäre nicht auf dieser Welt, sondern dort, wo Er hingegangen ist, und woher Er wieder kommen wird.

Das vii. Kapitel. Dieses Kapitel ist ganz für die Hebräer oder Ju­ den berechnet, die am levitischen Priesterthume hingen und meinten, es müßte ewig währen. Da zeigt ihnen nun Paulus, daß man beim levitischen Priesterthume nicht stehen bleiben müsse; das melchisedechische Priesterthum sey schon vor dem levitischen gewesen, sei er­ habener und vortrefflicher und ein Vorbild vom ewigen Hohenpriesterthume Christi; deswegen müßte das levitische abgeschaffk werden und aufhören. Und da das Gesetz am levitischen Priesterthume hing, und auch schwach war und nicht vollkommen, d. i. nicht völlige Ruhe und Freiheit von Sünden verschaffen konnte, so mußte es sammt dem iPriesterthume auch abgeschafft werden. Christus aber muß nach der Weise Melchise­ dechs, der ohne Vater und ohne Mutter, ohne Anfang

Hebräer 7, 1—3.

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und Ende seiner Tage war (wovon uns die heilige Schrift nichts sagt) ewig Priester und König bleiben.

1. Melchisedeck war Rönig von Salem, ein Priester des höchsten Gottes, der dem Abraham, als er von der Rönigsschlachk zurückkam, ent­ gegen ging und ihn segnete. Dieser Melchisedeck war eine unbekannte und ver­ borgene Person, obwohl er existirt hat und man seine Geschichte nicht als eine bloße Parabel anzusehen hat. Er war König und Priester in Einer Person, eben wie Christus beides zugleich seyn sollte. Nach jedem Kampfe kommt uns Christus auch entgegen und segnet uns.

2. Dem auch Abraham den Zehnten von al­ lem gab; der fürs erste verdollmekschet wird, Rönig der Gerechtigkeit, dann aber auch Röntg von Salem, das ist Rönig des Friedens. Wen Christus segnet und erquicket mit seiner Gnade und der Vergebung der Sünden, der soll ihm auch al­ les hingeben. Christus ist eigentlich der König der Gerechtigkeit und des Friedens, denn er heißt in der Schrift Ier. 23, 6. der Herr unserer Gerechtigkeit, ist uns von Gott gemacht zur Gerechtigkeit; so ist er auch unser Friede und der Friedensfürst. Ephes. 2, 14. rc.

3. Ohne Varer, ohne Murrer, ohne Ge­ schlechtsregister, hat er weder einen Anfang sei­ ner Tage, noch ein Ende seines Lebens, sondern dem Sohne Gottes ähnlich bleibt er Priester in Ewigkeit. Man findet wenigstens nichts in der Schrift von seinem Geschlechte, Anfang oder Ende. So hatte Chri­ stus auch auf Erden keinen Vater und im Himmel keine Mutter. Die levitischen Priester stammten von Priestern ab, Jesus aber hatte es nicht von menschlichen Ahnen ge­ erbt, so wie auch von Melchisedeck kein Geschlechtsregi-

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Hebräer 7, 4—9.

fier da ist. Er ist von Ewigkeit zu Ewigkeit geboren.' Die levitischen Priester haben angefangen und aufgehört. 4. Bedenket nun, wie groß der seyn mußte, dem selbst Abraham, der Erzvater, den Zehnten gab von der eroberten Beute. 5. Zwar haben die Söhne Levi, welche das priesterthum em­ pfangen, nach dem Gesetze das Recht, den Zehn­ ten zu nehmen vom Volke, das ist von ihren 'Brüdern, obwohl auch diese aus den Lenden Abrahams entsprossen sind. Abraham muß in der Person Melchisedecks schon auf einen andern, auf den verheißenen König und Ho­ henpriester Christus gesehen haben, wie denn Christus sagte: Abraham hat meinen Tag gesehen. Joh.8, 56. 6. Dieser aber, der nicht zu ihrem Geschlechte (der Leviten) gehörte, nahm von Abraham den Zehnten, und segnete den, der die Verheißung hatte. 7. Nun ist ja ohne Widerspruch, daß der Geringere von dem Größer» gesegnet wird. Im levitischen Priesterthum waren Beide, die Zehn­ ten nahmen und gaben, aus Einem und demselben Ge­ schlechte Abrahams. Aber dem Melchisedeck giebt Abra­ ham selbst den Zehnten, obwohl er nicht aus dem le­ vitischen Geschlechte war und nicht seyn konnte, weil er schon vor demselben lebte. Und da er den Abraham segnete, der die Verheißung aller Völker in sich trug, wie viel größer als Abraham muß er, wie viel besser sein Priesterthum gewesen seyn, als das Levitische!

war, und weil sie des Rönigs Gebot nicht fürch­ teten, weil es ganz ungerecht war, dergleichen Geboten man nicht gehorchen darf. Die größten Werke Gottes fangen an unter der Wolke der Verborgenheit.

24. Durch Glauben wollte Moses, da er groß war, nicht mehr der Sohn der Tochter Pharaos heißen, 25. und wollte, eben da er fein Glück hätte machen können, lieber mir dem Volke Gottes Ungemach leiden, als die zeitlichen Freu­ den der Sünde mit den Kindern der Welt am Hofe genießen. 26. Er achtere die Schmach Christi, ehe noch Christus für ihn Schmach gelitten hatte, für größer» Reichthum, als die Schütze Aegyptens; denn er sah auf die Belohnung hinaus. Schmach, Geduld Christi heißt alles, was ein Mensch als Be­ kenner des wahren Glaubens leidet, dessen Gegenstand im alten und neuen Bunde Christus ist. Israel litt von den Heiden um Christi willen, wegen seiner Hoffnung auf Ihn, und Christus sieht es als sein eigenes an. Auch litt das Volk und Moses vorbildlich. Siehe K. 13,13., Kol. 1,24. Das war eine große ThatMosis, daß er zur Zeit, da das Volk Gottes im größten Drucke war, er aber am königlichen Hofe vollauf hatte, groß­ müthig bekannte, er sey kein Königs-Sohn, und die größte Schmach den größten Belustigungen und höch­ sten Ehren vorzog. Gewiß, er mußte voll Glauben seyn! Welche Schande für Christen, die die himmli­ schen Schatze der Gnade lieber fahren lassen, als die kleinen Lüste und den Schatten eitler Ehre! Moses sah die Schätze Aegyptens und die sinnlichen Vergnü­ gungen am Hofe mit verächtlichen Augen an, und für eine Null gegen den Schab, den er in dem Geheim-

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Hebräer n, 27. 28.

wisse Christi und seines Königreichs fand. Denn ob Christus gleich noch nicht sichtbar da war, so war doch schon sein Reich unter ihnen, und alles Vorbild und Fingerzeig auf Ihn hin. Ja, Er war in der Wolke und Feuersäule, Er war der Engel des Bundes, der Fels, der ihnen folgte. 1. Kor. 10, 4. 27. Durch den Glanben verließ er Aegypten, ohne des Bönigs Grimm zu fürchten; denn er hielt sich an den Unsichtbaren, als sähe er Ihn. Darin besteht der Glaube, daß man sich an Ihn hält, und zwar nicht nur als an em unerreichbares Wesen, sondern daß es einem ist, als sähe man Ihn. Man hält sich so fest und steif an Ihn, als stände Er da. Darum, sagt der Apostel anderswo, wird der Gekreu­ zigte euch vor Augen gemalt, daß Er in eurem Her­ zen selbst eine Gestalt gewinne, bis Er selbst so nahe und gegenwärtig in eurem Herzen dasteht, als ob Er vor euren Augen gekreuziger wäre; bis ihr sagen kön­ net: „Ich bin selig, mir ist wohl bei meinem Herrn; was will ich mehr? Ich habe alles, nun frage ich nichts nach Himmel und Erde. Nun mag mir Leib und Seele verschmachten, so ist Er doch meines Her­ zens Trost und mein Theil. Ps. 73. Wer dann so lebendig an Ihn glaubt, dessen Glaube ist ein beständiges Gebet zu Ihm, ein bestän­ diges Handeln und Wandeln vor seinem heiligen An­ gesichte. Man thut alles in seinem Namen, d. i. vor seinem Auge. Man steht auf, geht zu Bette mit Ihm; und Er geht mit uns in alles hinein, in alle unsere Geschäfte und Handlungen, in den Laden, in die Werk­ stätte, in die Schreibstube, in alles, wo wir gehen und stehen, geht Jesus mit uns! 28. Durch Glauben ließ er das Osterlamm schlachten und (die Thüren) mit Slot besprengen, damit der Würger der Erstgeburten sie nicht träfe. Durch Glauben müssen auch wir die Thüren unserer Herzen mit dem Blute des Lammes besprengen, wenn

Hebräer n, 29—35.

9$

wir anders dem Würger, der des Todes Gewalt hat, entrinnen wollen. 29. Durch Glauben gingen sie durch das rothe Meer, wie durch trockenes Land; die Aegypcer aber, welche dasselbe auch versuch­ ten, ertranken, wurden verschlungen. Der Glaube und die Verwegenheit gehen oft dieselben Wege, aber das Ende und der Ausgang ist verschieden. 30. Durch Glauben sielen die Mauern zu Jericho, nachdem man sieben Tage um sie herumgezogen war. Leute, die das Gras wachsen hören, sagen: Die Mauern seyen nicht umgefallen, sondern das Volk sey angelaufen und habe sie überstiegen. 31. Durch Glauben kam die -Hure Rahab nicht mit den Ungläubigen um, weil sie die Rundschaftee freundlich avfnahm. Diese Person ist frei­ lich nicht gar reputirlich; aber die Schrift giebt mit Fleiß mehr solche Beispiele zur Demüthigung der stol­ zen Pharisäer. 32. Und was soll ich mehr sagen? es wird ja hoffentlich genug seyn? Die Zeit würde mir zu kurz, was gäbe es nicht noch zu sagen von andern GlaubensHelden, von Gideon, Barak, Gimson, Iephrah, David, Samuel und den Propheten; 33. sie ha­ ben durch Glauben Königreiche bezwungen, wie er auch die ganze Welt überwindet, Gerechtigkeit ge. wirket, besondere Verheißungen erkalten, der Löwen Rachen gestopft, wie Simson, David, Daniel re.; 34. die Gewalt des Feuers gedampft, wie die drei Knaben im Feuerofen; sie sind der Schärfe des Schwertes entronnen, wie David des Sauls Schwerte, und Elias der Jesabel; von Krankheiten genesen, oder haben sich in der Schwachheit gestärkt durch die Kraft des Herrn, I.Kön.30,6.; sie sind im Rriege -Helden geworden, und haben feindliche -Heere geschlagen; 35. Weiber erhielten ihre Todten le­ bendig wieder, wie die Wittwe zu Sarepta und die Sunamitin. 1. Kon. 17, 22., 2. Kön. 4, 35. Andere

§6

Hebräer ir, 36—40.

ließen sich martern, ohne eine Befreiung anzu­ nehmen, um desto herrlicher einst von dem Tode zu erstehen. 36. Andere ertrugen Spott und Schlage, dazu Bande und Gefängnisse; sie fanden aber in der Schmach ihre Ehre, und in Banden ihre Freiheit. 37. Sie wurden gesteinigt, ztzrhackc oder zersäget, wie dem Jesaias geschehen seyn soll, gefol­ tert, durchs Schwere hingerichcek. Sie gingen umher in Schafspelzen und Ziegenfellen, unter Mangel, Trübsal und Ungemach. 38. Sie, de­ ren die Welt nicht werrh war, waren am unwerthesten in der Welt; sie irrten umher in Wüsten, auf Bergen, in Höhlen und Rlüfren der Erde, wo sich manche Propheten verstecken mußten. Dies alles hat der Glaube gewirkt; der hat der Welt solche und so viele Helden Gottes gegeben. Von diesem allein haben auch alle ihre Heldenthaten ihren Werth; und nichts har einen Werth, was nicht durch diesen Glauben geht. 39. Und diefe alle, obwohl sie ein rühmliches Zeugniß des Glaubens davon trugen, haben die Verheißung doch nicht erlangt, nämlich in ihrer Erfüllung, die wirkliche Zukunft und Erscheinung Christi auf Erden; sie haben sie nur von ferne gesehen, und sind darüber gestorben. 40. weil Gott etwas Best feres, ein besseres Testament, einen bessern Mittler, Priester, ein besseres Opfer für uns auserfehen hatte, damit sie nicht ohne uns vollendet würden. Sie ließen sich begnügen an der Verheißung, und waren in der Hoffnung selig; das war eine schönö Tugend, daran wir billig lernen sollen, damit, wenn uns an irgend einem Guten fehlen sollte, und ein und anderes Wort der Verheißung zurückzubleiben scheint, wir es nicht als einen Raub achten, und machen, wie der erstgeborne Sohn: „So lange bin ich bei dir!" Daraus folgt manchmal ein Zurücktreten der Gnade des Heilandes, ein Alleinlaffen auf kurze Zeit, eine Trockenheit. Das kann

Hebräer 12, 1. 2,

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kann man aber vermeiden durch einen demüthigen Ge­ brauch der Wohlthaten, durch wirkliche Beschämung über jede Gnade, daß man wie Elisabeth sagt: Woher kommt mir das; ich bin deß gar nicht werth!

Das xii. Kapitel. 1. Da wir nun eine solche Wolke, ein Heer, eine so große Menge von Zeugen um uns haben, die uns recht umringet, daß wir nicht auskvnnen, die von der Kraft des Glaubens Zeugniß geben, so lasser UNS ablegen jede Last, und die UNS um und um anklebende Sünde; lasset uns mir Geduld auf der angewiesenen Bahn fortschreiten. Es hängt viel Blei-Last an unsern Flügeln, die wir ablegen sol­ len ; so würde unser Gang noch so leicht seyn, und das schwere, niederdrückende Wesen, Mißtrauen, Zweifel, Wankelmuth, Unglaube, diese allerärgsten Sünden, die alle andern nach sich ziehen, sind immer um uns herum, berücken und hindern uns, wenn wir sie nicht überwin­ den. Was hilft aber dagegen? 2. Lasser uns aufblicken auf Jesum, den Heer­ führer, den Anfänger und Vollender des Glau­ bens, der starr der Freude, die Ihm zu Gebote stand, das Rreuz erduldete und die Schmach nicht achtere, nun aber zur Rechten auf dem Throne Gottes sitzt. Wenn ihr wollet recht ruhig und selig seyn im Kampfe und Streite, so sehet nur aufs Lamm und macht es wie Er; resolvirt euch aufs Allerschlechteste, aufs Allermiserabelste, aufs Allermüh­ seligste, so wird euch alles leicht werden. Denn ihr werdet denken: Unser Lamm hat es noch schlechter ge­ habt, dem ging es erst mühsehlig drei und dreißig Jahre

Ekbannnssboch vjii. rhett.

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Hebräer 12, 1. 2,

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kann man aber vermeiden durch einen demüthigen Ge­ brauch der Wohlthaten, durch wirkliche Beschämung über jede Gnade, daß man wie Elisabeth sagt: Woher kommt mir das; ich bin deß gar nicht werth!

Das xii. Kapitel. 1. Da wir nun eine solche Wolke, ein Heer, eine so große Menge von Zeugen um uns haben, die uns recht umringet, daß wir nicht auskvnnen, die von der Kraft des Glaubens Zeugniß geben, so lasser UNS ablegen jede Last, und die UNS um und um anklebende Sünde; lasset uns mir Geduld auf der angewiesenen Bahn fortschreiten. Es hängt viel Blei-Last an unsern Flügeln, die wir ablegen sol­ len ; so würde unser Gang noch so leicht seyn, und das schwere, niederdrückende Wesen, Mißtrauen, Zweifel, Wankelmuth, Unglaube, diese allerärgsten Sünden, die alle andern nach sich ziehen, sind immer um uns herum, berücken und hindern uns, wenn wir sie nicht überwin­ den. Was hilft aber dagegen? 2. Lasser uns aufblicken auf Jesum, den Heer­ führer, den Anfänger und Vollender des Glau­ bens, der starr der Freude, die Ihm zu Gebote stand, das Rreuz erduldete und die Schmach nicht achtere, nun aber zur Rechten auf dem Throne Gottes sitzt. Wenn ihr wollet recht ruhig und selig seyn im Kampfe und Streite, so sehet nur aufs Lamm und macht es wie Er; resolvirt euch aufs Allerschlechteste, aufs Allermiserabelste, aufs Allermüh­ seligste, so wird euch alles leicht werden. Denn ihr werdet denken: Unser Lamm hat es noch schlechter ge­ habt, dem ging es erst mühsehlig drei und dreißig Jahre

Ekbannnssboch vjii. rhett.

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Hebräer 12, z. 4.

lang. Wenn euch etwas wehe thut, wenn euch etwas beschwert, wird euch heiß, so denket an Christi Schweiß! Wenn man eine Moral lernen will, so thut man am besten, man stellt sich Ihn vor. Will man gerne herzlich seyn, so stellt man sich das herzliche Lamm vor; will man gerne leiden, so stellt man sich den leidenden Herrn vor; will man gerne demüthig seyn, so denkt man ans demüthige Lamm; will man gerne Gutes thun, so stellt man sich Ihn vor, wie Er umherging und al­ len wohl that. Das macht dann aus Liebe zum Lamme, durch die beständige Vorstellung seines Bildes, durch die Bespiegelung in Ihm, daß man bei aller Sündig­ keil der Natur ein heiliger Mensch wird. Das Ge­ heimniß besteht in nichts, als darin, daß man, wie Da­ vid sagt, sich den Herrn allezeit vor Augen stellt. Die­ ser Blick macht einen ganz heilig und selig. 3. Ja, gedenket an den, der so viel Wider­ spruch von Sündern gegen sich erduldete, damit ihr nicht erlieget und den Muth sinken lastet. Wie die Augen der Knechte auf ihren Herrn, wie die Augen der Magd auf die Hande ihrer Frau, oder bes­ ser noch, wie die Augen des Kindes auf die liebe Mut­ ter, wie die Augen der Braut auf den Bräutigam, wie die Augen der Frau auf ihren innig verbundenen Mann sehen, wie sie gerne seine geheimsten Wünsche und Ge­ danken treffen möchte, wie es ihm am besten gefällt; gerade so sollen wir auf den Heiland sehen, wenn wir ganz selig und himmlisch vergnügt seyn wollen. Denn sobald man weiß, daß man will, was der Heiland will, daß man im Ganzen oder in dem und jenem Stücke eben so denkt, wie der Heiland nach unserm besten Ver­ muthen denken würde, wenn Er in unsern Umständen wäre, so ist man ein himmlisch seliger Mensch; so kann man einen Tag wie den andern heiter, licht und fröh­ lich seyn. 4. Noch habet ihr im Rampfe gegen die Sünde nicht bis aufs Lluc widerstanden. Es ist

Hebräer 12, 5.

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wahr, denkt ein Jünger, in der Welt geht es mir et» was kümmerlich; ich habe manches Vergnügen nicht, das andere Menschen haben. Aber was ists? Es ist doch kein Streit Christi. Was ist mein Kampf, den ich mit der Sünde, mit dem sündlichen Wesen um und neben mir in der Welt habe, mit der Sünde, die um mich herum ist, die mir den Weg vertritt; was will das sagen? Es geht nicht an den Hals. Wie man­ cher Märtyrer hat sein Leben gelassen; mir ist es noch nicht an das Leben gekommen; mit mir ist es noch nicht an das Gefängniß gekommen; noch nicht an den Ver­ lust all des Meinigen; ich habe noch, da ich mein Haupt hinlegen kann. 5. Und doch schon des Trostes vergessen, der zu euch als Rindern spricht: Mein Sohn! achte nicht gering die Züchtigung des -Herrn, und ver» zage nicht, wenn du von Ihm gestraft wirst. Man kann in keine bessern Hände kommen. Da zu David gesagt ward: Willst du Hunger, Pestilenz oder Krieg haben? so besann sich David gleich, was etwa unter diesen Züchtigungen diejenige wäre, da er mit dem Heilande allein, oder doch am meisten nur mit Ihm zu thun haben könnte; und die erwählte er. Ich will lieber, sprach er, in die Hand des Herrn fallen, und von Ihm selber geschlagen werden; Er mag mit mir machen, was Er will; ich traue keinem Menschen, Ihm aber traue ich. Er kann doch nicht vergessen, daß wir Kinder sind. Wer nur nicht verzagt, der kann alle Stunden und Augenblicke von allem was ihn quält, von allen Versuchungen uud Verdammungen frei oder getröstet und gestärkt werden. Daß den Verzagten kein Un­ recht geschieht, wenn sie verloren gehen, ist daraus sehr deutlich, weil man fast kein Beispiel hat, daß ein Mensch, der auf etwas erpicht ist, die Hoffnung dazu zu gelan­ gen nicht fahren läßt, bis ihm die Seele ausgeht, und hingegen an viel Tausenden sieht, daß sie sich über ihr 7#

ioo

Hebräer 12, 6. 7.

ewiges Wohl und Wehe gar zeitig zur Ruhe begeben, aus Mißtrauen, dem bösen schändlichen Laster entsagen zu können, und aus Verzagtheit und Zweifel an dem guten Willen desjenigen, der einfaltiglich gern giebt je­ dermann, und rückts niemand auf, dem eine Menschen­ seele zy. erlösen so sauer geworden und also so kostbar ist als die andere.

6. Denn, wen der -Herr lieb hat, den züch­ tiger Er;.Er züchtiget jeden Sohn, den Er auf­ nimmt, den Er gern hat. Der heilige Geist ist scharf; der Heiland macht manchmal Augen wie Feuerflammen. Die Welt läßt Er ihre Wege gehen, und seine Sonne aufgehen über sie, und erweist ihr lauter Gutes und Liebes. Wenn aber Kinder Gottes schlecht handeln, z. B. nicht vergeben wollen, einander beißen und fres­ sen, so nimmt Er es genau und läßt nichts hingehen. Im 4. Mos. 12. steht eine merkwürdige Geschichte: Miriam hatte mit ihrem Bruder Moses gezankt, und auch den Aaron dazu aufgeredet, so daß es em ärgerli­ cher Streit ward vor dem Volke. Das verdroß den lieben Gott so, daß Er die Miriam mit dem Aussätze schlug, da sie dann wie andere contagiöse Leute vor das Lager hinaus mußte, und keinem Menschen mehr nahe kommen durfte. Das schmerzte ihre zwei Brüder, Mo­ ses und Aaron; sie baten daher den lieben Gott, Er möchte sie heilen. „Nun ja, hieß es, ich will sie hei­ len, aber sie soll doch noch sieben Tage verschlossen blei­ ben; alle Leute müssen es wissen, was ihr gefehlt hat; sie soll ihre Strafe ausstehen, wie alle, die Kirchenzucht paffiren müssen; es soll der priesterlichen Matrone, der großen Prophetin auch nicht anders gehen. Sie muß sich doch schämen, daß sie cs so gemacht hat, daß ihr ihr Vater hat müssen ins Angesicht speien." Bernard sagt: Gott ist über den Menschen, den Er nicht straft, wenn er sündiger, sehr zornig.

7. wenn ihr nun die Züchtigung erduldet, die ja auch eine Gnade ist, so verfährt Gott mit

Hebräer 12, 8 —ro»

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euch, wie mir Rindern, denn wo ist ein Sohn, den der Vater nicht züchtiget? Denn der Vater will die Fehler an seinen Kindern nicht leiden; er kann nicht gleichgültig seyn, wenn sie unartig sind. Er will seine Kinder schön haben. 8. wenn ihr aber ohne Züchtigung bleibet, welcher alle Kinder Gottes theilhaftig geworden sind, die gottselig in Christo leben und nicht mit der Welt mitmachen wollen, so seyd ihr ja Bastarte und keine rechtmäßigen Rin­ der, die allein Erben sind. Ihr würdet der Züchtigung nicht mehr gewürdigt, weil sie nichts hilft, wenn ihr euch nicht wie Kinder der väterlichen Zucht unterwerfet. 9. Ferner, wir haben schon unsere leiblichen Väter zu Züchtigern gehabt, und hatten Ehr­ furcht, kindliche Scheu, vor ihnen, obwohl sie auch Gebrechen und Fehler hatten; sollten wir uns nicht vielmehr dem geistlichen Vater, der uns dem Geiste nach gezeuget hat, unterwerfen, wenn Er uns züchti­ get, damit wir leben? 10. Jene züchtigten uns wenige Tage, nur auf kurze Zeit, in den Kinderjah­ ren, und mehrentheils nur in Absicht auf das zeitliche Leben, für diese Welt, und nur nach ihrem Gut­ dünken, wie es ihnen gerade einfiel, oft nur aus Laune, Zorn und Verdruß, so daß sie selbst Zucht verdient hätten; dieser aber, der Vater im Himmel, züchtigt uns mit Weisheit und Liebe, wie es uns heilsam ist, zu unserm Besten, damit wir seine -Heiligung er­ langen, daß wir seiner Heiligkeit theilhaftig werden, weil Ihn niemand sehen kann ohne Heiligung. Er hat nie eine Freude an der Züchtigung. Wenn Er uns ohne die größte Unbilligkeit und ohne den Schein einer Vorneigung entschuldigen, uns eine Zucht oder ver­ hängte böse Tage erleichtern, versüßen oder gar davon erlösen kann, so ist das seine Freude und Vergnügen. Und wenn wir gezüchtiget werden muffen, weil wir es auf irgend eine Art verdient haben, so sieht Er es doch mit Mitleiden an und merkt es sich. Sagen die Feinde:

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Hebräer 12, 11 —13.

„ Sie haben es verdient," so spricht der Sohn: Ich habe für den Fehler auch gebüßt, und mit meinem voll­ kommenen Opfer auf eine Million Jahre Ablaß erwor­ ben. Da bedenkt der Vater Jesu Leiden und spricht: „Sie sind ja meine Kinder, das Eigenthum meines Sohnes, meines SchooßkindeS, seine Lust und Freude; soll man Ihm seine Freude noch so beschneiden?" 11. Jede Züchtigung aber scheint, wenn sie

da ist, so lange sie währt, und einem gerade schwer aufliegt, nicht Freude, sondern Traurigkeit zu seyn; man hängt den Kopf dabei; es macht eher weinen als lachen; aber in der Folge, wenn man sich in Gottes Wege schicken und dem Geheimnisse des Kreuzes recht ins Herz sehen lernt, bringt sie denen, die durch sie geübt werden, die sich haben üben lassen, eine friedsame Furcht der Gerechtigkeit, die die Seelen erquickt und ganz zufrieden stellt. Das liebe Kreuz ist gleich so gut, als die Ruthe Aarons, die in einer Nacht Früchte trug. Wenn erst Frucht in Geduld gebracht wird, so kommt es auch dazu, daß man Gott unter dem Leiden loben kann, indem man mit ganzem Herzen beistimmr und sagt: Ja, Herr! so ist es recht, wie du mit meinem alten Menschen verfährst! Du bist darin gerecht mit allen deinen heiligen Gerichten. So küßt man dem Vater die Ruthe und dankt Ihm dafür, als für eine Gnade, die den Ungläubigen nicht widerfährt. Daß ist dann jene friedsame Frucht, voll Freude, Friede und Gerechtigkeit. 42. Darum richtet wieder auf die lässigen -Hände und die müden Rniee, durch Glauben, Ver­ trauen, Ergebung, wie man ein verrenktes Glied wie­ der einrichtet. Durch Nebendinge, die neben eingeführt werden, läßt sich der Mensch leicht verrücken und aus dem Geleise bringen. 13. wandelt geraden Trittes mit euren Fü­ ßen einher, damit nicht jemand strauchle, und was lahm ist, austrete, ausgleike, oder gar verrenkt werde,

Hebräer 12, 14.

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damit nicht ein hinkender Zustand herauskomme, sott*

denn vielmehr das gelahmte geheilt und gesund werde, was hinkt und nicht gerade gehen kann. Unser Elend und Schwachheiten können uns nicht zurückhalten. Wer einmal bei Ihm ist, der hat nicht nöthig von Ihm zu weichen, und wenn was da ist, wo­ mit man sich nicht vor den erhöhten Schöpfer, vor die Majestät traut, so sagt mans eben dem gekreuzigten Heilande: Da hab ich was, das ich nicht vor deinen Thron bringen kann; hilf mir aus dem Elend, thue es weg, wasche es ab, und mache mich auserwählt. Kurz man bittet ihn um alle Kraft, die man nicht hat, die einem fehlt, und läßt sichs von Ihm schenken, damit man nicht strauchle, hinke und ausgleite. Er kann seine Erlösten wohl gerade gehen machen und fest auf die Beine stellen.

14. Strebet nach Frieden mit Jedermann und nach der Heiligung, ohne welche niemand den Herrn schauen wird; und ohne Frieden mit Je­ dermann kann man keine Beute für die Ewigkeit ma­ chen. Dazu hat man aber den Sinn Christi gegen seine Feinde und unordentlichen Freunde nöthig. Ehe man Gnade und Vergebung hat und mit Gott ausgesöhnt ist, ist es mit der Heiligung eben so viel, als ob man die Pferde hinter den Wagen spannt; wenn wir aber Gnade und Vergebung haben, können wir in der Heiligung, die eine Folge der Versöhnung ist, leicht fortschreiten, und uns vom Heilande ausbitten, daß Er uns alle Tage seinem heiligen Bilde ähnlicher werden, und uns in der Welt und unter einander so wandeln laste, als wenn wir Er waren. Im Suchen der Heiligkeit liegt, wenn man es auf sich selbst anfängt, etwas Aengstliches, Beschwerli­ ches und Gezwungenes; aber im Haben der Heiligkeit, nachdem man sie durch Vergebung der Sünden aus dem Verdienste Jesu erlangt hat, ist Friede und Freude im heiligen Geiste. Im Genusse der Heiligkeit ist Le-

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Hebräer rr, r§.

ben und Friede. Daher muß man sich zugleich selig und heilig machen lassen; denn je heiliger, desto seliger, und je seliger und vergnügter, desto heiliger. 15. Gehet zu, habet Acht, daß keiner sich mit Nebendingen aufhalte und das Beste, Gottes Gnade versäume, vernachläßige. Wenn wir die große Gnade, die uns gegeben ist, nicht zu Herzen nehmen, und schä­ tzen uns schlechter und unbegnadigter, als wir wirklich sind, so sind wir nur halbe Menschen; denn wir müs­ sen die Gnade in ihrer ganzen Größe und Ausbreitung anerkennen, und das Lamm dafür anbeten, sonst ver­ säumen wir sie. Das muß aber mit einer solchen Bett­ ler- und Armuths-Idee geschehen, daß wir immerfort aus Gnaden leben, nichts auf unsere Hörner nehmen, uns nichts zutrauen; sonst sind wir auf allen Ecken ge­ hindert. Der Heiland macht es ordentlich aus Liebe und Treue so gegen uns, daß, wenn wir etwas auf uns nehmen, und das Allergeringste von unserer Ge­ schicklichkeit in seine Sache mengen, so läß^Er uns mit der Blindheit schlagen; da läßt man die Flügel hängen, und kömmt zurück von der Einbildung. Wenn aber unser Können und Vermögen nichts vermag, nichts helfen kann, so pflegt Gott uns sein Vermögen, seine Kraft beizulegen. — Daß keine bittere Wurzel aufwachse und Unfrieden anrichre, und viele durch dieselbe ver­ unreiniget werden, wie 4. Mos. 16. O wie leicht geschieht es, daß eine Bitterkeit gegen Jemand im Ge­ müthe Wurzel faßt, aufwächst, und Zerrüttung, Spal­ tung und Trennung anrichtet. Das kann geschehen durch schädliche giftige Lehren, Beispiele, beleidigende Worte, Gebärden u. s. w. Die Wurzel der Bitterkeit, oder die Mißgunst, wenn etwas Gutes aufwächst, ist ein Unkraut, das sehr fruchtbar ist; denn es steckt gar leicht an. Wenn ei­ ner unzufrieden ist, so kann er viele mit anstecken. Es frißt um sich, wie der Krebs. Daher soll man lieber

Hebräer 12, 16—19.

105

die kleinsten Würzelchen abhauen, damit nur die Wur­ zel der Liebe erhalten werde.

16.

Daß nicht jemand ein Hurer oder ein

Gottloser/ Unheiliger, Ungeistlicher, ein ruchloser, leicht­ sinniger Verächter der Gnade Gottes sey, wie Esan,

der um eine Speise seine Erstgeburt verkaufte, welches alle diejenigen thun, die um einer thierischen Neigung und einer augenblicklichen Lust, Ehre oder Nutzens willen ihr göttliches Kind- und Erbschafts-Recht fahren lassen. Wenn der Mensch lüstern auf etwas fällt, so läuft er weg und läßt das Beste dagegen fah­ ren. So ein übler Händler ist der Mensch.

17. Ihr wisset, daß er hernach, als er den Segen ererben wollte, verworfen ward; denn er konnte, obwohl er es mit Thränen suchte, keine Aenderung des Sinnes bei seinem Vater Isaak be­ wirken, daß er es widerrufen oder zurückgenommen hätte, was er dem jünger» Bruder Jakob verheißen hatte. Durch sein Heulen wollte er erzwingen, daß der Vater seine Segens-Aussprüche über Jakob änderte und ihm den Segen mittheilte. Aber es half nicht; denn es waren keine Thränen der herzlichen Zerknirschung über die Beleidigung Gottes, sondern nur über den zeitlichen Verlust und das Recht der Erstgeburt; er weinte nicht aus Demuth und Reue, sondern aus Haß gegen seinen Bruder, aus Unwillen gegen Gott und seinen Vater. Die Reue des Verächters wird statt Buße zuletzt Verzweiflung, weil, er nicht mehr die Gnade des Glaubens zur Bekehrung finden kann.

18. Denn ihr seyd nicht gekommen zu einen» belastbaren Berge und brennenden Feuer und zu dem Sturme und zu der Finsterniß und dem Un­ gewitter. Ihr seyd geistlich, habt hohem Beruf und Verantwortung. Dem irdischen Berge Sinai, der so fürchterlich anzusehen war, 2. Mos. 19,12—16., ist der geistliche Berg Zion, Christus, entgegengesetzt. 19. Noch

zu dem Schalle der Posaunen und zu der Stimme

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Hebräer 12, 19.

jener Worte, welche weiter zu vernehmen sich Vie Zuhörer verbaten. Es ist nicht mehr um die­ selbe Zeit; ihr seyd nicht mehr Israeliten des alten, sondern des neuen Bundes. „Rede du mit uns, sprachen sie zu Mose, und laß Gott nicht mit uns reden." Das sind Worte der Israeliten, der Kinder des Vaters, der sagte: Ich habe Gott von Angesicht gesehen, und meine Seele ist ge­ nesen. 1. Mos. 32, 30. So kann man abkommen von der Herzensreligion, wenn die hausväterliche Tradition verloren geht. Wer hätte zur Zeit, da Gott von Abra­ ham sagte: Ich weiß, er wird befehlen seinen Kindern und Nachkommen re., 1. Mos. 18, 19., geglaubt, daß eine solche Nation, der Gott das Zeugniß gab, daß sie einen unbeugsamen Nacken habe, sich dem Joche ei­ nes Menschen lieber unterziehen wollte als Gott. Welch eine Entfremdung^ von Gott bei einem so auserwählten Volke! — Jsts denn aber setzt anders beim großen Haufen des auserwählten Christen-Volkes? Auch fleht man- hieraus, daß der äußere, förmliche Gottesdienst nicht von oben herunter, nicht von der Obrigkeit, als ein Zaum der Völker eingeführt, sondern vom Volk hergekommen ist. Das Volk nöthigte seine Obern zwischen Gott und sie zu treten, wie auch Jether sagte, 2. Mos. 18,19. Dieses Vertrauen zu Menschen kommt nicht eigentlich aus Unglauben, sondern aus Mißtrauen gegen sich selbst, und aus der Vorstellung, daß nichts vor Gott kommen darf, als heilige und ge­ weihte Menschen und Sachen. Man will dem heilig­ sten Wesen nicht zu nahe kommen, und doch nicht ganz und nicht zu weit entfernt bleiben, darum will man durch Mittler handeln, sinds nicht sichtbare, so müssens unsichtbare werden. Daher die Fürbitte der Heiligen. Man will wohl mit Gott zu thun haben, aber nur von weitem, mit einer gewissen Schüchternheit, schreck­ haften Ehrfurcht, daran das Herz keinen Theil nimmt und Gott fremd bleibt. Man will nicht ganz außer

Hebräer 12, 20 — 23,

107

Verbindung mir ihm seyn, damit er den Brodkorb nicht entziehe; aber daß die eigene Person und das Herz mit Ihm zu thun haben solle, ist den Leuten unbegreiflich. Mensch und Gott sind ihnen zu weit auseinander. Die Christen aller Gesinnungen sind darin ziemlich eins, daß nur eine gewisse Art Menschen an unserer Statt mit Gott zu thun habe, die man deswegen Geistliche nennt, die andern müssen sich mit dem Irdischen plagen, und deswegen mit geistlichen Dingen überhoben werden. Das ist aber ganz gegen den Sinn des Herrn, der mit al­ len Menschen zu thun haben will. Alle Seelen sind sein, Person für Person. Des Vaters Seele ist so­ wohl mein, als des Sohnes Seele. 20. Denn unerträglich war ihnen der Aus­ spruch.- „Wenn auch ein Thier den Berg berührt, so soll es gesteinigt oder mit einem Geschoß er­ schossen werden." Diesem ganz entgegen sagt Je­ sus: Kommt alle zu mir; und wer zu mir kommt, den

will ich nicht herausstoßen, nicht wegweisen. 21. Ja so furchtbar war die Erscheinung, daß selbst Mo­ ses sprach: „Ich zittere und bebe." Unter so fürch­ terlichen Umständen, mit solchen schrecklichen Drohungen ist das Gesetz gegeben worden. Nun, von dem allem seyd ihr beim Evangelium verschont; dahin, zu dem Berge Sinai, wo niemand hinkommen konnte, wo es rauchte, blitzte und donnerte, und wo Gott das Gesetz mit Gewalt hineinschlug in die Leute, wollen wir euch nicht hinführen; das war die Haushaltung des Alten Testaments, und keineswegs die des Neuen Bundes. 22. Sondern ihr seyd durch den Glauben an Christum gekommen zu dem Berge Sion, zu der Stadt des lebendigen Gottes, zu dem himmli­ schen Jerusalem, zu der Menge vieler tausend Engel, in ihre Gemeinschaft, das heißt: 23. zu der Gemeine der Erstgebornen, die im -Himmel an­ geschrieben stnd als Bürger und Erben, ihr habt durch Christum den Zutritt erlangt zu Gott, dem Richter

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Hebräer 12, 24.

aller, «nd zn den Geistern der vollendeten Ge­ rechten, ihr stehet in Gemeinschaft mit den Heiligen im Himmel; 24. zu Jesu, dem Mittler des Neuen Bundes, und zu der Besprengung mit seinem Blute, das um etwas Besseres ruft, als das Bluc Abels; denn dieses schreit um Rache, Christi Blut aber um Barmherzigkeit. Wenn ihr an das Blut denket, wenn ihr eure Augen auf dieses Opfer- und Versöh­ nungs-Blut richtet, so seyd ihr hingenommen, so be­ grabet ihr alles, was nicht Jesushaft ist; und was Er gerne sieht, das ist euer Leben; was Ihm mißfallt, das ist euer Tod. Darum ist bei der Gnade des Neuen Testaments «nd bei der Gemeinschaft mit Jesu der eigentliche Punkt Der: Bist du zu Jesu gekommen? Hast du deinen Herrn Jesus in deinem Herzen? Lebt Er in dir? Kennst du Ihn? Hast du Vergebung gesucht und gefunden in seinem Blute? Wenn das seine Richtigkeit hat, dann haben wir ein ganzes Buch mit so viel Millionen Zei­ len, als zur vollkommenen Heiligkeit erfordert wird im Herzen; da fehlt nicht ein Jota, nicht ein Strichelchen am Ganzen. Was Gott im Alten Testamente mit dem Gesetze that, das geschieht vielmehr im Neuen Testamente mit dem Evangelium. Denn anstatt daß vordem das Ge­ setz mit Gewalt an die Herzen pochte, so haben wir jetzt die sanft durchdringende Blütes-Kraft Christi, die die Herzen so weich macht, daß ihre Härtigkeit schmelzt, als wenn sie in der Glut standen. Wer sich nicht bekehrt durch Den Glauben an sei­ nes Schöpfers Leiden und Sterben, wem die Sünde nicht dadurch ein Greuel wird, daß sie seinem Heilande Angstschweiß und Blut auspreßte, und Ihn bis in den Tod betrübte, der sollte blos dafür in die Hölle kom­ men, daß er mit Vorbeigehung und Verachtung des Leidens Jesu sich gleichwohl durch Gesetz, Strafen und Drohungen bedeuten und belehren lassen kann. Das

Hebräer 12, 25.

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war wohl gut, so lange man noch nicht wusste; daß der einzige Gesetzgeber, der verdammen und selig machen lann, ein Menschenkind werden, in armer Gestalt ein­ hergehen und sich kreuzigen lassen würde. Aber seitdem das Wort vom Kreuze bekannt ist, das die Seelen durchbohrt, so ist es ganz anders. Das Wort, sagt Paulus, das mir predigen, ist mächtig, kräftig und schär­ fer, als ein zweischneidend Schwert rc. Da die, zu welchen Paulus etliche dreißig Jahre nach dem Tode Jesu sagt: Ihr seyd gekommen zur Be­ sprengung mit dem Blute Jesu; da die der PassionsZeit nicht so nahe waren, daß das Blut Jesu auf sie spritzen konnte, und sie doch mit dem Blute Jesu be­ sprengt waren, so sind auch wir nicht zu weit davon, sondern dasselbe Blut, das zu derselben Zeit in aller Welt alle Gläubigen besprengen mußte, das besprengt noch. Soll uns wohl seyn, so muß Blut gesprengt werden auf unsere Herzen, Blut auf unsere Hände und Füße und alle Glieder, Blut auf unsere Geschäfte. Wenn nun die Seelen von dieser Besprengung ei­ nen Begriff bekommen, so zeigt es sich, daß die leben­ dige Gewißheit von dem Tode Jesu, der GlaubensBlick auf die Blut-Taufe Jesu eine solche Wirkung auf das menschliche Herz hat, daß es einen aus seinem vorigen, kalten, gefühllosen Zustand verseht, daß es den Grund und Boden des Herzens umkehrt, den kein Ge­ setz, kein Leiden, keine Trübsal, keine Noth, Plage, An­ fechtung, die man Kreuz nennt, umwerfen konnten. Das Blut Jesu nimmt alles weg und versetzt die Seele in ihr seliges Element.

25. Geher zu, daß ihr den (Gott, Christum) nicht verschmähet, dem keine abschlägige Antwort ge­ bet, der durch sein Wort und seinen Geist inwendig zu euch redet; denn wenn jene der Strafe nicht entgingen, die den Moses verschmähten, der auf Erden redete, wie viel weniger wir, wenn wir

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Hebräer 12/ 26—28.

uns von dem abwenden, der zu uns vom -Him­ mel herabredec? Wen der Heiland ruft und einladet, wen Er bitten läßt, wenn es seine ewige Treue fügt, daß ein Mensch gerade einen andern Gang geht, als er gehen wollte, und beim Hereintreten zur Thüre hört: „Kommet zu mir! lasset euch versöhnen mit Gott!" einem solchen tritt Er bei dieser Gelegenheit selbst vors Herz, redet zu ihm und sagt ihm, daß Er ihn erlöset habe von allen seinen Sünden mit seinem eigenen theu­ ren Blute, daß er Ihm angchöre, und sein eigen seyn soll. Das ist gewiß seine Gnaden-Stunde; da muß er nicht verschmähen den, der vom Himmel redet durch sein Evangelium. Gnade macht verantwortlicher als Gesetz. Hier ist mehr als Moses. Oft läßt man sein Wort so neben vorbeigehen und denkt: Das kann ich alle Tage hören! David aber sagt: „Ich will hören, was der Herr in mir redet. Er redet Friede zu seinem Volke." 26. Seine Stimme erschütterte schon damals, als das Gesetz gegeben ward auf Sinai, die Erde, daß sie b-bte; nun aber verheißt Er wieder und spricht (Hagg. 2, 7.): Noch einmal will ich er­ schüttern, nicht allein die Erde, sondern auch den -Himmel. 27. Dies „noch einmal" deutet auf eine Veränderung des Erschütterlichen, als eines Din­ ges, welches dazu gemacht ist, damit das Uner­ schütterliche bleibe. Wenn das Alte Testament, die

Haushaltung Moses, hätte bleiben können, so wäre kein Neues verheißen worden. Was äußerlich und Schat­ ten ist, das muß vergehen, und muß dem Innerlichen, dem Wesen Platz machen. Nicht nur die alte Hütte Moses, das Zeremonial-Gesetz, selbst Himmel und Erde wird und muß vergehen, und Christus und sein Reich wird und muß ewig bestehen. 28. Da wir also ein unerschütterliches Reich empfangen haben, den Neuen Bund, der ein ewiger Gnaden-Bund ist, so lasset uns festhalren an der

Hebräer 12, 29. iz, i—-z.

III

Gnade/ wodurch wir Gott mir Ehrerbietung und Furcht auf eine wohlgefällige weife dienen können. Die Furcht, Ihn zu beleidigen und zu betrüben, darf immer bleiben bei aller Liebe zu Ihm; sie muß aber doch voll Hoffnung und Vertrauen seyn auf die Hülfe und Gnade in Jesu Christo. 29. Denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer den Ungläubigen und Ungehorsamen, den Widerspänstigen und Verstockten. Er ist und bleibt aber doch die Liebe. Wo Licht ist, da ist auch Feuer. Den Seinigen aber ist Er, wie das Feuer des Goldschmie­ des. Malach. 3, 2.

Das xni. Kapitel. 1. Die brüderliche Liebe bleibe in euch. Denn wo die Liebe bleibt, da bleibt Gott; wo sie weicht, da weicht Gott. 2. Vergesset nicht, gastfrei zu seyn; dadurch haben erliche, ohne es zu wissen, Engel beherberget, wie Abraham und Loth. Die ersten Christen sind dieser apostolischen Ermah­ nung fleißig nachgekommen. Denen zu Antiochia wird vom Chrysostomus nachgerühmt, daß sie täglich bei drei­ tausend Jungfrauen, Wittwen, Kranke, Fremdlinge u. dergl. kleideten, speisten und versorgten. 3. Gedenket der Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen, der Leidenden, als die ihr auch noch im Leibe, in Leiden, in Gefahr lebet, und den­ ket, daß die Reihe auch noch an euch kommen kann. Gedenket mit Mitleiden (Kap. 10, 37.) und im Ge­ bete (Apostelg. 12, 5.) an die, die um Christi willen Bande und Gefängniß leiden, als Mitgebundene, die es gleichsam selbst mitfühlen, so, daß ihr euch als Mit-

Hebräer 12, 29. iz, i—-z.

III

Gnade/ wodurch wir Gott mir Ehrerbietung und Furcht auf eine wohlgefällige weife dienen können. Die Furcht, Ihn zu beleidigen und zu betrüben, darf immer bleiben bei aller Liebe zu Ihm; sie muß aber doch voll Hoffnung und Vertrauen seyn auf die Hülfe und Gnade in Jesu Christo. 29. Denn unser Gott ist ein verzehrendes Feuer den Ungläubigen und Ungehorsamen, den Widerspänstigen und Verstockten. Er ist und bleibt aber doch die Liebe. Wo Licht ist, da ist auch Feuer. Den Seinigen aber ist Er, wie das Feuer des Goldschmie­ des. Malach. 3, 2.

Das xni. Kapitel. 1. Die brüderliche Liebe bleibe in euch. Denn wo die Liebe bleibt, da bleibt Gott; wo sie weicht, da weicht Gott. 2. Vergesset nicht, gastfrei zu seyn; dadurch haben erliche, ohne es zu wissen, Engel beherberget, wie Abraham und Loth. Die ersten Christen sind dieser apostolischen Ermah­ nung fleißig nachgekommen. Denen zu Antiochia wird vom Chrysostomus nachgerühmt, daß sie täglich bei drei­ tausend Jungfrauen, Wittwen, Kranke, Fremdlinge u. dergl. kleideten, speisten und versorgten. 3. Gedenket der Gefangenen, als wäret ihr mitgefangen, der Leidenden, als die ihr auch noch im Leibe, in Leiden, in Gefahr lebet, und den­ ket, daß die Reihe auch noch an euch kommen kann. Gedenket mit Mitleiden (Kap. 10, 37.) und im Ge­ bete (Apostelg. 12, 5.) an die, die um Christi willen Bande und Gefängniß leiden, als Mitgebundene, die es gleichsam selbst mitfühlen, so, daß ihr euch als Mit-

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Hebräer iz, 4.

glieder und so theilnehmcnd derselben annehmet, alwahrhaft mitleidende, die gemeine Sache haben. 4. Die Ehe werde von allen in Ehren (ehr­ würdig) gehalten und das Ehebett unbefleckt; denn die -Hurer und Ehebrecher wird Gott richten. Es ist eine gewisse Meinung, als wenn Eheleute mehr Frei­ heit hatten, ihrem Fleische die Zügel zu lassen, als le­ dige Leute. Es ist aber wider die Natur der Sache, wider die Erfahrung und wider die Wege Gottes. Adam muß zuvor wohl todt seyn, ehe man in den Ehestand treten will. Haltet ihr dafür, daß ihr der Sünde ge­ storben seyd? ist auch eine Vorbereitungs-Frage zum Ehestände; und wenn man darauf Ja sagen kann, so heißt es: So lebet Gott in Christo Jesu! Wenn man in der» Ehestand kommt, und bringt einen Leib mit hin­ ein, der em Tempel des heiligen Geistes ist, der in uns ist, den wir haben von Gott (denn wir sind nicht un­ ser felbjl, sondern theuer erkauft), so preisen wir Gott an unserm Leibe und an unserm Geiste, denn sie sind Gottes. 1. Kor. 6,19. Er, der sich seine Gemeine mit Blut erworben hat, und will, daß die Eheleute sein und seiiner Gemeine Bild vorstellen sollen, hat das zur Pflicht auf sich, daß Er die Eheleute durch seinen hei­ ligen Geist reinigen lasse; darum geht man gerade zu Ihm; man ruft Ihn an in diesem Theile, daß Er uns ganz durch und durch heiligen wolle. Auch für Ehe­ leute gilt es: Was ihr immer thut mit Worten oder mit Werken, das thut alles im Namen Jesu, und dan­ ket Gatt dem Vater dabei. Kol. 3,17. Die geringste wie die größte Sache in der Ehe geschehe zur Ehre Christi, und gehöre unter die Klaffe, wo ibr, obwohl arm und schwach. Ihm Dankopfer bringet. Dann heißt eß: Darum sind eure Kinder heilig aus Gnaden. Wenn Eheleute selig und heilig an Leib und Seele seyn wollen, so müssen sie den Heiland um diese Gnade bitten, daß Er ihre Seele keusch mache zum Liebhaben; nicht einander aus de»n Wege zu gehen, sich vor einander zu

Hebräer 13, 5—7.

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zu hüten und in Acht zu nehmen, welches zwar, wenn gewisse Gnaden nicht da sind, doch manchmal sehr nötbig und nützlich, aber allemal sehr beschwerlich ist» Die Absicht des Heilands ist, das; man Ihn auch in der Ehesache nahe fühle, in seiner Nähe liebe, Ihm gemeinschaftlich arbeite, schlafe und wache re. So kann man seinen Ehestand ehrerbietig, gottesfürchtig und er­ baulich halten. Es kann einer in der Ehe leben, kopulirt seyn, und doch seine Ehe als ein Hurer führen. Die mit ihrer Schande hierin verborgen bleiben, die wird Gott richten. Und dies mag wohl manchmal im Verborge­ nen ausgeführt werden, so daß man nicht weiß, woher es kommt; weil man glaubt, die stummen und gehei­ men Sünden sehe und richte der Allmächtige nicht. 5. Euer Wandel sey ohne Geiz; da möchte man denken: Das ist bald gesagt, aber wie kann ich die Versuchung überwinden? Antwort: Es steht eia kurzes Mittel gleich dabei, und das heißt: Begnüget euch mit dem, was Ihr habet; denn Er har ge­ sagt: Ich will dich nicht verlassen; ich will dich nicht versäumen. Ich will dich niemals in der Noth stecken lassen, sondern zu rechter Zeit mit der Hülfe er­ scheinen. 2. Kor. 4, 9. Es ist jedesmal so viel da, daß man zufrieden seyn kann, wenn man sich nur ge­ nügen läßt. Wenn schon ein Christ nicht immer voll­ auf hat, und alle Tage herrlich leben kann, wie die Natur es gerne sähe, so hat doch Gott die Anstalt ge­ macht, daß die ©einigen, die Ihm vertrauen, ohne Sorge leben können. Weil nun Gott das selbst sagt und verheißt, 6. so können wir getrost sagen: Mein Helfer ist der Herr; ich fürchte nichts, was kann mir ein Mensch thun? gegen Seinen Willen? Mit Seinem Willen aber mag. geschehen, was da wolle. 7. Denket an eure Vorsteher, Lehrer, welche euch das wort Gottes verkündiget haben; sehet zurücke auf den Ausgang ihres Wandels; folger CrbauunaSbuch vin. ttell 8

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Hebräer 13, 8. 9«

ihrem Glauben nach.

Mit Dank und Hochachtung muß ein Schüler, ein Zuhörer, ein Erweckter immer sei­ nes Lehrers, geistlichen Führers gedenken, wenn der er­ langte Segen nicht verloren gehen soll. Wenn aber die Lehrer selbst sagen müssen: Thuet nach unsern Wor­ ten, nicht nach unsern Werken! dann steht es schlecht. Weh einem Lande, einer Stadt, einer Gemeine, die mit solchen Lichtern und Führern begabt ist, da ein Blin­ der den andern führt! 8. Jesus Christus ist gestern und heute und in Ewigkeit eben derselbe. Ach ja Herr! du bist noch heute im Jahre 1830 gerade so gütig, freundlich, reich an Gnade und Erbarmen, als du im Jahre 30, 40, 50 gegen die Apostel warst und ewiglich bist und seyn wirst. Was man immer von unserm Herrn Jesus Chri­ stus sagt und erzählt, daß Er war und gewesen ist, das ist Er noch, und wird es in Ewigkeit seyn. Bei Ihm ist das „Er war" nicht in dem Sinne zu neh­ men, als wenn Er nicht mehr wäre. Er ist heute und wird in Ewigkeit dieselbe Erz-Barmherzigkeit seyn, die Er gewesen ist. 9. Lasset euch nicht von mancherlei fremden Lehren umtreiben, die einen Schein der Weisheit und Wahrheit haben. Diese Warnung ist besonders auf Akademien nöthig, wo ein beständiger Jahrmarkt ist, und jeder etwas Neues feil bietet und eine Rarität haben will. Das Röstlichste ist, daß das Herz fest (oder auch satt) werde durch Gnade, nicht durch Speisen, wovon die, welche damit umgehen, da­ mit Gott dienen, keinen Nurzen haben. Von allen Menschen-Lehren und Formen weist uns der Apostel ab, und zu dem goldenen Grunde der lautern Gnade, die allein das Herz fest machen, und alle die unzähligen Skrupel und Einwendungen der Vernunft, des Teufels und der Welt in der Seele stillen kann. Die Hebräer setzten die Hauptsache in den Unter-

Hebräer 13, io.

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schied der Speisen, in Enthaltung von gewissen Spei­ sen, in mancherlei äußere Uebungen, und suchten ihre Ruhe darin. Das nüht und taugt nichts, sagt Pau­ lus; trachtet vielmehr nach Gnade; in der allein kön­ net ihr Ruhe und Sättigung finden. 10. Wir haben einen Altar, das Sakrament des Altars, den Leib und das Blut des Herrn, wo­ von diejenigen nicht essen dürfen, die der Stifts­ hütte dienen, die an den jüdischen Zeremonien noch hangen, besonders Priester, die sich rühmten, Speise vom Altare zu essen. Jes. 56, 7. steht von einem ka­ tholischen (allgemeinen) Altare für alle Völker. Pf. 84. wird auch von einem neuen Altare gesungen. Und der ist unser Gemüth; das ist aufgerichtet zu dem wahren Altare, wovon die keinen Genuß haben, die den levitischen, alttestamentischen Zeremonien anhangen; die der alten Hütte des gesetzlichen Gottesdienstes pflegen, und in menschlichen Satzungen und Gebräuchen ihre Selig­ keit suchen. Wir müssen wissen, daß Gott nun eine vollkommene Hütte aufgerichtet hat. Kap. 9,11. Darum sollen wir nicht mehr nach Schatten greifen. Hier darf auch bemerkt werden, daß die ersten Christen die Dinge, die wir Sakramente nennen, sehr wichtig und vorsichtig behandelten, besonders das Sa­ krament des Altars, des Leibes und Blutes Christi, de­ nen verbargen, die noch keine Einsicht in die Sache hatten. Sie durften das Evangelium mit anhören, dem Gesänge und Gebete beiwohnen, weil sie doch Leute waren, die ihr Heil suchten; aber wenn das Abendmahl gehalten wurde, durften sie nicht einmal zusehen. Da das Christenthum noch verfolgt wurde, kamen sie in Höhlen und Kellern zusammen, daß niemand entdecken konnte, wie sie das heilige Abendmahl hielten. Nachdem aber das Christenthum von der Obrigkeit ge­ duldet und überall ausgebreitet war, hielten sie das Abendmahl zwar öffentlich, aber doch mit der Ausnahme, daß die, welche man nicht für tüchtig hielt, nichts da8*

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Hebräer 13, 11 —13.

von erfuhren. Die heilige Handlung selbst hat daher den Namen „Messe" empfangen, weil man mit einem gleichlautenden Worte: ite, Missa est! diejenigen ent­ ließ, die nicht beiwohnen durften. Die Heiden kamen auf wunderliche Gedanken, was doch die Christen da machen müßten. Es war aber eine große Treue und Weisheit; man wollte bei den Leuten, die entweder noch todt am Geiste waren, oder doch keine Einsicht in die göttlichen Geheimnisse hatten, Anstoß und Aergerniß verhüten. Sie sollten nicht erschreckt werden, wenn sie hörten, daß man das Fleisch des Menschen »Sohnes essen und sein Blut trinken müsse. 11. Denn das Blut der Thiere wird vom -Hohenpriester in das Allerheiligste getragen für die Sünden; die Rörper aber werden außer dem Lager verbrannt. Diese Vorbilder des Leibes und Blutes Christi durften nicht genossen werden, also durf­ ten auch die Priester von einem solchen Sündopfer, das für sie selbst gebracht worden, nicht essen. Will man an den Verdiensten und an dem Geiste Jesu Theil ha­ ben, so muß man nicht bei dem Buchstaben des Ge­ setzes und den gesetzlichen Opfern stehen bleiben. 12. Darum hak auch Jesus, um durch sein Blut das Volk, das ganze menschliche Geschlecht zu heiligen, außer dem Thor gelitten, als ein Aus­ würfling und Uebelthäter, der nicht werth wäre, unter der menschlichen Gesellschaft zu bleiben. Durch diese schmähliche Absonderung und Verwerfung unsers Bürgen sind wir verdammte und verworfene Sünder ver­ söhnt und qeheiliget worden. 13. So lasser uns nun zu Ihm hinausgehen außer dem Lager, der Welt und des Judenthums, und seine Schmach tragen. Hinaus aus dem Lager der Menschen-Furcht oder Menschen - Gefälligkeit, der Ehr­ sucht und Heuchelei! Hinaus aus dem Lager der Ei­ genliebe und Selbstsucht, wo man Christum nicht fin­ den wird! Hinaus von aller verderblichen Gesellschaft

Hebräer 13, 14. 15.

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und ungeistlichen Gewalt! Hinaus vor das Thor der abtrünnigen Stadt, wo die Sünde herrscht, aus dem verkehrten Sodom! Hinaus aus der Gemeinschaft mit solchen klugen Christen, die sich bereden, man könnezu Jerusalem tanzen, springen, Komödien spielen und be­ suchen, faules Geschwätz treiben, und dennoch Jesu Kreuz tragen! Hinaus aus der verdorbenen Christenheit, die sich mit fleischlichem und weltlichem, äußerlich ceremonialischem Gottesdienste beruhiget, wahrend sie des Sa­ tans und der Sünde Knecht ist! Hinaus aus dem Lager der politischen Religion, da man Gott also dient, daß cs den Satan nicht verdrießt! Hinaus! cs erfolge Schmach, Sport und Hohn, und was da wolle! Hin­ aus, Jesu nach, bis zum Galgen und Tode! Man kann auf keinem andern Wege mit Jesu Gemeinschaft haben, als daß wir seine Schmach tragen! Wer nicht gerne mit Christo von der Welt verschmäht seyn will, und es nicht für Ehre und Gnade hält, um Christi willen Schmach zu leiden, der ist, sagt Christus, mei­ ner nicht werth.

14. Denn wir haben hier keine bleibende Stätte, sondern wir suchen die zukünftige, durch ein immerwährendes Sehnen und Ausstrecken nach dem, was droben ist. Bekümmerst du dich nicht um eine Stätte, wo du, wenn du von hier Abschied nehmen mußt, ewig bleiben kannst, so handelst du wie der Narr. Luk. 12, 20. Willst du weise seyn, so denke bei al­ lem, was dich fesseln will: weg! weg davon! Mein Bleiben ist ohnehin nicht auf Erden!

15. Durch Ihn, den Mittler, der sich für uns Gott geopfert hat, und durch seinen Geist, lasset uns also Gort stets Dank- und Lobopfer bringen, das ist die Frucht der Lippen, welche fernen Namen preisen. Frucht der Lippen, nicht Lippenwerk und Lip­ pendienst. Die Lippen werden nicht ausgeschlossen, sie müssen auch zum Gottesdienste helfen, aber nicht alles

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Hebräer 13, 16. 17.

allein seyn und thun; sonst heißt es: „Vergeblich ehret mich dieses Volk rc." Lob- und Dankopfer will der Herr jetzt von uns, nicht Gündopfer; dieses bedürfen wir nicht mehr, da es Christus ein für allemal gebracht hat. Aber Glaube daran, und Lob und Dank dafür sagen gebührt uns. Das schönste Lobopfer ist die Frucht solcher Lip­ pen, die theils mit Liebe, theils mit Standhaftigkeit Christi Namen preisen und ohne Scheu und Menschen­ furcht bekennen durch Wort und That. 16. wohlzurhun und mirzurheilen vergesset nicht, denn solche Opfer gefallen Gott wohl; das sind die rechten Neutesiamentischen Opfer. Wohl­ thun ist nicht genug; es muß, wie der Heiland sagt, darum geschehen, weil man Jemand für ein Kind Got­ tes, für einen Propheten hält, Matth. 10, 41., oder weil man Ihm angehört. Mark. 9, 41. Das leicht­ sinnige Gutes thun, da man sich eines Kindes Gottes annimmt, wie man sich einer hungrigen Katze auch an­ genommen hatte, kommt nicht in Rechnung. Der reiche Mann hat den armen Lazarus zu seinem Hausarmen gehabt; denn die Hunde, die sonst die Bettelleute ver­ folgen, leckten ihm seine Geschwüre; so bekannt war er im Hause. Aber das hat dem Reichen nichts geholfen; denn es ist mit der gewöhnlichen Verächtlichkeit gesche­ hen, wie man einem Hunde ein Stück Brod zuwirft; es war keine Liebe dabei. Freundschaft, Zärtlichkeit, innige, herzliche Liebe giebt viel mehr aus, als die reich­ sten Gaben, bei denen das Herz nichts fühlt. 17. Gehorchet euren Lehrern, Vorstehern, Füh­ rern, und folger ihnen; denn sie wachen über eure Seelen, und müssen davon einst Rechenschaft ge­ ben. Ei, so machet doch und bezeiget euch so gegen sie und ihre Ermahnungen, daß sie dies mir Freu­ den thun, und nicht mir Seufzen über eure Wi­ derspenstigkeit; denn das würde euch keinen Nutzen und Segen bringen; ihr Seufzen, wenn sie sehen,

Hebräer rz, 18 — 21.

IIP

sie nichts ausn'chten, daß man ihr Bitten,'Warnen Ermahnen verachtet, ihr Seufzen darüber schreiet Höchsten, daß Er darein sieht, und dem Ungehor­ ein Ende macht. 18. Beter für uns, denn wir sind zwar voll Zuversicht, weil wir ein gutes Gewissen haben, und uns befleißen, in allem recht zu wandeln. Dessen ungeachtet wollen wir aber doch mit euch durch den Geist des Gebetes und der brüderlichen Fürbitte in Gemeinschaft stehen. 19. Ich bitte euch aber den­ noch, um so mehr dieses zu thun, damit ich euch recht bald wieder geschenkt werde. Also kann man durch Nachlässigkeit im Gebete verhindern, daß etwas nicht so bald geschieht. 20. Er aber der Gorc des Friedens, der den großen Hirten der Schafe (Joh. 10.) durch das Blut des ewigen Bundes, unfern 'Herrn Jesus Christus von den Todten erwecket har. Er hat ihn ausgeführt aus den Banden des Todes, zum Be­ weise, daß er mit seiner Genugthuung zufrieden sey, nachdem er durch sein Blut den neuen und ewig gül­ tigen Bund befestiget hat. - Durch sein Blut hat Er sich den Ehrentitel des großen Hirten erworben, der so groß ist, daß Er der Jehova selbst genannt wird und auch ist. 21. Er mache euch zu jedem guten werke tüchtig, Er wirke alles Gute durch seine Kraft in euch, damit ihr seinen willen erfüllet. Er wirke in ' euch, was Ihm wohlgefällig ist, durch Jesus Christus, welchem sey Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit Amen. Zu allem und jedem guten Werke, was nur vorkom­ men mag, muß man sich tüchtig machen lassen von dem, der da sagt: Ohne mich könnet ihr nichts thun. Man muß aber thun, was Er will; das gefällt Ihm auch; denn Er kann nichts wollen, als was Ihm gefällt; und nichts anderes kann Ihm gefallen, als was Er will. daß und zum sam

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Hebräer 13, 22—25.

22. Ich bitte euch aber, Brüder l nehmet das Wort der Ermahnung gut auf; vertraget die mündlichen Ermahnungen eurer Lehrer, höret sie gedul­ dig an, oder nehmet ohne Widerwillen diese wenigen und geringen Lehren an; denn ich habe euch kurz geschrieben. Man muß ja freilich noch dazu bitten, obwohl die Sache so ist, daß einen die Menschen darum bitten sollten.

23. Wisset, daß unser Bruder Timotheus ent­ lassen ist. Wo er gefangen war oder verreiset, ist nicht angezeigt. Mit ihm werde ich euch sehen, wenn er bald kommt. 24. Grüßet alle eure Vorsteher und alle-Hei­ ligen. Es grüßen euch alle Brüder aus Italien. Da6 Grüßen ist zwar auch nur eine Gewohnheit der Welt, aber der Christ kann es doch zur Ehre Got­ tes gebrauchen; es kann zum Frieden und Wachsthum der Kirche dienen, es kann Einigkeit und Liebe beför­ dern. Es hört auf weltlich und Gewohnheitssache zu seyn, wenn Gott der Zweck, Liebe der Beweggrund ist.

25. Die Gnade sey mir euch allen'. Amen. Die Gnade wünscht er allen ohne Unterschied, weil sie alle brauchen, und ohne Gnade keiner bestehen, keiner selig werden kann. Die Welt wünscht Gesund­ heit, Glück rc. Gnade aber ist des Christen Gesund­ heit, Leben und Glück und alles. Amen.

Brief des Apostels Jakobus Vorrede. Sinter den Aposteln waren zwei, die Jakobus hießen 5 einer war ein Sohn de- IebedäuS und Bruder des Johannes, der Jakobus der ältere genannt wird; der andere war ein Sohn.deS Alphäus (oder Kleophas, eigentlich Klopas); seine Mutter hieß Maria und war eine Schwester der Mutter Jesu. Dieser wurde Jakobus der jüngere, auch ein Bruder des Herrn genannt, weil er Geschwisterkind mit Ihm war. Welcher ist nun der Verfasser dieses Buches? Jakobus der ältere kann es nicht wohl seyn, weil er schon im I. Christi 44 enthauptet und der Brief wahrscheinlich viel später geschrieben wurde. ES muß also viel wahrscheinlicher JakobuS der jüngere, der Bruder oder Ver­ wandte des Herrn seyn, der diesen Brief geschrieben hat Das Jahr, in welchem er ihn schrieb, läßt sich nicht bestimmen. AuS dem Briefe selbst scheint zu erhellen, daß derselbe erst nach den Briefen Pauli an die Römer und Galater geschrieben worden sey, um dem Mißbrauche entgegen zu arbeiten, welcher von der in Pauli Brie­ fen enthaltenen Lehre von der Rechtfertigung gemacht wurde. Später kann er aber unmöglich geschrieben worden seyn, al- im I. Christi 62; denn in diesem Jahre ward Jakobus zu Jerusalem, wo er Vorsteher der Gemeine war, auf Befehl de- Hohenpriesters Ana­ mas gesteiniget. Der Hauptzweck des Briefe- war, die aus den zwölf Stämmen beS jüdischen Volkes bekehrten Christen, die außer Judäa in andern Ländern zerstreut waren, in ihren Verfolgungen zu stärken und vor Irrthümern zu verwahren; besonders über ihnen zu beweisen, daß der bloße historische Glaube nicht hinreiche, sondern daß man seinen Glau­ ben durch Werke beweisen müsse. Vermuthlich haben viele die Lehre Pauli: Daß der Mensch durch den Glauben ohne die Werke des Gesetze- gerecht werde, so erklärt, als wenn des­ wegen die guten Werke in Gott gethan nicht nöthig, und die Sünde etwas Gleichgültiges wäre. Diele meinen, JakobuS widerspreche dem Paulus (z. B. Röm. 3, 28. verglichen mit Jakob. 2, 24.); allein daS ist irrig. Paulus lehrt so gut, als Jakobus, daß der Glaube nicht todt, sondern in Liebe thätig seyn müsse; und überall dringt er auf einen christlichen Wan­ del und auf Werke und Früchte der Gerechtigkeit. Nr;r müssen diese nicht GesetzeS-Werke, sondern Glaubens-Früchte seyn; also dem Glau­ ben und der Gnade, nicht eigenen Kräfte» zugeschrieben Werden. Und da- will und meint JakobuS auch.

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Jakobus i, i — 5.

DaS I. Kapitel. 1. Jakobus, ein Rnecht Gottes und unsers -Herrn Jesu Christi, den zwölf Stämmen in der Zerstreuung, das ist, den hin und her in der Welt zerstreuten Christen aus den Juden seinen Gruß! 1. Petr. 1, 1. 2. Halter es für lauter Freude, meine Brü­ der! wenn ihr in mancherlei Anfechtungen fallet: denn sie sind ein Wetzstein, daran unsere Treue geprüft und geschliffen wird. Für diese Freude ist Fleisch und Blut nicht em­ pfänglich. Wenn man aber die Prüfungen, das Kreuz nicht mit Freuden aufnehmen kann, so muß man es doch wenigstens mit Demuth und Geduld tragen. 3. Und wisset, daß die Prüfung, Bewährung, eures Glaubens Geduld wirket, die deswegen als eine Frucht des Glaubens zu betrachten ist. 4. Die Geduld aber vollendet das werk (oder: soll fest­ bleiben bis ans Ende, oder: soll ein vollkommenes We­ sen haben), damit ihr vollkommen und ganz seyd, und (das seyd ihr nur, wenn ihr) an nichts Man­ gel leider. Die Geduld ist dasjenige, wodurch wir unsere See­ len besitzen und erhalten; verlieren wir die Geduld, so verlieren wir unsere Seelen. Wehe daher denjenigen, die die Geduld verlieren, die müde werden, die nicht ausharren in gelassener Ergebung in den Willen Gor­ tes. Man muß das Werk der Erlösung und Heiligung nicht nur in sich anfangen, sondern auch bis zur Ganz­ heit und Vollkommenheit in Geduld vollenden lassen. 5. Mangelt aber jemanden unter euch Weis­ heit in dunkeln Wegen und Prüfungen, so erbitte er sie von Gott (Sir. 51, 25.), der allen reichlich giebt, und es niemanden vorrückr (noch sagt: Du

Jakobus r, 6.

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bist es nicht würdig, dein Leben hat es nicht verdient), und sie wird ihm gegeben werden. In der Schule des Gebetes, im Umgänge mit Gott wäre also dir rechte Universität, wo Weisheit zu holen ist. Gott ist die Quelle, wo sie zu schöpfen ist; denn da Gott seinen Eingebornen für uns hingab, ehe wir Ihn gebeten haben, wie sollte Er uns nicht seinen Geist geben, wenn wir Ihn darum bitten? Worüber ein Philosoph oder Kabalist achtzig Jahre studirt, sich den Kopf zerbricht und im hundertsten es noch nicht gefunden hat, das lernt man als ein zwölf­ jähriger Knabe zu den Füßen Jesu, durch das Ver­ dienst seiner Wunden, sobald man es braucht. Er rückts niemanden auf, wirft es nicht vor, beschämt nicht, hält keinen auf, macht es niemanden schwer, sondern sobald man sich meldet, es sey um was es wolle, so ist die Antwort bereit und die Hülfe da. 6. Er bitte aber im Glauben, ohne zu zwei­ feln; denn Zweifel sind vom Teufel, und ein Zweifler gleicht einer Meereswoge, die vom winde be­ wegt und hin- und hergecrieben wird. Der Glaube muß kühn seyn, durchaus keinem Zweifel statt geben. Er darf nicht wanken oder schwanken, nicht wie eine Windfahne hin- und herfahren. Wenn wir bitten, so kömmt es ganz darauf an, daß wir gläubig nehmen, weil wir die Sache, um die wir bitten, uns schon im Geiste vorgehalten sehen. Denn das heißt glauben, eine Ahnung im Geiste haben, daß uns die Sache sicht­ bar dargeboten wird, und man darnach greifen soll. Sonst ist es ein foryirtes, gezwungenes Gebet und un­ nütze Worte, wenn man nicht schon weiß, daß man er­ hört wird. Ein gläubiges Gebet muß allemal schon mit Danksagung für die Sache verknüpft seyn; es muß einem schon zum Danken seyn, und nicht zum Accordiren, zum Versprechen, wie es die Alten machten: „wenn du mich dahin bringst, so sollst du mein Gott seyn." Wir sprechen: „Wenn Er es auch nicht thur,

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Jakobus i, 7—10.

so ist Er doch unser lieber Herr;" oder wir bitten lie­ ber nicht. Aber wenn wir einmal bitten, so ist es infra dignitatem, eine Schande, wenn die Bitte nicht geschieht. Wir müssen nicht eher bitten, als bis uns über der Bitte das Lob Gottes zugleich auffällt. 7. Ein solcher Zweifler denke nicht, lasse es sich nicht einfallen, daß er etwas vom -Herrn empfan» gen werde ; er muß es sich selbst zuschreiben, daß er umsonst bittet. 8. Ein Zweifler, doppelherziger Mensch, ein Heuchler, ist unbeständig in allen seinen Wegen; bisweilen dient er Gott, bisweilen Der Welt. 9. Der niedrige Bruder, der Arme, rühme stch seiner Erhöhung in Christo und der Ewigkeit; 10. der Reiche aber seiner Niedrigkeit, Herablas­ sung und Demuth, seines Nichts; denn wie eine Graoblume wird er vergehen. In der allertiefsten Erniedrigung ist die allergrößte Höhe. Was in der Menschen Augen hoch und ansehnlich ist, das ist nichts vor Gott. Was aber in den Augen der Welt nichts ist, das ist hoch und ansehnlich vor Gott. Der nie­ drige Bruder hat also nicht Ursache, kleinlaut und kleinmüthig zu seyn, und der Reiche nicht Ursache, stolz zu seyn; sondern es wird beiden besser anstehen, wenn je­ ner sich rühmt, daß er in Christo, Gottes Kind und Erbe, also erhöht sey, und dieser sich demüthigt und die Nichtigkeit, Vergänglichkeit des irdischen Reichthums und der weltlichen Größe erkennt, und in der Demuth die Ehre bei Gott sucht. Es kann nicht jeder ein Handwerksmann werden, wie der Heiland; aber deswegen muß jeder, wenn er auch ein Fürst oder Regent ist, es nicht anders anse­ hen, als ein anderer seine Handwerkssache anzusehen hat, und für jeden muß es etwas Reizendes bleiben, gering zu werden, gering geachtet, zurückgcseht, kaum genannt und beobachtet zu seyn, wie Jesus auch ge­ sinnt war, der ein Gast in der Welt war. Wer noch ein Vergnügen darin sinder, hoch zu seyn; wen der

Jakobus i/ ii—14.

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Adel noch sticht; wer sich noch gerne gnädiger Herr oder gnädiges Fräulein heißen läßt; wer sich träumen läßt, dadurch etwas voraus zu haben; wer die äußern Vorzüge so vortheilhaft gebraucht, als wenn sie ihm von Rechtswegen gehörten, den halte ich für einen un­ bekehrten Menschen. Denn wenn man den Heiland in seiner Erniedrigung ansieht, so soll einem all das We­ sen vergehen. 11. Die Sonne gehr auf mit der -Hitze und das Gras verwelkt, und die Blume fällt ab und ihre schöne Gestalt verdirbt. Also wird der Reiche in seiner Habe (in der Mitte seines Weges, seines Wandels, Gewerbes) verwelken. Wie bei der brennenden Sonnenhitze die GrasBlumen verwelken und alle ihre Schönheit verlieren, so wird auch aller äußere Schein und Glanz der Reichen im Tode, im Gerichte Gottes vergehen. 12. Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn wenn er im Schmelztiegel ausgehal­ ten hat und bewährt gefunden worden ist, so wird er die Rrone des Lebens empfangen, welche der Herr denen verheißen hat, die Ihn lieben. Hinter den schwarzen Wolken der Anfechtung blinket die herr­ liche Krone des Lebens hervor. Die Krone hätte man wohl gerne, wenn nur die Prüfung und das Leiden nicht wäre. Aber niemand wird gekrönt, er kämpfe denn recht. 13. Niemand, wenn er versucht wird, werfe die Schuld auf Gott und sage, daß er von Gott versucht werde, wie es etwa heißt: Gott hat mich fallen lassen re., denn Gott wird nicht vom Bösen versucht, und auch Er versucht keinen zum Bösen; zu unserm Besten aber versucht Er uns öfters, um unsern Glauben, unsere Treue zu prüfen, zu läutern und fester zu machen; 14. sondern feder wird ver­ sucht, wenn er von seiner eigenen Lust gereizt und gelockt wird (siehe Matth. 4, 3.), und wenn er

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Jakobus i, 15 — 17.

nicht von seinem eigenen Fleische versucht oder von sei« nein eigenen Geiste zum Besten gehabt wird, so muß er erforschen, ob es nicht eine satanische Versuchung ist, ob nicht noch eine Verbindung mit dem Satan da ist. Denn der Satan geht gerne dahin, wo man noch et­ was von ihm beibehalten hat, darauf er Anspruch ma­ chen und sagen kann: Der hat noch etwas von dem Meinen. Oder wie man von einem Gespenste sagt, daß es seinen Körper, seinen Schrank und Kasten be­ sucht aus Anhänglichkeit. So geschieht es, daß der Teufel zu diesem oder jenem kommt, weil er von sei­ nem Gerüche gereizt wird; weil er da noch etwas von seiner Spur merkt, und daher auf ihn losfahrt, wie die Katze auf die Maus. Jeder tragt die Quelle aller seiner Versuchungen in sich; das ist die allgemeine Lust zum Bösen bei al­ len; nur geht sie auf verschiedene Gegenstände; vereine ist mehr geneigt zur Wollust, der andere zum Geiz, der dritte zum Zorn, Hochmuth re. 15. wenn alsdann die Lust empfangen har, wenn man sich eingelassen, eingewilliget hat, so gebiert sie die Sünde; die Sünde aber, wenn sie nicht in der Geburt erstickt wird, sondern zum Ausbruche kommt und vollbracht wird, so zeugt sie wieder ein anderes Kind, sie gebiert den Tod, der in der Scheidung von Gott besteht, als dem einzig wahren Leben der Seele; das ist der allergrausamste Tod, Gott, das allersüßeste Leben, nicht in sich haben. 16. Lasser euch also nicht Lrreführen, geliebte Brüder! als ob es nicht Noth wäre, in allen Dingen zu wachen, und alles genau zu nehmen in Dingen, die einen gelüsten, worunter doch oft der Tod verborgen liegt. 17. Jede gute geistliche und leibliche Gabe und jedes vollkommene Geschenk, wie z. B. die Neu­ geburt, als das beste und theuerste Geschenk, kommt von oben herab, vom Vater des Lichtes, bei welchem keine Veränderung, noch ein Schatten

Jakobus i, 18.

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des Wechsels ist. Alles, was der Mensch hat, das hat er als ein Geschenk und eine Gabe Gottes anzu­ sehen; die Sünde und das Böse allein ausgenommen. Die irdischen, leiblichen oder Naturgaben werden aber von den thierischen Menschen gewöhnlich den vollkom­ menen oder Geistes-Gaben vorgezogen. Nach dem Ge­ ber selbst sieht man sich noch weniger um. Die Schweine fressen die Eicheln unter dem Baume, und kümmern sich wenig um den Baum, woher sie kommen. Das Gute kommt von oben und fallt in die Erde, und davon soll wieder ein Gewächs hervorkommen und in die Höhe steigen, nämlich Dank, Aufblick zu Gott. , Vater der Lichter heißt Gott, weil alles Licht, natürliches und geistliches, von Ihm herkömmt, weil Er sein Licht auswendig und inwendig im Menschen leuch­ ten läßt. Das Licht der Natur ist eben so gut ein Strahl des Lichtes Gottes, als das Gnadenlicht. Er hieß das Licht aus der Finsterniß hervorleuchten. Sein Licht leuchtet ewig und unveränderlich; hat keinen Schar­ ten wie die Sonne; keinen Wechsel, wie das Mondlicht oder das Licht auf Erden, wo bald Tag und Nacht, und der Tag bald länger bald kürzer ist. Der Glaube kann sich unfehlbar immer an dieses Licht halten. 18. Aus freiem willen hat Er uns gezeuget durch das Wort der Wahrheit, damit wir die Erstlinge seiner neuen Geschöpfe würden. Ein neues Geschöpf wird man nicht so, wie man ein Hand­ werk oder eine Wissenschaft lernt im Schweiße seines Angesichtes und mit Plage des Gemüthes; sondern es ist ein Sinn, der uns aus freier Gnade, aus freiem Willen Gottes gegeben wird durch die Zeugung; indem man den Sinn Christi, die neue göttliche Natur durch die Mittheilung des heiligen Geistes gleichsam inbibirt, in sich zieht, und ein Freiwilliger des Herrn wird. Nie­ mand kann sich das selber geben, niemand kann es ei­ nem andern verschaffen, und wenn er auch sein Herz in Stücke zerreißen und seinem nächsten Freunde davon

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Jakobus i, 19—21.

mittheilen wellte, so würde eS nichts helfen. Es muß ein jeder die neue Gottes-Natur vom Schöpfer selbst her haben, um zu seinen Erstlingen, zu seinem geistli­ chen Leibe zu gehören, und ein Theil vom Ganzen zu werden. Ein jeder, er sey Lehrer oder Zuhörer, Hirt oder Schaf, muß sich sein eigenes neues Herz, seinen eigenen neuen Sinn selbst geben lassen. Das geschieht durch das Worc der Wahrheit. Es liegt also im Worte Gottes mehr, als man sich ge­ wöhnlich einbildet; e6 ist ein verborgener Schah, eine wahre Perle. Wer einmal recht dahinrerkömmt, waS darin liegt, und seine neuschaffende Kraft erfährt, der weiß, daß es unmöglich ist, mit seinem Worte bekannt zu seyn, ohne zu Ihm, der es selbst geredet hat, zu kommen. Denn wenn man sich durch das Wort nicht bald zu Ihm selbst führen laßt, der der Grund und Gegenstand desselben ist, so wird man irre und versteht alles verkehrt. 19. Daher, meine lieben Brüder! sey jeder Mensch, dem es um sein Heil zu thun ist, schnell zum Hören, was Gottes lebendiges Wort sagt, und langsam zum Reden, langsam zum Zorne, weil durch unnöthiges Geschwätz und durch heftige Leiden­ schaften die Seele in Verwirrung gesetzt und im inwen­ digen Aufmerken auf Gott gestört wird, daß Gott durch sein Wort die Seele nicht neu schaffen kann. Gott hat zwei Ohren und nur Eine Zunge gegeben. Darum soll der Mensch doch mehr hören als reden. Viele aber haben viele Zungen und fast nicht Ein Ohr. 20. Denn im Zorne thut der Mensch nicht, was vor Gott recht ist; der Zorn mag so gerecht scheinen, als er will. Der Zorn ist allemal eine Toch­ ter des Hochmuthes, eine Mutter der Feindschaft, ein Feind des Friedens und eine Quelle des Eigensinnes. 21. Darum leget ab alles unreine Wesen, und allen Auswuchs der Bosheit; alle heftigen Leidenschaften, die in euch die neue Geburt verhindern. Neh-

Jakobus i, 22—24.

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Nehmet mir Ganftmuth das euch eingepflanzre iVort auf, welches eure Seelen selig machen kann. Merket darauf, wenn Er euch seinen Tod und sein Blut so vorstellt und wichtig macht; wenn Er bei einer Ge­ legenheit, bei einer Krankheit, Errettung, bei Verkündi­ gung des Wortes, oder bei diesen oder jenen Umstän­ den mit seiner Kraft ans Herz kommt; da weiset Ihn nicht ab, höret Ihn, lasset eure Seelen in die Sache hinein, in die Betrachtung seiner großen Liebe, seines Todes. Lastet euch selig machen, lastet euch geben, was euch zu Herren über Sünde und Teufel macht. Es kommt nicht auf viele Worte, nicht auf lange und häufige Reden an; sondern daß das, was einmal als Wahrheit erkannt wird und ins Herz gegriffen hat, in Demuth und Sanftmuth bewahrt wird^ und daß wir es uns aus Gnaden erhalten lasten, daß wir es davon tragen, und seiner froh werden. Alle Worte des Hei­ landes, alles, was Er mit uns thut, alle Tritte und Schritte, die Er mit uns geht, haben den Zweck, uns selig zu machen, uns den Eid, den Er geschworen hat, zu geben, daß wir errettet aus der Hand unserer Feinde Ihm dienen ohne Furcht rc. 22. Seyd aber Thäter des Wortes, nicht blos -Hörer, die sich selbst betrügen. Was hilft alles Wissen ohne Thun, alle Erkenntniß der Wahrheit ohne Gehorsam der Wahrheit? Sie ist nur eine Fackel, die zur Hölle leuchtet. 23. Denn, wer blos -Hörer und nicht auch Thäter des Wortes ist, der gleicht einem Men­ schen, detz,. sein leibliches Angesicht im Spiegel beschafft, und von seinem Spiegelgucken keinen Nutzen rt; 24. weil er, wenn er sich beschaut har, hineggehr, und sogleich vergißt, wie er aussah. Da sieht man, worin das rechte Hören des WorZ Gottes bestehe. Man soll darin, wie in einem -piegel, seine innere Gestalt, das Angesicht des innern keuschen betrachten; das ist aber nicht genug, sondern Eetauimi-biich vin. zotli. 9

igo

Jakobus I, 25 — 27.

man muß auch, wenn einem dadurch etwas von Gott kund wird, es sogleich aus sich selbst und auf seinen Zustand, nicht auf andere, anwenden. 25. wer aber das vollkommene Gesetz der Freiheit/ das Evangelium, das Wort der Wahrheit, das frei und selig macht, durchschaut und dabei ver­ harret, ernstlich verlangt frei zu werden, und an der erkannten Wahrheit festhalt, der ist kein vergeblicher -Hörer, der es zu einem Ohr hinein- und zum andern wieder hinausläßt, oder doch den Gehorsam, wenn gleich nicht die Worte vergißt, sondern ein Thäter, der we­ der zur Rechten noch zur Linken davon abweicht. Ein solcher wird in seinem Thun selig seyn; d. i. in dem Glauben, der das thut, was Christus lehrt, und die Kraft zum Thun durch die Neugeburt aus Gna­ den empfangen hat, also seine Seligkeit doch nicht sei­ nem Thun, sondern der Gnade zuschreibt. 26. Wenn sich jemand dünken laßt, er sey religiös, fromm, gottesdienstlich, er habe die wahre Religion, und hält seine Zunge nicht im Zaume (der ihr doch so nöthig ist, weil sie das ärgste und un­ ruhigste Uebel ist), sondern täuschet sein Herz, und beredet sich fälschlich, als ob darauf so viel nicht an­ komme und wenig daran gelegen sey, dessen Religion ist eitel, Heuchelei.

Der Mensch macht sich selbst eine Religion, die in lauter eigenen Andachten, Uebungen, äußerlicher Gottesdienstlichkeit besteht, indeß er gegen Gottes Wort im­ mer ungehorsam bleibt, und auf die Reinigung seines Herzens gar nicht denkt. Wer z. B. auch, mcht ein­ mal sein kleinstes Glied, die Zunge, bezähmt, sondern frei redet, was ihm auf die Zunge kommt, der hat keine Religion, und wenn er so heilig wäre, daß er in alle Kirchen liefe und die Bibel Tag und Nacht läse. 27. Eine reine und unbefleckte Religion vor Gott dem Vater ist die: Wittwen und Waisen

Jakobus 2, r.

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in ihrer Trübsal besuchen, und sich unbefleckt von dieser Welt bewahren. Wenn Gott dir dient, so sprichst du: Ich diene Gott. Das ist ja thöricht. Thu du, was Gott will, und meide, was Er nicht will, und dulde, was Er dir auflegt, und gehorche Ihm, so dienst du Ihm recht. Wie sollte dein Kirchengehen, Abendmahlhalten, Gottes Wort hören rc. ein Gottesdienst seyn!? Dabei dient ja Gott dir, indem Er dir sein Wort und Brod giebt aus unverdienter Liebe und Gnade. Wenn aber dein Herz ein reiner Tempel Gottes ist, in dem die Liebe Priesteramts pflegt, so daß du dich der Armen, Ver­ lassenen, Gedrückten, Verfolgten und Verachteten an­ nimmst, und ihnen wohlthust und ihnen dienest in De­ muth und ohne Selbstgefälligkeit, um Christi willen, so nimmt Er es an, als hättest du Ihm gedienet. Wenn das, wie Jakobus sagt, die wahre, reine und unbefleckte Religion ist, wie sie es denn ist, so muß jede andere, wo dieses fehlt, wo man Gott nur mit Zeremonien und Herr Herr sagen dienen will, eine falsche, heuchlerische, unreine und befleckte Religion seyn.

Das 11. Kapitel. 1. Meine Brüder! duldet doch beim Glau­ ben an unsern verherrlichten -Herrn Jesus Chri­ stus kein Ansehen der Person. Dennoch ist diese Partheilichkeit bis heute fortgepflanzt worden, und nir­ gends mehr, als unter den Dienern der Kirche selbst. Wenn ein armer Mensch mit einem Zuspruch von einer Viertelstunde selig werden kann, so muß der Vor­ nehme gewiß etliche Monate haben, und die wendet man gerne an ihn. Das ist aber wohl eine erbärmliche Schwachheit, daß man so die Person ansieht, als ob

Jakobus 2, r.

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in ihrer Trübsal besuchen, und sich unbefleckt von dieser Welt bewahren. Wenn Gott dir dient, so sprichst du: Ich diene Gott. Das ist ja thöricht. Thu du, was Gott will, und meide, was Er nicht will, und dulde, was Er dir auflegt, und gehorche Ihm, so dienst du Ihm recht. Wie sollte dein Kirchengehen, Abendmahlhalten, Gottes Wort hören rc. ein Gottesdienst seyn!? Dabei dient ja Gott dir, indem Er dir sein Wort und Brod giebt aus unverdienter Liebe und Gnade. Wenn aber dein Herz ein reiner Tempel Gottes ist, in dem die Liebe Priesteramts pflegt, so daß du dich der Armen, Ver­ lassenen, Gedrückten, Verfolgten und Verachteten an­ nimmst, und ihnen wohlthust und ihnen dienest in De­ muth und ohne Selbstgefälligkeit, um Christi willen, so nimmt Er es an, als hättest du Ihm gedienet. Wenn das, wie Jakobus sagt, die wahre, reine und unbefleckte Religion ist, wie sie es denn ist, so muß jede andere, wo dieses fehlt, wo man Gott nur mit Zeremonien und Herr Herr sagen dienen will, eine falsche, heuchlerische, unreine und befleckte Religion seyn.

Das 11. Kapitel. 1. Meine Brüder! duldet doch beim Glau­ ben an unsern verherrlichten -Herrn Jesus Chri­ stus kein Ansehen der Person. Dennoch ist diese Partheilichkeit bis heute fortgepflanzt worden, und nir­ gends mehr, als unter den Dienern der Kirche selbst. Wenn ein armer Mensch mit einem Zuspruch von einer Viertelstunde selig werden kann, so muß der Vor­ nehme gewiß etliche Monate haben, und die wendet man gerne an ihn. Das ist aber wohl eine erbärmliche Schwachheit, daß man so die Person ansieht, als ob

izr

Jakobus 2, 2 — 5.

mehr daran gelegen wäre, wenn die Seele eines vor­ nehmen Mannes selig wird, als die eines Geringen und Armen, gerade als wenn ein Unterschied unter den Seelen wäre. Der hat das rechte Ansehen der Person, der die Gottlosen für nichts achtet, und die Gottesfürchtigen ehret, sie seyen reich oder arm. Wenn wir aber den Reichthum an sich selbst der Armuth vorziehen, so sün­ digen wir sehr wider die Wahrheit. 2. Denn wenn in eure Versammlungen cm Mann käme, mir goldenen Ringen an deir Fin­ gern und in prächtigem Zxleibc; es käme aber auch ein armer in schlechtem Rleide, 3. und ihr sähet auf den, der das prächtige Rleid trägt, und sprächet zu ihm: Seye du dich oben an (aus den ersten Platz), und sprächet zu dem Armen: Stehe du dorr, oder setze dich zu meinen Füßen, unter meinem Schemel, oder ließet ihn hinter denr Ofen stehen! 4. Machet ihr da nicht einen willkührlichen Unterschied und urtheilet und handelt parcheiisch nach schlechten weltlichen Grundsätzen? Gott wird einst anders setzen, nämlich die Schafe zur Rechten, und wenn es lauter Arme wären, und die Böcke zur Linken, und wenn es lauter gnädige Herren und Ban­ quiers wären. 5. Höret doch, meine lieben Brüder! har nicht Gott die Armen dieser Welt erwählt (das sieht man aus der Wahl der Apostel), daß sie reich am Glauben und Erben des Reiches würden, wel­ ches Er denen verheißen har, die Ihn lieben? Also ein Armer, der reich im Glauben, ist schon in die­ ser Zeit ein Erbprinz, auf den ein Königreich wartet. Fürsten sind so groß nicht als der, so Gott fürchtet, sagt Sirach. Warum hat Gott die Armen erwählt? Weil der niedrige Stand der bequemste ist zur Aus­ führung seiner großen Absichten. Das hat der Heiland selbst an sich bewiesen. Er war aus königlichem Ge-

Jakobus 2, 6.

iZZ

blute; Er ließ aber sein Geschlecht so herunter kom­ men, bis unter der königlichen Prinzessin und einer armen Magd kein Unterschied mehr, und seine Mutter in Umstanden war, da man ihr nur aus Gutherzigkeit er­ laubte, in die Scheune oder in den Stall zu kriechen, weil der Söller oder Boden oben auf dem Hause noch zu gut für sie geachtet ward. Es könnte dem Heilande einerlei seyn, ob seine Leute Zimmerleute, Maurer, oder Fürsten und Grafen, reich oder arm waren, wenn sie nur alle so darüber wegsehen könnten, wenn es ihnen einerlei wäre, ob ei­ ner zwei oder dreißig Ahnen, ob einer hundert Tonnen Goldes, oder nur so viel Heller im Vermögen hatte. Denn der liebe Gott kann keine Feindschaft gegen die Stände und Würden haben, weil Er sie selbst gemacht, und einen Strahl von seinem Glanze in sie gelegt har. Es wäre auch ganz gegen seinen Sinn, wenn die Zim­ merleute, Schuster und Schneider die Großen vom Stuhle stoßen und sich darauf setzen wollten. Nein, da liegt es nicht. Er will nur denen, die Er zu dem Dienste in seinem Reiche bestellt hat, die Versuchung und Schwie­ rigkeit ersparen, die die vermeinte Hoheit und Gemäch­ lichkeit des Lebens ihnen und dem Evangelio alle Au­ genblicke in den Weg legen; darum laßt Er sie a priori lieber gleich weg. 6. Ihr aber behandelt die Annen verächt­ lich. Sind es nicht die Reichen, die euch mit Gewalt unterdrücken? Sind nicht sie es, die euch vor die Richcerstühle schleppen? 7. Verlästern nicht sie den ehrwürdigen Namen Gottes und Jesu Christi, der über euch angerufen wird? Sind nicht sie Feinde der wahren Gottseligkeit? Die Apostel haben also die Reichen gleichsam un­ ter die Schmach der Gemeine gesetzt. Das sollen sich also noch heute alle Leute, die weltliche Ehre, Vermö­ gen oder Ansehen haben, gefallen lassen, daß sie dieses in Christo und der Gemeine mehr zurückseht als fördert.

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Jakobus r, 8—12.

Wenn sie deswegen geehrt, geliebt werden sollen, so sollen sie bleiben, was sie sind; aber sobald sie unter das Volk Gottes kommen, und von der übrigen Welt unter der kleinen Heerde gesehen werden, so muß man es umkehren, und den im köstlichen Kleide, oder den, der noch etwas von der Welt übrig hat, zurückstellen, und die Armen, Geringen, Verachteten zuerst besorgen und bedienen, so viel man kann. 8. wenn ihr nun das königliche, das vor« nehmste Gesetz ersüllec, welches in der Schrift fteht: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst!" so handelt ihr recht. Liebhaben ist ein königliches Gesetz, und alle, die lieb haben, sind königliche Kinder, Gottes Kinder. 9. wenn ihr aber die Person ansehec, so sündiget ihr, und werdet vorn Gesetze (3. Mos. 19, 15.) als Uebertrecer bestraft, weil ihr wider die Liebe handelt, indem ihr den armen Bruder verachtet, der als Christ gleicher, königlicher, göttlicher Natur mit euch ist. 10. Denn wer das ganze Gesetz hält, und nur Ein Gebot übertritt, der verschuldet sich gegen alle. Wer dem Gebote der Liebe nicht genug thut, der hat so viel als kein Gebot gehalten. Ohne Liebe kann kein Gebot gehalten werden. 11. Denn der sagt: Du sollst nicht ehebre­ chen! hat auch gesagt: Du sollst nicht todten! Wenn du nun nicht eines wie das andere hältst, und zwar nicht ehebrichst, tödcest aber, so bist du ein Uebertrecer, und also unter dem Fluche des Gesetzes. 12. So redet, lehret und handelt nun als solche, die durch das Gesetz der Freiheit gerich­ tet werden wollen, welches nicht nur das Aeußere, sondern auch das Innere richtet. Dieses Gesetz der Freiheit ist ein Gesetz des Geistes, der alle lebendig macht, und aus der Dienstbarkeit der Sünde in die Freiheit der Kinder Gottes versetzt, wo man sich nicht

JakobuS 2, i2.

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nur nach dem Buchstaben, sondern nach dem Geiste deS Gesetzes richtet. Jakobus dringt hier auf die Erfüllung des ganzen Gesetzes; er läßt auch nicht Ein Gebot übertreten, wie der Heiland Matth. 5, 17. nicht ein Jota, nicht ein Strichlein nachgiebt. Das halten Unverständige, die gern in Sünden bleiben und doch Vergebung der Sün­ den haben möchten, für gesetzlich. Aber um nun dem unnützen Geschwätze übers Gesetz auf einmal ein Ende zu machen, sagt Jakobus: Ihr Halter euch an das Ge­ setz der Freiheit; nun so redet und handelt als solche, die sich nach diesem Gesetze richten und richten lassen. Wer Sünde thut und das Gesetz übertritt, ist nicht frei, sondern Knecht, Sklave. Welcher verständige Mensch, der ein evangelisches Licht hat, wird glauben, daß wir weniger heilig seyn sollen, als es das Gesetz fordert? Wir sind ja dazu geschaffen, das Gesetz aufzurichten und zu Stande zu bringen, was dem Fleische unmöglich war, weil es durchs Gesetz geschwächt war. Röm. 8, 3. Denn wir haben den großen Vortheil, daß der in der Gestalt des sündlichen Fleisches erschienene Gott die Sünde an seinem eigenen Leibe gerichtet, abgethan, ihr alle Kraft genomnien, und uns zu Herrn und Meistern darüber gemacht bat, daß wir der Sünde nicht dienen müssen. Das ist gewiß. Das Gesetz hat also keine größeren Freunde, als wahre evangelische freie Christen. Aber der Methodus legalis (das gesetzliche Wesen) taugt nichts, der ward durch Moses gegeben. Gott behüte uns, diese Weise zurückzuholen. Wir haben Gnade 4ind Wahrheit (Joh. 1, 17.) durch den einigen Gesetzgeber, der selig machen und verdammen kann. Jak. 4,12. Wir haben Gnade, sagt Paulus, daß wir Gott dienen können, so gut, als Furcht und Zucht immer zuwege bringen könnten, daß das verzehrende Feuer nichts mehr davon zu verzehren hat. Hebr. 12, 28. 29.

rg6

Jakobus r, ir.

Der Methodus legalis (die Art und Weise das Gesetz einzubläuen) war erschrecklich. Die Menschen waren nicht nur entfremdet und hatten den Herrn nicht lieb, sondern hatten auch eine große Neigung zur Fin­ sterniß. Um sie in Ordnung zu halten, mußte sie Gott in enge Schranken sperren, daß sie und die Sünde ein­ ander nicht nahe kommen durften Sobald sie unge­ horsam seyn wollten, war keine Hülfe mehr gegen die Sünde. Wenn sie ihre Außenwerke übergeben hatten, brauchte die Sünde keinen großen Sturm zu wagen, sondern das innerste Thor war gleich gesprengt. Die ganze Stärke der jüdischen (gesetzlichen) Heiligkeit (denn der rechte weg zur -Heiligkeit war noch nicht offenbaret, Hebr. 9, 8.) bestand blos in Außenwer­ ken, daß sie alle die Umstände beobachteten, die so müh­ sam und mit so viel Strafen bedroht waren, daß man sie nicht ohne Entsetzen lesen und nicht begreifen kann, wie man sie den ganzen Tag vor Augen und im Kopfe haben konnte, damit die Sünde ja nicht einbreche. Denn die Sünde und der Mensch hatten einander noch lieb und wollten immer zusammen; da mußte das Ge­ setz zwischen sie treten, um sie nicht zusammen zu lasten. Sobald sie einander erreichten, so war Gottes und al­ ler Gebote vergessen, weil schon eine Feindschaft dage­ gen da war. Jede Gelegenheit war willkommen, mir ihrem Schöpfer zu brechen, Ehebrecher an Ihm zu werden, wie die Propheten sagten. Es mochte Baal oder Mizlepeth seyn, wenns nur nicht Jehova war, der sie aus Egypten geführt und ihnen so viel Gutes gethan hat. Darum mußte der Herr die verdorbenen, verführe­ rischen Leute exemplarisch strafen und sie wegräumen, damit sie nicht auch andere verderbten. Ein Mensch, dem ein Fluch entfahren war, mußte gesteinigt werden. Wenn ein Sohn ungehorsam gegen Eltern war, so führte man ihn zu den Aeltesten und sagte: Mein Sohn ist ungehorsam, und sie mußten ihn steinigen. (Siehe

Jakobus 2, i2.

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5. Mos. 21, 18. rc., Zach. 13, 3. und noch entsetz­ lichere Gesetze 5. Mos. 13, 6. rc.) Was thut Christus, die Gnade, das Gesetz der Freiheit? Der Herr tobtet die Sünde und uns der Sünde. Wenn du deine Schooßsünde fühlst und kannst nicht mit ihr fertig werden, ist dein Fleisch verdorben, sind deine Augen, wie Petrus sagt, voll Ehebruchs, so wende dich zum Heiland, und bitte Ihn um einen An­ theil an seinem Verdienst, der Beschneidung, des To­ des und der Kreuzigung seines Fleisches; er hilft, heilt, rettet und macht frei blos durch die Application des Verdienstes seiner Wunden (gleichsam sympathetisch), Kol. 2, 11., 1. Petr. 2, 24., nicht nur zurechnungs­ weise, sondern durch eine reale Application und wirkliche Durchgehung mit aller wesentlichen Gnade und Kraft seines Geistes, welche die Glieder, das Gliedergift in uns tödtet. Röm. 7, 4. Tödtet die Glieder, die auf Erden sind rc. Wer kennt sein Verdienst genug? Wer ist der Sünde von Herzen feind? Wer haßt sich selbst um Seinetwillen? Der keinen Tropfen Bluts mehr in sei­ nen Adern har, der nicht des Herrn wäre, den er noch cajolirt oder schont. Wer nun wünscht, daß alles in ihm gleich getobtct und abgeschnitten werde, daß er nichts mehr davon höre und sehe, der thue den Willen des, der Jesum ihm zum Heil sandte und zur Gerechtigkeit und Heiligung machte, so wird er die Realität (die wirkliche Erfüllung) aller Gottesverheißungen und Selig­ keiten wohl inne werden, er wird das geistliche Gesetz ins Herz bekommen, das königliche Gesetz der Liebe und Freiheit lernen, und vom heiligen Geist in alle Wahr­ heit und in ihre Praxis geleitet werden; er wird daS Brod des Lebens essen, das nicht nur in seinem ster­ benden Gebeine zum Korn der Unverweslichkeit wird, sondern auch seine ganze Seele heilig und ihrer Nah­ rung gemäß macht. Wer ein wahres Verlangen hat, seinem Heiland nahe zu werden, sein Verdienst zu gc-

138

JakobuS 2, 13 — 17,

meßen und sich Seiner rühmen zu können, dem wird das Gesetz der Freiheit den Geist so zum Heiland zie­ hen, der für uns gestorben ist, daß er, er wache oder schlafe, er zugleich mit Ihm zusammen lebe (1. Theff. 5, 10.), daß er nicht eine Viertelstunde den bösen Gedanken überlassen bleibe; er wird finden, daß wir, was unsere Seele auch noch so schwach verlangt, gar nahe im Hause haben. Das Verlangen der Elen­ den hört der Herr. Ps. 40, 17. 13. Denn ein unbarmherziges Gericht wird über den ergehen, der nicht Barmherzigkeit übt; der reiche Mann hat es erfahren, Luk. 16. Barm­ herzigkeit aber besteht freudig vor Gericht, und hat sich nicht zu fürchten; denn die Barmherzigen wer­ den Barmherzigkeit erlangen und triumphiren über das Gericht.

14. was hilft es, Brüder! wenn jemand sagt, er habe den Glauben, wenn er aber die Werke nicht har? Rann wohl der Maul-Glaube ihn selig machen, der nur im Sagen besteht? Ein anderes ist sagen, vorgeben, und ein anderes haben und beweisen. Wenn es aufs Sagen ankäme, hätten wir viele Gläubige. 15. Wenn ein Bruder oder eine Schwester in Christo bloß wäre, und Mangel an täglicher Nahrung licre, 16. und einer von euch spräche: Gehet hin im Frieden, Gott berathe, helfe euch! wärmet euch! sättiget euch! ihr gäbet ihnen aber nicht, was zu ihrer Leibes - Norhdurfc gehört, was würde ihnen das „helf euch Gott!" helfen? Ihr verweiset sie auf die göttliche Vorsorge, und die göttliche Vorsorge hat sie eben zu euch gewiesen, daß ihr ihnen helfet. 17. Der Glaube ist kein Glaube, wenn er keine Werke hat, sondern an sich selbst codr. Ist das

Jakobus 2, i8.

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nicht der Glaube der heutigen Christen, die den Namm haben, daß sie leben, und sind todt? Gewiß der wahre Glaube ist ein göttlich Werk in der Seele, der uns wandelt und neugebiert aus Gott, und tobtet den alten Adam, und macht aus uns ganz andere Menschen von Herzen, Muth, Sinn und allen Kräften, und bringt den heiligen Geist mit sich.— Man hört das Wort von der Versöhnung und bewegt es so lange in seinem Herzen, bis sich unser Glaube mit dem Evangelio vermengt (Hebr. 4, 2.) und unser Herz auch so denkt. Wenn wir nun immer so fort ' glauben, und unser Herz ist eins damit, und denkt just so, wie es dort steht: was Gott verheißen hat, das kann Er auch thun; so kriegen wir etwas in uns, was wir zuvor nicht hatten; wir erfahren die Herrlichkeit des Kreuzes zu unserm Erstaunen; unser Herz, Sinn, Be­ gierden, Einfälle, Neigungen und Muth, alles ist an­ ders und neu. Ja nickt nur Andere müssen es gestehen, daß es ein Wunder ist, daß der Mensch so ist, wie er ist, son­ dern wir wundern uns selbst über uns, ich sage, wir werden uns ein Wunder; denn wir sehen mit sehenden Augen, daß Er uns von seinem Geiste gegeben hat. Denn sobald man Gnade kriegt, stiehl man die Eitelkeiten der Welt von sich selbst, und läßt das Werk des Heilands im Herzen mit inniger Liebe seinen Fort­ gang haben, man läßt das, was noch zu unserer De­ müthigung, zum Andenken des Falls zurückblieb, und nicht als Schwachheit, sondern als sündlich anzusehen ist, nicht aufkommen, man läßt es nie zur Kraft kom­ men, es muß unterthänig werden, denn wir können nun thun, was wir wollen. Es ist uns zum Wol­ len auch das Vollbringen gegeben. Das ists, was beim Glauben vorgeht. 18. Es möchte aber jemand sagen: Du hast den Glauben, ich aber habe die werke, und hat keiner nichts, wenn nicht jeder beides beisammen har.

140

Jakobus 2, 19.

Zeige mir deinen Glauben ohne Werke; sonst kann man nicht wissen, ob du einen hast; und ich will dir meinen Glauben aus den Werken zeigen. Durch die Werke macht sich der Glaube sichtbar; dadurch muß man ihn offenbaren und beweisen, und nicht nur sich und andere bereden wollen, daß man glaube. Das Licht muß leuchten.

19. Du glaubest, daß ein einiger Gott ist; du thust wohl; aber das ist nicht genug; auch die Teufel glauben es, und zittern. Die meisten der heutigen Christen wissen und glauben nicht mehr von Christo, als der Teufel auch weiß Und glaubt. Wenn nun das einen Christen machte, so müßte der Teufel auch ein Christ seyn. Ja, er müßte noch besser seyn, denn er fürchtet sich vor Gott und zittert, da hingegen Tausende der sogenannten Christen ohne Furcht Gottes dahin leben. Solltest.du nicht zittern, wenn du Gott und Jesum nicht in deinem Herzen findest, an den zu glauben du dir einbildest? Ein klarer Beweis, daß es nicht genug sey zum Seligwerden, daß man von einem einigen Gott weiß. Gott hat der Welt seinen Sohn gegeben, daß sie an den glaube und durch Ihn selig werde. Joh. 3, 16. Und das Evangelium ist zu dem Ende geschrieben, daß ihr glaubet, Jesus sey der Sohn Gottes, und daß ihr durch diesen Glauben das Leben habet in seinem Na­ men. Joh. 20,31. Darin ist unser Glaube vom Glau­ ben des Teufels unterschieden. Wir glauben an Sei­ nen Namen, der heißt Jesus, denn Er wird sein Volk selig machen von ihren Sünden. Matth. 1, 21. Man muß den Namen recht kennen lernen. Einen Gott glauben oder nicht, steht nicht bei uns. Wir glauben von Natur. Es giebt wohl Menschen, die im Herzen wünschen, daß kein Gott wäre, Ps. 14,1., damit sie desto freier sündigen könnten. Sie können aber nicht glauben, daß keiner ist. Ihre spitzige Ver­ nunft kann die Idee von Gott doch nicht aus dem Ge-

Jakobus 2, 20—24.

141

müthe bringen. Es ist der Grund zu tief ins Gemüth gelegt. Daß ein Golt sey, weiß man, es ist manifest in ihnen. Röm. 1. Weil nun der Satan diesen Glau­ ben an Gott nicht hindern kann (er muß es selbst glau­ ben), so beredet er die Menschen, daß es der seligma­ chende Glaube sey, den er hat. 20. willst du wissen/ thörichter Mensch! der du dich mit einem bloßen Maul-Glauben begnügest, daß der Glaube lebendig seyn müsse, und ohne die Werke rodr sey? 21. Abraham, unser Vater, ist er nicht durch werke gerecht worden, in so fern sich sein unver­ gleichlicher Glaube darin zeigte, oder durch Gehorsam sich offenbarte, indem er seinen Sohn Isaak auf dem Altare opferte? Abraham hat Gottes Stimme nicht nur gehört und ihr Beifall gegeben, sondern er hat derselben so lebendig geglaubt, daß er hinging und ihr auch gehorchte, und dieses Werk des Gehorsams zeugte von seinem Glauben und ging aus demselben hervor. 22. Siehst du, wie der Glaube zu seinen werken mitwirkte, und nicht nur in der Einbildung, sondern in lauter Thun bestand, und wie durch die Werke der Glaube vollendet wurde, so daß er auch offenbar und erkannt wurde als ein wahrer und leben­ diger Glaube. 23. So ward erfüllet,was die Schrift sagt: Abraham hak Gott geglaubt und gab davon die schönsten Beweise, und das ist ihm zur Gerech­ tigkeit gerechnet worden; und er ward ein Freund Gottes genannt, weil er es war. Wer bist aber du? Wer nur Herr Herr sagt und nicht den Willen des Vaters im Himmel thut, der wird nicht in seine Freund?. schäft kommen. 24. Ihr sehet also klar und augenscheinlich, daß der Mensch durch Werke gerecht werde, weil wir durch Werke unsern Glauben zeigen und beweisen müssen, und ohne Werke kein Glaube ist; so ist es freilich klar.

142

Jakobus 2, 25. 26.

daß der Mensch nicht durch den Glauben allein gerecht werde, das ist, gerecht erkannt und erklärt von seinem eigenen Gewißen, vor den Menschen und vor den Engeln. Die Werke erklären uns gerecht; sie of­ fenbaren als Früchte die Gerechtigkeit. Jakobus wird aber auch wieder mißverstanden, wie Paulus, wenn er sagt, der Glaube macht gerecht. Die Jakobiner gehen wie die Pauliner zu weit, wenn sie sich nicht vereinigen in der Mitte. Denn die Jakobi­ ner sagen geradezu: Wer also ein gottesfürchtiges Le­ ben führt, und ein guter Bürger ist, der wird selig. Und wenn man das auch noch nicht zum völligen Lehr­ satz gemacht hat, so ist doch der Gedanke und die Idee fast herrschend geworden: „Am Glauben fehlt es nicht, die Leute glauben nur zu viel; es wird aber zu we­ nig gethan. Wenn man nur mehr Beispiele eines thätigen Glaubens hätte, und bessere Bürger in der Welt kriegte." Aber warum fehles am Thun? weil es am Glau­ ben, am Leben des Glaubens, als dem Grunde und an der Wurzel alles Thuns fehlt. 25. Ferner, wurde nicht die-Hure Rahab durch Werke, in welchen der Glaube thätig seyn muß, ge­ recht, da sie die Kundschafter aufnahm, und auf einem andern Wege entkommen ließ? Das ist also ein Glaubenswerk, wenn man Knechten Gottes zur ge­ fährlichen Zeit Aufenthalt giebt und beisteht. 26. Denn gleichwie der Leib ohne Geist todt ist, so ist auch der Glaube ohne Werke rode 7 Der lebendige Glaube ist ein Licht und Feuer, das im Herzen angezündet wird, und unaufhörlich hinaus­ leuchtet, unaufhörlich geschäftig und thätig ist; er ist nicht einen Augenblick ohne zärtliche Liebe. Wenn ihm Liebe fehlt, so fehlt ihm mehr als alles. Liebe, thätige Liebe, die nie ruhen kann von Werken, die immer tm Thun ist, ist die Seele, der Geist, das Leben des Glau­ bens; ohne sie ist er todt- ein lebloser Leichnam.

Jakobus 3, i.

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Jakobus widerspricht also dem Paulus nicht, son­ dern redet nur von denen, die sich rühmen, sie hätten den Glauben, und doch dessen Werke nicht thun, und die Liebe nicht haben, und also nichts dem Glauben, den sie vorgeben, Aehnliches an sich spüren lassen.

Das HL Kapitel. 1. Meine Brüder! möchten doch nicht so viele Lehrer werden wollen; denn wisset, daß ihr nur um so größere Verantwortung (Urtheil, Strafe)

auf euch ladet, wenn ihr andern den Weg des Le­ bens zeiget, und ihn selbst nicht gehet. Aber der Hei­ land will und muß doch Leute haben, und hat es zum Gegenstände des Gebetes gemacht: „Bittet den Herrn der Aernte, daß Er Leute schicke, denn es sind zu we­ nige." „Ei, wie rar ist ein kluger und treuer Haus­ halter!" Matth. 9, 35. Luk. 12, 42. Darum sollte man sich selbst zuvor vom Lehrer aller Lehrer belehren lassen, ehe man einen Lehrer und Gottesgelehrten ab­ geben will. Wer nicht dazu berufen ist, der dränge sich nicht dazu, und lasse sich durch süße Phantasien in seinem ordentlichen Gange nicht stören. Der Herr weiß stch seine Leute schon zu suchen und zu finden. Er sucht ja wie mit Laternen. Wenn es Ihm beliebt ein Schaf, das er aus der Irre geholt und auf seinen Achseln heimgetragen, auf ewig zur Ruhe zu setzen, es nur im­ mer ein- und ausgehen und Weide finden zu lassen, ohne ihm einen besondern Auftrag zu geben, wobei es vielleicht nicht gut durchkäme; das sey doch dankbar für die Güte seines Herrn, begehre sich nichts anderes, und denke nicht, daß es seine Zeit deswegen müßig zu­ bringe. Es gebe seine Glieder desto williger her zum

Jakobus 3, i.

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Jakobus widerspricht also dem Paulus nicht, son­ dern redet nur von denen, die sich rühmen, sie hätten den Glauben, und doch dessen Werke nicht thun, und die Liebe nicht haben, und also nichts dem Glauben, den sie vorgeben, Aehnliches an sich spüren lassen.

Das HL Kapitel. 1. Meine Brüder! möchten doch nicht so viele Lehrer werden wollen; denn wisset, daß ihr nur um so größere Verantwortung (Urtheil, Strafe)

auf euch ladet, wenn ihr andern den Weg des Le­ bens zeiget, und ihn selbst nicht gehet. Aber der Hei­ land will und muß doch Leute haben, und hat es zum Gegenstände des Gebetes gemacht: „Bittet den Herrn der Aernte, daß Er Leute schicke, denn es sind zu we­ nige." „Ei, wie rar ist ein kluger und treuer Haus­ halter!" Matth. 9, 35. Luk. 12, 42. Darum sollte man sich selbst zuvor vom Lehrer aller Lehrer belehren lassen, ehe man einen Lehrer und Gottesgelehrten ab­ geben will. Wer nicht dazu berufen ist, der dränge sich nicht dazu, und lasse sich durch süße Phantasien in seinem ordentlichen Gange nicht stören. Der Herr weiß stch seine Leute schon zu suchen und zu finden. Er sucht ja wie mit Laternen. Wenn es Ihm beliebt ein Schaf, das er aus der Irre geholt und auf seinen Achseln heimgetragen, auf ewig zur Ruhe zu setzen, es nur im­ mer ein- und ausgehen und Weide finden zu lassen, ohne ihm einen besondern Auftrag zu geben, wobei es vielleicht nicht gut durchkäme; das sey doch dankbar für die Güte seines Herrn, begehre sich nichts anderes, und denke nicht, daß es seine Zeit deswegen müßig zu­ bringe. Es gebe seine Glieder desto williger her zum

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Jakobus Z, 2.

Dienste des Nächsten im ordentlichen Berufe, in den einen die Weisheit Gotces gesetzt hat, und lasse bei der Gelegenheit sehen, was die Natur, die man im Hause Christi bekommt, für Segensfrüchte mit sich bringt. 2. Denn wir fehlen alle mannigfaltig, wer aber in keinem Worte fehlt/ wer Meister über seine Zunge ist, oder wer in dec Rede, Lehre nicht anstößig ist, Ver ist ein vollkommener Mann. Er kann auch den ganzen Leib (sich ganz) im Zaume hal­ ten. Er kann eine Gemeine leiten und einen Lehrer

machen. Wenn die gelehrten Leute denken, es wäre eine Todrsünde, wenn sie sagten: „Ich habe gefehlt;" so muß ein Apostel und jedes Kind Gottes gestehen: Ich fehle, ja ich fehle mannigfaltig; ich habe- da und da gefehlt. Wenn mich das ausschließt aus der Gemein­ schaft Gottes, wenn ich darum nicht orthodox bin und von andern verstoßen werden sollte, so ists wahr: Ich habe gefehlt; ich werde künftig fehlen (nicht mit Vor­ satz), ich werde es bekennen und mich bessern müssen. Aber Fehlen und Sündigen ist unendlich verschieden. Hinter diesem Spruch versteckt sich gern der alce Adam. Fehler sind solche Dinge, da man bei einem gu­ ten Sinne das rechte Ziel vor Augen hat, Gott und den Dienst Jesu; man sucht nichts als Jesum, und will seinen Sinn aufs beste treffen und sein Werk trei­ ben. Man macht aber doch etwas, das damit nicht übereinstimmt, das schädlich oder unnütz ist, und das heißt fehlen, oder den Zweck nicht erreichen. Schwachheit ist ein Mangel des Vermögens, die Sache so auszurichten und einzutheilen., daß der Zweck erreicht wird. Wie das Fehlen ein unrichtiges Thun ist, so ist die Schwachheit ein Unterlassen der Dinge, die seyn sollten. Beides kommt aus der Sünde, aus dem Verderben Adams. Sie sind übrig geblieben zu unserer Demüthigung. Wäre der Heiland nicht für uns gestorben, so müßten wir auch dafür leiden; aber

Jakobus 3/3—6.

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fein Blut und Tod ist dafür gut, und macht, daß uns Schwachheiten, Fehler und Mängel aus Gnaden ver­ geben werden. 3. Sieh/ den Pferden legen wir Zäume in das Maul, daß sie uns gehorchen, und so lenken wir ihren ganzen Rörper. Seyd nicht wie Rosse und Maulthiere, denen man Zaum und Gebiß ins Maul legen muß. Ps. 32. Ach, wären die Menschen nur so lenksam wie Pferde, die man durch ein kleines schmales Stückchen Leder leiten kann, wie man will! Was ko­ stet es dagegen, einen Menschen zu bändigen? 4. Sieh, auch die Schisse, so groß sie sind, und obgleich von heftigen Winden getrieben, wer­ den doch von einem kleinen Ruder gelenker, wo­ hin die Richtung des Steuermannes will. So ist auch die ganze Welt ein Schiff, welches Gottes Wink als ein allmächtiges Ruder lenkt. Wohl dem, der diesen Steuermann im Schifflein seines Herzens hat. Wenn der Herr nicht das Ruder führt, so geht alles mit dem Strom. Wer seine Zunge nicht regieren kann, ist wie ein Reiter auf einem unbändigen Pferde, wie ein Schiffen­ der auf der See ohne Ruder, von Wind und Wetter bestürmt. 5. Go ist auch die Zunge ein kleines Glied, und richtet doch große Dinge an; darum soll man eine große Sorgfalt darauf wenden, und ihr einen gro­ ßen, starken Maulkorb anlegen. Sieh, ein kleines Feuer, welch einen großen Wald zündet es an, und wie viel Unheil stiftet es, wenn man es nicht bei Zeiten löschet? 6. Auch die Zunge ist ein Feuer, das großen Schaden thun kann, eine Welt voll Un­ gerechtigkeit; weil sie alles nttt Mord, Zank, Krieg, faulem Geschwätze, Lästerungen rc. anfüllt. Go be­ findet sich die Zunge unter unsern Gliedern; es ist keine Sünde, der sie nicht zum Werkzeuge dienen kann; sie befleckt, steckt den ganzen Rörper an mit LrbauunaS-uch VIII. t^ttl

10

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Jakobus z, 7—ir.

ihrem Gifte, und entzündet das Rad der Geburt, das ist, die Bewegungen des natürlichen Lebens, das Lebens »Rad, unsern ganzen Lebenslauf, und treibt ihn um, wie ein feuriges Rad, das sich in sich selbst ver­ brennt und vetzehrt; und ist selbst von der Hölle entzündet, indem sie ihr höllisches Feuer durch Zank, Lästerung, Bitterkeit, Zorn, Eifer re» oft genug verräth. 7. Denn alle Naturen der wilden Thiere, der Vögel, der Schlangen und Seethiere können zahm gemacht werden von der menschlichen Na­ tur, durch den Fleiß und die Geschicklichkeit der Men­ schen» 8. Aber die Zunge fordert eine höhere Kraft, die kann kein Mensch zahmen und bändigen; dies unbändige Uebel, voll rödtlichen Giftes. Denn die Zunge ist das gemeine Luftloch unsers verderbten Herzens, aus dem alles Böse quillt, Lüge, Verleum­ dung, Schmähung, Streit, Fluchen, Richten re., kurz, die Sünden der Zunge sind unzählbar und werden we­ nig geachtet. 9. Mit der Zunge loben wir Gott, den Varer ; mit ihr fluchen wir den Menschen, die nach Gottes Bilde geschaffen sind» Aber wie eitel ist der Gottesdienst, das Lob Gottes, wenn e6 dieselbe Zunge hervorbringt, die den Menschen flucht» Wer Gott loben will, soll den Menschen, Gottes Bild, nicht fluchen, oder sein Lob ist Gott ein Greuel, weil es aus einem ergrimmten Herzen aufsteigt. 10. Aus Einem Munde geht Lob (Segen) und Fluch her­ vor, Ja und Nein. Dies, meine Brüder! sollte nicht so seyn; das stimmt so wenig überein, als Christus und Belial» 11. (ClutUc auch aus erner (Quelle süßes und bitteres wasser? Man hat kein Beispiel davon. Es ist ganz gegen die Natur. Wie die Quelle, so das Wasser. Wie das Herz, so das Wort; wie das Wort, so das Herz, aus welchem das Wort kommt. Bittere Worte lassen auf ein bitteres Herz, auf Bit­ terkeit im Herzen schließen. 12. Rann auch, meine Brüder! der Feigenbaum Trauben, oder der wein-

Jakobus Z, 13—15.

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stock Feigen tragen? So kann auch keine Salz­ quelle süßes Wasser geben. Also kann auch ein Heuchler nicht zugleich ein Christ seyn. Wenn das Herz voll von Gott ist, so kann nichts als gutes Wasser, nichts als Göttliches aus demselben kommen; wenn eS aber voll vom Teufel ist, kann nur bitteres und vergif­ tetes Wasser herausquillen. Die Quelle, daö Herz, kann nicht rein seyn, wenn das, was daraus quillt, faul ist. Wenn keine Liebe, kein Friede im Herzen ist, kann es die Zunge nicht bergen. 13. wer ist weise und verständig unter euch? Dies sollte ja doch jeder seyn unter den Christen; wer aber glaubt, er sey es, der zeige durch einen guten Wandel seine werke mir sanftmürhiger Weis­ heit. Denn das ist nicht Weisheit, sagt CbrysostomuS, wenn man nur die Worte Gottes weiß, sondern wenn man nach dem Worte Gottes lebt. 14. wenn ihr aber bittern Neid und Zanksucht statt sanfter Weis­ heit in eurem Herzen habet, so prahlet nicht mit der wahren Religion, als ob ihr Christen wäret, und lü­ get nicht wider die Wahrheit, indem ihr solche un­ christliche, ungereimte Dinge mit dem Christenthume ver­ einigen wollet. Wahrheit ist, was mit GotteS Wort übereinstimmt; Lüge, was davon abgehr. 15. Denn das ist nicht die Weisheit, die von oben herabkömmt, sondern eine irdische, sinnliche, leidenschaftliche, thierische, teuflische. Also giebt es eine doppelte Weisheit, eine von oben Und eine von unten her, aus der Hölle. Das ist die irdische Weisheit deS Fleisches oder Welt-Klugheit. Wenn Hiob Irrthümer redet, wie sie denn in sei­ nen Reden oft vorkommen, hat aber Glauben und Liebe, und seine Freunde reden die gescheutesten Sachen und haben dabei nicht lieb, so hält der Herr doch den Hiob für weise und feine Freunde für Narren. Er nimmt Hiobs Parthei, sieht auf sein Herz und vertheidigt ihn wegen des schwachen, armen, tadelhaften Gesprächs ge­ lt)*

>48

IakobuS 3, 16. 17.

gen alle die Weisen mit aller tiefen Einsicht. Man vergleiche nur Hiobs Reden mit denen von seinen Fein­ den und höre dann Gottes Urtheil: „Ihr habt nicht geredet wie mein Knecht Hiob." Hiob 42, 7. Aber daS wußte Hiob vorher, darum sagte er einmal: „Könnt ich nur vor seinen Richterstuhl kommen, ich wollte wohl gewinnen." Kap» 23, 3. 7. Er kannte seinen Herrn und stand in Herzens-Verbindung, in familiären Um­ gang mit Ihm. Und das ist wahre Weisheit. Gott lieben ist die allerschönste Weisheit, war schon ein altes Sprichwort. Wer sagen kann: „Ich liebe dich von ganzem Herzen rc>, aber ich bin der dümmste unter al­ len, Menschenverstand ist nicht bei mir, ich kann nicht viel sagen, mache dir keine Ehre, wenn ich für dich rede; aber du weißt, es klebt Herz und Sinn an dir rc." — der hat Ihn gewiß auf seiner Seite und ist weiser als alle Weisen. Paulus sagt auch: Macht nur, daß ihr Ihn krieget, achtet alles für Schaden, lasset alles da­ hinten, bis ihr Ihn habt; was noch zu wissen ist, wird euch Gott schon offenbaren. 16. Denn wo Neid und Zanksucht sind, be­ sonders in Religionssachen, da ist Unordnung und lauter Unheil, da wird das göttliche Leben getödtet, wenn doch eines da ist. 17. Die Weisheit aber, die von oben kömmt, ist vorerst rein, keusch, hernach friedeliebend, be­ scheiden, lenksam, nachgiebig, läßt ihr sagen, dem Guten hold, voll Barmherzigkeit und guter Früchte, unpartheiisch, ohne -Heuchelei. Das ist kurz gesagt, die wahre Einfalt, ein Herz, das rein ist von geistlichen Argheiten und tückischen Absichten, das sanft, mild und gelinde ist, das mit sich rauh umgehen lassen, und doch immer kindlich dabei bleiben kann, das fallen kann und schreit nicht, sich stoßen kann und sagt nichts, Mangel und Noth leiden kann, und über nichts klagt; ein Herz, das einfältig und gerade handelt, das lobt, was an sich zu loben ist, und tadelt, was zu

JakobuS Z/18. 4/i. 2.

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tadeln ist, und sich selbst oft scharf tadelt, aber auch an seinem Nächsten nichts lobt, nichts gutheißt, was nichts heißt; hingegen, was schön ist an seinem Bruder, so lobt, daß es sich nicht satt loben kann. Ein Herz, für das Niedrigkeit, Geringheit, Armuth etwas Anzie­ hendes und Majestätisches hat, eine Kraft hat, der es nicht widerstehen kann, weil es ihm gar zu wohl ge­ fällt; hingegen die hohen Sachen sind ihm gar nicht gemüthlich; sobald eine Sache viel Aufsehen macht, viel Erstaunen erregt und Beifall findet bei den Leuten, so hat es schon den Geschmack daran verloren. 18. Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird im Frieden gesäer (wächst) denen, die Frieden hal­ ten oder stiften; und wo im Frieden gcsäet wird, da wird auch im Frieden geärntet. Der Friede des Him­ mels ist nur für die, welche ihn auf Erden lieben.

Das IV. Kapitel. 1. Woher komme Streit und Rrieg unter euch, die ihr Christen seyn wollet? Woher anders, als von euren Lüsten, die in euren Gliedern kämpfen. Lernet diese innern Feinde kennen. Wir klagen einer über den andern, und doch tragt jeder Holz zum allgemeinen Feuer zu. Wir sollen die Waffen ge­ gen uns selber richten, und besonders in der Religion den Krieg nie auswärts führen. 2. Ihr seyd begierig, voll Begierde, Lüsternheit, und habet nichts oder erhaltet nichts; je weniger man verlangt, desto mehr hat man Friede; ihr hastet (mor­ det im Herzen) und neidet, und könnet doch nichts erlangen; ihr gebet euch Mühe um viele Dinge, die keiner Mühe werth sind; ihr streitet und kämpfet und Haber doch nichts, weil ihr nicht bittet und

JakobuS Z/18. 4/i. 2.

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tadeln ist, und sich selbst oft scharf tadelt, aber auch an seinem Nächsten nichts lobt, nichts gutheißt, was nichts heißt; hingegen, was schön ist an seinem Bruder, so lobt, daß es sich nicht satt loben kann. Ein Herz, für das Niedrigkeit, Geringheit, Armuth etwas Anzie­ hendes und Majestätisches hat, eine Kraft hat, der es nicht widerstehen kann, weil es ihm gar zu wohl ge­ fällt; hingegen die hohen Sachen sind ihm gar nicht gemüthlich; sobald eine Sache viel Aufsehen macht, viel Erstaunen erregt und Beifall findet bei den Leuten, so hat es schon den Geschmack daran verloren. 18. Die Frucht der Gerechtigkeit aber wird im Frieden gesäer (wächst) denen, die Frieden hal­ ten oder stiften; und wo im Frieden gcsäet wird, da wird auch im Frieden geärntet. Der Friede des Him­ mels ist nur für die, welche ihn auf Erden lieben.

Das IV. Kapitel. 1. Woher komme Streit und Rrieg unter euch, die ihr Christen seyn wollet? Woher anders, als von euren Lüsten, die in euren Gliedern kämpfen. Lernet diese innern Feinde kennen. Wir klagen einer über den andern, und doch tragt jeder Holz zum allgemeinen Feuer zu. Wir sollen die Waffen ge­ gen uns selber richten, und besonders in der Religion den Krieg nie auswärts führen. 2. Ihr seyd begierig, voll Begierde, Lüsternheit, und habet nichts oder erhaltet nichts; je weniger man verlangt, desto mehr hat man Friede; ihr hastet (mor­ det im Herzen) und neidet, und könnet doch nichts erlangen; ihr gebet euch Mühe um viele Dinge, die keiner Mühe werth sind; ihr streitet und kämpfet und Haber doch nichts, weil ihr nicht bittet und

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JakobuS 4, z.

bei Gott suchet, was euch selig machen könnt«; so seyd ihr arme Leute, die ihr Leben in lauter Mißvergnügen und unbefriedigten Begierden zubringen. 3. Ihr btt« tet zwar wohl, aber ihr erhaltet doch nichts und betet umsonst; warum das? weil ihr übel bittet, in einer schlechten Absicht, daß ihr es mit euren Wol­ lüsten verzehret; weil ihr übel umgehen würdet mit GotteS Gaben. £) was würden die Menschen alles treiben, wenn Gott alle ihre Wünsche und Gebete er­ hörte! Nicht alles Gebet ist ein Gebet, oft auch daS um die Seligkeit nicht; die Eigenliebe thut oft so einen Seufzer; es entsteht im Gemüthe ein Verlangen, an­ ders zu seyn, ohne daß man auf die Wege voraus denkt, die Gott alsdann mit uns gehen möchte, noch auf die Sache selbst, worauf es beim Seligwerden ankömmt. Fällt einem das ein, so wird man ganz bestürzt. Es ist nicht wahrer Ernst. ,,Ihr habet nichts, hieß es zuvor, weil ihr nicht bittet. Ihr bittet und krieget nichts, heißt es nun, weil ihr nicht recht bittet." Mancher betet nur aus Gewohnheit, daß es heiße, er hat auch gebetet. Einige bitten zwar, lassen aber nichts davon an sich erfüllen oder wahrmachen, sondern widerstreben Gott. Sie bitten um Erlösung und hän­ gen der Sünde an. Wenn ein Kind zu seinem Schaden etwas bittet, so verdenkt es niemand dem Vater, wenn er es ihm nicht giebt. Wir erhalten bei Gott allezeit, was wir immer im Glauben bitten; und wenn wir es nicht er­ halten, so gehört es uns nicht. Wenn unser Gebet dem Sinne des Heilandes nicht gemäß ist, so können unsere Buten und Gedanken nicht eintreffen. Ein Kind Gottes muß ganz anders bitten, als eine andere Kreatur. Bisweilen kann das Gebet einer sol­ chen erhört werden, und das eines Kindes Gottes nicht, wenn es um dieselbe Sache bittet; ja cs kann nicht nur nicht erhört werden, sondern noch dazu Schläge bekommen, wenn es so bittet wie andere Kreaturen.

JakobuS 4/4»

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4. Ihr Ehebrecher und Ehebrecherinnen! (Jer. 3,1. 13,27.) wisset ihr nicht, daß die Freund, schäft dieser Welt Gorces Feindschaft ist? wer demnach der Welt Freund seyn will, der wird Gottes Feind. Das ist ein gewisses Kennzeichen, daß eine Seele nicht mit dem Heilande verbunden ist, wenn sie die Welt liebt. Die General-Regel aller Kinder Gottes ist, gehaßt werden von allen Nationen, sagt der Hei­ land. Sie haben blos mit solchen Leuten Freundschaft, die entweder auf dem Wege sind, das zu wollen und zu suchen, was sie haben, oder die ihr Sünden-Elend fühlen, ob sie gleich weder Kraft noch Muth haben,, sich herauszureißen, aber doch den für selig halten, der heraus ist. Außer diesen Leuten haben die Kinder Got­ tes lauter Feinde, und sind wahrhafte Schafe unter den Wölfen. Daher sollen sie sich von der Welt nie etwas Gutes versprechen, sondern alle Widrigkeiten, die ihnen begegnen, als vermuthete Sachen ansehen. Wenn etwas wider ihr Vermuthen geschieht, so sind es gute Um­ stände. Seelen, die so wehmüthig und mileidig mit sich selbst sind, und immer gut Freund mit der Welt bleiben wollen, um allen Leiden und allem Haß der Welt auszuweichen, verderben allezeit die Sache des Heilan­ des ; sie sehen zu viel auf das, was diesem oder jenem gut scheint. Diese nennt Jakobus ehebrecherische, hu­ rerische, falsche Gemüther, weil sie zugleich Christo an­ hangen und in der Ehe seiner Liebe leben, und doch auch mit der Welt buhlen, den Menschen gefallen wol­ len. Wer es aber mit der Welt nicht verderben will, der verdirbt es mit Gott. Daher ist es ein großes Un­ glück, Ungnade und Zorn Gortes, wenn ein Christ, be­ sonders ein Lehrer oder Geistlicher, bei der Welt in An­ sehen, Würden, Ehre, Frieden und Freundschaft steht. Webe denen, die dieses selbst suchen oder nicht fahren lassen wollen! denn sie werden Verrälher an Gott und Gottes Kindern. Wer sich noch vor Verachtung und

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JakobuS 4, 5—7»

Feindschaft oder Haß der Welt fürchtet, der taugt nicht ins Reich Gottes. Wer also nicht Gottes Feind wer­ den will, der muß der Welt Feind seyn. Gottes und der Welt Freund zugleich kann er schlechterdings nicht seyn. Entweder — oder. Da gilt kein Hinken auf beiden Seiten; das ist Hurerei und Ehebruch. 5. Oder meinet ihr, die Schrift sage um­ sonst: Der Geist, der in uns wohnt, gelüstet wi­ der den -Haß, wie Gal. 5,17., oder: der Geist, der in euch wohnt, liebt, verlangt nach euch bis zur Eifersucht, wie ein Liebhaber oder ein Ehemann oder Bräutigam, wenn er merkt, daß seine Braut ihn nicht allein liebt. Wer sich mit Jesus nicht allein begnügen kann, der ist nur ein gelernter Freund, der hat den Umgang mit Ihm studirt oder studirl noch daran. Er kann es nicht vertragen, daß wir Ihn und die Welt zugleich lieben. Er will das Herz allein haben. 6. Wollte jemand einwenden: Das ist nicht möglich, so antwortet Jakobus: Es ist wohl eine große Forderung von Gott; aber Er giebt wohl noch größere Gnade denen, die nicht hassen. Darum heißt es: Gott wi­ dersteht den -hoffärtigen, die Ihm seine Gnade las­ sen und seine Ehre rauben wollen; den Demüthigen aber, die herzukriechen, giebt Er Gnade, so viel sie wollen und brauchen. Die Wasser strömen nicht auf hohe Berge, sondern in die Thäler. 1. Unterwerfet euch also Gott, beuget euch; demüthiget euch, ergebet euch Ihm wie eine Braut, seyd unterthänig wie ein Weib ihrem Manne, weil Er so eifersüchtig ist. Widerstehet dem Teufel, der euch von Golt zur Welt ziehen will; weiset ihn nur an das Lamm und fliehet zu dem Lamme, so flieht er von euch; denn das fürchtet er. Das har ihm den Pro­ zeß abgewonnen, das hat ihn überwunden. Er murrt zwar gegen die Kinder Gottes; er geht herum wie ein mürrischer, brüllender Löwe, und sucht, wie er wieder eines bekomme; aber wo er Glauben und Widerstand

Jakobu- 4, 8.

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findet, da macht er es kurz, da flieht er. Das Lamm ist sein Meister, vor dem kann er nicht stehen. Wer fich darauf berufen kann, wer mit dem Lamme Eins ist, der darf kühn sagen: Hebe dich weg, Saran! Wer gegen die Anläufe des Satans bestehen, daS Feld behalten will, sehe auf Jesum, der den Versucher dreimal überwunden und dadurch den Fall Adams als die größte Sünde verdammt hat, daß man nicht mehr sagen könne, der Mensch habe sich nicht helfen können, er habe fallen müssen. Denn der Heiland, der damals nicht im göttlichen Eharakter agirte, sondern sich selbst ausgelecrt und als ein gewöhnlicher und zwar sehr fron* ker und schwacher Mann dagestanden hat, in der tief­ sten Erniedrigung, nach 40tägiger Entkräftung, bewies, daß der Mensch selbst im Stande ist, aller Macht und List des Versuchers zu widerstehen und den Sieg zu behalten durch das einfältige Anhängen an dem Worte Gottes. Es ftehr geschrieben, war die Losung; und: wiederum steht geschrieben. Matth. 4, 6.7. Wenn unsere ersten Eltern auch fein dabei geblieben wären: „Es ist uns gesagt; wiederum, es ist auch gesagt," so wäre es nie zum Fall gekommen durch Satans Neid. Der Mensch mußte nicht und muß nicht fallen. Wer den zweiten Adam im zweiten Paradiese, in der Wüste betrachtet, wie er in der Stille, ohne Geschrei, ohne Prollamation vom bevorstehenden Kampfe zu ma­ chen, das große Geschäft ausführt, den Handel für Gott und uns gewinnt mit dem bloßen Schwerte des Wortes Gottes, der kann nicht mehr glauben, daß Gott die Ursache des Bösen sey, sondern des Menschen freier Wille, weil er nicht beim Worte bleibt, daS Wort nicht festhält. 8. Nahet euch zu Gott, so naht Er sich zu euch! Ihr habt nicht nöthig, nach Ihm zu rennen und zu laufen; ihr dürfet nur seinem Erbarmen stille halten. Er wird euch schon selber ziehen; Er wird euch schon ans Herz kommen, und eine Gnadenstunde nach

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Jakobus 4, 9. 10.

der andekn erscheinen lassen. 0 daß ihr nur zu Haase wäret, Ihn anhörtet und endlich aufnähmet l Thut Ihm nur die Schande nicht an, daß ihr Ihn abwei­ set oder Ihm davon laufet; Er mag euch auf dem F.Ide oder in der Kammer, in der Stube oder in der Werksiätte, bei der Arbeit oder im Bette seinen Zug, seine Nähe fühlen lassen. — Wenn wir zu Gott Einen Schritt machen, so geht Er uns hundert entgegen. Es ist ein Hauptskrupel der meisten Seelen, daß sie meinen, sie dürfen dem heiligen Gott nicht nahe kom­ men, Er wolle es nicht haben. Er könne sie nicht lei­ den. Aber da sagt es uns der Apostel anders: Kom­ met nur, nahet euch Ihm nur, und reiniget bei Ihm und durch seine Gnade und Nähe eure -Hände, ihr Sünder! vergesset aber das Herz nicht; heiliget auch eure Herzen, ihr Doppelherzige, Wankelmüthige, Zweifelnde! die ihr mit Christo und Belial theilen, und beiden eure Herzen zugleich schenken wollet. 9. Fühlet euer Llend, trauert; denn selig sind die Trauernden (Matth. 5.), und weinet, daß ihr Gott so oft beleidiget, und daß in euch und andern so viel Sünde und Elend ist; euer Lachen, wozu ihr in eurem Zustande keine Ursache habet, verwandle sich ineinen, Klagen, und eure Freude, die nicht in Gott gegründet ist, in Traurigkeit, Niedergeschlagen­ heit; denn Gott liebt die zerbrochenen Herzen.

10. Demüthiget euch vor dem Angesichte des Herrn, so wird Er euch erhöhen. Viele Leute haben eben nichts gegen die Wahr­ heit und sind dem Teufel auch nicht gut; aber sie sind zu hochmüthig, als daß sie glauben sollten; sie schämen sich. Als Rhadbor, Fürst der Wenden, seinen Fuß zur Laufe nach damaliger Art schon ins Wasser gesetzt hatte, so that er an den Täufer noch die Frage: „Ist mein Vater im Himmel? " Nein, sagte der Bischof. „Ist mein Großvater im Himmel?" Nein! „Und das wa­ ren so tapfere Helden!" Ja, sagte der Bischof, sie

JakobuS 4, ii —13«

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sind darum doch nicht im Himmel. Da sprach er: „So will ich auch nicht hinein," und stieg wiederaus dem Wasser heraus. Es glaubt niemand, wir tief der stolze Sinn, der sich nicht beugen will, in unserer Natur steckt. Der Mensch scheut bei der Bekehrung nichts mehr, als die Schmach, die Demüthigung; darum verschiebt er es von Jahr zu Jahr und stirbt endlich darüber, weil er zu hochmüthig ist und sich die Schmach nicht gefallen las­ sen will, an Jesum zu glauben, und sich tn der Welt nachsagen zu lassen: „Der vernünftige und gelehrte, der wackere und ordentliche Mann glaubt nun auch, was er nicht sieht, ist nun auch ein Schwärmer geworben, und hat sich mit der einfältigen Sache eingelassen." Wer sich aber zu dieser Erniedrigung und Schmach nicht verstehen kann, wird nicht erhöht werden. 11. Verleumder einander nicht, Brüder! Redet einander nicht übel nach, wozu eine so große Neigung im Menschen ist. wer seinen Bruder Ver­ leumder und seinen Bruder richtet, weil er nicht so wie er ist, der verleumdet das Gesetz. DaS Gesetz verbietet Afterreden und Urtheile, 2. Mos. 20,16. Matth. 7, 1. Wer also andere richtet, beleidigt da­ durch selbst das Gesetz und tadelt des Gesetzes Nach­ sicht. wenn du aber das Gesetz richtest, so bist du kein Thäter, sondern ein Richter des Gesetzes, als wenn du darüber Meister wärest. Ueberlaß du das dem Gesetze, es wird ihn schon richten; das Gesetz ver­ dammt jeden, der es übertritt; es hat deiner Dienste nicht nöthig. 12. Es ist nur Ein Gesetzgeber und Richter, der verdamnien und selig machen, erretten und verderben kann; dem darsst du nicht in sein Amt greifen, wer bist du, daß du deinen Nächsten richtest? Bist du nicht auch ein Sünder? So hast du vor deiner Thüre genug zu kehren.

13. Wohlan nun, ihr, die ihr saget: -Heute oder morgen wollen wir in diese oder jene Scadc

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Jakobus 4, 14— !?♦

geben, und dort ein Jahr zubringen, und -Han­ del treiben und gewinnen. Als wenn ihr ohne Got­ tes Rath und Willen etwas unternehmen könntet und dürftet. Da heißt es gar oft: Du Narr! diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern! Wo willst du dann morgen hin? 14. Ihr wisset ja nicht, was morgen seyn wird. Denn was ist euer Leben? Ein Dunst, der eine kleine weile erscheint, sicht­ bar ist, und dann verschwindet. Die Hälfte deS Lebens frißt der Schlaf, den dritten Theil der Unver­ stand der Jugend und die Gebrechlichkeit des Alters. Das klebrige nehmen Nahrungssorgen, unnütze Ge­ spräche, Besuche r,c. hinweg. 15. Ihr sollet vielmehr sagen: So der Herr will und wir leben, so wollen wir das und das thun. Ihr solltet es dem anheimstellen, der erst sein Jawort dazu geben muß, in dessen Hand unsre Zeit und alles liegt. 16. Aber so prahlet ihr in eurem Uebermuthe, großsprecherischen Prahlereien, und bedenket nicht eure Nichtigkeit. All dies prahlen ist verderblich, weil Gott dabei aus dem Auge gesetzt wird; es ist aber doch so gewöhnlich und die Blindheit der Menschen so groß, daß sie Anschläge fassen ins Weite hinaus, als wenn sie hier ewig leben würden und ihr Leben von ihrem Willen abhinge. 17. wer also weiß, Gutes zu thun, und thut es nicht, dem ists Sünde. Und damit macht St. Jakob einen Strich durch alle Tugend und Gerechtig­ keit, alle, auch die Besten, zu Sündern ; denn auch der Gläubige, der in allen Dingen treulich nach der Regel handeln und durch Gottes Kraft nichts unter­ lassen möchte- was der Heiland haben will, thut doch nie alles, was er thun sollte oder was er zu thun wüßte. Jeder weiß mehr Gutes, als er thut. Keiner thut alles, was er selbst glaubt, es sollte noch geschehen, und was er noch gerne thun möchte, indem sein Geist

JakobuS 5, i—4»

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willig dazu wäre; aber sein Fleisch kann nicht nach. Darum bleiben wir alle, allezeit, bei allem Fleiße und bei aller Treue, Gott noch unendlich viel schuldig. Worüber wir unS nicht trösten und beruhigen könnten, wenn nicht Einer für uns alle alles gethan, erfüllt und bezahlt hätte.

Das V. Kapitel. 1. Wohlan, ihr Reichen! weinet und heulet über euer Elend, das über euch kommen wird. DaS sollen sich die Reichen aufs Grab schreiben lassen, wenn sie es im Leben nicht zu Herzen nehmen wollen. Was wird denn aber kommen über die Reichen? 2. Euer Reichthüm, der euer Gott und Himmel ist, verfault, und euch selbst gehr es nicht besser; eure Rleider, die eure innere Blöße und Armuth deckten, werden von Motten gefressen, und ihr werdet dann bloß und arm und jämmerlich da stehen, weil ihr lie­ ber den Würmern und Motten Speise bereitet habet, als den armen Gliedern Christi. 3. Euer Gold und Silber wird vom Roste gefressen, weil ihr es so ohne Gebrauch liegen ließet; die Armen hätten es euch besser erhalten und vor Rost bewahrt; der Rost desftlben wird zum Zeugniß wider euch seyn, daß ihr geizig und Götzendiener wäret; er wird euer Fleisch wie Feuer fressen. Ihr hättet euren Reichthum zu Wasser machen sollen, um dieses Feuer zu löschen. Schürze des Zorns sammelt ihr euch auf das Ende der Tage. Das sind ganz andere Schätze, als die euch der Heiland empfiehlt. Matth. 6, 19. 4. Sieh, (was Gottes Auge bemerkt an den Rei­ chen!) der Lohn der Arbeiter, die eure Felder cin> geärndrer haben, welcher von euch vorenkhalten

JakobuS 5, i—4»

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willig dazu wäre; aber sein Fleisch kann nicht nach. Darum bleiben wir alle, allezeit, bei allem Fleiße und bei aller Treue, Gott noch unendlich viel schuldig. Worüber wir unS nicht trösten und beruhigen könnten, wenn nicht Einer für uns alle alles gethan, erfüllt und bezahlt hätte.

Das V. Kapitel. 1. Wohlan, ihr Reichen! weinet und heulet über euer Elend, das über euch kommen wird. DaS sollen sich die Reichen aufs Grab schreiben lassen, wenn sie es im Leben nicht zu Herzen nehmen wollen. Was wird denn aber kommen über die Reichen? 2. Euer Reichthüm, der euer Gott und Himmel ist, verfault, und euch selbst gehr es nicht besser; eure Rleider, die eure innere Blöße und Armuth deckten, werden von Motten gefressen, und ihr werdet dann bloß und arm und jämmerlich da stehen, weil ihr lie­ ber den Würmern und Motten Speise bereitet habet, als den armen Gliedern Christi. 3. Euer Gold und Silber wird vom Roste gefressen, weil ihr es so ohne Gebrauch liegen ließet; die Armen hätten es euch besser erhalten und vor Rost bewahrt; der Rost desftlben wird zum Zeugniß wider euch seyn, daß ihr geizig und Götzendiener wäret; er wird euer Fleisch wie Feuer fressen. Ihr hättet euren Reichthum zu Wasser machen sollen, um dieses Feuer zu löschen. Schürze des Zorns sammelt ihr euch auf das Ende der Tage. Das sind ganz andere Schätze, als die euch der Heiland empfiehlt. Matth. 6, 19. 4. Sieh, (was Gottes Auge bemerkt an den Rei­ chen!) der Lohn der Arbeiter, die eure Felder cin> geärndrer haben, welcher von euch vorenkhalten

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JakobuS 5, 5—9.

oder abgekürzt worden, schreiet wider euch gen Him­ mel, und dieses Geschrei der Schnitter, als eurer Ankläger, dringet hinauf zu den Öhren des Herrn der Heerschaaren. So fürchtet euch doch, ihr Rei­ chen und Großen der Welt! und scheuet euch vor Gott, daß niemand über eure Härte seufzet! Denn wie muß es dem Schöpfer seyn, wenn er seine Geschöpfe von andern Geschöpfen, die sie hätten unterstützen und trö­ sten sollen, gedrückt, beraubt und elend gemacht siebt! 5. Ihr schwelget auf Erden und lebet in Wol­ lüsten; eure-Herzen mästet ihr wie zum Schlacht­ tage, wo es über die fetten Ochsen und Schweine geht. 6. Ihr verurtheilet, ihr rödcer den Gerechten, und er widersteht euch nicht. Ihr spielet den Meister auf Erden, so lange Christi Reich ein Kreuz-Reich ist, und weil die Gedrückten und Armen schweigen und lei­ den, so glaubet ihr, das volle Recht dazu zu haben. 7. Seyd also geduldig, Brüder! und lasset euch die Geduld nicht ausgeben, bis auf die Zukunft des Herrn; da wird sich alles verändern, da wird der Reiche arm und der Arme reich, der Große klein und der Kleine groß rc. werden. Sieh! der Landmann wartet auf die köstliche Frucbc des Feldes; er Har­ rer geduldig, bis er den Früh- und Gpär-Regen erhält. Euer Leiden wird auch seine Frucht bringen; die mit Tbränen säen, werden mit Freuden ärndten. 8. So seyd auch ihr geduldig, und lasset euch vom Landmanne nicht zu Schanden machen; stärket eure Herzen durch Glaube und Hoffnung, denn die Ankunft des Herrn und der Tag der Vergeltung ist nahe, wo der Herr eure Thränen abwischen und eure Leiden in Freude verwandeln wird. 9. Seufzet nicht wider einander ungeduldig und rachgierig, Brüder! damit ihr nicht gerichtet werdet! Sieh, der Rich­ ter steht vor der Thüre! greifet ihm nicht vor. Un­ ter Christen sind noch so viele Klagen über Brüder. DaS ist ein Sauerteig, der ausgefegt werden muß.

Jakobus 5, io. ii.

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Denn wie ich einen andern haben will, und deswegen zu Gotk seufzend mich beklage, so zielle ich mir selbst das Urtheil über den Hals und zeige Gott, wie Er es mit mir machen soll. 10. Zum Beispiele der ausharrenden Geduld im Leiden, meine Brüder! nehmet die Prophe­ ten, welche im Namen des Herrn geredet Haden; die waren doch so gut als du. Und was haben sie leiden müssen! 11. Sieh, wir preisen die Dulder selig. Also muß eine Seligkeit im Leiden seyn. Chrysostomus sagt, er wolle lieber mit Paulus in der Kette gchen, als mit den Engeln in der Herrlichkeit stellen. Bernardus spricht: „Wer geduldig und freundlich ist, wenn ihm Unrecht geschieht und man ihm hart begegnet, ist höher zu ach­ ten, als wer täglich in den dritten Himmel entzückt ist. Die Kraft der Geduld ist besser als die Gabe, Todte aufzuwecken." — Von Hiobs Geduld habt ihr gehöret. Jakobus lobt auch die Geduld Hiobs, wie Gott selbst seine Reden gegen seine Freunde in Schutz nahm, in­ dem Er wohl das, was Hiob in der Perplexität gesagt hat, auf die Seite stete und ihn bloß nach dem, was der Ausdruck seines Herzens war, beurtheilte. Denn wenn der Fromme aus Zulassung Gottes in der Ver­ wirrung redet und Nein statt Ja sagt, so nimmt der Liebhaber der Menschen die Worte nicht, wie sie klin­ gen. Die weisen Leute, seine Freunde, die lauter Teosophie redeten, hat Gott stecken lassen und an den Mann verwiesen, den sie für einen Rebellen Algen Gott an­ sahen, und gegen den sie Gott in Schutz nehmen zu müssen glaubten. „Ihr habt nicht recht von mir geredet, sagte er zu ihnen, wie mein Knecht Hiob." (42,7.) Das hat Gott so ernstlich gemeint, daß Hiob ihr Mitt­ ler bet Gott seyn mußte. Woher kommt das? Hiob war ein Freund Gottes, der mit Gon im Bunde stand, der Mann Gottes zu seiner Zeit. Das Unglück, das

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Jakobus s, n.

ihm begegnete, bezog sich auch auf Gott, und in den ersten Bewegungen seines Gemüthes konnte er sich gut darin finden. Darnach kamen Prüfungen und Mensch­ lichkeiten darein; sie waren aber nicht bleibend, sondern daß Ende war wieder wie der Anfang, lauter Erge­ bung. Da Hiob daß Unglück hörte, so sagte er im er­ sten Affekt, ehe er noch ins Raisonniren oder ins Fa­ beln kam: der Herr hats gegeben rc., Gott hats ge­ than! wohlgethan! Als es aber aufs äußerste kam, und er so alles zusammen litt, was einem Einzeln zu viel wäre, so war ihm nichts unerträglicher als das un­ nütze und unerfahrene Büchergeschwätz über Gott und göttliche Dinge, womit ihn seine Freunde theils trö­ sten, theils tadeln wollten. Da seufzte und klagte er — und aufgereizt vom elenden Gewäsche seiner Freunde sprach er viel zu viel — aber er lenkte wieder ein, und Gott kannte sein Herz, das, wenn es gleich im Schmerz zu viel redete, doch Gott ergeben war und blieb bis ans Ende. Darum.sieh du auf die Geduld, nicht auf die Ungeduld Hiobs — und vor allem auf Jesum. — Und das Ende, den Ausgang, hcn der Herr den Leiden Hiobs gegeben, oder: das Leiden und den Tod des -Herrn habt ihr gesehen, wie es sich mit Herrlichkeit endigte. Es ist hohe Nothwendigkeit, daß wir die menschliche Schwachheit, Niedergeschlagenheit und Betrübniß des Heilandes nicht läugnen, oder etwas anderes darin suchen, als daß sie verdienstlich sind, und wir seine Geduld und sein Ende recht ansehen sol­ len. Denn wissen wir, wie es Ihm ergangen, in welche Schmach, betrübte Umstände und Kämpfe Er vor Gott und Menschen gerathen ist, so kann uns das zur Er­ munterung dienen, gerne elend und verlassen zu seyn. — Denn der Herr ist mitleidig und voll Er­ barmen, voll herzlicher Liebe. DaS hat ja Ionas schon gesagt: Ich habe wohl gewußt, daß du so barmherzig bist, daß mit dir gut auszukommen ist; du hast mich hingeschickt, daß ich Untergang und Fluch predigen soll;

nun

Jakobus 5, 12—15»

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nun hältst du es fein nicht. Und so ists, Liebe und Erbarmen ist sein Element. 12. Vor allen Dingen, meine Brüder! schwö­ ret nicht, weder beim Himmel, noch bei der Erde, noch irgend einen andern Eid, sonst üblichen Schwur im gemeinen Leben. Euer Wort sey: Ja Ja und Nein Nein, damit ihr nicht ins Gericht oder Heuchelei fallet. Dies stimmt genau überein, was Matth. 5, 34.37. genug erklärt worden ist. Die er­ sten Christen nahmen diese Worte ohne Einschränkung auf den Eid bei Kreaturen, und eben daran wurden sie von den Heiden erkannt, weil sie keinen Eid bei Krea­ turen schwören wollten. 13. Ist jemand unter euch traurig, so bete er. Das Leiden ist eine Peitsche, die die Seele näher zu Gott treibt und das verirrte Schaf heimjagt; es ist auch der Ruf des Hirten, womit er das Schäflein zu sich lockt. Ist er fröhlich, so singe er Loblieder. Wenn der Geist des Lobes und der Liebe zum Herrn voll ist, da geht auch der Mund davon über. Als die zwei Märtyrer, Marcellus und Marccllianus, an ein Holz aufgehängt wurden, sangen sie fröhlich mit einander: Sieh, wie fein und lieblich ists, wenn Brüder einträch­ tig bei einander sind! Also ist es auch nicht verboten, im Leiden zu singen. Paulus und Silas thaten es ja auch im Kerker. Apostelgesch. 16, 25. 14. Ist jemand krank unter euch, so rufe er die Aeltesten der Gemeine zu sich, daß sie über ihn beten und ihn mit Oele salben im Namen des Herrn. Man sieht daraus, daß die Gabe, gesund zu machen, nicht nur den Aposteln, sondern auch an­ dern Kirchenvorstehern mitgetheilt war, wenn sie den Kranken die Hände auflegten, sie salbten und über sie beteten. Mark. 6, 13. Denn Jakobus sagt weiter: 15. Denn das gläubige Gebet wird den Rraoken retten, gesund machen; wohl gemerkt! dem gläu­ bigen Gebet, nicht dem Oele oder Maul-Gebet wird 8t6«umig66lKf) VIII. E6eil.

11

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Jakobus 5, i6.

die Heilung zugeschrieben, und der -Herr wird ihm aufhelfen, und wenn er in Sünden ist, durch die er sich etwa die Krankheit zugezogen, so werden sie ihm ver­ geben werden; versteht sich, wenn er Reue darüber fühlt. 16. Bekenner daher einander eure Sünden, und betet für einander, damit euch geholfen werde. Es ist eine große Weisheit, daß man, besonders in be­ denklichen Jahren, ja nichts Bedenkliches und Zweifel­ haftes für sich allein behalte, sondern sich gleich durch Offenherzigkeit am gehörigen Orte frei- und lossage; das Geringste, was gefährlich ist, verklage, und bei be­ währten Brüdern, die dergleichen Proben überstanden haben, Rath suche, daß sie für uns beten, damit wir gut durchkommen. Wir brauchen Gehülfen unseres Leidens und unserer Freuden im geistlichen so gut, als bei leiblichen Zufällen; Leute, die uns unsere Schmer­ zen und unsere Lasten tragen helfen, vertraute Freunde, denen wir unser Herz sagen können, die sich unsertwe­ gen mit dem Heilande besprechen, und uns ihre Erfah­ rung mittheilen, oder was ihnen der Heiland für uns gegeben hat. Diese und noch zehn andere Ursachen sind da, warum man offenherzig seyn soll. Ein Mann muß sich nicht träumen lassen, daß ihm seine Frau al­

les sagen soll, was sie mit dem Heilande hat. Unsere Fehler und Gebrechen sollen wir aber treuen Herzen sagen, und gewissermaßen alle Winkel im Herzen durch­ suchen, damit man uns ja recht kenne, und keine zu guten Gedanken von uns habe, und sich nicht in etwas auf uns verlasse oder uns schone, darüber mir heilsam zurecht gewiesen werden sollten. Da kann die Ver­ traulichkeit nicht groß genug seyn, da muß man wün­ schen, daß das Herz Fenster hätte, damit man nicht erst reden dürfte. — Denn viel vermag das Geber des Gerech­ ten und kann Wunder wirken, wenn es anhaltend und kräftig, inbrünstig, ernstlich ist. O, wie groß ist die Kraft des Gebetes eines Gerechten! (heißt cs im

Jakobus 5, 17—20,

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Syrischen und Arabischen). 17. Elias war ein Mensch, den» Leiden und gleichen menschlichen Schwachheiten unterworfen, wie wie, und er betete, daß es nicht regnen sollte, und es regnete nicht im Lande drei Jahre und sechs Monate. 18. Er betete wie­ der, und der Himmel gab Regen und die Erde brachte Frucht. 1. Kön. 18. Das ist eine Antwort auf den Einwurf: Ja, wenn ich so und so heilig wäre, da wollte ich auch beten. Da versichert uns der hei­ lige Geist, daß die Heiligen auch schwache Menschen waren, wie wir, und daß sie Gott nicht um ihrer Ver­ dienste willen, sondern um seiner Barmherzigkeit willen erhört habe. 19. Meine Brüder! wenn jemand aus euch von der Wahrheit abgewichen wäre, welches Gott verhüten wolle! und es bekehrte ihn einer, 20. der soll wissen, daß, wer den Sünder von seinem Irrwege zurückholt, eine Seele vom Tode erret­ tet, und die Menge der Sünden bedeckt. Das ist also das Hauptstück der wahren Liebe, wenn man eine Seele errettet, daß ihre Sünden von Gott weg­ genommen und in die Tiefe des Meeres gesenkt wer­ den. Nichts Besseres kann man einem andern nicht erweisen. Nach der heutigen antichristischen Denkungs­ art hilft man einem solchen Erretter lieber selber zum Tode oder in die Bande, oder zum Thor hinaus; und doch unter dem geschmückten Deckmantel, ihn, den irri­ gen Bruder, von seiner Ketzerei wieder zur vorigen Gleichförmigkeit des lauen Christenthumes zu bringen, das darin besieht, daß man immer beichtet und nie Vergebung der Sünden glaubt und hat, sondern alle in Sünden und Weltliebe fortleben läßt, wenn sie nur deichten.

Erster Brief des Apostels Petrus Vorrede. dieser Brief des Apostels Petrus ist, wie man glaubt, im I. Christi

60 oder 61 an mehrere Christen-Gemeinen in Kleinasien geschrieben.

Ob Petrus diesen Brief wirklich in Babylon, der alten, großen, am Euphrat gelegenen Hauptstadt deS babylonischen Reiches geschrie­ ben habe, wie sich Kap. 5,13. vermuthen läßt, oder ob er das neuere Babylon am Tigris gemeint habe, das sonst auch Seleucia genannt wird, und etwa eine Tagreise von dem alten Babylon entlegen war, oder ob unter diesem Babylon Rom verstanden werden müsse, weil auch in der Offenbarung Johannes 17, 9. biese Stadt, welche auf sie­ ben Bergen erbaut ist, geheimnißweise Babylon genannt wird; das mögen alles die Kritiker entscheiden; wir wollen nicht streiten, w o er geschrieben hah sondern lieber betrachten, was er geschrieben hat.

Das I. Kapitel. 1. Petrus, ein Apostel Jesu Christi. Mehr will Petrus nicht seyn noch heißen, als ein Apostel Christi, und das ist wohl auch genug und viel mehr, als was Menschen aus sich selbst machen. Den auserwählren Fremdlingen, die da zerstreut leben in Pontus und Galarien, Rappadocien, Asien und BithMen. Das ist der Zustand der wahren Gläu­ bigen auf Erden, der Kirche Jesu, des geistlichen Lei-

Erster Brief des Apostels Petrus Vorrede. dieser Brief des Apostels Petrus ist, wie man glaubt, im I. Christi

60 oder 61 an mehrere Christen-Gemeinen in Kleinasien geschrieben.

Ob Petrus diesen Brief wirklich in Babylon, der alten, großen, am Euphrat gelegenen Hauptstadt deS babylonischen Reiches geschrie­ ben habe, wie sich Kap. 5,13. vermuthen läßt, oder ob er das neuere Babylon am Tigris gemeint habe, das sonst auch Seleucia genannt wird, und etwa eine Tagreise von dem alten Babylon entlegen war, oder ob unter diesem Babylon Rom verstanden werden müsse, weil auch in der Offenbarung Johannes 17, 9. biese Stadt, welche auf sie­ ben Bergen erbaut ist, geheimnißweise Babylon genannt wird; das mögen alles die Kritiker entscheiden; wir wollen nicht streiten, w o er geschrieben hah sondern lieber betrachten, was er geschrieben hat.

Das I. Kapitel. 1. Petrus, ein Apostel Jesu Christi. Mehr will Petrus nicht seyn noch heißen, als ein Apostel Christi, und das ist wohl auch genug und viel mehr, als was Menschen aus sich selbst machen. Den auserwählren Fremdlingen, die da zerstreut leben in Pontus und Galarien, Rappadocien, Asien und BithMen. Das ist der Zustand der wahren Gläu­ bigen auf Erden, der Kirche Jesu, des geistlichen Lei-

it Petrus i, 2.

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beS, dessen Haupt Christus ist; sie sind Fremdlinge, aber Auserwählte; sie leben zerstreut hin und her; es ist eine Diaspora; Seelen, die sich durchs Wort, durch die Stimme Jesu hie und da haben wecken lassen zum Le­ ben, die nach dem Heile begierig sind, die den Heiland lieben, und die einmal von Morgen und Abend, von Mittag und Mitternacht kommen und mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische sitzen werden. Die sind die wahren Glieder des lebendigen Leibes Christi, die niemand kennt, weil sie in aller Welt zerstreut sind und ihr Haupt im Himmel haben. Das ist die Fülle deß, der alles in allem erfüllt. Eph. 1, 23. Darin Er ge­ setzt hat Apostel, Propheten, Zeugen in allerlei Spra­ chen, Ausleger seines Sinnes, Knechte, die seinem Wil­ len dienen, die nicht gebunden sind an einen Stuhl, Sih, Platz, Ort, an eine Stadt oder an ein Land; sondern die sich von Herzen freuen, wenn sie weiter ge­ stoßen werden, wenn sein Feuer allenthalben brennt. Was mit den übrigen geschieht, die da festsitzen, und das Reich und die Herrschaft haben, die sich Kinder und Herrn des Reiches nennen, das steht schon im Buche geschrieben. Matth. 8, 12. 2. Nach der Vorsehung des Vaters ist die ewige Gnadenwahl und Auserwählung geschehen, nicht aus unbedingtem Rathschluffe, durch die -Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Besprengung des Blutes Jesu Lhrifti. 2. Mos.24,8. 4. Mos. 31,23. Wenn unsere Herzen mit dem Blute Jesu besprengt werden, wenn die Predigt von dem blutigen Schweiße und der Todesangst Jesu uns trifft und ergreift, so macht es uns zittern und beben, daß man vergehen möchte; wenn es einem aufs Herz fällt, wie der (Sott aller Welten geweint, geklagt, gejammert, Blut ge> schwitzt hat, und bis zum Tode betrübt war wegen unser. Aber eben dadurch werden selige, gesunde und fröhliche Herzen bereitet. Denn das nimmt alles noch übrige Gift, Elend und Unreinigkeit hinweg, und macht

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i. Petrus i, z—5.

Leute, die sich ihrer Gnade, Seligkeit und ihres Frie­ dens immer bewußt sind. — Gnade und Friede vermehre sich in euch, widerfahre euch mehr und mehr. Dieser Wunsch und Gruß darf ja nicht fehlen nach dem Befehle Christi. Wer ihn vergißt, hat die Hauptsache vergessen. 3. Gelobt sey Gott, der Vater unsers -Herrn Jesu Christi, der nach seiner großen Barmher­ zigkeit durch die Auferstehung Jesu Christi von den Todten uns wiedergeboren har zu einer le­ bendigen Hoffnung, 4. zu einem unvergänglichen, unbefleckten und unverwelklichen Erbe, welches im -Himmel aufbehalten wird für euch. Zu die­ ser lebendigen Hoffnung dieses herrlichen Erbes kommt man, wenn man Gnade bekommt, wenn man Verge­ bung der Sünden erlangt, wenn man der Gerechtigkeit und Erlösung Jesu Christi theilhaftig wird, wenn man zum Leben erweckt wird» Wer lange von Hause weg ist, ohne daß man weiß, wo er hin ist, oder wer des Landes verwiesen ist, oder wer ein todeswürdiger Verbrecher und der Strafe entflohen ist, der wird für bürgerlich todt angesehen; er kann nichts besitzen, sein Name ist erloschen, er hat kein Recht mehr. So sind wir alle bürgerlich todt im Himmel, und haben von Natur keine Hoffnung, keinen An­ spruch auf das Bürger- und Erbrecht in der Stadt Gottes. Das bekommen wir von oben wieder durch die Taufe, oder durch die Vergebung der Sünden, die eine zweite Wiedergeburt ist; da werden wir Bürger, da erhalten wir Erbrecht; aber nicht um unserer Werke willen, sondern aus Gottes Barmherzigkeit, durch die Auferstehung Jefu Christi, als die Ursache und den Grund der Wiedergeburt und die Quelle alles neuen Lebens. Da sieht man, wie Petrus mit Paulus über­ einstimmt, und alles der Barmherzigkeit Gottes, des Vaters, und Jesu Christi zuschreibt. 5. Die ihr aus oder in Gottes Macht, nicht

» Petrus 1/ 6.

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aus eigener Kraft, durch den Glauben, nicht durch eure Werke, aufbewahrt werdet zu einer Seligkeit, die bereitet ist, von Gott, nicht von euch selbst, of­ fenbar zu werden zu der letzten seit. Wenn ich gleich meinen Heiland von ganzem Her­ zen liebe und ganz sein bin; wenn ich gleich in der ganzen Welt nichts weiß, das mir so lieb ist als Er, so finde ich doch, wenn ich mich genau untersuche, daß ich mich nicht bewahren könne, sondern daß in meinem natürlichen Wesen, wenn die Gnade mich nicht hielte, wenn sich Jesus meiner nicht erbarmte, die Gelegenheit zum Hasse gegen meinen Heiland, zur Feindseligkeit ge­ gen Ihn oder wenigstens zum Leichtsinne da wäre. Das macht erstaunlich zum Sünder und verursacht das be­ ständige Bitten: „Erhalte mich bei dem Einen, daß ich deinen Namen fürchte und liebe! ich kann nichts und kann mich auf nichts verlassen; aber du wirst mir bei­ stehen, mich unterstützen; du wirst mich meinem Fleische und Blute nicht preisgeben; du bist darum für uns alle gestorben, daß wir nicht mehr uns selber leben dürfen." So, wenn wir unter seinen Flügeln sind und Ihn nicht aus den Augen lassen, so können wir bewahrt bleiben. Sonst ist kein Durchkommen, sonst ist unser ganzes Seligseyn niemals etwas Zuverlaßiges, bis wir aus der Zeit gehen. 6. Zu derselben, d. t. zur letzten Zeit, oder dar­ über werdet ihr euch freuen, da ihr jetzt eine kurze Zeit, wenn es seyn soll, wenn es euch nützlich ist, welches Gott wohl weiß, durch mancherlei An­ fechtungen betrübt werdet, Man ist erfreut und wird betrübt. Wenn man bedenkt, daß wir einen Bau haben, von Gott erbaut im Himmel, daß wir um sei­ nes Wortes willen für rein erklärt sind, daß wir seinen Frieden haben, daß wir eine so unvergleichliche Anwei­ sung zu einem offenen Brunnen wider die Sünde und Unreinigkeit, die Besprengung mit seinem Blute haben, dadurch wir uns reinigen und waschen können von a\=

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i. Petrus i, 7. 8.

len», was sich uns anhängt rc., so freut man sich. Wenn man aber bedenkt, daß wir Ihn so spät geliebt, auch wohl gar mit Sünden betrübt haben und noch oft be­ trüben, da kommen die Zährlein, da betrübt man sich, da kommt endlich nichts, als eine große Geringschätzung unserer selbst heraus. Es giebt also doppeltes Wasser, erstens das ver­ dienstliche, der blutige Schweiß, der uns ein- für alle­ mal ganz wäscht, und hernach so, wie wir es von Zeit zu Zeit bedürfen. Das macht Freudenthränen. DaS andere Wasser kommt von uns; die Augen werden bald durch die, bald durch jene Gelegenheit naß gemacht, daß es ihnen nicht an Thränen fehlt, an der Gabe zu weinen, wenn man sich auch gewaschen und gereiniget har im Blute des Lammes. Und wenn man sich an seinen Füßen zerküßt, so trocknet man Ihn mit den Haaren so ab, daß Er das Andenken davon behält. ES wird eine Urne voll Thränen, weil das geringste Zähr­ und Thränlein aufbehalten wird. So versiegt weder die Quelle der Freuden- noch der Schmerzens-Thränen. Christen sind weinende Heilige, gebeugte, zerflossene, vor Freuden-Scham weinende Kinder und Herzen.

7. Damir euer Glaube geprüft und köstli­ cher erfunden werde, als vergängliches Gold, das durchs Feuer bewährt wird. Es ist nicht alles Gold, was glänzt; so ist auch nicht alles Glaube, was man dafür ausgiebt. Man kann dem Glauben eines Men­ schen nicht schlechtweg trauen; er kann wohl verwahre seyn, aber noch viele Schlacken an sich haben. Darum muß der Glaube in den Ofen der Trübsal geworfen und die Schlacken im Feuer der Versuchungen und Prüfun­ gen weggcschmolzen werden. Das geschieht aber zum Lobe, Pteie und Ehre (Gottes) bei der Offenba­ rung Jesu Christi, 8. welchen ihr nicht gesehen und doch lieb habet, und an welchen ihr glau­ bet, ohne Ihn zu fehen. wenn ihr aber im Glau-

i. Petrus i, 9.

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ben beharret, werdet ihr euch freuen mit unaus­ sprechlicher und herrlicher Freude, In diesem Falle befinden auch wir unS. Wir haben Ihn wohl sehr lieb und wissen auch, an wen wir glauben, aber wir sehen Ihn doch nicht. Einst war das Zeichen, daß man Ihn lieb hatte, wenn man geduldig im Dunkeln auf die zukünftigen Seligkeiten wartete. Jetzt beweisen wir es dadurch, daß wir gute

Herzen sind, wenn wir ohne Gehen allem glauben, was geschehen ist. Unser Herz freut sich darüber, und ist überzeugt davon, obwohl wir es noch nicht gesehen haben. Wir denken, das Sehen wird ein ander mal kommen. Wenn wir nur indeß baden, schmecken, füh­ len, so erwartet man das Sehen schon. Es geht uns hier durch das leibliche Nichtsehen so gar viel nicht ab. Im künftigen Leben wird das eine Hauptseligkeit aus­ machen, Ihn sehen, wie Er ist. Aber hier hat es nicht viel ausgegeben, da der Heiland etliche dreißig Jahre sich sehen ließ und mit den Leuten umging. Wenn von dem leiblichen Sehen und Umgänge mehr heraus­ käme, so müßten die Leute in den dreißig Jahren mehr davon gewonnen haben. Wir wissen aber, wie sie Ihn achteten und behandelten. Sie hielten Ihn für ben Zimmermann und für nichts weiters. Als Er hernach drei Jahre predigte, so kam es wieder nicht auf das Sehen seiner äußerlichen Person an, sondern auf seine holdseligen Reden, auf die Kraft seiner Worte, seines Zeugnisses; denn Er redete wie Einer, der Gewalt hatte, und nicht wie die, welche es aus Büchern haben. Das Wort hat die Leute so gefangen genommen und gehalten, daß sie, wenn Er sie fragte: Wollet ihr auch wegge­ hen? sagten: Wo wollten wir hingehen; dein Wort halt unS; wir können ja nicht; du hast Worte des ewigen Lebens; man ist wie im Himmel, wenn man dich hört! Das hören wir nirgends so! Joh. 6, 67.

9. Indem ihr das Ziel oder Ende eures Glau­ bens, (was ist das? Antwort:) der Seele» Seligkeit

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T. Petrus I, 10—12.

davon traget. Das ist ein schönes Ziel und Ende, wohl werth, daß man aushatret bis ans Ende. 10. Nach dieser Seligkeit suchten und forschten die. Pro­ pheten, welche geweissagc haben von der euch bestimmten Gnade, die ihnen noch dunkel war und nur in Bildern gezeigt wurde, und die sich erst jetzt im Neuen Testamente euch recht geoffenbart und mitgetheilt hat. 11. Sie forschten, auf-welche Zeit und Um­ stände der in ihnen wohnende Geist Christi hin­ deute, indem Er die Leiden, die in Christo sind (und in seinen Gliedern, Kol. 1, 24.) und die dar­ auf folgende -Herrlichkeit vorher verkündigte. Der heilige Geist Christi war also auch schon in den Gläu­ bigen des Alten Testamentes, und hat schon da die Lei­ den Christi, und was Er ausstehen würde für die Men­ schen, bedeutet und gleichsam mit Fingern darauf ge­ wiesen. Im Neuen Testamente aber, nachdem alles geschehen ist, hat Er es zu seinem besondern Geschäfte gemacht, Prediger der Leiden und der Verdienste Jesu zu seyn; der Welt zu sagen, daß sie an Ihn glauben müsse, wenn sie selig werden will; daß Er für sie ge­ litten habe und gestorben sey, und dort für sie erscheine vor Gottes Angesichte; daß der Gott dieser Welt den Prozeß verloren habe. Joh. 16, 8 —11, 12. Es ward ihnen, den Propheten, geoffenbaret, daß nicht sowohl ihnen selbst diente, als vielmehr euch das mitgerheilt werden sollte, was euch jetzt von denjenigen angekündiget wurde, welche durch den vom Himmel gesandten heili­ gen Geist euch das Evangelium gepredigte ha­ ben, welches (Geheimniß der Erlösung) selbst die Engel zu schauen gelüstet. Das erkannten also die Propheten wohl durch den Geist Christi, der in ihnen war, daß sie die herrlichen Dinge, die sie weissagten, selbst nicht erleben und schauen würden, sondern mehr für andere, die noch kommen sollten, als für sich vor­ hersagen mußten. Den Gläubigen des Neuen Testa-

>. Petrus i, i2,

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mentes haben sie es vorzüglich bezeuget. Die Apostel aber haben es erst erlebt, gesehen und erfahren und dann verkündigt, und zu ihrem eigenen und anderer Ge­ nuß. Sie haben dasselbe verkündigt, was die Prophe­ ten sagten, aber mit dem Unterschiede, diese weissagten es als zukünftig, die Apostel aber redeten und bezeug? ten cs als Thatsachen, die sie mit Augen gesehen ha­ ben, — und bezeugten es, nachdem der heilige Geist sichtbar vom Himmel über sie herabgekommen war. Da hinein, in diese Dinge, welche die Propheten und Apostel von Christo uns verkündigten, begehren selbst die Engel bückend, gebeugt, in Demuth zu schauen, gleichsam es zu belauschen. Daß es die menschliche Vernunft nicht erforschen und begreifen kann, ist wohl kein Wunder, da der Apo­ stel kein Bedenken trägt zu sagen, es sey selbst den Engeln zu hoch und zu tief, und so sehr sie sich dar­ nach sehnten, so hätten sie es doch nicht ganz verstan­ den. Wir wissen von den Engeln, daß sie sehr weise und höhere Wesen sind; wenn man von großer Weis­ heit und Verstand redet, sagt man: er hat englische Weisheit, englischen Verstand, Doctor angelicus. Wenn man ehemals einem Könige fiattiren wollte, hieß es: Mein Herr König ist so weise wie ein Engel Gottes, 2. Sam. 14, 20. Die Engel haben es erst nach und nach erfahren, z. B. in der Wüste; wie werden sie dreingesehen ha­ ben, daß der Mann vom Himmel vom Teufel versucht wurde, aber überwand und siegte. Aber sie konnten sich doch nicht drein finden, nachher, daß der Mann, der von keiner Sünde wußte, zur Sünde, zum Fluch gemacht, getödtet, sakrifizirt, das Opfer für die Menschen werden sollte im allernaturellsten Verstände. Das war ihnen unbegreiflich. Was wollen wir von natürlichen Menschen fordern, die keinen Geist haben, wenn Engel unser Geheimniß nicht verstehen, nicht ergründen können. Ja es ist ihnen ein Räthsel, wie der Schöpfer aller

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z. Petrus i, IZ.

Dinge mit so elenden, sündigen, tief gefallenen, un« dankbaren Kreaturen sich gar so innig verbinden, ihnen gar so viele Liebe beweisen, und sich so sehr ihrer an­ nehmen konnte. Einem Menschen Gottes, einem Her­ zen, daS mit dem Heilande wahrhaft verbunden ist, das seine Denkweise gewohnt ist, ist die Erlösung durch seinen Tod nicht nur kein Räthsel, sondern die allerangenehmste Idee von der Welt. Denn ein solcher Mensch findet es gar nicht ungereimt, für andere zu sterben; er würde es selbst hundertmal thun, wenn eS etwas hülfe; aber was würde unser Tod verdienen? er könnte nie­ mand erlösen. Daher sind wir mit der Zumuthung, eine Versöhnung und Erlösung mit unserm Blute zu schaffen, nicht darum verschont worden, weil wir es etwa nicht gewollt hätten, sondern weil es nichts ge­ holfen hätte. 13. Darum vmgürtet die Lenden eures Ge­ müthes, seyd fertig und gerüstet, sammelt euch, nehmet euch zusammen, daß der Aufschwung deö Gemüths durch nichts gehindert und euer Lauf nicht aufgehalten werde. Siehe Luk. 12, 35. Seyd nüchtern und setzet eure -Hoffnung nicht aus euch selbst, noch auf etwas anderes, was es sonst auch ist, sondern ganz vollkommen auf die Gnade, die euch angeboren, vor die Thüre gelegt, auf den Händen entgegengetragen wird und sich selbst anbietet, durch die Offenba­ rung Jesu Christi, die im Evangelium geschieht und noch bevorsteht in Herrlichkeit. Wie nöthig die Gnade sey, weiß niemand, als der keine hat, und es weiß, daß er keine hat. Ist doch kein Friede und kein Segen, keine Ruhe und Freude in uns, wenn wir keine Gnade haben! Aber wie kriegt man Gnade? Da denkt eine arme Seele: „Was will ich sagen, um Gnade zu bekommen; aus was für ei­ nem Rechte fordere ich sie? denn Geld habe ich nicht; für meine Tugend will mir auch niemand etwas geben; ich bin ein elender, armer Mensch; wenn ich etwas

r. Petrus 1, 14—16»

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versprechen will aufs Künftige, das kann ich auch nichtz denn ich bin ja eine miserable Kreatur. Was werde ich denn für eine Ursache anführen, um Gnade zu be­ kommen? Ich weiß ja keine, ich bin durchaus keiner werth, aber ich muß doch Gnade haben. So nöthig mir das Essen ist, um zu leben, so nöthig ist mir Gnade, um mich zu erquicken; und wenn ichs nicht erhalte, so muß ich verderben. Ich weiß nichts, als daß ich dein Geschöpf bin; du hast mich gemacht; ich bin ein Mensch, bin dein. Wie das Bäumchen dein Bäumchen, daS Vögelchen dein Vögelchen ist und erhalten werden muß, und wie seine Augen auf dich sehen, daß du ihm Speise gebest, so warten meine Augen auf dich, daß du mir Gnade gebest; denn du sättigest alles, was lebt, mit dem, was seine Speise ist, was ihm gut ist." Selig sind, die also nach Gnade hungern, denn sie werden gesältiget werden! Selig sind solche Seelen, die ihre Hoffnung ganz auf die Gnade setzen, denn sie wird ihnen bargeboten, gegeben werden. Ehe man aber nicht so bettelarm wird, ehe es einem nicht so darum zu thun ist, ehe man nicht aus einem ehrlichen Herzen und aus dringender Noth um Gnade bittet und sich auf kein Verdienst beruft, bis dahin ist alles umsonst. Die Gnade will sich keinem Menschen geben, als der da weiß, daß er sie hoch nöthig hat, und der sich für begnadigt hält, wenn er sie bekommt. Solche Leute gehören dazu. 14. Als gehorsame Rinder ergebet euch nicht mehr den Lüsten, wie vorher in eurer Unwissen­ heit, vor eurer Bekehrung und Erleuchtung. Wenn wir die Gnade erhalten haben, müssen wir uns auch der Gnade ergeben und ihr gehorsamen, und sie nicht zum Deckmantel der Bosheit mißbrauchen. 15. Son­ dern wie der heilig ist, der euch berufen hat, so seyd auch ihr heilig in eurem ganzen VOandel, nicht nur in einem und dem andern Stücke, denn zur Heiligung hat Er euch eben berufen; 16. wie goschne-

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r. Petrus i, 17. r8.

den fteht (3. Mos. 11,44.).- Ihr sollet heilig seyn, denn ich bin heilig. Das ist unser göttlicher Beruf Und ist uns vom Lamme verdient, daß wir Gott mit reinem Herzen, gutem Gewissen und heiligem Leben dienen können und sollen. Man muß sich aber von der Heiligkeit keine so erschrecklichen Begriffe machen, daß einem alle Lust dazu vergeht. Heilig seyn, heißt nichts anderes, als in Einfalt wandeln von innen und außen, ohne andere Absicht oder andern Willen, als nur Gott zu gefallen und seinen heiligen Willen zu thun. 17. Und da ihr den als Vater anrufet und Kinder dessen seyn wollet, der ohne Ansehen der Person jeden richtet nach seinen werken, so wan­ delt, so lange ihr hier pilgert, die Zeit eurer Fremd­ lingschaft, mit Furcht, nicht mit knechtischer Furcht, sondern mit kindlicher Ehrfurcht, die sein Angesicht liebt, sich aber auch scheut, vor Ihm etwas Böses zu thun oder Ihn zu beleidigen. Er ist zwar Vater, aber kein Eli; Er übersieht nichts, und das aus väterlicher Liebe. Siehe Röm. 6, 2. 18. Und wisset, daß ihr nicht mit vergäng­ lichem Golde oder Silber, wie sie im Alten Testa­ mente Geld in den Kasten warfen, erlöset seyd, es hat mehr gekostet, euch von eurem eitlen väterlichen wandel loszumachen; die Eitelkeit, mit euren Vätern zu trotzen und euch darauf etwas einzubilden, steckte euch tief im Herzen. (Man bleibt immer gerne bei der alten, von den Aeltern geerbten Gewohnheit; wie es mein Vater machte, so mach' ich es auch; hat der betrogen, so kann ich es auch thun.) Der Privatgeist oder Eigensinn, der immer gern anders denkt als andere Leute, ist sonst nicht gut, aber in Glaubenssachen ist doch die Conformirung, das sich andern Gleichstellen, mehr überlegenswerth als in jeder andern Sache. Es ist sehr mißlich zu sagen: „Ich will nicht selbst weise seyn, ich halte es mit den mcifteu; wo meine Eltern geblieben sind, will ich auch

i» Petrus i, 19—22.

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bleiben." Das ist die gewöhnliche Antwort der Hei­ den, Juden und todten Christen, wenn sie nichts mehr gegen das lebendige Christenihum einzuwenden wissen. Dagegen redet der Apostel im obigen Texte. In der Religion muß man sich nicht nach Andere richten, son­ dern alle Rücksicht auf Andere auf die Seite setzen, um einer Eigenliebe willen, die nicht nur erlaubt, sondern besohlen ist, und allen denen nicht zu verdenken ist, die ihre Seele in Händen tragen und die Worte verstehen: Ein jeder muß für sich selbst Gott Rechenschaft geben. Röm. 14, 12. So wollte Thomas auch selbst sehen, und nicht andern glauben. Und er hatte eines Theils recht. Denn so konnte er mit den andern sagen: Wir haben Ihn mit Handen betastet. 19. Sondern ihr seyd erlöset mit dem theuren Blute Christi, dieses unbefleckten und tadellosen Lammes; das ist zu kostbar, das muß man nicht mit Füßen treten. Wenn sich Gott auch nicht um unsern Untergang bekümmerte, so würde Ihm doch der Verlust und das theure Blut seines Sohnes zu Herzen gehen. 0 Mensch! du achtest deine Seligkeit nicht, und Gott hat sie seinen Sohn gekostet! 20. Der Zwar vor Grundlegung der U?dt, vor der Schöpfung, schon zu unserer Erlösung bestimmt und ausersehen war, aber erst zu dieser letzten Zelt im N. T. geossenbarer, deutlich und allgemein bekannt gemacht wor­ den ist um euretwillen, die ihr diese letzte Zeit er­ lebt habet, da sich die im Alten Testamente mit Vor­ bildern und Weissagungen abspeisen lassen mußten. 21. Die ihr durch Ihn an (Bott glaubet; wir empfan­ gen alle Kraft und Gnade, auch den Glauben durch Ihn von Gott, welcher Ihn von den Todten auf­ erwecket und Ihm -Herrlichkeit gegeben hat, so daß euer Glaube und eure Hoffnung auf Gott be­ ruht, und also den festesten Anker hat. 22. Reiniget, heiliget, machet keusch eure See­ len im Gehorsam der Wahrheit durch den Geist

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r. Petrus i, *3»

der ungeheuchelcen oder ungefärbten Bruderliebe, und liebet einander brünstig aus reinem -Herzen. Die Reinigung oder Keuschheit der Seele ist nicht blos zu verstehen von leiblicher Keuschheit. Ein reines Herz, das dem Heilande mit Freudigkeit in die Augen sehen kann, und bei dessen Anblicke sich der Heiland ergötzt, ist in allen Stücken treu. Die Liebe ist oft heuchlerisch und versteckt stch un­ ter äußerlichem Schein, Liebkosen, guten Worten, HändeDrücken und dergleichen Schmeicheleien; sie ist auch oft brünstig, aber nicht rein und keusch genug. Darum warnet hier der heilige Geist, daß man bei Klippen der Liebe vorbeischiffe und bei der Liebe weder Verstellung noch Unreinigkeit dulde. 23. Denn ihr seyd wiedergeboren, nicht aus vergänglichem, sondern aus unvergänglichem Sa­ men, durch das lebendige, ewig bleibende wort Gottes. Der Same, aus welchem Kinder Gottes ge­ boren werden, ist also das unschätzbare Wort Gottes, und zwar das lebendige und lebendig machende ewige Wort; diesen Samen muß das Herz im Glauben em­ pfangen und aufnebmen, so kömmt eine Neugeburt aus Gott zur Welt. Darum hat Christus das Wort so erhoben und es seiner leiblichen Verwandtschaft, dem äußern Umgänge mit Ihm vorgezogen; Frau! sagte Er, ich versichere dich, eine jede Seele, die das Wort hört und bewahrt, ist selig; die ist mein Bruder, meine Mut­ ter, meine Schwester; warum? Weil sie durch das Wort, den göttlichen Samen, aus Gott geboren ist. Wer wollte sich also der großen Seligkeit und des Vortheils nicht bedienen, daß wir eben dieselbe Wahrheit und dasselbe Wort haben, dessen sich die Jünger und Apostel be­ dienten, da sie ihren Herrn mitten unter sich hatten? Es war schon dort das edelste, köstlichste Mittel, sei­ nem Herzen nahe zu werden, und nach und, nach zum Jesus-Herzen, zur lebendigen Bibel zu werden; seinem Herrn nachsagen zu können: „Deinen Willen, mein Gort! thue

r. Petrus i, 24. 25.

2, 1,

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thue ich gerne; dein Gesetz habe ich in meinem Her­ zen!" Ps. 40. Das muß uns bei dem Mangel sei­ nes leiblichen Anblicks unter Menschen, die Ihn nicht kennen, trösten, daß wir wissen, wir haben noch das­ selbe Mittel, mit Ihm umzugehen, das zu derselben Zeit, da Er noch in Person zu sehen war, die Sache ausmachte, und das Er dort schon seiner sichtbaren Ge­ genwart und leiblichen Verwandtschaft vorzog. 24. Denn alles Fleisch ist wie Gras, und alle seine Herrlichkeit, aller Glanz der. Welt ist so hin­ fällig, wie eine Grasblume, die Salomo mit all sei-; ner Herrlichkeit nicht einmal erreichte. Das Gras ver-r dorrt und die Blume fallt ab. Laß dir also die. Grasblumen predigen, wenn du spazieren gehst. Scham uns an, 0 Mensch! sagen sie; du trittst uns mit Fü­ ßen, mußt aber doch unter uns liegen, wenn du sau-, lest, und wir wollen dir noch auf dem Grabe wachsen. Wir riechen noch, wenn wir abgehauen sind; dü aber stinkest, wenn du todt bist! re. 25. Das Wort des Herr n aber, und wer sich dadurch neu schaffen und aus Gott erzeugen läßt, bleibt' in Ewigkeit. Das ist aber das Wort, welches euch verkündiget ist durch die Predigt des Evangeliums.>

Das II. Kapitel. 1. Go leget nun ab alle Bosheit und Be­ trug und Heuchelei und Neid und alles After­ reden oder Verleumdungssucht; denn alle diese Dinge sind der heiligen Einfalt und Lauterkeit der Kinder Gor­

tes ganz entgegen. Diese Ermahnungen hält Petrus auch berErweckten und Gläubigen, die er. weiter unten das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum rc. nennt, nicht für Erbauung-buch VM. Theil 12

r. Petrus i, 24. 25.

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thue ich gerne; dein Gesetz habe ich in meinem Her­ zen!" Ps. 40. Das muß uns bei dem Mangel sei­ nes leiblichen Anblicks unter Menschen, die Ihn nicht kennen, trösten, daß wir wissen, wir haben noch das­ selbe Mittel, mit Ihm umzugehen, das zu derselben Zeit, da Er noch in Person zu sehen war, die Sache ausmachte, und das Er dort schon seiner sichtbaren Ge­ genwart und leiblichen Verwandtschaft vorzog. 24. Denn alles Fleisch ist wie Gras, und alle seine Herrlichkeit, aller Glanz der. Welt ist so hin­ fällig, wie eine Grasblume, die Salomo mit all sei-; ner Herrlichkeit nicht einmal erreichte. Das Gras ver-r dorrt und die Blume fallt ab. Laß dir also die. Grasblumen predigen, wenn du spazieren gehst. Scham uns an, 0 Mensch! sagen sie; du trittst uns mit Fü­ ßen, mußt aber doch unter uns liegen, wenn du sau-, lest, und wir wollen dir noch auf dem Grabe wachsen. Wir riechen noch, wenn wir abgehauen sind; dü aber stinkest, wenn du todt bist! re. 25. Das Wort des Herr n aber, und wer sich dadurch neu schaffen und aus Gott erzeugen läßt, bleibt' in Ewigkeit. Das ist aber das Wort, welches euch verkündiget ist durch die Predigt des Evangeliums.>

Das II. Kapitel. 1. Go leget nun ab alle Bosheit und Be­ trug und Heuchelei und Neid und alles After­ reden oder Verleumdungssucht; denn alle diese Dinge sind der heiligen Einfalt und Lauterkeit der Kinder Gor­

tes ganz entgegen. Diese Ermahnungen hält Petrus auch berErweckten und Gläubigen, die er. weiter unten das auserwählte Geschlecht, das königliche Priesterthum rc. nennt, nicht für Erbauung-buch VM. Theil 12

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i. Petrus 2, 2. Z.

überflüssig. Denn solche alte Dinge können immer wieder bei der Hinterthüre, wenn man sie offen laßt und nicht sorgfältig verschließt, Herrin und zum Vorschein kommen. Wachet, Kinder! wachet. 2. Und seyd als neugeborne Rinder begierig nach der Vernünftigen, unverfälschten Milch, da­ mit ihr durch dieselbe wachste zu eurem -Heile. Der Hunger und Durst nach dieser Milch ist ein Gefühl, dabei es einer Seele ist wie einem neugebornen Kinde, das nichts zu essen und zu trinken bekömmt. Je ge­ sünder es ist, desto größer ist die Begierde nach Nah­ rung. Wem es so ist nach dem Heilande, an dessen Kindschaft Gottes hat man nicht mehr zu zweifeln. Es ist kein Hunger, wo kein Leben ist. Sobald ein Mensch zur Welt geboren ist, so ist Hunger und Durst, Bedürfniß, Verlangen nach Nah.rung da. Und die geistliche Freude und das Abend­ mahl des Herrn mit der Seele ist die Anzeige, daß ein Kind da ist, weils zu essen und zu trinken kriegt. Vernünftig wird die Milch des lautern, unver­ fälschten Worts genannt, weil der göttliche Verstand voll Weisheit daraus hervorleuchtet, und die Säuglinge zur Klugheit der Gerechten leitet. 3. Wenn ihr anders schon geschmeckt, gefühlt, erfahren habet, wie freundlich der Herr ist; wie wir dazu angewiesen sind. Pf. 34, 9. „Schmecket und sehet, wie freundlich, wie süß und milde der Herr ist!" Das ist es, was man den Leuten antworten muß, wenn sie sich über das Gefühl lustig machen und etwas Unzuverläßiges und Gefährliches herausbringen wollen. Man bleibt beim Gefühle und sagt: Wie ihr an einer Sache Geschmack habet und an der andern Ekel, so haben wir Geschmack an seinem Worte, an seiner Person und an seinem Leiden. Das wird uns nie alt, nie lästig und alltäglich oder abgeschmackt, son­ dern wir haben davon einen so zuverläßigen Geschmack eine so zarte Regung und Bewegung, die unfern Geist

i. Petrus 2, 4.

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ganz befriedigt und beruhigt, und uns das Schm und andere Vortheile ersetzt, welche die Zeit, da Jesus im Fleische war, voraus hatte. Was seine Jünger ge­ nossen haben, da Er ihnen die Wunden-Maale in sei­ ner Seite, in Händen und Füßen zeigte und sagte: Fühlet mich und sehet re.; was die zwei nach EmmaüS empfanden, da sie Ihn wohl sahen, aber nicht kannten, also so viel als nicht sahen, das genießen wir unter der Rubrik und mit dem Sinne des Geschmackes und des Gefühles seiner freundlichen Nähe, die obwohl unsichtbar, doch so zuverlässig wie möglich ist. Ohne den Geschmack an Ihm und das Gefühl seiner Nähe ist alles nichts. Alle anders woher genommenen Ge­ müths-Bewegungen taugen nichts. Wenn wir keinen Geschmack, kein Gefühl an Ihm haben, so ist es ein Zeichen, daß wir entweder geistlich todt oder krank sind. 4. Nahet euch zu diesem lebendigen Greine, der zwar von den Menschen verworfen, bei Gott aber auserwählt und köstlich ist. Wie kann man sich Ihm denn nahen? Er ist ja aufgefahren? Man stellt sich Ihn so nahe, so gegenwärtig vor, wie Er bei seinen Jüngern auf der Welt war, da sie mit Ihm aßen und tranken, und ein- und ausgingen, mit Ihm wandelten, Ihm zuhörten, vertraulich mit Ihm umgin­ gen, und macht es im Geiste gerade so, wie sie eS machten, die Ihn recht lieb hatten. Je zärtlicher, je kindlicher, ungezwungener, natürlicher unser Gespräch und Umgang mit Ihm ist, desto besser ist es, wenn es auch noch einfältiger und vertraulicher wäre, als wir mit einander umgehen. Und wer sich einmal mit dem Heilande so eingelassen, und in diese Bekanntschaft und Connexion mit Ihm gekommen ist, der sehnt sich wei­ ter nach nichts anderes. Daher hat sich eine Seele wohl zu besinnen, ob sie auch wohl so mit dem Hei­ lande bekannt seyn oder werden mag, ob sie ein solches Verlangen und Sehnen nach Ihm habe. Ihm so nahe zu kommen? ob sie darein ihre Seligkeit setzt?

12 *

ifio

i. Petrus 2, 5.

5, Und bauet auch ihr euch als lebendige Steine auf Ihn zum geistigen Tempel, zur heili­ gen ^riesterschaft, um geistige Opfer darzubrin­ gen, welche Gott durch Jesum Christum wohl­ gefallen. Wie unbekannt und fremd ist diese Sache! wie unbekannt also auch das wahre Christenthum! Es kann keiner ein rechter Christ seyn, der nicht auch ein Priester Gottes ist, der nicht täglich geistliche Opfer des Dankes und Lobes, in steter Erhebung des Gemüthes und in Anbetung im Geiste und in Wahrheit Gott dar­ bringt. Js. 61, 6. Aus lebendigen Steinen muß die Kirche als Gottes Haus und als des heiligen Geistes Tempel bestehen. Todte Steine und steinerne Kirchen thun es nicht. Gott wohnt nicht in solchen Tempeln von todten, Steinen und Menschen-Händen erbaut, son--

dern in Tempeln von lebendigen Steinen; wo solche sich zusammensügen, da will Er mitten unter ihnen senn. Alle wahre Christen sind Priester Gottes (Offenb. 1, 6.), daß ste täglich im heiligen Schmuck einbergehen und heilige Hande aufheben ohne Zorn, und Zwei­ fel. Sie suchen gesetzt u>id niännlich zu reden, und sieb in allen Dingen unbefleckt zu bewahren, sie reini­ gen sich mit dem Blute Christi, weil sie das Geräthe des Herrn tragen. Als Priester aber liegt ihnen ob, dpß sie den Tod und das Opfer Jesu in ihrem Herzen tragen, fleißig ins Heilige geben zu beten, nicht mit langen Worten und künstlichen Reden, ach nein, es muß immer unzäh­ lig niet'r un. Herz en zurückbleiben, als man spricht. Ge­ bete sind keine Predigten, sondern Opfer. Wir sollen stündlich und augenblicklich in lagter Gebst dahingehe»;. Sie sind Priester des lebendigen Gottes. Wir sollen unsere Leiber täglich darstellen zu einem Opfer, wie Röm. 12, 1. beschriebe»»,, wird. Wer diese beide Gcttesdienste recht versteht, wer, beten kann, wer.sich selbst dem Herrn heiligen kann., der ist ein wahrer Zeuge Gottes.

i. Petrus 2, 6—8.

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6. Darum heißt es ja auch in der Schrift Js. 28, 16»: Sieh! (wo dies Wörtlein siebt, da hat wan die Augen besonders aufzuthun und Acht zu ha­ ben auf das, waS folgt, und Gott um erleuchtete Au­ gen zu bitten, weil zu dem Blinden umsonst gesagt wird: Sieh!) ich lege in ©ton einen ausgesuchten köstlichen ©rein, und wer an Ihn glaubt, wtrd nicht zu Schanden. Es ist eine unangenehme Bemerkung, daß es die Menschen so wenig kostet diesen Stein wegzuwerfen, und daß es so schwer hält, sich auf ihn zu gründen. Wie schwärmet nicht die menschliche Vernunft 18hun­ dert Jahre lang in hundert Methoden und Wegen herum, selig und glücklich zu werden. Alle halb Jahrhundert, wenns lange währt, stehen die Köpfe der Menschen anders, und es ist doch nichts anders, als es hat im­ mer Einer eine neue Methode, die Leute verständig und glücklich zu machen, und ihnen zu schaffen, wornach sich ihr Gemüth sehnt. Ich weiß^aber nicht, daß sie etwas anderes haben erfinden können, als was vor 1800 Jah­ ren schon das Geheimniß aller wahren Lehrer war: „Siehe das ist Gottes Sohn, das der Welt Sünde trögt;" und: Kommet alle zu mir re. Die ganze Theo­ logie, alle Theorie und Praxis, alles, was das Herz erfreuen, den Wandel zieren, und einen erbaulichen, verständigen, bei Gott und Menschen bewährten Mann herausbringen kann, das findet man alles bei Ihm und in seiner Schule. 7. JEud? nun, die ihr glaubet, ist Er köstlich; für die Ungläubigen aber ist Er der ©tetn, den die Bauleute verworfen haben, und der dennoch zum Eckstein geworden ist, 8. ein ©rein des Art­ stoßes und ein Fels des Aergernisses. Js. 8, 14. ©ic stoßen sich daran, indem sie dem Worte nicht glauben, wozu sie auch bestimmt sind, als die un­ heilbaren, weil sie selbst nicht selig werden wollen, und deswegen Gottes gerechtes Gericht sie dazu verdammt hat.

i8r

i. Petrus 2, 8.

Warum ist doch dieser Eckstein den Einen so är­ gerlich und anstößig, und den Andern so köstlich und allgenugsam? Warum ist doch keine Sache in der Welt verwickelter und dunkler, als das Christenthum, da doch die Menschen sollen selig werden? Keine Einwendung gegen die Religion ist stärker als diese, und kein Theo­ retiker kann sie beantworten, sondern er bleibt allemal stecken. Theorie gegen Theorie kommt nicht aus. Die Religion ist entweder das allerleichteste Ding von der Welt oder das allerschwerste. Wie kann man alle Schwierigkeiten heben? Sind zwanzig oder dreißig Fo­ lianten genug, an denen man achtzig Jahre geschrie­ ben, da matt nichts vergessen, sondern viele hundert tau­ send Casus zusammengetragen und aufgelöst hat? Nein; denn es gehörte noch dazu, daß man alles Zukünftige zum voraus beantwortete; denn es zeigen sich alle 40, 50 Jahre Haupt - Schwierigkeiten, an die vorher kein Mensch gedacht hat, und die schwerer aufzulösen sind, als die vorhergehenden. Da kömmt man also nicht fort. Aber da kömmt man fort, wenn wir die ganze Religion zur Herzenssache, oder zu einer Sache machen, die im Geistlichen das ist, was es im Leiblichen ist, wenn ein Kind etwas ins Auge bekömmt, das ihm gefällt. „Was muß doch das Kind ins Auge gefaßt haben?" sagt man; man nimmt etwas anderes und hält es ihm vor; man nimmt wieder etwas anderes; das Köpfchen geht immer auf die Seite und sieht wieder dorthin, wo es einmal etwas ins Auge gefaßt hat. Woher kommt es? Das kann kein Mensch beraisonniren, aber aus Erfah­ rung sieht man, daß einmal sein Gemüth dahineinge­ fahren ist, und daß das Ding seinen Augen gefallen hak. Das ist das ganze Geheimniß der Religion; das ist das wundervolle Ding. Wenn ein Herz einmal den Hauptgegenstand aller Religion gefaßt hat, und er gefallt ihm, so wendet es sich hin mit ganzem Gemüthe; eS bekümmert sich weder um Beweise, noch um etwas anderes, sondern es ist mit der Sache eins, und es

i. Petrus 2, 9.

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steht Ihm an; das klebrige befiehlts dem lieben Gott: „Du weißt es wohl zu machen mit den übrigen Din­ gen, die uns nichts angehen. Ich will mich um nichts kümmern, als daß ich fest an dir hange." Und das ist der Sinn von dem Worte: „Gieb mir dein Herz, mein Sohn! und laß deinen Augen meine Wege wohl­ gefallen." Darüber werden wohl die gescheuten Leute nicht disputiren, daß unstreitig Vas die größte Seligkeit ist, wenn man die Hauptsache der Religion ins Herz faßt, und über dem: „Ich habe dich doch!" alle Zweifel und Beweise vergißt?! Dadurch werden alle Skrupel ge« löset, daß nichts mehr übrig bleibt, und das geringste Kind und der schlechteste Anfänger mehr weiß (und nicht nur mehr fühlt), als ein Kabbalist, der sich blind und taub studirt hat. So kann die einfältigste Seele werden, die ihr Auge nicht wendet vom Blicke aufs Lamm, das sie ins Auge gefaßt hat, daß, man mag ihr vorhalten und vormachen was man will, man mag ihr alle Schönheiten und Herrlichkeiten der Welt vor­ beigehen lassen, sie auf alles entweder keinen, oder nur einen schwachen Blick hinwendet, so von der Seite; aber ihr Herz und Verlangen bleibt dahin gerichtet, wo es ist, und es heißt: Das ist schön; aber ich kann mich dabei nicht verweilen, mein Herz hat schon eine Schön­ heit, die ihm über alles gefällt. Kurz, die Verliebt­ heit in den Heiland mit Leib und Seele, um und an, ist die einige wahre, allgemeine Religion, dabei man alles, was nicht Iesushafr ist, begräbt, sich von allen fremden Ideen, Gedanken, Neigungen und allem Ver­ langen nach dem, was außer Ihm ist, losmacht, und sogar nichts Geistliches mehr genießen kann, wenn es nicht zu dem geliebten Hauptgegenstande paßt. Wenn es aber dahin paßt, so ist es einem recht.

9. Ihr aber seyd das auserwählre Geschlecht (Is. 43,20.), das königliche priesterchum (2. Mos. 19, 5.), das heilige Volk, das Volk des Eigen-

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i. Petrus 2, 9.

rhumes, damit ihr dke Tugenden dessen verkün­ diget, der euch aus der Finsterniß zu fernem wun­ derbaren Lichte berufen har. Das sind ja lauter herrliche Sachen, die man den Christen nachsagt: Ein auserwählces Geschlecht, vom besten Adel, gegen den aller andere Adel rlichts werth ist; ein königliches Vriesterthuin, lauter Priester und Priesterinnen; «in heiliges Volk (waren die ersten Christen, jetzt ists umgekehrt); «in Volk des Eigenthumes, ein Favo­ rit-Gut, ein Lusthaus, das sich Gott theuer erworben und mit dem eigenen Blute erkauft hat; ein Volk, das aus der Finsterniß heraus ist und im Lichte wandelt, und von nichts zu sagen weiß, als von den Tugenden, von der Liebe und Treue Gottes. Man suche und suche sich zu todt, ob man ein solches Volk finde in Kirchen und Religionen, die alle behaupten, sie seyen es, und wenn du es nicht aufs Wort glauben willst, so schlagen sie dich todt. Aber eben ihre Beweise, womit sie sich beweisen wollen, bewrisen, daß sie es nicht sind, wenn man auch noch ei­ nen Zweifel haben könnte, ob sie es nicht doch wären. Wenn irgendwo so ein heiliges, auserwähltes Völklein sich sehen und von seinem königlichen Schmucke etwas in die Augen fallen läßt, so wird es verfolgt, und die geringste Spur davon gereicht ihnen zu lauter Schmach und Spott. So viel von ihrer künftigen Herrlichkeit vor der Welt sichtbar wird, um so viel heftiger werden sie gelästert und geschmäht. Da ist kein anderer Rath, sie müssen einen recht weiten Mantel anziehen, unter dem all ihr Schmuck bedeckt ist. Wo nicht, so werden sie noch immer zu leiden bekommen und dabei stillschwei­ gen müssen. Denn alles Leiden, das man sich durch das Lautscyn von seiner Herrlichkeit zuzieht, ist unsere Schuld. Das heißt das Heilige den Hunden und die Perlen den Säuen vorwerfen. Wird man der Welt darüber eine Weile zum Spektakel, so muß man sich in keine Vertheidigung einlassen, noch aus der Bibel

i. Petrus 2, io—12.

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beweisen, daß wir Könige und Priester sind und die Engel richten werden. Davon muß die Zunge schwei­ gen und die Thaten reden kaffen. 10. Ihr wäret ehedem nicht das Volk (Got­ tes), nun aber seyd ihr das Volk Gottes; ihr wäret nicht Begnadigte, nun aber seyd ihr Be­ gnadigte! Hos. 2, 23. Es giebt nur zwei Kirchen und Religionen in der Welt, die wahre und die falsche; Volk Gottes und nicht Volk Gottes; Begnadigte und Unbegnadigte. Prüfe dich, zu welcher Religion und Kirche du gehörest. Ob du begnadigt oder nicht begna­ digst bist? ob du Christo angehörest oder nicht? re. 11. Geliebte! ich bitte euch als Fremdlinge und pilgrimme, die in der Welt nirgends zu Hause sind, sondern nur durchreisen und ihren Wandel im Him­ mel haben; enthaltet euch von fleischlichen welche wider die Seele streiten, dahin gar viele Dinge zu rechnen- sind, die die Welt nicht darunter zählt. Gal. 5, 17—19. sind einige genannt, die wi­ der das Heil der Seele stretten, und wo sie gehegt wer­ den, die Seele nicht selig werden lassen. Ein Pilger muß alles dahinten lassen, sich nirgends anhangen,nir­ gends aufhalten. Durch alles hin zu Gott den Sinn. 12. Führet einen guten Wandel unter den Heiden, damit sie, die euch als Uebelkhacer verleuinden, eure guten Werke sehen und Gott prei­ sen am Tage der -Heimsuchung. Das soll auch die Beweg-Ursache seyn zu einem frommen treuen Wandel unter dem verkehrten Geschlechte. Wie nun jede Krea­ tur in ihrer Art den Heiland lobt, so thut es auch der neue, von Sünden erlöste und in seinem neuen Leben wandelnde Mensch, weil er Jesu eingeleibt, Ein Geist mit Ihm, und weil es ihm eben so ist. Was das nach sich zieht, wie viele Menschen dadurch gereizt wer­ den, aucl) so zu werden, ist kaum zu glauben. We,nn es- nichts Bleibendes wird, wenn die Seelen weniger werden, die seinen Namen lieben qnb Ihn annehmen,

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i* Petrus L, 13—18*

so ist die Schuld gewiß bei denen, die Er dahin ge­ stellt hatte, weil Er nicht mehr in der Welt ist, daß sie ihren ungesehenen Freund vorstellen, repräsentiren, und Ihn durch ihr Wesen, Reden und Thun im An­ denken erhalten sollen. 13. Darum unterwerfet euch um des -Herrn willen jeder menschlichen Rrearur, Ordnung, Obrig­ keit, es sey dem Rönige, der die höchste Gewalt hat, 14. oder seinen Statthaltern, welche von Ihm abgeordnec sind zue Bestrafung der Ver­ brecher und zur Belohnung der Guten. Wirse­ hen, wie alle Apostel der Obrigkeit das Wort reden, orationes pro magistratu halten. Paulus sagt Röm. 13.: Wer sich der Obrigkeit widersetzt, der widerstrebt Gottes Anordnung, und mit dem will ich seinen Lohn nicht theilen. Der Apostel Judas macht es zum Zei­ chen eines bösen Menschen, eines Ketzers, wenn man die Herrschaften verachtet und die Majestäten lästert. 15. Denn so ist es Gottes Wille, daß ihr durch Rechcchun die Unwissenheit thörichter Men­ schen zum Schweigen bringet; sie müssen doch nach und nach aufhören, wenn lhr nicht Nachlasses 16. Als Freie von der Sünde und ihrer Knecht­ schaft, die aber ihre Freiheit nicht zur Frechheit machen und zum Deckmantel der Bosheit mißbrau­ chen, sondern als Lnechce Gottes. Durch den Mißbrauch der christlichen Freiheit verfällt man erst recht in die Sklaverei. 17. Erweiset jedermann Achtung; suchet an jedermann etwas hervor, das zu achten ist, nämlich Gottes Bild, liebet die Brüderschaft, die mitbekehrten Christen, die heilige Gemeine der Mitberufenen und Auserwählten; fürchtet Gott und ehret den Röntg! oder Landesherrn als Gottes Stellvertreter; so giebt man Gott was Gottes, und dem Kaiser was des Kaisers ist. 18. Ihr Rnechte! unterwerfet euch mit aller Ehrfurcht euren Herren, nicht nur den guten und

i. Petrus r, 19 — 21.

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gelinden (denn das kann jeder natürliche Mensch auch, das ist keine Kunst), sondern auch den wunderli­ chen, bösen, verkehrten, unbilligen. 19. Denn das ist Gnade, da gehört Gnade dazu, und das ist ein Beweis, daß man Gnade habe, wenn jemand aus Gewissenhaftigkeit, um Gortes willen, nicht aus Eigennutz oder einer andern unedlen Absicht, Widri­ ges errrägc und Unrecht geduldig leider. Fleisch und Blut kann das nicht, sträubt sich dagegen, und die Wellkinder spotten darüber; die Gnade aber macht, daß man es nicht achtet. Ein Reisender geht durch alle rauhe Wetter hin, wenn er nur endlich Hoffnung hat, an seinen Ort zu kommen. 20. Denn was wäre das für ein Ruhm, wenn ihr wegen verbrechen Züchtigung dulden müßtet? Das können Leute, die keine Gnade haben, wohl auch. Aber wenn ihr Recht thuet, und dabei geduldig leidet, das ist Gnade vor Gott, und ein heiliges Gnadengeschenk, das Gott nur seinen Geliebten aus Gnaden mittheilt. 21. Dazu feyb ihr auch berufen. Das ist der Christenberuf. Wer Christi Jünger seyn will, der muß leiden. Denn auch Christus har für uns gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, daß ihr seinen Fußstapfen nachfolgen sollet. Chri­ stus hat für uns gelitten und uns Gott versöhnet; das bleibt ewig wahr, und wir müssen sein Leiden vorzüg­ lich in dieser Hinsicht betrachten, als die Versöhnung für unsere Sünden; Er ist aber auch unser Vorbild, das ist eben so wahr, das muß man eben so wenig vergessen. Wer dieses verwirft, dem gilt auch das an­ dere nicht. Doch muß man Ihn nicht nur so als ein äußeres Vorbild und Muster ansehen, dem man es aus eigener Kraft nachmachen kann und will. Dadurch würde Christus ein Moses, und das Evangelium ein todtes Gesetz und Bild. Sein Beispiel muß als eine lebendige Kraft und bleibendes Leben in der Seele wir­ ken durch den Glauben, aus dem Lust und Kraft kömmt, dem Heilande in allem ähnlich zu werden.

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i. Petrus 2, 22—24.

22. Er, der keine Sünde beging, sondern bk Sünden der Welt auf sich lud, und in dessen Munde kein Betrug erfunden ward, sondern lauter Wahr­ heit, Einfalt und unverfälschtes Wesen. 23. Ec lä­ sterte nicht wieder, wenn Er gelästert ward, daran es Ihm nicht gefehlt hat. Er drohte nicht, da Er litt, wie Er wohl gekonnt hätte, sondern über­ ließ sich dem, ließ mit sich machen, was der wollte, der Ihn ungerecht verdammte, oder, wie es im Griechischen heißt, der da recht richtet. Er ließ al­ les geduldig über sich ergehen und that seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, und dachte: Herr! dein ist die Sache und die Rache; richte du ihn also, daß du ihm seine Sünde unter die Augen stellest, damit er sie erkenne, bereue und Gnade erlange. 24. Er (opferte) trug unsere Sünden an sei­ nem Leibe auf dem -Holze, damit wir, abgestor­ ben den Sünden, der Gerechtigkeit lebten. Durch seine wunden seyd ihr geheilt worden. Wie stirbt man nun der Sünde ab? Wenn man sichs nie aus dem Sinne kommen läßt, daß Er unsere Sünden auf seinem Leibe am Holze so bitterlich schwer getragen hat. Fällt einem ein hochmülhiger Gedanke ein, so denkt man an den demüthigen Heiland, an seine Erniedrigung in der blutigen Angst am Oelberge; will einen der Zorn, Unmuth und die Ungeduld hinreißen, so blickt man auf den holdseligen und geduldigen Hei­ land, der seinen Mund nicht aufthat, wie ein Lamm u. s. n). Der liebreiche, treuherzige, sanftmüthige, freund­ liche und demüthige Heiland ist die Regel, ist das Trieb­ werk zu allem. Und je mehr sich das Verderben se­ hen läßt, je öfter sich die Unarten blicken lassen, desto mehr werden ihrer todtgeschlagen und unter die Füße getreten durch den Blick auf den Tod und die Wun­ den des Heilandes. Darum ist es der Sünde ihr ei­ gener Schaden, wenn sie sich bei einem Kinde Gottes oft meldet. Ihre Kunst und List aber ist, daß sie sich

i» Petms 2, 25.

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selten meldet und einem oft lange Friede läßt, und sich endlich unter einer andern Gestalt zeiget. Darum muß man unverwendet auf Christum, den Sündentilger se­ hen, und mit Ihm in steter Verbindung stehen. Denn nur durch Ihn sind ipir ihr gewachsen, nur durch seine Wunden sind wir heil geworden, nur durch seine Wun­ den können wir uns in dem Heile erhalten. 25. Denn ihr wäret wie irrende Schafe; jetzt aber seyd ihr bekehrt zu dem -Hirten und Bischöfe (Hüter) eurer Seelen, der uns gemacht hat zu einem Volke und zu Schafen seiner Weide, der sei­ nen Schafen das Privilegium gegeben hat, daß sie

ewiglich nicht umkommen, nicht aus seiner Hand ge­ rißen werden können. Sie waren alle in Adam ge­ storben, sie waren alle todt, alle des Satans Knechte; aber Er hat sie wieder erworben und zu sich gezogen. Nun sind sie sein und bleiben es ewig; nun weiß Er sich sein Eigenthum zu bewahren. Einer ist der Hirt und Pischof unserer Seelen, wir aber sind alle Schafe. Er bat wohl auch Leute bestellt, die an Ihn erinnern sollen; die sind die Leu-Schafe. Die Herzlichkeit und Vertraulichkeit, der Gehorsam und die Aufmerksamkeit gegen'd>e Leit-Schafe soll aber der Anhänglichkeit an den Einen Hirten nicht im Wege stehen. Es ist eine große Sache, daß doch jeder Mensch ein Schaf ist, auf das gedacht und gesehen wird, wenn die Stunde kommt, da der Herr ruft: „Kehre wieder, komm in den SchassiallMöchte doch jeder sich we­ nigstens das vornehmen, daß, wenn er gerufen wird, er antworien wolle: Ich will kommen! Wenn wir Leute sind, von denen es Ostenb. 14,5. heißt: In ihrem Munde ist nichts Falsches erfunden; so haben wir Ibn zum Hirten, zum Heilande und SchutzEngel, zum täglichen Aufseher, zum zeitigen Notabene, kurz, wrr haben Ihn ganz und gar zu allem.

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i. Petrus z, 1—4»

Das in. Kapitel. 1. Eben so sollet auch ihr Weiber euren Männern Unterthan seyn, damit sie, wenn einige heidnische oder jüdische Ehegatten dem Worte noch nicht glauben, durch den Wandel der Weiber ohne Wort gewonnen werden, 2. wenn sie euren keuschen, gottesfürchtigen Wandel sehen. Sie sollten sich also nicht einbilden, daß sie weniger verbun­ den sind, in der Welt gottselig zu leben, sondern sie sollten es in der Innigkeit der Liebe zum Heilande so weit bringen, daß sie ihre Männer blos durch ihr Bei­ spiel zur Gottseligkeit reizen, >hne ihnen eine Predigt zu halten. Man muß ja nicht alles mit Worten zu Stande bringen wollen, und es nicht gleich verloren geben, 'wenn Worte keinen Eingang finden. Es kann dir einer durch Halsstarrigkeit wehren, daß du ihm nicht weiter zure­ dest, aber den Wandel kann er dir nicht wehren; ge­ duldig, sanft, liebevoll rc. zu seyn kann er dir nicht wehren, wenn er dich auch auf den Mund schlägt. 3. Euer Schmuck sey nichts Aeußerliches, nicht Haargeflechc, Goldgehänge, oder prächtige Rleidung; ’4. sondern der verborgene Herzens-Mensch, mit unverrückcem, stillem und sanftem Geiste, der köstlich vor Gort ist. Es ist eine Zierde einer Ge­ meine des Heilandes, wenn die Frauenleure in sanftem, stillem Geiste wandeln, und wenn der verborgene Mensch des Herzens in dem schönen Zustande ist, wovon es heißt Ps. 45.: „Die Tochter des Königs ist ganz herr­ lich inwendig rc." Das weibliche Geschlecht ist sehr zum Putz geneigt, und zwar wie es die neueste Mode mit sich bringt. Laßt uns hören, wie eine fromme Dame darüber schreibt: „Die große Sorge für den äußeren Schmuck verräth

i. Petrus z, 5. 6.

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einen schlimmen inneren Zustand, und die wenige Sorge, die man für den äußeren Schmuck trägt, zeigt an, daß man mehr mit Gott als mir sich selbst und mit seinem Fleische beschäftigt ist. Die Weiber, welche sich gern schmücken, sind nicht schön und hoch zu achten, weck man gleich sieht, daß sie daß, was ihnen die Natur versagt hat, auf gewisse Weise zu ersehen suchen» Fast alle jene Weiber, die so viel Geld und Mühe auf ih­ ren Schmuck verwenden, gleichen einem kostbaren Grabe, in dem sich nichts als Staub befindet." 5» Go schmückten sich auch einst jene heili­ gen Weiber, die auf Gott hofften und ihren Männern Unterthan waren. 6. So gehorchte Sarah dem Abraham und nannte ihn Herr! (1. Mos. 18, 12.) Ihr seyd ihre Töchter, wenn ihr recht thut und euch durch keine Drohung fchrekken lasset, wenn ihr bei Schwierigkeiten nicht gleich allen Muth sinken lasset. Ihr könnet nicht nur Töch­ ter dieser heiligen Frauen werden; es giebt einen Weg und einen klebten Weg, wie ihr Schwestern und Müt­ ter des Heilandes werden könnet, daß der Heiland sagt: Ich liebe und ehre sie wie meine Mutter. Mark. 3,35» Wenn aber eine weibliche Seele mehr auf den äußern Puh und Schmuck sieht, als auf den innern, dann ist sie schon weit von diesem Wege abgekommen. Sara hatte viel zu überwinden, um ihrem Manne gehorsam zu seyn und sich ihm zu unterwerfen, da er dem Befehl Gottes zu gehorchen suchte und aus seinem Vaterlande zog, ohne zu wissen, wohin? da er die Frem­ den gern beherbergte rc. Sie erkannte wohl, wie fromm, gerecht und heilig er gesinnt war, und wie er in der Kraft und Furcht des Herrn stehe. Diese Mitwirkung zum Guten, diese Ergebung in die Wege und Führun­ gen Gottes, das ist der rechte Schmuck der Weiber und beweist, daß etwas in ihrem Herzen ist. Wer aber nur an die Verzierung und den eitlen Putz des äußern Menschen denkt, verräth, daß er nichts im Herzen, fei»

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k. Petrus 3f 7* 8»

nen verborgenen Schatz, kein inneres Wesen hat —kein Herzens-Mensch ist. Ihr Weiber! verrathet doch nicht so sehr, was in euch ist. Trachtet lieber etwäs ins Herz als aus den Kopf zu bekommen, gebet euch doch nach dem innern Menschen nicht so bloß, indem ihr den äußern so kostbar bedecket mit Schmuck und eit­ len Zierereien» Wenn etwas an Euch ist, bedürset ihr ja nicht euch so viel um- und anzuhängen. * 7. ihr Männer, gehet vernunfttgMit den Weibern uni, als dem schwächern Gefäße, und i erweiset ihnen Ehre, weil sie auch Micerben der Gnade und des Lebens sind, damit euer Ge­ bet nicht gehindert werde. Bei den Juden war

die allgemeine Meinung, daß das weibliche Geschlecht zwar, zum Dienste und zur Arbeit zu gebrauchen, auch noch wohl zum Leichtsinne gut genug sey, aber in der That keinen besondern Respekt, keine Achtung und Ehr­ erbietung verdiene. Daher wurden sie bet, allen Gele­ genheiten zurückgesetzt, selbst beim Gottesdienste hatten sie einen eigenen Ort. Es war eine, gewisse Zucht über sie für das Unglück, das durch sie in die Welt gekom­ men ist, und weil sie durch ihren Fall über sich und andere das Verderben gebracht haben. Weil aber der Heiland durch seine Menschwerdung den Fall und das Verderben, das durch ein Weib in die Welt kam, in einem Weibe wieder gut machte, so wollte Er ihnen ihren Respekt wiedergeben. Sie haben nun Ursache, sich ihres Standes zu freuen, und besonders der Ehre wegen, die ihrem Geschlechte wiederfahren,, daß der Hei­ land durch ihr Geschlecht ohne Zuthun eines Mannes ein Mensch geworden ist; sie sollen eine wahre Ehrer­ bietung gegen ihre Umstände haben, darin sie sich in ihrem G-schlechte befinden. 8. Ueberhaupt aber seyd alle gleichgesinnt, niirleidig, brüderlich, barncherzig, freundlich, de­ müthig. Die ersten Christen waren alle Ein Herz und Eine Seele. Seitdem man aber in den Schulen so sehr

r Petrus 3, 9—11.

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sehr mit einander gestritten und alles auf die Vernunft gebaut hat, hat man die Wahrheit und Liebe zugleich verloren. 9. Vergeltet nicht Böses mit Bösem, nicht Scheltwort mit Scheltworten, sondern segnet vielmehr; denn ihr wisset, daß ihr dazu berufe» seyd, den Segen zu ererben, kein Fluch kann euch schaden. Wenn die Leiden niemand als uns betreffen, und keinen Einfluß ins Ganze haben; wenn wir nicht aus Pflicht und Schuldigkeit und Treue uns manchmal müssen wider den Laden legen, so sollen wir uns alle Schmach anthun lassen und sie tragen. Das erfordert die christliche Leidsamkeit; die ist ein solcher Sinn, da man, wenn einem etwas Leides geschieht und zu nahe getreten wird, geneigt ist, alles über sich ergehen zu lasten. Der erste Gedanke, der nach einem erlitte­ nen Unrecht oder Tort bei uns aufsteigt, muß leidsam seyn. Der Heiland hat dies so ausgedrückt: Wenn dir jemand einen Backenstreich giebt, so warte, ob er dir nicht noch einen geben will; bleib stehen, damit, wenn ihm einfällt dir noch einen zu geben, er dir nicht erst nachlaufen müsse; warte, ob er nicht noch etwas zu bestellen hat. Dieser leidsame Sinn, der sich keinem gegenwär­ tigen Leiden entzieht, har die Verheißung und den Se­ gen, daß man sich zehn Leiden erspart; da man hin­ gegen aus Einem Leiden vielleicht zwanzig macht, wenn man sich selbst helfen, Rache nehmen, Recht haben, nicht unterdrückt seyn, sondern sein Recht durchsetzen will. 10. Denn wer sich seines Lebens freuen und gute Tage sehen will, der bewahre seine Zunge vor Unrecht, und seine Lippen, daß sie nichts Trügliches reden. 11. Er lasse ab vom Bösen und thue Gutes, er suche Frieden und jage ihm nach. Das erklärt von selbst, was unter den guten Ta­ gen zu verstehen sey, nach denen Christen trachten sollen. Er4auim-sbiil>« via, Ebtil. 13

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». Petrus 3, 12—14.

Die Welt nennt das gurr Tage, wenn daS faule Fleisch alles vollauf hat, im Essen und Trinken, in Eh­ ren und Wollüsten rc. Das kann aber der rechte Se­ gen nicht seyn; denn das giebt Gott den bösesten Bu­ ben, denen Er gerne den Bauch füllt mit guten Ta­ gen, weil sie sonst nichts wollen und annehmen. 12. Denn die Augen des -Herrn sehen auf die Gerechten, mit gnädiger Aufsicht, Liebe und Vorsorge, und seine Ohren merken auf ihr Geber, wenn es gleich bisweilen scheinet, als ob er keine Ohren hatte, lütt Mißfallen aber blickt der -Herr auf die, so Böses thun; sie sind Ihm ein Greuel. 13. Und wer kann euch schaden, wenn ihr dem Guten nachtrachtet? Um die Sache selbst hat es keine Noth; wer dafür sorgt, ist ein guter Mensch, der aber die Sache nicht versteht. Der Hüter Israel ist sehr treu und gut für allen Schaden. Das gehört mit zur großen Seligkeit, daß uns niemand schaden kann in der Hauptsache. Daß man sich hier einen Fin­ ger verrenket, dort einen Zahn verliert, den man braucht, oder einen Fleck ins Auge bekömmt, den man nicht nö­ thig hatte u. dergl., das macht der Hauptsache keinen Schaden. 14. Und wenn ihr auch leidet der Gerechtig­ keit wegen, so seyd ihr doch selig. Fürchtet nicht ihre Drohungen, und lasset euch nicht schrecken. Merkwürdig ist, was ein gesalbter Schriftsteller in dieser Hinsicht von sich sagt: „Wenn ich eine Läster­ schrift gegen mich sehe, so ist meine größte Noth die, daß, wenn ich sie läse, ich vielleicht alles glaubte, waS darin steht; weil ich dächte, der Mensch würde es ja nicht sagen, wenn es nicht wahr wäre, oder der Hei­ land würde es ihm nicht zügelnsten haben, oder es wird einen auf etwas führen, das künftig so seyn könnte, und der Heiland wird eS gewollt haben, daß er mich auf diese Weise über etwas erinnern oder davor war­ nen soll. Ich kann mir keinen Begriff machen, was

>. Petrus 3, 15. 16.

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Haffen für ein Ding ist. Uns unter einander scharf seyn, ist wieder etwas anderes; das ist eine Pflicht: Die Liebe sey nicht falsch." Siehe Röm. 12, 9. 15. Heiliget aber Gott (oder Christum den Herrn) in euren Herzen. Haltet euch im Verborge­ nen an Ihn; erhebet euren Sinn und euer Herz im­ mer zu Ihm, der eure Sache richten und euch Recht schaffen wird. Und dann seyd allezeit bereit, euch gegen jedermann zu verantworten, der Rechen­ schaft fordert wegen der Hoffnung, die in euch ist, doch mit Sanfcmuth und Ehrfurcht, mit Be­ scheidenheit, mit Achtung gegen Obere. Es ist eine wichtige Sache, daß man stille seyn lerne; denn es ge­ hört zum Wesen und zur Sicherheit eines Volkes Got­ tes, daß es verborgen bleibe und sich nicht verantworte, außer nur vor denen, die Macht haben und es fordern. Uebrigens aber muß man durch gute und böse Gerüchte gehen, ohne Theil daran zu nehmen, ohne auch die gu­ ten Gerüchte selbst auszubrciten. Wahre Christen können sagen: „ Unser Plan und unsere Geheimniffe mögen aller Welt vor Augen liegen, und bei einer Untersuchung , wenn es nur ehrlich zu­ geht, aufs schärfeste geprüft werden. Je mehr und gan­ zer es geschieht, desto mehr Ehre wird der Heiland da­ von haben und zeigen, daß wir in seinem Lichte wan­ deln, seinen Pfad halten und nicht einen Schritt da­ von weichen, sondern vom Gerüche seiner Salbung ge­ rade hinter Ihm drein gezogen werden. Man mag al­ les, was wir thun, mit goldenen Buchstaben schreiben und in alle Archive legen; wir haben uns nicht zu schämen; vielmehr sollen und müssen sich schämen alle, die Ihm zuwider find." 16. Behalree ein gutes Gewissen,'welches bei der Verantwortung und beim Bekenntnisse freimüthig und unerschrocken macht, damit die, welche euren guten wandel in Christo lästern, zu Schanden werden, daß sie euch als Uebelchäcer verleumden. 13*

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r. PetruS Z, 17. 18.

Wir sind nicht die Ersten, denen man übel nachredet; es ist den ersten Christen auch nicht besser gegangen. Den guten Wandel in Christo, den Verleumder gerne in ein übles Geschrei bringen möchten, können sie uns nicht nehmen. Diese Schutzrede bleibt, wenn gleich die mit Worten verboten wäre.

17. Denn es ist besser, ihr leidet, wenn es Gottes Wille ist, wenn ihr doch leiden müsset, um guter, als um böser Thaten willen. Ihr habet mehr Ehre davon. Man pflegt das äußere und innere Kreuz zum noth­ wendigen Stücke des Christenthumes zu machen. Das ist es aber nicht. Wenn man e6 als zufällige Dinge ansieht, die leicht vorkommen und allen Kindern GotteS begegnen können und gewöhnlich begegnen, so ist cs gut. Aber wenn man es zur Sache macht, die die Seligkeit erst erwerben must, so ist es dem Verdienste des Heilandes eine Schmach. Es kann heutzutage ein treues Kind oder ein frommer Knecht Gottes bis and Ende seiner Tage ohne äußere Leiden bleiben, nachdem eben die Zeit und Umstände, in denen der Mensch lebt, beschaffen sind. Dagegen kann ein anderer, der nicht so gut steht, ein Märtyrer werden. Daher sind alle Trübsale und Mühseligkeiten, die innerlich und äußer­ lich vorkommen, zufällig. Es ist da keine Gleichstellung nöthig, daß es einer gerade wie der andere habe; son­ dern wen es trifft, der nimmt es an und denkt: Es ist eine Gnade für mich. Und wen es nicht trifft, der grämt sich nicht darüber; der fängt keine Händel darum an, und macht keine Streiche, damit er sich das Kreuz auf den Hals ziehe. Wir müssen nicht absolut leiden; wenn wir so selig seyn könnten, daß unsere Seligkeit von der ersten Absolution an durch nichts mehr unter­ brochen würde, wem wäre es lieber, als Ihm?

18. Weil auch Christus für unsere Sünden einmal gelitten hat, der Gerechte für die Unge­ rechten, damit Er uns zu Gott führte, uns Gott

i. Petrus Z, r8.

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opferte. Er ward getSbtet dem Fleische nach; aber lebendig gemacht dem Geiste nach. Der Heiland starb für uns, damit Er uns zu Gott führte! Wenn wir uns nun nicht führen lassen? Er hat sich so bemüht, so gearbeitet, daß Er uns gewänne und zu Gott brächte. Und wenn Er uns beim Vater hätte, das wäre schon sein Lohn, da vergäße Er alle Mühe und Schmerzen. Der Vater hat uns Ihm zum Lohne geschenkt und Ihm versprochen, alle Seelen, für die Er sterben und die an Ihn glauben werden, sollen nicht verloren gehen. So viele Seelen nun in ihren Sünden sterbe», so viele ver­ liert der Heiland von seinem Lohne. Nun ist es eine große Sünde und Schande, dem Arbeiter seinen Lohn vorenthalten. Und die Sünde begeht ein jeder, der so ohne Gott in der Welt hingeht, und sich nicht Jesu zum Eigenthume ergiebt. Es ist nicht nur darum, daß ihr verdammt und verloren seyd für eure Person; es ist auch darum zu thun, daß der Heiland um seinen Lohn und um seine Freude gebracht wird. Ihr seyd euch Ihm schuldig. Er hat euch verdient. All) wenn alle wüßten, daß sie der Herr mit sei­ nem Blute erworben hat, daß sie alle sein, der Lohn für seine Leiden sind. Aber das kostet Arbeit, bis sie das lernen, besonders bei gelehrten und klugen Leuten. Da braucht der heilige Geist das Gesetz, um sie in die Enge zu treiben und ihnen zu zeigen, wie elend sie sind, indem er ihnen allen Ruhm und eingebildete Tu­ gend wegnimmt und sie überzeugt, daß sie auch Sün­ der sind. Das macht denn erst, daß sie die Wichtig­ keit des Verdienstes Jesu schätzen lernen; und wenn ih­ nen der Heiland die Sünde vergiebt, so fällt ihm der Doctor zu Füßen und erkennt, daß es eine himmel­ schreiende Sünde wäre, wenn er dem Arbeiter am Kreuze und am Oelberge länger seinen Lohn vorenthielte, und wenn der blutige Angstschweiß Christi umsonst auf die Erde gefallen seyn sollte. Di« Einfältigen habens näher, denn der Glaube

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r. Petrus 3, 19.

an das große Leiden ihres Schöpfers und Heilandes für ihre Sünden reißet ihnen das Herz in Stücken und macht sie in Thränen schwimmen. 19. In diesem Geiste, da Er dem Leibe nach todt war, der Seele nach aber lebte, ginF er hin in die untersten Srte der Erde *), Eph. 4, 9. und pre» digre (das Evangelium K. 4, 6.) den Geistern im Gefängnisse. Er hat sich ihnen als Erlöser und Sie­ ger dargestellt und ihnen die Seligkeit, andern das Ge­ richt verkündiget. Diese Stelle macht allen Lesern und Auslegern Mühe, daher sie auch die meisten vorbeigehen oder nur obenhin berühren, oder besondere Meinungen daraus schmieden. Ein Reformator sagte darüber: Christus habe nach seinem Tode einer ungläubigen Welt nach ihrem Tode noch geprediget, und, wie er meinte, habe El Moses und die Propheten zu Zeugen mitgenommen. Osiander sagt: „Gott hat die Seelen der ersten Welt zwar nicht verdammt, sondern nur in ein Gefängniß gesperrt, bis Christus für die Sünde gestorben war und ihnen ankündigte, daß sie vom Vater begnadiget wür­ den, worauf er sie auch ins Paradies mitnahm." An­ dere schließen daraus, daß Gott seine Gnade und Barm­ herzigkeit gegen die Menschen keineswegs in die kurze Zeit dieses sterblichen Lebens einschränke. Wenn die­ sem nicht so wäre, wozu sollte denn Jesus hingegan« gen seyn und diesen Geistern geprediget haben? Wo man prediget, da müssen die, welchen man prediget, auch noch tüchtig seyn das zu glauben und anzunehmen, was ihnen verkündiget wird. Da nun so große Leute sich nicht bestimmt über diese Stelle erklären wollten und konnten, was soll und will ich? — es jedem selbst, oder vielmehr es dem hei­ ligen Geist überlassen, daß er jedem Leser dabei ins Herz lege den Smn, der zu seinem Heile gereicht. UtbrU *) In den Hades, in dqS Reich der Todten, nicht derer im £>*tt der Verdammten z heißt jeder verschlossene Aufenthalt.

i. Petrus z, LO. 2i.

ipii

gen- freue ich mich doch dieser Wahrheit, wenn wir sie gleich nicht ganz verstehen; ich freue mich, sage ich, zu wissen, daß Christus hingegangen ist in das Gefäng­ niß und da auch geprediget, ja wohl auch das Gefäng­ niß gefangen geführt hat. Denn wo Er eintritt, kommt Erlösung, Freiheit und Seligkeit. — Was waren denn aber das für Geister, denen Er im Gefängnisse pre­ digte? Gewiß nicht die Verdammten in der Hölle im eigentlichen Sinne des Worts, die ihr ewiges Urtheil schon empfangen hatten und für die keine Erlösung mehr ist, also auch keine Predigt mehr anwendbar seyn kann, sondern 20. die, welche einst ungläubig oder ungehor­ sam waren, sich nicht bekehren wollten, als Gottes Langmurh wartete, und ihnen immer gerne Barm­ herzigkeit erzeigt hätte. Wann war denn das? in den Tagen Noahs, da die Arche ausgerüstet ward, in welcher wenige, das ist, nur acht Seelen ge­ rettet wurden von dem wasser, oder mitten durch und mit Hülfe des- Wassers. Die Leute also waren es, die in der Sündfluth umgekommen sind, die noch einen Besuch von Christo nach seinem Tode erhulten haben, die so viele Jahre im Kerker des Todes und des Hades schwitzen mußten, bis ihnen Christus das Evangelium von der Gnade Gottes verkündigte, weil sie doch wahrscheinlich bei ihrem Untergänge und in ih­ rer letzten Noth Gottes Barmherzigkeit noch angerufen und gehoffet haben. 21. wie nun auch euch, nach jenem Vor­ bilde, die Taufe selig macht, nicht als eine bloße Ablegung der leiblichen Unreinigkeit, sondern als Angelobung eines guten Gewissens vor Gorr. Wie die Wasser der Sündstuth die gottlose Welt und die verdorbenen Menschen ersäufte, so ersäuft das Wasser der Taufe und Sinnesänderung den alten Menschen; und wie die Arche die Gläubigen über alle Wasser em» poehcb und rettete, so rettet und erhebt die Taufe (nicht

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i. Petrus z, 22.

nur die Wasser- sondern die Geistes-Taufe) alle, die damit gerauft werden. Christus ist der wahre Noah, der uns in der Arche des Glaubens und der GeistesTaufe rettet und selig macht. Wie Noah alle Thiere in die Arche sammelte, um sie von dem Untergang zu retten, so sammelt der hei­ lige Geist die zerstreuten Kinder GotteS durch die Taufe in Jesu Tod in die Arche der christlichen Gemeine. Sie sind keine fliegende Fische mehr, sie schwimmen nicht im Freien, im Element dieser Welt, flattern nicht mehr in der verpesteten Weltluft herum. Und wenn sie auch einmal dahin gerathen, so wissen sie gleich wieder wo­ hin. Möchten wir uns nur keine vergebliche Mühe ge­ ben, Leute in die Arche zu bringen, die nicht hineinge­ hören, die, wenn sie einmal aus der Arche heraus ent­ wischen können, nicht wiederkommen, wie der Rabe Noahs, der sich aufs Aas setzte; oder die, wenn sie einmal außer der Arche campiren, sich so übel auffüh­ ren, wie Cham. Was sollen uns solche Einwohner in der Arche der Gemeine? Man muß bei der Taufe nicht nur eine äußere Abwaschung und Besprengung mit Wasser verstehen, sondern eine Neubelebung und Erweckung vom Tode zum Leben, und dann einen Bund mit Gott, ein Ge­ lübde, sich vor aller künftigen Befleckung rein zu er­ halten, wozu wir die Gnade und Kraft bekommen durch die Auferstehung Jesu Christi, 22. welcher nun zur Rechten Gorees sitzt und alle Gewalt hat, nach­ dem er den Tod verschlungen und also auch uns davon retten kann, damit wir Erben des ewigen Lebens würden, und der in den -Himmel aufge­ fahren ist, als der, dem die Engel, die Gewal­ tigen und die Rräfce unterworfen sind, den sie für ihr Haupt erkennen müssen, wie wir.

i» PetruS 4, 1. 2.

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Das IV. Kapitel. 1. Da nun Christus im Fleische für uns ge­ litten dar, so waffner auch ihr euch mit demfel. bigen Sinne der Geduld. Sein Leiden muß uns un­ ser Leiden lieb macken. Es wäre bei der Menschheit viel zu erinnern und könnte einem einfallen: Wenn man doch nicht mit so vielen Schwachheiten umgeben wäre, und die Krankheiten und allerlei Umstände, die dieses Sterbens-Leben unangenehm machen, erträglicher wären? Wenn wir aber Ihn, in unser armes Fleisch und Blut gekleidet, unsern Herzen vorstellen, umgeben mit Schwachheit und Leiden, versucht allenthalben, wie die geringsten Kinder, so daß Er aus eigener Erfah­ rung weiß, wie e6 uns ums Herz ist, so hat das Den­ ken und Kränken ein Ende. Man denkt blos: Ach was hat Er gelitten? Er sprang ins Todes Rachen, mich los und frei zu ma­ chen von diesem Ungeheuer. Das macht alle Beschwer­ lichkeit, Druck und Verachtung, alles Elend in der Welt zu leichten Federchen; man denkt nicht an das elende Leben. Pred. 5, 19. Man fragt wohl gar Ihm zu Liebe: Giebts noch was zu tragen? Darum soll man den Leuten nichts als den Ge­ kreuzigten vor die Augen malen, und von dem Licht und Schatten, die zu diesem Bilde gehören, nicht das geringste weglassen. — Denn wer am Fleische leider, der hört auf zu sündigen; der bekömmt Ruhe von dem Gaste, der sich bei ihm einquartiert har, indem das Fleisch, wenn es durch Leiben gekreuziget ist, seine Herrschaft verloren hat. 2. Damir er die noch übrige Zeit im Fleische nicht mehr den Lüsten der Menschen, oder der Welt, die in Augenlust, Fleischeslust und Hoffart des Lebens besteht, sondern dem willen Gottes lebe,

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i. Petrus 4, z—5.

oder dem, der «ns so sauer erworben und erkauft hat» Denn der ist unser Herr und wir seine Knechte; sein Wille soll daß Gesetz unsers Lebens seyn. 3. Denn es ist genug, daß wir die vergan­ gene Zeit des Lebens vor der Bekehrung nach dem Ginne der Heiden zugebrachk haben; da wir wan­ delten in Unzucht und Lüsten, Trunkenheit, Fresse­ rei, Schwelgerei und greulichen Abgöttereien. Wenn daß daß Heidenthum ist, so stecken unsere Chri­ sten noch tief im Heidenthume. 4. Das befremdet ste, die Weltkinder, die heidnischen Christen, daß ihr nicht mehr mit ihnen in jenem unordentlichen, schändlichen wesen hintaumelt; darum lästern sie, daß ihr nicht mehr mit ihnen haltet und auf dem breiten Wege fortwandelt. Die Welt dringt darauf, man soll eS so machen wie sie. Sie hat daß Sprichwort: Gegen den Strom soll man nicht schwimmen, gehe eß, wie eß wolle. Wie ähnlich sind unsere Zeiten denen des Petrus! Wie ähnlich unsere Christen den Heiden selbiger Zeit! So­ bald sich einer bekehrt von ihrem heidnischen Wesen zur wahren Gottseligkeit, so schmähen und lästern sie, daß man besser seyn wolle als sie; werfen mit Sonderlin­ gen, Heuchlern, Scheinheiligen, Schwärmern, Ketzern rc. um sich. 5. Allein sie werden dem Rechenschaft geben müssen, der bereit ist zu richten die Leben­ digen und die Todten. Es giebt Teufelsleute in der Welt, ein Mordge­ schlecht, die eine Aussaat des Satans sind, die nicht nur selbst nicht selig seyn wollen, sondern auch andere mit Gewalt zurückweisen wollen vom Wege zur Selig­ keit. Wenn z. B. ein Mann sich bekehren will, so sucht eß die Frau zu hindern. Wird die Frau bekehrt, so seht sich der Mann entgegen, und so Aeltern gegen Kinder, ein Freund gegen den andern. Alle diese mö­ gen sich in Acht nehmen, daß sie nicht zu dem Mord­ geschlechte gehören, das der Teufel auf den Acker der Welt gesäet hitt. Matth. 13,24. Wer ßch nicht selbst

i« Petrus 4, 6.

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bekehren will, der lasse doch andere sich bekehren; wer nicht selbst leben, sondern todt bleiben will, der lasse doch andere leben; wer sich nicht selbst retten lassen will vom ewigen Pfuhle, der reiße doch seine Frau, oder Mann, oder Kinder, oder Aeltern, oder Freunde nicht mit in den Pfuhl zu seiner doppelten Qual. 6. Denn dazu ist auch den Todten (denen in der Welt oder den Abgestorbenen nach Kap. 3,19.) das Evangelium gepredigte, oder dazu ist Er auch den Todten evangelisirt, als Heiland verkündigt, damit sie, ob sie gleich nach dem Menschen am Fleische ge­ richtet werden, doch dem Geiste nach Gott le­ ben, selig werden. Diese Stelle gehört wieder, wie 1. Petr. 3, 19., unter diejenigen, von welchen die gelehrtesten Schriftausleger der Vorzeit bekannten, daß sie sie nicht ver­ ständen. Und das ist besser und bescheidener, als wenn man den Sinn, den der Apostel dabei hatte, erzwingen will, um sie seinem Systeme oder väterlichen Satzun­ gen anzupassen. Ich will auch hierin nichts behaupten, glaube aber, diese Stelle bezieht sich auf die Kap. 3, 19. 20. und erklärt dieselbe. Uebrigens ist so viel ge­ wiß, wenn das Evangelium gepredigt und geglaubt wird, so wird das Fleisch oder der Mensch nach dem Fleische gerichtet, sein Recht wird ihm abgesprochen und der Stab gebrochen, sein Reich hat ein Ende, das Fleisch muß gekreuzigt, getödter werden mit Chrisio sammt seinen Lüsten und Begierden, damit der Geist oder Mensch dem Geiste nach lebe und gerettet werde. Und so sind wohl auch die, denen Christus im Gefäng­ nisse predigte, zuerst dem Fleische nach theils bei der Sündflukh, theils nachher durch so lange Jahre gerich­ tet worden, damit sie endlich durch die Predigt des Evangeliums, die ihnen Christus brachte ins Gefängniß, dem Geiste nach gerettet und selig würden. Es ist ein langes Gericht über sie gegangen; aber endlich kam das Evangelium, deß sie härmen. Das geht aber nicht

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I. Petrus 4/ 7—9»

alle Todten an, sondern nur die, welche Petrus Kap. 3, 20. nennt. Wenigstens können wir es nicht auf andere eigenmächtig ausdehnen, als die uns die Schrift nennt. Wenn aber Golt diese, die dort bei der Sund» fluch kein Evangelium hörten und also nicht glaubten, weil sie nicht hörten und nicht wußten was? wenn Gott Liese dispcnsirt und an ihnen eine Ausnahme macht, wie Petrus zu lehren scheint, so daß Christus ihnen nach seinem Tode noch eine besondere Predigt hielt, so dürfen wir nicht scheel dazu sehen, sondern müssen an­ beten die Wege der Gnade und Barmherzigkeit Gottes. Salvo meliori. 7. Es ist aber das Ende aller Dinge nahe. Wenn es dort schon nahe war, so muß es setzt noch viel näher seyn und kömmt immer naher. Gepd daher weise und wachsam zum Gebete. Der Geist des Gebetes wohnt nicht in Herzen, die sich der Thorheit und den Zerstreuungen dieser Welt hingeben. In Ge­ betbüchern kann auch ein zerstreuter Sinn lesen, und Gebersfornieln kann man wohl hersagen ohne Wach­ samkeit und Nüchternheit; aber im Geiste beten erfor­ dert mehr. 8. Vor allem liebet einander brünstig; denn die Liebe deckt die Menge der Sünden an uns und an andern. Sie übersieht, vergiebt, vergißt, ver­ zeiht andern die Menge der Sünden, oder wie Jako­ bus Kap. 5,20. sagt.- Wer seinen Bruder durch Liebe gewinnt, daß er sich bekehrt und an Christum gläubig wird, und die Vergebung seiner Sünden erhält, der bedeckt die Menge der eigenen Sünden. 9. Seyd gastfrei gegen einander, ohne Mur­ ren oder Brummen. — Die Gastfreundschaft oder lie­ bevolle Ausnahme und Beherbergung der Fremden war bei den ersten Christen sehr nothwendig, weil sie von den Heiden überall verstoßen und verfolgt wurden. Dies würde auch und wird der Fall wieder seyn und wer­ den, sobald das Christenthum lebendiger wird.

i. Petrus 4, 10. n.

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10. Diener einander, jeder mir der Gabe, die er empfangen hat, als gute Haushälter der mannigfaltigen Gnaden Gottes. Jedes Kind Got­ tes muß einen dienstbaren Geist haben; besonders muß in einer Haushaltung, die eine Familie des Heilandes vorstellen soll, ein jeder ein Aemtchen haben und sich darin eifrig beweisen. Eines jeden Hand und Fuß muß sich regen, wozu man gesetzt und nicht gesetzt ist. Und wenn alles in Ordnung ist, so muß sich jedes schämen, wenn es sich nicht bewußt ist, womit es seinen Ge­ schwistern dienen kann. Was aber zum eigentlichen Diener einer Gemeine erfordert wird, was für einen innerlichen Wecker er ha­ ben, wie viele Erinnerungen er vom Heilande bekom­ men, in welchem genauen und ununterbrochenen Gange mit dem heiligen Geiste, der der wahre Wecker ist, er stehen muß, was für ein Schmerz eS ist, wenn man in seinem Dienste auf Tausend gedacht, und hernach doch das andere und dritte Tausend vergessen har, daS kann niemand besser wissen, als wer in der beständigen Uebung davon steht. Wenn einem alles, wozu man Mttbe und Lust bat, seinem Nächsten zu dienen, auf einmal vorkäme, so würde man die Sinne verlieren und nicht Hanke genug haben. Aber wenn man nur den ganzen Sinn har, ein Diener zu seyn, wie Er war, so ist der Heiland so treu, daß Er einem die Sachen im Herzen deutlich und wichtig macht, die Er gethan haben will. 11. Redet jemand in der Versammlung, als Lehrer, so rede er es als Worte Gottes, als Aus­ sprüche Gottes; er rede demüthig, nicht im eigenen Na­ men und willkührlich, sondern wie vor Gott und au6 Gott, im heiligen Geiste. Hat jemand ein Amt, so verwalte er es nach der Z\r«ft, die Gott dar­ reicht, damit in allem Gott gepriesen werde durch Jesum Christum, welchem sey Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit Amen. Die Worte seyen

ao6

i. Petrus 4, 12. rz.

göttlich oder von Gott ringegeben. Es ist ein Unter­ schied, und wer Geist hat, der merkt es wohl, ob Gott und Gottes Geist durch einen rede, oder ob eine Krea­ tur aus ihrem Eigenen schwätze. Klingende Schellen und leere Schwäher werden hier abgedankt, die sollen schweigen, wie die Weiber.

Aller Dienst der Heiligen in der Gemeine ist nicht weniger eine Gabe des Geistes, als das Reden; darum wird auch Gottes Kraft und Stärke dazu erfordert. Das demüthigst, wenn man weiß, daß Gott alles Ver­ mögen darreicht, und man von sich selbst lauter Ohn­ macht ist. Da muß der natürliche Stolz die Flügel fallen lassen. 12. Ihr Lieben, lastet euch die Feuerprobe des Leidens, die euch zur Prüfung widerführt, nicht befremden, als widerführe euch etwas Selt­ sames. Wer Christo angehöret, hat dies vielmehr für das tägliche Brod zu halten. Von Verfolgungen kön­ nen Christen nicht dispensirt werden; wer die nicht für Seligkeit achten kann, der taugt nicht ins Reich Got­ tes. Der Heiland hat schon gezeigt, wie es seine Jün­ ger machen sollen: Ihr sollet nicht widerstehen dem Un­ recht. Sage nichts, wenn man dich auf den rechten Backen schlägt; halte lieber den andern auch dar. Wenn du gehst und klagst, so machst du aus Einem Leiden hundert.

13. Freuet euch vielmehr l Seyd nicht nur da­ mit zufrieden, wenn euch Gott reichlich damit versieht, sondern hüpfet vor Freude, daß ihr der Leiden Christi theilhaftig werdet, damit ihr auch zur Zeit der Offenbarung seiner-HerrlichkeitFreude und Wonne haben möget. So hat Ignatius eine große Freude auf seine Marter hin bezeigt; und die Märtyrer gin­ gen, wie Chrysostomus sagt, über die Leiden, die ihnen Satan als glühende Kohlen unterlegte, wie über Ro­ sen hin. Sie rissen die Marter so begierig an sich,

i. Petrus 4, 14—16.

507

wie einer im Frühling Blumen pflücket, um damit ge­ krönt zu werden. 14. Selig seyd ihr, wenn ihr um des Na­ mens Christi willen geschmäht, verhöhnt, verspottet und für Narren gehalten werdet; denn der Geist der Ehre und der -Herrlichkeit und der Rraft ruht auf euch, der bei ihnen verlästert, bei euch aber gepriesen wird. Je mehr die Heuchler und Un­ gläubigen lästern, desto mehr bekennt ein wahrer Christ. 15. Niemand aber unter euch leide als ein Mör­ der oder Dieb oder Verbrecher oder der in ein fremdes Amt greifet, sich in fremde Händel unbe­ rufen einmischek oder ein Ruhestörer ist, denn davon hat man wenig Ehre. 16. Leidet er aber als Christ, so schäme er sich nicht, vielmehr preise er Gore in diesem Falle hierüber. Wenn man etwas Ehrli« ches^thut, so ehre man den, von dem alles herkömmt. Er warnet sie nicht vor dem Verzagen, sondern, daß sie sich nicht- darauf einbilden, und sich nicht selbst ge­ fallen, indem sie so ehrlich leiden. Wenn uns die Leute um der Lehre und des Be­ kenntnisses oder der Nachfolge und Liebe Jesu willen verlachen und verachten, das macht sie zu sinnlosen Thie­ ren, und soll uns nicht um unsert-, sondern um ihrer selbst willen wehe thun. Aber wen» sie uns, weil wir untreu, unganz, falsch, absichtlich dem Cvangelio un­ würdig wandeln sehen und sich an uns stoßen, dann lästern, dagegen ist nichts zu erinnern. Denn wer Ihn kennt und erfahren, seine Freundlichkeit geschmeckt hat, und durch Ihn mit dem Vater Eins geworden ist, sollte der nicht in sein Bild verwandelt werden von einer Klarheit zur andern? Sollte es anders möglich seyn. Wenn aber daS nicht geschieht, kann man dann nicht mit Wahrheit sagen: Ihr seyd Heuchler, ihr habt Ihn nie gesehen noch erkannt. DaS ist noch höflich geredet. Hat Ihn aber Jemand erkannt, und ists unleugbar, sein Herz überzeugt von Ihm, und weicht doch ab,

20 g

i. Petrus 4f 17,

wandelt nicht in Ihm; dann ists das größte Unglück, das gedenkbar ist, und man kann nicht anders als mit völliger Ueberzeugung seiner Missethat vor die Augen der Menschen treten. Denn es ist keine größere Misse­ that in der Welt, als dem Gekreuzigten leben und nicht ganz leben; die Gnade und Seligkeit, die Er uns mit Blut und Tod erworben, brach liegen lassen und keinen rechten Gebrauch davon machen.

17. Denn es ist Zeit, daß das Gericht am -fauste Gottes, bei den Kindern Gottes, Gläubigen,

anfange, wenn es aber zuerst an uns anfängt, was für ein Ende wird es mit denen nehmen, die dem Evangelio Gottes nicht gehorchen? Der Heiland ist unser Fürsprecher. Er ist nicht nur Erlöser der Seelen, sondern auch Mittler von Tag zu Tag, der ins Mittel tritt und seine Leute aus allen Kräften vertheidiget. Wenn Er aber als Richter han­ delt, so geht alles nach Gerechtigkeit; da ist sein Haus so wenig verschont, daß sein Gericht vielmehr da an­ fängt. Der Heiland inclinirt wohl aus Mitleiden zum gelinden Wege, aber Er muß doch oft seinen Leuten scharf seyn und das Gericht an seinem Hause ansan­ gen. Er muß sie oft anfahren, und sich manchmal in einen Grausamen verstellen. Wer sich darein nicht fin­ den kann und in einer ungerechten Sache Schutz bei Ihm sucht, in der Meinung, daß der Heiland gnädig und barmherzig sey, der macht entsetzliche Fehlgriffe. Der Heiland will sein Fleisch und Bein nicht in Schutz nehmen, wo es nicht zu defendiren ist; Er will inpropria causa nicht dispensiren. Sein Charakter leider es nicht. Es wäre Ihm nicht alles Gericht übergeben, wenn Er nicht der Gerechteste wäre, ja die Berechtig, keit selber. Wenn aber Gott selbst seine Kinder nicht schont, so ist leicht daraus zu schließen, daß es den Gottlosen nicht besser gehen werde. Gott richtet die Gerechten und Gottlosen; die letzten aber findet Er zu leicht auf der

r Petrus 4, 18. »9. 5, r. 2°»

Lo­

der Wagschaale. 18. Denn wenn der Gerechte kaum, kümmerlich und mit großer Mühe, erhalten wird, wo will der Gottlose und Sünder erschei­ nen? Wie wird es dem gehen? 19. Daher sollen die, welche nach Gottes willen leiden, ihrem trkuen Schöpfer ihre See­ len empfehlen und im Guten verharren. Dann mag d-r Herr kommen, wann Er will, so findet Er euch, wie Er euch will. Dann mag der Saran kom­ men, so findet er euch in eurer Festung; dann mag die Welt kommen, so findet sie euch auf eurem Posten; Fleisch und Blut mag sich regen, so findet es eia wi­ driges Herz gegen seine Regungen.

Das V. Kapitel. 1. Die Aeltesten, die Bejahrten und KirchenVorsteher, unter euch bitte ich als Mitältester, der nicht mehr seyn will als ihr, der sich nicht über an­ dere erheben und erschwingen will, als Zeuge der Lei­ den Christi und als Micgenosse der -Herrlichkeit, die einst offenbar werden soll. Ein Zeuge der Lei­ den Christi war er, da er nicht nur Christum leiden sah, sondern auch Christum unter Leiden und bis in den Tod des Kreuzes bekannte. Wer ein solcher Zeuge der Leiden wird, wird auch Mitgenoß der Herrlichkeit. 2. weider die euch anverrrauce Heerde Gottes, und wachet über sie, nicht aus Zwang, sondern frei­ willig, aus Liebe und mit Freuden, nach Gottes willen, nicht um schändlichen Gewinnes willen, daß es euch nur um fette Besoldung und Accidemien zu thun ist, sondern aus remer Absicht. Ach, wo sind die Hirten und Lehrer, die nicht blos um des Ge­ winnes und Brodes willen oder um der Ehre willen Lr-anmrsSbuch VHL £0f«, bedarf keines Unterrichtes zum Sehen. So auch, wer an seiner Seele geheilet und gereiniget ist, bedarf kei­ nes Kommentars, sondern sieht die Geheimnisse der Schrift wie natürlich."

Das II. Kapitel. 1. Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volke Israel, so wie es auch unter euch falsche Lehrer geben wird, welche verderbliche Sekten, Häresien, Ketzereien des Verderbens, neben» einführen, und den Herrn, der sie erkauft har, ver« Idugnen, wodurch sie sich ein schnelles Verderben zuzrehen. Es ist zwar etwas Betrübtes und Klägli­ ches, daß die Christenheit in so viele Sekten getheilt ist, es wird aber doch auch von Gott den Seinen zum Be­ sten gelenker. Denn wenn die Sekten nicht so wider einander, sondern eins waren, so würden die Kindkr Gottes alle verdränget; es käme nicht Eines durch. Gott hat ihnen die Sprachen verwirret, wie jenen, die den Thurm bauen wollten, daß sie selbst nicht wissen, was sie wollen; und weil keiner die Wahrheit hat, so weiß keiner, was er will, und jeder wascht und schreit in den Tag hinein, was ihm einfällt, oder was er bei seiner Parthei durchsetzen kann. Das ist eine Sache, die man nicht als ein bloßes Unglück, sondern als zum Glück gewendet ansehen muß. Eine Sekte ist übrigens ein Haufen Leute, die einem gewissen Manne, seinen Ideen und seiner Be­ sonderheit folgen und sich dadurch von andern Menschen unterscheiden. Sie haben sich zu dem Menschen, der

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2. Petrus 2, r.

-ern vielmehr mit allem Ernste nach der Vergebung und Reinigung von der Sünde trachten, dann werden ihm die Augen aufgehen. Wer gesunde Augen h>«, bedarf keines Unterrichtes zum Sehen. So auch, wer an seiner Seele geheilet und gereiniget ist, bedarf kei­ nes Kommentars, sondern sieht die Geheimnisse der Schrift wie natürlich."

Das II. Kapitel. 1. Es waren aber auch falsche Propheten unter dem Volke Israel, so wie es auch unter euch falsche Lehrer geben wird, welche verderbliche Sekten, Häresien, Ketzereien des Verderbens, neben» einführen, und den Herrn, der sie erkauft har, ver« Idugnen, wodurch sie sich ein schnelles Verderben zuzrehen. Es ist zwar etwas Betrübtes und Klägli­ ches, daß die Christenheit in so viele Sekten getheilt ist, es wird aber doch auch von Gott den Seinen zum Be­ sten gelenker. Denn wenn die Sekten nicht so wider einander, sondern eins waren, so würden die Kindkr Gottes alle verdränget; es käme nicht Eines durch. Gott hat ihnen die Sprachen verwirret, wie jenen, die den Thurm bauen wollten, daß sie selbst nicht wissen, was sie wollen; und weil keiner die Wahrheit hat, so weiß keiner, was er will, und jeder wascht und schreit in den Tag hinein, was ihm einfällt, oder was er bei seiner Parthei durchsetzen kann. Das ist eine Sache, die man nicht als ein bloßes Unglück, sondern als zum Glück gewendet ansehen muß. Eine Sekte ist übrigens ein Haufen Leute, die einem gewissen Manne, seinen Ideen und seiner Be­ sonderheit folgen und sich dadurch von andern Menschen unterscheiden. Sie haben sich zu dem Menschen, der

2. Petrus 2, 2. z.

22A

sie lehrte, nicht zum Herrn bekehrt, hangen dem Men­ schen, dem Buchstaben, nicht Christo an. Das ist aber nicht der Zweck; wenn sich der Lehrer unsichtbar ma­ chen könnte, desto besser wäre es. Da schriebe sich nur die Sache ins Herz; und auf die Sache kommt es an, und daß einem der, der uns auf seinen Achseln heimtragcn muß, alles wird. Der Lehrer ist nichts als das Mittel, einem auf den Weg zu helfen. Gab es schon in den von den Aposteln gegründe­ ten Gemeinen falsche Lehrer, um wie vielmehr fetzt, da wir so weit von den seligen Zeiten der Apostel des Herrn entfernt sind. Falsche Lehrer sind aber alle, die Menschen-Tand und Menschcn-Satzungen nebeneinführen, wodurch sie Jesum, sein Verdienst oder Blut, womit wir erkauft sind, auf die Seite schieben und verdrängen. Wer die Leute nicht zu sich, sondern zu Jesus bekehrt, wer sie nur von dem verderbten Sinne der heu­ rigen Christenheit weg, und zum wahren Christen-Sinne führt, der ist kein Sekren-Stifter, kein Separatist, son­ dern gehört zu jener einzigen Sekte, der allenthalben widersprochen wird. Apostelgesch. 28, 22. 2. Viele werden ihren schändlichen Lüsten folgen, durch welche der weg der Wahrheit verlästert wird. An Anhang fehlt es falschen Leh­ rern nicht. Wenn cs ins Verderben auf dem breiten Wege geht, bekommt man eher Nachfolger, als auf dem schmalen Wege Christi. Die Lüge hat mehr Lieb­ haber, als die Wahrheit. Die Hure hat tzen großen Haufen für sich; die Braut des Lammes ist nur eine kleine Heerde. 3. Aus Geiz werden sie mit erdichteten Wor­ ten euch zu gewinnen suchen, an euch Handthieren, Gewerbe treiben, handeln. Sie predigen, beten und opfern, blos um Geld zu verdienen, und treiben also ein Gewerbe und Krämerei mit der Religion. Aber das schon lange über sie gefällte Urtheil säumet nicht.

LZ0

2. PetNls 2, 4,

«nd ihr Verderben schlummert nicht/ ist schon fertig. Gott kann sie wohl auswarten; Er kann sie mit Geduld tragen, mit unermeßlicher Geduld. Aber sie gehen a!S Töpfe so lange zum Wasser, bis sie end­ lich doch zerbrechen. Und wenn sie zerbrechen, so ge­ schieht eS mit Nachdruck, mit Kraft; sie werden andern zur Warnung weggeworfen.

4, Denn Gott har nicht einmal der Engel, die gesündigt haben, verschonet, sondern sie mit Renen der Finsterniß gefesselt, in die tiefste-Hölle zur Peinigung verstoßen und übergeben, daß sie zum Gerichte aufbewahrt werden. Jud.6. Es ist wahr, daß Jesus so gnädig war, daß Er sich mit dem Satan in einen Prozeß einließ, den Er auf einmal mit seinem ganzen Anhänge in den feurigen Pfuhl hätte werfen können. Der geduldige Herr handelte mit seinem bos­ haften Feinde und Sklaven nicht, wie jeder PolizeiMinister handeln würde; sondern läßt ihn leben und ihm noch große Gewalt. Er behält ihn so viele Jahr­ tausende auf, zum Gerichte des großen Tages, und hat ihm ein langes Ziel gesetzt, wann seine Macht erst ge­ bunden werden soll. Denker ihr euch also, daß dieser Jesus nothwendig mit euch zufrieden seyn müsse, weil Er euch so gehen und leben läßt, euch wohl noch Gu­ tes thut und gar mit Wohlthaten überhäuft? Machet keinen Schluß, daß ihr Ihm deswegen so gut gefallet, sondern machet den Schluß, die Geduld des Herrn hat mich bisher erhalten, die hat mich vor dem Unglücke aufgesparet. Lasser euch die Geduld zur Seligkeit die­ nen; lasset Ihn seine Hände nicht vergeblich nach euch auesirecken; kommet, machet Ihm die Freude, daß Er euch auf die Achseln nehmen und heimtragen kann. Gott hat sie zur Pein in den Höllengrund verstoßen, d. h. er hat sie ihrem eignen Willen übergeben. Sie woll­ ten ein eignes Königreich, eine Hölle, haben, ohne die Gesetze der sanften Liebe, und dachten nicht- daß das

2. Petrus 2, 5 — 8.

231

Licht darüber erlöschen würde, und sie den Ketten der Finsterniß un,d des Eigensinnes heimfallen würden. 5. -Hak Er der alten Welt nicht geschonet, sondern nur Noah, den Prediger der Gerechtigfett, selbacht erhalten, und über die gottlose Welt die Wasser-Fluth hereinbrechen lassen. Der gött­ lichen Barmherzigkeit ist sonst nichts eigener und an­ genehmer als Verschonen, so, daß der Vater sich rühmt, daß er der ©einigen schone, wie ein Mann seines Soh­ nes. Mal. 3,17. Desto schrecklicher ist es, wenn es heißt: Gott verschont nun nicht mehr. Die alte Welt war dem Schöpfer so lieb als die neue, die fetzige, denn er hat sie auch gemacht, und sie war noch viel schöner und fruchtbarer, als die jetzige, die durch die Sündfiuth mehr verdorben ist; dennoch verschonte er sie nicht. Er hat lange genug 120 Jahre gewartet, geschont und gewarnt durch den Bußprediger Noah, aber da sie durch Fleischeslust solche Thiere geworben waren, daß sie die Stimme Gottes nicht mehr hörten und kein Scho­ nen mehr half, da brachen die Gerichte des Zorns los. 6. Har Er die Städte Sodoma und Go­ morrha in Asche verwandelt, eingeäschert, umgekehrt und zerstört, um sie zum warnenden Beispiele für alle künftigen Gottlosen aufzustellen; so kön­ nen sich nun alle die, welche sich eben so verhalten, die Rechnung machen. 7. Und hat Er den gerechten Loth errettet, der durch die Ausgelassenheit und den unzüchti­ gen Wandel der ruchlosen schändlichen Leute gequälet ward; da er sich das Elend und Verderben der Leute sehr zu Gemüthe nahm; sie aber es ihm zum Trotze thaten, wenn sie sahen, daß er darüber seufzte. 8. Denn da er als ein Gerechter unter ihnen wohnte, ward seine fromme Seele von Tag zu Tag gequält durch ihre gottlosen Werke, die er mit ansehen und anhöben mußte. Er grämte sich und betrübte sich darüber; es machte ihm Herzeleid, lauter

2Z2,

2. PetruS s, 9—-12.

Werke mit ansehen zu müssen, davon die Sodomiterei ihren Namen har. Gott hat ihn aber errettet und wie einen Brand aus dem Feuer gerissen. 9. So weiß der Herr die Fromrnen aus der Versuchung zu erlösen, die Gottlosen aber aufzusparen auf den Tag des Gerichtes zur Strafe. Nach dem äußer­ lichen Zustande sieht es mit den Frommen und Gott­ losen fast gleich aus in dieser Welt. Aber am Aus­ gange scheidet es sich; da kommen diese um, jene aber werden errettet. Jeder Gottlose geht schon jetzt in schmerzhaften Ketten der Derdammniß.

10. Vorzüglich aber werden die gestraft, die da wandeln nach dem Fleische, in der unreinen Luft, die alle Herrschaften, alle Art von Obrigkeit verachten, die frech und selbstgefällig (anmaßend) sich nicht scheuen, Majestäten zu lästern und Tren­ nungen einzuführen. Solche Leute waren die Nikolaiten, Bileamiten und Jesabelliten, wie sie Johannes nennt; die in unflätigen Lüsten lebten, und es nicht für Sünde, sondern sich doch für rein hielten, als wenn sie nicht sündigen könnten, was sie immer thaten. Was hast du uns zu befehlen? hieß es zu Loth. Wenn ein Mensch nicht mehr hört, so kömmt man auf solche Ex­ tremitäten. Wider solche praktische Ketzereien haben die Apostel am meisten geschrieben. Solche Jrrlehrer, die alle Obrigkeit und Ordnung verachteten, waren schon damals. Es zielt aber Petrus gewiß auch auf die Erhebung der Kirchengewalt über weltliche Herrschaft. 11. Da doch die Engel, die größere Stärke und Macht haben, kein lästerliches Urtheil wider sie fällen vor dem Herrn, auch gegen böse Mächte nicht mit Schmähworten richten, selbst nicht gegen den Satan. Jud. 9. 12. Diese aber, die wie die vernunfrlosen Thiere von Narur dazu geboren sind, daß sie gefangen und geschlachtet werden, lästern,

2. Petrus 2, 13. 14»

233

was sie nicht verstehen, und werden inbthder Ver­ dorbenheit umkommen. Da ist ein Vergleich angestellt zwischen der Be­ scheidenheit der Engel, die sich nicht zu richten und zu urtheilen getrauen, sondern alles dem Herrn empfehlen, und der Unbescheidenheit dieser Leute, die so geschwind mir Urtheilen und Verdammen fertig sind. Wo die Unverschämtheit des Hurengeistes ist, da ist auch die Frechheit des Lästerns und Verdammens. Da sie ärger sind als die Thiere, werden sie in ihrem Verderben gänzlich verderben. Weil sie auf das Fleisch gesäet haben, wird das Verderben ihre Aerndte seyn. 13. Sie werden den Lohn der Ungerechtig­ keit empfangen. Das tägliche Schwelgen, das Baucbsutter und Sinnenvergnügen ist ihre einzige Lust, Glückseligkeit, ihr höchstes Gut; diese Schandflecken und Scheusale, das Ausspülichr, die Excremenren der Welt, davon die Christenheit setzt voll ist, sind in Wol­ lust versunken, und prassen und zechen bei euren Liebesmahlen von euren Almosen. So haben sie die Liebesmahle gemißbraucht. Es finden sich leicht Fliegen, die sich auf eine gute Salbe sehen. Wie voll ist die Christenheit von solchen Leuten, die ein tägliches Wohlleben für ihr größtes Glück hal­ ten, die wollüstig und lustig dahin leben, wie sie es von ihren Vorfahren gelernt haben. 14. Sie haben Augen voll Ehebruchs, voll unersättlicher Lüsternheit. Anstatt die ehebrecheri­ schen Augen auszureißen, Matth. 5, 28., werden sie mit Fleiß unterhalten und gepflegt, und was im Werke nicht geschehen kann, mit lüsternen Blicken ausgeübt. Solche können und wollen von der Sünde nicht aufhören, nicht ruhn, sie lassen sichs nicht wehren, sich nicht davon abhalten, geben vor, es seyen Schwachheits­ fehler. Sie können nicht ruhen vom Trieb der Wollust. Sie locken leichtferrige, unbefestigte Seelen an sich,

234

2. Petrus 2, is —18.

in ihr Garn; ihr Herz har ausgelernt im (Bei$; fit sind verschmitzt und abgerichtet auf ihren Nutzen, unverschämt im Fordern; sie sind Rinder des Flu­ ches, verfiuchte Leute, sie wollen den Fluch. 15. Sie verlassen den geraden weg der Nachfolge Christi, wie die meisten Christen, weil er ihnen zu enge und zu schmal ist, und gehen irre in dem Irrgarten ihrer unrichtigen Schulweisheit; sie folgen dem Wege daß man Seiner wahrnähme! 2. Ich weiß deine Werke und deine Mühe und deine Geduld, und daß du die Bösen, die Heuchler, die sich eindringen und für Christen und Brü­ der paffiren wollen, nicht tragen kannst, und hast geprüft, die sich Apostel nennen, und sind es nicht, und hast sie als Lügner erfunden. Christus ist ein gerechter Haushalter; was zu loben ist, das wird von Ihm nicht vergessen. Wenn Lehrer mit falscher Vertragsamkeit zu allem stille schweigen, durch die Finger sehen und ein Auge zudrücken, so sind sie nicht lobenswerth. Der Heiland hat es lieber, wenn man Ernst braucht gegen das Böse. Christus kann sich mit Be­ lial nicht vertragen. Daher entsteht bei guten Seelen eine gewisse Widerwärtigkeit gegen die Gottlosen, am meisten aber gegen faule und halbe Christen, die ihnen zum Ekel und wie laues Wasser sind. Sonst ist es aber in der Welt eingeführt, daß man das Böse gut

346

Offenbarung r, 3 — 5.

heißt, und die größten Vergehungen der Menschen auf eine Seite zu legen weiß, wo man sie ihnen zu gut hält. Das geschieht aber nur, wenn Gott oder der Nächste beleidiget wird. Und die Leute, die das gut verstehen, wie sie krumm gerade machen und den Sün­ dern hinaushelfen können, werden für Menschenfreunde gerühmt und geliebt. 3. Und du hast Geduld, und hast viel über­ tragen um meines Namens willen, und bist nicht müde geworden. Wenn man der Heuchelei wider­ spricht, kann man viel zu leiden bekommen. Wer das Böse nicht tragen will, bekömmt genug zu tragen. 4. Aber ich habe gegen dich und kann dir es nicht bergen, es will mir gar nicht gefallen, daß du die erste Liebe verlaßen hast, und nicht in der er­ sten Brünstigkeit und Kraft geblieben bist. Der erste Eifer verliert sich gewöhnlich bald wieder. Im An­ fänge ist nichts als lauter Eifer und Liebe, hernach aber stellt sich bald Kälte und Lauigkeit ein. O ihr Kinder Gottes, die ihr die erste Liebe noch habet, hal­ tet, was ihr habet, wachet, betet, traget sorgfältig den Schatz; denn wer die erste Liebe verliert, har einen un­ ersetzlichen Verlust. 5. Bedenke nun, woraus du gefallen bist, und thue Buße, ändere dich und thue die ersten werke. Geh in dich, nimm es zu Herzen, wie dir anfangs war, wie selig und brünstig du gewesen bist; und jetzt bist du nicht mehr so. Das ist nun ein gu­ ter Rath, den die Liebe den Gefallenen giebt, weil sie nicht den Tod des Sünders will, wo aber nicht, wenn man es nicht zu Herzen nimmt, sondern denkt, es sey nicht so viel daran gelegen, so komme ich dir schnell mit meinem Gerichte der Heimsuchung, und rücke deinen Leuchter von der Gcacce, wenn du dich nicht bekehrest. Die Drohung ward erfüllet; der Leuchter ist freilich weggestoßen, weil in ganz KleinAsien und im Orient die Christen den Türken Platz mach?

Offenbarung L, 6—ic>.

347

ten, und.die drei oder vier, jetzt noch zu Ephesus woh­ nenden Christen, in der dicksten Finsterniß und Unwis­ senheit sind. 6. Aber das hast du, daß du die Werke der Nikolaicen hassest, die ich auch hasse. Das giebt noch Hoffnung. Du hast schon noch Liebe; nur die erste Liebe nicht mehr. Die Werke der Nikolaiten wa­ ren Werke der Finsterniß; sie machten den Götzendienst der Heiden mit und aßen Götzenopfer, um die Gunst der Heiden zu behalten; ja sie haben auch im Umgänge mit dem weiblichen Geschlechte dem Fleische alle Frei­ heit gelassen. 7. wer ein Ohr har, der höre, was der Geist der Weissagung den Gemeinen sagt, keine davon aus­ genommen ; damit zeigt der Geist an, daß Er alle meine, ob Er schon nur an Eine schreibt, jedes christliche Ohr soll Christi Geist hören in allen Gemeinen, wer übtvwinder, dem will ich zu essen geben von dem Laume des Lebens, der im Paradiese meines Gortes ist. Der Cherub steht noch vor der Thüre des Paradieses und läßt uns nicht eher hinein, als bis wir überwunden haben den Teufel, die Welt und das Fleisch durch des Lammes Blut. 8. Dem Engel der Gemeine zu Smyrna, wo Polykarpus Bischof war, schreib: So spricht der Erste und der Leyte, der todt war und wieder lebet (Kap. 1, 17. 18.): 9. Ich kenne deine Werke und deine Trüb­ sale und deine Armuth des Geistes und des Herzens; (aber du bist reich genug in meinen Augen) und wirst gelästert von denen, die sich Juden nennen und sind es nicht, sondern die Synagoge oder Kirche des Satans sind sie. Die bekanntermaßen den Namen führen, find es nicht, wofür sie sich aus­ geben. Wer aber die Synagoge angreift, der reizt ein Wespen-Nest gegen sich. 10. Fürchte dich nicht vor dem, was du noch

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Offenbarung 2, n. ir.

leiden wirst. Laß dir nicht bange werden vor den Prüfungen, die dir bevorstehen, mache dich vielmehr ge­ faßt darauf. Sieh, der Garan, als das Haupt der falschen Christen und Großvater aller Verfolger, wird einige von euch ins Gefängniß werfen, damit ihr geprüft werdet, und ihr werdet Trübsale haben zehn Tage, in zehn Verfolgungen, die auch erfolgt sind, und wovon die letztere gerade zehn Jahre dauerte. Man sieht da, der Teufel thur es. Wer demnach an­ dere um der Religion und des Gewissens willen, um des Zeugnisses Jesu willen verleumdet, verfolgt oder gar mit Feuer und Schwert hinrichtet, der ist gewiß vom Teufel. Und wenn sich eine Parthei, die sich christ­ lich nennt, das erlaubt, so ist sie gewiß die Synagoge des Satans. — Gey getreu bis in den Tod, und ich will dir die Nrone des Lebens geben; die muß man nicht aus den Augen verlieren, wenn das Leiden und der Kampf zu schwer werden will. Treue wird gekrönt, Treulosigkeit gestraft. Wer nicht beharret bis ans Ende, verliert was er erarbeitet hat, und kann nicht selig wer­ den. Es hängt alles an der Treue bis in den Tod; erbitte sie dir, der Herr schenkt sie. 11. wer Ohren hat zu hören, verhöre, was der Geist den Gemeinen sagt, weil es noch gut hören ist, weil der Geist noch redet, ermahnt, weckt und warnt, wer überwindet, dem soll kein Leid ge­ schehen vom andern Tode (Kap. 20, 6.), welcher die Hölle oder Verdammung, die Beraubung des Le­ bens aus Gott, die ewige Trennung von Gott ist. Wenn der zeitliche Tod den Faden abreißt, und es ist kein an­ deres Leben da, so kann es nicht anders seyn, der zeit­ liche Tod führt in den ewigen. Der erste Tod führt die Gläubigen ins Paradies, ins Leben; die Gottlosen aber in den andern Tod.

12. Dem Engel der Gemeine zupergamus schreibe: Das sagt, der da har das scharfe und

Offenbarung 2, 13, 14,

349

zweischneidige Schwert, um auf beiden Seiten weg­ zuschneiden und abzuhauen, was nicht taugt. 13. Ich weiß deine Werke und wo du wohnst, wo der Thron des Satans ist. Das L006 ist dir auf kein gutes Ort gefallen, das weiß ich wohl; du hast deinen Posten, wo der Teufel seinen Stuhl und seine Residenz, seine Pfarre hat, und zu Hause ist. Und hältst doch meinen Namen, bekennst mich frei, und hast meinen Glauben nicht verläugnec, auch in den Tagen, in denen Ancipas *), mein treuer Zeuge, getodtet wurde bei euch, wo der Satan wohnt. Die Künste, die der Satan erfindet, um sich ir­ gendwo festzusehen, sind unendlich. Wenn der es da­ hin bringen kann, daß man ihm nur noch ein Winkel­ chen übng läßt, so läßt er sich aus allen Ecken ver­ treiben, und kann da so stille und vorsichtig sitzen blerben, daß er eine Seele zwanzig, dreißig Jahre bei der falschen Meinung läßt, er sey weg. Er ist bei weitem nicht so unruhig und vorschnell, sich merken zu lassen, wie die Menschen; sondern, wenn man mit ihm den Ackord macht, wie manchmal mit unruhigen Untertha­ nen, so lange sie sich stille halten, wolle man sie dul­ den: so kann man ihn sein Lebtage haben. Denn es ist manchmal keine Spur zu vernehmen, daß er da ist, und er ist doch da. Das versteht niemand, als wer mit dem Lamme gut bekannt ist; ein solcher weiß wohl, daß der Heiland nicht da ist. Er kann zwar nicht be­ weisen, daß der Satan da ist in der Seele, in dem Orte, in dem Hause, weil es so stille und ordentlich zugeht, daß Leute, die es nicht verstehen, ihre Freude daran haben.

14. Aber ich habe gegen dich etwas weni­ ges, daß du daselbst einige hast, die die Lehre Balaams halten, der Balak, den König der Moa*) Dieser wurde unter dem Kaiser Domitian kn einen ehernen glühenden Ochsen eingeschloffen und gemartert, eben zur Seit, da Jo­ hannes in PalhmoS war.

350

Offenbarung 2, 15 — 17.

biter, lehrte, Aergerniß anzurichten vor den Rin­ dern Israels, Götzenopfer zu essen und Hurerei ZU treiben. Er gab nämlich dem Könige den Rath, daß die Moabiter mit den Israeliten Freundschaft ma­ chen, und ihnen ihre Töchter zum Besten geben sollten, damit sie durch dieselben verführt würden, zuerst zur Hurerei, und dann auch zum Götzendienste. 15. Go hast du auch, die die Lehre der Nikolaiten treiben. Wo gottloses Leben ist, da ist auch eine gottlose Lehre. Streut man etwas Gutes darun­ ter, so thut man es Schande halber; schrankt es aber doch so ein, daß im Leben nichts Gutes Platz findet. 16. Bekehre dich nun; wo nicht, so komme ich dir schnell und will mit ihnen streiten durch das Schwert meines Mundes. Wenn man es am rechten Ernste und redlichen Sinne fehlen läßt, so muß der Herr mit Ernst kommen und Krieg führen mit den falschen Geistern, die das Christenthum mir dem Hei­ den- und Judenthume amalgamiren, vermischen wollen. 17. wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt — zur Erweckung und Be­ lebung, zum Heil; damit er nicht einst hören müsse, was der Richter sagen wird den Verdammten und Verfiuchten. wer überwindet, dem will ich von dem verborgenen Manna geben, und einen weißen Stein, — und auf dem Steine einen neuen Namen ge­ schrieben, den niemand kennt, als der ihn empfängt. Das Zeugniß der Vergebung der Sünden und das Nennen­ hören des neuen Namens verursacht ein Jubelfest in der Seele. Der Herr giebt uns eine Mahlzeit in seinem Hause. Da freuen sich alle Hausgenossen Gottes. Man bekömmt das Manna, das Himmelsbrod, den neuen Geist, der von Christi Fleisch und Blut immer genährt wird. Man bekömmt solche Dinge zu sehen und zu hören und zu schmecken, die sich keine Phantasie vor­ stellen, die man nicht begreifen kann.

Offenbarung 2, 18 — 20*

351

18k Dem Engel der Gemeine zu Thyatira schreibe.- Das spricht der SohnGorces, der Au­ gen hat wie Feuerflammen, und dessen Füße glü­ hendem Messing oder Güldener; gleich sind. Man kömmt mit dem Heilande besser zurecht, als mit den Menschen; denn Er ist unendlich sanftmüthiger. Er sieht nur aufs Herz, und wenn es da seine Rich­ tigkeit hat, so ist Er die Nachsicht und Mildigkeit sel­ ber. Wenn es aber da fehlt, wenn t)a6 Herz tückisch und falsch ist, dann hat man es mit feuerstammenden Augen zu thun, die nichts ununtersucht lassen, alle Winkel durchgehen mit einem scharf durchdringenden Blicke, vor welchem niemand unschuldig ist. Wer aber ein ganzes Herz zu Ihm hat, der laßt sich gerne von Ihm be­ leuchten von innen und außen. Man will gerne gese­ hen seyn, wie man ist, von den Augen, die heller, als die Sonne sind; man denkt: Er weiß ja, daß ich kei­ nen Schritt ohne Ihn zu gehen begehre, und daß mir an seinem bei mir seyn alles gelegen ist, daß Er mir mehr ist, als die ganze Welt, baß kein Bruder, keine Schwester, weder Weib noch Kind, noch das Edelste und Beste mit Ihm in einen Vergleich kömmt.

19. Ich kenne deine werke und deinen Glau­ ben, und deine Liebe und deinen Dienst und deine Geduld und deine letzten Werke, deren mehrere sind, als die erstem; da es sonst zuletzt mehr nach­ läßt als anwächst. Indessen bleibt es doch dabei, daß wir arme Menschen sind, die nicht so viel thun können, als sie gerne möchten; den zwanzigsten Theil Gutes, das wir thun sollen, thun wir kaum. Darauf kann man ziemlich rechnen. Wenn wir auf das Verhältniß der jetzigen Zeit mit der Ewigkeit denken, so liegen neun­ zehn Theile brach, und ein einziger bringt dem Heilande Frucht. Das ist die Schwachheit, die Unvollkommen­ heit des armen Menschenthums.

20. Aber ich habe etwas weniges gegen dich; alles kann ich nicht loben an dir, besonders nicht, daß

353

Offenbarung 2, 21 — 24.

du dem Weibe Iezabel, die sich anmaßend eine Prophetin nennt, gestattest zu lehren und meine Rnechce zu verführen, daß sie huren und Götzen­ opfer effen. Diese Jezabel ist wohl nichts anderes, als die verderbte Natur und Eigenliebe; die ist eine falsche Prophetin oder das Weib mit dem falschen Evangelium; die von dem wahren Gottesdienste im Geiste und in der Wahrheit ab- und auf ein blos äußerliches Wesen hinführt. 21. Ich habe ihr Frist gegeben, und so lange nachgesehen, aus keiner andern Absicht, als daß sie ihren Sinn ändern soll; aber sie will sich nicht bekehren von ihrer -Hurerei. Die böse Iezabel macht vielmehr den Schluß: Wenn es so böse wäre, so hätte es Gott nicht so lange geduldet in der Kirche. So will man aus der Chronik der Langmuth Gottes einen Grund für die Bosheit machen. 22. Sieh, ich werfe sie ins Lett der Krankheit und Schmerzen, und die mit ihr huren und heucheln in große Trübsal, in ein Bett, das wie ein Glutofen seyn wird, worin sie schwitzen und Gottes Zorn fühlen müssen, wenn sie sich nicht bekehren von ihren wer­ ken. Wie man sich bettet, so liegt man. 23. Und ihre Rinder, ihre Anhänger, will ich tödcen mit dem Schwerte meines Mundes; ich will sie den Geistestod sterben lassen, wie fast die ganze Christenheit fetzt todt ist; und alle Gemeinen werden erkennen, daß ich nicht blind bin; die Augen werden ihnen aufgehen, sie werden sehen, daß ich es bin, der Herzen und Nie­ ren erforschet, und nicht nach dem Scheine und An­ sehen richtet, womit man arme Menschen leicht betrügt, sondern einem jeden von euch will ich nach seinen werken vergelten, so daß keinem zu viel und keinem zu wenig geschehen wird. 24. Euch aber, den Uebrigen zu Thyatira, die ihr diese Lehre nicht Haber, die ihr nicht Dienst ge­ nommen habet bei der Welt, die das Heidenthum für Christenthum ausgiebt, die ihr nicht erkannt Haber die

Offenbarung 2, 25 — 29.

353

die Tiefen des Satans, wie sie es heißen, die ihre Sachen für Geheimnisse oder große Dinge ausgeben, welche nicht jedermann verstehe, oder: Euch, die ihr nicht eingeweiht seyd in die Geheimnisse der Bosheit, welche die Jrrlehrer göttliche Liefen nennen, die Frommen aber mit Recht Satanische; euch sage ich: Ich will auf euch keine andere Last legen, da ihr an dem genug zu tragen und zu thun habet, daß ihr diesem Betrüge entkommet. 25. Nur das, was ihr Haber von Glaube, Liebe und Gnade, es sey viel oder wenig, das haltet, bis ich komme und euch zu mir nehme, daß ihr auch seyd, wo ich bin. 26. wer überwindet und hält, bewahrt, meine Werke, die ich in ihm wirke, des Glaubens, der Liebe, der Geduld rc. bis ans Ende, dem will ich Macht über die Heiden geben, über das heidnische Wesen dieser Welt, daß er darüber Meister werde. 27. Mit eisernem Scepter soll er sie regieren, und wie Töpfer-Gefäße, wie irdene Töpfe, sie zerbrechen. Man muß da recht eisern seyn, nicht verzagt; man muß ge­ radezu angehen gegen die Reizungen der heidnischen Welt und die verführerischen, irdisch gesinnten Anhänger der Jezabel. 28. wie auch ich Macht von meinem Vater empfangen habe, so will ich auch meinen Jüngern Macht geben, daß sie allen Riesen die Stirne bieten, und die Eisenfresser wie irdene Töpfe zerbrechen können. Und ich will ihnen geben den Morgen­ stern, der im Herzen aufgehen und alle Jrrsterne offen­ baren soll. Wenn es gleich um und um Nacht ist, so soll doch in den Herzen der Frommen Licht aufgehen. 29. wer ein Ohr hak, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt, der noch immer auffordert und die Thüre zur Buße und zum Leben öffnet, noch immer Gnade anbeut, — wenn man aber nicht bald hört, alle Thüren versperren und niemand mehr anneh­ men wird. erbllttunüSbuch vm. todt*

23

354

Offenbarung Z, i. 2.

Das HL Kapitel. 1. Und dem Engel der Gemeine zuSardis schreibe: Das sagt, der die sieben Geister Gocces har, wie der Vater, und die sieben SterneIch weiß deine Werke; du hast den Namen, daß du lebest, und bist todt. Was hilft der Name? Die Menschen in den Religionen sind schwer zu bereden, daß sie kein Leben und keinen Geist aus Gott haben. Weil sie so viel Gutes thun, beten, lesen und hören oder singen, so können sie nicht glauben, daß sie auch dabei todt sind, und daß diese ihre Uebungen we­ der unfehlbar beweisen, daß sie Gnade haben, noch ihnen dieselbe verdienen; daß sie nicht einmal beten und glau­ ben können, sondern auch dieses erst lernen muffen. 2. Erwache und stärke das andere, das in den letzten Zügen liegt und sterben will. Es gehört zum Dienste der Wahrheit, daß ein Knecht Christi, der irgendwo Hausvater seyn soll, mit dem Interesse, den Umstanden, der Stärke und Schwäche des Hauses be­ kannt seyn muß. Wenn sich die Mauer des Hauses irgendwo herausbiegt, oder sich gesetzt und einen gefähr­ lichen Riß har, so muß er wissen, daß das ein Riß ist. Wäre es nicht kindisch, wenn er eine solche Wand für marmorglatt halten wollte? — Denn ich habe deine werke zu leicht er­ funden vor meinem Gorr. Sie sind zu leicht auf meiner Wage. Es ist nichts gewöhnlicher, als daß die Leute denken: „Ich nehme mir so oft vor, ganz zu seyn und werde es doch nie; ich will es lieber blei­ ben lassen." Das ist aber der unglücklichste Entschluß, der nur möglich ist. Sich so miserabel hinschleppen bis in seine Arme, mit täglich erneuertem Entschlüsse ganz zu seyn (gesetzt auch, man wird es sein Lebtage nicht), ist doch besser, als der verzweifelte Vorsatz:

Offenbarung 3, 3—5.

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„Was hilft es, daß ich so viel sage, und doch nichthalte?" 3. Bedenke, was du empfangen und gehört haft, und halte es, bewahre es, und ändere deinen Sinn. So viel war noch übrig bei dem Bischöfe und seiner Gemeine, daß man sah, daß es zuvor etwas an­ deres gewesen ist. wenn du nicht wachest, so will ich über dich kommen, wie ein Dieb, unversehens dich überfallen mit schweren Gerichten, und dir vollends nehmen, was du hast. l.Theff. 5, 2. 4. Aber du haft noch einige wenige Namen, d. h. Personen, in Sardis, welche ihre Rleider nicht befleckt haben, die werden mit mir wandeln in weißen Rleidern, denn sie sind es werth. Aus der Größe dieses Lohnes sieht man, daß Er unter den Menschen, die Ihn noch nicht kennen und haben, im­ mer einige seiner Knechte und Mägde haben will, die treulich außhalten um des Heilandes willen, der die jüdische Religion bei all ihrem Verfalle mit Treue be-dient hat bis in den Tod. Sie müssen sich weder durch den Schaden, noch Mangel, ja nicht einmal durch den Todesschlaf in der Kirche, in der sie wohnen, irre ma­ chen lassen. Die Haushaltung des Heilandes darf nicht aufhören, keinen Augenblick, wenn sie auch nur aus zwei, drei oder etlichen Personen bestehen sollte. Ei­ nige muß er immer haben, ein Plätzchen, wohin Er kommen kann. 5. wer überwindet, wird mit weißen Rleidern bekleidet, und seinen Namen will ich nicht ausrilgen aus dem Buche des Lebens; rühmen will ich seinen Namen vor meinem Vater und vor seinen Engeln. Die Schafe der königlichen Heerde des Gesalbten sollen in das Gewand ihres Bischofes und Erzhirten gekleidet werden. Matth. 17, 2. Der Name der Christen ist meistens häßlich, ver­ worfen und verflucht vor den Menschen. Aber Christus sagt: Wollen ihn andere aus dem Buche der Orthodoxie 23*

3$6

Offenbarung 3, 6—8.

thun; nun, nun, er soll in meinem Buche bleiben. Wollen sie ihn in den Bann thun, ich will ihn vor meinem Vater nennen. 6. wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt, der, wie Jesus versprochen hat, uns an alles erinnert, alles lehrt und in alle Wahr­ heit führt. Wer ihn nicht hört, wird auch nicht ge­ hört und erhört werden, wenn er bittet.

7. Und dem Engel der Gemeine zu Phila­ delphia schreibe: Das spricht der Heilige und Wahrhaftige, der den Schlüssel Davids har, der öffnet, daß niemand zuschließen kann, der zuschließr, daß niemand aufthun kann. Isa. 22, 22. Philadelphia, welcher Name Bruderliebe heißt, ist das wahre Sinnbild der Kirche Christi, die eine Brüderschaft oder eine Sammlung der Brüder seyn soll, wie es in der Kirche war, da alle Ein Herz und Eine Seele waren., Der Heilige und Wahrhaftige, der Mann mit dein Schlüssel, der sich hier so beschreibt, ist der Heiland. Ist Er der Heilige, so will und muß Er auch eine hei­ lige Kirche haben. Wie das Haupt, so die Glieder. Diesen Schluß wollen nun freilich die falschen Christen nicht gelten lassen. Durch den Schlüssel Davids, den Jesus hat, wird seine Gewalt vorgebildet, die Er besitzt, Himmel und Hölle, den Schooß, das Herz des Vaters, den Zutritt zu Ihm zu- oder aufzuschließen. Den Schooß des Vaters kann niemand öffnen als Er; wen» Er ihn aber öffnet, dem kann ihn kein Mensch und kein Teufel ver­ schließen. 8. Ich weiß deine werke: Sieh! ich habe vor dir gegeben (gemacht) eine offene Thüre (1. Kor. 16, 9.) zur Ausbreitung des Evangeliums, einen Ein­ gang in die Herzen der Menschen, die niemand zuzuschfteßen vermag; denn du hast eine kleineRraft,

Offenbarung z, 9, 10.,

357

und. doch mein Wort bewahrt und meinen Na­ men nicht verlaugner. Wenn der Herr eine Thüre öffnet und durchbricht, so geht es mit Gewalt vor sich und die Dämme der Hindernisse müssen weichen; sie machen nur einen grösiern Riß durch ihren Widerstand. Versuchet cs doch einmal, ihr Zänker! und schließet zu, wo der Herr öffnet, wo der Schall des Evangeliums-mit Kraft durchdringt! Die Thüre thut sich auf, u>rh. niemand darf sagen: Ich habe sie aufgethan: sondern Freunde und Feinde müssen sagen: Das hat der Herr gethan. Es darf auch niemand sagen: Ich habe so wenig Gaben, so wenig Kraft, was will ich machen! Nein, der Herr ist in den Schwachen mächtig. Aus dem Kleinsten sollen Tausend, und aus dem Geringsten ein mächtiges Volk werden., 9. Sieh! ich will machen, daß die von der Synagoge des Satans, von der falschen Christen­ heit, die sich Juden, setzt Christen, nennen und sind es nicht, foiiOevn lügen unverschämt; sieh, ich will machen, daß sie ihre Blindheit erkennen und kommen und dir zu Füßen fallen, und stehentlich anhalten, in die Gemeinschaft der philadelphischen Kirche ausge­ nommen zu werden, und sie werden erkennen, daß ich dich lieb habe. Der Glanz, das Licht, die Liebe von Philadelphia wird der Welt in die Augen stechen. Sie wird sich endlich schämen, das; sie die Sache ver­ ketzern wollte. 10. weil du das wort meiner Geduld, das Wort vom Kreuze, dabei es viel zu leiden giebt, be­ wahret hast, so will ich dich auch bewahren vor­ der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, zu prüfen die Bewohner der Erde. Wer über Ihm und seinem Worte hält, den will Er auch bewahren als seinen Augapfel. Das ist der Vortheil, wenn man aushält und nicht müde wird in mancherlei Prüfungen; das ist das große Pri­ vilegium für alle Liebhaber des Wortes vom Kreuze Jesu,

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Offenbarung 3, 11 — 14.

die sich in sein verwundetes Herz hineingeglaubt haben, daß sie bewahrt bleiben zu derselben großen Vcrfu» chungs-Stunde, die eine gewisse Zeit in der Welt ist, wo zum Irrthume verführt würden, wenn es mög­ lich wäre, auch die Auserwahlten. Ihr Herz und Kopf soll immer heiter und helle bleiben; sie sollen sich im­ mer an den Heiland anschmiegen, und sich in seine Arme, in sein Herz hineinretiriren, daß sie nichts treffen kann. Das ist der rßchte Bergungs-Ort. 11. Gkl), ich komme bald. -Halte, was du hast, damit niemand deine Drone raube. Halte dich an den Gekreuzigten; bleibe bei der Lehre von sei­ nem Leiden; halte fest im Herzen deinen Versöhner, so wird dir niemand deine Krone nehmen, die auf dich wartet. Kap. 2, 10. 12. wer überwindet, den mache ich zum Pfeiler, darauf andere Steine ruhen, im Tempel mei­ nes Gottes, des allein wahren. Hiemit wird ein gro­ ßer Grad der Festigkeit und etwas Unbewegliches ver­ heißen. Wer Christo recht anhangr, der wird in Ihm unüberwindlich, daß er feststeht wie eine Säule; und er wird nicht mehr herauskommen, es wird keine Gefahr des Abfalles mehr seyn; und ich will auf Ihn, als auf eine Säule, schreiben den Namen meines Gottes und den Namen der Scadr mei­ nte Gortes (des neuen Jerusalems, das vom Him­ mel herabkömmr, von meinem Gort), und mei­ nen Namen, den Neuen. Kap. 19,12. Die Welt giebt ihnen Namen; ich will ihnen auch Namen geben, spricht der Sohn Gottes; wir wollen sehen, welche die besten sind. 13. Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinen sagt — nicht was das Fleisch sagt; was der heilige Geist, nicht, was der Zeitgeist sagt.

14. Und dem Engel der Gemeine zu Laodicea schreibe; Das spricht der Amen, der treue

Offenbarung z, 15% 16.

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und wahrhaftige Zeuge, der Urgrund der Kreatur oder Schöpfung Gottes, der aller Dinge Ursprung ist, das Haupt und der Fürst der Geschöpfe Gottes. Kol. 1, 15. 16. Amen nennt sich der Heiland, weil Er die Wahr­ heit, weil Er ein aufrichtiges und treues Herz ist, auf das man sich verlassen kann; Er hält, was Er verspricht; es geschieht, was Er sagt, allezeit unfehlbar gewiß. 15. Ich kenne deine werke, daß du weder kalt noch warm bist. (!) daß du kalt oder warm wärest! Wärest du lieber ein blinder Heide, als ein lauer Christ! Ein Gottloser oder Heide ist leichter zu bekehren als ein Heuchler. Wer die Kälte fühlt, wird eher zum Feuer gehen, als wer lau ist, und in falscher Einbildung von sich selbst steht. Am allerbesten aber ist es, wenn der Mensch warm und brünstig ist. 16. weil du aber lau, und weder kalt noch warm bist, fo will ich dich als ekelhaft ausfpeien aus meinem Munde. Die Aälce ist das todte Wesen, in welches die ganze menschliche Natur verfallen ist, der allgemeine Tod, das fremde Wesen gegen den Heiland, der sie er­ schaffen und erkauft hat. Die Lauigkeit ist die Frucht solcher Erweckungen, die nicht halten, daraus nichts Ganzes wird, wo es die Leute bei der ersten Rührung lassen und nicht weiter gehen. Da haben sie so etwas, das ihnen gefällt in Liedern, in Betstunden, in An­ dachtsübungen; sie können unterscheiden zwischen einer guten und schlechten Predigt; sie halten es mit der Wahrheit, so lange sie dieselbe hören. Aber es kömmt nicht zur Wirkung, zur Kraft, zur Verwandlung ins Leben. Das sind die lauen, dem Heilande und seinen Kindern unerträglichen Menschen, mit denen man schlim­ mer daran ist, als mit den unbekehrten todten Leuten; denn solche Leute, die sich mit dem laulichten, trägen Wesen befriedigen, und nur so für die lange Weile mitmachrn, mitlaufen, weil es so der Brauch ist, weil

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Offenbarung 3, 17.

sie es haben können, obgleich nichts herauskömmt; die kommen von Jahr zu Jahr tiefer hinein, werden im­ mer lauer. Man merkt es kaum, daß sie lau sind; sie wissen sich mit dem Gedächtnisse vom Feuer, in dem sie gestanden sind, so zu betrügen, daß sie immer lau bleiben, und was einmal lau geworden ist, wird selten wieder warm. Es ist daher höchst nöthig, daß wir uns gründlich prüfen, ob unser Herz brenne? ob es wahrhaft gebeugt ist? ob das Feuer, das um uns herum angezündet ist, unserer Seele nahe -kömmt und hineinschlägt? ob der Heiland selbst die Speise ist, von der wir leben? Ob das Lamm Gottes unserer Seele so nahe, so süß, so gegenwärtig, so selig geworden, ob unser Herz in eine so nahe Bekanntschaft mit Ihm gekommen ist und darin lebt, daß cs nie ohne die innigste Rührung, ohne die seligste Wirkung bleiben kann, so oft wir Seiner ge­ denken. Die Seele muß wissen, an wen sie glaubt, und daß ihre Beilage bewahrt wird; daß sie das ewige Leben habe, und nicht mehr ins Gericht komme; daß sie aus dem Tode ins Leben gekommen ist; daß ihr Name nicht ausgetilgt werde aus dem Buche des Le­ bens; daß, wenn sie gleich scheine zu sterben, sie doch nicht sterbe, sondern mit Christo in der Herrlichkeit of­ fenbar werden wird. Die Indifferenz, die Gleichgültigkeit ist ein großes Gericht, weil der Heiland solche Seelen nicht mag, weil es Ihm vor ihnen ekelt. Es wäre noth. Er zwänge sie, Gnade und Barmherzigkeit wider ihren Willen von Ihm anzunchmen, weil sie in ihrer Einbildung schon mehr zu haben glauben, als sie wirklich haben. 17. Du sprichst: Ich bin reich, habe die Fülle, habe mich bereichert, und bedarf nichts; und weiße nicht, daß du ein elender jämmerlicher Mensch, daß du arm, blind und bloß bist, du bist der Rechte, Elende und Erbärmliche. Lasset uns solche Leute nicht unter den Tartaren und Türken, sondern in christlichen

Offenbarung Z, i8.

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Gemeinen suchen, an Orten, wo man das meiste Gute zu sehen und zu hören har. Der Engel der Gemeine zu Laobicea hat seines gleichen viele. Darum haben wir den Heiland recht zu bitten, daß wir uns vor aller geistlichen Einbildung recht in Acht nehmen, oder davon erretten lassen. Denn selig sind die Leute, die sich für arm halten, die nichts aus sich machen, die es wissen, daß sie arm sind; die sich fühlen in ihrem Elende, de­ nen es ausgemacht ist, daß sie zu himmlischen, geistli­ chen Dingen nichts in sich haben. Es giebt viele hun­ derttausend edle Gemüther, feine Seelen, die an sich selber nicht in der That und Wahrheit verzagen und unmöglich glauben können, daß sie außer dem Heilande und seiner Gnade nichts sind, als arm, blind und bloß. Und dennoch muß jeder Christ an sich selbst kräftig und eindringend fühlen, daß alle seine Seligkeit, all sein Licht und Kraft und all sein Etwas seyn aus den Wun­ den des Heilandes hertömmr. Die Menschen, die den Heiland vorbeigehen und durch Moral und Erziehung gut werden, wachsen alle in die Luzifers-Art hinein, sie mögen noch so edel scheinen. So lange einer ein Phantast ist, und sich noch hundert Schätze und einen Haufen Sachen, die er zu haben meint, einbilden kann, ist er nicht arm. Kem Göhcnknecht ist arm, der sich mit seinen heidnischen Fa­ beln die Zeit verbringt. Keine Betschwester ist arm, so lange sie den Mund bewegen und Andächteleien nach­ lausen kann. Kein Philosoph ist arm, der sich bis in die Gottes-Läugnerei hineinstudirt, und dabei eine Art Zeitvertreib findet, seinen Geist damit abzuspeisen, wenn es gleich purer Wind ist. Sie sind alle reich in ihrer Einbildung und satt, bis ihnen alles das nicht mehr zulangt und ihnen einfällt: Du kennst doch Gott nicht, du kennst deine Seligkeit nicht; du hast doch im Grunde nichts, woran du dich ewig halten kannst, wobei du ewig selig seyn kannst. 18. Ich rathe dir, wenn ich anders auch darein

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Offenbarung Z, i8.

zu reden habe, daß du von mir Gold kaufest, das im Feuer geläutert ist, 1. Petr. 1,7., damit du reich werdest, und weiße Rleider, damit du dich be­ deckest, und die Schande deiner Blöße nicht of­ fenbar werde, und Augenfalbe, deine Augen zu salben, damit du sehest.

Die Levke halten sich für gut, fromm und erleuch­ tet; da muß Christus betteln, ob Er ihnen dürfte sei­ nen Rath geben. Es giebt so viele Leute, die sich bald mit einem Buche, bald mir diesem oder jenem Gedan­ ken, mir einer neuen Erfindung und einer Grübelei von Zeit zu Zeit abgeben, oder mit fieischlichen Dingen der Welt, mit Sorgen rc. sich aufhalten, daß sie ihren geist­ lichen Mangel nickt gewahr werden. Man muß aber nicht nur gute Bücher und eine gute Form haben, son­ dern man muß selbst gut seyn. Und dazu gehört Gold, das im Feuer geläutert ist, das ist ein Gutseyn, das auch im Feuer der Anfechtung, der Trübsal bewährt ist. Was nicht durchs Kreuz geprüft ist und diese Feuer­ probe nicht aushält, taugt nicht ins Reich Gottes. Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Das rechte und ächte Gold, sagt Jesus, müsset ihr bei mir holen; außer mir findet ihr Überall nur Flittergold, Schein und Betrug. Weiße Rleider sind auch ein nöthiges Stück, wenn man vor Gott bestehen will, und die kann man auch nur bei Ihm haben. Ich rathe dir, sagt Er, daß du den Thalar, den Mantel, den Chorrock meiner Gerechtigkeit anziehest. Wenn wir in seine Gerechtig­ keit eingekleidet sind, so sind wir Priester Gottes, Prie­ ster des Lammes, dem Vater angenehm, und können vor den feuerflammenden Augen bestehen. Die Welt will sich immer entschuldigen und weiß machen. Möchte sie doch die rechte Unschuld kaufen bei dem, der sie um­ sonst giebt und schenkt, damit ihr abscheulicher Gestank und ihre schändliche Blöße nicht offenbar würde. Wer mit dem Rocke Christi nicht bedeckt ist, der mag haben,

Offenbarung z, 19. 20.

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was er will, er wird zu Schanden werden; er wird schändlich in seiner natürlichen Blöße dastehen. Eben so nöthig ist uns die Augensalbe, die Sal­ bung, Einölung des heiligen Geistes, ohne welche wir schlechterdings nichts sehen, als Dinge, die nichts taugen. 19. Die ich lieb habe, die strafe und züchtige ich, weise sie zurecht, erziehe sie als Kinder, die unter der Ruthe gehalten werden müssen. Alle von Gott ver­ hängten Strafen und Züchtigungen sind Werke seiner Liebe. Die Menschen aber denken: Es geht nur über mich. Go sey nun eifrig und bekehre dich, damit du dich vor dem Ausspeien verwahrest. 20. Sieh! ich stehe vor der Thüre und klopfe. Wer meine Grimme hört und die Thüre aufrhut, zu dem will ich eingeben und Abendmahl mit ihm halten, und er mir mir. Luk. 14, 16. re. Das ist eine solche herzerquickende Verheißung, zu der jede einzelne Seele ein so großes und ganzes Recht hat, daß, wenn der Heiland und seine Apostel nicht Ge­ meinen gestiftet hätten, nothwendig folgen müßte, daß jeder feinen Gang für sich ginge und thäte, als wenn er und der Heiland ganz allein in der Welt wären. So aber hat Er uns versprochen, daß Er auch dabei seyn wolle, wenn zwei oder drei beisammen sind in sei­ nem Namen. Er ist auch 500 Brüdern auf einmal erschienen, und hat seinen Jüngern befohlen, sie sollten beisammen bleiben. Wenn das nicht wäre, so würden wir mehr Neigung haben für die Hauskirche und per­ sönliche Herzvertraulichkeir, und lieber Einsiedler werden, als uns nach Gemeinschaft umsehen. Dessen ungeachtet bleibt uns doch der geheime Umgang mit Ihm, die stillen Oertchen, die Kämmerlein, wo man die Thüre hinter sich zuschließt, und genießt, was zu genießen ist, in aller Stille, und auf seinen Besuch wartet, ausneh­ mend lieb. Ich will nicht weit seyn, sagt Er; du sollst mich anklopfen hören, und wenn du mir aufthust, so sollst du mich haben.

364

Offenbarung 3, 20.

Er klopft an durch gute Bewegungen, durch die Kraft seines Wortes. Wenn man in em Haus einge­ lassen werden will, so giebt man durch Klopfen ein Zeichen. Da nun Christus der rechtmäßige Herr aller unserer Herzen ist, gerne in alle Herzen eingehen möchte, so meldet Er sich durch das Klopfen mit der» Hammer seines innerlichen und äußerlichen Wortes, durch die Schlage schwerer Plagen und Leiden, oder auch durch Wohlthaten und Segnungen, wie es jedes nöthig har. Da klopft denn der Heiland von außen vor der Thüre, daß man es fühlt, daß es in das Innerste der Seele hineinschallet, und man kräftig empfindet, daß Er da ist, daß Er warne, bestrafe, ermahne re. Die nun ein geheimes Sehnen nach etwas Besserem in sich fühlen, die können es nicht länger unterdrücken, die werden über­ zeugt: Es ist wahrhaftig Jesus Christus selber, der vor der Thüre steht und klopft; es ist die Stimme des Freun­ des, der da ruft: Thue mir auf, meine Freundin! Hoh. 2, 8. Was er dann der Seele zu kosten und zu essen und zu trinken giebt, das mag sie fühlen. Wer wird das Uebermaß seiner Freundlichkeit, den Reichthum sei­ ner überschwänglichen Gnade und Liebe beschreiben?! Wer von dem Mahle, das der Heiland mit der Seele hält, bei der Er eingekehrt hat, nicht gekostet, dem würde es umsonst beschrieben. Wer aber davon geko­ stet hat, der sucht cs täglich zu genießen, und kann ohne dasselbe nicht mehr leben, so wie der Leib nicht ohne tägliches Brod. Dies innere Abendmahl ist ein Vorschmack des Himmlischen, weil man Jesum, die Fülle der Gottheit, besitzt und genießt. Sie haben auch im Himmel keinen andern. Wer mir aufthur, zu dem will ich eingehen rc. Das ist eine eigne Erklärung des Heilands, die Er über 60 Jahre nach seiner Himmelfahrt gethan hat; es ist keine Ausnahme, kein Special-Privilegium, sondern eine Verheißung, die sich jeder zueignen darf, denn der Heiland hat sie dem schlechtesten Menschen gegeben,

Offenbarung z, 20.

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über den Er sich in Ausdrücken erklärt hat, wie man sie nie aus seinem Munde hörre, wenn Er einen sol­ chen ungefähr unter andern mit in den Mund bekäme, so wollte Er ihn wieder ausspeien. Einem solchen, nicht nur zwei oder drei Vertrauten, einem Johannes und Lergl., nein, dem Elendesten macht Er dieses erhabene Versprechen. Er wollte also da kein Gemein-Geheimniß seinem Lieblings-Jünger ins Ohr sagen, nein, es sollte eine Dächerpredigt, eine allgemeine Wahrheit wer­ den, wonach sich ein feder umzusehen und zu laufen hätte. Denn wenn ich Jemand sage: steh auf und gieb mir die Hand; und er will nicht, sondern bleibt sitzen, so ists Leichtsinn oder Bosheit, und er darf nicht klagen, wenn er nicht erhält, was auf das Aufstehen gesetzt ist. 2. Die Verheißung selbst ist groß. Der Heiland will mit der Seele seine Haushaltung selber in Person anfangen — in die allerinnigste Verbindung mit ihr treten. Wenn eine solche Seele zum äußern Sakra­ ment zu gehen verlangt, darf man wie Petrus bei der Taufe Apostelg. 10, 47. sagen: Mag auch Jemand die Eommunion wehren diesem, der das Abendmahl mit Ihm hält? — Wenn der Heiland sagt: Und er mir mir; so kann man sich nichts anderes dabei denken, als daß Er sich von der Liebe einer solchen Seele und mit der Betrachtung ihres treuen Herzens speise und erquicke. Er sieht seine liebe Seele an, erfreut und sättigt sein Herz mit ihr. Es ist freilich nicht so ge­ meint, daß sie Ihn sehen soll; Er sieht sie, aber sie Ihn nicht mit aufgedecktem Angesicht; sie sieht Ihn im Schatten, im Kerker des Leibes verschlossen. Es geht ihr noch manches ab. Das ersetzt Er ihr damit, daß, wenn Er mit der Seele redet, Er ihr etwas Wahrhaf­ tiges von Ihm zu genießen giebt; sie ißt und trinkt und hat wirkliche Nahrung, wahre Speise und Trank. Der Mann, der mit ihr Abendmahl hält, bricht ihr das Brod und giebts ihr wie den Emmautischen Jüngern.

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Offenbarung 3, 20.

Er macht sie satt, Er seht und stillt sie an seinem ver­ klärten Leibe, Ps. 131,2. Kurz, sobald Er eine Seele besucht, so nährt sie sich an Ihm zum ewigen Leben, bekommt Wachsthum und Zunahme an ihrer Gesund­ heit des Geistes, der, je gesünder, desto nahrungsbedürf­ tiger ist. Das ist das innere Abendmahl — der Hei­ land erquickt sich an der Seele und sie nährt sich an Ihm. Er vergiebt ihr täglich die Sünde, schenkt ihr seinen Geist, ersetzt, was ihr fehlt, heilt alle ihre Gebrechen, nimmt ihr täglich ein Unglück, Schrecken und Gefahr mehr weg, und stärkt von Tag zu Tag mehr ihren Wachsthum. 3. Die Bedingniß ist einfach — wer mir auf» thut, nachdem ich geklopft habe — denn wo Er klopft, da ists ein Beweis, daß Er vor der Thüre stehe. Wer kann noch verlegen seyn, wie er Gott finde? Ja wenn man das ausphilosophiren, eine Himmelsleiter bauen und so viel Staffeln machen wollte, daß sie die Leute er­ steigen könnten. — Aber Paulus sagt Röm. 10, 6.: Sprich nicht, ich werde müssen hinaufsteigen und Ihm auf den Wolken nachfahren, oder eine Maschine erfin­ den, wie ich Ihn herunter hole; Er ist dir ja so nahe, vor Mund und Herz. Und Christus sagt: „Ich bin vor der Thüre, wenn du es nicht merkest, so will ich anklopfen, und hörst du's Klopfen nicht, so will ich mit dir reden — thue mir nur auf." Er wills noch leichter machen; Er macht sich selbst auf. Apostelg. 16, 14. Wenn also jemand zu blöde wäre aufzumachen, oder zu unverständig, oder zu matt aufzustehen, und der Her-zenskündiger wüßte es, daß es an Kraft fehlte, so würde Er die Thüre auch wohl selbst aufmachen. Es konimt nur darauf an, wie Er empfangen wird, ob man mit Wahrheit sagen kann: Herein, Gesegneter des Herrn! es siebt dir alles offen rc. Giebt es eine leichtere Art, eine einfachere Bedingniß selig zu werden, als diese? Desto unverzeihlicher, wenn wir nicht wollten.

Offenbarung z, 21, 22. 4,1—3.

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21. Wer überwindet die Welt mit ihrer Lust, Ehre und Herrlichkeit, dem will ich geben mit mir auf meinem Throne zu sitzen, wie ich überwun­ den habe, Sünde, Tod, Teufel und Hölle, und mit meinem Vater auf feinen Thron niich seizre. So laß denn Christum in dir auf seinem Throne sitzen und Besitz von dir nehmen, so wirst du überwinden, und Er wird dich mit Ihm auf seinen Thron sehen. 22. Siebenmal wird erinnert in diesen Briefen: „Wer ein Ohr hat, das geöffnet ist, der höre und bedenke, was der Geist den Gemeinen sagt" — allen Gemeinen Christi, nicht nur den sieben in Asien, sondern allen aller Zeiten und in allen Theilen der Erde. Es sollen sichs alle gesagt seyn lassen. Es giebt da viel zu hören, was merkwürdig und der Mühe werth ist. Selig sind die Ohren, die da hören.

Das IV. Kapitel. Nachdem nun Jesus gezeigt hat, wie sehr Er wünschte, daß wir Ihm die Thüre unserer Herzen auf­ thun sollen, so thut Er selber die Thüre des Himmels auf, um zu beweisen, daß Er den Himmel jedem austhue, der Ihm sein Herz aufthüt. 1. Darnach sah ich und siehe, eine Thüre ward aufgerhan im Himmel, und die erste Grimme (Kap. 1,10.), die ich gehört harre mit mir reden, als eine Posaune, die sprach: Steig her, ich will dir zeigen, was nach diesem geschehen soll. 2. Denn alsobald war ich im Geist. Und siehe, ein Stuhl ward gesetzt im Himmel, und auf dem Stuhl saß Einer. (Wer anders als Gott der All­ mächtige in seiner Majestät auf seinem Thron in dem Himmel.) 3. Und der da saß, war gleich anzvse-

Offenbarung z, 21, 22. 4,1—3.

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21. Wer überwindet die Welt mit ihrer Lust, Ehre und Herrlichkeit, dem will ich geben mit mir auf meinem Throne zu sitzen, wie ich überwun­ den habe, Sünde, Tod, Teufel und Hölle, und mit meinem Vater auf feinen Thron niich seizre. So laß denn Christum in dir auf seinem Throne sitzen und Besitz von dir nehmen, so wirst du überwinden, und Er wird dich mit Ihm auf seinen Thron sehen. 22. Siebenmal wird erinnert in diesen Briefen: „Wer ein Ohr hat, das geöffnet ist, der höre und bedenke, was der Geist den Gemeinen sagt" — allen Gemeinen Christi, nicht nur den sieben in Asien, sondern allen aller Zeiten und in allen Theilen der Erde. Es sollen sichs alle gesagt seyn lassen. Es giebt da viel zu hören, was merkwürdig und der Mühe werth ist. Selig sind die Ohren, die da hören.

Das IV. Kapitel. Nachdem nun Jesus gezeigt hat, wie sehr Er wünschte, daß wir Ihm die Thüre unserer Herzen auf­ thun sollen, so thut Er selber die Thüre des Himmels auf, um zu beweisen, daß Er den Himmel jedem austhue, der Ihm sein Herz aufthüt. 1. Darnach sah ich und siehe, eine Thüre ward aufgerhan im Himmel, und die erste Grimme (Kap. 1,10.), die ich gehört harre mit mir reden, als eine Posaune, die sprach: Steig her, ich will dir zeigen, was nach diesem geschehen soll. 2. Denn alsobald war ich im Geist. Und siehe, ein Stuhl ward gesetzt im Himmel, und auf dem Stuhl saß Einer. (Wer anders als Gott der All­ mächtige in seiner Majestät auf seinem Thron in dem Himmel.) 3. Und der da saß, war gleich anzvse-

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Offenbarung 4, 4—7.

hen wie der Stein Jaspis und Sardis; und ein Regenbogen war um den Stuhl, gleich anzuse­ hen wie ein Smaragd; als ein Bild des Friedens und der Wiederversöhnung, oder des Gnadenreiches und Gnadenbundes. 4. Und um den Stuhl waren vier und zwanzig Stühle, und auf den Stühlen saßen vier und zwanzig Aelteste, angethan mit weißen Rleidern, und hatten auf ihren -Häuptern gol­ dene Rronen. Wer diese sind, das weiß man nur im Himmel. 5. Und vom Stuhle gingen Lliye, Donner und Stimmen aus, welche die kommenden Gerichte sinnbilden, und sieben Feuerlampen brann­ ten vor dem Stuhle, welche die sieben Geister Gottes sind. In dem Einen heiligen Geiste sind die sieben Geister oder Geistes-Gaben in ihrer Hauptquelle. 6. Und vor dem Stuhle war es, wie ein gläser­ nes Meer, gleich Rrystall. Das ist die Fülle des Geistes Gottes, der vom Vater und Sohne ausgeht, und sich wie ein unerschöpfliches Meer ergießt, besten Wasser nicht trübe, sondern rein und hell sind. Im Tempel Salomons war ein ehernes Meer. Durch das Glas kann man bester sehen, so wie im Neuen Te­ stamente mehr Licht ist, als im Alten Testamente. Und mitten im Stuhl und um den Stuhl waren vier lebendige wesen oder Thiere, voll Augen vor- und rückwärts; wahrscheinlich hohe cherubinische Wesen. Die vier Evangelisten werden es wohl schwerlich seyn, wie man gewöhnlich meint; denn Johannes war auch ein Evangelist, und rechnet sich nicht unter diese leben­ digen Wesen, sondern er sah sie. 7. Das erste le­ bendige Wesen war gleich einem Löwen, so kräf­ tig und muthig; das zweite wesen gleich einem Ralbe oder Stier, das die Langmuth und Thätigkeit anzeigt; das dritte hatte eines Menschen Ange­ sicht, leutselig und menschlich; das vierte westn war wie ein fliegender Adler, der sich über alles erhebt.

Offenbarung 4, 8—u.

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8. Und jedes dieser lebendigen Thiere hatte sechs Flügel, wie die Cherubim als Zeichen ihrer geist­ lichen Fertig- und Geschwindigkeit, und war von in­ nen unv außen voll Augen, um die Wunderwege Gottes zu schauen; sie haben keine Ruhe Tag und Nacht, oder vielmehr, sie lassen nicht nach, sie ermü­ den nicht; denn ihre Arbeit ist lauter Ruhe, Seligkeit, Friede und Erquickung. Ruhe ist ihnen nicht nöthig, ihre Geschäfte zerstreuen sie nicht; sie rufen unaufhör­ lich : Heilig, heilig, heilig ist Gott der Herr, der Allmächtige, der da war, der da ist, und der da kommen wird, als Richter der Lebendigen und Todten. 9. Und da die lebendigen Riesen (oder Thiere) ga­ ben Preis und Ehre und Dank dem, der auf dem Stuhle saß, der da lebet von Ewigkeit zu Ewig­ keit; 10. fielen die vier und zwanzig AelcesteN nieder vor dem, der auf dem Stuhle saß, und beten an den, der da lebt von Ewigkeit zu Ewig­ keit, und warfen ihre Rronen nieder vor dem Stuhle, weil der auf dem Throne seine Ehre keinem andern lassen will, und die vor dem Throne auch nicht verlangen, etwas davon an sich zu ziehen. Sie erkennen Ihn als den Herrn; sie haben Kronen, aber sie schrei­ ben sich dieselben nicht zu, sondern geben sie wieder dem, von dem sie sie empfangen haben. Deswegen be­ halten sie dieselben doch. So ist es. Die Seele bleibt ewig in der Empfindung der Armuth. Sie ist arm, hat aber Gott und genug. Sie hat aber nicht unge­ geben, nicht ungeschenkt; sie lebt von einem Tage zum andern, von einer Ewigkeit zur andern aus purem Er­ barmen ihres Mittlers; sie ißt ewig Gnadenbrod; sie kann ihr Lebtag und in Ewigkeit nicht sagen: Das ist mein Brod! das ist meine Krone; sondern wie die vier und zwanzig sprachen: 11. Du Herr! bist wür­ dig zu nehmen Ehre und Herrlichkeit undRraft; denn du hast alle Dinge geschaffen, und durch deinen willen haben sie das Wesen und sind sie cttAMimatUKt* viii. £0fit. 24

37°

Offenbarung 5, r—6.

geschaffen. Das heißt mit einem Worte: Alle Ehre gebührt dir im Hinnnel und auf Erden.

Das v. Kapitel. 1. Und id) sahe in der rechten Hand deß, der auf dem Stuhle saß, ein Buch, geschrieben inwendig und auswendig, versiegelt mit sieben Siegeln. 2. Und ich sah einen starken Engel pre­ digen mit großer Stimme: wer ist würdig das Buch aufzurhun und seine Siegel zu brechen? 3. Und niemand im Himmel, noch auf Erden, uoch unter der Erde .konnte das Buch aufthun und darin sehen. Das betrübte den Johannes so sehr, daß er fortfährt: 4. Und ich weinte sehr, daß nie­ mand würdig erfunden ward, das Buch aufzurhun und zu lesen, noch darin zu sehen. 5. Und einer von den Aeltesten (tröstete und) spricht zu mir: weine nicht, siehe, es hat überwunden der Löwe, der da ist vom Geschlecht Juda, die Wur­ zel Davids, aufzuthun das Buch und zu brechen seine sieben Siegel. Dieser Aelteste tröstete also den betrübten und wei­ nenden Johannes damit, daß er ihm zeigte das Lö­ wen-Lamm oder den Löwen vom Stamme Juda, Je­ sum nämlich, der sey allein im Stande, aufzuthun, was verschlossen ist, weil Er überwunden habe. Durch sei­ nen Tod und sein Blut hat Er sich den Weg geöffnet; vorher hat Er es nicht gewußt. Mark. 13, 32. 6. Und ich sah und siehe: Mitten im Stuhl und der vier Thiere, und mitten unter den Ael­ testen stand ein Lamm, wie es erwürgt wäre; und hatte sieben Hörner und sieben Augen, wel­ ches sind die sieben Geister Gottes, gesandt in

37°

Offenbarung 5, r—6.

geschaffen. Das heißt mit einem Worte: Alle Ehre gebührt dir im Hinnnel und auf Erden.

Das v. Kapitel. 1. Und id) sahe in der rechten Hand deß, der auf dem Stuhle saß, ein Buch, geschrieben inwendig und auswendig, versiegelt mit sieben Siegeln. 2. Und ich sah einen starken Engel pre­ digen mit großer Stimme: wer ist würdig das Buch aufzurhun und seine Siegel zu brechen? 3. Und niemand im Himmel, noch auf Erden, uoch unter der Erde .konnte das Buch aufthun und darin sehen. Das betrübte den Johannes so sehr, daß er fortfährt: 4. Und ich weinte sehr, daß nie­ mand würdig erfunden ward, das Buch aufzurhun und zu lesen, noch darin zu sehen. 5. Und einer von den Aeltesten (tröstete und) spricht zu mir: weine nicht, siehe, es hat überwunden der Löwe, der da ist vom Geschlecht Juda, die Wur­ zel Davids, aufzuthun das Buch und zu brechen seine sieben Siegel. Dieser Aelteste tröstete also den betrübten und wei­ nenden Johannes damit, daß er ihm zeigte das Lö­ wen-Lamm oder den Löwen vom Stamme Juda, Je­ sum nämlich, der sey allein im Stande, aufzuthun, was verschlossen ist, weil Er überwunden habe. Durch sei­ nen Tod und sein Blut hat Er sich den Weg geöffnet; vorher hat Er es nicht gewußt. Mark. 13, 32. 6. Und ich sah und siehe: Mitten im Stuhl und der vier Thiere, und mitten unter den Ael­ testen stand ein Lamm, wie es erwürgt wäre; und hatte sieben Hörner und sieben Augen, wel­ ches sind die sieben Geister Gottes, gesandt in

Offenbarung 5, 7—10.

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alle Lande; d. i. es ist voll Kraft, alles zu überwin­ den, und ist allwissend und voll Weisheit, alles zu durchschauen. 7. Und es kam und nahm das Buch aus der -Hand deß, der auf dem Stuhle faß. 8. Und da es das Buch nahm, da sielen die vier lebendigen Wesen und die vier und zwanzig Aelresten nieder vor dem Lamme, weil sie erkennen, daß das Lamm ihr Haupt und Herr sey, und daß sie Ihm alles zu danken hätten. Sie hatten alle -Har­ fen und goldene Schalen voll Rauchwerks, wel­ ches sind die Gebete der Heiligen, die wie ein köst­ liches Rauchwerk vor Gott aufsteigen, weil sie das Feuer der Liebe und der mancherlei Leiden in die Höhe treibt. 9. Und sangen ein neues Lied und sprachen: Würdig bist du, Herr! zu nehmen das Buch und zu öffnen seine Siegel, die Bibel in das rechte Licht zu setzen; denn du wardst geschlachtet und hast uns Gort erkaufet mit deinem Blute aus allen Stammen und Sprachen und Völkern und Na­ tionen. Man pflegt oft den Feldherren die Siege zu­ zuschreiben, die das Blut ihrer Kriegsleute erworben hat, und wo sie manchmal nicht dabei gewesen sind. Aber hier ist es anders; hier hat Er, unser König, un­ ser Lamm, den Sieg allein und durch sein eigenes Blut erfochten. 10. Und hast uns unserm Gott zu Röntgen und Priestern gemacht, und wir werden Röntge seyn, d. i. regieren auf Erden. Der Heiland ist zum Messias und Christus Gottes, d. i. zum höchsten Prie­ ster und König gesalbt worden, und wir haben die Sal­ bung, die Theilhaftigkeit an seinem Christus-Amte zu genießen. Es hängt sehr viel daran; es ist nicht nur so eine Ehre, die man sich aus Demuth verbitten könnte; Er fordert auch von uns königliche und prophetische Be­ weise, und priesterliche Liturgie (Andacht, Gottesdienst), wozu Er uns aber die Salbung giebt, wenn man sie nur annimmt, wenn man sich nur mit ganzem willigem 24*

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Offenbarung 5, u—14.

6,1—3.

Herzen von allem andern ausleeren und die Schreib­ tafel auswischen läßt, damit Er hineinschreiben kann, was er will. 11. Und ich sah und hörte eine Stimme vie­ ler Engel um den Stuhl und um die Thiere und um die Aelresten her, und ihre Zahl war viel tausendmal tausend. 12. Und sprachen mit gro­ ßer Stimme: Das Lamm, das erwürget (geschlach­ tet) ist, ist würdig zu nehmen Rrafc und Reich­ thum und Stärke und Ehre und Preis und Lob. 13. Und alle Rrearur, die im -Himmel ist und auf Erden und (was merkwürdig ist, sogar auch) unter der Erde, und auf dem Meere und alles, was darinnen ist, hörte ich sagen.- Dem, der auf dem Stuhle sitzt und dem Lamme sey Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. 14. Und die vier Thiere (oder lebendi­ gen Wesen) sprachen: Amen. Und die vier und zwanzig Aelresten fielen nieder und beteten an den, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das Löwen-Lamm wird da recht als Herr aller Kreaturen zur Huldigung dargestellt, und eben so gött­ lich verehrt und angebetet, wieder, der auf dem Throne sitzt, wie der Vater.

Das VI. Kapitel. 1. Und ich sahe, daß das Lamm der Siegel Eins aufrhat. Und ich hörte der vier Thiere eins sagen, als mir einer Donner-Stimme: Romm und siehe zu! 2. Und ich sahe, und siehe! ein weiß Pferd, und der darauf saß, harre einen Bo­ gen ; und ihm ward gegeben eine Rrone, und er zog aus zu überwinden und daß er siegte. 3. Und

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Offenbarung 5, u—14.

6,1—3.

Herzen von allem andern ausleeren und die Schreib­ tafel auswischen läßt, damit Er hineinschreiben kann, was er will. 11. Und ich sah und hörte eine Stimme vie­ ler Engel um den Stuhl und um die Thiere und um die Aelresten her, und ihre Zahl war viel tausendmal tausend. 12. Und sprachen mit gro­ ßer Stimme: Das Lamm, das erwürget (geschlach­ tet) ist, ist würdig zu nehmen Rrafc und Reich­ thum und Stärke und Ehre und Preis und Lob. 13. Und alle Rrearur, die im -Himmel ist und auf Erden und (was merkwürdig ist, sogar auch) unter der Erde, und auf dem Meere und alles, was darinnen ist, hörte ich sagen.- Dem, der auf dem Stuhle sitzt und dem Lamme sey Lob und Ehre und Preis und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit. 14. Und die vier Thiere (oder lebendi­ gen Wesen) sprachen: Amen. Und die vier und zwanzig Aelresten fielen nieder und beteten an den, der da lebt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das Löwen-Lamm wird da recht als Herr aller Kreaturen zur Huldigung dargestellt, und eben so gött­ lich verehrt und angebetet, wieder, der auf dem Throne sitzt, wie der Vater.

Das VI. Kapitel. 1. Und ich sahe, daß das Lamm der Siegel Eins aufrhat. Und ich hörte der vier Thiere eins sagen, als mir einer Donner-Stimme: Romm und siehe zu! 2. Und ich sahe, und siehe! ein weiß Pferd, und der darauf saß, harre einen Bo­ gen ; und ihm ward gegeben eine Rrone, und er zog aus zu überwinden und daß er siegte. 3. Und

Offenbarung 6, 4—12.

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fr» es düs andere Siegel aufrhat, hörte ich das andere Thier sagen.- Bonn« und siche zu! 4. Und es ging heraus ein ander Pferd, das war roth, und dem, der darauf faß, ward gegeben den Frie­ den zu nehmen von der Erde, und daß sie sich unter einander erwürgeten; und ihm ward ein groß Schwert gegeben. 5. Und da es das dritte Siegel aufrhat, hörte ich das dritte Thier sagen : Romm und siehe zu! Und ich sahe, und siehe! ein schwarz Pferd, und der darauf saß, hatte eine Wage in seiner -Hand. 6. Und ich hörte eine Grimme unter den vier Thieren sagen: Ein Maaß Weizen um einen Groschen, und drei Maaß Gerste um einen Groschen; und dem Oel und Wein thue kein Leid. 7. Und da es das vierte Siegel aufrhar, hörte ich die Stimme des vierten Thieres sagen.- Äomm und siehe zu! S. Und ich sahe, und siehe! ein fahl Pferd; und der darauf saß, deß Name hieß Tod, und die Hölle folgte ihm nach. Und ihnen ward Macht gegeben zu rödren das vierte Theil auf der Erde, mit dem Schwert und Hunger und mit dem Tod und durch die Thiere auf Erden. 9. Und da es das fünfte Sie­ gel aufrhat, sahe ich unter dem Altar die Seelen derer, die erwürget waren um des Wortes Got­ tes willen, und um des Zeugnisses willen, das sie hatten. 10. Und sie schrien mit großer Stimme und sprachen: Herr, du Heiliger und wahrhaf­ tiger, wie lange richtest du, und rächest nicht un­ ser Blut an denen, die auf der Erde wohnen! 11. Und ihnen wurden gegeben einem Jeglichen ein weiß Rleid, und ward zu ihnen gefagt, daß sie ruheren noch eine kleine Zeit, bis daß vollends dazu kämen ihre Mitknechre und Brüder, die auch sollten noch ertödrrt werden, gleich wie sie. 12. Und ich sahe, daß es das sechste Siegel aufthat, und siehe! da ward ein großes Erdbeben,

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Offenbarung 6, 13—17»

und die Sonne ward schwarz wie ein härener Sack, und der Mond ward wie Blut. 13. Und die Sterne des -Himmels fielen auf die Erde, gleichwie ein Feigenbaum seine Feigen abwirft, wenn er von großem Winde bewegt wird. 14. Und der Himmel entwich, wie ein eingewickelt Buch, und alle Berge und Inseln wurden be­ wegt aus ihren Oertern. 15. Und die Röntge auf Erden, und die Obersten und die Reichen und die Hauptleute und die (Bewältigen und -alle Rnechre und alle Freien verbargen sich in den Rlüfcen und Felsen an den Bergen; 16. und spra­ chen zu den Bergen und Felsen: Fallet auf uns und verberget uns vor dem Angesicht deß, der auf dem Stuhl sitzt, und vor dem Zorn des Lam­ mes. 17. Denn es ist kommen der große Tag seines Zorns, und wer kann bestehen? Johannes, der Seher, sieht das Lamm sechs von den sieben Siegeln öffnen, und was da herauskam. Die sieben Siegel bedeuten wohl die Macht Christi über alle sichtbaren und unsichtbaren Kreaturen. Die vier ersten Siegel scheinen große Landplagen, als Blutver­ gießen, Kriege, theure Zeit, Pestilenz und Sterben zu weissagen; das fünfte Siegel geht aus die Märtyrer, die ihr Leben für das Lamm und sein Evangelium ge­ geben haben oder geben werden. Diese appelliren an das gerechte Gericht Gottes, daß Er ihr Blut rächen möchte. Weil ihre Bitte ge^cht ist, so werden sie zwar nicht beschämt, aber doch eine Weile zur Geduld ver­ wiesen, und ihnen zur Entschädigung weiße Kleider ge­ geben; denn es mußten noch mehrere ihres seligen Loo­ ses theilhaftig werden, Im sechsten Siegel häufen sich auf das Geschrei der Märtyrer die Plagen noch mehr als in den vier ersten. Die Sonne wird schwarz, wie ein härener Sack; Gott verbirgt sein Angesicht und Gnadenlicht; der Mond wird wie Blut; die falschen Christen werden im Blute baden müssen. Die Sterne

Offenbarung 6, 17.

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des Himmels, die Lehrer, die als Lichter am KirchenHimmel leuchten, fallen vom Himmel auf die Erde durch Rückfall in den irdischen Sinn, wenn sich die Verfolgung erhebt; wie der Feigenbaum unreif sein'e Feigen abwirft, so wird der Sturmwind der Verfol­ gung viele unzeitige, nicht recht gegründete Seelen vom Weinsiocke Christus wegreißen, sie werden abfallen. Der Himmel entwich, wie eine aufgemachte Rolle Papier oder Pergament, wenn es abgelassen wird, zusammen­ rollt. Alle Berge und Inseln werden entrückt aus ih­ rer Stätte, alles wird aus seinen Angeln gehoben, cs wird nichts mehr nieth- und nagelfest seyn. Auch die Könige und Großen der Erde, so wie die Kleinen, die Knechte und jungen Herren werden sich verbergen in den Höhlen und Steinklüften, sie werden vor Angst nicht wissen, wohin sie sich verkriechen sollen; ganz ver­ zweifelt werden sie, die das mitleidige Herz ihres Ver­ söhners nicht anrufen wollten, nun die harten Felsen und Berge anrufen: Fallet über uns und bedecket uns vor dem Angesichte dessen, den mir am Kreuze verach­ teten, und der nun auf dem Throne sitzt, und vor dem Zorne des Lammes. Die Menschen werden nicht ge­ lehrig und sind nicht zu bedeuten, bis es zu spät seyn wird. Kriege, Pestilenz, Hunger, diese oder jene Ge­ richte und alle Zeichen vor dem jüngsten Tage bewei­ sen ihnen nicht viel, und machen höchstens Ninivitische Bekehrungen; sie stehen immer in guter Hoffnung, es werde sie nicht treffen. 2iver wenn einmal der Menschen-Sohn kömmt, und der Zorn des Allmächtigen an­ brennt; wenn es nicht mehr angewendet seyn wird, da werden sie sich in die Erde verkratzen wollen und wün­ schen, daß die Berge ihre ewigen Särge würden.

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Offenbarung 7, i—6
Die Zahl der Versiegelten aus den zwölf Stäm­ men Israel, die hier von allen andern unterschieden werden, ist 144,000; aus jedem Stamme 12,000; eine schöne Heerde aus dem jüdischen Stalle, d. i. aus dem Israel nach dem Geiste. Der Stamm Dan ist ausgelassen, und Manasse an dessen Stelle gekommen, wie Matthias an die Stelle Judas Jskarioths, der auch aus dem Stamme Dan gewesen seyn soll. 9. Darnach sah ich, und siehe! eine große Schaar, welche niemand zahlen konnte, aus allen -Heiden und Völkern und Sprachen, vor dem Stuhl stehend und vor dem Lamm, angethan mit weißen Rleidern und Palmen in ihren Handen, 10. schrien mit großer Stimme und sprachen: -Heil sey dem, der auf dem Stuhl siyt, unserm Gort und dem Lamm! 11. Und alle Engel stan­ den um denScuhl und um die Aelresten und um die vier Thiere, und sielen vor dem Stuhl auf ihr Angesicht und beteten Gott an. 12. Und spra­ chen: Amen, Lob und Ehre und Weisheit und Dank und Preis und Rrafc und Stärke sey un­ serm Gort, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen. Nach den Versiegelten aus Israel folgen nun auch die Uebrigen aus allen Völkern. Die Vorigen sind gezählt, diese aber konnte niemand zählen. Das ist die Fülle der Heiden. Sie werden auch vor dem Throne stehen in weißen Kleidern, die sie im Blute des Lam­ mes gewaschen haben, mit Palmzweigen in ihren Hän­ den, als Zeichen des Sieges. Sie rufen: Heil unserm

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Offenbarung 7, 13 — 17*

Gott und dem Lamme! Die Heiligen erblicken ihr Heil nie in sich selbst oder etwas andern«, als im Lamme. Sie beten nun Gott an über seine wunderbaren Wege. 13. Einer aus den Aelcesten anrwortere und sprach zu mir: Wer sind diese mir weißen Klei­ dern angethan? und woher sind sie gekommen? 14. Und ich sprach zu ihmMein Herr, du weißt es. Und er sprach zu mir.- Diese sinds, die ge­ kommen sind aus großer Trübsal. Das sind die, welche in der Welt Angst hatten, und die die Welt verlacht und verworfen hat; die kommen aus lauter Kreuz und Trübsal. Sie haben ihre Rleider ge­ waschen und haben ihre Rleider helle gemacht im Blute des Lammes. Wer seine Kleider durch eine andere Seife weiß zu machen sucht, als durch das Blut des Lammes, der besteckt und besudelt sich mehr. Das Blut des unbefleckten Lammes ist allein das Bad, wel­ ches die Seelen in ihre wahre, gottgefällige Reinheit verseht. Wer sich dahinein wirft, der wird von aller Unreinigkeit frei, und der göttlichen Reinigkeit theilhaftig. 15. Darum, fuhr der Aelteste forr, darum, weil sie sich im Blute des Lammes gewaschen haben, sind sie nun vor dem Throne Gottes, und dienen Ihm bei Tag und Nacht in seinem Tempel. Des Lammes Blut hat sie dahin gebracht. Der auf dem Tdrone sitzt, wird seine Wohnung über ihnen aufschla­ gen. 16. Sie wird nicht mehr hungern, noch dürsten; der Genuß des höchsten Gutes wird sie im Ueberfluß sättigen; es wird auch nicht mehr auf sie fallen die Sonne noch irgend eine Hitze der An­ fechtung. 17. Denn das Lamin in der Mitte des Thrones, das sie gewaschen hat mit seinem eigenen Blute, wird sie weiden (mit welcher Weide!) und zu den (Quellen der lebendigen Wasser führen, die keinen Wunsch, keinen Durst mehr übrig lassen, die alle Seligkeit mittheilen, die trunken machen mit den reichen Gütern des Hauses Gottes; und Gott wird

Offenbarung 8, 1 — 5.

379

alle Thränen abwischen von ihren Augen'; Er wird alle beiden und Schmerzen von ihnen entfernen, daß kein Andenken daran mehr start hat.

Das VIII. Kapitel. 1. Und da es das siebente Siegel aufthat, ward eine Grille im -Himmel bei einer halben Grunde. 2. Und ich sahe sieben Engel, die da traten vor (Sott, und ihnen wurden sieben Po­ saunen gegeben. 3. Und ein anderer Engel kam, und trat bei den Altar, und hatte ein gülden Rauchfaß; und ihm ward viel Rauchwerks ge­ geben, daß er gäbe zum Gebet aller Heiligen, auf den goldenen Altar vor dem Stuhl. 4. Und der Rauch des Rauchwerks vom Gebet der Hei­ ligen ging auf von der Hand des Engels vor Gott. 5. Und der Engel nahm das Rauchfaß, und füllte es mit Feuer vom Altar, und schüttete es auf die Erde. Und da geschahen Stimmen und Donner und Blitze und Erdbebung. Das siebente Siegel wird geöffnet, da ward Stille im Himmel bei einer halben Stunde. Auf den Lärm bei den vorigen Siegeln wird diese Stille wohl thun denen, die die Stille lieben. Johannes sieht nun sie­ ben Engel mit sieben Posaunen vor Gott stehen, die das auerufen und kund thun mußten, was in dem sie­ benten Siegel eröffnet wurde. Ehe aber das Posaunen anfing, werden den Gläubigen neue Kräfte zum Gebete gegeben; sie werden versorgt und ausgerüstet mit Ge­ betskraft, daß sie es aushalten können. Und der Rauch des Rauchwerkes vom Gebete der Heiligen, die alsdann Tag und Nacht beten werden, stieg auf aus der Hand des Engels vor Gott. Aber das Gebet der Heiligen

Offenbarung 8, 1 — 5.

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alle Thränen abwischen von ihren Augen'; Er wird alle beiden und Schmerzen von ihnen entfernen, daß kein Andenken daran mehr start hat.

Das VIII. Kapitel. 1. Und da es das siebente Siegel aufthat, ward eine Grille im -Himmel bei einer halben Grunde. 2. Und ich sahe sieben Engel, die da traten vor (Sott, und ihnen wurden sieben Po­ saunen gegeben. 3. Und ein anderer Engel kam, und trat bei den Altar, und hatte ein gülden Rauchfaß; und ihm ward viel Rauchwerks ge­ geben, daß er gäbe zum Gebet aller Heiligen, auf den goldenen Altar vor dem Stuhl. 4. Und der Rauch des Rauchwerks vom Gebet der Hei­ ligen ging auf von der Hand des Engels vor Gott. 5. Und der Engel nahm das Rauchfaß, und füllte es mit Feuer vom Altar, und schüttete es auf die Erde. Und da geschahen Stimmen und Donner und Blitze und Erdbebung. Das siebente Siegel wird geöffnet, da ward Stille im Himmel bei einer halben Stunde. Auf den Lärm bei den vorigen Siegeln wird diese Stille wohl thun denen, die die Stille lieben. Johannes sieht nun sie­ ben Engel mit sieben Posaunen vor Gott stehen, die das auerufen und kund thun mußten, was in dem sie­ benten Siegel eröffnet wurde. Ehe aber das Posaunen anfing, werden den Gläubigen neue Kräfte zum Gebete gegeben; sie werden versorgt und ausgerüstet mit Ge­ betskraft, daß sie es aushalten können. Und der Rauch des Rauchwerkes vom Gebete der Heiligen, die alsdann Tag und Nacht beten werden, stieg auf aus der Hand des Engels vor Gott. Aber das Gebet der Heiligen

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Offenbarung 8, 6—13.

ward zu Blitz und Donner und Erdbeben für die Erde. Die Wetter der Welt entstehen aus dem Gebete und den Thränen der Kirche; diese schlagen zurück mit Blitz und Donner.

6. Und die sieben Engel mir den sieben Po­ saunen harren sich gerüstet, ZU posaunen. 7. Und der erste Engel posaunte; und es ward ein gel und Feuer mir Blur gemengec, und fiel auf Vie Erde. Und das dritte Theil der Baume ver­ brannte, und alles grüne Gras verbrannte. 8. Und der andere Engel posaunte, und es fuhr wie ein großer Berg mir Feuer brennend ins Meer^ und das dritte Theil des Meers ward Blut. 9. Und das dritte Theil der lebendigen Kreaturen im Meer starben, und das dritte Theil der Schisse wurden verderbet. 10. Und der dritte Engel posaunte; und es fiel ein großer Stern vom Him­ mel, der brannte wie eine Fackel, und fiel auf das dritte Theil der Wasserströme und über die Wasserbrunnen. 11. Und der Name des Sterns heißt Wermuth, und das dritte Theil ward Wer­ muth ; und viel Menschen starben von den Was­ sern, daß sie waren so bitter worden. 12. Und der vierte Engel posaunte, und es ward geschla­ gen das dritte Theil der Sonne, und das dritte Theil des Monds, und das dritte Theil der Sterne, daß ihr drittes Theil verfinstert ward, und der Tag das dritte Theil nicht schien, und die Nacht desselbigen gleichen. 13. Und ich sahe, und hörte einen Engel fliegen mitten durch den Himmel, ur,6 sagen mir großer Stimme.- Weh, weh, weh denen, die auf Erden wohnen, vor den andern Stimmen der Posaune der drei Engel, die noch posaunen sollen! Sechs Engel posaunen nach einander, und auf jeden Posaunen-Schall erfolgen schwere und traurige Gerichte und Ereignisse auf Erden — um die sichern

Offenbarung 9, r—-z.

381

Menschen auf Erden aufzuwecken und den Gläubigen zu sagen', daß der Herr nahe sey. Es kömmt eine Plage nach der andern, und die folgende ist immer starker, als die vorige. Hagel und Feuer mit Blut vermenget ist das, was auf die erste Posaune erfolgt, wodurch alles verbrannt wird und verdorrt auf Erben, so daß Theurung ent­ steht, die bei dem zweiten Posaunenstoß noch vergrö­ ßert wird. Bei der dritten fallt ein großer Stern, ein großes Licht, wie Luzifer, mit seinem Anhänge, d. t. nebst andern leuchtenden und begabten Geistern, aus dem Himmel herab. Der Stern heißt Wermuth; aus dem besten Weine wird der sauerste Essig. Die vierte Posaune zeigt, wie das Uebel wachse, und Blindheit und Menschen-Lehre bei allen Standen überhand nehme. Die Lichter am Himmel (in der Christenheit) verfinstern. Wenn der Tag selbst Nacht wird, wie wird die Nacht seyn! Darum wird auch durch einen besondern dazwi­ schen kommenden Engel, der mitten durch den Himmel stiegt, das Wehe ausgerufen, um anzuzeigen, daß es je länger, je schlimmer werden würde mit der Christenheit.

Das IX. Kapitel. 1. Und der fünfte Engel posaunte, und ich fahe einen Stern gefallen vom -Himmel auf die Erde, und ihm ward der Schlüssel zum Brun­ nen des Abgrunds gegeben. 2. Und er that den Brunnen des Abgrunds auf, und es ging auf ein Rauch aus dem Brunnen, wie ein Rauch ei­ nes großen Ofens, und es ward verfinstert die Sonne und die Luft von dem Rauch des Brun­ nen. 3. Und aus dem Rauch kamen -Heuschrecken auf die Erde; und ihnen ward Macht gegeben.

Offenbarung 9, r—-z.

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Menschen auf Erden aufzuwecken und den Gläubigen zu sagen', daß der Herr nahe sey. Es kömmt eine Plage nach der andern, und die folgende ist immer starker, als die vorige. Hagel und Feuer mit Blut vermenget ist das, was auf die erste Posaune erfolgt, wodurch alles verbrannt wird und verdorrt auf Erben, so daß Theurung ent­ steht, die bei dem zweiten Posaunenstoß noch vergrö­ ßert wird. Bei der dritten fallt ein großer Stern, ein großes Licht, wie Luzifer, mit seinem Anhänge, d. t. nebst andern leuchtenden und begabten Geistern, aus dem Himmel herab. Der Stern heißt Wermuth; aus dem besten Weine wird der sauerste Essig. Die vierte Posaune zeigt, wie das Uebel wachse, und Blindheit und Menschen-Lehre bei allen Standen überhand nehme. Die Lichter am Himmel (in der Christenheit) verfinstern. Wenn der Tag selbst Nacht wird, wie wird die Nacht seyn! Darum wird auch durch einen besondern dazwi­ schen kommenden Engel, der mitten durch den Himmel stiegt, das Wehe ausgerufen, um anzuzeigen, daß es je länger, je schlimmer werden würde mit der Christenheit.

Das IX. Kapitel. 1. Und der fünfte Engel posaunte, und ich fahe einen Stern gefallen vom -Himmel auf die Erde, und ihm ward der Schlüssel zum Brun­ nen des Abgrunds gegeben. 2. Und er that den Brunnen des Abgrunds auf, und es ging auf ein Rauch aus dem Brunnen, wie ein Rauch ei­ nes großen Ofens, und es ward verfinstert die Sonne und die Luft von dem Rauch des Brun­ nen. 3. Und aus dem Rauch kamen -Heuschrecken auf die Erde; und ihnen ward Macht gegeben.

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Offenbarung 9, 4—15.

wie die Skorpionen aufErden Macht haben. 4. Und es ward zu ihnen gesagt, daß sie nicht be­ leidigten das Gras auf Erden, noch kein Grü­ nes, "noch keinen Baum; sondern allein die Men­ schen, die nicht haben das Siegel Gocces an ih­ ren Stirnen. 5. Und es ward ihnen gegeben, daß sie sie nicht rödceten, sondern sie quäleren fünf Monden lang; nnd ihre dXo«l war wie eine O.ual vom Skorplon, wenn er einen Menschen Hauer. 6. Und in denselbigen Tagen werden die Menschen den Tod suchen, und nicht finden; wer­ den begehren zu sterben, und der Tod wird von ihnen fliehen. 7. Und die Heuschrecken sind gleich den Rossen, die zum Rriege bereiter sind; und auf ihrem Haupt wie Rronen, dem Golde gleich, und ihre Antlitze gleich der Menschen Antlitz. 8. Und harren Haar wie Weiberhaar, und ihre Zähne waren wie der Löwen. 9. Und hatten Panzer wie eiserne Panzer; und das Rasseln ih­ rer Flügel, wie das Rasseln an den wagen vie­ ler Rosse, die in den Rrieg laufen. 10. Und har­ ren Schwänze gleich den Skorpionen, und es wa­ ren Stacheln an ihren Schwänzen; und ihre Macht war, zu beleidigen die Menschen fünf Monden lang. 11. Und harren über sich einen Rönig, einen Engel aus dem Abgrund; deß Name heißt auf Ebräifch Abaddon, und auf Griechisch hac er den Namen Apollyon. 12. Ein Wehe ist dahin; siehe! es kommen noch zwei Wehe nach dem. 13. Und der sechste Engel posaunte. Und ich hörte Eine Stimme aus den vier Ecken des goldenen Altars vor Gott, 14. die sprach zu dem sechsten Engel, der die Posaune harre: Löse auf die vier Engel, gebunden an dem großen Wasserstrom Euphrates. 15. Und es wurden die vier Engel los, die bereit waren auf eine Stunde, und auf einen Tag, und auf einen Monden, und auf

Offenbarung 9, 16 — 21.

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ein Jahr, daß sie tödtecen das dritte Theil der Menschen. 16. Und die Zahl des reisigen Zeuges war viel tausendmal tausend, und ich hörte ihre Zahl. 17. Und also sahe ich die Rosse im Gesicht, und die darauf saßen, daß sie harren feurige und gelbe und schwefelichce Panzer; und die Häupter der Rosse wie die Häupter der Löwen, und aus ihrem Munde ging Feuer und Rauch und Schwe­ fel. 18. Von diesen dreien ward ertödrer das dritte Theil der Menschen, von dem Feuer und Rauch und Schwefel, der aus ihrem Munde ging. 19. Denn ihre Macht war in ihrem Munde, und ihre Schwänze waren den Schlangen gleich, und harten Häupter, und mir denselbigen thaten sie Schaden. 20. Und blieben noch Leute, die nicht gerödrer wurden von diesen Plagen, noch Buße thaten für die Werke ihrer Hände, daß sie nicht anbeceren die Teufel und die goldenen, sil­ bernen, ehernen, steinernen und hölzernen Götzen, welche weder sehen noch hören noch wandeln können. 21. Die auch nicht Buße thaten für ihre Morde, Zauberei, Hurerei und Dieberei. Bei der fünften Posaune wird der Schlund des Abgrundes geöffnet, aus dem nichts, als Bosheit, Fre­ vel, Irrthum, Greuel, List und Schalkheit wie ein stin­ kender Rauch eines Ofens emporsteigt, so daß die Sonne und die Luft der Kirche ganz verfinstert wird, und Christus und das Evangelium ganz in Schatten gestellt ist. Aus diesem finstern Rauche der äußeren verdorbe­ nen Christenheit kommen eine Menge Heuschrecken, fal­ sche Propheten und Apostel des Antichrists hervor, die wie Skorpionen stechen, und zwar nur die Menschen, die das Siegel Gottes nicht an ihrer Stirne haben, nicht den Geist, sondern nur den Schein der Religion Jesu haben. Da werden die Menschen den Tod su­ chen, als eine Erlösung und das Ende des Jammers; sie werden vor Unmuth und Schmerzen zu sterben wün-

384

Offenbarung io, i.

schen, und den Tod diesem Jammerleben verziehen; aber es wird ihnen nicht so gut werden, der Tod wird von ihnen fliehen. Die Heuschrecken werden nun deutlicher beschrieben und sehen wunderlich aus; zum Theil kriegerisch, zum Theil human, weibisch und doch thierisch, Weiberhaare und Löwenzähne, rauschend und lärmend wie Schlacht­ pferde, stachlicht wie Skorpionen; plagen, quälen, ste­ chen, beschädigen, verderben ist ihre Sache; darum heißt auch ihr König der Verderber, Abaddon oder Apollion, ein Sohn der Hölle, ein Engel des Abgrundes. Die sechste Posaune kündigt der Welt das andere Wehe an, das noch ärger ist, als das erste mit den Heuschrecken. Zwanzigtausendmal zehntausend, oder zwei­ hundert Millionen Streiter werden die Erde überschwem­ men, eine Ueberschwemmung, wie nie eine war. Ihre Pferde werden schrecklich aussehen, und Feuer, Rauch und Schwefel aus ihrem Munde speien. Ihre Schwänze sind Schlangen gleich. Einen solchen schrecklichen, mäch­ tigen Feind wird die abtrünnige und unbekehrsame Chri­ stenheit zur Zuchtruthe und Geißel haben. Und was wird herauskommen? Sie bekehrten sich doch nicht von ihren bösen Werken, sondern beteten den Teufel und die hölzernen und steinernen Götzen an, wie ehevor, und hureten und mordeten, und übten alle Greuel, wie wenn nichts gewesen wäre. Das können sie mit ihrem fal­ schen Christenthume wohl verbinden.

Das x. Kapitel. 1. Und ich sah einen andern starken Engel vom Himmel herabsteigen, in eine Wolke gekleidet, wodurch der Glaube geübt wird, einen Regenbogen um sein Haupt, als eine Versicherung des Friedens,

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Offenbarung io, i.

schen, und den Tod diesem Jammerleben verziehen; aber es wird ihnen nicht so gut werden, der Tod wird von ihnen fliehen. Die Heuschrecken werden nun deutlicher beschrieben und sehen wunderlich aus; zum Theil kriegerisch, zum Theil human, weibisch und doch thierisch, Weiberhaare und Löwenzähne, rauschend und lärmend wie Schlacht­ pferde, stachlicht wie Skorpionen; plagen, quälen, ste­ chen, beschädigen, verderben ist ihre Sache; darum heißt auch ihr König der Verderber, Abaddon oder Apollion, ein Sohn der Hölle, ein Engel des Abgrundes. Die sechste Posaune kündigt der Welt das andere Wehe an, das noch ärger ist, als das erste mit den Heuschrecken. Zwanzigtausendmal zehntausend, oder zwei­ hundert Millionen Streiter werden die Erde überschwem­ men, eine Ueberschwemmung, wie nie eine war. Ihre Pferde werden schrecklich aussehen, und Feuer, Rauch und Schwefel aus ihrem Munde speien. Ihre Schwänze sind Schlangen gleich. Einen solchen schrecklichen, mäch­ tigen Feind wird die abtrünnige und unbekehrsame Chri­ stenheit zur Zuchtruthe und Geißel haben. Und was wird herauskommen? Sie bekehrten sich doch nicht von ihren bösen Werken, sondern beteten den Teufel und die hölzernen und steinernen Götzen an, wie ehevor, und hureten und mordeten, und übten alle Greuel, wie wenn nichts gewesen wäre. Das können sie mit ihrem fal­ schen Christenthume wohl verbinden.

Das x. Kapitel. 1. Und ich sah einen andern starken Engel vom Himmel herabsteigen, in eine Wolke gekleidet, wodurch der Glaube geübt wird, einen Regenbogen um sein Haupt, als eine Versicherung des Friedens,

Offenbarung io, 2—8.

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sein Angesicht war wie die Sonne glänzend für die Guten; seine Füße wie Feuersäulen, die Bösen zu zertreten. 2. In seiner Hand hatte er ein offenes Büchlein, als einen Inbegriff der letzten Dinge, die zu derselben Zeit offenbar werden sollen. Seinen rech­ ten Fuß setzte er auf das Meer, seinen linken auf die Erde, zum Beweise der Macht, die Christo gege­ ben ist, sich alles zu unterwerfen. 3. Und er schrie mir starker Stimme, wie ein Löwe brüllt, daß es die ganze Welt hören wird. Und da er schrie, rederen die sieben Donner und ließen sich zugleich hö­ ren. Aber was sie sprachen, durste Johannes nicht schreiben, sondern er mußte es versiegeln, damit es nicht mißbraucht werde. 4. Und da die sieben Donner ihre Stimmen geredet hatten, wollte ich schreiben. Da hörte ich eine Stimme vom Himmel sagen zu mir: Versiegle, was die sieben Donner gere­ det haben, und dasselbige schreibe nicht. Es wird wohl im Büchlein stehen. 5. Und der Engel, den ich sah stehen auf dem Meer und auf der Erde, hob seine Hand auf gen Himmel, 6. und schwur bei dem Lebendigen von Ewigkeit zu Ewigkeit, der den Himmel geschaffen har und was darin­ nen ist, und die Erde und was darinnen ist, und das Meer und was darinnen ist, daß hinfort keine Zeit mehr seyn soll; keine Zeit zur Nachsicht und des Verschonens, keine weitere Frist für die verstockte Chri­ stenheit. Es muß einmal ein Ende nehmen, so wahr Gott lebt! 7. Sondern in den Tagen der Stimme des siebenten Engels, wenn der posaunt, wird das Geheimniß Gottes von Aufrichtung seines Rei­ ches und Vertilgung der Gottlosen vollendet werden. Alle Verheißungen werden da vollkommen erfüllt wer­ den, wie er seinen Rnechten, den Propheten, es vorher verkündigt hat. 8. Und die Stimme, die ich gehört harre vom Himmel, redete abermals mit mir und sagte: Geh hin, nimm das offne grt«nitneftu(t> vm.to», der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von dem Brunnen des lebendigen Wassers umsonst. 7. Wer überwin-. der, der wird alles ererben. Und ich werde fein Gott seyn und er wird mein Sohn seyn. Wer Durst hat nach dieser Seligkeit, der komme und trinke von der Quelle des lebendigen Wassers um­ sonst. Wer überwindet, wird Universal-Erbe seyn. 27*

4io

Offenbarung ai, 8 — 14.

8. Den Verzagten aber und Ungläubigen und Gräulichen und Todrschlägern und Hurern und Zauberern und Abgöttischen und allen Lüg­ nern, deren Theil wird seyn in dem Pfuhl, der mir Feuer und Schwefel brennt, welches ist der andere Tod. Den Furchtsamen und Verzagten wird ihr Theil im Pfuhle angewiesen, wie den Ungläubigen, Mördern, Hurern, Zauberern rc. Was sind denn das für Leute, die Verzagten, daß sie vor andern in den Pfuhl müs­ sen? Das sind Leute, die alle Augenblicke bewegt und gerührt sind, aber nie glauben können, daß sie es durch­ bringen werden. Es sind jene zarten Heiligen, weibi­ schen Gemüther, die jede Gefahr und das Kreuz scheuen, und den Zorn der Menschen mehr fürchten, als Gort. Sie gehen sehr bedenklich und klug zu Werke, weil sie zu allem lendenlahm sind. Wer nun in dieser wider­ setzlichen verzagten Hundsart vor dem Heiland erscheint, den nimmt der Teufel mit fort, und der Heiland läßt es geschehen.

9. Und es kam zu mir einer von den sieben Engeln, welche die sieben Schalen voll harren der letzten sieben plagen, und redete mit^mirund sprach: Romm, ich will dir das Weib zeigen, die Braut des Lammes. 10. Und führte mich hin im Geist auf einen großen und hohen Berg, und zeigte mir die große Stadt, das heiligeIerusalem, hernieder fahren aus dem -Fimmel von Görr; 11. und hatte die -Herrlichkeit Gorces, und ihr Licht war gleich dem alleredelsten Stein, ei­ nem hellen Jaspis; 12. und harre große und hohe Mauern, und harre zwölf Thore, und auf den Thoren zwölf Engel, und Namen geschrie­ ben, welche sind die zwölf Geschlechte der Bin­ der Israel. 13. Vom Morgen drei Thore, von Mitternacht drei Thore, vom Mittag drei Thore, vom Abend drei Thore. 14. Und die Mauer der

Offenbarung 21, 15 — 26.

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Stadt hatte zwölf Gründe, und tn denselbigen die Namen der zwölf Apostel des Lamms. 15. Und der mit mir redete, harre ein gülden Rohr, daß er die Stadt messen sollte und ihre Thore und Mauern. 16. Und die Stadt liegt vierecket, und ihre Länge ist so groß als die Breite. Und er maß die Stadt mir dem Rohr auf zwölf tau­ send Feldweges. Die Länge und die Breite und die Höhe der Stadt sind gleich. 17. Und er maß ihre Mauern hundert und vier und vierzig Ellen, nach dem Maaß eines Menschen, die der Engel har. 18. Und der Ban ihrer Mauern war von Jaspis, und die Stadt von laurerm Golde, gleich dem reinen Glase. 19. Und die Gründe der Mauern und der Stadt waren geschmückt mit allerlei Edelgesteinen. Der erste Grund war ein Jaspis, der andere ein Saphir, der dritte ein Lhalcedonier, der vierte ein Smaragd, 20. der fünfte ein Sardonyp, der sechste ein Sardis, der siebente ein Chrysolith, der achte ein Beryll, der neunte ein Topasier, der zehnte ein Chrysopras, der elfte ein -Hyacinth, der zwölfte ein Amethyst. 21. Und die zwölf Thore waren zwölf perlen, und ein jegliches Thor war von Einer perle; und die Gassen der Stadt waren lauter Gold, als ein durchscheinend Glas. 22. Und ich sahe keinen Tempel darinnen; denn der Herr, der all­ mächtige Gott, ist ihr Tempel, und das Lamm. 23. Und die Stadt bedarf keiner Sonne noch des Monds, daß sie ihr scheinen; denn die Herr­ lichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lamm. 24. Und die Heiden, die da selig werden, wandeln in demselbigen Licht. Und die Rönige auf Erden werden ihre Herrlichkeit in dieselbige bringen. 25. Und ihre Thore werden nicht verschlossen des Tages, denn da wird keine Nacht seyn. 26. Und man wird die Herrlichkeit

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Offenbarung 21, 27.

und die Ehre der Heiden in sie bringen. 27. Und wird nicht hineingehen irgend ein Gemeines und das da Gräuel thut und Lügen, sondern die ge­ schrieben sind in dem lebendigenLuch des Lammes. Am Ende wird nun die Braut, das Weib des Lammes, die Kirche oder Stadt Gottes, vorgestellt, wie sie Gott haben wollte. Der Engel, der die Hure gezeigt hat, zeigt nun auch die Braut, das himmlische Jerusalem, wie es vom Himmel auf die Erde verpflanzt wird. Diese Stadt sollten wir immer im Auge haben. „Vergesse ich deiner, Jerusalem! so werde meiner Rech­ ten vergessen!" Die Stadt hat hohe Mauern, die kein Feind übersteigen kann, und also unüberwindlich sind; sie hat zwölf Thore, um die zwölf Stämme Israels einzuneh­ men ; sie ist viereckige, so breit als lang, alles in höch­ ster Gleichheit und Harmonie; sie ist lauter reinesGold, lauter Liebe und Leben; die Grundsteine sind lauter Edelsteine, die die mancherlei Gaben und Wirkungen des heiligen Geistes in den Aposteln des Lammes vor­ stellen. Jedes der zwölf Thore ist Eine Perle, um welcher willen man alles hingeben soll, um bei diesen Thoren einzugehen. Die Straßen sind reines Gold; man kann da keinen Schritt und Tritt thun, als in Liebe. Einen Tempel bedarf die Stadt nicht; der All­ mächtige und das Lamm sind ihr Tempel genug. Die Sonne und der Mond, so wie Obrigkeiten, Lehrer und Stadtrichter sind da auch überflüssig; die Herrlichkeit Gottes und das Lamm leuchtet heller als die Sonne, und macht einen ewigen Tag und Sommer. Die Thore werden nicht verschlossen, weil keine Nacht da, und der Herr eine feurige Mauer um sie her ist. Die Heiden, die sich retten lassen, und die Könige der Erde werden es für eine Ehre halten, mit den Israeliten in sie ein­ zugehen und in ihrem Lichte wandeln zu dürfen. Etwas Unreines, was von der Welt ist, oder greuliche und lügenhafte oder heuchlerische Menschen werden da freilich

Offenbarung 22, 1—7.

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nicht eingehen, noch sich hineinheucheln oder hineinlügen

können. Wer nicht eingetragen ist im Lebensbuche des Lammes, wird da nicht eingelassen.

Das xxii. Kapitel. 1. Und er zeigte mir einen lautern Strom des lebendigen Wassers, klar wie ein Rrystall, der ging von dem Stuhl Gottes und des Lam­ mes. 2. Mitten auf ihrer Gassen und auf bei­ den Seiten des Stroms stand -Holz des Lebens, das trug zwölferlei Früchte, und brachte feine Früchte alle Monden; und die Blätter des -Hol­ zes dienten zu der Gefundheik der Heiden. 3. Und wird kein Verbanntes mehr seyn, und der Stuhl Gottes und des Lammes wird darinnen seyn, und seine Rnechce werden ihm dienen, 4. und se­ hen sein Angesicht; und sein Name wird an ih­ ren Stirnen seyn. 5. Und wird keine Nacht da seyn, und nicht bedürfen einer Leuchte oder des Lichts der Sonne; denn Gott der Herr wird sie erleuchten, und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. 6. Und er sprach zu mir: Diese Worte sind gewiß und wahrhaftig. Und Gott, der Herr der heiligen Propheten, hat seinen En­ gel gesandt, zu zeigen seinen Rnechcen, was bald geschehen muß. 7. Siehe, ich komme bald. Selig ist, der da hält die Worte der Weissagung in diesem Buch. Hier heißt es: Jedermann giebt zuerst den guten Wein, du aber hast das Beste auf die Letzt behalten. Jetzt ergießt sich der Strom des lebendigen Wassers, das ist der Geist der Gnade und Herrlichkeit, der Freude

und des Trostes.

Hell glänzend wie Krystall stießt er

Offenbarung 22, 1—7.

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nicht eingehen, noch sich hineinheucheln oder hineinlügen

können. Wer nicht eingetragen ist im Lebensbuche des Lammes, wird da nicht eingelassen.

Das xxii. Kapitel. 1. Und er zeigte mir einen lautern Strom des lebendigen Wassers, klar wie ein Rrystall, der ging von dem Stuhl Gottes und des Lam­ mes. 2. Mitten auf ihrer Gassen und auf bei­ den Seiten des Stroms stand -Holz des Lebens, das trug zwölferlei Früchte, und brachte feine Früchte alle Monden; und die Blätter des -Hol­ zes dienten zu der Gefundheik der Heiden. 3. Und wird kein Verbanntes mehr seyn, und der Stuhl Gottes und des Lammes wird darinnen seyn, und seine Rnechce werden ihm dienen, 4. und se­ hen sein Angesicht; und sein Name wird an ih­ ren Stirnen seyn. 5. Und wird keine Nacht da seyn, und nicht bedürfen einer Leuchte oder des Lichts der Sonne; denn Gott der Herr wird sie erleuchten, und sie werden regieren von Ewigkeit zu Ewigkeit. 6. Und er sprach zu mir: Diese Worte sind gewiß und wahrhaftig. Und Gott, der Herr der heiligen Propheten, hat seinen En­ gel gesandt, zu zeigen seinen Rnechcen, was bald geschehen muß. 7. Siehe, ich komme bald. Selig ist, der da hält die Worte der Weissagung in diesem Buch. Hier heißt es: Jedermann giebt zuerst den guten Wein, du aber hast das Beste auf die Letzt behalten. Jetzt ergießt sich der Strom des lebendigen Wassers, das ist der Geist der Gnade und Herrlichkeit, der Freude

und des Trostes.

Hell glänzend wie Krystall stießt er

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Offenbarung 22, 8. 9.

von dem Throne Gottes und des Lammes, denn von beiden geht der heilige Geist aus. Das ist nun die volle Ausgießung des heiligen Geistes, die da erfolgen wird, daß Ströme des lebendigen Wassers sich von einem auf den andern ergießen werden. An diesen Wassern ge­ deiht der Baum des Lebens, der in Mitte der Straße steht und jeden Monat Früchte bringt, dessen Blätter nie welken und zur Gesundheit der Heiden dienen. Es geht also noch in die Zeit, nicht in die Ewigkeit, weil noch von Heiden die Rede ist. Aber diese Zeit wird paradiesisch seyn. Verbannung, Verketzerung wird da nicht mehr seyn. Der Thron Gottes und des Lammes und dessen Ge­ genwart wird alles Verfluchte verbannen; und seine Knechte werden Ihm priesterlich dienen und sein An­ gesicht als Versöhnte mit gutem Gewissen schauen. Sein Name wird an ihren Stirnen glänzen. Und wozu soll man da einer Sonne oder eines Lichtes bedürfen, wo Gott selbst sie erleuchtet, und sie mit Ihm regieren in Ewigkeit? Diese Worte sind wahrhaftig und gewiß; denn sie sind von Gott, der Urquelle aller Weissagung. Sieh! ich komme bald, schnell, plötzlich. Selig ist, wer nicht nur rechnet, spekulirt, sondern, wer da hält die Worte dieser Weissagung; wer Gottes gnädigen Willen daraus erkennen lernt, was er zu thun habe, um zu bestehen vor dem, der da kömmt, und der Augen hat, wie Feuerflammen.

8. Und ich bin Johannes, der solches gese­ hen und gehört har. Und da ich es gehört und gesehen, fiel ich nieder, anzubeten vor den Füßen des Engels, der mir solches zeigte. 9. Und er spricht zu mir: Siehe zu, thue es nicht; denn ich bin dein Mitknecht und deiner Brüder, der Propheten, und derer, die da halten die LVorce dieses Buchs. Bete Gott an. Da beichtet Johannes und bekennt seinen Irrthum,

Offenbarung 22, 10—14,

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daß er niedergefallen sey und den Engel angebetet habe, weil er ihn wahrscheinlich für Christus hielt. Aber der Engel weist ihn zurecht, wie im 19. Kap. Möchten wir bei allem Lobe des Guten wegen die Empfindun­ gen des Engels haben, als ihn Johannes anbeten wollte: Sieh zu, thue es nicht; denn ich bin nur dein Mit­ knecht rc. Bete Gott an! 10. Und er spricht zu mir: Versiegle nicht die Worte der Weissagung in diesem Luche, sondern mache sie bekannt; sprich nicht: Hütet euch vor der Offenbarung; leset sie nicht; sie ist gefährlich; ihr könnet verrückt werden. O nein; ist ein Buch wichtig, erwecklich, ermunternd und war­ nend, sich nicht mit dem Antichrist zu bestecken, so ist es dieses; denn die Zeit, da alles, was in diesem Buche steht, geschehen wird, ist nahe. 11. Wer böse ist, sey ferner böse; und wer unrein ist, sey ferner unrein. Aber wer fromm »st, sey ferner fromm; und wer heilig ist, sey fer­ ner heilig. Wer Unrecht thut, der thue fernerhin Un­ recht, auf seine Gefahr; wer ein Schwein seyn und sich in dem Kothe der Lüsten walzen will, der sey es und wälze sich nur, er wird es verantworten müssen. Wer aber gerecht ist, der gehe nicht davon ab, sondern bleibe es fernerhin und beharre bis ans Ende. Wer heilig ist, werde immer ähnlicher dem Heiligsten. 12. Und sieh, ich komme bald, und mein Lohn mit mir, einem jeden nach seinen Werken zu vergelten. Das wird in diesem letzten Kapitel so oft wiederholt, daß man ja nicht verweile und die Sache hinausschiebe. Bei der Raben-Stimme: Cras, cras! Morgen! Morgen! wird man wenig Seide spinnen. 13. Ich bin das A und das d>, der Erste und der Leyte, der Anfang und das Ende. Siehe oben Kap. 1, 8. 14. Selig sind, die ihre Rleider im Llute des Lammes rern waschen (oder wie andere lesen, die seine Gebote halten), daß sie Macht, d. i.

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Offenbarung 22, 15 —18.

freien Zutritt, erhalten zum Baume des Lebens, um davon zu essen, und durch die Thore der Ge­ rechtigkeit emgehen mögen in die Stadt des neuen Jerusalems als Bürger desselben. 15. Draußen in der Finsterniß, im Pfuhle, sind die -Hunde, die Zau­ berer und -Hurer und Mörder und Götzendiener und alle, die Lügen lieben und thun. Wer sind denn die Hunde? Die gerne beißen, die gräulichen Menschen, die ordentlich ihre Freude daran haben, wenn dem Teufel in der Welt gedient wird, die von des Teufels Religion sind, die gar nichts glauben und es mit dem Teufel halten. 16. Ich Jesus, das Haupt der Kirche und der Heiland aller Menschen, habe meinen Engel gesandt, um euch dieses in den Gemeinen zu bezeugen; alle Gemeinen sollen es wissen: Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids, der hell leuchtende Morgenstern, der den Menschen, die in der Finster­ niß sitzen, den Anbruch des Tages verkündet. 17. Und der Geist und die Braut sprechen: Romm, du Gebenedeiter, der da kommen soll, und wer es mit den rechten Glaubens-Ohren hört, der spreche: Romm doch, du Erzhirt deiner Schafe! und sammle sie aus der Zerstreuung und Bedrückung; und wen da dürstet nach Heil und Erlösung, der komme zur lebendigen Quelle; und wer da will in allem Ernste, der nehme Wasser des Lebens umsonst. Und doch will sich niemand zur Quelle des Lebens wenden, um dem Tode zu entgehen, ob man gleich umsonst dazu kommen kann. Gerade das umsonst schreckt die stolze Natur ab; sie möchte eß lieber kau­ fen und bezahlen, da sie doch nicht auch nur einen Hel­ lerswerth hat. 18. Ich bezeuge Allen, die da hören die Worte der Weissagung dieses Buches: Wenn je­ mand etwas zu diesem hinzu thut, durch willkührliche Auslegung des eigenen Geistes, auf den wird

Offenbarung 22, 19—21*

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Gott alle btc Plagen, die Zornschalen, legen, die in diesen! Luche geschrieben stehen, und dem An­ tichrist und falschen Propheten bestimmt sind. 19. Und wenn jemand von den Worten des Buches dieser Weissagung hinwegthuc, weil es der gangbaren Lehre nicht gemäß und der Vernunft nicht faßlich ist, dessen Theil wird Gott hinweg­ thun von dem Buche oder Holze des Lebens, und von der heiligen Stadt wird er verbannt seyn, und von dem, was in diesem Buche geschrieben steht und verheißen ist, wird er nichts erlangen. Er soll er­ fahren, was es auf sich habe, mit Gottes Wort so leichtsinnig umzugehen. Wie wird es denen gehen, die nicht nur etwas hinwegthun, sondern das ganze BibelBuch verwerfen oder verbieten?! 20. Der dieses bezeuget, der treue und wahr­ haftige Zeuge, der nicht lügt, spricht: Ja, ich komme bald; die Kirche aber sagt Amen dazu und stimmt bei: Ach, ja komm, Herr Jesu! Das ist das Echo der wahren lebendigen Glieder, der Kirche Jesu, die Ihn bewillkommnen, weil sie sich innig nach Ihm seh­ nen und an nichts anderes denken, als an die Erschei­ nung und an das Reich Jesu Christi. 21. Die Gnade unsers Herrn Jesu Christi fty mit euch allen! Sie bereite uns alle zur zweiten herrlichen Ankunft Jesu Christi. Amen.

Ach ja! Herr Jesu! komm!

Selbstbekenntniß eines Ungenannten „Der Kinder des Reichs, der getreuen Anhänger Jesu des Gekreuzigten, der Liebhaber seiner Schmach, seiner Demuth, Einfalt und Armuth, der männlichen Verächter der Welt, ihres Reichthums, ihrer Wollüste, ihrer Ehren, sind sehr wenige, wie wenn man im Wein­ berge nachlieset; so verborgen, als wenn ste vor dem Sturm des Ungewitters in einer Grube unter der Erde steckten; und ein Mann ist theurer als Gold, und die Heiligen haben so abgenommen, daß kein Prophet mehr ist; dazu ist eine solche Bedrängniß: nicht von den Auswärtigen, sondern von den Einheimischen; nicht von Sündern, sondern von Solchen, die den vollen Schein der Heiligkeit haben; nicht von Geringen, sondern von den Vorgesetzten und Vorstehern; nicht durch eine of­ fenbare Gemalt und Grausamkeit, sondern mit schein­ baren Ueberredungen und unter dem Eifer der Gerech­ tigkeit ; nicht von Wenigen, sondern fast von Allen, daß von der Wahrheit verführt werden möchten, wo es mög­ lich wäre, auch die Auserwählten. Und wenn diese Tage nicht verkürzt würden, so würde kein Mensch selig. Deswegen auch meine Füße beinahe geglitten und mein Gang gewankt hätte. Und wenn mein gekreuzig­ ter Jesus mir nicht beigestanden wäre, so würde meine Seele bald in der Hölle gelegen seyn. Aber mein gu­ ter und treuester Jesus hat mir den Sinn der großen Parthie aufgeschlossen, daß ich die Gestalt der verfüh­ rerischen Hure erkannt habe, welche alle unvorsichtigen

Jünglinge an den Ecken der Straßen an sich zieht, und unter allerlei Schein auf den breiten Weg führt. Hin­ gegen der schmale Weg, der zum Leben führt, weil er beschwerlich ist, wird von den fleischlichen Lehrern den Seelen als verdächtig und schädlich vorgestellt. Darum habe ich zu Gott dem Vater unsers Herrn Jesu Christi treulich gebeten, meine Bibel habe ich in den Händen emporgehoben zu Ihm, mit Mund und Herzen gerufen: 0 Gott, mein Herr und Meister meines Lebens! verlaß mich nicht! übergieb micht nicht in den Sinn und Rath dieser Leute! behüte mich, daß ich nicht diesen Leuten nachheuchle und in schwere Sünden falle! Denn ich sage es frei vor Gott und seinem Ge­ salbten: diese ehebrecherische Kirche schmückt sich so sehr mit dem Schein der Tugend und falschen Demuth, als wäre sie unwürdiger Weise die Braut Jesu Christi, und betrügt damit manche, über die es Gott zuläßt; so daß ich von meiner Kindheit bis auf diesen Tag gleich­ sam zwischen Thür und Angel gestanden und gezwei­ felt habe, was ich erwählen soll: ob ich begierig und unbescheiden nach Ehren und Pfründen streben, oder ob ich vielmehr außer das Lager hinaus gehen und die Armuth und Schmach Jesu Christi tragen soll? ob ich ein ruhiges und gemächliches Leben mit dem großen Haufen der Bauchdiener erwählen, oder der lauteren und heiligen Wahrheit anhangen soll rc. Ich bekenne noch einmal, daß ich bis dabin auf beiden Seiten gehinket habe; daß ich in einer Stunde, wenn ich die Artigkeit, das Glück, den Eifer der Welt­ liebhaber sah, mich selbst gestraft habe, daß ich ihnen noch nicht nachgefolgt sey. Und dieses begegnete mir gewöhnlich Morgens. ES geschah aber, daß ich in ei­ ner Stunde wieder verwirrt hinweg ging und bereuete, daß ich sie gelobt habe, wie ich nämlich sah, wie sie ihre Eitelkeit fortsetzten und der Tugend und Wahrheit Jesu Christi mit ihren Werken widersprachen, den sie

43° zuvor mit Worten gelobt hatten. Und dieser Wider­ spruch ist bei ihnen den ganzen Tag, ja ihr ganzes Le­ benlang sichtbar. Des Morgens strengen sie ihren Mund an, Gott zu loben, den übrigen ganzen Tag aber brau­ chen sie wieder eben diesen Mund, eitle Dinge zu re­ den, zu saufen, zu fressen und zu lästern. Des Mor­ gens sind sie andächtige Leute, den Tag über grausame und geizige Weitlinge; sie denken also nicht an Jesum Christum bis auf den Abend — (und wie da?) — Im übrigen sind sie irdisch gesinnt und entschuldigen dieses damit, daß wir eben Menschen seyen. Da nun dieses allgemein herrschend ist, auch von großen und gelehrten Männern geschieht, die dazu dem Schein nach fromm und andächtig sind, so habe ich denn erkannt und bekenne hiemit, daß, wenn Je­ sus Christus einem nicht mit einer besondern Gnade zu Hülfe kommt, so kann kein Mensch dieses mit Honig der Süßigkeit angestrichene Angesicht der Hure erken­ nen, diesem täuschenden Anlächeln des Satans, diesem Netze des Antichrists entfliehen."