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German Pages 391 Year 2016
Historische Forschungen Band 112
Das Duell im Alten Reich Transformation und Variationen frühneuzeitlicher Ehrkonflikte
Von Ulrike Ludwig
Duncker & Humblot · Berlin
ULRIKE LUDWIG
Das Duell im Alten Reich
Historische Forschungen Band 112
Das Duell im Alten Reich Transformation und Variationen frühneuzeitlicher Ehrkonflikte
Von Ulrike Ludwig
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit Unterstützung der Oestreich-Stiftung Die Historische Fakultät der TU Dresden hat diese Arbeit im Jahr 2015 als Habilitationsschrift angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
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© 2016 Duncker & Humblot GmbH, Berlin
Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI buchbücher.de, Birkach Printed in Germany ISSN 0344-2012 ISBN 978-3-428-14673-4 (Print) ISBN 978-3-428-54673-2 (E-Book) ISBN 978-3-428-84673-3 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Dieses Buch ist die leicht überarbeitete Fassung meiner 2015 an der Technischen Universität Dresden angenommenen Habilitationsschrift. Die Veröffentlichung in der nun vorliegenden Form gibt mir die Gelegenheit, mich noch einmal ganz herzlich zu bedanken. An erster Stelle gilt dieser Dank Gerd Schwerhoff, der mich in den letzten Jahren stets unterstützend begleitet und gefördert hat. Die produktive und interessante Zusammenarbeit mit ihm und die anregende Atmosphäre am Dresdner Frühneuzeitlehrstuhl haben zweifellos ganz wesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen. Ronald G. Asch und Horst Carl danke ich nicht nur dafür, dass sie die auswärtigen Gutachten übernommen haben, sondern auch für gewinnbringende Diskussionen und ihre zugewandte Kritik. Birgit Emich danke ich für die zahlreichen inspirierenden und heiteren Gespräche und die herausfordernden Debatten über die Arbeit in ihren verschiedenen Stadien. Meinen Freundinnen und Freunden, Kolleginnen und Kollegen in Dresden, aber auch an den Archiv- und Bibliotheksstandorten in Bautzen, Berlin, Greifswald, Halle, Leipzig, Rostock, Schwerin, Stockholm, Stralsund und Wismar danke ich für ihre unkomplizierte Unterstützung und Gastfreundschaft. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft verdanke ich die Finanzierung meiner Postdoc-Phase. Ich habe die fördernde Unterstützung der DFG als eine großartige Chance erlebt, neue Ideen zu verfolgen und in eigenen Forschungsprojekten umzusetzen. Die Veröffentlichung wurde finanziell unterstützt von der Oestreich-Stiftung, der ich hiermit ebenfalls ganz herzlich danken möchte. Dresden, im März 2016
Ulrike Ludwig
Inhaltsverzeichnis I. Ausgangspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Was ist ein Duell? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 2. Perspektiven und Anlage der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 3. Technische Bemerkungen zum Sample . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 II.
Vor- und Mitläufer. Rahmungen für ein neues Phänomen . . . . . . . . . 31 1. Vorläufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Umdeutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 b) Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 c) Kontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 2. Mitläufer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 a) Jenseits sozialer Exklusivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 b) Jenseits der Exklusivität einer Praktik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3. Repräsentationen von Ehre im Duell und andernorts . . . . . . . . . . . . . . 52
III. Das Duell im Alten Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Am Anfang war das Wort! . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Theologische Mahner und rechtliche Vorbilder . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Vom Balgen zum Duell. Aneignungen in Rechtstexten . . . . . . . . . . 74 2. Rechtliche Etablierungsprozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Das Reichsgutachten von 1668 und seine Wirkung . . . . . . . . . . . . . 92 b) Austausch, Variationen und Kampagnen. Formen der normativen Etablierung eines Phänomens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Widerstände: Der Oberlausitzer Adel macht gegen die Duellman date mobil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 d) Rechtliche Differenzierung jenseits von Formalisierung . . . . . . . . . 120 e) Stillstand und Neuanfang. Die rechtliche Entwicklung seit den 1720er Jahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 3. Duelle zwischen Strafe und Gnade. Der Umgang mit Duellen als Ausdruck von Normenkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Zum Konzept der Normenkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Das Duell als Ausdruck der Gleichzeitigkeit einer lebensweltlichsozialen Normerfüllung und eines rechtlichen Normbruchs . . . . . . . 147 c) Duellmandate als Resultat innerrechtlicher Normenkonkurrenz . . . . 151 IV. Akteursgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 a) Adel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Militärangehörige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183
8 Inhaltsverzeichnis 2. Vermisste Bekannte: Zur geringen Bedeutung studentischer Duelle . . . 200 3. Unerwartete Protagonisten: Handwerker und ihre Duelle . . . . . . . . . . . 223 V.
Konflikttypen und Konfliktlogiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 1. Die Kunst des Beleidigens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen . . . 256 a) Stellvertreterkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 b) Wettkampfspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 c) Fehltritte und Entgleisungskonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 3. Klagen vor Gericht als Strategie in Ehrkämpfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 a) Strukturelle Aspekte: Sicherstellung sozialer Exklusivität durch Rechtsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) Formen der strategischen Nutzung von gerichtlichen Klagen im Ehrkampf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 aa) Gerichtliche Verhandlungen über die Gruppenzugehörigkeiten . 285 bb) Instrumentalisierung von Klagen im Kontext von Stellvertreterkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289 cc) Klagen als Instrument der Ehrenrettung bei gescheiterten Konfliktlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292
VI. Die Historisierung eines Phänomens: Zur Erfindung der Geschichte des Duells . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 1. Von Teufeln, Barbaren und biblischen Helden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 2. Neuordnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 313 VII. Acht Thesen zum Duell im Alten Reich – eine Bilanz . . . . . . . . . . . . . 323 VIII. Anhänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Verzeichnis der häufig zitierten Duellmandate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 2. Verzeichnis der ungedruckten Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 3. Verzeichnis der gedruckten Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 Ortsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 386 Sachregister. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 388
Verzeichnis der Abbildungen, Grafiken und Tabellen Abbildungen Alle Abbildungen sind als Bildzitate zu verstehen. Abb. 1: Ilja Jefimowitsch Repin: Duell zwischen Onegin und Lenski, 1899, Aquarell, Tusche, online unter: Prometheus-Bildarchiv http://www.prometheus-bildarchiv.de (zuletzt am 21. März 2011). . . . 12 Abb. 2: „Cornelius bin ich genant, allen Studenten wollbekant“, Kupferstich aus dem Speculum Cornelianum von 1608 / 1618, online unter: http://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Cornelius_bin_ich_genant.jpg (zuletzt am 12. Oktober 2013). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Abb. 3: Kohfeldt / Ahrens (Hrsg.), Ein Rostocker Studenten-Stammbuch von 1736 / 37, Bl. 11. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 Abb. 4: Kohfeldt / Ahrens (Hrsg.), Ein Rostocker Studenten-Stammbuch von 1736 / 37, Bl. 7. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Abb. 5: HAAB, Stb. 477: Stammbuch Johann Christoph Hamisch (1753– 1797), Bl. 55, online unter: http://ora-web.swkk.de/digimo_online/ digimo.entry?source=digimo.Digitalisat_anzeigen&a_id=24099 (zuletzt am 10. Juni 2013). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 Abb. 6: Kohfeldt / Ahrens (Hrsg.), Ein Rostocker Studenten-Stammbuch von 1736 / 37, Bl. 8. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Abb. 7: Kühn, Studentisches Leben im Göttingen des 18. Jahrhunderts, S. 170. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 Abb. 8: Rasche, Cornelius Relegatus, Farbabb. 6. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Abb. 9: HAAB, Stb. 436: Stammbuch Johann Wilhelm Moll (1763–1767), Bl. 142, online unter: http://ora-web.swkk.de/digimo_online/digimo. entry?source=digimo.Digitalisat_anzeigen&a_id=23993 (zuletzt am 10. Juni 2013). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 Abb. 10: HAAB, Stb 459: Stammbuch Johann Daniel Spies (1762–1767), Bl. 55, online unter: http://ora-web.swkk.de/digimo_online/digimo. entry?source=digimo.Digitalisat_anzeigen&a_id=18135 (zuletzt am 10. Februar 2013). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Abb. 11: Kohfeldt / Ahrens (Hrsg.), Ein Rostocker Studenten-Stammbuch von 1736 / 37, Bl. 18. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 Abb. 12: Johann Georg Puschner: Der Rauffende Student, Kupferstich 1725, online unter: http://de.m.wikipedia.org/wiki/Datei:Der_Rauffende_ Student.jpg (zuletzt am 12. Oktober 2013). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217
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Verzeichnis der Abbildungen, Grafiken und Tabellen Grafiken
Grafik 1: Deliktspezifische Fallverteilung des Untersuchungssamples nach Dekaden (1637–1806). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 Grafik 2: Fallverteilung des Untersuchungssamples nach Dekaden (1637– 1806). Kursachen und Gesamtverteilung im Vergleich . . . . . . . . . . . 103 Grafik 3: Verteilung adliger und bürgerlicher Militärangehöriger des Untersuchungssamples nach Dekaden (1637–1806). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 Grafik 4: Systematik des Duells, erstellt nach der Beschreibung von Jacob Thomasius und Enoch Heiland. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 Tabellen Tab. 1: Regionale Verteilung des Untersuchungssamples (1637–1806). . . . . . . 27 Tab. 2: Zahl der insgesamt erfassten Konfliktgegner. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 Tab. 3: Ständische Zugehörigkeit der Protagonisten des Untersuchungssamples (1637–1806). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 Tab. 4: Ständische Zugehörigkeit der Protagonisten des Untersuchungssamples (1637–1806) nach Regionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 Tab. 5: Verteilung aktenkundig gewordener Gewaltdelikte Adliger in Preußisch-Pommern 1685–1745. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 Tab. 6: Verteilung adliger und nichtadliger Militärangehöriger des Untersuchungssamples (1637–1806) nach Regionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 Tab. 7: Berufsständisch gemischte Fälle mit Beteiligung von Militärangehö rigen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 Tab. 8: Regionale Deliktverteilung des Untersuchungssamples (1637–1806). . 284
I. Ausgangspunkte 1. Was ist ein Duell? Eine Antwort auf die Frage, was ein Duell ist, scheint auf den ersten Blick schnell gefunden. Wir imaginieren sofort zwei Männer auf einer Waldlichtung im Morgengrauen. Sie stehen gefasst und ruhig einander gegenüber, in einiger Entfernung blickt eine kleine Gruppe von Sekundanten, vielleicht begleitet von einem Arzt, mit ernster Miene herüber. Die Männer gehören nicht zu den sogenannten kleinen Leuten, es sind Adlige, vielleicht Offiziere, womöglich auch Studenten oder Akademiker, kurzum: es sind Männer der feinen Gesellschaft, die da zum Kampf zusammengekommen sind. Nun fällt ein Schuss oder man kreuzt die Klingen. Einer der Kämpfenden sinkt verletzt zu Boden, man versöhnt sich – soweit man noch nicht tot ist – und aus ist der Kampf. Die strittige Ehrangelegenheit ist mit dem Kampf gesühnt und die Ehre der Kämpfenden wiederhergestellt. Den Ablauf denken wir uns planvoll. Allen Beteiligten scheint bekannt was zu tun ist, sowohl bei der Vorbereitung als auch bei der Durchführung. Zeitlich verorten wir das Geschehen wohl zumeist im 18. oder 19. Jahrhundert, vielleicht haben einige noch präsent, dass das Duell um 1500 in Italien entstand und andere, dass das vorerst letzte Duell (im engeren Sinne des Wortes) im April 1967 zwischen dem Sozialisten Gaston Defferre und dem gaullistischen Abgeordneten René Ribière in Paris stattfand.1 Sicherlich finden sich kleinere Variationen dieser ersten Assoziation zu der Frage, was ein Duell sei – aber im Großen und Ganzen dürfte diese Beschreibung bei den meisten auf Zustimmung treffen. Diese kollektive Vorstellung kommt nicht von ungefähr, sondern ist deutlich geprägt von einer Bild- und Erzähltradition, die vergleichsweise jung, aber bemerkenswert wirkmächtig ist. Exemplarisch sei hier nur auf eine der bekanntesten Duelldarstellungen in der Malerei verwiesen, die ihrerseits auf eine literarische Vorlage zurückgeht: Ilja Repins 1899 gemalte Fassung der Duellszene zwischen Eugen Onegin und Wladimir Lenski, die eine Begebenheit aus dem Versepos Eugen Onegin von Alexander Puschkin ins Bild 1 Dokumentiert ist dieses ‚letzte Duell‘ in einem Beitrag unter URL http://einestages.spiegel.de/static/topicalbumbackground/5081/hauen_und_stechen_um_ruhm_ und_ehre.html (zuletzt am 10. Juni 2013). Zu diesem letzten Duell siehe auch: Nye, Masculinity, S. 216; Muchembled, A History of Violence, S. 181.
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I. Ausgangspunkte
Abb. 1: Ilja Jefimowitsch Repin: Duell zwischen Onegin und Lenski, 1899, Aquarell, Tusche.
setzt. Dargestellt ist der Moment unmittelbar vor dem Schusswechsel, bei dem Lenski (im hellen Mantel) getroffen und sterben wird. Die Pose der Kontrahenten, ihr offenbar vermessener Abstand zueinander in Form der Spuren im Schnee und das ruhige Aufeinanderhalten lassen sich hierbei als klare Anzeichen eines formalisierten Kampfes lesen.2 Allerdings ist diese medial inspirierte, grundsätzliche ‚Gewissheit‘ darüber, was ein Duell sei, in historischer Perspektive nicht zu halten. Vielmehr bestanden zu verschiedenen Zeiten ganz unterschiedliche Gewissheiten über das Phänomen und seine Eigenschaften.3 Und genau dies macht eine Antwort auf die Eingangsfrage so schwierig. Wie diese historischen Variationen und die damit verknüpften Schwierigkeiten einer genauen Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes aussehen, soll exemplarisch an zwei Beispielen verdeutlicht werden. Bei dem ersten handelt es sich um eine Auseinandersetzung, die 1685 zwischen dem Zeitzer Landrat Christoph Adam von Breitenbauch und dem kurfürstlich-sächsischen Wachtmeister von Thieme stattfand. Ausgangspunkt war eine Begegnung der beiden Männer im Gasthof zum ‚Weißen Ross‘ im damals sächsischen und heute thüringischen Städtchen Pößneck.4 Offenbar kannte Fortschreibung dieser Bildtradition Ende/Müller, En garde. Blick auf die Definition von ‚Wirklichkeit‘, ‚Wissen‘ und ‚Gewissheit‘ vgl. die Überlegungen bei Berger/Luckmann, Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit, S. 1–3. 4 Zum Ablaufszenario: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9709/37, Bl. 117a–123b. 2 Zur
3 Mit
1. Was ist ein Duell? 13
man sich bereits von früher, in jedem Fall beschimpfte Thieme Breitenbauch schon vor dessen Eintreffen in der Gaststube als Hundsfott. Da die Bezeichnung als Hundsfott als eine der gängigsten und schwersten Beleidigungen im Kontext frühneuzeitlicher Ehrkonflikte im Alten Reich zu gelten hat, ist mit diesem Schimpfwort deutlich angezeigt, dass zumindest Thieme ein Problem mit Breitenbauch hatte. Als Breitenbauch schließlich im ‚Weißen Ross‘ auftauchte, wollte er eigentlich sofort mit dem ebenfalls anwesenden Christoph Heinrich von Brandenstein in sein Quartier reiten. Doch er wurde von Thieme zu einem gemeinsamen Trunk genötigt, dessen Ablehnung mit großer Wahrscheinlichkeit sofort zu einem offenen Konflikt geführt hätte.5 Breitenbauch nahm die Einladung also an. Aber Thieme war schon so betrunken, dass er nicht mehr in der Lage war, dem anderen zuzutrinken. In diesem Fall hieß dies, dass Thieme den zum gemeinsamen Trunk bestellten Bierhumpen nicht mehr zur Hälfte leeren konnte. Breitenbauch trank daraufhin ebenfalls nur einen kleinen Schluck aus dem Humpen und erklärte, selbst auch nicht mehr trinken zu können, verabschiedete sich und ritt eilends mit Brandenstein davon. Thieme brach kurz nach ihnen auf. Doch als er Breitenbauch und Brandenstein kurze Zeit später vor dem Städtchen übers Feld reiten sah, setzte er ihnen nach und zog – bei den beiden angekommen – die Pistole. In Erwartung eines Angriffs zog Breitenbauch seinerseits und feuerte ab. Breitenbauchs Schuss traf und er verletzte Thieme so schwer, dass dieser kurz darauf starb. Betrachtet man dieses Szenario, so würde man wohl kaum vermuten, dass es sich hier um ein Duell handelte. Doch die Zeitgenossen sahen dies genau so, denn vor Gericht wurde der Vorfall ganz selbstverständlich als Duell bezeichnet und verhandelt. Aber ist es sinnvoll, dieser Bezeichnung der Zeitgenossen zu folgen? Bei dem zweiten Beispiel handelt es sich um eine Auseinandersetzung aus dem Jahr 1544. Über diese wurde 1884 von einem gewissen C. v. K. in den Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen berichtet.6 Der Autor referierte in seinem kleinen Beitrag, dass dieses ‚Duell‘ seinerzeit im Rahmen der Hochzeitsfeierlichkeit von Georg Trützschler zu Ellenfeld in Plauen entstanden war. Bei einem abendlichen Umtrunk waren hier Thomas Joachim von Zedtwitz und ein Junger von Trützschler, offenbar ein Verwandter des Bräutigams, in Streit geraten. Als sich beide nicht wieder beruhigen konnten, verabredete man, den Konflikt am anderen Morgen im Kampf auszutragen. Am nächsten Tag ritten dann auch beide Streitparteien aus der Stadt hinaus, begleitet wurden sie jeweils von einer Handvoll Vertrauter, alles Vertreter des 5 Zur Bedeutung des Zutrinkens als Ritual wechselseitiger Anerkennung Schwerhoff, Das Gelage. 6 K., Ein Duell im 16. Jahrhundert.
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I. Ausgangspunkte
einheimischen Adels, und einigen Knechten. An dem zum Kampfplatz auserkorenen Ort angekommen, versuchten die adligen Begleiter – die zugleich als Schiedsrichter fungieren sollten – zunächst eine Versöhnung zustande zu bringen. Als diese Bemühungen ohne Erfolg blieben, trat man zum Kampf an, anfangs kämpften nur Zedtwitz und Trützschler, nach einer gewissen Zeit beteiligten sich dann auch die mitgekommenen Begleiter beider Seiten. Der Kampf endete blutig und für Zedtwitz und einige andere Streiter tödlich. Als das Geschehene bekannt wurde, leitete Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen einen Inquisitionsprozess gegen die überlebenden und zumeist flüchtigen Adligen ein. Mit der Untersuchung, deren Ausgang leider nicht bekannt ist, wurde der sächsische Kanzler Melchior von Osse beauftragt. Und von diesem ist jene Darstellung der Ereignisse überliefert, die dem Autor des Beitrags in den Mitteilungen des Altertumsvereins Plauen die wesentliche Grundlage für seine Fallbeschreibung lieferte. Festgehalten hatte sie der Kanzler in seinem sogenannten Handelbuch, in dem er die aus seiner Sicht zentralen Begebenheiten seines Lebens eintrug. Betrachtet man nun den dortigen Bericht der Ereignisse, so finden sich diese wie beschrieben dargestellt, aber ein wesentlicher Unterschied besteht dann doch: Denn Osse bezeichnet die Auseinandersetzung an keiner Stelle als Duell, sondern als Kampf und Mordtat.7 Dies ist letztlich auch nicht weiter verwunderlich, denn der Begriff Duell verbreitete sich – als Lehnwort aus den romanischen Sprachen kommend – erst im Laufe des 17. Jahrhunderts als Bezeichnung für Zweikämpfe im Deutschen und das lateinische duellum wurde noch ganz unspezifisch als Bezeichnung für eine konfrontative Zweierkonstellation verwendet. Als Duell etikettiert wurde der Konflikt zwischen Zedtwitz und Trützschler also erst im späten 19. Jahrhundert. Geschuldet war diese Neudeutung zweifellos dem Umstand, dass sich mit etwas gutem Willen auch in der Auseinandersetzung des Jahres 1544 eben jene, für ein ideales Duell im 19. Jahrhundert so typischen Erkennungszeichen finden lassen: Es handelte sich zunächst einmal um einen Konflikt unter Adligen. Es gab eine förmliche Ausforderung und einen deutlichen zeitlichen Abstand zwischen Konfliktanlass und Konfliktaustrag. Man findet Begleiter und Schiedsrichter, die an Stelle der Kontrahenten verhandelten und wenigstens anfangs die Einhaltung der Kampfregularien absicherten. Auch der Umstand, dass man am Morgen aus der Stadt hinaus ritt, um an einem geheim gebliebenen Ort in der näheren Umgebung gegeneinander anzutreten, dürfte den Autor an die Duellregeln seiner Zeit erinnert haben. Dies alles ließ für ihn offenbar nur den Schluss zu, dass es sich um ein Duell gehandelt hat, aber ist einer solchen Entscheidung wirklich zuzustimmen? 7 Osse,
Handelbuch, S. 67 f.
1. Was ist ein Duell? 15
In der Gegenüberstellung dieser beiden Fälle und der Frage, ob sie als Duell zu begreifen sind oder gerade nicht, wird eine Problematik erkennbar, die zum zentralen methodischen Ausgangspunkt dieser Arbeit führt: Denn es ist zunächst einmal zu klären, wie das Duell als Untersuchungsgegenstand definiert werden soll. Zwei mögliche Definitionsansätze können unterschieden werden: Einerseits ließe sich unabhängig von der zeitgenössischen Bezeichnung ein bestimmtes Set an Handlungsweisen zum definitorischen Kern des Duells erheben. In diesem Fall würde man von der anders lautenden zeitgenössischen Bezeichnung Abstand nehmen und den Kampf zwischen Thieme und Breitenbauch nicht als Duell begreifen. Der Kampf zwischen Zedtwitz und Trützschler wäre hingegen durchaus ein Duell, auch wenn diese Auseinandersetzung von den Zeitgenossen nicht so bezeichnet wurde. Andererseits kann man für die Definition den zeitgenössischen Bezeichnungen eines Konfliktes folgen und dies selbst dann, wenn eine Auseinandersetzung aus unserer heutigen Perspektive eher einem Notwehrakt im Kontext eines Überfalls gleicht. Zugleich würde man dann einen Konflikt mit scheinbar vertrauten Duellzügen wie den Kampf zwischen Zedtwitz und Trützschler nicht als Duell verstehen, gerade weil die daran Beteiligten den Begriff Duell noch gar nicht kannten und daher auch die Idee, dass ein Duell womöglich ein besonderer Typ des Ehrenkampfes sei, für sie schlichtweg nicht existierte. In dieser Perspektive ist ein Duell also immer das, was die Zeitgenossen – und nicht wir Forschenden – als Duell bezeichnen, auch wenn es sich dabei womöglich um ganz unterschiedliche Handlungsweisen handelt. Untersuchungsgegenstand ist hier also der Prozess der Transformation8 frühneuzeitlicher Ehrkonflikte zum Duell, das erst allmählich, keineswegs durchweg und immer mit deutlichen Variationen9 als eine spezifische, von anderen unterscheidbare Form des Ehrenkampfes begriffen wurde.10 8 Mit dem Begriff der Transformation ist dabei darauf verwiesen, dass es sich um langfristige, uneinheitliche und vielschichtige Prozesse des Wandels handelt, die gerade nicht auf die einfache Übernahme eines (wie auch immer konzeptualisierten) Handlungsmusters reduziert werden können. Siehe auch Bergemann u. a., Transformation. 9 Mit dem Begriff der Variation ist im Kontext dieser Arbeit ganz allgemein angezeigt, dass bei frühneuzeitlichen Ehrkonflikten immer mit Varianzen der konkreten Handlungsverläufe zu rechnen ist. Diese Varianzen oder Variationen sind im Fall begrenzter Formalisierung und Ritualisierung völlig selbstverständlich, aber auch bei zunehmender Ritualisierung und der informellen oder sogar formalen Festschreibung von Regeln ist zu betonen, dass hier keine stetige Wiederholung des immer Gleichen möglich ist, sondern mit jeder Wiederholung Abweichungen, eben Variationen ‚produziert‘ werden. Zu diesem Zusammenhang auch: Reckwitz, Grundelemente, S. 293–295. 10 Es geht damit um eine Beobachtung zweiter Ordnung: Denn die Frage ist, wann die Zeitgenossen anfangen ein neues Phänomen zu beobachten und als was sie dieses konzeptualisieren.
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I. Ausgangspunkte
Eine Unterscheidung, die immer auch für jene gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikte bedeutsam und erheblich war, die situativ gerade nicht als Duell begriffen wurden.11 Angesprochen sind mit diesen beiden Definitionsmöglichkeiten also zwei grundverschiedene, letztendlich konträre Forschungsperspektiven: Bei der einen wird das Phänomen Duell über die Verwendung spezifischer, qua Definition vom Forschenden festgesetzter Handlungsweisen definiert, bei der anderen wird immer dann von Duellen gesprochen, wenn bestimmte, durchaus auch variierende Handlungen von den Protagonisten als Duell verstanden und beschrieben wurden. Welche Konsequenzen ergeben sich nun hieraus für eine Untersuchung des Duells als Phänomen? Bei einer Definition des Duells über spezifische, vom Forschenden zur Norm erhobenen Handlungsweisen werden Duelle gemeinhin als „verabredete, regelhafte und mit tödlichen Waffen ausgefochtene Zweikämpfe“ verstanden, „in denen es um die Wahrung der Ehre“ ging.12 Diese klassische Duelldefinition, die Ute Frevert am Material des 19. Jahrhunderts entwickelt und erprobt hat, erhebt das formalisierte Duellverständnis des späten 18. und vor allem des 19. Jahrhunderts zum zeitlich übergreifenden Maßstab des Phänomens.13 Hiervon ausgehend erscheinen die unformalisierten Duel11 Zu diesem Effekt der Allelopoiese (i. S. v. Wechselwirkung von Referenz- und Aufnahmebereich bei Transformationen) Böhme, Einladung zur Transformation, S. 9. Böhme – und mit ihm der Berliner SFB 644 (Transformationen der Antike) – beschäftigt(e) sich am Beispiel der Transformationen der griechisch-römischen Antike mit der wechselseitigen Relation der voneinander abhängigen Fremd- und Selbstkonstruktion in der Aufnahme- und Referenzkultur, die in der Bezugnahme stetig gegenseitig hervorgebracht werden. Grundsätzlich Vergleichbares kann auch im hier interessierenden Zusammenhang angenommen werden. Denn mit der sukzessiven Etablierung einer Differenz zwischen Ehrenkämpfen im Allgemeinen und Duellen im Besonderen ändert sich immer auch das Verständnis der Ehrenkämpfe insgesamt und mit jedem Begriffstransfer gestaltete sich über kurz oder lang das Verhältnis von Wort und Wortbedeutung in Aufnahme- und Referenzkultur um. 12 So die Definition bei Frevert, [Art.] Duell, Sp. 1165. Ganz ähnlich Spierenburg, A History of Murder, S. 71 f.; Walter, Das Duell in Bayern, S. 4–10. 13 Besonders gut erkennbar wird dies bei Pieter Spierenburg, denn obwohl seine Untersuchung im 16. Jahrhundert ansetzt, definiert er das Duell mit einem Zitat aus dem Munde eines anonymen adligen Schotten aus dem Jahre 1790. Dieser Adlige erklärte „A duel, I think, is a combat between two persons, with danger of their lives, entered into without any public authority for it, in consequence of a challenge given by one of the parties, who imagines that he himself, or some person dear to him, has been affronted by the other and intends by these means to wipe off the affront that is supposed to have been received.“ Hiervon ausgehend ist es nur konsequent, wenn Spierenburg zwischen ordentlichen Duellen – die eben dieser Definition entsprechen – und populären unterscheidet, die dann alle nicht definitionsgerechten, zeitgenössisch aber im Zweifel dennoch als Duell bezeichnete Konflikte umfassen. Zur weiteren Verunklarung trägt bei, dass Spierenburg den populären
1. Was ist ein Duell? 17
le wie jenes zwischen Thieme und Breitenbauch zwangsläufig als defizitäre Vorstufe der ‚richtigen‘ Duelle beziehungsweise als Abweichung von diesen. Zugleich ist es bei einem derartigen Zugriff durchaus möglich und folgerichtig, ältere Phänomene, die diesem zur Definition erklärten Duellverständnis im Ablauf ähneln, auch nachträglich als Duelle zu etikettieren und das, obwohl sie von den zeitgenössischen Protagonisten nicht als Duell bezeichnet und begriffen wurden. Problematisch ist allerdings, dass in den meisten Arbeiten, die diesem Ansatz verpflichtet sind, implizit davon ausgegangen wird, dass eine Um etikettierung von nicht so benannten Konflikten zum Duell für das 16. Jahrhundert geboten ist, für das 4. oder 13. Jahrhundert hingegen nicht, obwohl sich für diese früheren Zeiträume durchaus entsprechende Fälle finden lassen.14 Statt dies aber methodisch zu reflektieren und zu diskutieren,15 wird in aller Regel die Idee von einem feststehenden Handlungsmuster Duell stillschweigend mit einer räumlichen und zeitlichen Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes kombiniert. Folgerichtig finden sich dann auch keine systematisierenden Untersuchungen, die aufbauend auf einem analytischen Duellverständnis in einem vergleichenden Zugriff ähnliche Handlungsmuster in verschiedenen Kulturen, Regionen und Zeitphasen unter dem Label Duell betrachten. Vielmehr wird in den meisten Arbeiten über das Duell in Europa ein vermeintlich klar definiertes Phänomen Duell für die Phase zwischen dem 16. und frühen 20. Jahrhundert untersucht, dem als Vorläufererscheinungen gerichtlicher Zweikampf, Turnier und Fehde zugeordnet werden16 und dessen Ende man im 20. Jahrhundert mit dem generellen Bedeutungsverlust der Ehrenkämpfe ansetzt.17 Duellen auch Messerstechereien und damit vergleichbare Konflikte mit Zweierkonstellation unter Protagonisten aus den unteren gesellschaftlichen Ständen zuordnet und dies eben auch, wenn diese zeitgenössisch nicht als Duell bezeichnet wurden. Spierenburg, A History of Murder, S. 71–96, Zitat S. 71 f. 14 In den entsprechenden Forschungsarbeiten wird nicht genauer erläutert, wieso man für bestimmte Zeitabschnitte derartige Umetikettierungen vornimmt und für andere nicht. Eine entsprechende Zuschreibung an Konflikte im 16. Jahrhundert findet sich bspw. bei Krug-Richter, Ein stund ernennen; Spierenburg, A History of Murder. 15 Einen entsprechenden Vorschlag unterbreitet meines Wissens nur Mommertz, Wissen vom Zweikampf. Aufgegriffen aber nicht systematisch umgesetzt wird dieser von: Jaser/Israel, Einleitung. 16 Siehe u. a. Schubert, Zweikampf; Kiernan, The Duel in European History; Müller, Schauspiele der Gewalt; Speitkamp, Ohrfeige, S. 130 f.; Ruff, Violence, S. 77 f.; Allen/Clyde, The Duel of Honor, S. 81; Billacois, The Duel, S. 5; Peltonen, The Duel, S. 2 f. 17 Siehe etwa die Erklärungen zum Ende des Duells bei Appiah, Eine Frage der Ehre, S. 19–68; Frevert, Ehrenmänner, S. 263–266.
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I. Ausgangspunkte
Aber trotz dieser konzeptionellen Probleme ist festzustellen, dass genau dieses Verständnis des Phänomens bis heute das allgemeine Bild vom Duell dominiert.18 Als Vorverständnis beziehungsweise Vorurteil im Sinne HansGeorg Gadamers19 prägt es ebenso die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Duell.20 Zweifellos interessant wäre es daher, genauer zu untersuchen, wann sich dieses, auch in der Forschung immer wieder aufs Neue aktualisierte Idealbild des Duells eigentlich etabliert hat und wie es so wirkmächtig werden konnte, dass es ältere Ideen und Vorstellung vom Wesen und Charakter des Duells derart nachhaltig überlagerte. Diese Frage führt bereits zum zweiten konzeptionellen Zugriff auf das Duell als Phänomen, der – dies sei gleich vorab betont – in dieser Arbeit auch vertreten wird. Die definitorische Klammer liefert hier der Begriff Duell und zwar in seiner frühneuzeitlichen Verwendung, die sich vom lateinischen duellum (Krieg, Schlacht, Streit) zwar bereits abgegrenzt hat, aber dennoch eher unspezifisch eine persönlich ausgetragene, kämpferische Auseinandersetzung mit Zweierkonstellation bezeichnete.21 Mit dem Begriff Duell wurden also im Detail sehr unterschiedlich ausgestaltete Handlungsweisen bezeichnet. Die Frage, was ein Duell sei, findet daher im Rom des frühen 16. Jahrhunderts andere Antworten als einhundert Jahre später in London oder dreihundert Jahre später in Dresden oder Moskau. In den Blick geraten damit langfristige Transformationen des Zusammenhangs zwischen 18 Wunderbar zu beobachten ist dies etwa in populärwissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit dem Duell. Aufschlussreich und unterhaltsam ist etwa die am 8. Oktober 2012 ausgestrahlte Sendung „Duell Mythen“ von Galileo auf Pro Sieben. Online unter: URL: http://www.prosieben.de/tv/galileo/videos/clip/1973991-duellmythen-1.3392011/(zuletzt am 10. Juni 2013). 19 Hans-Georg Gadamer geht in Auseinandersetzung mit den Überlegungen Martin Heideggers davon aus, dass Verstehen immer auf ein historisch erzeugtes Vorverständnis aufbaut, ein Vorverständnis, das sich ständig weiterentwickelt und dessen man sich nie gänzlich bewusst ist. Die Idee eines völlig ‚unbefleckten‘ Verstehens ist damit schlichtweg nicht denkbar. Ganz in diesem Sinne ist historische Forschung immer ein ‚Kind ihrer Zeit‘ und entscheidend von den populären Vorstellungen historischer Ereignisse geprägt und sei es, indem man gegen sie anschreibt. Gadamer, Wahrheit und Methode, S. 298; siehe dazu Krause, Über die Möglichkeit kritischproduktiven Verstehens, bes. S. 408. 20 Kritisch angemerkt wird dieses Vorgehen bereits von Carroll, Blood and Violence, S. 147–152. Zu den konzeptionellen Problemen einer solchen, letztlich entwicklungsgeschichtlichen Konzeption jetzt auch: Pohlig, Die entwicklungsgeschichtliche Verführung. 21 Am Beginn dieser Entwicklung steht eine Bedeutungsverschiebung des Wortes im Italienischen. Das italienische duello leitet sich dabei vom lateinischen duellum ab, damit wird aber zunächst kein mit Waffen ausgetragener Ehrenkampf bezeichnet, sondern ganz unspezifisch eine kämpferische Zweierkonstellation. Siehe dazu ausführlicher Kap. III. 1. in dieser Arbeit.
1. Was ist ein Duell? 19
dem Wort Duell und den damit bezeichneten Handlungsweisen und Bedeutungszuweisungen. „Durchgehaltene Worte“ sind eben – so lässt sich mit Reinhart Koselleck sagen – „für sich allein genommen kein hinreichendes Indiz für gleich bleibende Sachverhalte“.22 Die Antwort auf die Frage, was ein Duell sei, fällt damit ebenso simpel wie unbequem aus: Denn der kleinste gemeinsame definitorische Nenner ist, dass die Protagonisten selbst davon ausgingen, dass es sich bei einer Auseinandersetzung um ein Duell handelte, unter dem sie freilich durchaus Verschiedenes verstanden. Erkennbar und vor allem für uns greifbar wird dieses Verständnis (letztlich nur sicher) in der zeitgenössischen Bezeichnung einer Auseinandersetzung als Duell. Damit wandelt sich der zu definierende Untersuchungsgegenstand von einem fest gefügten hin zu einem veränderlichen, vielgestaltigen Phänomen. Die so beobachtbaren Transformationen und Varianzen des Phänomens Duell und deren zeitgenössischen Konzeptualisierungen sind dabei für die Untersuchung nicht problematisch, ganz im Gegenteil, sie sind ihr Gegenstand. Denn nur so lässt sich verfolgen, wie aus dem Duell, mit dem anfänglich inhaltlich eine nur ungefähr abgrenzbare gewaltsame Auseinandersetzung gemeint war, ein spezifischer Zweikampf wurde, der – zumindest nach den idealisierten Vorstellungen einschlägiger Texte des späten 18. und vor allem des 19. Jahrhunderts – einen stark formalisierten und verfahrensgeleiteten Charakter hatte. Nur mit diesem offenen Duellverständnis lässt sich also jenes zeitgenössisch zu verortende Phänomen Duell in seinen Wandlungen und in seiner Vielfalt sinnvoll bestimmen und beschreiben. Untersuchungsgegenstand der folgenden Arbeit sind also nicht Ehrenkämpfe im Allgemeinen, sondern das Duell als eine historisch begrenzte, inkonstante Variante des Ehrenkampfes, die sich im Laufe der Frühen Neuzeit sukzessive herauszubilden begann, indem zunächst vor allem eine begriffliche Unterscheidung etabliert und in einer zunehmend begrenzten Wortbedeutung reflektiert wurde. Dadurch entstand nach und nach jener spezifische Deutungs-, Handlungs- und Sinnzusammenhang Duell, der nach räumlich und zeitlich verschiedenen Ausprägungen und Konjunkturphasen zur Mitte des 20. Jahrhunderts schließlich als Bezeichnung für eine spezifisch formalisierte Variante des Ehrenkampfes wieder verschwand und mit Bezugnahme auf jenes historische Phänomen Duell zur bloßen Metapher wurde.23
22 Koselleck, Einleitung, S. XXIII; dies zitierend auch Schultz, Begriffsgeschichte und Argumentationsgeschichte, S. 246. 23 Andere Erscheinungsformen von Ehrenkämpfen blieben hingegen bedeutsam. Das Verschwinden des Duells ist also nicht mit dem Verschwinden gewaltsam ausgetragener Ehrkonflikte gleichzusetzen.
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I. Ausgangspunkte
2. Perspektiven und Anlage der Arbeit Im Mittelpunkt der Untersuchung steht das Alte Reich und damit ein Gebiet, in dem der Begriff Duell erst im 17. Jahrhundert Fuß fasste. Anhand dieses Untersuchungsraumes kann dabei exemplarisch aufgezeigt werden, dass sich das Duell gerade nicht als fertige Idee und klar definierbarer Handlungszusammenhang über Europa verbreitete, sondern regional spezifische Aneignungs- und Deutungsformen auszumachen sind, die erst vergleichsweise spät zu einer europäisch vereinheitlichten Idee zusammenrückten. Ziel dieser Arbeit ist es also, die Transformation frühneuzeitlicher Ehrkonflikte zum Duell als Aufkommen, Verbreitung und Etablierung eines spezifischen Deutungs-, Handlungs- und Sinnzusammenhangs im Alten Reich zu untersuchen und für diese Zeitspanne die Logiken des kulturellen Phänomens Duell und dessen Veränderungen zu entschlüsseln. Hierauf bauend werden in der Arbeit zugleich neue Perspektiven auf Formen und Funktionen frühneuzeitlicher Ehr- und Gewaltpraxen erarbeitet. Insgesamt wird sich im Laufe der Untersuchung zeigen, dass das Duell neu gedacht werden kann und muss, wenn man sich von der Idee löst, es sei von Anfang an ein formalisierter, abgrenzbarer Handlungszusammenhang gewesen. Die Arbeit ist in zwei große Abschnitte gegliedert. Im ersten Teil (Kapitel II und III) wird zunächst ein chronologisch organisierter Längsschnitt präsentiert. Zentrales Anliegen ist es, Aufkommen, Verbreitung und Etablierung des Duells im Alten Reich – im Sinne des Aufkommens, der Verbreitung und Etablierung der Bezeichnung Duell – darzustellen und die Bedingungen dieser Entwicklung näher zu betrachten. Wobei dieser Transformationsprozess gerade nicht als ein „Zäsuren setzender Wandel“24 zu begreifen ist, sondern als ein vielschichtiges, mitunter auch widersprüchliches Um- und Neudeuten von Geltungsbehauptungen. In einem zweiten Zugriff werden dann verschiedene Querschnitte in Form von zeitlich übergreifend angelegten Analysen kultureller Muster des frühneuzeitlichen Duells präsentiert (Kapitel IV bis VI), in den immer auch Varianzen sozialer Praktiken in Ehrenkämpfen thematisiert werden. Eine solche Zweiteilung ist angesichts der eigentlich bestehenden engen thematischen Verzahnung zwischen den kulturellen Mustern und der Entwicklung des Duells bis zum beginnenden 19. Jahrhundert nicht unproblematisch, aber die separate Erarbeitung eines chronologischen Profils der Transformation erschien sinnvoll, weil ohne dessen Kenntnis wichtige Informationen für das Verständnis der betrachteten kulturellen Muster fehlen würden und eine kapitelweise wiederholte Chronologie im Kleinen nicht nur einen ermüdenden Charakter hätte, sondern auch nicht in allen Punkten überzeugend integrierbar gewesen wäre. 24 Böhme,
Einladung zur Transformation, S. 25.
2. Perspektiven und Anlage der Arbeit21
Durch die exklusive Behandlung der Chronologie im ersten Hauptteil der Arbeit wird es zudem möglich, zumindest in mancher Hinsicht eine Gegengeschichte zu den bislang in der Forschung dominanten Annahmen über Ausbreitung und Bedeutung des Duells zu präsentieren. Hierfür werden im zweiten Kapitel zunächst die Vor- und Mitläufer des Duells betrachtet. Dabei wird zum einen die in der Forschung immer wieder betonte Bedeutung von Fehde, Turnier, gerichtlichem und ritterlichem Zweikampf für die Entstehung des Duells hinterfragt. Zum anderen wird eine stärkere Einbettung des Duells in weniger formalisierte Konfliktformen vorgeschlagen, wodurch eine Erklärungsalternative zu den bislang immer wieder konstatierten Brüchen zwischen dem Duell und seinen Vorläufern angeboten wird. Diese Einbettung ermöglicht dabei eine Neubetrachtung der Verbreitungsformen des Duells in Europa, geraten doch über die Mitläufer die für Transformationsprozesse so entscheidenden Bedingungen der ‚Empfängerkultur‘ in den Blick.25 Zugleich erscheint es angesichts der Bedeutung von Mitläufern sinnvoll und notwendig, den in dieser Arbeit angelegten Ehrbegriff genauer zu umreißen, um so Formen und Logiken von Ehrenkämpfen konzeptionell zu verorten. Der spezifisch deutschen Variante dieser Etablierungs- und Transformationsgeschichte widmet sich das dritte Kapitel. Für das Aufkommen des Duells kann aufgezeigt werden, dass hier zunächst ein von theologischen Traktaten angestoßener Begriffstransfer von Bedeutung war, der zu einer sukzessiven Umbenennung von bekannten Phänomenen zum Duell führte. Die weitere chronologische Entwicklung wird dann in enger Verschränkung mit der Entfaltung eines rechtlichen und gerichtlichen Umgangs mit dem Phänomen Duell präsentiert. Zurückzuführen ist dies darauf, dass im Alten Reich gerade dem Recht eine entscheidende Rolle bei der flächendeckenden Verbreitung und endgültigen Etablierung dieser Umetikettierung bestehender Verhaltensmuster zum Duell zukam. Aus der Verschränkung des chronologischen Längsschnitts mit der rechtlichen Entwicklung ergibt sich, dass im Rahmen dieses Kapitels auch die gerichtliche Praxis untersucht wird, wobei hier ein klarer Schwerpunkt auf der Frage liegt, wie die zu konstatierende nachhaltige Gnadenbereitschaft gegenüber Duellanten zu erklären ist. Hierfür wird mit dem Konzept der Normenkonkurrenz ein Forschungsansatz aufgegriffen, der es meines Erachtens möglich macht, die Paradoxie der Gleichzeitigkeit von anhaltend scharfen Sanktionsdrohungen und einer systematischen Aussetzung dieser Norm im Gnadenakt schlüssig zu erklären. Der zweite Hauptteil widmet sich dann vertiefend kulturellen Mustern des Duells. Hierfür werden im vierten Kapitel zunächst die Akteure des Duells 25 Systematisch zu den Typen der Transformation und zur Bedeutung der ‚Empfängerkultur‘ für diese Prozesse: Bergemann u. a., Transformation.
22
I. Ausgangspunkte
in den Blick genommen. Zentraler Gegenstand dieses Kapitels ist die Frage, ob das Duell als Praktik bestimmter Gruppen begriffen werden kann. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang zudem die Frage, inwieweit das vormoderne Duell im Alten Reich innerhalb bestimmter sozialer Gruppen als wichtige distinktive Strategie verstanden wurde und welche Bedeutung dem Duell für die Ausbildung spezifischer Gruppenkulturen zuzuweisen ist. Das fünfte Kapitel widmet sich den Konfliktlogiken und einer Typologie der Konfliktformen. Hierfür wird eine Unterscheidung zwischen Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungskonflikten vorgeschlagen und deren Ausgestaltung in der Konfliktpraxis an exemplarischen Beispielen vorgestellt. Als übergreifend relevantes Element dieser Konflikttypen erwies sich, dass in den konkreten Auseinandersetzungen auf fest etablierte kommunikative Muster (Thomas Luckmann) des Beleidigens zurückgegriffen wurde. Diese Kunst des Beleidigens wird daher am Anfang des Kapitels genauer betrachtet. Nachgestellt ist der Typologie ein Unterkapitel, in dem in systematisierender Absicht gefragt wird, welche Bedeutung gerichtliche Klagen als Strategie im Ehrenkampf hatten. Denn es ist zweifellos bemerkenswert, dass ein nicht unerheblicher Teil der untersuchten Duellverfahren durch die Anzeige einer Streitpartei gerichtsanhängig wurde. Diese Beobachtung zeigt deutlich, dass Ehrenkämpfe der Frühen Neuzeit gerade nicht auf einen allseits einvernehmlichen Akt des privaten Kampfes reduziert werden können, sondern komplexe, vielfältige und durchaus widersprüchliche Strategien im Ehrenkampf anzutreffen sind. Im sechsten Kapitel wird die eingangs bereits angesprochene historische und historisierende Umdeutung des Duells um 1800 noch einmal aufgegriffen und genauer betrachtet. Ziel ist es, in der Gegenüberstellung mit älteren Deutungsvarianten die massiven Umdeutungsprozesse der neuzeitlichen Historiografie des Duells aufzuspüren und zu diskutieren. Schließlich werden im siebenten Kapitel die zentralen Ergebnisse und Thesen der Arbeit gebündelt präsentiert und abschließend diskutiert. Bevor der beschriebene Untersuchungsgang begonnen werden kann, wird im folgenden Unterpunkt der Einleitung aber zunächst noch jenes Sample der ‚Duellfälle‘ vorgestellt, das die zentrale Basis für die Untersuchung der Duellpraxis liefert.
3. Technische Bemerkungen zum Sample Quellengrundlage dieser Arbeit sind einerseits regional übergreifend erhobene und ausgewertete Rechtstexte, theologische Traktate, literarische Texte, einzelne Lebensbeschreibungen, populäre und erste historiografische Duell abhandlungen. Andererseits bildet ein Sample von insgesamt 559 Strafver-
3. Technische Bemerkungen zum Sample23
fahren die zentrale Basis für die untersuchte Duellpraxis. Der erste von mir nachgewiesene Gerichtsfall, bei dem der Begriff Duell auftaucht, war eine 1641 an der Juristenfakultät von Rostock verhandelte Auseinandersetzung zwischen zwei ehemaligen Soldaten.26 Für die grafische und tabellarische Aufbereitung des Samples wurde aus rechnerischen Gründen (Zehner schritte) allerdings nicht 1641 als Anfangsdatum gesetzt, sondern 1637.27 Als Endpunkt wurde mit dem Jahr 1806 das Ende des Alten Reiches gewählt. Die für die Betrachtung der Duellpraxis gewählte Schwerpunktsetzung auf die Erhebung von Gerichtsakten war aus zwei Gründen sinnvoll: Erstens bot sich dieses Vorgehen an, weil es sich bei Duellen, Duellforderungen und Injurien um strafrechtlich verfolgte Delikte handelte, ein Status, der – das zeigt das Sample hinlänglich – in Form von Anzeigen, Klagen und entsprechenden Strafprozessen auch seinen Niederschlag fand. In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die Prozessakten nicht nur außerordentlich reichhaltiges und vielfältiges Material liefern, sondern auch zahlreiche Verfahren eröffnet wurden, weil einer der Kontrahenten den Vorfall selbst angezeigt hatte. Damit kann bei den untersuchten Verfahren – bei aller Vorsicht, die beim Arbeiten mit Gerichtsakten immer geboten ist – von einer grundsätzlichen Vielfalt der Perspektiven auf die Duellpraxis ausgegangen werden.28 Zweitens zeigte sich bei der Recherche schnell, dass persönliche und über die bloße Erwähnung hinausgehende Schilderungen von Duellen oder Duellforderungen jenseits von Gerichtsakten Seltenheitswert besitzen.29 Beispiele, die etwa mit der von Giacomo Girolamo Casanova selbst verfassten Duellbeschreibung vergleichbar gewesen wären,30 konnten im Rahmen der Recherchen in den einschlägigen Datenbanken alter Drucke nicht eruiert 26 UAR,
SA 6441.3, S. 35–38. Vorgehen ist durchaus gerechtfertigt, denn der Begriff Duell findet sich seit den 1610er Jahren in entsprechenden theologischen und juristischen Schriften. Siehe dazu Kap. III. 1. in dieser Arbeit. 28 Zusammenfassend mag hierfür der Verweis auf die systematischen Überlegungen von Gerd Schwerhoff genügen. Schwerhoff, Historische Kriminalitätsforschung, S. 58–60. 29 Die systematische Untersuchung einschlägiger Lebenserinnerungen, Briefsammlungen und Diarien wurde nach einer Reihe von erfolglosen Lektüren schließlich aus arbeitsökonomischen Gründen abgebrochen. Vereinzelte Hinweise auf Duelle finden sich bspw. in folgenden Texten: Hartmann (Hg.), D. Joachim Hartmanns Geschichte seines Lebens; Müller, Meines Lebens Vorfälle; Welsch, Warhafftige Reiß-Beschreibung; Widmarckter, Kriegstagebuch; Budczies (Ed.), Aus dem Tagebuche des Obersten Vitzthum von Eickstädt (sic). Andere Selbstzeugnisse werden an gegebener Stelle im Text erwähnt. 30 Casanova, Das Duell. 27 Dieses
24
I. Ausgangspunkte
werden.31 Bei den wenigen ausfindig gemachten Selbstzeugnissen, in denen eine Person zumindest ansatzweise regelmäßig über entsprechende Ereignisse berichtete, finden sich zudem kaum Reflexionen über die einzelnen Vorfälle.32 Dieser Befund oder besser die fehlenden Befunden verweisen, wenn überhaupt, am ehesten darauf, dass Duelle im Kontext dieser Selbstzeugnisse weder als wichtiges Phänomen wahrgenommen und dokumentiert wurden noch ein populäres Thema im allgemeinen Klatsch und Tratsch waren. Aber nicht nur persönliche Aufzeichnungen und Reflexionen über Duelle waren selten, sondern auch entsprechende Berichte über Duelle in Zeitungen, Flugschriften oder Flugblättern. Als Basis für die Betrachtung der Duellpraxis taugte diese ausgesprochen punktuelle Überlieferung daher nicht,33 sie wird aber als Ergänzung für einzelne Aspekte hinzugezogen. Zugleich wird vor diesem Hintergrund umso deutlicher, dass die Gerichtsakten sowohl aufgrund ihrer bloßen Zahl als auch aufgrund ihrer inhalt lichen Detailliert- und Differenziertheit geradezu spektakuläre Ein- und Binnensichten in die Welt der vormodernen Duellkultur bieten. Für die Erstellung des Samples mit Gerichtsfällen waren vier Entscheidungen beziehungsweise Gegebenheiten der Erhebungslogik bedeutsam. 1. Für die Untersuchung der Rechtspraxis wurden möglichst unterschiedliche Territorien des Alten Reiches ausgewählt: Kursachsen steht dabei für ein Land mit einer zentralisierten Rechtssprechung und einer ausgeprägten höfischen Kultur. Die Mecklenburger Herzogtümer repräsentieren hingegen eine Region, in der aufgrund der geringen Bevölkerungszahl, der kleinen Fürstenhöfe und dem Fehlen eines stehenden Heeres mit einer marginalen Duellkultur zu rechnen war.34 Mit Schwedisch-Pommern wurde schließlich ein Territorium mit einer vergleichsweise hohen Zahl an Garnisonen und im Land stationierten Offizieren ausgewählt. Die Untersuchung SchwedischPommerns bot zudem die Möglichkeit, die Bedeutung der Rechtsnormen für die Ausgestaltung der Duellpraxis eingehender zu untersuchen, da sich in den schwedischen Duellmandaten im Vergleich zu den deutschen ein grund31 Gearbeitet wurde mit dem VD 17 und VD 18 und dem Zentralen Verzeichnis digitalisierter Drucke (ZVDD). 32 Zur Untermauerung dieser Aussage mögen zwei Beispiele genügen Harrach, Diarien und Tagzettel; Müller, Meines Lebens Vorfälle. 33 All jene Duelle, die über Briefe und Tagebücher, Zeitungen und Flugblätter oder auch Leichenpredigten und Chroniken erfasst wurden, sind nicht im Sample verzeichnet, da hier in aller Regel keine ausreichend belastbaren Informationen für die ohnehin schon notgedrungen protostatistisch bleibende Auswertung zur Verfügung standen. Dieses Weichbild des Samples umfasst knapp einhundert weitere Fälle. 34 Hier trat in der Untersuchungszeit ein Wechsel ein: Bis 1695 handelt es sich um Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Güstrow, nach einer kurzen Übergangsphase dann ab 1701 um Mecklenburg-Schwerin und Mecklenburg-Strelitz.
3. Technische Bemerkungen zum Sample25
sätzlich anderes Deliktverständnis findet. Für die bessere Kontextualisierung der Erhebungen für Schwedisch-Pommern wurden ergänzend die einschlägigen Verfahren in Duellsachen in Preußisch-Pommern sowie an den anderen schwedischen Hofgerichten erfasst.35 Bei der Erhebung der Mecklenburger Verfahren hat sich zudem ergeben, dass neben den Prozessen, die der gerichtlichen Zuständigkeit der Herzogtümer zugeordnet werden können, drei ‚fremde‘ Verfahren in die gerichtliche Ablage der Mecklenburger Urteilsgremien gelangten. In zwei Fällen waren Mecklenburger Gerichte zwar am Verfahren beteiligt, aber das Duell selbst hatte nicht in Mecklenburg stattgefunden.36 In einem weiteren Fall waren die Protagonisten zwar für das Duell nach Mecklenburg gekommen, aber dafür vor einem anderen Gericht angeklagt worden.37 Alle drei Fälle wurden jedoch nicht aus dem Sample gestrichen, da diese Verfahren für die Verhältnisse in Mecklenburg nicht nur typisch waren, sondern den Herzögen angesichts einer zahlenmäßig eher marginalen Duellkultur auch die Chance boten, sich als Duellgegner in Szene zu setzen. Das erhobene Sample wurde zudem durch die Einbeziehung bereits vorliegender Untersuchungen zum Duell in Bayern und am Kaiserlichen Hof ergänzt. Dadurch fanden auch katholische Räume Eingang in die Untersuchung.38 Vergleichend herangezogen wurden schließlich auch Untersuchungen zur studentischen Devianz an verschiedenen Universitäten.39 2. Mit Blick auf die Zusammensetzung des Samples ist anzumerken, dass der Schwerpunkt der Erhebung auf der Erfassung der Fälle lag, die vor den zentralen landesherrlichen Gerichten und Urteilsinstanzen verhandelt wurden. Diese Fokussierung kann damit erklärt werden, dass gerade Verfahren gegen Adlige und Offiziere in aller Regel nicht vor den Gerichten der lokalen Ebene geführt wurden, sondern vor den zentralen landesherrlichen Gremien. Die punktuelle Erhebung städtischer Überlieferungen zeigte dann auch, dass sich hier nur sehr vereinzelt einschlägige Verfahren finden, eine 35 Für das Sample wurden daher einschlägige Prozessakten im Landeshauptarchiv Schwerin, im Landesarchiv Greifswald, im Sächsischen Hauptstaatsarchiv Dresden, im Staatsfilialarchiv Bautzen, im Reichsarchiv Stockholm, in den Stadtarchiven Wismar, Leipzig und Bautzen sowie in den Universitätsarchiven Halle-Wittenberg, Leipzig, Rostock und Greifswald erhoben. 36 Es handelt sich um folgende Fälle: UAR, S 1241, S. 27 u. SA 1241.1, S. 53–60 (1657, Brandenburg); UAR, S 1531, S. 163 u. SA 1531, S. 163–168 (1674, Brandenburg). 37 UAR, S 1541, S. 123 f. u. SA 1541.2, S. 177–180 (1673, Lübeck). 38 Walter, Das Duell in Bayern. Zentrale Quellenbasis für die Betrachtung des kaiserlichen Hofes war Harrach, Diarien und Tagzettel; siehe zudem Hengerer, Kaiserhof. 39 Zu Göttingen Brüdermann, Göttinger Studenten; zu Halle Zaunstöck, Das Milieu des Verdachts; zu Bonn Müller, Salamander, Hunde und Exzesse.
26
I. Ausgangspunkte
systematische Untersuchung von Stadtgerichten hätte daher einen arbeitsökonomisch nicht vertretbaren Mehraufwand bedeutet. Schließlich sprach die große Bedeutung von Gnadenakten in Duellverfahren für eine Konzentration auf die zentralen Gerichtsinstanzen und Behörden,40 denn die Gewährung von Gnade wurde in erster Linie durch die Landesregierung beziehungsweise vergleichbare Gremien vorbereitet, bevor sie dann offiziell durch den Landesherrn erfolgte.41 Da bei solchen Begnadigungen in aller Regel die Prozessakten eingesehen und dann auch abgelegt wurden, entstanden auf diesem Weg auf der landesherrlichen Ebene gut zu nutzenden Sammlungen einschlägiger Verfahren. 3. Maßgeblich für die Entscheidung, ein Verfahren in das Sample aufzunehmen, war die Frage, ob die Auseinandersetzung von einem der Beteiligten als Duell bezeichnet wurde und ob diese Kämpfe, aber auch Injurienklagen oder Ausforderungen zum Kampf gerichtlich nach den Duellmandaten verhandelt wurden. Dieses Vorgehen ergibt sich zwingend aus der Anlage der Arbeit: Denn es ist eben nicht das Ziel dieser Untersuchung, generell Formen vormoderner Ehrenzweikämpfe zu erfassen. Vielmehr soll der Frage nachgegangen werden, ab wann und auf welche Weise man begann, bestimmte Gewaltakte als Duelle zu bezeichnen und wie sich sukzessive die Idee des Duells als einer besonderen Form des Ehrenzweikampfes etablierte. Hinzu kommt die Frage, ab wann und bei welchen sozialen Gruppen Injurien als Duellanlässe im Kontext von Duellmandaten verstanden und damit letztlich auch generell als duellrelevant begriffen wurden. Um diese spezifische Etikettierung von Beleidigungen als potentiell ‚duellverursachend‘ zu erfassen, wurden mit der rechtlichen Bezugnahme auf das Duellmandat meines Erachtens das einzig klar definierbare Unterscheidungsmerkmal gewählt, in dem die zeitgenössische Sicht auf einen Konflikt nicht nur gut greifbar wird, sondern auch systematisch erfasst werden kann. 4. Abschließend gilt es bestimmte Unterschiede in der Überlieferungssituation zu beachten, die einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Zusammensetzung des Zahlenmaterials haben. Für einen grundsätzlichen Überblick sei hierfür zunächst auf die Zahlen der insgesamt erfassten Gerichtsfälle in den verschiedenen Untersuchungsgebieten verwiesen (Tab. 1). Die hohen Fallzahlen für Kursachsen erklären sich daraus, dass die kursächsische Überlieferungssituation deutlich durch das zentralisierte Rechtssystem des Landes geprägt wurde, bei dem die landesherrliche Ebene für die Verfahrens- und Gnadenpraxis grundsätzlich von großer Bedeutung 40 Vgl.
dazu die Ergebnisse in Kap. III. 3. Verwaltungsverfahren bei Gnadensachen vgl. Ludwig, Das Herz der Justitia, S. 256–271. 41 Zum
3. Technische Bemerkungen zum Sample27 Tabelle 1 Regionale Verteilung des Untersuchungssamples (1637–1806) Region
Zahl der insgesamt erfassten Gerichtsfälle
Mecklenburg
34
Kursachsen
318
Preußisch-Pommern
93
Schwedisch-Pommern
59
Schwedische Hofgerichte (ohne Pommern)
52
andere
3
Summe
559
war.42 Zugleich ist festzuhalten, dass der Landesherr beziehungsweise seine zentralen Justizbehörden sowohl bei Verfahren gegen (schriftsässige) Adlige43 wie auch gegen Offiziere in sächsischen Diensten häufig eingebunden waren. Das hatte zur Folge, dass für Kursachsen eine ausgesprochen gute Dokumentation einschlägiger Fälle im Archiv der Zentralbehörden zu finden ist. Ihren Ausdruck findet dies nicht zuletzt in einer Reihe thematisch zusammengestellter und gebundener Folianten, in denen Akten zu ‚Duell- Sachen und Wieder das Duell-Mandat begangene Verbrechen‘ zusammengefasst wurden und die den wesentlichen Grundstock der insgesamt aufgenommenen kursächsischen Fälle bilden.44 Zugleich waren für Kursachsen Ludwig, Herz der Justitia, S. 272–282. ergab sich beim schriftsässigen Adel schon dadurch, dass dieser seinen Gerichtsstand direkt beim Landesherrn hatte, also auf regionaler Ebene keine Klagen gegen Vertreter dieser Gruppe erhoben werden durften. 44 Es handelt sich vor allem um folgende neun Folianten: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1-5 u. 1405/1-4. Diese systematisierte Aktenablage ist keine Besonderheit der Duellsachen, sondern für kursächsische Rechtssachsen seit dem frühen 16. Jahrhundert typisch. Sie hat als Spiegelbild der zentralisierten Rechtsorganisation zu gelten. Anzumerken ist, dass zwar die Schöffenstühle in Leipzig und Wittenberg für die Urteilssprechung zuständig waren, aber in Verfahren, die schriftsässige Adlige oder aber Offiziere der sächsischen Truppen betrafen, war die Landesregierung in der Regel eingebunden. Zudem war das Gnadenrecht gerade in Strafrechtssachen beim Landesherrn monopolisiert. Seit den 1570er Jahren hatte sich hier ein Bearbeitungsmodus von Gnaden42 Dazu 43 Dies
28
I. Ausgangspunkte
die im 19. und 20. Jahrhundert anderorts so oft anzutreffenden Aktenverluste durch Kassation und Kriegsschäden vergleichsweise gering. Angesichts dieser tendenziellen Bündelung einschlägiger Verfahren auf landesherrlicher Ebene und deren weitgehend geschlossenen Überlieferung fällt es kaum ins Gewicht, dass die Bestände von städtischen und adligen Gerichten wie auch einzelner Regimentsgerichte in Sachsen (wie so oft) nur bruchstückhaft überliefert sind. Eine Ausnahme bildet hier der Bestand Richterstube im Leipziger Stadtarchiv. Anhand dieses besonderen Bestandes konnte ein interessanter Einblick in eine genuin städtisch geprägte Duellkultur (jenseits von Residenz- und Garnisonstädten) erfolgen, die im vorliegenden Fall vor allem durch eine ungewöhnliche Dichte von Handwerkerduellen geprägt war.45 Insgesamt kann für Kursachsen festgehalten werden, dass angesichts der gerichtlichen Organisation und deren herrschaftlichen Durchsetzung nicht nur die Zahl der einschlägigen Fallakten relativ hoch, sondern auch die Chancen für eine breite Überlieferung ebendieser für die zentrale Ebene im Vergleich zu den anderen untersuchten Gebieten mit großem Abstand am günstigsten war. Mit dem Leipziger Bestand tritt hier zudem noch ein besonderer städtischer Überlieferungsstrang hinzu. In Schweden und damit auch in Schwedisch-Pommern als Teil Schwedens findet sich im Grunde eine mit Kursachsen durchaus vergleichbare zentralisierte Rechtsorganisation. So lag formal bei allen Delikten, gegen die nach den Duellmandaten verfahren wurde, die Zuständigkeit bei den Hofgerichten, von denen es allerdings angesichts der Größe des Landes mehrere gab. Für Schwedisch-Pommern war das Greifswalder Hofgericht zuständig. Gelegentlich wurden die Akten im Fall von Gnadengesuchen aber auch schon während der gängigen Strafverfahren nach Stockholm überstellt. Dort finden sich die entsprechenden Vorgänge in den Beständen Justitierevisionen utsalgshandlingar, in denen die letztinstanzlichen Entscheidungen abgelegt wurden. Dieser Bestand ist bemerkenswert geschlossen erhalten, umfasst aber letztlich nur eine kleine Zahl einschlägiger Verfahren aus Schwedisch-Pommern.46 Die für Schwedisch-Pommern eigentlich akten herausgebildet, der ebenfalls zu einer systematischen Ablage (bei der Landesregierung als oberster Justizbehörde) führte, die nahezu vollständig überliefert ist. Vgl. allgemein zur landesherrlichen Straf- und Gnadenpraxis, deren Organisation und der daraus resultierenden Aktenablage in Kursachsen Ludwig, Herz der Justitia. 45 Siehe dazu Kap. IV. 3. in dieser Arbeit. 46 Es handelt sich um insgesamt sieben Fälle: RAS, Justitierevisionen utslagshandlingar oresolverade, 1662, 9/Aug; RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1698/Bunt IV, Nr. 208, 25./Okt; RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1698/ Bunt I, No. 17, 8/Jan; RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1698/Bunt I, No. 12, 7/Jan; RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1698/Bunt III No. 42, 20/ Mai; RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1704 3/Sept; RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1705 3/Mars, No. 24.
3. Technische Bemerkungen zum Sample29
relevanten Akten des Greifswalder Hofgerichts sind hingegen nur in Bruchstücken überliefert. Neben Kassationen im 19. Jahrhundert, ist dies vorrangig auf Verluste im Zweiten Weltkrieg zurückzuführen. Entsprechend sind die überlieferten Fallzahlen für Schwedisch-Pommern als kleiner Ausschnitt einer nicht mehr ermittelbaren Gesamtzahl einschlägiger Verfahren anzusehen. Für Preußisch-Pommern, für das die überlieferten Verfahren vor allem als Vergleichsgröße zu Schwedisch-Pommern erhoben wurden, gilt hinsichtlich der archivalischen Verlustgeschichte ähnliches wie für den westlichen Teil des Landes. Für Preußisch-Pommern hat lediglich ein kleiner Bestand von insgesamt 155 Verfahren bei einschlägigen Gewaltvergehen überdauert, unter denen man aber immerhin in 93 Verfahren Duelle, Duellforderungen oder aber Injurien verhandelte, die nach dem Duellmandat untersucht worden waren. Dieser kleine Bestand war dann auch für die Analyse ausgesprochen ergiebig, denn hieran ließ sich im direkten Vergleich mit den Akten aus Schweden und Schwedisch-Pommern prägnant zeigen, welche Auswirkungen die verschiedenen rechtlichen Duellkonzeptionen auf die Gewaltund Verfahrenspraxis hatten. Auch die Überlieferungssituation für Mecklenburg ist stark durch die Ausgestaltung der landesherrlichen Gerichtsorganisation geprägt – wenngleich sich daraus im Falle der Mecklenburger Herzogtümer ein konträrer Befund zu Kursachsen oder Schweden ergibt. Denn die Chancen landesherrlicher Behörden über das Instrument strafrechtlicher Verfahren auf die Gruppe des Adels zuzugreifen – und Angehörige des Adels waren es ja, die den größten Teil derjenigen stellten, die gegen das Duellmandat verstießen47 – waren deutlich beschränkt.48 Hinzu kommt, dass gerade junge Adlige häufig außerhalb Mecklenburgs dienten, so dass sie ihre Konflikte zumeist auch jenseits der Landesgrenzen austrugen. Zugleich führte das weitgehende Fehlen eines stehenden Heeres und damit auch von Offizieren im Land dazu, dass diese zweite wichtige ‚Duellantengruppe‘ im Vergleich zu Kursachsen, Schwedisch- und auch Preußisch-Pommern eher selten anzutreffen war. Die Überlieferung auf der landesherrlichen Ebene umfasst dementsprechend nur eine Handvoll Fälle. Hinzu kam, dass in den Mecklenburger Herzogtümern die Urteilssprechung an keinem landesherrlichen Spruchkörper zentralisiert war. Die Rostocker Juristenfakultät wurde nur bei einigen wenigen Duellsachen hinzugezogen. Bemerkenswert ist im Falle der Mecklenburger Herzogtümer schließlich, dass die überlieferten Verfahren noch nicht einmal zur Gänze ein ‚mecklenburgisches Phänomen‘ spiegeln. Denn unter den Angeklagten finden sich auch einige Fremde, die eigens 47 Vgl.
48 Zum
dazu weiter unten die Tab. 3 in Kap. IV. Rechtssystem Mecklenburgs siehe Moeller, Willkür, bes. S. 35–39.
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I. Ausgangspunkte
zum Austrag des Duells über die mecklenburgische Grenze gereist waren, mitunter nicht mehr als 400 Meter weit, um so einer sonst möglicherweise zu erwartenden Strafverfolgung im Heimatort zu entgehen.49 Diese kleine Zahl überlieferter Beispiele eröffnet gleichwohl eine interessante Perspektive, lässt sich doch für die Mecklenburger Herzogtümer die Frage stellen, was es für die Ausgestaltung und Wahrnehmung einer Duellkultur hieß, wenn Duelle kaum präsent waren.50 Neben diesen vier Bemerkungen zum Sample sei schließlich noch ganz generell betont, dass mit dem erhobenen Sample kein Anspruch auf Vollständigkeit verbunden ist und auch nicht verbunden sein kann. Denn eine Vollständigkeit anstrebende Erhebung wäre nicht nur angesichts der Quellenverluste illusorisch. Vielmehr ist bei jedem strafrechtlich verfolgten Delikt mit einer kaum abschätzbaren Dunkelziffer zu rechnen. Dies ist auch beim Duell nicht anders, zumal hier – zumindest dann, wenn der Kampf im gegenseitigen Einverständnis ausgetragen wurde – eine klassische Opferseite fehlte. Da es aber tendenziell eher die Opfer oder Verlierer einer Straftat waren, die ein genuines Interesse an einem Verfahren und einer Verurteilung des Gegners hatten, kann im Fall des Duells durchaus eine im Vergleich zu anderen Deliktgruppen tendenziell erhöhte Dunkelziffer veranschlagt werden. Umso bemerkenswerter ist es daher, dass sich unter den erhobenen Gerichtsakten – darauf wurde bereits hingewiesen – überraschend viele ‚Selbstanzeigen‘ finden. 49 Dies war immerhin in 5 von 35 aufgenommenen Verfahren der Fall. Ein beliebter Ort für Grenzduelle, an denen v. a. Lübecker beteiligt waren, war das 400 Meter von der Grenze zu Lübeck entfernte Herrnburg, für das gleich zwei Duelle dokumentiert sind: Zum einen das 1776 stattgefundene Duell zwischen den Lübecker Domkapitularen Landrat Otto Heinrich von Brömbsen und dem Kammerherrn Friedrich August von Brömbsen (LAS, 4.2.-1. (Ratzeburger Regierung), Nr. 265 u. 266) und zum anderen für das Jahr 1783 das Duell zwischen Graf von Ranzau (Hofjägermeister am dänischen Hof) und dem Kammerherrn Baron von Wedel Jarsberg (LAS, 4.2.-1. (Ratzeburger Regierung), Nr. 264). 50 Zu bedenken ist für die Mecklenburger Überlieferungssituation schließlich auch noch, dass der Aktenbestand auf landesherrlicher Ebene neben begrenzten Kassationen im 19. Jahrhundert und Kriegsverlusten im 20. Jahrhundert durch die Lieferung ‚überflüssigen‘ Schriftguts an die Ludwigsluster Pappmaché-Fabrik dezimiert wurde. 1773 erging eine entsprechende Order Herzog Friedrichs, in der alle Ämter und Collegien angewiesen wurden, nicht mehr benötigtes (also beschriebenes) Papier an die Fabrik zu liefern. Bei den im Ludwigsluster Schloss präsentierten aufgeschnittenen Stücken aus Pappmaché, an denen der Herstellungsprozess verdeutlicht werden soll, sind dann auch einzelne, verklebte Lagen handschriftlicher Akten zu erkennen. Vgl. zum Herstellungsprozess: Hegner, Sparsamkeit und Kunst um 1800, hier bes. S. 30; vgl. zudem Krüger, Die herzogliche Kartonfabrik zu Ludwigslust. Der Umfang dieser Verluste ist nur schwer abzuschätzen, dürfte aber am generellen quantitativen Befund nichts Grundlegendes ändern.
II. Vor- und Mitläufer. Rahmungen für ein neues Phänomen 1. Vorläufer Das Duell gilt zwar als neuzeitliches Phänomen, aber ohne Vorläufer war es natürlich nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass es sich sukzessive aus älteren Formen gewaltsam ausgetragener Ehrkonflikte entwickelte. Als mögliche mittelalterliche Vorgänger werden in der Forschung immer wieder das Turnier, der gerichtliche und der sich davon ablösende ritterliche Zweikampf sowie – wenngleich inzwischen bereits mit deutlichen Fragezeichen versehen1 – die Fehde genannt. Jede dieser Formen weist dabei Elemente auf, die in der Forschung auch für die Duelle der (späten) Neuzeit herausgestellt werden: So war etwa das Muster der Satisfaktionsfähigkeit (im Sinne einer sozial exklusiven Teilnahmeberechtigung) bereits in den Turnierregeln des 13. und 14. Jahrhunderts anzutreffen. Kartelle als schriftliche Herausforderungen zum Kampf gab es ebenso im Kontext von Turnieren, später auch bei ritterlichen Zweikämpfen und – als ‚Brandbriefe‘2 ins Negative gewendet – bei der Fehde. Viele Kampfformen waren außerdem durch Zweierkonstellationen geprägt. Schließlich gab es ein ausdifferenziertes Repertoire an informellen und formalen Regeln für einen ehrlichen Kampf, die vor allem Übervorteilungen einer Seite verhindern sollten, etwa durch ungleiche Waffen oder die personelle Überzahl einer Partei.3 All dies sollte später, mitunter auch sehr viel später, im Duell wieder eine Rolle spielen. Allerdings ist die Frage, wie das Duell konkret ‚entstand‘ und wel1 Diese Fragezeichen sind vor allem auf den Umstand zurückzuführen, dass die Forschung inzwischen ein breites Repertoire an Verfahrenswegen und -weisen in Fehden aufgezeigt hat, deren Nähe zu Zweikampfpraktiken nur sehr bedingt behauptet werden kann. Zudem ist darauf hingewiesen worden, dass die (Gewalt-)Logiken von Fehden nur sinnvoll im Kontext einer ganzen Palette von gerichtlichen und außergerichtlichen Mitteln der Konfliktlösung zu deuten sind. Hier konnte der interpersonale Zweikampf aber mitunter doch noch als inszeniertes Angebot auftauchen. Vgl. dazu Graf, Gewalt und Adel in Südwestdeutschland. Zum Charakter der Fehde siehe auch Reinle, Innovation oder Transformation. 2 Vgl. zur Begriffsverwendung Lemberg, [Art.] Brandbrief. 3 Für einen konzisen Überblick zu den Regeln eines ehrbaren Kampfes unter Adligen vgl. Prietzel, Schauspiele von Ehre und Tapferkeit; Neumann, Der gerichtliche Zweikampf, S. 88–91.
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II. Vor- und Mitläufer
che Bedeutung dabei jenseits solcher Ähnlichkeiten diesen klassischen Vorläufern zugewiesen werden kann, nach wie vor umstritten. Als schwierig erweist sich vor allem, dass die Entstehungsphase des Duells im 15. und frühen 16. Jahrhundert bislang eher selten und wenn doch, dann vor allem mit einem deutlichen Schwerpunkt auf rechtlichen und literarischen Texten analysiert wurde.4 Die Untersuchung der Gewaltpraktiken beziehungsweise die Frage nach dem Verhältnis von juristischen und literarischen Diskursen und Gewaltpraktiken trat demgegenüber zurück – ein Vorgehen, das in erster Linie auf die ungünstige Quellenlage zurückgeführt werden kann.5 Das Verhältnis von mittelalterlichen Zweikämpfen und frühneuzeitlichen Duellen wird daher in aller Regel entsprechend summarisch und in großen Linien nachgezeichnet. Dient das Duell in Arbeiten zu mittelalterlichen Formen des Zweikampfes gerne als Fluchtpunkt einer langfristigen (Weiter-)Entwicklung, fungieren die mittelalterlichen Zweikampftypen in den meisten Studien zum Duell als ein mehr oder weniger selbstverständliches Vorspiel.6 Eine umfassende Diskussion der Transformationen in europäischer Perspektive kann angesichts der anders gelagerten Ausrichtung der Arbeiten auch an dieser Stelle nicht geleistet werden. Allerdings soll zumindest knapp eine vergleichende Betrachtung zentraler Forschungspositionen erfolgen. Diskutiert werden die Ergebnisse der Forschung dabei vor 4 Für den italienischen Fall mit rechtshistorischer Perspektive Cavina, Il duello giudiziario; Cavina, Il sangue dell’onore. U. a auf literarische Texte greifen zurück: Neumann, Der gerichtliche Zweikampf; Prietzel, Schauspiele von Ehre und Tapferkeit. Malte Prietzel verweist dabei auf den Umstand, dass in literarischen Quellen weniger ein nüchterner Bericht, sondern eher eine literarische Überhöhung greifbar wird. Mit einer punktuellen Perspektive auch Hiltmann/Israel, Laissez-les aller. 5 Zur methodischen Debatte, inwieweit aus den juristischen und literarischen Texten auf die Gewalt- und Ehrpraxen geschlossen werden kann, siehe: Neumann, Der gerichtliche Zweikampf, S. 17–19. Mit einem Fokus auf Gewaltpraxen und einem weit gefassten, ritualisierten Zweikampfbegriff zuletzt die Beiträge in: Jaser/ Israel (Hg.), Zweikämpfer. Zu dem im Band vertretenen Verständnis des ritualisierten Zweikampfes: Jaser/Israel, Einleitung, S. 242 f. Ein solches Vorgehen ist natürlich legitim, blendet aber die Frage nach Wandel und der Entstehung genuin neuer Phänomene zugunsten übergreifender Vergleiche systematisch aus. Allerdings wäre es m. E. angezeigt, den in dieser Perspektive missverständlichen Begriff Duell zu vermeiden. 6 Für (früh-)neuzeitliche Arbeiten und deren Darstellung der ‚Vorgeschichte‘ vgl. etwa Frevert, Ehrenmänner, S. 19–34; Müller, Schauspiele der Gewalt, S. 17–25; Billacois, Le duel, S. 31–33; Cavina, Il duello giudiziario, S. 5–12; Manning, Swordsmen, S. 193–195. Für die Perspektive aus dem Mittelalter ostentativ Israel, Vor- und Frühgeschichten. Eine dezidiert andere Sicht vertritt hingegen Neumann, Der gerichtliche Zweikampf, S. 215. Neumann erklärt hier: „Die Bedeutungsvarianten des gerichtlichen Zweikampfes lassen sich bis auf einzelne Trends weder chronologisch fixieren noch in ein Fortschrittsmodell einbinden, das den Weg vom gottesgerichtlichen iudicium pugnae zum Ehrenduell der Moderne nachzeichnet.“
1. Vorläufer33
dem Hintergrund des in der Einleitung entwickelten Duellverständnisses dieser Arbeit, dass sich gerade nicht an formalisierten Abläufen orientiert, sondern das Duell als wandelbares, von Zuschreibungen geprägtes Phänomen begreift. Als Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen hat dabei zu gelten, dass um 1500 in Italien Auseinandersetzungen auftauchten, die offenbar mit dem (bereits bekannten) Begriff duellum bezeichnet wurden und über die trotz des alten Begriffs zugleich als etwas spezifisch Anderes nachgedacht wurde. Es findet sich also ein Zusammentreffen von bislang nicht miteinander in Bezug gesetzten Praktiken und Diskursen, die neu verknüpft das frühneuzeitliche Phänomen Duell formten. Dieses Phänomen wurde – nicht zuletzt aufgrund seiner weiteren Entwicklung – von der Forschung als Erscheinung mit einer neuartigen Qualität begriffen. Wobei die Grenzen zu älteren und auch parallelen Formen interpersonaler Gewalt nicht immer leicht zu ziehen sind und gerade mit Blick auf die Gewaltpraxen die Zuordnungen verschwimmen. Doch es bleibt bei allen Schwierigkeiten, die eine klare Typologisierung mit sich bringt, festzuhalten, dass offenbar um 1500 ein neues oder doch ein später als neuartig begriffenes Phänomen auszumachen ist. Und damit stellt sich die Frage, wieso etwas Neues entstand. Die Antworten der Forschung auf diese Frage lassen sich dabei entlang von Prozessen der Umdeutung, des Wandels und schließlich von Kontinuitäten bündeln.7 a) Umdeutungen In Teilen der Forschung wird die schrittweise Delegitimierung des gerichtlichen Zweikampfes als Beweismittel und die mit dieser Delegitimierung mögliche Umdeutung bestimmter Gewaltpraktiken als außergericht licher Nachfolger dieses Rechtsmittel als Entstehungshintergrund des Duells im italienischen Raum gedeutet.8 Um diesen Erklärungsansatz zu verstehen, 7 Zur Bedeutung dieser Formen des Wandels in komplexen Transformationsprozessen siehe Bergemann u. a., Transformation, S. 47–56. 8 Dazu umfassend: Cavina, Il duello giudiziario; Cavina, Il sangue dell’onore; Bryson, The Sixteenth-Century Italien Duel, S. xvii f. Es ist zu betonen, dass die Entwicklung im deutschsprachigen Raum durch einen klaren zeitlichen Bruch zwischen gerichtlichem Zweikampf und Duell gekennzeichnet war – hier also keineswegs ein mit Italien vergleichbarer Prozess anzusetzen wäre. Zum deutschen Rechtsraum u. a. Hüpper-Dröge, Der gerichtliche Zweikampf im Spiegel der Bezeichnungen für ‚Kampf‘, ‚Kämpfer‘, ‚Waffen‘. Zum Phänomen der Kämpen, die als ‚Lohnkämpfer‘ in solchen Zweikämpfen in italienischen und in deutschen Städten noch bis in das 13., mitunter auch noch bis in das 14. Jahrhundert anzutreffen waren: Jaser, Kämpen.
34
II. Vor- und Mitläufer
ist es zunächst wichtig herauszustellen, dass Kampf-Ordale des mittelalterlichen Rechts durch zwei sich ergänzende und mitunter einander überlagernde Konzeptualisierungen und Funktionen gekennzeichnet waren: Es gab zum einen gerichtliche Zweikämpfe als letztinstanzliche Beweismittel der Beklagten und zum anderen so genannte Kampfklagen, die den Klägern als Initiativrecht in besonders schwerwiegenden Fällen zur Verfügung standen.9 In zeitlicher Perspektive ist zwischen diesen beiden Strängen seit dem späten Hochmittelalter bereits eine Bedeutungsverschiebung festzustellen: Während die praktische Relevanz des Kampf-Ordals als Beweismittel spätestens mit dem Einsetzen von kirchlichen Verboten im frühen 13. Jahrhundert rückläufig war,10 finden sich in spätmittelalterlichen Rechtsquellen noch länger Hinweise auf Kampfklagen.11 Allerdings ist auch für Kampfklagen die rechtspraktische Relevanz umstritten, gerade im 15. Jahrhundert kam ihnen nahezu nur noch der Charakter einer theoretischen Alternative zu, die für den Fall drohte, dass man sich nicht anderweitig einigte. Statt der gerichtlichen Zweikämpfe traten Akkusations- und Inquisitionsprozess mit neuen Beweiskonzepten ihren Siegeszug an.12 Das Ideal eines heldenhaft im Kampf erstrittenen Rechts blieb allerdings lebendig und wurde geAuf eine ähnlich verlaufende französische Entwicklung im 15. und 16. Jahrhundert verweist Dieter Prokowsky. Er betont, dass vor allem die fehlende Anerkennung und Durchsetzung der Folter als Mittel der Wahrheitsfindung in Verfahren gegen Adlige das Aufkommen von (privaten) Duellen vorangetrieben hätte. Prokowsky, Die Geschichte der Duellbekämpfung, S. 13–22. Allerdings ist er mit dieser Position allein. Zudem hat Winfried Trusen darauf hingewiesen, dass die Folter keineswegs ein wesentlicher Bestandteil des Inquisitionsverfahrens war und die Wahrheitsfindung nicht zuletzt über die Ausweitung des Zeugenbeweises vorangetrieben wurde. Trusen, Der Inquisitionsprozeß, S. 229 f. 9 Neumann, Der gerichtliche Zweikampf, S. 16 f. 10 Eröffnet war die Front gegen den gerichtlichen Zweikampf mit dem kirchlichen Verbot der Ordalien durch das IV. Laterankonzil (1215). Auch danach wurden von kirchlicher und weltlicher Seite immer wieder neue Verbote erlassen. Doch damit war die Zulässigkeit des gerichtlichen Zweikampfes keineswegs grundsätzlich in Frage gestellt, vielmehr blieb er als Konzept, neben anderen Rechtstraditionen und -positionen, bis zum 15. Jahrhundert bedeutsam. Angelozzi, Das Verbot des Duells; Nottarp, Gottesurteil-Studien, S. 343–388; übergreifend zu den Gottesurteilen siehe auch Leitmaier, Die Kirche und die Gottesurteile. 11 Prietzel, Schauspiele von Ehre und Tapferkeit, S. 115–120; Neumann, Der gerichtliche Zweikampf, S. 17. Allerdings gilt es zu beachten, dass Hinweise auf reale Durchführungen von gerichtlichen Zweikämpfen ausgesprochen spärlich sind. Hierzu Neumann, Der gerichtliche Zweikampf, S. 18. 12 Zur Entwicklung des Strafverfahrens und der Etablierung peinlicher Verfahren Vgl. Ludwig, [Art.] Strafverfahren; zur Entstehung und Etablierung des Inquisitionsprozesses im kirchlichen und weltlichen Recht Trusen, Der Inquisitionsprozeß; zur Etablierung der Folter im spätmittelalterlichen Strafprozess Sauter, Hexenprozess und Folter, S. 32–35.
1. Vorläufer35
rade im Kontext adliger Privilegien im Prozessrecht immer wieder diskutiert. Das Duell ließe sich aus dieser Perspektive – etwas zugespitzt formuliert – als illegitimer Nachfolger des gerichtlichen Zweikampfes begreifen. Übrig blieb dabei das Handlungsmuster, die Entscheidung in einem Konflikt oder Rechtsstreit im Kampf Mann gegen Mann herbeizuführen. In breit angelegter Untersuchung hat besonders Marco Cavina auf die sukzessive Umdeutung von Sanktionskonzeptionen und einen damit verknüpften Bedeutungswandel des ‚duellum‘ verwiesen. Als Marker für die ‚Messung‘ dieses Wandlungsprozesses betrachtet Cavina vor allem juristische Traktate, in denen die normativen Verbote von (gerichtlichen) Zweikämpfen diskutiert werden. In diesen veränderte sich die Sanktionierung des duellum – verstanden als gerichtlicher Zweikampf – Schritt für Schritt in ein Verbot des duellum im (neuen) Sinne – verstanden als ein außergerichtlich ausgetragener Zweikampf.13 Zwar geht Cavina nicht explizit davon aus, dass als Spiegelbild dieser rechtlichen Entwicklung auch ein gleichlaufender Wandel der Praktiken angesetzt werden kann, doch er zeichnet überzeugend nach, wie sich zwischen dem 11., 12. und dem frühen 16. Jahrhundert die rechtliche Konstruktion dessen änderte, was verboten wurde, wobei die Bezeichnung als duellum konstant blieb. Als Verbindungsglied zwischen dem gerichtlichen Zweikampf und dem Duell sieht Cavina dabei den so genannten ‚gerichtlichen Ehrenzweikampf‘. Mit dieser begrifflichen Zwischenform verweist er auf die Beobachtung, dass gerichtliche Zweikämpfe im späten Hochmittelalter zunehmend bei Ehrkonflikten angewandt wurden und dementsprechend eine sukzessive Bedeutungsverschiebung hin zum Zweikampf als adäquates Mittel im Ehrenkampf einsetzte. Parallel dazu findet sich die Tendenz, dass es nun vor allem Adlige waren, die als Zweikämpfer auftraten. Diese inhaltliche und personelle Verengung des Phänomens lässt sich zweifellos als Hinweis auf eine Übergangsform zwischen duellum und Duell lesen.14 In diesem hier nur grob nachvollzogenen Umdeutungsprozess ist durchaus ein Link zwischen den mittelalterlichen Zweikampfformen und dem Duell zu erkennen, wenngleich dies angesichts einer mehrere Jahrhunderte umfassenden Übergangsphase nicht überbetont werden sollte. Mit den Umdeutungsprozessen im Zuge der rechtlichen Delegitimierung des gericht lichen Zweikampfes war allerdings eine ganz grundlegende Veränderung 13 Allerdings stellt sich gerade für den italienischen Raum das Problem, dass der Begriff duellum hier über einen sehr breiten semantischen Hof verfügte, Betrachtungen über inhaltliche Bedeutungswandlungen und Untersuchungen zum Begriffsfeld stehen noch aus. Hinzu kommt, dass bislang Quellen zur spätmittelalterlichen Gewaltpraxis weniger systematisch ausgewertet wurden als normative Texte. 14 Cavina, Il duello giudiziario, S. 333–371.
36
II. Vor- und Mitläufer
des Zweikampfverständnisses verknüpft: Denn die rechtliche Delegitimierung führte auf lange Sicht zu einem Wegfall der göttlich-transzendenten Bedeutungsaufladung als Gottesurteil. Von dieser transzendenten Bedeutungslast befreit, konnte Schritt für Schritt aus einem Verfahrensmittel eine Distinktionsform mit neuen Einsatzformen und -feldern entstehen.15 Bestätigung findet diese Entwicklungslinie vom Verfahrensmittel zur Distink tionsform in idealisierten Beschreibungen von Kampfklagen im 15. Jahrhundert, in denen der Entscheid im ursprünglichen Rechtsstreit zugunsten des Ehrerwerbs durch ein ritterlich-adligen Idealen entsprechendes Verhalten im Kampf völlig in den Hintergrund treten konnte.16 Solchen spätmittelalterlichen literarischen Darstellungen des Zweikampfes kam dabei – wie Sarah Neumann überzeugend gezeigt hat – im Kontext eines romantisierenden Ritterideals eine nicht zu unterschätzende Bedeutung für adlige Selbstbilder zu.17 Bislang weitgehend unklar ist allerdings, in welchem Verhältnis solche literarischen Beschreibungen zu den in faktischen Auseinandersetzungen angewandten Praktiken des gewaltsam ausgetragenen Ehrkonfliktes standen.18 In diesem Sinne verweist auch Steven C. Hughes darauf, dass im juristischen Diskurs des 15. Jahrhunderts zwar ein Analogieschluss zwischen dem als neues Phänomen begriffenen „voluntary duel“ und dem „necessary duel“ (hier im Sinne eines gerichtlichen Zweikampfes im Kontext gerichtlicher Verfahren) gezogen wurde. Doch dieser Analogismus kam letztlich ohne eine unmittelbare zeitliche Nähe aus, da gerichtliche Zweikämpfe – wie Hughes betont – im Italien des 14. Jahrhunderts in der Rechtspraxis bereits weitgehend bedeutungslos geworden waren. Die Kontinuität in den Rechtstexten und juristischen Traktaten kam vor allem deshalb zustande, weil für die rechtliche Erfassung eines als neuartig begriffenen Phänomens im späten 15. Jahrhundert auf alte, längst nicht mehr aktiv verwendete Deu15 Wenngleich nicht bestritten werden soll, dass gerade Aspekte der Ehre zeitlich übergreifend eine zentrale Rolle gespielt haben. Auf die Überschneidung ganz unterschiedlicher Funktionen und Aspekte im gerichtlichen Zweikampf verweist explizit Neumann, Vom Gottesurteil zur Ehrensache. Gerade diese Überlagerung birgt dabei die Option, dass sich ein Aspekt sukzessive von den anderen lösen und zum dominanten Element werden kann. 16 Dies zeigt exemplarisch Prietzel, Schauspiele von Ehre und Tapferkeit, S. 115– 120. 17 Neumann, Vom Gottesurteil zur Ehrensache. Vergleichbare literarisch gefasste Übergänge können zwischen Turnier und Duell ausgemacht werden. Als ein besonders artifizielles Beispiel hat hier zweifellos der Roman vom Weißen Ritter Tirant lo Blanc des katalanischen Autors Joannot Martorell (1413–1468) zu gelten. Hierin ficht Tirant lo Blanc nicht nur ein Turnier aus, sondern angesichts eines daraus entstandenen Streits über seinen Minnedienst gegenüber einer Dame auch ein geheimes duellum. Vgl. dazu Martorell, Der Roman vom Weißen Ritter Tirant lo Blanc. 18 Dies diskutiert ausgewogen Neumann, Der gerichtliche Zweikampf, S. 21–23.
1. Vorläufer37
tungsschemata zurückgegriffen wurde.19 Ein Vorgehen, das sicherlich durch die italienische Rechtskultur und die Praxis der Rechtsschulen begünstigt wurde, die sich gerade durch einen zeitlich stark ausgreifenden vergleichenden Traditionalismus und die Übung, die alten Texte mit den ‚Fakten der täglichen Realität‘ zusammenzuführen, auszeichnete.20 In dieser Perspektive wandelte sich also keine alte Zweikampfpraktik zum Duell. Sondern eine neue beziehungsweise noch unspezifische Form des Ehrenkampfes wurde – in Ermangelung von sprachlichen Alternativen – mit Hilfe fest etablierter Rechtstraditionen in altbekannten juristischen Beschreibungsmustern erfasst. Hier führte letztlich die im vormodernen Recht durchaus übliche, von der rechtspraktischen Anwendung losgelöste Fortschreibung rechtlicher Bestimmungen dazu, dass aus einem Traditionsüberhang eine Kontinuitätsfiktion wurde. Ein unmittelbarer Konnex zwischen gerichtlichem Zweikampf und Duell war dafür gar nicht nötig. Zugleich lässt sich, wie Torsten Hiltmann aufzeigen konnte, mit dem Zurücktreten der realen Bedeutung des gerichtlichen Zweikampfes für die spätmittelalterliche Rechtspraxis beobachten, dass die Beschreibung der Regelkataloge für die Legitimation anderer Praktiken und Akteure an Bedeutung gewann. So dienten etwa die neu (und ohne einen wirklichen Praxisbezug) aufgenommenen Beschreibungen des formal richtigen Ablaufs gerichtlicher Zweikämpfe in Heroldskompendien als Instrument der Selbst inszenierung von Herolden. Diese präsentierten sich mit dem Repetieren von längst ausrangierten Regelkatalogen als Sachverständige für adlige Verhaltenscodes.21 Verbunden war dies mit einer diskursiven Fortschreibung von Wissensbeständen und einer Kontinuität bestimmter Deutungsmuster von Zweikämpfen.22 Die verschiedenen Traditionsüberhänge wanderten, so lässt sich vermuten, nicht nur von Ritterromanen, Heroldskompendien und Rechtstexten in die ersten einschlägigen, in Italien geschriebenen und publizierten Duellschriften und rechtlichen Maßnahmen gegen ein neu verstandenes Duell, sondern bildeten daneben auch eine gewohnte Deutungs- und Verständnisschablone für die Darstellung außergerichtlicher Kämpfe durch die Protagonisten.23 Die anhaltende Verwendung bestimmter Plots und Sujets für die 19 Hughes,
Soldiers and Gentlemen, S. 105 f. dazu Bellomo, Factum proponitur certum. 21 Dazu Hiltmann, Spätmittelalterliche Heroldskompendien, S. 413 f. 22 Schnell, Rechtsgeschichte, Mentalitäten und Gattungsgeschichte; Schnell, Dichtung und Rechtsgeschichte; Neumann, Vom Gottesurteil zur Ehrensache, S. 103 f. 23 Überblicksdarstellungen zum ‚Zweikampf‘ in der mittelalterlichen Epik liefern Udwin, Between Two Armies; zur literarischen Tradition des Zweikampfes in der Schlacht Prietzel, Kriegführung im Mittelalter, S. 95–101. Einen konzisen Überblick 20 Vgl.
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II. Vor- und Mitläufer
Deutung und Bedeutungszuweisung schuf damit Verbindungslinien zwischen den Jahrhunderten. Neue Phänomene erschienen gewissermaßen im alten Kleid. Denn festzustellen ist – so Manuel Braun und Cornelia Herberichs –, dass der Zweikampf zumindest im späten Mittelalter „weniger reale Praxis als Movens für die Auseinandersetzung mit Phänomenen der Agonalität, der Zuweisung von Ehre und der Gerechtigkeit“ war.24 In welchem Wechselverhältnis die in der Forschung herausgestellten Um- und Neudeutungen bestimmter Gewaltpraktiken in den Rechtsnormen und in literarischen Sujets zur Konzeption des Duells als einer spezifisch neuen Praktik standen, lässt sich aber letztlich nur schwer beantworten. Kaum diskutiert wurde bislang zudem der Umstand, dass zwischen den mittelalterlichen Formen des gerichtlichen Zweikampfes (auch in ihrer Endphase) und dem frühneuzeitlichen Duell eine deutliche Differenz auszumachen ist: Denn die als Duelle bezeichneten Kämpfe im Italien des späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts zeichneten sich im Vergleich zum gerichtlichen Zweikampf durch eine fehlende Formalisierung der Ablaufszenarien und Gewaltpraktiken aus.25 Inwieweit also in den frühen Texten über das neue Duell zumindest in der Anfangsphase (und womöglich auch darüber hinaus) eine idealtypische Beschreibung eigentlich völlig anders laufender Praktiken anzutreffen ist, wäre weiter zu diskutieren. Eine solche Diskus sion ist zugleich dazu angetan, das bislang dominierende Verständnis des Duells als einem stark ritualisierten und formalisierten Ehrenkampf stärker zu hinterfragen. b) Wandel Aus einer Perspektive, die Aspekte des Wandels im Sinne eines Umschwungs betont, wird ausgehend von der Beobachtung, dass das Duell eine Reaktionsmöglichkeit auf Beleidigungen war, die Bedeutung veränderter Verhaltensnormen herausgestellt. In dieser Blickrichtung hätte demnach die Herausbildung und Festschreibung von immer differenzierteren Bestimmungen von Verhaltens- und Umgangsformen dazu geführt, dass das Abweichen davon – etwa in Form einer unpassenden Begrüßung – als Zurücksetzung wahrgenommen wurde, eine Zurücksetzung, die dann leicht zum der Entwicklungslinien von den mittelalterlichen zu den frühneuzeitlichen Ritterromanen liefert Wolf, [Art.] Ritterroman; für einen Überblick zu den Volksliteraturen des Mittelalters siehe Schäfer, [Art.] Volkssprachige Literaturen; Hausein, [Art.] Deutsche Literatur; Schäfer, [Art.] Englische Literatur; Hülk-Althoff, [Art.] Französische Literatur; Di Rentiis, [Art.] Italienische Literatur; Lewis, [Art.] Iberische Literaturen. 24 Braun/Herberichs, Gewalt im Mittelalter, S. 34. 25 Hughes, Soldiers and Gentlemen.
1. Vorläufer39
Duell- oder allgemeiner zum Konfliktanlass werden konnte. In diesem Zusammenhang wurde vielfach auf die herausragende Bedeutung von Schriften über angemessenes Verhalten verwiesen – etwa auf Castigliones Hofmann.26 Auch hier kam der italienischen Entwicklung eine Vorreiterrolle zu. Denn auch wenn es im spätmittelalterlichen England, Frankreich oder Spanien ebenfalls zahlreiche Verhaltenslehren und Ritterromane gab, in denen die Ideale von Ritterlichkeit und Höflichkeit ausgebreitet wurden, so wird in der Ära von Castigliones Hofmann doch ein inhaltlicher Wandel ausgemacht. Als besonders folgenreich angesehen wurde vor allem die zunehmende Bedeutung eines auf den Hof ausgerichteten Verhaltenskodexes, hinter dem die traditionell adlige Verortung in der militärisch-ritterlichen Sphäre zurücktrat.27 Zeichen dieses Wandels war nicht zuletzt auch, dass dem Fechten am Ende des 15. Jahrhunderts eine zusätzliche Bedeutungsebene als ‚Leibesübung‘ zugewiesen wurde: Das „Training für den Ernstfall“ gewann nach und nach einen spielerischen Charakter, der sich aus dem Umstand ergab, dass das Fechten für das alltägliche Handeln den Status von etwas „NichtNotwenigem“ erlangte.28 „Der Fechtkampf wurde zum Kampfspiel, also zu einer zweckfreien Betätigung des Körpers, nicht zum Kampf ums Dasein, sondern zur Selbstentfaltung und Selbstgestaltung.“ Zugleich gewann dieses Spiel durch eine „gesteigerte Anteilnahme, die über das reine Spiel“ hinausging „die Illusion des Ernstfalls“.29 Parallel dazu kann eine Akademisierung des Fechtens und Ringens beobachtet werden, die sich nicht zuletzt in 26 Müller, Schauspiele der Gewalt, S. 25 f. Zudem sei auf die exzellente Studien von Burke, Die Geschicke des „Hofmann“ verwiesen, in der sowohl Aspekte der Verbreitung und Rezeption des Textes in Italien und Europa als auch verschiedene Deutungen und Thesen zur Wirkung des Textes diskutiert werden. 27 Vgl. hierzu Burke, Die Geschicke des „Hofmann“, S. 31–52; Peltonen, The Duel, S. 6 f. Einen späten, aber in seiner Ausformung geradezu vollendeten Beitrag lieferte Giovanni della Casa mit seinem Galaeteo, der 1558 posthum erschien. (Casa, Der Gelateo.) Della Casa entwirft darin – so Klaus Ley – „den Plan zu einem umfassenden Verhaltenskonzept“. Ley, Giovanni della Casa (1503–1556) in der Kritik, S. 61. Vgl. zu Casa auch Kalisch, Konfigurationen der Renaissance, S. 116–122. Diese Neuausrichtung auf den Hof wurde keineswegs unwidersprochen hingenommen. Burke selbst spricht hier von Ambivalenzen und Ambiguitäten, denn neben die Ausrichtung auf den Hof trat sogleich die Kritik am Hof. Burke, Die Geschicke des „Hofmann“, S. 126–134. Einen solchen Gegenentwurf lieferte etwa Anton Francesco Doni (1513–1574), der als Ideal das ländliche Leben dem Hof als Ort des Lasters gegenüberstellt. Dazu Comi, Vom Glanz und Elend des Menschen. 28 Bodemer, Das Fechtbuch, S. 32; zum spielerischen Aspekt des Fechtens siehe auch Kühnst, Sport, S. 13. 29 Bodemer, Das Fechtbuch, S. 32; zum Aspekt des Spiels als Kampf um und Darstellung von etwas vgl. Huizinga, Homo Ludens, S. 22 f.
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II. Vor- und Mitläufer
prachtvoll gestalteter und aufwendig illustrierter Literatur zur Methodik des Fecht- und Ringkampfes niederschlug.30 Insgesamt wird in den Verhaltenslehren der Renaissance eine performativ orientierte Habitus-Ethik (Eleonore Kalisch) greifbar, in der bezogen auf einen Katalog einschlägiger Tugenden gegenüber älteren Mustern gewandelte Idealvorstellungen adlig-aristokratischen Verhaltens präsentiert wurden.31 Für das Duell lässt sich im Anschluss an derartige Wandlungen habitueller Ideale Folgendes vermuten: Über eine Ritualisierung und Normierung im Umgang miteinander und die Ausbildung einer Hofgesellschaft als Präsenzgemeinschaft war nicht nur Raum für Begegnungen und alltäglichen Umgang geschaffen, sondern auch der Boden für die Entstehung adäquater Anlässe der Ehrverletzung bereitet. Mit der Herausbildung eines an höfischhöflichen Mustern ausgerichteten Ideals angemessenen Verhaltens wäre aus dieser Perspektive die Etablierung einer neuen Reaktionsform verknüpft, die sich in die zeremoniell organisierte und stark ritualisierte Form des Umgangs einpasste. Dies trug dann – so die zentrale These in dieser Forschungsperspektive – zur Entstehung und Etablierung der Duelle als stark ritualisierte und auf diese Weise als Distinktionsmittel nutzbare Variante von Ehrenhändeln bei.32 Sieht man jedoch von den in diesem Zusammenhang gern als Argument herangezogenen Verhaltens- und Fechtlehren des frühen 16. Jahrhunderts ab und betrachtet die Darstellung von gewaltsamen Ehrhändeln in anderen Quellengattungen, kommen leise Zweifel an dieser Deutung auf: So lässt sich etwa anhand der Lebensbeschreibungen Benvenuto Cellinis (1500– 1571) fragen, ob die Annahme einer stark ritualisierten und artifiziell ausgestalteten Gewaltpraxis nicht stärker Fiktion und Zuschreibung war als ‚reales‘ Benehmen. Bei den von Cellini geschilderten gewaltsamen Ehrkonflikten, kann von einer stark formalisierten oder gar artifiziell ausgestalteten Handlungspraxis jedenfalls nicht gesprochen werden.33 Die Beispiele vermitteln vielmehr durchweg das Bild einer sehr spontanen, gewaltsamen Reaktion in den verschiedenen Konfliktlagen.34 Vor dem Hintergrund solch spontaner Gewaltmuster wäre daher zu vermuten, dass die in den Verhaltens- und Fechtlehren präsentierte Ritualisierung und Normierung im Um30 Siehe dazu aus kunsthistorischer Perspektive folgende umfassende Arbeit Bodemer, Das Fechtbuch. Aus historischer Sicht auch Kühnst, Sport, S. 36 f. 31 Kalisch, Konfigurationen der Renaissance, bes. Kap. 4 (S. 75–122). 32 Vgl. bspw. Müller, Schauspiele der Gewalt, S. 26 u. 28. 33 Zu den Gewaltdarstellungen in Cellinis Autobiografie siehe auch Gallucci, Benvenuto Cellini, bes. S. 115–118; zum ‚Typus‘ Cellini vgl. auch Schmale, Geschichte der Männlichkeit, S. 46–65. 34 Cellini, Leben des Benvenuto Cellini, hier u. a. S. 53 f., 106 f., 287–289 u. 445 f.
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gang miteinander womöglich vorrangig für die öffentliche Inszenierung und Darstellung gewaltsam ausgetragener Konflikte bedeutsam war und weniger die Handlungsweisen selbst beeinflusste. Schon Pieter Burke gab mit Blick auf den Hofmann Castigliones zu bedenken, dass dieser durchaus Züge der Anleitung eines ‚Gesellschaftsspieles‘ trage, in dem die Gesellschaft nicht unbedingt nachgezeichnet werde.35 Insgesamt ist also Vorsicht geboten, Rückschlüsse auf die Verhaltenspraxis lassen sich aus derartigen Schriften letztlich nur bedingt ziehen – eine Feststellung die zwar wenig originell, aber immer wieder zu betonen ist.36 Hier deutet sich damit erneut an, dass es wichtig ist, sorgfältig zwischen Konfliktpraktiken und den Beschreibungs- und Deutungsweisen eben dieser Konflikte und damit zwischen Praktiken und deren diskursiven Einbettungen zu unterscheiden. Zugleich wiederholt sich dabei eine Beobachtung, die bereits oben bei den Übergangsformen der gerichtlichen Zweikämpfe gemacht wurde: Denn als neues Element lässt sich vor allem die diskursive Verengung eines Phänomens ausmachen, die aber wohl keinen unmittelbar greifbaren Niederschlag in den Gewaltpraktiken hatte, sondern zunächst nur für die Beschreibung dieser Praktiken an Bedeutung gewann. c) Kontinuität In einer dritten Perspektive tritt schließlich die Betonung einer Kontinuität adlig-ritterlicher Ehrkonzepte hinzu, deren höchstes Gut der ehrliche Kampf unter Gleichen – Mann gegen Mann – war. Für das hohe und späte Mittelalter hat dies jüngst Malte Prietzel herausgearbeitet.37 Frühneuzeitliche Bezugnahmen auf solche tradierte, adlig-ritterliche Ehrkonzepte dürften wohl unbestritten sein. Exemplarisch verwiesen sei hier nur auf die prächtigen Inszenierungen höfischer Turniere im 15. und 16. Jahrhundert, in denen das bereits auslaufende Ideal eines ritterlichen Kampfes nochmals gefeiert wurde.38 Und dies gerade auch nördlich der Alpen, wie Turnierdarstellungen Dürers, Ammans oder Cranachs eindrücklich zeigen.39 Zugleich 35 Burke, Die Geschicke des „Hofmann“, S. 59–61, hier mit Bezug auf die literaturwissenschaftlich ausgerichteten Überlegungen von Greene, Il Cortegiano an the Choice of a Game. 36 In diesem Zusammenhang sei lediglich auf die intensive Diskussion um die Quellenbasis bei Norbert Elias verwiesen. Vgl. grundsätzlich zur kritischen Diskussion des Eliasschen Konzepts Schwerhoff, Zivilisationsprozeß und Geschichtswissenschaft; mit Blick auf die These zur Gewaltentwicklung Schwerhoff, Criminalized violence. 37 Prietzel, Kriegführung im Mittelalter, hier S. 73–105. 38 Gehrt, Tunier-, Fecht- und Ringbücher. 39 Siehe die entsprechenden Abb. 37–41 bei Kühnst, Sport, S. 39–42.
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II. Vor- und Mitläufer
findet das mittelalterlich geprägte Bild des heroisch-ehrenhaften Ritters gerade unter dem ‚letzten Ritter‘ Kaiser Maximilian I. (1459–1519) eine nochmalige Blüte, die aber bereits vornehmlich literarisch und theatralisch überformt war und sich etwa in den von Maximilian verfassten beziehungsweise initiierten Werken Theuerdank, Trugdal und Weißkunig niederschlug.40 Es wäre noch näher zu diskutieren, inwieweit dieser ritterliche Traditionalismus als Diskursstrang womöglich auch für die Deutung und Akzeptanz des Duells eine Rolle spielte.41 Als weitere Kontinuitätslinie mit einer ähnlichen Stoßrichtung wird in der Forschung die Verbindung zwischen Duell und ritterlichen Zweikämpfen im Vor- und Umfeld von Schlachten herausgestellt. Hier liefert vor allem das Ideal des heldenhaften Einzelkampfes den Konnex zum Duell.42 Zugleich wird diskutiert, ob sich nicht doch Parallelen zu den späten Formen der adligen Fehde finden lassen. Denn gerade im Fall einer verstärkten Fehdetätigkeit einzelner Adliger kann durchaus von einer „Rückbesinnung auf vergangene adlige Werte“ und womöglich einer Art „adliger Traditionspflege“ gesprochen werden.43 Hinzu kommt, dass die Fehde, auch wenn sie als Rechtsinstitut zweifellos eine große Spannbreite an Funktionen besaß,44 durchaus als Instrument adliger Ehrverteidigung dienen konnte. Mit Blick auf die Logiken einer derartigen Funktionalisierung der Fehde als Instrument im Ehrenkampf wäre es daher sicherlich interessant, genauer zu be40 Kaiser Maximilians I. Theuerdank, 1968; Freydal, Des Kaisers Maximilian I. Turniere und Mummereien, 1880–82; Weißkunig nach den Dictaten und eigenhändigen Aufzeichnungen Kaiser Maximilian I., 1966. 41 So hat Ronald G. Asch für die französische Entwicklung im 16. und 17. Jahrhundert herausgestellt, dass das Beharren auf dem adligen Vorrecht zum Kampf (nicht nur, aber auch in Ehrensachen) als Strategie der Abgrenzung gegenüber der zunehmenden Etablierung der monarchischen Zentralgewalt zu deuten ist und damit der spezifischen Logik eines ‚adligen Traditionalismus‘ entsprang. Asch, „Honour in all parts of Europe will be ever like itself“, S. 358 f. Für den deutschsprachigen Raum lässt sich zudem feststellen, dass seit dem frühen 18. Jahrhundert in der Historisierungen des Duells solche Bezüge aufgegriffen wurden. Vgl. hierzu das Kap. VI in dieser Arbeit. 42 Prietzel, Kriegführung im Mittelalter, S. 73–105 u. 266–318; Prietzel, Schauspiele von Ehre und Tapferkeit. 43 Graf, Gewalt und Adel in Südwestdeutschland. 44 Gadi Algazi betonte etwa die Bedeutung der Fehde als Strategie, die Schutzfunktion adliger Herrschaft gegenüber den Untertanen zu inszenieren und damit ebendiese Herrschaft auch zu legitimieren. Algazi, Herrengewalt, bes. S. 163–167. Hillay Zmora und Joseph Morsel verweisen hingegen auf die besondere Bedeutung der Fehde im Staatsbildungsprozess und für die Hierarchisierung des Kräftefeldes innerhalb der Territorien. Zmora, State and Nobility, S. 87–121; Morsel, Das sy mitt der besstenn gewarsamig schicken, hier S. 153–164. Einen kritisch reflektierten Kommentar hierzu liefert Graf, Gewalt und Adel in Südwestdeutschland.
1. Vorläufer43
stimmen, in welchen situativen Settings „die durch das soziale Umfeld taxierte Ökonomie der Ehre eine gewalttätige Reaktion verlangte oder eine friedliche Konfliktregelung den Reputationsschaden auszugleichen imstande war“.45 Klaus Graf hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass die Deutung der Fehdepraxis im Kontext eines breiteren Spektrums an Varianten adligen Gewalthandelns erfolgen muss. Gerade in einer solch weiten Betrachtungsperspektive lässt sich erkennen, wie Klaus Graf am Beispiel der Wertheimer Grafen überzeugend zeigt, dass Fehden und gelegentliche Zweikampfforderungen nicht nur im Kontext der gleichen adlig-ritterlichen Ehrdiskurse standen, sondern auch als Instrumente der Auseinandersetzung miteinander verschränkt waren.46 Als weiterer, in der Duellforschung bislang deutlich unterschätzter Kontinuitätsstrang lässt sich der gewaltsame Habitus als konstitutiver Teil von Männlichkeitskonzepten, aber auch als Marker ständischer Zugehörigkeit ausmachen.47 Wobei gerade in der kriminalitätsgeschichtlichen Forschung schon seit langem darauf verwiesen wird, dass ein gewaltsamer Habitus keineswegs als exklusives Verhalten adliger Männer zu verstehen ist, sondern eher als Ausdruck einer sozial übergreifenden ‚Jungmännerkultur‘ in der Vormoderne.48 Dies gilt in besonderer Weise bei gesellschaftlich horizontal anzusiedelnden Gewaltpraktiken. Gerade innerhalb von derartigen Gruppen potentiell Gleicher lässt sich die anhaltende Bedeutung reziprok aufeinander bezogener Gewaltakteure feststellen, in deren Agieren eine spezifische Form der Gewaltkultur als gemeinschaftsstiftender Faktor greifbar wird.49 Getragen war dieser gewaltsame Habitus vom bereits angesprochenen Ideal des ehrlichen Kampfes. Kennzeichnen lässt sich dieser ehrliche Kampf durch ein angestrebtes Gleichgewicht der Gegner: So durfte man nicht aus einem Hinterhalt heraus angreifen und es musste in etwa Waffengleichheit herrschen. Der Kampf sollte zudem unmittelbar und offen ausgetragen werden, also idealer Weise ohne Verstellung, Hinterhalt, List oder eine spätere 45 Jendorff/Krieb,
Beobachtungen, S. 205. Gewalt und Adel in Südwestdeutschland. Mit einem stärkeren Blick auf rechtliche Aspekte siehe auch Povolo, Feud and Vendetta. 47 Darauf verweisen für das Mittelalter auch Braun/Herberichs, Gewalt im Mittelalter, S. 24. 48 Vgl. dazu Krug-Richter, Von Messern, Mänteln und Männlichkeit; WettmannJungblut, Gewalt und Gegen-Gewalt; Walz, Agonale Kommunikation. 49 Mit Blick auf das Duell siehe hierzu Ludwig, Von Scherzen und Duellen; für die mittelalterlichen Gewaltkulturen verweisen darauf auch Braun/Herberichs, Gewalt im Mittelalter, S. 23; für die städtischen Fecht- und Gewaltpraxen siehe auch Jaser, Ernst und Schimpf; Tlusty, Martial Elits. Dass sich dies auch im 19. und 20. Jahrhundert nicht ändert zeigt: Ellerbrock, Generation Browning. 46 Graf,
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II. Vor- und Mitläufer
Rache auskommen.50 Das Ideal des ehrlichen Kampfes war keine ständisch exklusive Verhaltensnorm, sondern sozial übergreifend verankert. Der ehrliche Kampf kann daher als basaler sozialer Wert vormoderner Gesellschaften begriffen werden. In den konkreten gewaltsamen Auseinandersetzungen bildete der ehrliche Kampf also eine generell wirksame Handlungsgrundlage. Dem grundsätzlichen Ziel, den Sieg zu erringen stand damit eng verbunden ein Prinzip zur Seite, in dem vermittelt wurde, welche Praktiken und Taktiken ‚erlaubt‘ waren, um diesen Sieg zu erringen. Die Vermittlung entsprechender Regeln erfolgte vielgestaltig: Sie zeigte sich etwa in den literarischen Inszenierungen heldenhafter Kämpfer, die ohne List und Tücke und damit ohne moralisch womöglich fragwürdige Vorteilsnahmen für das Gute rangen. Ebenso, wenn auch weniger explizit, werden die Regeln in den Fecht- und Ringbüchern erkennbar, in denen es zwar immer auch um den Sieg im Kampf ging, dieser aber durchaus sachgerecht errungen werden sollte.51 Welche grundsätzliche Bedeutung dem ehrlichen Kampf als soziale Norm zukam, zeigt sich schließlich darin, dass einzelne Regeln dieses Ideals sogar im Bereich des strafrechtlichen Umgangs mit Gewalt wieder aufscheinen. So wurde etwa ein Angriff von hinten oder eine unangekündigte Attacke härter sanktioniert als ein Angriff von vorn und nach einer öffentlichen Herausforderung.52 In solchen rechtlichen Differenzierungen zeigt sich in besonderer Weise, dass das Ideal des ehrlichen Kampfes eng mit einer habituellen Grundhaltung verbunden war. Getragen war dies durch den Umstand, dass im Kampf beziehungsweise in der Deutung des Konfliktes die Reputation der Kämpfenden immer mit verhandelt wurde. Und das heißt nichts anderes, als dass der ehrliche Kampf und die Ehre der Kämpfenden eng verknüpft waren. In diesem Punkt ist – trotz oder gerade wegen der beschriebenen Kontinuitäten – ein deutlicher Bruch zwischen den mittelalterlichen Formen des formalisierten Kampfes in der Fehde, im Turnier und im gerichtlichen Zweikampf einerseits und den Duellen der Frühen Neuzeit andererseits erkennbar: Denn wenngleich zeitlich übergreifend immer nur mit einem ehrlich geführten Kampf auch Ehre gewonnen werden konnte, so unterschieden sich die Auswirkungen im Falle einer Niederlage doch deutlich. Denn eine Niederlage hatte gerade beim gerichtlichen Zweikampf und der Fehde zur 50 Zu den Praktiken des ›ehrlichen‹ Kämpfens siehe auch Tlusty, The Martial Ethic, S. 95–102; Krug-Richter, Von Messern, Mänteln und Männlichkeit; Shepard, Meanings of Manhood, S. 140–151; Jaser, Ernst und Schimpf, S. 229–231; Loetz, Zeichen, S. 269 f.; Spierenburg, Knife Fighting. 51 Müller, Zwischen mündlicher Anweisung und schriftlicher Sicherung von Tradition. 52 Siehe etwa die entsprechenden Regelungen in folgenden Strafgesetzen: Kursächsische Konstitutionen 1572, Teil 4; Carolina.
1. Vorläufer45
Folge, dass man in einem Rechtsstreit verlor und dies entsprechende (strafrechtliche) Konsequenzen nach sich zog. Diese Konsequenzen schlossen häufig auch den Verlust des rechtlichen Ehrenstatus ein.53 Im Unterschied dazu konnte man im frühneuzeitlichen Duell im Prinzip auch dann einen Ehrgewinn verbuchen, wenn man im Kampf unterlegen war. Was zählte, war die Teilnahme am Kampf und weniger dessen Ausgang. Im Ergebnis der Überlegungen zur Bedeutung von Umdeutungen, Wandlungen und Kontinuitäten ließe sich mit Blick auf die Frage nach den Vorläufern des frühneuzeitlichen Duells mithin herausstellen, dass es zweifellos einzelne Elemente gab, die das neuzeitliche Duell mit dem gerichtlichen und ritterlichen Zweikampf, mit dem Turnier und selbst mit den späten Formen der Fehde gemein hatten. Ein wichtiger gemeinsamer Bezugspunkt ist dabei das Ideal des ehrlichen Kampfes, über das nicht nur formale Regularien für den Austrag des Kampfes vermittelt wurden, sondern über das auch die Verknüpfung zwischen den Zweikämpfen und der Reputation der Kämpfer verankert war. Allerdings muss betont werden, dass dieses Ideal keineswegs allein für Kämpfe im Turnier oder etwa im gerichtlichen sowie ritterlichen Zweikampf wichtig war, sondern sich gerade auch in den alltäglichen, eher informellen Formen gewaltsam ausgetragener Ehrkonflikte spiegelt. Diese informellen Formen wurden allerdings bislang für die Herausbildung des Duells kaum beachtet. Dass dies aber dringend geboten ist, zeigt sich gerade dann, wenn man nicht nur die gemeinsamen Bezugspunkte zwischen den klassischen Zweikämpfen des Mittelalters und dem neuzeitlichen Duell betrachtet, sondern auch die Differenzen. So bleibt gerade der Übergang von den stark formalisierten Formen des gerichtlichen Zweikampfes, der Fehde und des Turniers zum Duell, das in seinen Anfängen einen deutlich unformalisierten Charakter besaß, erklärungsbedürftig. In dieser Hinsicht wäre daher zu erwägen, ob angesichts der Bedeutung, die gerade dem gerichtlichen und ritterlichen Zweikampf als Legitimierungsstrategie innerhalb von Gewaltdiskursen zukam, im Fall des Duells die Übernahme des Begriffs duellum für gewisse Gewaltakte womöglich weniger auf die Kontinuität bestimmter Praktiken hinweist, sondern vielmehr Zeichen und Produkt einer zusätzlichen Legitimierungsstrategie für Gewaltformen war, die zumindest von Teilen der Gesellschaft sozial positiv bewertet wurden.
53 Der Verlust des Ehrenstatus konnte soweit gehen, dass auch der Kämpe, der stellvertretend für einen Kläger einen gerichtlichen Zweikampf bestritt, im Fall einer Niederlage ehrlos wurde. Die Forschung breit präsentierend zur Frage des Ehrenstatus von Kämpen (Lohnfechtern) Jaser, Kämpen, bes. S. 380–386.
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II. Vor- und Mitläufer
2. Mitläufer Angesichts der bislang zusammengetragenen Befunde erscheint es sinnvoll, für die Frage, wann und wie das Duell in einer bestimmten Region aufkam, nicht nur mögliche formalisierte Vorläuferphänomene der mittel alterlichen Gewaltkultur zu berücksichtigen. Vielmehr gilt es, auch jene eben bereits angesprochenen informellen Formen alltäglicher Ehrenkämpfe in den Blick zu nehmen. Besonders interessant an diesen Gewaltpraxen ist, dass sie sich nicht nur vor dem Aufkommen des Duells finden lassen, sondern mit und neben dem Duell auch weiterhin bedeutsam blieben, so dass der Charakter des Duells als eine Form des mit Waffen ausgetragenen Ehrenkampfes konzeptionell nur in Abgrenzung zu diesen erfasst und bestimmt werden kann. Bei den informellen Ehrenkämpfen handelt es sich damit um Vor- und Mitläufer, deren Bedeutung für die Herausbildung und die Verbreitung des Duells in Europa bislang deutlich unterschätzt wurde. Das Duell dürfte mit seinem Aufkommen in den verschiedenen europäischen Regionen von den Zeitgenossen keineswegs als ein völlig neu- und einzigartiges Handlungsmuster verstanden worden sein, sondern hatte sich in einem bereits bestehenden Feld von Praktiken des Ehrenkampfes zu behaupten. In der jüngeren Forschung – nicht nur zum Duell in den verschiedenen europäischen Regionen, sondern auch zu den verschiedenen Varianten von Gewalt- und Ehrenkämpfen – wurden dabei zwei Beobachtungen herausgestellt, die auch für diese Untersuchung von besonderem Interesse sind. Zum einen wurde für die mit Waffen ausgetragenen Kämpfe um die Ehre die Bedeutung sozialer Exklusivität relativiert und dies sowohl mit Blick auf den Einsatz bestimmter Waffen als auch mit Blick auf den sozialen Hintergrund der Kämpfenden. Zum anderen haben insbesondere Arbeiten zu den Ehrstrategien des Adels im Mittelmeerraum die Bedeutung des Duells als vermeintlich singulärem Handlungsmuster hinterfragt. Beide Perspektiven, die im Folgenden näher ausgeführt werden, relativieren damit den gern unterstellten exzeptionellen Charakter des Duells im Feld der Ehrenkämpfe. Hinzu kommt, dass sich das Duell keineswegs als abgeschlossene kulturelle Praktik innerhalb Europas verbreitete, sondern deutliche Unterschiede in räumlicher und zeitlicher Perspektive auszumachen sind. Wie sich dies für das Alte Reich konkret gestaltete, ist Thema dieser Arbeit, die groben Züge der generellen Verbreitung des Duells in Europa wird hingegen am Beginn des dritten Kapitels kurz umrissen.
2. Mitläufer47
a) Jenseits sozialer Exklusivität Dass mit Waffen ausgetragene Ehrenkämpfe in der Vormoderne keineswegs ein elitäres Phänomen waren, ist in der Forschung immer wieder herausgestellt worden. Erst jüngst hat beispielsweise B. Ann Tlusty mit Fokus auf städtische Lebensräume im Alten Reich auf die ständeübergreifend große Präsenz von Waffen in der vormodernen Gesellschaft verwiesen. Wichtiger Ausgangspunkt für den stark verbreiteten Waffenbesitz war dabei lange Zeit die Bürgerpflicht, hinreichend bewaffnet am Schutz der städtischen Gemeinschaft mitzuwirken.54 Aber auch als mit dem Aufkommen stehender Heere die Wach- und Wehraufgaben der städtischen Bürger rückläufig waren, blieb der Besitz von Waffen üblich. Dabei kann beobachtet werden, dass gerade weil eine klare Funktion des Waffenbesitzes nun sukzessive wegfiel, die mit Waffenbesitz und Waffengebrauch verknüpften Ehrvorstellungen an eigenständiger Bedeutung gewannen. Wer etwas auf sich hielt, besaß nicht nur Waffen, sondern er trug diese auch zur Schau.55 Vom weit verbreiteten Waffenbesitz führte der Weg direkt zur großen Bedeutung von Waffen in tätlichen Auseinandersetzungen. Dabei hat der Besitz von Degen und Schwert – das ist deutlich herauszustellen – keineswegs als Privileg adliger und militärischer Eliten zu gelten. Bewaffnete Konflikte, die mit entsprechend ‚edlen‘ Waffen ausgetragen wurden, sind im Rahmen kriminalitätsgeschichtlicher Untersuchungen inzwischen für die unterschiedlichsten sozialen Gruppen beschrieben worden. So zeigen etwa die Untersuchungen von Joachim Eibach oder auch Andreas Meier, dass Handwerker und Handwerkergesellen ihre tätlichen Auseinandersetzungen noch im 18. Jahrhundert ganz selbstverständlich mit Schwert oder Degen ausfochten.56 Im Ergebnis der Forschungen zu vormodernen Gewaltpraktiken kann inzwischen resümierend herausgestellt werden, dass der alltägliche Kampf um die Ehre oder vielleicht besser die alltägliche Bereitschaft, Angriffen auf die eigene Ehre mit Waffengewalt zu begegnen, als Teil eines sozial übergreifenden, männlichen Habitus zu gelten hat, den Adlige, Offiziere, Studenten, Handwerkergesellen, Kaufleute, aber auch Bauern durchaus teilten.57 54 Tlusty,
The Martial Ethic, hier S. 11–45, zum Waffenbesitz S. 140 f. Von Messern, Mänteln und Männlichkeit; Evert, „Gute Sach stärkt den mann“, ein Phänomen, das bis weit in das 20. Jahrhundert hinein bedeutsam bleiben sollte. Vgl. etwa Ellerbrock, Generation Browning. 56 Meier, Handwerkerduelle; Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 216 u. 252–266. 57 Für das Alte Reich hat dies neben Tlusty, The Martial Ethic, zugespitzt S. 105– 110, auch Barbara Krug-Richter hat immer wieder betont und mit Blick auf die von ihr für das 16. Jahrhundert untersuchten Ehrkonflikte zwischen Studenten bzw. Handwerkern vorgeschlagen, entsprechende Auseinandersetzungen zumindest als Duellvorläufer zu begreifen. Krug-Richter, Du Bacchant. 55 Krug-Richter,
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II. Vor- und Mitläufer
Derartige Mitläufer im Blick, plädiert Pieter Spierenburg in seiner phänomenologisch weiter gespannten Perspektive auf Ehr- und Gewaltkonflikte sogar dafür, diese alltäglichen Formen der bewaffneten Ehrenkämpfe in eine übergreifende Duellsystematik einzubinden. Hierfür unterscheidet er typologisch zwischen ‚förmlichen‘ (formal) und ‚volkstümlichen‘ (popular) Spielarten des Duells. Wobei unter ‚volkstümlichen‘ Duellen bei ihm all jene Kämpfe mit Zweierkonstellation subsumiert werden, die zwar einen gewissen Grad an Ritualisierung aufwiesen, deren Protagonisten aber eben nicht zu den allgemein und auch von Spierenburg erwarteten sozialen Gruppen der Duellanten gehörten. Adligen, Militärs und Studenten waren dementsprechend die förmlichen oder eigentlichen Duelle vorbehalten, die zugleich, so die Annahme Spierenburgs, durch elaborierte Regeln des Konfliktaustrags geprägt gewesen seien.58 Problematisch an diesem Ansatz ist freilich, dass Spierenburg aus der Perspektive des 21. Jahrhundert entscheidet, welche Konflikte zu den förmlichen Duellen zu rechnen seien und welche als ‚volkstümliche Variationen‘ im Grunde nur an diese erinnern. Letztlich werden die untersuchten Konflikte damit von Spierenburg nur dann als ordentliches Duell erkannt und etikettiert, wenn sie den uns heute vertrauten Vorstellungen von Duellen und vor allem von Duellanten entsprechen. Auf diese Weise wird dabei nicht nur eine durch die Neuzeit geprägte Duelldefinition auf ältere Phänomene rückgeblendet, vielmehr wird auch der Umstand verdeckt, dass es womöglich in verschiedenen Regionen zu verschiedenen Zeiten ganz unterschiedliche Vorstellungen vom Charakter des Duells gab.59 Die verschiedenen Studien zu vormodernen Gewalt- und Ehrkonflikten betonen parallel zu der bereits angesprochenen sozialen Vielfalt der Zweikämpfer insgesamt aber noch einen weiteren, meines Erachtens für die Frage nach einer möglichen Spezifik des Duells sehr wichtigen Punkt: Denn auch wenn im Ergebnis dieser Studien die fehlende soziale Exklusivität bewaffneter Ehrenkämpfe herauszustellen ist, zeichneten sich die konkreten Kämpfe keineswegs durch eine soziale Vielfalt der beteiligten Protagonisten aus. Vielmehr wurden die Ehrenkämpfe – egal ob man sie nun als Vorformen, populäre oder aber ordentliche Duelle versteht – in der Regel innerhalb der für die Protagonisten relevanten Eigengruppen ausgetragen. Unter Eigengruppen sollen hierbei im Anschluss an Heinrich Popitz jene sozialen Gruppen verstanden werden, zu denen sich der Einzelne je58 Wobei Spierenburg hierbei v. a. der zeitliche Abstand zwischen Forderung und Kampfaustrag wichtig erscheint, da die Gewalt dadurch planbar wurde und der Kampf womöglich einen weniger eruptiven Verlauf nahm. Spierenburg, A History of Murder, S. 71–96. 59 Siehe dazu: Ludwig u. a., Zugriffe auf das Duell, S. 16 f.
2. Mitläufer49
weils zugehörig fühlte und in denen er vornehmlich verkehrte.60 Mit Blick auf die hier interessierenden Ehrkonflikte heißt das konkret, dass bevorzugt zwischen Handwerkern, Bauern, Adligen oder etwa Offizieren gestritten und gekämpft wurde. Gruppenübergreifende Auseinandersetzungen waren unter den mit Waffen ausgetragenen Ehrstreitigkeiten hingegen die Ausnahme.61 Das in den Ehrenkämpfen anzutreffende agonale Prinzip, das auf einer prinzipiellen Anerkennung des Gegners als würdigen Wettkampfpartner aufbaute, taugte letztlich nicht, wenn im Austrag von Ehrkonflikten zugleich Hierarchien abgebildet werden sollten. Mit Blick auf das Konzept der Satisfaktionsfähigkeit lässt dies die These zu, dass die in der Forschung häufig unterstellte soziale Exklusivität des Duells womöglich weniger das Ergebnis von Aus- und Abgrenzungsprozessen zu begreifen ist, sondern lediglich spiegelt, dass für die Her- und Darstellung des persön lichen Ehrenstatus im Ehrenkampf in erster Linie die jeweilige Eigengruppe relevant war. b) Jenseits der Exklusivität einer Praktik Greift man an dieser Stelle nochmals Pieter Spierenburgs Studie auf, so ist zu betonen, dass an dessen weitem Duellbegriff reizvoll ist, dass er das (förmliche) Duell nicht isoliert, sondern im Kreis seiner Mitläufer betrachtet.62 Interessant ist zudem, dass er sich bei seiner Betrachtung vormoderner Ehrenhändel von der sonst üblichen Ahnenreihe des Duells löst und zumindest die Frage in den Raum stellt, ob nicht eine Herausbildung des formal duel aus den eher unformalisierten Formen bewaffneter Zweikämpfe anzunehmen ist oder doch wenigsten ein enger Entstehungszusammenhang 60 Gut greifbar wird dieser Charakter der Eigengruppe über deren Kompetenz als Sanktionsinstanz. Dazu Popitz, Die normative Konstruktion von Gesellschaft, S. 53 f. 61 Ausnahmen finden sich hierbei besonders im städtischen Raum, in dem verschiedene Jungmännergruppen des Adels, der Handwerker- oder Studentenschaft und der verschiedenen militärischen Formationen mit- und gegeneinander wetteiferten. Krug-Richter, Du Bacchant; Füssel, Devianz als Norm; Siebenhüner, „Zechen, Zücken, Lärmen“, S. 64–75 u. 88–103. Siehe auch den Überblick mit weiteren Verweisen bei Schwerhoff, Historische Kriminalitätsforschung, S. 113–130. 62 Die von Spierenburg stark gemachte Differenzierung bewaffneter Konflikte über ihre spezifische Funktion gilt es daher im Blick zu behalten. Denn damit unterscheidet er Konfliktformen, die auf einen öffentlich zur Schau getragenen Ehrbeweis bzw. Ehrerwerb abzielten von solchen, in denen es (zumindest in erster Linie) um andere Güter ging als die Ehre. Zu denken wäre hier z. B. an Konflikte um Eigentumsfragen, die sowohl in Form von bewaffneten Raubüberfällen, städtischen Unruhen, aber auch bei zahlreichen Mord-, Totschlags- oder Gewaltfällen den Hintergrund der Taten bildeten.
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II. Vor- und Mitläufer
zwischen beiden Phänomenen anzusetzen sei. In diesem Kontext betont er zugleich, dass dem Duell durch die Zeitgenossen keineswegs immer eine Vorrangstellung unter den gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikten zugewiesen wurde.63 Diesbezüglich noch einen Schritt weiter gehen die Überlegungen B. Ann Tlustys zum Duell. Vor dem Hintergrund ihrer phänomenologisch ebenfalls weit gefassten Betrachtungen über bewaffnete Kämpfe in der Vormoderne zeigt sie, dass über die Gewaltpraktiken und -logiken in den Ehrenkämpfen keine sinnvolle Abgrenzung des Duells gegenüber anderen (ebenfalls nicht hinreichend voneinander abgrenzbaren) Ehrenkämpfen möglich ist.64 Hiervon ausgehend ist nochmals deutlich zu betonen, dass längst nicht alle verabredeten, regelhaften und mit tödlichen Waffen ausgetragenen Zweikämpfe, bei denen es um Wahrung von Ehre ging, von den Beteiligten als Duelle begriffen wurden.65 Einige neuere Arbeiten relativieren zudem die exklusive Bedeutung des Duells als Ehrstrategie und Gewaltmuster für Adlige und Offiziere als den beiden klassischen Protagonistengruppen des Duells. So betont Stuart Carroll in seiner Studie zu Frankreich, dass das Duell im 16. Jahrhundert nicht nur keine spezifisch adlige Praktik war, sondern darüber hinaus auch keine vom Adel bevorzugt genutzte Strategie der Konfliktregulierung. Vielmehr spielten andere Formen der gewaltsamen Auseinandersetzung eine anhaltend wichtige Rolle.66 Die Etablierung des Duells als Gewaltpraktik führte in Frankreich also zunächst nicht zu einem grundsätzlichen Rückgang anderer Gewaltformen – etwa der Fehde. Vor diesem Hintergrund hat das Duell damit lediglich als eine weitere Möglichkeit in einem Set ganz verschiedener Gewaltmuster des Adels zu gelten, eine herausgehobene Bedeutung des Duells als Strategie in Ehrkonflikten lässt sich daraus nicht ableiten.67 Vergleichbares hat Taylor Scott für Spanien und in Ansätzen Roger R. Manning für England gezeigt.68 Diese Beobachtungen einer großen Varianz der von Adligen genutzten Gewaltformen schließt eine Instrumentalisierung und Deutung des Duells – 63 Spierenburg,
A History of Murder, S. 71–96. The Martial Ethic, S. 106. 65 Zum Duell wurden entsprechende Kämpfe erst, wenn die Beteiligten sie auch als solche bezeichneten oder man sich in der historischen Betrachtung dieser Fälle dafür entscheidet, sie im Zweifel auch im Widerspruch zum zeitgenössischen Verständnis nachträglich als Duell zu etikettieren. Auf dieses methodische Problem wurde bereits in der Einleitung verwiesen. 66 Carroll, Blood and Violence, S. 9 f. u. 307–311. 67 So neben Carroll auch Geifes, Duell, S. 62; Billacois, Le duel, S. 315 u. 397. 68 Taylor, Honor and Violance, S. 17–64; Manning, Swordsmen, S. 193–244. 64 Tlusty,
2. Mitläufer51
etwa als Zeichen adliger Autonomiebestrebungen oder auch als Ausweis royalistischer Gesinnung – keineswegs aus.69 Aber aus solchen Beobachtungen lässt sich eben noch keine grundsätzlich vorrangige Bedeutung des Duells als Handlungsmuster und Bedeutungsträger für den Adel ableiten. Im Lichte der genannten Forschungen stellt sich daher die ganz grundsätzliche Frage, welches Gewicht dem Duell innerhalb der insgesamt möglichen Ehrstrategien für die Gruppen des Adels und der Offiziere überhaupt zugewiesen werden kann. Zugleich wäre vor dem Hintergrund der Ergebnisse der jüngeren Forschung neu zu diskutieren, ob von der Etablierung des Duells in jedem Fall ein befriedender Effekt auf die Gewaltkultur des Adels ausging. Carroll verweist diesbezüglich dann auch bereits auf die Bedeutung zeitgenössischer Mythenbildung in entsprechenden Duellschriften des 16. Jahrhunderts, die in einem deutlichen Widerspruch zur beobachteten Gewaltpraxis stehen und die pikanter Weise später immer wieder als Beleg für die befriedende Wirkung des Duells dienten.70 Zugleich wird deutlich, dass die bislang in der Forschung oft praktizierte isolierte Betrachtung des Duells als Strategie im Ehrenkampf den herausgehobenen Status dieser sozialen Praktik für die Ehre in gewisser Weise erst hervorbringt. So besitzt der Befund, dass Duellen von Seiten der Duellanten – zumal dann, wenn sie über ihre Duelle berichteten – eine besondere Bedeutung als Ehrstrategie beigemessen wurde, letztlich nur eine begrenzte Aussagekraft, denn derartige herausgehobene Bedeutungszuweisungen sind situativ erwartbar. Stattdessen gilt es bei der Frage nach der Bedeutung von Duellen als Ehrstrategie aus einer praxeologischen Perspektive zu berücksichtigen, dass Duelle als eine Option zur Her- und Darstellung der Ehre innerhalb des gesamten Verhaltensspektrums der betrachteten Personengruppen zu verorten sind. Das bedeutet letztlich, dass die eigene Ehre zwar über ein Duell her- und dargestellt werden konnte, man aber keineswegs bei jeder sich bietenden Gelegenheit auf diese Strategie zurückgriff. Dieser Punkt ist für die vorliegende Untersuchung zentral, daher ist es wichtig, näher zu bestimmen, in welchem Verhältnis Ehre und Ehrenkämpfe stehen. Zu diskutieren ist (wieder einmal) die Frage, wie sich Ehre konzeptionell fassen lässt und was dies für ein prinzipielles Verständnis der Funktion und Bedeutung von Ehrenkämpfen heißt.
69 Darauf verweisen etwa Asch, „Honour in all parts of Europe will be ever like itself“; Peltonen, The Duel, S. 146–200. 70 Carroll, Blood and Violence, S. 309 f.
52
II. Vor- und Mitläufer
3. Repräsentationen von Ehre im Duell und andernorts Ehre hat zweifelsohne als ein Grundwert frühneuzeitlicher Gesellschaften zu gelten,71 und Ehrkonflikte gehörten – das haben zahlreiche einschlägige Forschungsarbeiten hinlänglich gezeigt – zum Alltagsgeschäft ihrer Mitglieder.72 Die Feststellung, dass Ehre und Duell etwas miteinander zu tun haben, Ehre ganz grundsätzlich in Ehrenkämpfen her- und dargestellt wurde, vermag dann auch kaum zu überraschen. Aber was ist mit dieser Feststellung an Erklärungskraft erreicht? Denn Ehre ist bekanntlich einer jener catch-all-Begriffe, bei denen die Unbestimmtheit des begrifflichen Gehalts Programm ist.73 Es ist inzwischen vielfältig darauf verwiesen worden, dass sich die Ehre (von Personen oder spezifischen Gruppen) einem definitorischen Zugriff gerade entzieht.74 Stattdessen wurde betont, dass Ehre als ein „kommunikatives Regelsystem“75 zu verstehen ist, als ein „Code der Verständigung über soziale Geltungsansprüche“.76 Verwiesen ist damit darauf, dass die Her- und Darstellung von Ehre in kommunikativen Handlungen erfolgte und derjenige, der „von Ehre sprach und an die eigene Ehre oder die anderer appellierte“, seinen Gesprächspartner nötigte, „sich auf einen bestimmten Diskurs einzulassen“.77 Mit dem Verweis, dass man sich durch ein bestimmtes Verhalten in seiner Ehre gekränkt sah, wurden also einerseits die Handlungen anderer gedeutet und dabei definiert, was man empfand. Andererseits entlastete solch ein Verweis auf eine Ehrkränkung immer auch „von Unsicherheit und bereite[te] Folgehandlungen vor“78: Wer erklärte, in seiner Ehre gekränkt zu sein, musste nicht mehr darüber nachdenken oder gar nachweisen, ob er nun wirklich gekränkt war und worin sein Ehrgefühl eigentlich bestand. Vielmehr konnte man gleich darüber verhandeln, wie die gekränkte Ehre zu schon Münch, Grundwerte, S. 71 f. etwa die Beiträge in Schreiner/Schwerhoff (Hg.), Verletzte Ehre; Backmann u. a. (Hg.), Ehrkonzepte in der Frühen Neuzeit; Kesper-Biermann u. a. (Hg.), Ehre und Recht; Vogt/Zingerle (Hg.), Ehre. Siehe zudem Fuchs, Um die Ehre; De Waart, Ehrenhändel, Gewalt und Liminalität; Simon-Muscheid, Gewalt und Ehre; Dinges, Maurermeister. Diese Liste ließe sich natürlich weiterführen, aber darauf kann an dieser Stelle verzichtet werden. 73 Martin Dinges verglich die Ehre in dieser Hinsicht sehr anschaulich mit dem Monster von Loch Ness, von vielen fast gesehen und irgendwie da, aber eben doch nicht greifbar. Dinges, Die Ehre als Thema der Stadtgeschichte, S. 409. 74 So etwa Schreiner/Schwerhoff, Verletzte Ehre, S. 4–13; Weber, [Art.] Ehre, Sp. 77; Vogt, Zur Logik der Ehre, S. 16–23. 75 Schreiner/Schwerhoff, Verletzte Ehre, S. 9. 76 Asch, Einführung: Adel in der Neuzeit, S. 321. 77 Asch, Einführung: Adel in der Neuzeit, S. 321. 78 Frevert, Gefühle in der Geschichte, S. 204. 71 So
72 Siehe
3. Repräsentationen von Ehre im Duell und andernorts53
sühnen sei. Gerade durch die Benennung seiner Gefühle war der Gekränkte daher in der Lage und im Zugzwang, ein „entsprechendes Verhalten, das seinem Gefühl Konturen und Kohärenz“ verlieh, an den Tag zu legen.79 Diese handlungsgenerierende Wirkung war dabei nicht nur auf denjenigen begrenzt, der die Kränkung seiner Ehre reklamierte, sondern betraf poten tiell alle Kommunikationspartner, mit und vor denen diese Ehrkränkung verhandelt wurde und dies unabhängig davon, ob es sich um den Beleidiger, um indirekt Betroffene oder zufällige Zuhörer handelte. Es ist leicht einsichtig, dass das Wesen der Ehre inhaltlich kaum sinnvoll ab- und eingegrenzt oder gar definiert werden kann, wenn Ehre in dieser Weise als ‚Code der Verständigung über soziale Geltungsansprüche‘ (Ronald G. Asch) verstanden wird. Allerdings ist dies natürlich kein sonderlich befriedigender Zustand, zumal wenn man bei einem Blick in die Akten feststellt, dass die verschiedenen Protagonisten in ihrem Handeln immer wieder auf ‚die‘ Ehre als scheinbar situativ klar benennbaren, zugleich aber von Fall zu Fall auch höchst differenten Bezugspunkt verwiesen. Um diesem Problem zu begegnen und für die vorliegende Arbeit einen analytischen Zugriff zu gewinnen, wird daher vorgeschlagen, Ehre nicht nur als kommunikatives Regelsystem zu begreifen, sondern zugleich analytisch zwischen einer transzendenten, unverfügbaren Fiktion oder Annahme von Ehre und deren Repräsentationen beziehungsweise Vollzugsweisen zu unterscheiden, um damit die verschiedenen Ebenen, auf denen Ehre verhandelt wurde, klarer gegeneinander abzugrenzen.80 Für die Analyse wird dabei zwischen drei Ebenen differenziert: Auf einer ersten Ebene ist eine abstrakte und den Akteuren unverfügbare Fiktion von Ehre als einer Wesenheit zu verorten. Davon zu unterscheiden ist eine zweite Ebene spezifischer Vollzugsop tionen, mit denen diese abstrakte Fiktion der Ehre präsentiert und verfügbar gemacht werden kann. Bei diesen Vollzugsoptionen handelt es sich um kollektive Vorstellungen, die mal mehr mal weniger explizit formuliert waren und die durchaus den Status des Selbstverständlichen beziehungsweise des quasi Faktischen und Naturgegebenen erlangen konnten, freilich ohne dass sie unveränderlich gewesen wären. Vollzugsoptionen lassen sich dabei 79 Frevert,
Gefühle in der Geschichte, S. 204 f. hier betrachteten Zusammenhang ist von Repräsentationen die Rede, weil damit der Frage nachgegangen werden kann, „auf welche Weise und mit welchen Mitteln sowohl kollektive als auch individuelle historische Akteure ihre Sicht der sozialen und kosmischen Ordnung, ihre Identität und ihre Wertvorstellungen zur Geltung gebracht und durchzusetzen versucht haben“, so Günther Wassilowsky in Anlehnung an Roger Chartier. Wassilowsky, Wo die Messe fellet, S. 219. Wassilowsky bezieht sich hierfür auf Chartier, Die unvollendete Vergangenheit, S. 21. 80 Im
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II. Vor- und Mitläufer
grundsätzliche als soziale Normen, als Sollensvorschriften im Sinne von Heinrich Popitz begreifen, durch die Verhalten (von den Normen aus gedacht) reguliert und organisiert wurde.81 Und wie dies für soziale Normen typisch ist, konnten sie sowohl implizit bestehen aber auch stark formalisiert sein. Dieser Ebene der Vollzugsoptionen ist die grundsätzliche Vorstellung zuzuordnen, dass männliche Ehre im Kampf zum Ausdruck gebracht werden kann, Ehre somit in Ehrenkämpfen her- und darstellbar war. Das Konzept von Ehrenkämpfen ist damit als ein Repräsentationsmodus von Ehre zu verstehen. Zu betonen ist, dass er keineswegs der einzig mögliche war, vielmehr bestand daneben eine große Vielfalt anderer Vollzugsoptionen: Hierzu zählt etwa die Repräsentation von Ehre durch ein gottgefälliges Leben, durch einen sittlich-keuschen Lebenswandel (gerade im Fall von Frauen) oder aber einen weit zurückreichenden Familienstammbaum, eine Aufzählung, die sich mühelos erweitern und ausdifferenzieren ließe. Wichtig ist, dass es immer eine Vielfalt von durchaus sehr unterschiedlichen Vollzugsoptionen gab, die allgemein bzw. innerhalb einer bestimmten so zialen Gruppe akzeptiert waren.82 Eine dritte Ebene bildet dann der praktische Vollzug und damit verknüpft das konkrete Zueigenmachen der Vollzugsoptionen der zweiten Ebene durch die Akteure.83 Dieser dritten Ebene zuzuordnen sind dann der Austrag eines Duells beziehungsweise die Deutung eines Kampfes als Duell, die Präsentation einer Person als gläubiger Christ in einer Leichenpredigt oder auf einem Epitaph, der Erhalt der Jungfräulichkeit bis zur Ehe oder aber die Erstellung von Ahnentafeln und -galerien. Diese Vollzüge sind dabei nicht einfach als schlichte Umsetzungen klar umrissener Vollzugsoptionen zu verstehen, denn diese fungierten keineswegs als ‚Gebrauchsanweisungen‘, sondern eher als Hintergrundfolie für die Vollzüge. Die Vollzüge sind vielmehr im Sinne von sozialen Praktiken als von Routinen geprägte Aktivitäten zu begreifen, die durch implizite und sozial akzeptierte Formen des Verste81 Die Existenz sozialer Normen wird dabei mit Heinrich Popitz dann erkennbar, wenn ein Verhalten vier Kennzeichen aufweist: (1) Es ist ein Verhalten, das man als zukünftiges Verhalten erwarten kann; das (2) bestimmten Verhaltensregelmäßigkeiten entspricht; es ist (3) ein gesolltes, desideratives (gewünschtes) Verhalten und schließlich (4) ein Verhalten, das mit einem Sanktionsrisiko bei Abweichungen verbunden ist. Popitz, Soziale Normen, S. 85. Ausführlichere Überlegungen dazu im Kap. III. 3. in dieser Arbeit. 82 In eine ganz ähnliche Richtung argumentiert Taylor, Women, Honor, and Violence, S. 1097. 83 Unter Rückgriff auf die Überlegungen zu den sozialen Praktiken und speziell zu den integrativen Praktiken bei Michael Jonas ließen sich die Vollzugsangebote auch als Organisationsformen der Vollzüge begreifen. Denn die Vollzugsangebote lieferten den Handelnden bestimmte Handlungsnormen und eine spezifische teleo affektive Struktur. Jonas, The social site approach, S. 4 f.
3. Repräsentationen von Ehre im Duell und andernorts55
hens geleitet waren, aber in der Umsetzung durchaus Varianzen aufwiesen.84 Anzutreffen waren aber ebenso Nachrationalisierungen des eigenen Handelns (also der Vollzüge) mit Rückgriff auf die als Ebene zwei angesprochenen Vollzugsoptionen. Der Zusammenhang von Vollzugsoptionen, Vollzügen und schließlich den Nachrationalisierungen dieser Vollzüge mit Rückgriff auf die Vollzugsoptionen gestaltete sich dabei situativ höchst unterschiedlich. Wobei nochmals herauszustellen ist, dass Ehrenkämpfe immer nur eine Möglichkeit unter vielen waren. Ganz grundsätzlich ist mit Blick auf den präsentierten analytischen Zugriff zu betonen, dass im Zuge der Verständigung über soziale Geltungsansprüche die unverfügbare Fiktion von Ehre durch den Rückgriff auf verschiedene Vollzugsoptionen und durch die konkreten Vollzüge verfügbar gemacht wurde. Ehre wurde also durch die Vollzugsoptionen und Vollzüge für den Augenblick vom transzendenten Gut zum konkret verhandelten Faktum. Dabei legitimierten, bestätigten und aktualisierten sich die Vollzugsoptionen und Vollzüge sowie die transzendent gestellte Fiktion von Ehre wechselseitig: Durch die Vorstellung, dass verletzte Ehre im Duell gesühnt und wiederhergestellt werden könne, und durch den konkret vollzogenen Ehrenkampf wurde die Existenz und die Bedeutung der unverfügbaren Fiktion von Ehre bestätigt, denn im Namen dieser Fiktion wurde ja gekämpft. Zugleich gewann ein Kampf durch den Verweis auf die Ehre (zumindest im Nachhinein) einen spezifischen, gegebenenfalls auch neuen Sinn für die verschiedenen Akteure: Es wurde nicht (mehr oder nur) aus Rache, Habgier oder der Lust an der Aggression gekämpft, sondern weil man der Meinung war, die eigene Ehre zu verteidigen! Was heißt das mit Blick auf die Erfassbarkeit von Ehre und damit für die Untersuchung von Ehrenkämpfen? Das heißt zunächst einmal, dass die transzendente Fiktion von Ehre zwar formal als Ebene markiert werden kann – aber diese Ebene bleibt einem analytischen Zugriff und damit auch konkreten Darstellungen grundsätzlich entzogen. Deutlich wird dies nicht 84 Soziale Praktiken können dabei mit Andreas Reckwitz als „ein Ensemble miteinander verknüpfter, regelmäßiger Aktivitäten der Körper“ gefasst werden, „die durch implizite und geteilte Formen des Verstehens und Wissens zusammengehalten werden“. Durch die Frage nach sozialen Praktiken wird die Aufmerksamkeit damit auf implizite Formen des Verstehens und Wissens (know-how) gelenkt, demgegenüber tritt ein explizierbares Aussagewissen (knowing-that) in den Hintergrund. Wobei festzuhalten ist, dass selbst dann, wenn es explizite Regeln gibt, „die in einem Handlungsfeld als relevant angegeben werden“, diese den „impliziten Kriterien in keiner Weise entsprechen müssen“. Reckwitz, Grundelemente, S. 289 u. 292. Zum Konzept sozialer Praktiken als methodischem Zugriff siehe auch Schmidt, Soziologie der Praktiken; Jonas, The social site approach; Reckwitz, Unscharfe Grenzen. Zur Anwendung des Konzepts in der Frühneuzeitforschung siehe die Beiträge in Brendecke (Hg.), Praktiken.
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II. Vor- und Mitläufer
zuletzt daran, dass Ehre jenseits des Wortes nicht in sprachlichen Vollzügen beschreibbar ist. Die abstrakte Ebene der Ehre bildet somit eine transzendente Bezugsgröße, aus der sich gerade aufgrund ihrer Unverfügbarkeit Legitimität ableiten ließ, da sie in ihrer Bedeutung nicht verhandelbar war.85 Gleichwohl konnte und wurde auf diese Fiktion verwiesen. Doch analytisch erfassbar sind nur Vollzugsoptionen und Vollzüge. Der vorgestellte Ansatz ermöglicht damit ganz grundsätzlich eine Erfassung und Systematisierung der Erscheinungsformen des Phänomens Ehre über die Frage nach den bestehenden Vollzugsangeboten und Vollzügen, wobei die Vielfalt dieser Erscheinungsformen nicht zum Problem wird, sondern zum zentralen Charakteristikum der Ehre in frühneuzeitlichen Gesellschaften erhoben werden kann. Denn für diese ist typisch, dass es zeitgleich ganz unterschiedlich ausgestaltete Vollzugsoptionen und auch Vollzüge gab, die jeweils auf die Ehre als gemeinsamen transzendenten Bezugspunkt rückverwiesen, ohne dass sie dafür miteinander abgestimmt sein mussten. Auf diese Weise werden schlüssige Erklärungen für Uneindeutigkeiten und Widersprüche möglich. Und dies auch dann, wenn in den einzelnen Vollzugsangeboten und Vollzügen ein absoluter Geltungsanspruch erhoben wurde, denn dieser Geltungsanspruch reichte letztlich nicht über das konkrete Vollzugsangebot beziehungsweise den konkreten Vollzug hinaus.86 Allerdings lässt sich durchaus beobachten, dass bestimmte Vollzugsangebote in bestimmten sozialen, zeitlichen und räumlichen Konstellationen von größerer Bedeutung waren als andere und dementsprechend auch für die konkreten Vollzüge innerhalb spezifischer Gruppen eine besondere Relevanz hatten.87 Diese Beobachtung macht deutlich, dass sich mit dem vorgestellten Ansatz auch Wandel sinnvoll beschreiben lässt. 85 Konzeptionell zum hier verwandten weiten Begriffsverständnis von Transzendenz Vorländer, Transzendenz und die Konstitution von Ordnungen, S. 5–19. 86 Verwiesen ist damit auf die Differenz zwischen Pluralität und Pluralisierung, das Nebeneinander verschiedener Vollzugsangebote i. S. einer Pluralität ist eben noch nicht Pluralisierung, mit der angesprochen ist, dass das einzelne Vollzugsangebot in seinem Geltungsanspruch nicht mehr absolut gesetzt wurde, sondern das Nebeneinander verschiedener Vollzugsangebote im einzelnen Vollzugsangebot mitreflektiert wurde. Auf die grundsätzliche Bedeutung dieser Unterscheidung haben vor allem die Arbeiten aufmerksam gemacht, die im Rahmen des SFB 573 „Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit“ entstanden sind. Siehe dazu die Beiträge in Höfele u. a. (Hg.), Die Frühe Neuzeit. Zum konzeptionellen Ansatz des Sonderforschungsbereichs siehe auch Zwierlein, Pluralisierung und Autorität. Auf die Differenz zwischen Pluralität und Pluralisierung und deren tendenzielle Bedeutung als Epochendifferenz verweist bereits Stollberg-Rilinger, Einleitung. 87 Erkennbar wird dies etwa an der immer größeren Bedeutung von adligen Stammbäumen im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts, mit denen mit zunehmender Tendenz die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppierungen des Adels belegt werden mussten. Mit dieser Entwicklung ging eine entsprechende Aufwertung des Voll-
3. Repräsentationen von Ehre im Duell und andernorts57
Vor dem Hintergrund der Überlegungen zu den Vor- und Mitläufern wie auch zum konzeptionellen Verständnis von Ehre stellt sich die Frage nach dem Aufkommen und der Etablierung des Duells als einer Form des Ehrenkampfs in neuer Weise. Denn es ist nicht davon auszugehen, dass die als Duell etikettierten Konflikte ohne Weiteres als etwas genuin Neues oder Anderes begriffen wurden, da die mit dem Duell gemeinhin verbundenen Praktiken keineswegs neu waren, sondern dem weit verbreiteten Ideal des ehrlichen Kampfes zuzurechnen sind. Um Aufkommen und Etablierung des Duells im Alten Reich als Transformationsprozess zu untersuchen, muss daher nach diskursiven Um- und Neudeutung von Handlungen und nach deren Formierung zu einem klar abgrenzbaren und dadurch neuen Vollzugsangebot von Ehre gefragt werden. Am Ende wird das Duell im deutschsprachigen Raum der uns so vertraut erscheinende „verabredete, regelhafte und mit tödlichen Waffen ausgefochtene“ Zweikampf sein, bei dem „es um die Wahrung der Ehre“ ging.88 Bislang offen ist jedoch die Frage, wie das Duell überhaupt dazu wurde und welche Variationen sich auf dem Weg dorthin finden lassen. Antworten darauf soll das nächste Kapitel liefern.
zugsangebots einer Repräsentation adliger Ehre im dokumentierten Herkommen und der darauf aufbauenden Vollzüge in Form der vermehrten Anlage von Stammbäumen und Ahnengalerien einher. Zu dieser Entwicklung siehe Harding/Hecht, Ahnenproben. Generell zu der damit angesprochenen Bedeutung von Tradition und dem Problem des Traditionsbruchs die Überlegungen bei Wrede/Carl, Adel zwischen Schande und Ehre. Zugleich finden sich natürlich auch Bedeutungsrückgänge einzelner Vollzugsangebote und Vollzüge – klassisch im hier interessierenden Kontext ist etwa die rückläufige Bedeutung militärischer Erfahrungen und Erfolge für die Repräsentation adliger Ehre seit dem 15. Jahrhundert, eine Entwicklung, die eng mit veränderten militärischen Strategien (Söldner- statt Ritterheere) verknüpft war. Stattdessen gewann bekanntlich der Hof- und Staatsdienst als Betätigungsfeld an Bedeutung. So ließ sich etwa verstärkt mit der Übernahme bestimmter Funktionen der eigene Ehrstatus demonstrieren. Siehe dazu im Überblick Asch, Europäischer Adel, S. 193–234. 88 So die Definition bei Frevert, [Art.] Duell, Sp. 1165. Ganz ähnlich Spierenburg, A History of Murder, S. 71 f.; Walter, Das Duell in Bayern, S. 4–10.
III. Das Duell im Alten Reich Mit Blick auf das Duell als europäisches Phänomen lässt sich ausgehend von der bisherigen Forschung zwar eine zeitliche und räumliche Verbreitung skizzieren,1 allerdings ist bislang weitgehend offen, inwieweit sich die Duellkulturen der verschiedenen Länder – auch jenseits der grundsätzlichen Verbreitung – gegenseitig beeinflussten. Die Forschung steht hier erst am Anfang. Ausgehend von der bisherigen Studien können bei der Verbreitung des Duells fünf verschiedene ‚Länder-Generationen‘ ausgemacht werden: Dabei haben die Territorien und Stadtstaaten auf der italienischen Halbinsel, für die sich erste Hinweise auf Duelle als eine neu verstandene bzw. bezeichnete Praktik des Ehrenkampfes spätestens an der Wende zum 16. Jahrhundert finden,2 als erste Generation zu gelten. Räumlich verbreitete sich die Idee bzw. das Wort Duell schon im Zuge seiner Entstehung auf der italienischen Halbinsel. So finden sich bereits in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts Hinweise für Frankreich, für das mitunter auch geltend gemacht wird, dass sich das Duell hier zur gleichen Zeit wie in Italien herausbildete.3 Bald darauf folgte Spanien.4 Zentrale Bedeutung für diese schnelle Verbreitung wird dabei den Italienischen Kriegen zugewiesen, in denen spanische und französische Offiziere die Idee des Duells kennengelernt und übernommen haben sollen. Insgesamt lassen sich Frankreich und Spanien im Unterschied zu Italien zu einer Ländergruppe – den Ländern der zweiten Generation – zusammenfassen, in der das Duell etwa in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als etablierter Begriff für Ehrenhändel in den zeitgenössischen Diskussionen und dann auch in den Gerichtsakten auftauchte. 1 Die gesamteuropäische Dimension betonen Asch, „Honour in all parts of Europe will be ever like itself“; Kiernan, The Duel in European History, bes. S. 68–91. 2 Spierenburg, A History of Murder, S. 72, spricht davon, dass die Italiener das formale Duell im 16. Jahrhundert ‚erfinden‘. Vgl. auch Bryson, The Sixteenth-Century Italien Duel, bes. S. xxi-xxviii; Quint, Duelling and Civility in Sixteenth-Century Italy, bes. S. 235 f. 3 Vgl. Billacois, The Duel, S. 15. Anzumerken ist, dass Billacois bereits an dieser Stelle darauf verweist, dass in dieser Zeit nur ein neues, im Französischen fortan gebrauchtes Wort für eine viel ältere Praktik aufkam. Weitere Schlüsse hat er aus dieser Feststellung allerdings nicht gezogen. Prokowsky, Die Geschichte der Duellbekämpfung, S. 10–22, betont hingegen eine eigenständige Entwicklung in Frankreich. 4 Taylor, Honor and Violence, S. 21–32.
III. Das Duell im Alten Reich59
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts etablierte sich das Duell dann in England. Entscheidend hierfür waren weniger personengetragene Transfers, sondern die aus dem Italienischen, Lateinischen, Französischen und Spanischen ins Englische übersetzten Duellschriften, später traten englische Autoren hinzu.5 Hinweise auf ausgetragene Duelle in England finden sich dann ab den 1570er Jahren.6 Von England ausgehend gelangte das Konzept Duell im letzten Drittel des 16. Jahrhunderts zudem nach Irland. Wobei für Irland betont wird, dass das Duell mit den englischen Truppen ins Land kam und sich dort mitsamt der neuen Herrschaftselite etablierte.7 In dieser Zeit finden sich ebenfalls erste Belege für die Niederlande, hier ist ein Transfer über Spanien anzunehmen.8 England, Irland und auch die Niederlande können als Beispiele für Länder der dritten Generation gelten. Im frühen 17. Jahrhundert wanderte das Duell dann weiter nach Norden und Osten: Nun finden sich Hinweise auf Duelle in den Ländern des Alten Reichs, in Dänemark und Schweden.9 Diese Länder lassen sich zu einer vierten Generation zusammenfassen. Als Nachzügler ist Russland anzusehen – denn hier hielt die Idee des Duells erst im ausgehenden 17. bzw. frühen 18. Jahrhundert Einzug. Entscheidend hierfür war die Übernahme westlicher Duellmandate und dies bemerkenswerterweise trotz einer fehlenden Zweikampfkultur des Adels. Denn dieser kämpfte bei entsprechenden Konflikten gerade nicht selbst, sondern schickte Stellvertreter ins Feld.10 In zeitlicher Perspektive hat Russland – im Übrigen ähnlich wie die Kolonien in Nordamerika beziehungsweise später die Vereinigten Staaten11 – als Land einer fünften Generation zu gelten. dazu Peltonen, The Duel, bes. S. 17–19. The Taming of the Duel, S. 525. Zur englischen Entwicklung auch Manning, Swordsmen, S. 193–244. 7 Kelly, ‚That Damn’d Thing Called Honour‘, S. 24–42. 8 Raeymaekers, Grosses Querelles & Haines Mortelles, bes. S. 319 f. Allerdings verweist Dries Raeymaekers hier explizit darauf, dass in den Niederlanden kein für das Duell günstiges ‚Klima‘ herrschte. 9 Für das Alte Reich sei nur exemplarisch verwiesen auf Frevert, Ehrenmänner, S. 22 f.; Ludwig, Das Recht als Medium des Transfers; für Dänemark Pedersen, På Liv og Død, S. 36 f. Allerdings ist hier zu beachten, dass Pedersen einen sehr unklaren Duellbegriff vertritt und nur bedingt eine Unterscheidung zwischen Duellen und anderen Ehrenkämpfen vornimmt, so dass er mitunter Beispiele aus dem 16. Jahrhundert als Duelle ‚umetikettiert‘. Zu Schweden Collstedt, Duellanten och Rättvisan; Ludwig, Rituale der Vergemeinschaftung; Lorenz, Duell oder Balgerey. 10 Siehe bspw. Reyfman, Ritualized violence Russian style, S. 141–158; Häfner, „Ehrensache“; Zakharine, Von Angesicht zu Angesicht, S. 297–301. 11 Zu Nordamerika siehe Fleming, Duel; Williams, Dueling in the Old South; Chamberlain, Pistols, Politics and the Press; Cramer, Concealed Weapon Laws of the Early Republic; Greenberg, The Nose, the Lie, and the Duel. Hinweise auf weitere Transferprozesse über die Kolonialmächte in Südamerika, Asien und Afrika 5 Vgl.
6 Shoemaker,
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III. Das Duell im Alten Reich
Dieser knappe Überblick, für den kein Anspruch auf Vollständigkeit erhoben werden soll, zeigt dreierlei: Zum einen wird deutlich, dass das Duell in der bisherigen Forschung vornehmlich als Phänomen Zentral- und Westeuropas in den Blick geraten ist, gerade der Osten und Südosten Europas – abgesehen von Arbeiten zu Russland – stand bislang weniger stark im Fokus. Dass sich das Duell als Praktik auch in diesen östlichen Regionen nachweisen lässt, ist anzunehmen, kann aber aufgrund fehlender Forschung nicht näher ausgeführt werden. Zum anderen legt die schrittweise Ausbreitung des Duells nahe, dass im Zuge der Expansion des Duells nicht nur verschiedene Transformationsprozesse auszumachen sind, sondern sich auch das Verständnis dessen, was unter einem Duell begriffen wurde, entsprechend der regional differenten Gegebenheiten unterschieden und zugleich immer wieder wechselseitig beeinflusst und so verändert haben dürfte.12 Eine europäische Duellkultur, im Sinne einer territorial übergreifenden Lesart des Phänomens, bildete sich – das sei als These der Arbeit bereits vorweggenommen – erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts heraus. Zuvor einte das Duell vor allem die gemeinsame Bezeichnung als solches.13 Drittens zeigt der Überblick, dass das Aufkommen des Duells im Alten Reich zu einem Zeitpunkt anzusetzen ist, zu dem in anderen Regionen Europas bereits stärker ausdifferenzierte Konzepte des Duells bestanden haben. Umso bemerkenswerter ist es, dass sich das Duell gerade nicht als fertiges Konzept verbreitete! Wie sich stattdessen Aufkommen und Etablierung des Duells im Alten Reich als Prozess der Transformation erfassen und beschreiben lässt und was dies für unser Verständnis des Duells in europäischer Perspektive heißt, wird nun im Folgenden genauer umrissen.
liegen m.W. noch nicht vor. Duelle sind aber zumindest als Phänomen innerhalb der Kolonialarmeen anzunehmen; inwieweit das Duell als kulturelle Praktik auch von Seiten der indigenen Bevölkerung übernommen wurde oder aber bereits bestehende Praktiken als Duell umetikettiert wurden, bedarf ebenso noch weiterer Forschungen. 12 Böhme, Einladung zur Transformation, S. 11, hat darauf verwiesen, dass Transformationen Dynamiken der kulturellen Produktion generieren, „in denen immer auch das verändert wird, was der Transformation voraus liegt, worauf sie sich reflexiv bezieht und was erst im Laufe der Transformation erzeugt und spezifiziert wird“. 13 Duell in Deutsch, Norwegisch und Schwedisch; duel in Dänisch, Englisch, Französisch, Niederländisch oder Rumänisch; duel(l)o in Spanisch, Portugiesisch und Italienisch; im Russischen дуэль und дуэл in Bulgarisch. Anders hingegen in: Polnisch (pojedynek). Tschechisch (souboj); Ungarisch (párbaj) und immerhin mit Betonung der Zweierkonstellation (dvo, дbо = zwei) Kroatisch (dvoboj) bzw. Serbisch (дbобoј).
1. Am Anfang war das Wort! 61
1. Am Anfang war das Wort! a) Theologische Mahner und rechtliche Vorbilder Eine Antwort auf die Frage nach dem Anfang des Duells im Alten Reich ist schwierig. Denn – so ließen sich die folgenden Überlegungen als These zuspitzen – am Anfang stand eben nicht die Übernahme einer neuen Praktik, sondern lediglich die Übernahme eines neuen Worts für eine altvertraute Handlungsweise. Und darüber, ob mit dem Aufkommen eines neuen Begriffs für eine alte Sache wirklich etwas Neues beginnt, lässt sich sicher streiten. Aber festzuhalten bleibt, dass im Kontext von Gewalt- und Ehrenhändeln, die ihrerseits keineswegs als neuartige Erscheinung zu gelten haben, im frühen 17. Jahrhundert das Wort Duell im deutschen Sprachgebrauch erstmals auftauchte und zunächst synonym zu anderen, bereits seit Langem in der deutschen Sprache etablierten Begriffen gebraucht wurde. So ließ beispielsweise Zachaeus Faber, Superintendent und Pfarrer zu Chemnitz, 1625 eine „Warnungsschrifft wider die Duella“ drucken, so heißt es zumindest in der Dedikation der Druckschrift für Bürgermeister und Rat der Stadt Chemnitz.14 Jenseits dieses Widmungsvermerks findet das Wort Duell allerdings noch kaum Verwendung im Text. Stattdessen mahnte Faber eindringlich vor dem Provozieren, Ausfordern, Balgen, Stechen und „Kugelnwechseln“.15 Es ging Faber also nicht um ein neues, sondern um ein allgemein bekanntes Problem, denn eben jenes Provozieren, Ausfordern, Balgen, Stechen und „Kugelnwechseln“ war für ihn ein „grobes himmelschreyendes Laster“ und selbst „die albern Kinder wissen / daß es Sünde vnd vnrecht ist“.16 Wieso Faber das Wort Duell für die Zuschrift wählte und nicht Ausfordern oder Balgen und warum der neue Begriff Duell sonst im Text kaum vorkommt, lässt sich freilich nicht klären, sondern zunächst einmal nur feststellen. Dass im frühen 17. Jahrhundert mit dem neuen Begriff kein neues Phänomen beschrieben wurde, zeigte sich auch im Rahmen der pommerschen Landtagsverhandlungen von 1616. Auf diesem Landtag wurde eine der ersten deutschen Gesetzesinitiativen in Sachen Duell diskutiert. Ausgangspunkt der Diskussion war die Proposition zum Landtag, in der Herzog Philipp II. von Pommern-Stettin gegenüber den Ständen erklärte, dass er gewillt sei, „denen häufigen Todtschlägen so aus denen duellen entstehen, 14 Faber,
Antimonomachia, Bl. Aib. die Bezeichnung der verhandelten Sache im Titel der Schrift: Faber, Antimonomachia, Titelbl. 16 Faber, Antimonomachia, Bl. A b. ii 15 So
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III. Das Duell im Alten Reich
abzuhelfen“.17 Hierfür rief er die Stände auf, „das jenige, so wir auf dem Treptowischen Landtage Ao 1608 dieses puncts halben proponirn laßen nochmahln in reifflicher betrachtung [zu] ziehen“.18 Dieser Hinweis auf den Treptower Landtag 1608 zeigt klar an, dass man 1616 nicht über ein neues Problem verhandelte. Im Landtagsabschied von 1608 war dann auch wirklich bereits beklagt worden, dass die „Todtschlage und entleibungen […] trefflich überhandt genommen“ hätten und gerade unter denen von Adel in den „letzten vier oder fünf Jahren, über zwantzig öffentliche Todtschläge ohne die, so noch nicht kundt worden“, vorgefallen wären. 1608 hatte Philipp II. daher gefordert, die bestehende Halsgerichtsordnung von 1588 erneut einzuschärfen, bei Totschlägen keine gütlichen Einigungen mehr zuzulassen und auch sonst „fleißig [zu] erwegen […], wie solchen Unrath zu steuren“ sei. Zudem sollte geprüft werden, ob nicht einschlägige Verordnungen aus „andern Chur und Fürstenthümbern“ übernommen werden könnten.19 Doch als Duelle – das ist zu betonen – wurden die kritisierten Gewalttaten und Totschläge 1608 noch nicht bezeichnet! Da diese Maßnahmen offenbar nicht zu einer Lösung des Problems geführt hatten, sah sich der Landesherr 1616 wieder vor der Aufgabe, etwas gegen den streitsüchtigen Adel zu unternehmen. Mit Blick auf die Praktiken frühneuzeitlicher Normsetzung kann der Vorgang bis hierhin kaum als ungewöhnlich gelten.20 Die steten Klagen über immer gleiche Probleme waren in nahezu allen Bereichen des vormodernen Rechts anzutreffen und etablierten sich zugleich als feststehendes Argument in den Begründungen für neue Normsetzungen.21 Neu war 1616 lediglich, dass man das als problematisch angesehene Verhalten plötzlich als Duell bezeichnete. Interessant ist, dass im Fall der pommerschen Landtagsverhandlungen von 1616 für die Frage, wieso hier plötzlich ein neuer Begriff benutzt wurde, auch eine Antwort angeboten werden kann: Denn man hatte 1616 zwar ein altes Problem, aber zugleich auch neue Vorbilder in der Norm17 StA Stralsund, Rep. 13, Bd. 357, Landtagsabschied zu Alten-Stettin vom 18. März 1616, Bl. 15a (eigene Zählung). 18 StA Stralsund, Rep. 13, Bd. 357, Landtagsabschied zu Alten-Stettin vom 18. März 1616, Bl. 15a (eigene Zählung). 19 StA Stralsund, Rep. 13, Bd. 351, Landtagsabschied zu Treptow an der Rega vom 8. März 1608, Bl. 20b (eigene Zählung). 20 Auf die grundlegende Bedeutung des Normenaustauschs im Spätmittelalter und in der Frühe Neuzeit für die Erstellung ‚neuer‘ Normen und die dabei zu beobachtenden Übernahmen, Adaptionen oder auch Anregungen aus Beispielnormen verweist Bulst, Normative Texte. 21 Mit Blick auf die Policeygesetzgebung hat darauf verwiesen Landwehr, Rhetorik.
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setzung.22 Und so verwies Philipp II., statt bereits Vorhandenes einfach zu wiederholen oder einschlägige Verordnungen aus benachbarten Territorien zu übernehmen, auf das „exempel des Königs in Franckr[eich] Hinr[ich] IV. und deßen löbl[iche] anordnung“ gegen das Duellieren von 1609. Wie „hertiglich“ das Duellieren in Frankreich bestraft werde, konnten die anwesenden Ständevertreter dabei einer der verschickten Proposition beiliegenden deutschen Übersetzung des besagten französischen Gesetzes von 1609 entnehmen.23 Philipp hoffte nun, da „solch Edict der mächtigen Cron Franckreich practicierlich gewesen“ sei, dass auch in Pommern „mittelß scharffer Mandaten und animadversion24 [die] leute von den balgereyen“ abgehalten werden könnten.25 Kennengelernt hatte Philipp II. dieses Gesetz höchstwahrscheinlich über eine kleine theologische Schrift: Es handelt sich um den Fried Bott des Theologen Matthias Hafenreffer26, der 1613 in einer Tübinger Ausgabe erschienen war.27 In dieser Neujahrspredigt mahnte Hafenreffer eindringlich und vorgeblich aus aktuellem Anlass,28 dass das „haddern / zan22 Natürlich gab es auch im deutschen Rechtsraum Vorläufer zu den späteren Duellmandaten. Am prominentesten sind zweifelsohne die Bestimmungen gegen das Ausfordern. Siehe etwa Kursächsische Konstitutionen 1572, Teil 4, Art. IX. Dieser Artikel wurde später mitunter sogar zum ersten sächsischen Antiduellgesetz umetikettiert. So etwa bei Zedler, [Art.] Zweykampf, Selbst-Kampf, Balgen und Rauffen oder, Duell, Sp. 1388 f. 23 StA Stralsund, Rep. 13, Bd. 357, Landtagsabschied zu Alten-Stettin vom 18. März 1616, Bl. 15a–16a (eigene Zählung). 24 Dieser Begriff ist abgeleitet von lat. animadversio, hier i. S. von Bestrafung. 25 StA Stralsund, Rep. 13, Bd. 357, Landtagsabschied zu Alten-Stettin vom 18. März 1616, Bl. 16a, b (eigene Zählung). 26 Matthias Hafenreffer (1561–1619) als Sohn eines Schultheißen in Kloster Lorch (Württemberg) geboren, besuchte zunächst die Klosterschulen in Lorch, St. Georgen und Hirschau und studierte seit 1579 in Tübingen Philosophie und Theologie. Er wurde 1581 Magister, 1583 Repetent, 1586 Diakon in Herrenberg, 1588 Pfarrer in Ehningen, 1590 Hofprediger und Konsistorialrat in Stuttgart. Seit 1590/92 war er Doktor der Theologie und Professor an der Universität Tübingen, wo er zudem ab 1612 als Dekan und ab 1617 als Kanzler fungierte. Hafenreffer war Schwiegersohn des schwäbischen Reformators Johannes Brenz und ist bekannt als Vertreter der nachkonkordistischen lutherischen Orthodoxie. Vgl. Fausel, [Art.] Hafenreffer; Bautz, [Art.] Hafenreffer. 27 Hafenreffer, Fried Bott 1613. 28 Hierzu heißt es gleich zu Beginn, es hätten „mitten in solcher seeligen freudenreichen zeit/inn vnd ausser der Statt/ettliche vnseelige beschwerliche Schlaghändel vnd verletzungen“ stattgefunden. Hafenreffer, Fried Bott 1613, S. 4. Kaum zu entscheiden ist dabei allerdings, wie sehr der von Hafenreffer genannte Anlass rhetorisch übliche Einleitung war oder doch Mahnung angesichts bestehender und als Missstand für die Gemeinschaft wahrgenommener Gewalt im städtischen Raum. Vgl. hierzu die Überlegungen zu den in Rechtsnormen formulierten ‚drängenden
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cken / Balgen […] schmehen / verlestern / verletzen / oder gar erwürgen vnd vmbbringen“ des Nächsten eine Sünde sei.29 Zwar werden diese Händel von Hafenreffer noch nicht als Duell bezeichnet, allerdings war seiner Predigt im Druck als Vorbild und Mahnung für die Obrigkeit eine Zusammenfassung von eben jenem Edikt Heinrichs IV. beigegeben, auf das auch Philipp II. in seinen Ausführungen verwiesen hatte. Diese Schrift Hafenreffers wurde mutmaßlich auf Befehl des Herzogs, zumindest aber auf ausdrückliche Anordnung in seinem Namen, 1615 – und damit ein Jahr vor den Landtagsverhandlungen 1616 – in einer Stettiner Fassung neu aufgelegt.30 Beigegeben war dem Stettiner Fried Bott im Unterschied zur Tübinger Erstausgabe allerdings nicht mehr nur eine Zusammenfassung des französischen Duelledikts, sondern ein ins Deutsche übersetzter Nachdruck desselben. Eine Neuerung, die extra auf dem Titelblatt vermerkt worden war.31 Zurückgegriffen wurde hierfür mutmaßlich auf einen der im Reich umlaufenden Drucke der deutschen Übersetzung dieses Edikts,32 vielleicht wurde zudem ergänzend mit einer französischen Vorlage gearbeitet. Im Falle der Missständen‘, die eine normative Regelung dringend geboten hätten: Landwehr, Rhetorik; Schilling, Gesetzgebung als Kommunikation. 29 Hafenreffer, Fried Bott 1613, S. 5. 30 Entsprechende Akten hierzu haben sich m.W. nicht erhalten. Auf eine ‚Mitwisserschaft‘ Philipps II. bzw. seines unmittelbaren Beraterkreises kann aber geschlossen werden, weil es auf dem Titelblatt heißt: „Auff sonderbaren Fürstlichen Befehl/Nachgedruckt zu Stettin“. Vgl. Hafenreffer, Fried Bott 1615, Titelbl. 31 Hier heißt es: „Neben beygefügten Edict Königlicher Maj. in Franckreich und Navarren/[et]c. Den Hochschädlichen/Unchristlichen Mißbrauch des Kämpffens und Balgens/Mann gegen Mann/betreffend: So bey dem Parlement zu Pariß/den 27. Junij Annno 1609 […] publicirt worden“. Hafenreffer, Fried Bott 1615, Titelb. 32 Bekannt sind mir zwei Fassungen, die anhand des Titelkupfers zu unterscheiden sind. In der einen Ausgabe ist lediglich das Wappen des Königreichs Frankreich auf dem Titelblatt abgedruckt (z. B. Exemplar in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek Weimar, Signatur: 7,2:41), in der anderen unter einer gemeinsamen Krone die Wappen der Königreiche Frankreich und Navarra (z. B. Exemplar in der Württembergische Landesbibliothek Stuttgart, Signatur: Kirch.G.qt.297). Die Übertragung des Edikts ins Deutsche steht zudem nicht allein. Vgl. etwa die 1609 mit königlichem Patent erschienene englische Fassung: [Henry IV.], An edict or statute lately set foorth by the French King, concerning the prohibition and punishment of single and priuate combats. Die im Stettiner Fried Bott abgedruckte Fassung deckt sich bis auf einige Buchstaben, deren Änderung wohl in erster Linie auf andere schriftsprachliche Gewohnheiten zurückgehen dürfte, mit dem deutschen Druck des französischen Edikts. Unterschiede finden sich z. B. bei der Groß- und Kleinschreibung, bei der Dopplung von Konsonanten (z. B. vnnd vs. vnd; Vätter vs. Väter) und mitunter bei dem Zusatz oder der Streichung von Präpositionen oder Ähnlichem (etwa: zu). Verglichen wurde der Abdruck des Gesetzes in der 1615er Ausgabe des Fried Botten mit dem Druck der deutschen Übersetzung des französischen Edikts aus der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (Sign. Kirch.G.qt.297).
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neuen Begrifflichkeit auf dem pommerschen Landtag lässt sich also zumindest mutmaßen, dass das Duelledikt Heinrichs IV. bzw. die Bußpredigt Hafenreffers den Anstoß dafür geliefert haben könnte, das gewalttätige Verhalten des Adels unter neuen Vorzeichen zu betrachten und vielleicht in Anlehnung an den französischen Titel des Edikts (Edict du Roy sur la prohibition et punition des querelles et duels) von Duellen zu sprechen. Der Vollständigkeit halber erwähnt sei, dass Philipp II. keinen Erfolg mit seinem Anliegen bei den pommerschen Ständen hatte, da half ihm offenbar auch sein berühmtes Vorbild nicht. Der Misserfolg verwundert indes kaum, gerade wenn man bedenkt, dass der Landesherr in erster Linie die Gewalthändel unter Adligen im Visier hatte; Adlige, die in großer Zahl auf dem Landtag vertreten waren und schlicht ihre Zustimmung verweigerten. Und so hieß es im Landtagsabschied zu diesem Punkt vermittelnd, dass man zwar hinreichende Gründe gehabt hätte, wegen des „unzeitigen ausforderns und provocirens zum raufen und balgen“ scharfe Erlasse zu verabschieden, man aber doch befunden hätte, „daß bey jetztigen weltlauff solches nicht beizubringen“ sei. Man beließ es dabei, die Herren der Ritterschaft nochmals „ernstlich“ zu ermahnen, dass sie sich künftig um eine zügige Schlichtung bemühen sollten, wenn zwischen anderen Adligen beim Trunk „unwill und zanck“ entstünde.33 Diese Erklärung im Landtagsbeschluss – in der das Wort Duell wieder fehlt – zeigt dabei zugleich an, dass das Duell keineswegs zum neuen Schlagwort geworden war. Der Begriff war aber offenbar allgemein bekannt, denn sonst hätte man ihn neben Rauferei, Balgerei etc. nicht so problemlos verwenden können. Jenseits der Frage nach dem Erfolg der Gesetzesinitiative durch Philipp II. bleibt also festzuhalten, dass es 1616 selbst im abgelegenen Pommern verstanden wurde, wenn Raufhändel und Balgereien als Duell bezeichnet wurden. Nur schwer abzuschätzen ist, welchen Anteil an diesem Verständnis der Umstand hatte, dass man im Fall des Lehnworts Duell mit einem grundsätzlichen Vorverständnis rechnen konnte, welches aus dem bereits bekannten lateinischen Begriff duellum resultierte.34 Allerdings konnte im frühen 17. Jahrhundert nahezu jede Form der Auseinandersetzung mit Zweierkonstellation als duellum bezeichnet werden, es musste sich bei einem duellum also keineswegs um einen mit Waffen ausgetragenen Kampf handeln. Ge33 StA Stralsund, Rep. 13, Bd. 357, Landtagsabschied zu Alten-Stettin vom 18. März 1616, Bl. 80b (eigene Zählung). 34 Weniger einflussreich dürften hingegen das französische duel bzw. das italienische duello gewesen sein. Dies hing damit zusammen, dass hier bereits die uns vertraute engere Wortbedeutung dominierte, aber entsprechende Buchimporte für den deutschen Raum nicht nachweisbar sind. In den einschlägigen zeitgenössischen Wörterbüchern wurde duel bzw. duello – wenn es überhaupt auftaucht – mit Schlägerei, Balgerei etc. übersetzt.
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braucht wurde das Wort zumeist schlicht im Sinne von Streitgespräch, von Kampf zwischen Gut und Böse oder als Bezeichnung für das Ringen mit sich selbst um den rechten Weg.35 Eine spezifischere Wortbedeutung findet sich natürlich beim gerichtlichen Zweikampf (iudicium pugnae), der mitunter (keinesfalls immer oder auch nur oft) als duellum bezeichnet wurde.36 Allerdings war der gerichtliche Zweikampf in der Rechtspraxis seit dem 15. Jahrhundert bedeutungslos geworden.37 Eine Wortübernahme aus diesem Zusammenhang liegt also nicht nahe.38 Insgesamt spricht daher vieles dafür, dass von der Rezeption des französischen Duellmandats im frühen 17. Jahrhundert ein neuer Impuls für die Wortverwendung ausging. Bemerkenswert an dem hier betrachteten Worttransfer durch einen Rechtstransfer ist allerdings, dass dessen entscheidende Trägergruppe nicht in den Kanzleien zu finden war, sondern auf den Kanzeln. Denn nicht nur Hafenreffer ließ mit seiner Bußpredigt eine Übersetzung besagten Edikts bzw. einen summarischen Abriss desselben abdrucken. Bis auf einige Buchstaben identisch mit der summarischen Fassung des französischen Duell edikts in Hafenreffers Fried Bott von 1613 war die Beigabe in der 1614 gedruckten Leichenpredigt für den Mecklenburgischen Obristen und geheimen Rat Tessen von Parsow, die durch den Güstrower Superintendenten Lucas Bacmeister verfasst worden war.39 Parsow war passenderweise in 35 So bei Leyser, Duellum Glöselianum. Auch in Leichenpredigten findet sich duellum in dieser weiten Wortbedeutung. Z. B. Heiden, Duellum Jacobeum; Eschenbach, Duellum Amoris inter parentes Coelestes & naturales de liberis. Im antiken Wortgebrauch ist sogar noch eine enge Verbindung zum Kampf im Krieg zu verzeichnen, was seinen Widerhall nicht zuletzt auch in der etymologischen Ableitung von bellum aus duellum findet. [Art.] dvellum, in: Thesaurus linguae Latinae, Vol. V,1, Fasc. VI, Sp. 2181. 36 Mit Schwerpunkt auf der Rechtsentwicklung in Italien und Frankreich und den Verboten des gerichtlichen Zweikampfs von kirchlicher und weltlicher Seite, siehe etwa Massa, Civis Romanus, Contra Usum Duelli. Eine entsprechende Wortverwendung findet sich ebenso in der 1555 erstmals erschienenen Schrift Praxis Rerum Criminalium von Damhouder. Auch hier geht es bei duellum um den gerichtlichen Zweikampf – vornehmlich bei den Langobarden und Franken. Interessant an der deutschen Übersetzung aus dem Jahre 1615 ist, dass der Titel von Kapitel 42 „De pvrgatione vvlgari, & Principio de Monomachia, siue Duello“ mit „Von Gemeyner/oder im Rechten nit gegründeter Entschuldigunge/vnd erstlich vom Kampffe“ übersetzt wurde. Vgl. dazu: Dammhouder, Praxis Rervm Criminalium (1565), Bl. 77b–79b (Kap. 42). 37 U. a. Prietzel, Schauspiele von Ehre und Tapferkeit, S. 123. 38 Dies war freilich in anderen Regionen anders, etwa auf der italienischen Halbinsel. Vgl. dazu Cavina, Il duello giudiziario; Cavina, Il sangue dell’onore; Hughes, Soldiers and Gentlemen, S. 104–106. 39 Bacmeister, Leichpredigt/Tessen von Parsow, hier Bl. F b–F a. Pikanterweise ii iv war Parsow Calvinist – Bacmeister hatte daher in der Predigt alle Hände voll zu tun,
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einem gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikt gestorben, wenngleich über den Tathergang nichts Genaueres berichtet wurde und der Begriff Duell an keiner Stelle fällt. Allerdings hieß es immerhin, dass er „zu rettung seines Ehrlichen Nahmens / den angebottenen Kampff seinem Kegentheil nicht versagen künnen / darüber er dann in diß Vnglück [also seinen Tod] gerathen“.40 Im Anhang der Predigt findet sich dann besagte Zusammenfassung des französischen Duellmandats, quasi als Aufforderung und Hinweis an den Landesherrn, wie rechtlich gegen derartige Vergehen vorgegangen werden könnte. Interessanterweise ist neben diesem französischen Duellmandat auch noch ein Edikt aus Straßburg von 1583 abgedruckt, in dem der Rat der Stadt allerdings nicht das Duell verbot, sondern das „ausheischen“ und „außfoddern“.41 Knapper fiel der Hinweis auf das französische Edikt in der Leichenpredigt für Heinrich von Platen aus. Platen war 1620 in Wittenberg nachts in eine Schlägerei auf dem Markt geraten. Dort hatten „etliche zugleich auf ihn eingehawen / vnd ihn in acht wunden im Heupt vnnd im Leib tödlich beschediget“. Fünf Tage nach der nächtlichen Attacke starb Platen an diesen Wunden.42 Auch hier hatte sich der Superintendent (in diesem Fall allerdings der Wittenberger Friedrich Balduin) der Sache angenommen und die Predigt verfasst. Und wenngleich der Vorfall nicht einmal im Ansatz Züge eines Zweikampfes trug und Platen in der Predigt auch ganz klar als ‚Opfer‘ unrechtmäßiger Gewalt dargestellt wurde, so war es dem Verfasser offenbar dennoch wichtig darauf zu verweisen, dass vom König in Frankreich bekannt sei, „das er in einem besonderen edict seinen Hoffdienern das Balgen bey leibestraffe verboten hat“ und auch in den „Kriegsregimentern […] kein Soldat sich mit dem andern Balgen“ dürfe.43 Die Erwähnungen und (Teil-)Abdrucke des französischen Duellmandats aus dem ersten Drittel des 17. Jahrhunderts weisen dabei eine Besonderheit in der Rezeptionsform auf: Denn obwohl es im französischen Original als Edict du Roy sur la prohibition et punition des querelles et duels veröffentlicht wurde, war es in der deutschen Übersetzung zunächst noch unter folgendem Titel verbreitet: Edict Königlicher Majestat in Franckreich vnd Navarren etc. / Den Hochschädlichen / Vnchristlichen Missbrauch deß Kämpffens vnd Balgens / Mann gegen Mann betreffend. Das heißt, dass das Duelledikt zwar rezipiert wurde, da man das darin als Duell benannte Verhalten aber um den Bogen zu einem christlichen Lebenswandel i. S. der lutherischen Orthodoxie zu schlagen. Zu dieser Leichenpredigt siehe auch: Hagmeyer, Tessen von Parsow. 40 Bacmeister, Leichpredigt/Tessen von Parsow, hier Bl. F b. i 41 Bacmeister, Leichpredigt/Tessen von Parsow, Bl. F b–F a u. F a–F b. ii iv iv iv 42 Balduin, Christlicher Unterricht/Vom Balgen, hier Bl. D b. iv 43 Balduin, Christlicher Unterricht/Vom Balgen, hier Bl. C a. ii
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gerade nicht als etwas grundlegend Anderes oder Neues ansah, ließ sich duel problemlos mit Balgen und vergleichbaren Begriffen übersetzen. Dabei fällt auf, dass das neue deutsche Wort Duell gerade dann nicht auftaucht, wenn im Titel oder im Text keine Reihen synonym gebrauchter Begriffe stehen, die sich immer auch wechselseitig erklären konnten, sondern nur ein einzelner Begriff, der allein ein entsprechendes Verhalten bezeichnen sollte. Das verweist darauf, dass der Begriff Duell unmittelbar nach 1609 im deutschen Sprachraum zwar grundsätzlich verstanden wurde, aber noch nicht fest als ‚Lehnwort‘ etabliert war. Dies änderte sich erst im Laufe der Zeit. So war in der Warnungs Predigt des Lübecker Pastors Michael Sircks, die 1645 erstmals in Druck ging,44 bereits von dem durch „König Henri IV. in Franckreich publicierten vnd vom Parlament approbirten Edicto de Duellorum“ die Rede.45 Begünstigt worden war diese Veränderung in der Wortwahl im vorliegenden Fall wohl nicht zuletzt durch den Wechsel der Vorlagen, nutzte Sirck doch einerseits die Niederländischen Historien Emmanuel van Meterens in der Ausgabe von 1612 und andererseits die Historiae sui temporis des Franzosen Jacques Auguste de Thou als Quelle, die in den 1620er Jahren unter anderem auch in einer französischsprachigen Frankfurter Ausgabe erschienen war.46 In beiden Vorlagen finden sich französische Abschriften (jedoch keine Übersetzung) des Duelledikts von 1609 und zudem eine summarische Fassung des Edikts von 1602.47 Alles in allem kann bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts ein Corpus von etwa einem Dutzend lutherisch-theologischer Texte ausgemacht werden,48 44 Sircks, Warnungs Predigt, S. 107–116. Der handschriftliche Vermerk „um 1680“ auf dem Deckblatt des Wolfenbütteler Bibliotheksexemplars bleibt unklar. Dafür, dass es sich hier nicht um einen späteren Nachdruck handeln kann, spricht m. E., dass der Drucker Valentin Schmalhertz (1622–1652 als Drucker in Lübeck nachweisbar) um 1680 nicht mehr lebte. Zum Wolfenbütteler Exemplar: HAB Wolfenbüttel, Sign.: M: QuN 1083 (2). 45 Sircks, Warnungs Predigt, S. 107. 46 Vgl. dazu Sircks, Warnungs Predigt, S. 107. Hier zunächst noch mit dem Verweis auf das Duelledikt von 1602. Vgl. daher Thou, Historiae sui temporis, Bd. 3 (1585–1607). Meteren, Niederländische Historien, zog Sircks auch jenseits der Abschrift des Duellmandats für die Argumentation mehrfach heran. So bspw. Sircks, Warnungs Predigt, S. 129, 142–144, 165 f. 47 Meteren, Niederländische Historien, Buch 29, S. 119–121; Thou, Historiae sui temporis, Bd. 4 (1608–1618), hier S. 45–47 (hier als Edictum contra monomachias aufgeführt). Eine summarische Fassung des Edikts von 1602, die indes ausführlicher ausfällt als bei Meteren, findet sich in deutscher Fassung auch bei: Thou, Historische Beschreibung Anderer Theil (1575–1607), S. 1639. 48 Es handelt sich hierbei um folgende Drucke Haffenreffer Fried Bott 1613 & 1615; Bacmeister, Leichpredigt/Tessen von Parsow; Hammer, Threni threnorum; Balduin, Christlicher Unterricht/Vom Balgen; Faber, Antimonomachia; Fus, Des gerechten Habels jämmerliche Entleibung; Ludwig, Miles Christianus, Oder, Geist-
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zwischen denen nicht nur ein sehr enger Rezeptionszusammenhang bestand, was sich eindrücklich in den gleichlautenden Zitaten und den gegenseitigen Verweisen dokumentiert.49 Vielmehr zeichnen sich diese Schriften auch dadurch aus, dass in ihnen als mahnendes Vorbild immer wieder entsprechende Gesetze abgedruckt wurden, neben dem französischen Duelledikt von 1609 nach und nach auch erste deutsche Mandate. Ein paralleles Phänomen für katholische Gebiete im Alten Reich lässt sich nicht nachweisen.50 Wieso dies so war, muss offen bleiben. Womöglich war seitens der katholischen Kirche mit den Antiduellbestimmungen des Trienter Konzils und dessen Publikation ja zunächst einmal alles Wesentliche gesagt.51 Natürlich liegt die Vermutung nahe, dass es neben diesem Begriffstransfer über die Rezeption französischer Duellmandate durch deutsche Theologen auch andere Verbindungslinien zu Ländern gegeben hat, in denen sich im frühen 17. Jahrhundert bereits eine spezifische Duellkultur etabliert hatte.52 Die bisherige Forschung nahm dabei mehr im- als explizit im Anschluss an die Arbeiten Georg von Belows an, dass die Ausbreitung des Duells Ergebnis eines vornehmlich von Personen getragenen Kulturtransfers von Frankreich in das Alte Reich gewesen sei.53 Konkret lässt sich diese Behauptung licher Ritter vnd Kriegesmann; Schröder, Mordspiegel; Sircks, Warnungs Predigt; Wilde, Homicidium Dolosum; Tileking, Dolosa ac tristiss. 49 Besonders gut nachvollziehbar ist dies in der Antiduellschrift von Michael Sircks, in der nicht nur französische, kaiserliche, dänische und ein Lübecker Duellmandat abgedruckt sind, sondern auch auf andere Antiduellschriften und Historienbücher verwiesen wurde. Sircks, Warnungs Predigt, u. a. S. 53 f., 66, 110 f., 167. Bis auf einige Buchstabenvarianzen übereinstimmende summarische Abdrucke des französischen Duelledikts von 1609 finden sich auch in Haffenreffer, Fried Bott 1613, S. 36 f. und Bacmeister, Leichpredigt/Tessen von Parsow, Bl. Fiib–Fiva. 50 Eine im Nachklang der Bestimmungen des Konzils von Trient zum Duell zunächst vermutete Diskussion konnte für den deutschen Sprachraum nicht nachgewiesen werden. Bemerkenswert ist ohne Frage, dass sich ein Verweis auf ebendieses Konzil wiederum bei Sircks findet. Sircks, Warnungs Predigt, S. 141. 51 Zur Bedeutung des Trienter Konzils für die Antiduellgesetze in Italien: Angelozzzi, Das Verbot des Duells. 52 Fragen zu Formen des Transfers des Duells aus anderen europäischen Ländern und Regionen in das Alte Reich wurden in der bisherigen Forschung, wenn überhaupt, nur gestreift. Frevert, Ehrenmänner, S. 22, ist dabei zugleich skeptisch, ob das Duell als „Innovationsimport“ gelten könne oder es vielleicht doch „zwischen mittelalterlichen Zweikampftraditionen und frühneuzeitlichem Duell Vermittlungsglieder gegeben hat“. 53 Als Kumulationsphasen galten Below zum einen die ‚Hugenottenkriege‘ in Frankreich, in denen „viele Deutsche“ gekämpft und das Duell kennengelernt hätten. Zum anderen seien besonders während des Dreißigjährigen Krieges Franzosen in den Heeren der deutschen Konfliktparteien anzutreffen gewesen und hätten hier für die Verbreitung des Duells gesorgt. Vgl. dazu Below, Das Duell in Deutschland, S. 10 f.
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freilich nur schwer widerlegen, aber eben auch schwer belegen. Es ist kaum auszuschließen, dass einzelne Personen auf ihren Reisen durch Frankreich, Spanien, Italien oder England das Duell als spezifisches Verhaltensmuster (und nicht nur als Begriff für etwas Altbekanntes) kennenlernten und womöglich sogar adaptierten oder doch wenigstens, in ihre Heimat zurückgekehrt, Anderen davon berichteten. Allerdings sprechen die wenigen, in den Quellen fassbaren Exempel eines solchen personengetragenen Transfers nicht unbedingt dafür, dass die Betreffenden mehr als ein neues Wort mit nach Hause brachten. Freilich sind die Hinweise zumeist auch zu knapp gehalten, um wirklich belastbare Aussagen zum zeitgenössischen Verständnis über die berichtete Sache zu treffen. Dies ist etwa bei einem Beispiel aus Straßburg der Fall. Hier ist für den 5. Februar 1628 im Protokoll des Dreizehner Ausschusses, der als Ratsausschuss für die inneren Angelegenheiten der Stadt zuständig war,54 vermerkt: „Herr Ammeister zeigt an, dass zwei von Adel wegen eines Duelles, so sie einander versprochen von Paris miteinander herausgereist wären. Schluß: gut Achtung haben.“55 Da im Protokoll nähere Informationen darüber fehlen, wo der Kampf stattfinden sollte, wer diese Männer waren und ob es sich um eine Nachricht von fernen Orten oder die Ankündigung eines Vergehens vor Ort handelte, kann gestützt auf dieser Notiz lediglich die Aussage getroffen werden, dass man von einem Duell mit französischem Kontext sprach und dies offenbar für die anwesenden Ausschussmitglieder verständlich war. Was die Ausschussmitglieder unter einem Duell konkret verstanden, bleibt hingegen im Dunkeln. Interessant ist zweifellos auch der Bericht von Hieronymus Welsch, der in seiner 1653 erstmals erschienenen Warhafftigen Reiß-Beschreibung eine Auseinandersetzung zwischen vier deutschen Adligen in Paris in den 1630er Jahren erwähnte, die er zumindest in der Kapitelüberschrift auch als Duell bezeichnete.56 Die Beschreibung der Auseinandersetzung im Text zeigt jedoch deutlich, dass der als Duell bezeichnete Konflikt von Welsch keineswegs als eine besondere Form des Ehrenkampfes verstanden wurde und im Text auch nicht mehr als Duell firmierte. Vielmehr wurde hier berichtet, dass zwischen den Obristen von Rantzow und von Fittinghofen, die bereits seit längerem in französischen Diensten standen, wegen einer strittigen Beförderung schon über Jahre ein Konflikt schwelte. Schließlich brach die54 Sauerbrey,
Die Straßburger Klöster, S. 47. Das Duell im alten Straßburg, S. 11, zitiert aus einer nicht im Detail aufgeführten Archivalie. 56 Welsch, Warhafftige Reiß-Beschreibung, Kap. LXVI: Von dem Duell und Combat zwischen vier Adelichen Cavallieren, als zweyen von Rantzaw/etc. eines/ wie auch denen von Degenfeld/etc. und Fitinghofen/etc. ander theils; auch was sich sonsten mit etlichen Teutschen zu Paris begeben, S. 330–335. 55 Erichson,
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ser bei einem gemeinsamen Mittagessen erneut aus und kulminierte kurz darauf in der Forderung Rantzows, eine „Kugel zu wechseln“. Da Rantzow mit seinem Bruder auftrat und Fittinghofen gerade bei einem von Degenfeld zu Gast war, einigte man sich auf zwei Kampfpaare und darauf, die beiden angesetzten Schusswechsel zu Pferd außerhalb der Stadt auszutragen. Bei dieser Schießerei wurde Fittinghofen getroffen und starb kurz darauf. Der Autor des Berichts bedauert den Tod Fittinghofens sehr, wohl nicht zuletzt weil er mit diesem einen Förderer verloren hatte. Er würdigt Fittinghofens Verdienste im Feld und seinen Mut vor dem Feind. Zwar wird recht sachlich über das Ansinnen Rantzows, dessen Ärger über die einstige Zurücksetzung bei der Beförderung und die Eskalation des Konfliktes berichtet, aber als dezidierter Ehrenkampf erscheint die Auseinandersetzung keineswegs. Die Idee, dass Rantzow in diesem Zweikampf, der Fittinghofen das Leben kosten sollte, seine Ehre verteidigte und deshalb Ruhm und Ansehen erlangt habe, wird nicht formuliert.57 Ebenfalls von einem Pariser Duell – allerdings unter Franzosen – ist in den tagebuchartigen Aufzeichnungen Caspar von Widmarckters die Rede, der darin insgesamt über seine Zeit als Oberstleutnant in einem HessenKasseler Regiment berichtet, mit dem er am ersten Mantuanischen Erbfolgekrieg teilnahm.58 Für den 5. Juni 1617 ist dort verzeichnet, dass Widmarckter von einer Duellforderung erfahren hätte, die Marquis Bernhard de Nogaret de la Valette seinem Vorgesetzten Henri de Schomberg zustellen ließ, als dieser nach Paris kam. Der Kampf fand dann, ganz den Gepflogenheiten der Pariser Duellanten folgend, hinter den Tuilerien statt. Über den Anlass der Duellforderung wird nichts Näheres berichtet. Bemerkenswert ist jedoch, was Widmarckter über den Ablauf des Kampfes erzählt: Denn die Auseinandersetzung war nur anfänglich mit dem Degen ausgetragen worden. Später habe man sich „auß großer Begirde an den Leib gefallen“ und habe miteinander „gerungen“.59 Eine Ausnahme unter diesen frühen Nachweisen des Begriffs Duell in persönlichen Lebensgeschichten stellt das Tagebuch des kursächsischen Oberst Christoph Vitzthum von Eckstädt dar. Denn dieser berichtete nicht über ein Duell anderer, sondern über sich selbst und einen Kampf, den er am 19. Juli 1638 mit einem Oberst von Zähmen in Magdeburg ausgetragen hatte und bei dem Zähmen gestorben war. Vorausgegangen war der Auseinandersetzung eine missglückte Einladung: Zähmen wollte Vitzthum von Eckstädt zum Abendessen einladen, doch dieser hatte für den Abend bereits selbst Gäste zu sich gebeten und schlug die Einladung daher aus. 57 Welsch,
Warhafftige Reiß-Beschreibung, S. 334 f. Gräf, Caspar von Widmarckter, S. 11. 59 Widmarckter, Kriegstagebuch 1617, S. 114. 58 Dazu
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Doch obwohl Vitzthum zugleich zusagte, einen anderen Abend gern vorbei zu kommen, war Zähmen so erbost, dass er sein Gegenüber nicht nur beleidigte, sondern auch gleich die Waffe zog. Zunächst blieb es dabei und es kam nicht zum Kampf. Doch als Vitzthum das Haus Zähmens verließ und die Tür hinter ihm krachend zuschlug, befürchtete er bereits – so stellt er es zumindest in der Rückschau dar –, dass er „morgen früh den Duel“ austragen müsse. Aber es kam anders: Denn bereits kurz nachdem Vitz thum das Haus Zähmens verlassen hatte, wurde die Haustür wieder aufgerissen, Zähmen stürzte heraus und beide gingen nun doch gleich auf der Straße mit den Degen aufeinander los. In diesem Kampf verletzte Vitz thum seinen Gegner so schwer, dass dieser bereits vor Ort starb. Ließe sich bis hierhin noch mutmaßen, dass der zunächst erwartete Kampf am nächsten Morgen eben das Duell sei und die stattdessen unmittelbar ausgetragene gewaltsame Auseinandersetzung davon zu unterscheiden sei, so wird man durch spätere Eintragungen eines Besseren belehrt. Denn darin wird eben jener spontan ausgetragene und für Zähmen tödlich endende Kampf als Duell bezeichnet.60 Ob es sinnvoll ist, aus diesen Einzelbeispielen eine generelle Tendenz zur Übernahme einer neuen Praktik des Ehrenkampfes und damit einen Kulturtransfer abzuleiten, sei zunächst einmal dahingestellt. In jedem Fall machen die Beispiele aber deutlich, dass sich das neue Wort zwar in privaten Aufzeichnungen finden lässt, in diesen mit dem Begriff aber ganz ähnlich wie in den angeführten theologischen Texten oder in den Verhandlungen auf dem Pommerschen Landtag kein spezifisch neues Handlungsmuster bezeichnet wurde. Und dem Austrag eines als Duell bezeichneten Kampfes wurde von den verschiedenen Beobachtern ebenfalls keine herausgehobene, von anderen Praktiken unterscheidbare Bedeutung für die persönliche Ehre zugewiesen. Bemerkenswert ist aber zweifellos, dass in den meisten Beispielen ein ausgesprochen enger Bezug zu Frankreich gegeben ist. Die Wortverwendung durch Christoph Vitzthum von Eckstädt stellt hier eine Ausnahme dar, da er eben nicht Duelle in Frankreich beschreibt, sondern sein eigenes Handeln in Magdeburg als Duell etikettiert. Womöglich ist dies ja dem Umstand zu verdanken, dass man den eingedeutschten Begriff Duell in den 1630er Jahren einfach schon häufiger gehört und gelesen hatte, so dass man begann, diesen auch als Bezeichnung für das eigene Handeln zu benutzen.61 Die Verbreitung des Worts dürfte dabei durch jene oben vorge60 Budczies (Ed.), Aus dem Tagebuche des Obersten Vitzthum von Eickstädt (sic), S. 280–285. 61 Nur am Rande sei hier darauf verwiesen, dass im frühen 17. Jahrhundert eine derartige Wortübernahme vielleicht einfach eher dem Zeitgeist entsprach. In jedem Fall zeigt ein Beispiel aus dem Jahr 1554, dass bei der Konfrontation mit dem Duell nicht unbedingt immer Verständnis für die Sache aufkam. So verblüffte Baron
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stellten Schriften der Theologen getragen oder doch zumindest wesentlich befördert worden sein. Betrachtet man diesen Auftakt des Duells im Alten Reich, so sticht dessen vage, unkonkrete Gestalt besonders hervor: Das französische Duellmandat wurde zwar in deutschen Übersetzungen verbreitet und der Begriff Duell mutmaßlich mit einem lateinischen Vorverständnis aus dem Französischen entlehnt, aber die Verwendung des Begriffs blieb zunächst recht sporadisch und stand durchweg ergänzend neben anderen Bezeichnungen. Wie der aufgezeigte Rezeptionsprozess verdeutlicht, wurde das im deutschsprachigen Kontext in dieser zeitlichen Etappe thematisierte Verhalten zudem gerade nicht als eine von anderen Gewaltmustern abgrenzbare Praktik der Handelnden dargestellt. Dem entspricht, dass für den deutschsprachigen Raum Hinweise auf eine Rezeption der in Frankreich, Italien und England so wichtigen Duelltraktate fehlen, in denen statt der theologisch begründeten Verdammung der Ehrenkämpfe als alternatives Deutungsangebot eine sittliche Begründung ihrer Notwendigkeit als Zeichen einer zunehmend artifiziellen elitären Streitkultur geliefert wurde.62 Die fehlende Rezeption dieser Traktate weist auf ihre Weise ebenso darauf hin, dass im deutschsprade Fontanay den deutschen Landsknecht Christoph von Roquendorff, der in französischen Diensten stand, nicht nur damit, dass er ihn zum Duell forderte. Roquendorff lehnte dieses Begehren auch ohne Umschweife ab, offenbar weil er nicht verstand, was Fontanay von ihm wollte. Vgl. zu dieser Begegnung Carroll, Blood and Violence, S. 153. In eine ähnliche Richtung weist das Missverständnis zwischen Karl V. und Franz I., deren Reaktionen letztlich zeigen, dass Karl V. noch davon ausging, es mit der Forderung zu einem symbolisch bedeutungsschweren Herrscherzweikampf zu tun zu haben. Franz I. sah die ganze Angelegenheit hingegen längst nicht mehr (so eindeutig) unter mittelalterlichen Vorzeichen und verstand das Ganze als Duellforderung, der ein Herrscher freilich nicht Folge leisten konnte und durfte. Dazu: Emich, Körper-Politik. 62 Vgl. etwa die Liste der Nachdrucke, Neuauflagen und Übersetzungen von Castigliones Hofmann in Burke, Die Geschicke des „Hofmann“, S. 203–207. Schriften wie dieser wurden in der Forschung eine zentrale Bedeutung für die Etablierung, formale Ausgestaltung und Ausbreitung des Duells in den genannten Regionen zugewiesen: Das Ideal des galanten Höflings und die informelle Norm der Etikette gepaart mit einem kriegerisch-kämpferischen Selbstverständnis des Adels boten hierbei den Ausgangspunkt für eine Vielzahl von Situationen, die durch (als solche wahrgenommenen) Abweichungen vom informellen Verhaltenscode zu Beleidigungen avancierten. Diese ‚Beleidigungen‘ galt es – wollte man sich in der Gesellschaft nicht blamieren – mit der Klinge aus der Welt zu schaffen. Vgl. hierzu für den englischen Fall Peltonen, Francis Bacon. Von derartigen Ratschlägen ist in den adligen Erziehungstraktaten und Benimmschriften aus dem Alten Reich nichts zu lesen. Hier dominierte im 16. und 17. Jahrhundert nicht das Leitbild eines galanten Höflings, sondern vielmehr das des frommen, christlichen Ritters. Vgl. dazu Bleeck, Adelserziehung; Wang, Miles Christianus. Deutlichen Niederschlag fand dieses Ideal auch in zahlreichen Leichenpredigten auf adlige Militärs. Vgl. u. a. Stralius, Miles Christianus.
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chigen Raum gerade kein Import einer sozialen Praktik ‚Duell‘ erfolgte. Stattdessen wurde erst einmal nur der Begriff Duell rezipiert und im Zuge dieser Entlehnung entkonkretisiert. Auf diese Weise bezeichnete das Duell als Synonym neben bereits existierenden Begriffen eine breite Palette althergebrachter Formen gewaltsam ausgetragener (Ehren)Kämpfe. Allerdings sollte dieses neue Wort Schritt für Schritt an Bedeutung gewinnen und die damit bezeichnete Sache eine zunehmend signifikante Form annehmen, die schließlich zu der uns noch heute vertrauten Idee des Duells als einer besonderen, von anderen unterscheidbaren Form des Ehrkonfliktes führte. Doch bis es soweit war, vergingen etliche Jahrzehnte. Zunächst einmal musste sich der Begriff überhaupt etablieren. Den wichtigsten Beitrag hierfür dürften dabei anfangs die deutschen Fürsten und städtischen Obrigkeiten geleistet haben, die – womöglich dem Mahnen der Theologen folgend – ab dem frühen 17. Jahrhundert nach und nach begannen, Mandate zu erlassen, in denen nicht mehr nur vom Balgen, Ausfordern und Schlagen die Rede war, sondern auch vom Duellieren. b) Vom Balgen zum Duell. Aneignungen in Rechtstexten Zumindest punktuell ist von einem initiatorischen Effekt zwischen einschlägigen Buß- und Leichenpredigten und ersten Ansätzen fürstlicher Normsetzung auszugehen. Hierfür spricht das bereits genannte pommersche Beispiel. Darüber hinaus dürfte von Bedeutung sein, dass die Bußpredigten zumindest teilweise von Superintendenten oder Hofpredigern verfasst wurden, die als Vertreter der landesherrlichen Kirchenverwaltung zugleich einen engen Kontakt zur weltlichen Verwaltungsstruktur (und hier auch zu der für die Vorbereitung und Umsetzung von Normen so wichtigen Kanzlei bzw. Landesregierung) pflegten.63 Schließlich ist die zeitlich Parallelität zwischen theologischen Abhandlungen und den ersten Duellmandaten auffällig, die im Alten Reich seit dem zweiten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts nachweisbar sind. Das erste Mandat, in dem sich die Bezeichnung ‚Duell‘ finden lässt, ist m.W. das Hessische „Burg-Friedens Patent“ von 1611.64 Es folgten zwei erfolglose Versuche der Verabschiedung eines entsprechenden Mandats in Pommern (1616) und Mecklenburg (1618).65 1623 wurde dann für Schles63 Vgl. etwa das entsprechende Gutachten des Dresdner Oberhofpredigers Martin Geiers von 1665 SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/7 [o. Pag.], Schreiben Geiers v. 17. Juli 1665. 64 Hessisches Burgfriedenspatent 1611. 65 Zu Pommern vgl. StA Stralsund, Rep. 13, Bd. 357, Landtagsabschied zu Alten-Stettin vom 18. März 1616, Bl. 16a–80b (eigene Zählung); zum Mecklenburger Vorstoß von 1618: LAS, 2.12-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1628 [o. Pag.].
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wig und Holstein das „Duel-Verbot, insonderheit wieder das duellieren zu Pferde mit Kugelwechseln“ vom dänischen König Christian IV. und Friedrich III. von Schleswig-Holstein-Gottorf als den regierenden Herzögen von Schleswig und Holstein erlassen.66 Gut zehn Jahre später – 1636 – folgte ein weiteres Mandat für Schleswig und Holstein. Hier wurden im Rahmen der „Constitution […] betreffend die Ecclesiastica und Criminalia“ auch Regelungen zu „vorgelauffene(n) Diffidationes, Provocationes und Schlägereyen“ getroffen.67 Der Begriff Duell fällt im Mandat selbst bemerkenswerterweise nicht mehr. Die Bestimmungen können aber dennoch den frühen Duellmandaten zugeordnet werden, wie ein gemeinschaftliches Reskript der Landesherren Christian IV. und Friedrich III. aus dem Jahre 1634 belegt, das im Vorfeld zu inhaltlichen Bestimmungen in den Konstitutionen Stellung nimmt. Hierin wurde nun sehr wohl von Duellen gesprochen: Den zur Revision der Landgerichtsordnung verordneten Räten wurde nämlich mitgeteilt, dass die Landesherren mit Missfallen vermerkt hätten, dass im Lande „(f)riedhäßige“ Leute „ebenbürtige [und] auch andere geringere Standespersonen […] zum Duell“ fordern würden, so dass in den vorangegangenen Jahren „vnterschiedtliche Personen gantz eilig vnd eins Theils auff der Stelle jämmerlich vom Leben zum Todt gebracht“ worden seien. Gegen dieses ‚Unwesen‘ sollten die Räte nun „fuegliche, bequembe [und] verandtwortliche“ Mittel vorschlagen, die in Form der Konstitutionen von 1636 schließlich auch verabschiedet wurden.68 Dieses Beispiel zeigt damit besonders deutlich, dass das Etikett Duell in dieser frühen Phase noch keinen festen Platz im Beschreibungsrepertoire der Normen hatte. In den 1640er Jahren folgten weitere und zumeist ausführlichere Duellmandate: 1645 findet sich ein Mandat für die Reichsstadt Lübeck und von dort übernommen dann 1646 für Mecklenburg.69 Ebenfalls 1646 erschienen die Duellmandate von Herzog Ernst zu Sachsen-Gotha70 und Herzog August zu Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel71. In den frühen 1650er Jahren wurden dann Mandate für Schlesien (1651), Brandenburg (1652) und Kursachsen (1653) erlassen.72 Wenngleich diese Aufzählung der frühen Mandate keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben kann, nicht zuletzt weil 66 Schleswig-Holsteiner
Duellmandat 1623. Duellmandat 1636. 68 Das Rescript ist abgedr. in: Sammlung der hauptsächlichsten Schleswig-Holsteinischen gemeinschaftlichen Verordnungen, Glückstadt, 1773, Nr. XCI, Fn. *, S. 451–453. 69 Lübecker Duellmandat 1645; Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1646. 70 Sachsen-Gothaer Duellmandat 1646. 71 Duellmandat Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel 1646. 72 Schlesisches Duellmandat 1651; Brandenburger Duellmandat 1652; Kursächsisches Duellmandat 1653. 67 Schleswig-Holsteiner
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gerade Edikte kleinerer Territorien mitunter nicht in gedruckter Form publiziert wurden – wie etwa das ausschließlich handschriftlich überlieferte Mecklenburger Edikt von 1646 zeigt –, so ist doch bemerkenswert, dass auch im Bereich der Normsetzung zunächst ein deutlicher Schwerpunkt im lutherischen Raum festzustellen ist.73 Hier lässt sich ein Zusammenhang mit der Verbreitung der Bußpredigten gegen das Duellieren vermuten. Die postulierte ‚Vorreiterrolle‘ lutherischer Territorien im Reich scheint auf den ersten Blick durch das Duelledikt, das Kaiser Matthias im Jahre 1617 auf dem Prager Schloss erlassen haben soll, widerlegt zu werden. Das Edikt war – folgt man der Arenga – nicht als Reichsmandat erschienen, sondern besaß eine territoriale Ausrichtung und wandte sich an „allen und jeden / was Würden und Standes die immer sein / keinen außgenommen / die sich an / und umb unser Hofflager / auch unsern Erb Königreichen und Landen anjetzo befinden“.74 Allerdings fehlt bislang der Nachweis, dass dieses Edikt auch wirklich 1617 erlassen wurde: Wenngleich nicht sicher von einer erfundenen Norm gesprochen werden kann, so bleibt es doch irritierend, dass es wiederum die Bußpredigt eines lutherischen Pastors ist, in der dieses Mandat knapp dreißig Jahre nach seinem eigentlichen ‚Erscheinen‘ das erste Mal greifbar wird.75 Es handelt sich hierbei um den 1644 in Rostock erschienenen Mordspiegel. Herausgegeben worden war diese Schrift von 73 Einzige Ausnahme ist Schlesien: Das Duellmandat wurde 1651 nicht nur durch Kaiser Ferdinand III. erlassen, sondern im Land war auch schon seit einigen Jahren die Gegenreformation in vollem Gange. Deventer, Zweierlei Perspektiven; Aubin/Petry, Geschichte Schlesiens, Bd. 2, S. 71 ff. Die in der Literatur immer wieder auftauchenden Verweise auf andere frühe Mandate sind gegengeprüft und die Mandate wurden immer dann nicht berücksichtigt, wenn der Begriff ‚Duell‘ im Text nicht vorkam. So etwa das Bayrische Mandat von 1613, das – wie Wolfgang Walter betont – ohnehin nur in summarischer Form in späteren Drucken greifbar wird. Walter, Das Duell in Bayern, S. 42 f., greift für seine Darstellung auf Freyberg, Pragmatische Geschichte, Bd. 2, S. 30 zurück. Hier fehlen in der summarischen Zusammenfassung allerdings die Begriffe Duell oder duellieren in der typischen Reihe von Umschreibungen des Gewalthandelns. Genannt werden hingegen „Poltern, Raufen, Ausfordern, Affrontiren, Ansprengen, Schmähen“. Dennoch weist das Mandat, das sich besonders den Vergehen des Hofgesindes widmet, deutliche Parallelen zu den Duellmandaten auf. Dies ist ganz ähnlich wie der pommersche Fall von 1608/1616 als Hinweis darauf zu werten, dass in dieser Zeitphase ein bestimmtes Verhalten generell als problematisch angesehen wurde und dies auch dann, wenn man es noch nicht als Duell bezeichnete. 74 [Matthias, Ks.], Denckwürdiges Mandat Römischer Kayserlicher Majestät Matthias […] wieder das Außfodern und Balgen, itzo […] nach gedruckt, 1664 [o. Pag.]. 75 Dieser merkwürdige Publikationsort hielt etwa Walter, Das Duell in Bayern, S. 23 f. m. Fn. 66 nicht davon ab, den Abdruck in Freud, Antimonomachia, oder Gewissens-Fragen (1687), S. 387–389, zitierend festzustellen, dass sich „die kaiserliche Regierung schon zu einem bemerkenswert frühen Zeitpunkt gründlich mit der Gesetzgebung gegen das Duell befasste“.
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Joachim Schröder – zu dieser Zeit Pastor an St. Georgen in Rostock. Sie umfasste neben einem Vorwort Schröders den Nachdruck einer Predigt von Johannes Schmidt,76 seines Zeichens Theologieprofessor und Pastor in Straßburg, und eben jenes Mandat von Kaiser Matthias.77 Ein Jahr nach diesem Rostocker Druck tauchte das Mandat dann nahezu identisch in Michael Sircks Warnungs Predigt gegen das Duellieren auf, erschienen war dieser Druck 1645 in Lübeck.78 Eine weitere fast buchstabengetreue Fassung des Duellmandats von Kaiser Matthias findet sich schließlich in einem in Güstrow erschienenen Nachdruck des Edikts aus dem Jahr 1664, in dem immerhin auf eine Vorgängerfassung verwiesen wird, die „vor 50 Jahren zu Güstrow durch Moritz Sachsen Fürstl. Buchdrucker gedruckt“ worden sein soll.79 Moritz Sachs war in der Tat von 1617 bis 1622 Drucker im fürstlichen Dienst in Güstrow,80 aber ein entsprechender Druck kann nicht nachgewiesen werden. Möglich ist hingegen, dass für den Nachdruck von 1664 auf den in Rostock erschienenen Mordspiegel zurückgegriffen wurde. In späteren Abdrucken des Edikts wurde dann gern dieser Güstrower Nachdruck von 1664 genutzt – so etwa durch Michael Freud in seinen Gewissens-Fragen.81 Gegen die Existenz eines ‚echten‘ Edikts von 1617 spricht zudem, dass Verweise auf diesen frühen Erlass in späteren Duellmandaten für die Habsburger Besitzungen fehlen.82 Selbst mit Blick auf Regelungen zu Balgereien 76 Es handelt sich hierbei um die 24. Predigt aus folgendem Druck Schmidt, Christliche Weißheit. 77 Schröder, Mordspiegel. Gewidmet war der Mordspiegel bemerkenswerterweise den Kurfürsten Johann Georg zu Sachsen und Friedrich Wilhelm zu Brandenburg. Vgl. Schröder, Mordspiegel, Bl. Aiia. 78 Sircks, Warnungs Predigt, S. 100–107. 79 [Matthias, Ks.], Denckwürdiges Mandat Römischer Kayserlicher Majestät Matthias […] wieder das Außfodern und Balgen, itzo […] nach gedruckt, 1664. 80 Benzing, Die Buchdrucker des 16. und 17. Jahrhunderts, S. 159. 81 In einem dem eigentlichen Text vorangestellten „Ersten Register“, in dem die Autoren und Werke verzeichnet sind, die für die „Verfertigung dieses Buches angezogen/und auß denen es zusammen getragen worden“, ist ein entsprechendes Mandat von Kaiser Matthias nicht erwähnt. Freud, Antimonomachia, oder GewissensFragen (1687), Bl. d3a–e4b. (Die Seitenzählung setzt erst im Hauptteil des Bandes ein.) Beim Abdruck des Edikts im hinteren Teil von Freuds Überlegungen ist dann die Herkunft des 1617er Duellmandats nicht eigens kommentiert, vielmehr wurde das Edikt lediglich mit dem Hinweis versehen: „Gedruckt zu Gustrow/Anno 1617 und wiederumb Anno 1664“. Eben dieser Nachsatz legt nahe, dass sich auch Freud lediglich auf den Güstrower Nachdruck von 1664 stützte. Freud, Antimonomachia, oder Gewissens-Fragen (1687), S. 387–389. 82 Hier finden sich lediglich Bestimmungen von 1666, 1670 und 1682. Vgl. dazu Guarient, Codicis Austriaci ordine alphabetico compilati pars prima, S. 285–288 u. 624.
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und Raufhändeln wurde in den Codicis Austriaci nur auf zwei einschlägige Ordnungen von 1622 und 1624 verwiesen, in denen der Begriff Duell freilich nicht auftaucht.83 Das 1617er Mandat bleibt bislang unauffindbar – jedenfalls dann, wenn man spätere ‚Nachdrucke‘ wie auch Verweise in lutherischen Bußpredigten84 oder entsprechende Behauptungen in historischen Abhandlungen seit dem 18. Jahrhundert nicht als ausreichende Belege betrachtet.85 Sieht man von diesem eigentümlichen kaiserlichen Edikt ab und wendet sich den nachweislich erlassenen zu, dann kann insgesamt festgehalten werden, dass Duellmandate zunächst vornehmlich im lutherischen Raum und zumeist auf territorialer Ebene erlassen wurden. Wobei zu konstatieren ist, dass in den frühen Duelledikten – so wie schon in den einschlägigen Bußpredigten dieser Zeit – kein neuer Ordnungsbereich ‚Duell‘ erschlossen wurde. Stattdessen wurden Traditionslinien der Gesetzgebung mit einem ergänzten Vokabular fortgeführt. Übernahmen oder auch nur Anleihen aus dem Duelledikt Heinrichs IV. finden sich bemerkenswerterweise in keinem der frühen Duellmandate.86 Vielmehr dominierte auch in den ersten einschlägigen Rechtsnormen die in den Predigten ebenfalls vollzogene inhaltliche Parallelisierung von Duellen mit bereits im deutschsprachigen Raum bekannten Gewaltpraktiken: Besonders markant zeigt sich dies beim Hessischen Burg-Friedenspatent von 1611, in dem auf nahezu klassische Weise zunächst Orte des Burgfriedens benannt werden (Fürstliche Häuser, Kanzlei, Marstall, Zeug- und Amtshäu83 Guarient,
Codicis Austriaci ordine alphabetico compilati pars prima, S. 151. der Bußpredigt von Sircks finden sich Verweise auf das Mandat in Freud, Antimonomachia, oder Gewissens-Fragen (1682), S. 4 (hier nur Nennung); in einer ausführlichen Version dieser Schrift von 1687 (Freud, Antimonomachia, oder Gewissens-Fragen (1687), S. 387–389) ist das Edikt komplett abgedruckt. 85 Prominent ist hier natürlich der Artikel zum Zweykampf im Zedler, in dem das Edikt komplett abgedruckt ist. Als Vorlage diente, wie am Ende des gedruckten Edikts eigens vermerkt wurde, der Güstrowsche ‚Nachdruck‘ des Mandats von 1664. Zedler, [Art.] Zweykampf, Selbst-Kampf, Balgen und Rauffen oder, Duell, Sp. 1369–1371. Below, Das Ausheischen, S. 727, Fn. 14, greift für seine Überlegungen zum 1617er Edikt auf diesen Abdruck im Zedlerartikel zurück. Neueren Datums ist dann die Übernahme bei Walter, Das Duell in Bayern, S. 23 f., der mit dem Abdruck bei Freud arbeitet. Ebenfalls gesucht und nicht gefunden hat das Edikt Prokowsky, Die Geschichte der Duellbekämpfung, S. 45, Fn. 1. 86 So wurden im französischen Mandat von 1609 bspw. minutiöse Anordnungen getroffen, was im Falle einer Beleidigung rechtlich zu unternehmen sei. Ziel dieser Bestimmungen war es, Duellanlässe zu vermeiden – ein Zugriff auf die Materie, die sich im Alten Reich erst am Ende des Jahrhunderts etablieren sollte. Edict Königlicher Majestat in Franckreich und Navarren […] Den Hochschedlichen/Unchristlichen Mißbrauch deß Kämpffens und Balgens, Mann gegen Mann/betreffendt 1609, Art. I–VIII. 84 Neben
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ser sowie Renthöfe) und dann festgesetzt wird, dass unter Androhung nicht näher spezifizierter, ernster Strafen an diesen Orten niemand den anderen mit Worten oder Werken angreifen solle. Als eines dieser Werke erscheint hier – und damit sehr nebenbei – die Praktik, einen „vor die Klinge, oder ad duellum außzufordern“.87 Dieser enge Bezug zum Gebot des Burgfriedens sollte in den einschlägigen Duellmandaten der folgenden Jahrzehnte allerdings nicht wieder aufgenommen werden. In dieser Hinsicht stellt das hessische Mandat von 1611 eine deutliche Ausnahme dar. Ansonsten findet sich der Begriff Duell zumeist in den relativ allgemein gehaltenen Bestimmungen gegen Gewalt- und Ehrenhändel der Untertanen. Als perspektivisch wichtigster Anknüpfungspunkt sollte sich dabei das so genannte ‚Ausfordern‘ erweisen, wiederum eine Parallelität zu den einschlägigen Predigten.88 Dementsprechend waren die in den Edikten sanktionierten Formen der gewalttätigen Auseinandersetzung hinsichtlich ihres Charakters und der damit verbundenen Praktiken weitgehend unbestimmt. Allerdings kann als Unterschied zu früheren Normen festgestellt werden, dass in den Duellmandaten überhaupt Praktiken der tätlichen Auseinandersetzung näher benannt wurden. So hieß es etwa in den kursächsischen Konstitutio87 Hessisches Burgfriedenspatent 1611, hier S. 513. Dieser von Landgraf Moritz von Hessen-Kassel erlassene Burgfriede könnte auf dessen Kenntnis der französischen Rechtstexte zurückzuführen sein. Moritz selbst pflegte sehr enge Beziehungen zu Heinrich IV., so dass hier durchaus ein Austausch oder doch die Kenntnisnahme der französischen Rechtsnormen gegen das Duell angenommen werden kann. Zu den Verbindungen zwischen Moritz und Heinrich IV. Menk, Die Beziehungen zwischen König Heinrich IV. von Frankreich und Landgraf Moritz. 88 Wie parallel Duell und Ausfordern von den Zeitgenossen gesetzt wurden, zeigt sich exemplarisch darin, dass Faber in seiner Bußpredigt gegen das Duellieren nicht nur das Edikt Heinrichs IV. vor Augen hatte, sondern auch empfahl, einen Blick in den vierten Teil der Kursächsischen Konstitutionen von 1572 zu werfen, in deren Art. IX (Waser gestalt diejenigen, so andere provociren und ausfordern, zu bestraffen?) und X (Welcher gestalt der zu straffen, so auf vorgehende Ehren= verletzende Ausforderung verbrochen?) sich freilich keine Bestimmungen zum Duell finden, sondern zum Ausfordern. Faber, Antimonomachia, Bl. Aiiia. Dass die Verbindungslinien zwischen Duell und Ausfordern auch in der Folgezeit als sehr eng begriffen wurden, zeigen Verweise in späteren Duellmandaten, die entsprechende Rechtsregelungen als Vorläufer benennen. So etwa im kursächsischen Mandat Wider die Selbst=Rache, Frieden=Stöhrungen und Duellen, den 15. April, Anno 1706, in: Codex Augusteus, Bd. 1, Sp. 1731–1745, hier Sp. 1732. Und auch im einschlägigen Artikel des Zedlers werden die besagten Artikel der Kursächsischen Konstitutionen als Bestimmungen gegen das Duellieren verstanden. Zedler, [Art.] Zweykampf, Selbst-Kampf, Balgen und Rauffen oder, Duell, hier Sp. 1388 f. Diese Position setzte sich schließlich über die Gesetze auch bis in die Forschung zum Duell fort. Hier allerdings unter umgekehrten Vorzeichen: So sahen beispielsweise Walter, Das Duell in Bayern, S. 42 f. oder Prokowsky, Die Geschichte der Duellbekämpfung, S. 39–41, im Ausfordern nicht einen einheimischen Duellvorläufer, sondern erkannten darin bereits einen Beleg für den Austrag von Duellen.
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nen von 1572 mit Blick auf das Ausfordern noch ganz lapidar, dass dadurch „offmals Todschlag und anderer Unrath sich zuträgt“.89 Über das ‚Wie‘ wurde hier nichts Näheres berichtet. Im Unterschied dazu sind Umschreibungen in den ersten Duellmandaten wie „vor die Klinge […] fordern“, das Provozieren „zum Duell und Kampf zu Roß und Kugelwechslung“, „zum Fechten provociret“ oder „duell vnd privat gefechte, zu Roß vnd Fueß, mit dägen vnd Pistolen“ zwar nicht sehr konkret, aber doch wenigstens im Ansatz näher bestimmt.90 Die Verwendung der Begriffe Duell, Duellanten und duellieren erfolgte auch in den Duellmandaten anfangs nur sporadisch und synonym zu einer ganzen Reihe anderer Bezeichnungen. So heißt es etwa im ersten einschlägigen kursächsischen Gesetz gegen das Duell aus dem Jahre 1653 ganz allgemein, man wolle gegen „ärgerliche Excesse in Worten und Wercken“ wie auch das „unchristliche Rauffen und Balgen insgemein“ vorgehen. Die Beteiligten werden als „Unfläter, Friedensstörer, Aufwiegler, Zäncker und Tumultierer“ bezeichnet und erst ganz am Schluss heißt es, dass man den „Duelli, K(ä)mpff(en), oder vorsetzlichen Balgerey zu Roß und zu Fuß […] mit Ernst“ entgegentreten wolle.91 Dieses große Begriffs- und Umschreibungsspektrum des sächsischen Beispiels war typisch für die Mandate bis in die 1660er Jahre.92 Zugleich wurde das Duell in den frühen Duellmandaten noch nicht vornehmlich als gewaltsam ausgetragener Ehrkonflikt verstanden. Im kursächsischen Edikt von 1653 sorgte man sich vielmehr, dass in den Städten und auf dem Land „bey vielen alle Zucht, Erbarkeit und Respect gäntzlich dahin gefallen und ein gantz Cyclopisches und üppiges Leben“ eingerissen sei. Vor allem „Friedhässige von Adel“ würden ungeladen auf Hochzeiten und anderen Festen erscheinen und die Gäste aber auch einander durch „allerley Schand-Worte, ärgerliche Zothen, und unschambare Discurse“ bedrängen. Sie würden Fenster und Öfen einschlagen, Degen zücken, Pis89 Kursächsische
Konstitutionen 1572, hier Sp. 119, Art. IX. Beschreibungen finden sich in der Folge ihrer Nennungen im Hessischen Burgfriedenspatent 1611, S. 513; Schleswig-Holsteiner Duellmandat 1623, Schleswig-Holsteiner Duellmandat 1636, hier S. 458; Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1646 [o. Pag.]. 91 Kursächsisches Duellmandat 1653, hier Sp. 1546. 92 So heißt es z. B. auch im Brandenburger Duellmandat 1652, S. 857: „So wollen Wir durch dieses unser Churf. Mandat alle eigenthätige Ein- und Überfälle, Rumor- und Rauff-Händel, Balgereyn und Schlägereyen, alle Ausforderungen, Duella, Zuschickung der Cartelle, und insgemein allen Frevel und Gewalt, daraus nicht allein gefährliche Leibes-Verwundung und Beschädigung, sondern auch offtmals, inmassen solches die tägliche Erfahrung mit sich bringt, fürsetzliche Todtschläge, mit Verlust der ewigen Seeligkeit, erfolgen, ernstlich bey Leibes- du Lebens-Strafen verbothen haben.“ 90 Die
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tolen ziehen und sich die Gläser „unter die Augen stossen“. Aus all diesem entstünden schließlich nur allzu leicht weitere Tumulte, Schlägereien, gewalttätige Angriffe, Balgereien und Ausforderungen.93 Derartige Beschreibungen von ‚Normanlässen‘ müssen natürlich immer auch als Legitimierungsstrategien für die Gesetze begriffen werden.94 Allerdings weist die Inszenierung des Problems in den frühen Duellmandaten ohne Frage auf eine bemerkenswerte inhaltliche Nähe zu Hausfriedensbruch, Schlägerei und Tumult auf. Festzustellen ist, dass in den Duelledikten ab den 1630er Jahren verstärkt ein spezifisches Wertbekenntnis oder moralischer Appell zum Tragen kommt, der große Ähnlichkeiten zur Argumentationsweise in den Bußpredigten aufweist.95 Waren die frühen Edikte noch ausgesprochen knapp gehalten,96 so gewannen nun religiöse Ausdeutungen an Raum. Vielfältig sind die Hinweise auf die ‚Blutschulden‘, die man im Falle rechtlich nicht gesühnter Kämpfe mit tödlichem Ausgang auf das Land laden würde. So heißt es etwa im Mecklenburger Edikt von 1646, dass durch die „vnnöthige öffentliche provocationes und ausforderungen […] vnschuldig Christenblutt, wie wasser, vergossen, der negste neben:Christ vmb sein zeitliches leben, ia wol gar […] vmb die Ewige Seeligkeit gebracht [und] Vnsere Fürstenthume vnd Lande, von solchen Jahzörnigen, vnd bluttdürstigen Leuten, mit bluttschulden vberheuffet vnd högstbeschweret werden“.97 Es ist vom Teufel die Rede, der die Seelen der Duellanten mit sich in den Abgrund der Hölle reißen würde und der Teufel ist es auch, der die Menschen zur „Hoffahrt“ reizte und sie – weil sie eben dieser Hoffart frönten – zu Duellanten und damit schließlich im Duell zu Mördern machte.98 93 Kursächsisches
Duellmandat 1653, hier Sp. 1545. hierzu grundsätzlich: Schilling, Gesetzgebung als Kommunikation; Landwehr, Policey im Alltag. 95 Diese sind mit Schilling, Gesetzgebung als Kommunikation, S. 148 der symbolischen Wirkungsabsicht von Gesetzen zuzuordnen. Vgl. dazu auch Vec, Hofordnungen, S. 61. 96 So umfasste das Hessische Burgfriedenspatent knapp eine (zweispaltige) Folioseite. Das Duellverbot von 1623 für Schleswig und Holstein war mit einer halben Seite noch knapper. Vgl. Hessisches Burgfriedenspatent 1611; Schleswig-Holsteiner Duellmandat 1623. 97 Vgl. dazu: Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1646. Ähnliches findet sich auch im Duellmandat Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel 1646, hier S. 1140; Sachsen-Gothaer Duellmandat 1646, S. 1092; ebenso im Schleswig-Holsteiner Duellmandat 1636, hier S. 458. Vgl. parallel dazu die Mahnungen in den Bußpredigten, etwa: Sircks, Warnungs Predigt, S. 43 f. u. ö. 98 So heißt es bspw. im Edikt aus Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel, dass das Duellieren „von niemand anders dann dem leidigen Teuffel, dem Anfänger aller Hoffahrt, und welcher ein Mörder vom Anfange, und keine höhere Lust, als 94 Vgl.
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Besonders markant ist außerdem die in den Bußpredigten99 und frühen Edikten gleichermaßen präsentierte Kontrastfolie der „Türcken [und] anderer Barbarischen Heydnischen Völker“.100 Hierbei können zwei Typen der Argumentation unterschieden werden: In einem Teil der Texte wird behauptet, dass das Duell von eben diesen heidnischen Völkern herkomme und erst später von Christen übernommen worden sei. So wird beispielsweise im Mandat von Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel aus dem Jahr 1646 erklärt, die Gewohnheit des Duellierens sei „bey den Barbarischen Völckern allererst eingeführet, von denen es […] unter die, so Christlichen Nahmens und Profession seyn, einreissen und zu Behauptung der Unschuld eingeführet werden wollen“.101 Fungierten die ‚Barbaren‘ hier als abschreckendes Beispiel, so waren sie im zweiten Argumentationstyp mahnendes Vorbild. Dementsprechend heißt es im Duellmandat von Sachsen-Gotha (1646), dass „dergleichen leichtsinnige Duella und Balgereyen weder in der Türcken, noch anderer Barbarischen Heydnischen Völker analibus zu lesen, ja wohl dieses drinnen zu finden ist, daß sie mit harten Straffen wider solche Ausforderer verfahren haben“.102 Argumentativ wird hier also darauf gesetzt, dass dann, wenn das Duell selbst bei den ‚barbarischen‘ Türken abgelehnt würde, es in einer christlichen Gesellschaft erst recht zu verwerfen sei. Insgesamt wird also – für die Zeit keineswegs untypisch – in moralisierenzum Morden und Verderben der Menschen träget“ herkomme. Und die potentiellen Duellanten werden folgendermaßen gemahnt: „Und mag über das ein jedweder hiebey reichlich erwegen, wann schon die gantze Welt bey Unterlassung dessen, was Gott selbst zuwider ist, ihn für unehrlich halten, er aber unterdessen, bey einem guten reinen Gewissen, der göttlichen Gnade versichert seyn würde; Ob er viel lieber sich der Welt bösen Opinion entbrechen, der irrigen Meinung nach, ehrlich sterben, unterdessen aber zu dem Teuffel in die ewige unendliche Schmach und Pein, da er in Ewigkeit für Gott, allen Engeln und Auserwehlten, ein Abscheu und Greul seyn müste, fahren?“ Vgl. Duellmandat Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel 1646, S. 1139. 99 Vgl. etwa bei Sircks, Warnungspredigt, S. 52–55. 100 Sachsen-Gothaer Duellmandat 1646, S. 1093. 101 Vgl. Duellmandat Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel 1646, S. 1139. Davon ging 1665 auch noch der Dresdner Superintendent Martin Geier aus, als er auf kurfürstlichen Befehl zu der Frage „Ob eine Christliche hohe Landesobrigkeit ihren Vasallen verstatten könne, in wichtigen streitigkeiten oder Injurienhändeln durch ein duell die sache beizulegen?“ ein Gutachten einreichte. Hier hieß es nun in Punkt 15: „Was von barbarischen und unchristlichen Völckern seinen ursprung genommen, auch von christlichen potentaten mit scharffen gesetzen untersaget ist, das kann Christl. Obrigkeit mit guten gewißen nicht verstatten. Nun ist solche Ehrenrettung durch duell von barbarischen völckern entstanden, alß von Lombarden, Moscowitern, Rußen, Ungern etc. hingegen haben es christliche Keiser, Könige in Franckreich, Engelland und andern orten ernstlich verboten.“ SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/7 [o. Pag.], Schreiben Geiers v. 17. Juli 1665. 102 Sachsen-Gothaer Duellmandat 1646, S. 1093.
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der Übertreibung der ‚Feind der Christenheit‘ entweder zum Sündenbock oder aber zum mahnenden Vorbild moralischer Sittlichkeit stilisiert.103 Diese deutliche Nähe der Erklärungsmuster für die Existenz und das Wesen des Duellierens und Balgens in den Bußpredigten und Mandaten der 1640er Jahre verlor sich jedoch bereits in den einschlägigen Bestimmungen ab der Jahrhundertmitte. Zurück blieb lediglich der Verweis auf das ungesühnte Blut der Toten, das im Falle einer ausbleibenden weltlichen Strafverfolgung der Duellanten als Schuld auf dem Land lasten und angesichts fehlender irdischer Strafe unzweifelhaft eine Strafe Gottes nach sich ziehen würde.104 Ebenso beharrlich blieben die mahnenden Stimmen der Pastoren, die daran erinnerten, dass die jeweiligen Obrigkeiten dazu verpflichtet wären, rechtlich gegen die einreißende Unsitte des Duellierens vorzugehen und entsprechende Mandate zu erlassen. Diese Forderung motivierte die Autoren offenbar, ihren gedruckten Predigten auch weiterhin bereits andernorts erlassene Duellmandate als Exempel beizugeben. Wobei das Repertoire nach und nach um deutsche Ordnungen ergänzt wurde. So finden sich in der Warnungs Predigt von Michael Sircks nicht nur die französischen Duellmandate von 1602 und 1609, sondern auch das wohl fiktive Duellmandat von Kaiser Matthias (1617), das Duellmandat für Dänemark und Holstein von 1636 und schließlich das gerade erlassene Duelledikt aus Sircks Heimatstadt Lübeck von 1645.105 Die bislang für die Bußpredigten und Normen aufgezeigte inhaltliche Unbestimmtheit des Begriffs Duell zeigt sich – wenig überraschend – auch in den ersten einschlägigen Strafverfahren. So etwa im Fall der tätlichen Auseinandersetzung zwischen zwei Oberlausitzer Adligen: Siegmund von Gersdorff zu Kittlitz und Georg Ernst von Kottitz zu Oppeln. In einem Schreiben des sächsischen Kurfürsten Johann Georg I. vom 23. Januar 1643 wird der Konflikt, der zwischen den schon lange zerstrittenen Adligen auf der Hochzeit der Tochter des Obristen Hans Christoph von Kalkreuter neuerlich ausgebrochen war, zunächst als Balgerei, Zank- und Raufhändel benannt. Lediglich bei der Frage, ob von einem Tatvorsatz gesprochen werden kann, wird mit Verweis auf die Untersuchungsakten festgestellt, es wäre offenbar, dass „der von Kettitz [sic] sich ohne Duell mit dem von Gersdorff 103 Dies zeigt sich besonders plastisch in Bußpredigten, die anhand dieses Motives den gesamten christlichen Sündenkatalog durchexerzieren: z. B. Ridderus, Der böse Maul- und Heuchel-Christ. Grundsätzlich zum Thema siehe Höfert, Den Feind beschreiben, S. 313–322; Füssel, Funktionalisierung. 104 Brandenburger Duellmandat 1652, S. 857; Sachsen-Gothaer Duellmandat 1646, S. 1092; Duellmandat Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel 1646, S. 1140. 105 Sircks, Warnungs Predigt, S. 100–107 (Kaiserliches Duellmandat 1617), 107–114 (Französische Duellmandate 1602 u. 1609), 116–121 (Dänisch-Holsteinisches Duellmandat 1636) u. 122–128 (Lübecker Duellmandat 1645).
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in keinen vergleich einlassen wollen“.106 Der Begriff Duell findet in den Verfahrensakten nur dieses eine Mal Erwähnung. Die Bezeichnung des Vorfalls als Duell bleibt also recht beiläufig. Auch in anderen frühen Gerichtsfällen ist ein Nebeneinander völlig verschiedener begrifflicher Etikettierungen feststellbar, mit denen mal mehr und mal weniger konkrete inhaltliche Beschreibungen verbunden waren.107 Ob das Geschehene nun als Duell, Balgerei, Zänkerei oder gar als Totschlag bezeichnet wurde, war in der Mitte des 17. Jahrhunderts offenbar auch bei den Verhandlungen vor Gericht weitgehend beliebig. Als deutliche Ausnahme hat hier ein Mecklenburger Fall zu gelten, bei dem nicht nur nahezu ausschließlich von einem Duell die Rede war, sondern zu diesem war sogar schriftlich in einem Kartell, in dem die Streitparteien Ort und Zeit festgesetzt hatten, gefordert worden. Die Kontrahenten waren Kapitän Ulrich Aeppenheyn und Rittmeister Sigismund Croll. Der Schwiegervater Crolls, der das geplante Zusammentreffen der beiden Streitenden verhindern wollte, zeigte die Sache schließlich an. Der Versuch des Schwiegervaters, die bewaffnete Auseinandersetzung zu vereiteln, scheiterte allerdings. Denn obwohl beiden Kontrahenten auferlegt worden war, sich nicht anzumaßen, ihr „eigen richtern“ zu sein und sich in ihrer Streitsache an die Kanzlei in Schwerin zu wenden, trafen die beiden Streitenden letztlich doch im kleinen Landstädtchen Crivitz im Kampf aufeinander.108 Aber dieser Einzelfall sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für die Gerichtspraxis in dieser frühen Phase kaum entscheidend war, wie sich eine Auseinandersetzung gestaltete, sondern ob sie von den Beteiligten als Duell 106 SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9709/30 [o. Pag.], Schreiben Johann Georg I., Dresden, den 23. Jan. 1643. 107 Ähnliches zeigt sich auch in einem von Georg von Below aufgeführten Brandenburger Fall aus dem Jahre 1646: Hier waren ein gewisser von Bredow und ein von Cesto Caplier wegen eines Kettenhundes aneinander geraten. Wurde der Vorfall, bei dem Caplier starb, im Protokoll des Brandenburgischen Geheimen Rates von 10./20. Dezember 1646 durch den Kanzler noch als Duell tituliert, so findet sich im Protokoll vom 30. Dezember 1646/9. Januar 1647 eine Klage der Witwe, in der nun nur noch von einer schlichten Entleibung die Rede war. Meinardus, Protokolle und Relationen, Bd. 3, S. 599 u. 608. Die doppelten Datumsangaben geben den Tag jeweils nach altem bzw. neuem Kalender an. Der Fall ist erwähnt bei Below, Das Duell in Deutschland, S. 12; ganz ähnlich im Fall einer 1658 in Sonderburg geschehenen Auseinandersetzung zwischen zwei deutschen Offizieren, die im Dienste der schwedischen Krone standen. RAS, Justitierevisionen utslagshandlingar oresolverade, 1662, August/09 [o. Pag.]. Vgl. hierzu auch Ludwig, Rituale der Vergemeinschaftung. 108 LAS, 2.12-2/18 (Militärwesen), Best. Nr. 5 (Delikte außer Desertion), Nr. 5023. Über den Ausgang des Zusammentreffens ist nichts bekannt. Allerdings wurde Croll nach dem Duell nach Schwerin zitiert, und in dieser Zitation wird kein tödlicher Ausgang erwähnt.
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bezeichnet worden war. Und solche als Duell bezeichneten Auseinandersetzungen finden sich kaum! Das bedeutet nicht, dass gewaltsam ausgetragene Ehrkonflikte in dieser Phase generell selten stattfanden oder nicht gerichtlich verfolgt wurden. Es bedeutet aber, dass ungeachtet der erlassenen Duelledikte solche gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikte weder von den Gerichten noch von den Konfliktparteien in Beziehung zu den Duelledikten gesetzt wurden.109 Die fehlende Verknüpfung zwischen Gewalthändeln und Duelledikten zeigt sich besonders klar an einer 1661 erstellten Liste von gerichtsanhängigen Tötungsfällen, an denen Oberlausitzer Adlige seit etwa 1648 beteiligt waren. Erstellt worden war diese durch den in Bautzen tätigen kurfürstlichen Kammerprokurator Dr. Benjamin Leuber. Von den aufgeführten 25 Tötungsfällen waren zehn zweifelsfrei im Rahmen von Ehrenhändeln zwischen Adligen bzw. Militärs erfolgt. Als Duell wurde indes keiner dieser Vorfälle etikettiert.110 Das heißt aber, dass die Durchschlagskraft der Duellmandate nicht überschätzt werden darf. Wobei hier nicht nur eine defizitäre Umsetzung von Sanktionsdrohungen in der Strafverfolgung festzustellen ist, sondern darüber hinaus der Erlass der Duellmandate noch nicht einmal dazu führte, dass alle unter dieses Label passenden und gerichtsanhängigen Delikte auch mit Verweis auf diese Mandate verhandelt wurden. Fragt man schließlich nach den in den frühen Duelldiskursen ausgemachten Protagonisten der Kämpfe, so dominiert die Gruppe des Adels. Unter Theologen war man sich offenbar weitgehend einig, wer die Duellanten waren. Denn in den Bußpredigten werden vor allem Adlige – mitunter auch in Gestalt von adligen Militärs oder Studenten – als potentielle Ehrenkämpfer angesprochen. Zachäus Faber hatte „Edelleute“ und „Kriegsleute“ im Visier, auch Sircks mahnte insbesondere Angehörige des Adels und Joachim Schröder ließ seine Schrift zum besonderen Nutzen der Jugend im Allgemeinen und der auf den Akademien im Besonderen ausgehen.111 Bei den frühen Duelledikten sticht die Gruppe des Adels – gerade bei den Beschreibungen der Normanlässe – ebenso hervor. Im ersten kursächsischen Duell 109 Bei meinen Recherchen konnte ich in den von mir untersuchten Gebieten für die Phase bis 1660 gerade einmal 5 Fälle ausmachen: (1) Mecklenburg 1647: LAS, 2.12-2/18 (Militärwesen), Best. Nr. 5 (Delikte außer Desertion), Nr. 5023; (2) Kursachsen (Oberlausitz) 1643: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9709/30 u. StFiA Bautzen, 50009, Nr. 690 [o. Pag.]; (3) Kursachsen 1659: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9993/2; (4) Schweden 1658: RAS, Justitierevisionen utslagshandlingar oresolverade, 1662, August/09 [o. Pag.]; (5) Brandenburg 1646: Meinardus, Protokolle und Relationen, Bd. 3 S. 599 u. 608. 110 StFiA Bautzen, 50009, Nr. 690 [o. Pag.], Schreiben Dr. Beniamin Leubers, Budisin, den 10. Sept. 1661. 111 Faber, Antimonomachia, Bl. E b; Sircks, Warnungs Predigt, z. B. Bl. biiia; ii Schröder, Mordspiegel, Bl. Aiiia, b.
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edikt ist explizit von „friedhässigen von Adel“ die Rede. Auch der pommersche Vorstoß in Sachen Duell war vom Überhandnehmen der „durch adels Persohnen begangen(e)“ Gewalttaten angestoßen worden.112 Ähnliches findet sich für Mecklenburg. Hier war 1618 der erfolglos gebliebene Vorstoß für den Erlass eines Duelledikts sogar als nicht praktikabel verworfen worden, weil man befürchtete, dass „die jungen Bursch“ der Ritterschaft, auf die das Edikt besonders abzielte, nur ihren Spott damit treiben würden.113 Anlass zur Übernahme des Lübecker Duelledikts von 1645 in Mecklenburg bot dann wiederum der konkrete Fall eines tödlich endenden Konfliktes zwischen zwei jungen Adligen.114 Doch auch wenn offenbar häufig gerade Gewalt unter Adligen die (versuchte) Verabschiedung von Duelledikten beförderte und dies vereinzelt auch noch in den Arengen der Normen aufscheint, so zielten die Mandate mit Blick auf die anvisierten Normadressaten formal auf nahezu alle gesellschaftlichen Teilformationen – im Grunde sparte man lediglich die Frauen aus. Entsprechend wurde im sächsischen Mandat von 1653 den lokalen Obrigkeiten geboten, generell auf „Friedensstörer, Aufwiegler, Zäncker [und] Tumultierer“ zu achten und nicht nur auf die „friedhässigen von Adel“.115 In dem 1618 entstandenen Entwurf eines Duelledikts für Mecklenburg war ebenfalls ständisch übergreifend „von Adel, Bürger(n) und andere(n)“ die Rede.116 Und auch das Mecklenburger Duelledikt von 112 StA Stralsund, Rep 13, Bd. 351, Landtagsabschied zu Treptow an der Rega v. 8. März 1608, Bl. 18a [o. Pag.] 113 LAS, 2.12-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1628 [o. Pag.], Begleitschreiben zum Edikt v. 22. Januar 1618. Befürchtet wurde zudem, dass ein solches Edikt gerade in der Auseinandersetzung mit der Ritterschaft der benachbarten Territorien „mehr zu erreg: vnd verursachung hader, zancks vnd vnschuldigen blutvergießens, dan zu erwehr: vnd abwendung desselben leichtsamb außschlagen vnd gereichen“. 114 Es handelt sich um eine mit Waffen ausgetragene Auseinandersetzung zwischen Victor von Bülow und Augustus von Bülow in Rehna; die Kontrahenten waren Vettern. Victor von Bülow starb an den im Kampf erlittenen Verwundungen. Seine Leichenpredigt ging 1646 in Lübeck in Druck und wurde vom Gadebuscher Pfarrer Joachim Schreck gehalten. Schreck, Klag-Trawr und Trost-Predigt, zum Tat hergang Bl. Fiia–Fivb. Auf diesen Anlass für die Übernahme des Lübecker Edikts verwies Herzog Adolph Friedrich von Mecklenburg (1588–1658) in seinem Schreiben vom 21. Januar 1646 an Kanzler und Räte selbst. Hierin heißt es: „als ist hiermit nochmals vnser gnediger befehl, daß Jhr solches fordersambst vnverlengt ins werck stellet Vnd so viel Exemplaria alß zur publication nötig, trucken lasset, da solche duella gantz ungeschewet Je lenger Je mehr einreißen, Wie Euch daß newerlich zu Rehna vorgangenes Tragicum exemplum nunmehr schon bekannt sein wirt.“ LAS, 2.12-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1629 [o. Pag.]. 115 Kursächsisches Duellmandat 1653, hier Sp. 1546. 116 Mecklenburg-Schweriner Duellmandat (Entwurf) 1618 [o. Pag.].
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1646 richtete sich ganz unspezifisch an „Menniglich(e), was Standes condition vnd Wesens dieselben sein, Vnterthanen vnd frembden“.117 Dieses Nebeneinander von einer als Problem (und Normanlass) wahrgenommenen Situation – hier der Gewalttätigkeit unter zumeist jungen Adligen – und der deutlichen Ausweitung des Kreises der Normadressaten in den Edikten, ist dabei ein für die vormoderne Normproduktion durchaus typisches Vorgehen: Auf konkrete Probleme reagierte man mit dem Erlass von Edikten, in denen man versuchte, vorsorglich und sozusagen ‚in einem Abwasch‘ eine für alle potentiellen Gewalttäter gleichermaßen gültige Norm zu etablieren.118 Allerdings wird in der Ausweitung des Adressatenkreises noch ein anderes Moment deutlich: Bereits im Scheitern der beiden frühen Gesetzesinitiativen in Pommern und Mecklenburg hatte sich gezeigt, dass es gerade der Adel im Land war, der sich gegen entsprechende Mandate zur Wehr gesetzt hatte. In den ersten, erfolgreich erlassenen Edikten ist dieser Konflikt mitunter noch eingeschrieben. So heißt es in dem 1646er Mandat für SachsenGotha, dass „das Verbot der Balgereyen, und die auf dasselbe gesetzte Straffen mit Fug, und gutem Gewissen nur auf die Plebejos und gemeine Leute nicht restringiret und gezogen werden“ kann. Und ganz in diesem Sinne wurde festgesetzt, dass künftig Verweise auf eine anders laufende Rechtsgewohnheit, „wie alt und eingewurtzelt die auch immer seyn möge“, vor Gericht nicht mehr beachtet werden sollte.119 Es ging bei der im Mandat manifestierten sozialen Breite des Adressatenkreises also gerade nicht um eine Einbeziehung der „Plebejos und gemeinen Leute“, sondern darum, dass die Duellmandate im Unterschied zu älteren Erlassen gerade auch für Adlige und sonst rechtlich privilegierte Gruppen gelten sollten. In den entsprechenden Artikeln der Schleswig-Holsteinischen Konstitu tion von 1636 wurde rechtlich etwas subtiler argumentiert. Man erklärte nämlich, dass die unter Strafe gestellten Gewaltpraktiken von den zulässigen Formen der Defension zu unterscheiden wären und eine Sanktionierung dieser Gewaltpraktiken deshalb auch nicht dem alten Herkommen widerspräche. Dementsprechend wurde in Paragraf 13 festgesetzt, „daß obgleich Rittermäßige Personen, zu rechtmäßiger Defension, Ehr, Leib und Leben, den Degen zu gebrauchen nicht weniger dieses Orths, als sonsten im Römischen Reich, vergünstiget, dennoch alle unnötige und in zuläßiger Defen sion nicht bestehende, mehrentheils aus jugendlicher Vermessenheit […] oder aus lauterem Frevel und Muthwillen […] entspringende Querellen und 117 Mecklenburg-Schweriner
Duellmandat 1646 [o. Pag.]. eine derartige Logik der Normproduktion verweist etwa Kästner, Implementierung. 119 Sachsen-Gothaer Duellmandat 1646, S. 1094. 118 Auf
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Rauffe“ verboten sein sollen.120 Im Duellmandat von Herzog August zu Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel von 1646 wird ebenfalls deutlich, dass man bemüht war, sich von der offenbar bestehenden Idee eines adligen Anrechts auf Straffreiheit bei gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikten zu lösen. Im Text wurde dabei vor allem die falsche Meinung über den Charakter derartiger Gewalthändel angeprangert. Denn auch wenn allgemein angenommen werde, dass „dergleichen Balgere und Partheyen in keinem verbothenen, oder sündlichen, sondern vielmehr in einem löblichen ritter lichen, und zwar durch langwierigen Gebrauch eingeführten und bestätigten Defensions-Actu begriffen“ würden, so sei dies doch ganz und gar nicht richtig. Vielmehr handelten die Gewalttäter gerade auch im Fall von Ehrkonflikten „allen göttlichen und weltliche Rechten schnurgleich zuwider“, da nur den von Gott „vorgesetzte(n) Obrigkeiten […] das Schwerd zur Rache“ in dergleichen Situationen zustehe.121 Entsprechende Passagen in den Edikten verweisen also immer auch darauf, dass bis zum Erlass der Duellmandate hinsichtlich des Rechts auf Notwehr und Ehrenschutz für den Adel ganz offensichtlich besondere Vorrechte bestanden.122 Im Zuge der Duellgesetze weitete man nun die Möglichkeiten eines strafrechtlichen und damit herrschaftlichen Zugriffs auf den Adel im Feld der Ehr- und Gewaltkonflikte deutlich aus und schränkte die bis dahin bestehende, tendenziell exemte rechtliche Stellung dieser sozialen Formation gezielt ein. Diese Entwicklung war Teil eines übergreifenden Prozesses einer privilegierten Integration des (landsässigen) Adels in das zunehmend landesherrlich dominierte Rechtssystem.123 Privilegierte Integration bedeutet dabei mit Blick auf das Strafrecht, dass Adlige vor einem gerichtlichen Zugriff nicht mehr grundsätzlich geschützt waren.124 Wie älte120 Schleswig-Holsteiner
Duellmandat 1636, S. 458 f. Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel 1646, S. 1138 f. Die Vorstellung, dass es sich bei der gewaltsamen Verteidigung der eigenen Ehre um „alte(n) Gebrauch vnd Herkommen“ handeln würde und dies eine „Ritterliche Männliche Gewonheit“ sei, findet sich als Argument – das es freilich zu widerlegen galt – auch in früheren Bußpredigten. Vgl. bspw. Haffenreffer, Fried Bott 1613, S. 25. 122 Dies steht zweifellos im Zusammenhang mit den Vorrechten im Bereich der Fehdepraktiken, wenngleich Ehr- und Gewaltkonflikte darin nicht aufgingen. Vgl. hierzu Reinle, Fehden und Fehdebekämpfung; zu den Übergängen mit Blick auf Ehrkonflikte Garnier, Injurien und Satisfaktion; mit Blick auf die Nutzung gerichtlicher Strukturen durch bzw. gegen Adlige Wieland, Selbstzivilisierung zur Statusbehauptung. 123 Hierzu auch Wieland, Selbstzivilisierung zur Statusbehauptung, S. 337. 124 Zu beachten ist jedoch, dass sich die jeweils zuständigen gerichtlichen Instanzen in Abhängigkeit von ihrer ständischen Position unterschieden. So hatte beispielsweise in Kursachsen der schriftsässige Adel seinen Gerichtsstand direkt beim Landesherrn. Im Unterschied dazu wurden Verfahren gegen amtssässige Adlige beim 121 Duellmandat
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re Mandate gegen adlige Gewalttätigkeiten zeigen,125 findet sich dieser herrschaftliche Anspruch auf eine stärkere Einhegung der rechtlichen Stellung des Adels keineswegs erst in den Duellmandaten, aber neuen Auftrieb hat dieser Prozess durch die Duellmandate zweifellos erhalten. Zugleich dürfen derartige Bestrebungen natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Adel auch weiterhin in der Verfahrens- wie in der Urteilspraxis mit einem privilegierten Umgang rechnen konnte.126 Begründet wurde diese ‚Bevorzugung‘ damit, dass Strafen, Haft und Folter Adlige aufgrund ihres gesellschaftlich herausgehobenen Standes ungleich härter treffen würden als Delinquenten aus anderen ständischen Gruppen. Dieses Verständnis einer (je nach Sichtweise) bevorzugten oder standesgerechten Behandlung bei strafrechtlichen Verfahren spiegelte sich, wie Christian Wieland mit Blick auf Bayern und das Alte Reich herausgestellt hat, in einer großen Zahl von Traktaten über „Wesen und Pflicht des Adels“, in denen eben diese recht lichen ‚Privilegien‘ für Adlige – mitunter auch von adligen Autoren aufbereitet – minutiös ausgebreitet wurden.127 Das Besondere an den Duellmandaten ist allerdings, dass in diesen die Logik des sonst im Recht üblichen Konzepts einer privilegierten Integra tion des Adels aufgehoben zu sein scheint: Denn wenn man davon ausgeht, dass mit den Duellmandaten vor allem eine Sanktionierung des gewalttätigen Verhaltens von Adligen intendiert war, so scheint der üblicherweise in der Normsetzung anzutreffende mildere Umgang mit dieser Zielgruppe gerade nicht umgesetzt. Zwar wurde auch hier im Fall von Todesstrafen zwischen adligen und bürgerlichen Delinquenten unterschieden und Erstere sollten weniger schändlich gerichtet und weniger ent Amt und damit durch den Schösser als landesherrlichen Beamten geführt. Mit der Schriftsässigkeit war nicht grundsätzlich der Besitz der oberen Gerichtsbarkeit verbunden, sondern lediglich der eigene Rechtsstatus. Ludwig, Das Herz der Justitia, S. 43, 96 u. 121–129. 125 So gab es auch schon vor den Duellgesetzen einzelne Mandate, die sich speziell gegen Gewaltakte und ‚schlechtes Benehmen‘ von Adligen wandten. Vgl. für die Oberlausitz: Oberlausitzer Ober-Amts-Patent 1598; Oberlausitzer Ober-AmtsPatent 1625 (hier geht es darum, das ungebetene Besuchen junger Adliger auf Feiern zu unterbinden und den bei solchen Besuchen geübten „ihnen und ihren Stand und Herkommen übel anstehende und unverantwortliche Excess und Exorbitantien, sowohl mit unverschämten Worten, als auch anderen mehrern beschwerlichen Thätlichkeiten“, Oberlausitzer Ober-Amts-Patent 1625, S. 395); Oberlausitzer OberAmts-Patent 1645. 126 Dieser privilegierte Umgang reichte von einer milderen Strafpraxis über die sehr eingeschränkte Möglichkeit der Anwendung der Folter bis hin zu Haftverschonung oder besonders bequemen Formen der (Untersuchungs-)Haft – etwa im eigenen Haus oder in einem Gasthof. Vgl. exemplarisch Ludwig, Von „beschwerlich gefengnis“ und „milder hafft“. 127 Wieland, Selbstzivilisierung zur Statusbehauptung, S. 337.
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ehrend begraben werden. Aber sie mussten für einen widerrechtlich aus getragenen Ehrenkampf – zumindest immer dann, wenn der Gegner im Kampf starb – immerhin mit einer Lebensstrafe rechnen.128 Dass dies eine bemerkenswerte Zuspitzung war, zeigt sich dabei erst in ganzer Deutlichkeit, wenn man die in den Duellmandaten angedrohten Strafen mit früheren Bestimmungen zum Ausfordern vergleicht. Folgt man etwa den entsprechenden Artikeln der Kursächsischen Konstitutionen zum Ausfordern, so war der überlebende Kämpfer eines solchen Ehrenkampfes gerade nicht mit der Strafe der Totschläger zu belegen, sondern maximal willkürlich, also nach Gelegenheit der Sache und damit milder zu strafen.129 Mit dieser traditionell milden Form der Strafbestimmungen bei Ausforderungen war die Vorstellung verknüpft, dass verbale Ehrverletzungen im Grunde mit tätlichen Angriffen auf die Person gleichzusetzen seien, was – bei entsprechender Schwere der verbalen Attacke – auch eine tätliche Reaktion erlaubte. All dies bedeutet aber letztlich, dass es im rechtlichen Verständnis der Zeit grundsätzlich Situationen gab, bei denen tätliche Reaktionen nicht nur gerechtfertigt waren, sondern zum Schutz der eigenen Ehre auch als notwendig konzeptualisiert werden konnten. Oder mit anderen Worten: Wenn der Verweis auf eine ehrenrührige Ausforderung, etwa mit Bezugnahme auf die kursächsischen Konstitutionen, als gerechtfertigt galt, so spiegelt sich darin zugleich die lebensweltlich zweifellos weitgehend akzeptierte Vorstellung, dass man zum Beweis der eigenen Ehrenhaftigkeit solch eine Ausforderung zum Kampf auch annehmen musste.130 Geradezu unerhört dürfte es den Normadressaten daher erschienen sein, dass in den Duelledikten plötzlich gefordert wurde, dass man auf ehrverletzende Worte und Gesten nicht mehr gewaltsam reagieren sollte: So heißt es etwa im Duellmandat von Sachsen-Gotha (1646), dass ein Beleidigter und Ausgeforderter „keine erhebliche Ursache“ für einen Kampf hätte und die Sache im Bedarfsfall vor Gericht ausmachen solle.131 In den Duellmandaten wurde damit die bis dahin so sorgsam getroffene Unterscheidung zwischen Provokant und Provoziertem aufgehoben und ein eigenmächtiger, gewaltsamer Ehrenschutz prinzipiell für unrechtmäßig erklärt. Diese Einebnung der Schuldfrage bei gewaltsam ausgetragenen Gewaltkonflikten vollzog sich sukzessiv und war gerade in der ersten Hälfte des 128 So z. B. Duellmandat Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel 1646, S. 1140; Sachsen-Gothaer Duellmandat 1646, S. 1092 f.; Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1646, [o. Pag.]. 129 Kursächsische Konstitutionen 1572, Teil 4, hier Sp. 119 f. 130 In großer Bandbreite beschreibt dies auch Tlusty, The Martial Ethic, S. 95– 102. 131 Sachsen-Gothaer Duellmandat 1646, S. 1093.
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17. Jahrhunderts nicht in allen Duellmandaten gleichermaßen ausgeprägt: So sollte etwa nach den schleswig-holsteinischen Bestimmungen von 1636 im Verfahren am Einzelfall geklärt werden, ob die womöglich angeführte notwendige Defension in der Sache gerechtfertigt gewesen sei oder nicht.132 Hier wurde also zunächst die Entscheidung darüber, was als zulässige Reaktion auf eine Beleidigung und Ausforderung anzusehen sei, von den unmittelbar Beteiligten in die Kompetenz des Gerichts verlagert. Eine generelle Forderung, auf Beleidigungen und Ausforderungen grundsätzlich gerichtlich und nicht mehr tätlich zu reagieren, fehlte in diesem Fall also noch. Aber dieses Element der Schuldsuche im gerichtlichen Verfahren verschwand schnell aus den Normen. Die Zukunft gehörte dem generellen Verbot aller Formen der eigenmächtigen Rache. Ganz in diesem Sinne heißt es etwa im 1646 erschienenen Edikt für Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel, dass derjenige, der sich in seinen Ehren verunglimpft sehen würde „schuldig und gehalten ist, sein Recht und Vindict keineswegs eigen= Richterlich, und durch Selbstgewalt, sondern vermittels dero von Gott jedes Orts vorgesetzte Obrigkeiten“ zu suchen. Denn nur diese allein habe das Recht, „das Schwerd zur Rache über diejenigen, welche andere Leute mit Worten, oder Wercken beleidigen und beunruhigen“, zu erheben. Wobei mit dem Argument, dass der Obrigkeit das Racheschwert „von der Gerechtigkeit Gottes in die Hände gegeben“ worden sei, die Legitimität des alleinigen herrschaftlichen Strafanspruchs deutlich unterstrichen wurde.133 Ausgenommen von einer strafrechtlichen Verfolgung blieb dabei lediglich ein enger Bereich der Notwehr, der in den Normen aber nur selten näher bestimmt wurde.134 Gerade diese radikale Beschränkung der Zulässigkeit von Formen der (legitimen) Ehrverteidigung in eigener Sache und die damit verknüpfte Einebnung der Schuldfrage bei gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikten führte dabei, so kann resümierend festgehalten werden, zur Konstruktion gleichwertiger Gegner. Auch wenn sich die gewaltsamen Praktiken in den Ehrkämpfen letztlich noch nicht geändert hatten, sondern nur neu benannt wurden, so legte die Aufhebung der Opfer- und Täterrolle in den Duellmandaten und damit in der ‚Abschaffung der Unschuld‘ letztlich den Grundstein für das genuin Neue im (rechtlichen) Verständnis des Duells. 132 Schleswig-Holsteiner
Duellmandat 1636, § 14–16, S. 459. Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel 1646, S. 1140. 134 Dass Akte der Selbstrache oder Duelle gerade deshalb verboten seien, weil der zuständigen Obrigkeit damit in ihr ‚Rach-Schwert‘ gegriffen werde, wurde seit den 1540er Jahren in fast allen Duellmandaten betont. Siehe bspw. Kursächsisches Duellmandat 1653, Sp. 1146; Duellmandat Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel 1646, S. 1139; Sachsen-Gothaer Duellmandat 1646, S. 1093; Schleswig-Holsteiner Duellmandat 1636, § 17, S. 450. 133 Duellmandat
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2. Rechtliche Etablierungsprozesse Die Etablierung des Duells im deutschsprachigen Raum wurde auch nach den 1650er und 1660er Jahren entscheidend durch Rechtsnormen vorangetrieben. Wichtig für die weitere Entwicklung war dabei, dass die rechtlichen Etablierungsprozesse lange ohne eine auch nur annähernd klar umrissene Definition des Phänomens Duell auskamen. Vielmehr wurde ein Bündel verschiedener Handlungsweisen im Kontext von Ehrkämpfen sukzessive im Rahmen der Duellmandate behandelt und so in einen spezifischen rechtlichen Zusammenhang gebracht. Diese Entwicklung wird im Folgenden genauer betrachtet. Den Auftakt bildet die Frage, welche Impulse vom Reichsgutachten von 1668 für die territoriale Duellgesetzgebung ausgingen. In einem zweiten Schritt wird mit einem Schwerpunkt auf Duellmandate für Universitäten untersucht, welche Bedeutung überterritorialer Austausch und gemeinsame Gesetzesinitiativen verschiedener Territorien für die Weiterentwicklung und Ausdifferenzierung der rechtlichen Behandlung des Duells hatten. In diesem Zusammenhang gilt es zudem zu fragen, inwieweit durch diese überterritoriale Zusammenarbeit die Entkopplung der rechtlichen Entwicklung von der Gewaltpraxis fortgeschrieben wurde. Im dritten Unterkapitel werden am Beispiel des Oberlausitzer Adels ständische Widerstände gegen die Einsetzung von Duellmandaten untersucht; im vierten wird dann der Frage nachgegangen, in welcher Form sich im Laufe der Frühen Neuzeit eine rechtliche Ausdifferenzierung der Reglungsmaterie ‚Duell‘ beobachten lässt. Das knapp gehaltene fünfte Unterkapitel widmet sich abschließend den ‚späten Jahren‘ der Duellmandate im Alten Reich und der Frage, was sich an der Schwelle zum 19. Jahrhundert rechtlich änderte. a) Das Reichsgutachten von 1668 und seine Wirkung Als erster Kulminationspunkt der Duellgesetzgebung im Alten Reich hat zweifellos das Reichsgutachten zum Duell von 1668 zu gelten: Auf dem Reichstag in Regensburg eingebracht und am 22. September 1668 auch von Kaiser Leopold I. bestätigt, erlangte das Gutachten indes nie Gesetzeskraft. Gleichwohl diente es dennoch als Ausgangs- und Bezugspunkt einer Reihe neuer Duellmandate auf territorialer Ebene,135 wenngleich sich die Übernahme- und Adaptionsprozesse durchaus über Jahre erstreckten. So wurde etwa 135 Ein solcher Impuls entsprach dem Anliegen des Gutachtens. Hier heißt es, dass es „für gut und nothwendig ermessen [wird], in bevorstehender allgemeiner Reichs-Constitution, und dann von denen Chur-Fürsten und Ständen in Deren Landen ausgehenden Edicten und Mandaten praemittiren, und anführen zu lassen, wie das blutige Balgen und Kugel-Wechseln“ verboten sei. Vgl. Reichsgutachten 1668, S. 303. Beeinflusst hat das Reichsgutachten beispielsweise das Brandenburger Du-
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in Mecklenburg-Güstrow, nachdem – wie es im landesherrlichen Schreiben an die Kanzlei heißt – wieder einige „Schlägereien und Duelle“ vorgekommen wären, erst 1681 entschieden, die Delinquenten künftig dem „Regensburgischen Reichsschluss entsprechend“ abzustrafen. Da noch nicht vorhanden, wurde zudem festgesetzt, dass auch ein passendes Gesetz auf landesherrlicher Ebene zu erlassen sei.136 Zugleich blieb das Reichsgutachten lange ein Bezugspunkt für territoriale Gesetze. So wurde es in MecklenburgSchwerin noch 1716 und 1737 wortwörtlich wiederholt und seine Geltung für die strafrechtliche Praxis im Land erneut bestätigt. Doch auch jenseits solcher ‚Nachzügler‘ kann bereits für das letzte Drittel des 17. Jahrhunderts festgestellt werden, dass mit dem Reichsgutachten von 1668 das Duell als Straftatbestand endgültig in den rechtlichen Regelungen des deutschsprachigen Raumes angekommen war und die flächendeckende Wahrnehmung dieses Reglungsfeldes gerade durch die Verhandlungen auf Reichsebene entscheidend vorangetrieben worden sein dürfte. Inhaltlich führte das Reichsgutachten einzelne Bestimmungen der bis dahin bestehenden Gesetzgebung im Reich mit Elementen der französischen Duellgesetze zusammen,137 ohne jedoch konzeptionelle ‚Anleihen‘ bei den von den Theologen so oft als Vorbild präsentierten Duellmandaten Heinrichs IV. zu nehmen.138 Wichtige Anregungen für die Konzeption des ellmandat von 1688, in dem sich wortgleiche und sinngemäß gleiche Passagen finden. Vgl. dazu Bodenheimer, Geschichtliche Genesis, S. 38–63. 136 LAS, 2.12-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1634: Weitere Einschärfungen des Verbots gegen die Duelle 1681–1683 [o. Pag.], hier Schreiben vom 28. Sept. 1682 (sic). 137 Auf diese Einflüsse ist in der Forschung bereits verschiedentlich hingewiesen worden Prokowsky, Die Geschichte der Duellbekämpfung, S. 71; Bodenheimer, Geschichtliche Genesis, S. 24–33. 138 Zwischen den Duellmandaten Heinrichs IV. und dem Reichsgutachten lassen sich vielmehr zwei zentrale Unterschiede im Delikt- und damit verbunden im Sanktionsverständnis ausmachen: Zum einen war im Art. XII des französischen Mandats von 1609 vorgesehen, dass derjenige, der einen anderen zum Kampf herausforderte, auch härter zu bestrafen sei. Damit verknüpft war zum anderen die Regelung in Art. V, dass man im Falle von Beleidigungen bei den zuständigen Stellen um die Gestattung eines Kampfs ansuchen konnte. Vgl. dazu den Abdruck des Mandates in: Hafenreffer, Fried Bott 1615, Art. V, S. 49 f. u. Art. XIII, S. 52 f. Diese vergleichsweise weite Fassung legitimer Reaktionsformen auf Ehrverletzungen in den Duellmandaten Heinrichs IV. steht aber in einem deutlichen Kontrast zu dem bereits in den frühen deutschsprachigen Duelledikten anzutreffenden Konfliktverständnis, denn hier wurden ‚rechtmäßige‘ Formen gewaltsamer Ehrverteidigung ja gerade zurückgewiesen. Zwar war anfangs im entsprechenden Reichstagsausschuss durchaus darüber diskutiert worden, dass man bei der Strafzumessung zwischen Provokat, d. i. der Provozierte, und Provokanten unterscheiden müsse. Doch dieser Ansatz einer nach dem ‚Verursacherprinzip‘ differenzierenden Strafzumessung war später im Ausschuss kassiert worden. Vgl. hierzu eine Bemerkung in einem Schreiben von den
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Reichsgutachtens zum Duell stammten vielmehr aus zwei französischen Gesetzen neueren Datums. Dabei handelte es sich um das unter Ludwig XIV. 1651 erlassene ‚Édit du roy, portant reglement général sur les duels‘ sowie das im Wesentlichen darauf beruhende ‚Règlement des Messieurs Les Maréschaux de France‘ von 1653.139 Die zentrale Neuerung im Rahmen des Reichsgutachtens, die auch als die wichtigste Übernahme aus den französischen Vorbildern zu gelten hat, war die normative Zusammenführung von Sanktionierungsstrategien und -logiken gegen Verbal- und Realinjurien einerseits und gegen Duelle andererseits.140 Argumentiert wurde damit, dass man Duellen nur dann wirkungsvoll entgegentreten könne, wenn Injurien als deren Ursprung entsprechend bestraft würden. Denn erst durch eine zügige Bestrafung der Beleidiger – so die Überlegung in den Normen weiter – könnten auch Formen der ‚Selbst rache‘ unterbunden werden, die andernfalls geradezu zwangsläufig aus ungesühnten Beleidigungen erwachsen würden. Die Normen trugen damit der gesellschaftlich fest verankerten Vorstellung Rechnung, dass Ehrverletzungen einer Reaktion bedurften, um sie nicht durch eine ausbleibende Entgegnung selbst zu bestätigen und dadurch ‚wahr werden‘ zu lassen.141 Um bei der Reaktion auf Ehrverletzungen eine funktionierende rechtliche Alternative sicherzustellen, sollten Verfahren daher schneller und unkomplizierter zu einer Verurteilung des Injurianten führen, so dass eine zügige WiederherstelFürsten Johann Ernst und Friedrich von Sachsen an Gustav Adolph von Mecklenburg vom 3./13. August 1677: LAS, 2.12.-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1633 [o. Pag.], 2. Dokument. 139 Vgl. dazu Prokowsky, Die Geschichte der Duellbekämpfung, S. 71; Bodenheimer, Geschichtliche Genesis, S. 24–33. Übernahmen aus französischen Gesetzen waren in der Folgezeit kein Einzelfall: Im Bereich militärischer Normsetzungen tritt der schrittweise Rechtstransfer zwischen Frankreich und dem Alten Reich besonders deutlich hervor, denn hier wurde 1658 zunächst ein gemeinsames Mandat Jhrer Königl. Maj. in Franckreich und derer mit derselben vereinigten Chur- und Fürsten des H. Röm. Reichs-Armee erlassen. (Siehe dazu: Articuls-Brief und Kriegs-GerichtsOrdnung vor Jhrer Königl. Maj. in Franckreich und derer mit derselben vereinigten Chur- und Fürsten des H. Röm. Reichs-Armee 1658, S. 672.) Die hierin getroffenen Regelungen zum Duell finden sich schließlich nahezu wortgleich wieder im ArticulsBrieff vor die Reichs-Völcker 1672, S. 116. 140 Textvergleiche der Normen bei Bodenheimer, Geschichtliche Genesis, S. 26 f. 141 Dementsprechend heißt es in der kaiserlichen Resolution auf das „ReichsBedencken wegen der Duellen“, dass man ein Mandat erlassen wolle, „damit aller Vorwand, Anlaß und Uhrsach zu dergleichen Excessen benommen, und das frevelmühtige Schmähen und Jnjuriren als des Uhrsprung solchen Unheils verhütet werde, oder da darwieder gehandelt würde, dem beleidigten schleunige billigmäßige Satisfaction wiederfahren mögte“. Um dies zu erreichen, sollten Injurienfälle künftig in einem summarischen und damit auch deutlich kürzeren Verfahren untersucht werden. Reichsgutachten 1668, S. 303.
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lung der verletzten Ehre des Beleidigten ermöglicht und auf diese Weise Duellanlässe vermieden werden könnten.142 Entsprechende Sanktionsandrohungen gegen Injurianten waren natürlich keineswegs neu, vielmehr konnten Beleidigungen bereits vor dem Reichsgutachten strafrechtlich verfolgt werden.143 Doch neu und für den hier betrachteten Zusammenhang entscheidend war, dass durch diese Ausweitung der Reglungsmaterie der Duellmandate eine wirkmächtige normative Verknüpfung des weiten Feldes der Injurien mit dem sich langsam herauskristallisierenden Straftatbestand des Duells erfolgte. Dieser neuartigen rechtlichen Verknüpfung von Duell und Injurien im Reichsgutachten gingen vereinzelt bereits Duellmandate voraus, in denen Injurien immerhin Erwähnung gefunden hatten. So etwa im 1646 für Sachsen-Gotha erlassenen Duellmandat. Doch zentral für die weitere Entwicklung war die Etablierung eines differenten rechtlichen Umgangs mit verbalen Attacken. Denn im Mandat für Sachsen-Gotha hieß es noch, dass durch „schimpffliche oder sonst andere anzügliche Worte“ einer Person weder am „Leibe, noch an seinen Ehren ichtwas [d. i. etwas] geschadet“ werden würde und daher auch keine gewaltsame Entgegnung zulässig sei.144 Eine besondere Bestrafung für den Injurianten war daher ebenso wenig vorgesehen wie ein Zusammenhang zwischen ungesühnten Injurien und Duellen behauptet wurde. Im kursächsischen Duellmandat von 1665 finden sich hingegen bereits Strafandrohungen für Injurien.145 Allerdings fehlt hier noch die Konstruktion einer Duelle verursachenden Wirkung der Injurien. Vielmehr wurden „unfertige Händel, Zänkerey […] Verbal- und Real-Injurien, Schlägerey, Ausfordern, Rauffen und Balgen und Duelliren“ gemeinsam abgehandelt. Für derartige Verhaltensweisen insgesamt oder aber nur einem Vergehen aus dieser Aufzählung sollten die Betreffenden dann aller „Ehren, Aembter, Lehen und gesamten Hand und anderer Güther verlustig und entsetzet seyn“ und „nach Beschaffenheit derer Sachen“ zudem an Leib und Leben 142 LAS, 2.12-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1631, Bl. 1b (eigene Zählung). In diesen Vorstoß wurden große Hoffnungen gesetzt. So heißt es etwa in einem Schreiben der sächsischen Fürsten Johann Ernst und Friedrich an Herzog Gustav Adolph von Mecklenburg-Güstrow mit Blick auf die Regelungen zu den Injurien im Reichsgutachten: „hiezu kann viel gutes die schleunige cognition der sachen, dem beleidigten Theil an seiner beschimpfften Ehre oder erlittene Gewalt verschaffende satisfaction dadurch Er der beleidigung so viel ehender zu vergessen bewogen werden mögte, wirken u. zu wege bringen“. 2.12-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1633 [o. Pag.], 2. Stück. 143 Zur Entwicklung entsprechender Rechtsregelungen siehe Bettoni, Diffamation. 144 Duellmandat Sachsen-Gotha 1646, S. 1093. 145 Bodenheimer geht davon aus, dass das sächsische Mandat eine wichtige Grundlage für das Reichsgutachten bildete. Vgl. Bodenheimer, Geschichtliche Genesis, S. 34.
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bestraft werden.146 Dieses Strafmaß fällt mit Blick auf die Verbal- und Realinjurien im Vergleich zu den Strafbestimmungen im Rahmen anderer Mandate bereits bemerkenswert harsch aus.147 Aber trotz dieser harten Strafandrohungen wurde auch hier noch nicht explizit betont, dass es eben jene Injurien seien, die als Ursachen des Duells zu gelten hätten und daher unterbunden werden müssten. Dies liest sich im Reichsgutachten von 1668 grundsätzlich anders: Gleich zu Beginn des Gutachtens wird darauf verwiesen, dass es gelte, künftig „das frevelmühtige Schmähen und Jnjurieren als de[n] Uhrsprung solchen Unheils“ und damit als Ursache für Duelle und Raufhändel zu verhüten.148 Dieser Anspruch wurde durch gesonderte Sanktionsdrohungen gegen Injurien unterstrichen: Es war vorgesehen – und das kann als zweite zentrale Differenz zu früheren Duellmandaten auf Landesebene gelten –, dass neben der Verhängung von „empfindlichen“ Geld-, Haft- oder sogar Verweisungsstrafen gegenüber dem beleidigten Part eine „Ehren-Erklährung und öffentliche Abbitte oder Wiederruf“ zu leisten sei.149 Die Abbitte oder Ehrenerklärung hatte im Falle besonders schwerwiegender Injurien öffentlich zu erfolgen – ein Prozedere, mit dem die Ehre des Beleidigten wirkungsvoll in Szene gesetzt und effektvoll wiederhergestellt werden sollte.150 Neu und im deutschsprachigen Kontext innovativ war am Reichsgutachten zweierlei: Zum einen wurde in den Normen explizit darauf verwiesen, dass Injurien als Ursprung und Ursache von Duellen, Raufhändeln und dergleichen anzusehen seien. Diese Feststellung war für sich allein genommen natürlich nicht wirklich neu, vielmehr argumentierten die älteren Rechtsnormen bereits damit, dass schwere Beleidigungen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen konnten. Aber im Unterschied zu älteren Rechtstraditionen, in denen man eine quasi als Notwehr verstandene ‚Ausforderung‘ zum Kampf nach einer schweren Ehrbeleidigung als durchaus gerechtfertigte Reaktion anerkannte, wurde nun prinzipiell die Berechtigung des Einzelnen bestritten, eine derartige Ehrenkränkung selbst zu ahnden. Mit diesem Verbot der Selbstrache verknüpft wurde das Argument, dass man gewaltsame Auseinandersetzungen durch frühzeitige rechtliche 146 Duellmandat Kursachsen 1665, Sp. 1623 f.; mit gleicher Stoßrichtung auch Sp. 1626. 147 Vgl. etwa die Artikel IX und X im vierten Teil der Kursächsischen Konstitutionen (IX Waser gestalt diejenigen, so andere provociren und ausfordern, zu bestraffen? und X Welcher Gestalt der zu straffen, so auf vorgehende Ehrenverletzliche Ausforderung verbrochen) Vgl. hierzu: Kursächsische Konstitutionen 1572, Teil 4, Sp. 119 f. 148 Reichsgutachten 1668, S. 302. 149 Reichsgutachten 1668, S. 302. 150 Reichsgutachten 1668, S. 303.
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Schritte gegen diese als Ursprungshandlungen verstandenen Injurien verhindern könne. Zum anderen wurde durch die Verknüpfung von Injurie und Duell in einer Ursache-Folge-Relation der Prozess der Umetikettierung vorangetrieben: Wer gewaltsam auf eine Beleidigung reagierte, hatte nun im Sinn zu haben, dass dieses Verhalten unter die Duellmandate fiel und seine Gewaltreaktion vom Gericht womöglich als Duell begriffen wurde! Hinzu kam, dass sich den Konfliktgegnern durch die Aufnahme von Ehrenerklärung und öffent licher Abbitte in den Sanktionskatalog neue Chancen einer strategischen Nutzung des Rechtswegs boten. Denn jetzt bestand – zumindest formal – die Möglichkeit, eine Beleidigung als Vergehen gegen das Duellmandat einzuklagen und den Konfliktgegner im Idealfall durch ein Urteil symbolisch sehr wirkungsvoll zu einer öffentlichen Entschuldigung zu zwingen.151 Es ist schwer zu entscheiden, welchen Beitrag diese Verknüpfung für die Verbreitung der Deutung von gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikten als Duell geleistet hat oder ob sich hieraus gar eine Popularisierung des Duells ergab. Inwieweit den Mandaten eine duellvermeidende Funktion zugewiesen werden kann, muss ebenso offen bleiben.152 Aber immerhin zeigen Verfahren, in denen man Injuriensachen nach den Duellmandaten verhandelte, dass die Duellmandate durchaus mit Blick auf verbale Attacken rezipiert wurden.153 Wenngleich anzumerken ist, dass die normativ verankerten Ehrenerklärungen in der Urteilspraxis eher selten zum Einsatz kamen.154 151 Diese symbolisch aufgeladene Form der öffentlichen Abbitte selbst war mit Blick auf die römisch-rechtlichen Traditionen nicht neu, fehlte aber bis dahin in den einschlägigen territorialen Rechtsnormen im weiteren Kontext des Duells. Zur römisch-rechtlichen Tradition Bettoni, Diffamation. 152 Der Einfluss von Strafgesetzen auf deviantes Verhalten bzw. auf die Etikettierung von Verhalten als deviant ist prinzipiell nur schwer empirisch nachzuweisen. 153 Reichlich ein Drittel aller erhobenen Verfahren behandelten Injurien als derartige Verstöße gegen die Duellmandate. Vgl. dazu Grafik 1 weiter unten in diesem Kapitel. 154 So erreichte etwa Georg Heinrich von Bärenstein mit seiner 1725 erhobenen Injurienklage gegen den Neumärckischen Regierungsrat Heinrich August von Einsiedel, dass dieser eine Abbitte leisten und eine Ehrenerklärung abgeben musste. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 326a–358b. Adolph von Geist wurde 1720 ebenso dazu verurteilt, eine entsprechende Ehrenerklärung gegenüber einem gewissen von Hacken abzugeben, den er zuvor mit gezielten Beleidigungen zu einer Duellforderung provoziert hatte. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 127a– 135b. Die Abgabe einer Ehrenerklärung wurde im Urteil bzw. in der Begnadigung auch in den folgenden Fällen gefordert: StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 645 (vorläufige Sign.); SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 95a– 132a; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 304a–315a; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 210a–215b; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 208a–224a; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/3, Bl. 151a–167b.
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Feststellen lässt sich aber, dass unter den zeitgenössischen ‚Normproduzenten‘ die Integration der Injurienbestimmungen in die Duellmandate und hier gerade auch die Option entsprechender Ehrenerklärungen durchaus als innovative Neuerung begriffen wurde. So erklärte etwa die sächsische Regierung 1692 in einem Gutachten im Kontext der anstehenden Überarbeitung der Duellgesetze in Kursachsen gegenüber ihrem Landesherrn, dass es am meisten auf „den passum reperationis“ – also die Regelungen zu den Formen der öffentlichen Abbitte – ankomme. Eine Debatte, die im Übrigen durch das übersandte brandenburgische Duellmandat von 1688 angestoßen wurde, das seinerseits durch das Reichsgutachten inspiriert worden war.155 Der Umstand, dass solcher „passus reperationis“ bislang gefehlt hätte oder doch nicht gänzlich beachtet worden war, sei – so die Vermutung der Dresdner Räte – „wohl meist die ursache“ für den geringen Effekt der vorherigen Mandate gewesen.156 Im Zuge der Umsetzung der Injurienbestimmungen aus dem Reichsgutachten auf territorialer Ebene (und nur dort) sticht schließlich noch eine weitere, ausgesprochen interessante Neuerung ins Auge. Denn obwohl die Bestimmungen zu Injurien im Reichsgutachten nicht auf bestimmte gesellschaftliche Teilformationen beschränkt waren, änderte sich eben das auf der landesherrlichen Ebene: So finden sich in den kursächsischen Duellmandaten des frühen 18. Jahrhunderts ausgesprochen rigide Strafandrohungen für Verbal- und Realinjurien und die Festlegung, dass diese nur dann angewandt werden sollten, wenn beide Konfliktparteien Adlige, höhere Offiziere oder aber Spitzenbeamte im Dienste der Krone wären.157 Die Bestimmungen zur gerichtlichen Satisfaktion galten also im Unterschied zu den übrigen Paragrafen der Duellgesetze nur für ausgewählte Sozialformationen der Gesellschaft. Das heißt, zwei Kaufleute oder Handwerker sollten zwar dann, wenn sie sich duellierten, nach dem Duellmandat bestraft werden, würden sich dieselben Kaufleute oder Handwerker hingegen nur verbal beleidigen, war In keinem dieser Fälle kann indes als sicher gelten, dass eine solche Ehrenerklärung auch geleistet wurde. Zum Problem der Ehrenerklärung auch weiter unten in diesem Kapitel. 155 Die Übernahmen aus dem Reichsgutachten finden sich aufgelistet bei Bodenheimer, Geschichtliche Genesis, S. 40–49. 156 SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/7: Acta das Duell-Mandat und Das Duelliren betreffend 1665–1706, hier: Schreiben der Regierung vom 25. Feb. 1692 [o. Pag.]. In die gleiche Richtung weist ein Schreiben König Augusts II. an Otto Christian Graf zu Zinzendorf vom 10. September 1704. Hier heißt es, dass die Kommission, die das neue Duellmandat erarbeiteten sollte und der Zinzendorf vorstand, „absonderlich den passum reparationis honoris wenn einen von den andern zu nahe getreten worden, also einrichten“ soll, „daß jedermann damit zu frieden sein könne“. Siehe SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/5, Bl. 98a–103b, hier Bl. 98a, b. 157 Vgl. dazu: Kursächsisches Duellmandat 1712, Sp. 1787 (§ 1).
2. Rechtliche Etablierungsprozesse 99
eine Verurteilung mit dem Verweis auf das Duellmandat jedoch nicht mehr möglich. Vielmehr waren nun entsprechende Bestimmungen zu Injurien aus den Policeyordnungen anzuwenden, in denen deutlich mildere Strafen vorgesehen waren. Die kursächsische Entwicklung war kein Einzelfall. Ähnliches zeigt sich auch in den Duellmandaten der Mecklenburger Herzogtümer.158 Gelegentlich blieben die Regelungen auch impliziter Natur, wie etwa im Preußischen Duellmandat von 1713, in dem vornehmlich verfahrensrechtliche Sonderregelungen aufgestellt wurden.159 Mitunter erfolgte die Einführung dieser Differenz in die Duellmandate auch deutlich später. So finden sich entsprechende Regelungen für Bayern erst im Duellmandat von 1773.160 Die in den Duellmandaten rechtlich separierten Gruppen können dabei im Anschluss an die hierfür entscheidende Berechtigung zur gerichtlichen Satisfaktion in gewisser Weise als ‚satisfaktionsfähige Gruppen‘ bezeichnet werden. Zu berücksichtigen ist dabei aber, dass mit der vormodernen Satisfaktionsfähigkeit eben gerade nicht die dann im 19. und 20. Jahrhundert mit diesem Begriff verknüpfte Idee einer sozial exklusiven Berechtigung zum Duell gemeint war.161 In der Gesamttendenz wurde im Alten Reich damit für den Bereich der Injurien eine ständische Differenz etabliert, die angesichts der deutlich höheren Strafen für die rechtlich herausgehobenen Gruppen (also Adlige, Offiziere und landesherrliche Spitzenbeamte) die Form einer negativen Privilegierung annahm.162 Diese negative Privilegierung folgte der Idee, dass ein 158 Im Falle des Mecklenburg-Schweriner Duellmandats von 1715 findet sich eine interessante Variante der Privilegierung. Denn hier war vorgesehen, dass Personen niederen Standes für Injurien gegenüber Adligen, Offizieren oder aber Personen, die diesen im Rang entsprachen, die im Duellmandat festgesetzten Strafen erhalten sollten. Neben Abbitte und Ehrenerklärung waren dies nach der Schwere der Beleidigung gestaffelte Gefängnisstrafen. Wenn jedoch die angesprochenen ‚Standespersonen‘ ihrerseits Personen niederen Standes beleidigten, waren sie lediglich nach der Policeyordnung zu bestrafen. Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1715, § I–V. 159 Preußisches Duellmandat 1713, Art. XI. Zugleich ist hier in Abgrenzung zum ‚eigentlichen Zielpublikum‘ von Personen die Rede, „die vom Duellieren und Balgen nicht Profession machen“. Gemeint waren alle bis auf Adlige und Offiziere. Eine vergleichbar missverständliche Formulierung ist auch im Kursächsischen Duellmandat von 1706 zu finden, wurde aber aufgrund ihrer unklaren Bedeutung wieder entfernt. Vgl. dazu weiter unten in diesem Kapitel. 160 Hier war festgesetzt worden, dass Injurien gegenüber Adligen und höheren Offizieren schärfer zu bestrafen seien als Injurien gegenüber anderen Personen. Bayrisches Duellmandat 1773, Art. 16 (S. 84). Darauf verweist bereits Walter, Das Duell in Bayern, S. 57. 161 Zur unspezifischeren Wortbedeutung Zedler, [Art.] Satisfaction, Genugthuung, Sp. 188. 162 Auf diese Sonderstellung als negative Privilegierung verweist bereits Frevert, Ehrenmänner, S. 77.
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III. Das Duell im Alten Reich
höherer Ehrenstatus bei Verletzungen der Ehre auch eine höhere Strafe nach sich ziehen müsse, weshalb man diese Sonderregelung zugleich distinktiv nutzen konnte.163 Im Unterschied zu der bis hierher skizzierten Entwicklung im Alten Reich ist für Schwedisch-Pommern, das als ‚ewiges Reichslehen‘ zwar formal zum Alten Reich gehörte, in dem aber als Teil Schwedens schwedisches Recht galt, festzustellen, dass das Duell von Anfang an als das mit Waffen ausgetragene Gewalthandeln einer bestimmten sozialen Gruppe definiert wurde. Im Grunde sollten Duelle und „freywillige ohne rechte Lebens-Noth […] angebotene und angenommene Schlägerey“ zwar für „alle insgemein“ verboten sein. Aber die Duelledikte zielten nur auf „Ritterschaft und Adel, samt Kriegs-Befehlhabern, und ihres gleichen“.164 Dies kann allerdings nur bedingt als Beleg für die Ausbildung so genannter satisfaktionsfähiger Gruppen in einer schwedischen Duellkultur gedeutet werden. Denn einerseits besaß der in den Mandaten angesprochene Personenkreis schon zuvor einen besonderen rechtlichen Status, da er all jene Personen umfasste, die nur vor den Hofgerichten angeklagt werden konnten. Im ersten schwedischen Duellgesetz von 1662 heißt es dann auch noch sehr konkret, dass das Gesetz für die Personen gelte, „welche ihrer Condition und Qualität nach immediate vor Unsere Hofgerichte besprochen werden“.165 Andererseits blieben die sanktionierten Gewaltpraktiken sehr unspezifisch: Nach schwedischem Rechts sollte also ein Faustkampf zwischen zwei Adligen ebenso wie eine Gruppenschlägerei oder kleinere Rangelei oder aber ein artifizieller Zweikampf unter Offizieren nach den Duellmandaten verhandelt werden. Im Fall von Schweden und damit auch von Schwedisch-Pommern ist mit Blick auf das rechtliche Verständnis des Duells somit zu konstatieren, dass die gewaltsam ausgetragenen Kämpfe einer spezifischen Gruppe – deren Gemeinsamkeit ihr bereits zuvor bestehender, herausgehobener gerichtlicher Status war – neu benannt und gesetzlich separat behandelt wurden. Der Rechtstransfer beschränkte sich im Fall Schwedens weitgehend auf einen 163 Dass dies mit Blick auf die Strafzumessung keinen Niederschlag in der Rechtsumsetzung fand, sondern allseits milde Strafen verhängt wurden, sei an dieser Stelle nur erwähnt und wird weiter unten noch näher ausgeführt. Siehe dazu das Kap. III. 3. in dieser Arbeit. 164 Zitiert wird hier und im Folgenden aus der zeitgenössischen deutschen Übersetzung des schwedischen Mandats. Schwedisches Duellmandat 1682, hier Art. 1 u. 2, S. 343. 165 Vgl. Schwedisches Duellmandat 1662, S. 339. Bei entsprechenden Gewalthändeln, „so unter den geringen Leuten/oder dem gemeinen Manne vorgehen“ sollte es im Unterschied dazu auch weiterhin bei dem „Schwedischen beschriebenem Rechte/ und vor diesem außgegangenen Ordinantien verbleiben/und darnach geurtheilet werden“. Zuständig waren hier die lokalen Obrigkeiten. Vgl. hierzu: Schwedisches Duellmandat 1682, Art. 1, S. 343.
2. Rechtliche Etablierungsprozesse 101
Begriffstransfer. Das Duell wurde rechtlich von Anfang an als Schlägerei der feinen Leute konzeptualisiert. Bemerkenswert ist zudem, dass sich eine Ausdifferenzierung der Materie in den Duellgesetzen für Schweden ebenso wenig findet wie eine zunehmend detaillierte Beschreibung von ritualisierten Kampfformen. So wurde in Schweden 1719 einfach das eher knapp gehaltene Duellgesetz von 1682 wiederholt und in seiner andauernden Gültigkeit nochmals bekräftigt.166 Ergänzungen und nähere Erklärungen schienen offenbar nicht notwendig. Und an der genannten Konstruktion des Duells als einer der Schlägerei gleichgestellten Handlungsweise einer gerichtlich herausgehobenen Gruppe sollte sich bis zu den letzten einschlägigen Mandaten in den 1740er und 1750er Jahren nichts ändern.167 Auch die Instrumentalisierung der Duellmandate im Fall von Injurien bot sich nach schwedischem Recht an. Der grundsätzlich gruppenspezifische Zuschnitt der Mandate ermöglichte es den Konfliktparteien sogar noch deutlich umfassender als im deutschen Rechtsraum, sich in die herausgehobene Gruppe der vom Duellmandat Betroffenen einzuklagen.168 Insgesamt ist also sowohl für die untersuchten Gebiete mit deutschen Duellmandaten als auch für Schwedisch-Pommern festzuhalten, dass die für Injurien in den Duellmandaten vorgesehene Verfahrensoption von den Angehörigen der ‚satisfaktionsfähigen Gruppen‘ auch genutzt wurden. Dies zeigt sich deutlich in der Zahl entsprechender Verfahren im untersuchten Sample dieser Studie. Gerade in den Dekaden um 1700 ist dabei im Vergleich mit ausgetragenen Duellen und Duellforderungen ein hoher Anteil von Injurienverfahren zu beobachten, die im gerichtlichen Ablageverfahren als Verstöße gegen das Duellmandat firmierten (Grafik 1). Wenig überraschend ist, dass das verstärkte Auftreten von Duellverfahren um 1700 mit der Publikationshochzeit von Duellmandaten im Alten Reich zusammenfällt. Auch der massive Rückgang der Gerichtsfälle ab der Mitte des 18. Jahrhunderts lief parallel zur Stagnation in der Duellgesetzgebung, wenngleich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zugleich die Instrumentalisierung der Gerichte an Bedeutung verloren haben dürfte. Vergleichbare Verschränkungen einer verstärkten bzw. abflachenden Normproduktion 166 Schwedisches
Duellmandat 1719. entscheidend waren im 18. Jahrhundert noch: Schwedisches Duellmandat 1719 (Bestätigung der anhaltenden Gültigkeit bereits bestehender Bestimmungen); Schwedisches Duellmandat 1738. Danach wurden vor allem Bestimmungen darüber erlassen, für wen die Duellmandate zusätzlich gelten sollten: Für Stadträte und Bürgermeister: Nådige Förordning 1739; für Kommissare und höhere Beamte der königlichen Magazine: Nådige Resolution 1756. 168 Siehe dazu Kap. V. 3. b) in dieser Arbeit. 167 Inhaltlich
102
III. Das Duell im Alten Reich
120
Gesamtzahl der erhobenen Gerichtsfälle
100
Duell Duellforderung
80
Injurien
60 40 20 0 1637- 1647- 1657- 1667- 1677- 1687- 1697- 1707- 1717- 1727- 1737- 1747- 1757- 1767- 1777- 1787- 17971646 1656 1666 1676 1686 1696 1706 1716 1726 1736 1746 1756 1766 1776 1786 1796 1806
Grafik 1: Deliktspezifische Fallverteilung des Untersuchungssamples nach Dekaden (1637–1806).
und eines Anstiegs bzw. Rückgangs entsprechender Verfahren sind der Historischen Kriminalitätsforschung aus anderen Deliktfeldern bekannt.169 Deutlich erkennbar ist damit insgesamt, dass sich zwischen 1680 und 1730 eine Phase der verstärkten gerichtlichen Nutzung ausmachen lässt. Ob man parallel dazu auch von einer Phase einer verstärkten Duellhäufigkeit sprechen kann, lässt sich anhand der Gerichtsdaten natürlich nicht bestimmen.170 Am Ende der Untersuchungszeit wird schließlich wieder ein leichter Anstieg erkennbar. In dieser letzten Untersuchungsdekade kündigt sich bereits ein Trend zur verstärkten Rückkehr von entsprechenden Verfahren an die Gerichte an, der sich dann im 19. Jahrhundert fortsetzen sollte.171 Vor diesen generellen Trends zeichnet sich durchaus deutlich das Einsetzen von Injurienverfahren im Zuge der veränderten Gesetzgebung seit den 1680er Jahren im Sample ab. Ab 1700 spielten entsprechende Injurienverfahren eine quantitativ vergleichbar große Rolle wie Duellverfahren im engeren Sinn. Etwas verzerrt wird dieser Befund allerdings durch den Umstand, dass sich das für Preußisch-Pommern erhobene Teilsample lediglich auf die Jahre 1685 bis 1725 beschränkt.172 Allerdings zeigen gerade die Daten für Kursachsen, für das mit ausgesprochen geschlossen überlieferten 169 Zum Zusammenhang von Normerlass und einer verstärkten bzw. veränderten Gerichtstätigkeit siehe etwa Kästner, Tödliche Geschichte(n), Kap. 8. 170 Generell sei an dieser Stelle nochmals betont, dass auf der Basis von Gerichtsverfahren keine belastbaren Aussagen über die Häufigkeit von Duellen, Duellforderungen oder Injurien getroffen werden können. 171 Dies spiegelt sich etwa in den in den Kriminalstatistiken verzeichneten Fallzahlen, zu denen freilich auch Fälle der studentischen Mensur gerechnet wurden. Frevert, Ehrenmänner, S. 271; siehe auch Schlink, Das Duell im 19. Jahrhundert, S. 14. 172 Diese selektive Überlieferung ist mit nicht unerheblichen Aktenverlusten im Krieg zu erklären. Vgl. dazu Kap I. 3. in dieser Arbeit.
2. Rechtliche Etablierungsprozesse 103
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Ges a mtza hl der erhobenen Gerichtsfälle
100
Kursä chs i s che Fä l l e
80 60 40 20 0 1637- 1647- 1657- 1667- 1677- 1687- 1697- 1707- 1717- 1727- 1737- 1747- 1757- 1767- 1777- 1787- 17971646 1656 1666 1676 1686 1696 1706 1716 1726 1736 1746 1756 1766 1776 1786 1796 1806
Grafik 2: Fallverteilung des Untersuchungssamples nach Dekaden (1637–1806). Kursachsen und Gesamtverteilung im Vergleich.
Beständen gearbeitet werden konnte, dass dies am grundsätzlichen Trend der Verteilung nichts ändert (Grafik 2). Anzumerken ist zudem, dass in der Gerichtspraxis noch bis weit in das 18. Jahrhundert hinein punktuell größere Deutungsspielräume bestehen blieben. So wurden von den Gerichten auch nach den eigentlich anders lautenden Regelungen des frühen 18. Jahrhunderts mitunter noch verbale Auseinandersetzungen zwischen Personen nach den Duellmandaten bestraft, denen eigentlich keine gerichtliche Satisfaktion in Injuriensachen zustand. So etwa im Fall eines Streits zwischen zwei Kaufleuten im Jahre 1752. Hier erhoben die Zittauer Stadtgerichte mit Verweis auf das sächsische Duellmandat von 1712 Klage gegen den Zittauer Handelsmann Johann Carl Hirschfeld, der den ebenfalls in Zittau ansässigen Kaufmann Rothen beleidigt haben sollte. Dieses Vorgehen stand in einem deutlichen Widerspruch zu den in § 1 getroffenen Festsetzungen, die klar regelten, dass Verbalinjurien nur dann nach dem Duellmandat bestraft werden sollten, wenn diese zwischen Personen „von Adel und Rittermäßigen, auch höhern Standes“ stattfanden oder aber zwischen „als honeste dimittirte Ober=Officiers, biß auf den Adjutanten, Cornet und Fähndrich“.173 Doch auch die über die Angelegenheit informierten Räte in Dresden stellten das Vorgehen des Zittauer Gerichtes nicht grundsätzlich in Frage. Allerdings ordneten sie an, dass die anhängige Untersuchung ohne Weitläufigkeit „abgethan“ werden sollte, da die nötigen Beweise offenbar fehlten. Der beklagte Hirschfelden gab dann auch an, dass seine Rede nur Spaß gewesen sei und er „einige Jnjurien aber keinesweges ausgestoßen“ hätte.174 Doch ungeachtet solcher seltenen Ausnahmen manifestiert sich in der ständisch begrenzten Anwendung der Duellmandate in Injuriensachen letzt173 Kursächsisches 174 SächsHStA
Duellmandat 1712, § 1 (Sp. 1787). Dresden, 10026, Loc. 1405/2, Bl. 111a, b.
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III. Das Duell im Alten Reich
lich in Ansätzen die Idee, dass auch die ‚Duellfähigkeit‘ berufs- beziehungsweise geburtsständisch begrenzt sei. In einigen wenigen Fällen führte dies sogar zu besonderen rechtlichen Bestimmungen: So wurde für das Kurfürstentum Sachsen 1717 ein Mandat erlassen, in dem geregelt war, dass gemeine Soldaten bis zum Rang des Wachtmeisters vom Duellmandat „eximiret“ sein sollten, wenn die Auseinandersetzung nicht tödlich endete.175 Doch dieser Weg einer genaueren rechtlichen Fixierung einer eingeschränkten ‚Duellfähigkeit‘ sollte die Ausnahme bleiben. Denn eine gesellschaftlich übergreifende und einhellige Idee von satisfaktionsfähigen Gruppen, die über ihre berufs- bzw. geburtsständische Qualität abgegrenzt und definiert wurden, etablierte sich im Anschluss an die Regelungen zu Injurien lange Zeit nicht und sollte erst um 1800 im Recht auftauchen.176 b) Austausch, Variationen und Kampagnen. Formen der normativen Etablierung eines Phänomens Im Anschluss an das Reichsgutachten von 1668 setzte sich die Duellgesetzgebung territorial übergreifend durch und differenzierte sich im Zuge dessen immer weiter aus. Zumindest normativ war das Duell im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts damit in allen Teilen des Alten Reiches angekommen. Begünstigt wurde die sukzessive Fortschreibung und Weiterentwicklung zentraler Regelungsfelder im Bereich der Duellgesetzgebung durch den territorial übergreifenden Austausch von Mandaten. In dessen Folge kam es immer wieder zu modifizierten Übernahmen einzelner Bestimmungen oder auch ganzer Mandate. In den Akten finden sich regelmäßig Hinweise, dass Mandate fremder Herrscher bei der Erarbeitung neuer Duellmandate herangezogen wurden. So erklärte etwa der später als August der Starke bekannte sächsische Kurfürst 1704 in einem Brief an Otto Christian Graf zu Zinzendorf – der zu dieser Zeit eine Kommission leitete, in der ein neues kursächsisches Duellmandat erarbeitet werden sollte –, dass die Kommission die zuletzt in Kursachsen und Kurbrandenburg erschienen Duellmandate zur Hand zu nehmen habe und „aus beyden eines machen, auch was weiter darinnen zu verbeßern und darbey zu erinnern nöthig sein möchte“ herausarbeiten sollte.177 Der Austausch der Duellmandate zwischen den Territorien im Reich erfolgte dabei offenbar bevorzugt im bereits etablierten Rahmen der jeweili175 Kursächsisches
Duellmandat 1717, S. 854. dazu weiter unten in diesem Kapitel die Bemerkungen zum Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten (1794). 177 Siehe das Schreiben von August II. vom 10. September 1704, in: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/5, Bl. 98a–103b, hier Bl. 98a, b. 176 Siehe
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gen Reichskreise.178 Hier konnten Initiativen einzelner Länder mitunter eine ganze Reihe weiterer Mandate in den Nachbargebieten nach sich ziehen. So kam etwa im Obersächsischen Reichskreis in den ersten beiden Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts eine kleine ‚Gesetzgebungswelle‘ in Sachen Duell in Gang: Das 1706 erschienene kursächsische Duellmandat war prägend für das 1709 in Jena erschienene Mandat für die sächsisch-ernestinischen Territorien. Dieses Mandat beeinflusste seinerseits das 1712 in Kursachsen erschienene Duellmandat und das kursächsische von 1712 diente wiederum als Vorlage für das 1713 in Halle erschienene Mandat für Preußen.179 Mit Blick auf diesen Normenaustausch nahm nur Schwedisch-Pommern einen Sonderstatus innerhalb des Obersächsischen Reichskreises ein. Die schwedische und deutsche Rechtsentwicklung standen jedoch nicht völlig losgelöst nebeneinander, denn gerade das schwedische Duelledikt von 1682 wurde auch im Alten Reich rezipiert. Darauf hat vor allem mit Blick auf die Duellmandate Brandenburg-Preußens und der Mecklenburger Herzogtümer bereits Maren Lorenz hingewiesen.180 In Mecklenburg-Schwerin diente das schwedische Edikt von 1682 sogar noch 1715 als Vorlage.181 In Kursachsen wurde es im Zuge der Vorbereitungen für das Duellmandat von 1706 ebenfalls rezipiert.182 Allerdings lässt sich umgekehrt für Schweden bzw. Schwedisch-Pommern keine aktive Einbindung in die laufenden Rechtsdiskussionen oder gar eine Übernahme entsprechender Duellmandate aus anderen Territorien des Obersächsischen Rechtskreises beobachten. Jenseits dieser nordischen Sondersituation lassen sich innerhalb des deutschen Rechtsbereichs im Alten Reich aber immer wieder territorial übergreifende, koordinierte Diskussionen zum Zweck eines einheitlichen normativen Vorgehens gegen das Duell ausmachen. Ein deutlicher Schwerpunkt lag dabei im Bereich von speziellen Bestimmungen für Studenten. Zwischen den Universitäten lässt sich diesbezüglich ab dem letzten Drittel des 17. Jahrhunderts ein reger, reichsweiter Austausch von immer neuen Gesetzesentwürfen beobachten, mit denen eine Vereinheitlichung der Bestimmun178 Für den fränkischen Reichskreis zeichnet dies nach: Humphreys, Der Fränkische Kreistag, bes. S. 131–215. 179 Vgl. hierzu auch Zaunstöck, Milieu des Verdachts, S. 71–87. Diese Gesetzgebungswellen im Zuge wechselseitiger Anstöße zu immer neuen Gesetzen waren natürlich nicht auf den Bereich der Duellmandate beschränkt. Vgl. dazu Schilling, Gesetzgebung und Erfahrung, S. 405. 180 Lorenz, Duell oder Balgerey, S. 244 f. 181 Siehe dazu die Hinweise in: LAS, 2.12-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1637. 182 Darauf verweist Jakob Heinrich Graf zu Flemming in seinem Bericht an den Kurfürsten vom 5. Februar 1705, in: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/5, Bl. 98a–103b, hier Bl. 99a.
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III. Das Duell im Alten Reich
gen angestrebt wurde.183 Getragen war dieser stete Austausch der Normen sowohl von den Universitäten als auch von den jeweils zuständigen landesherrlichen Behörden.184 So erklärte etwa die kursächsische Regierung 1701 in einem Bedenken in der Sache, dass man mit Blick auf neue Duellmandate „zuförderst mit dem könig. Preußischen hofe, welcher ohne dem in der sache mit guten exempeln vorgegangen, […] denn mit denen häusern Weymar-Gotha, wegen der universität Jena, und mit denen respective chur und fürstlichen häusern Lüneburg wegen Helmstädt in ein concert zu treten“ gedenke.185 Diese intensive Zusammenarbeit auf dem Feld der speziell für Universitäten erlassenen Duellmandate dürfte wesentlich dadurch befördert worden sein, dass das Instrument territorial übergreifender Maßnahmen seit dem gemeinsamen Vorgehen gegen den Pennalismus bereits etabliert war.186 Im Falle des Duells wurde ganz selbstverständlich in gleicher Weise verfahren und dies, obwohl diesmal kein vergleichbar virulentes Problem bestand.187 183 So etwa zwischen Kursachsen, Brandenburg und den sächsisch-ernestinischen Gebieten; vgl. dazu: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 10531/6: Abstellen des Duellirens auf Universitäten ao. 1701/1702–1708; zu entsprechenden Verhandlungen zwischen den sächsischen Territorien und Mecklenburg: LAS, 2.12.–3/3 (Universität Rostock und Bützow), Vol. VII, 5: Duelle; zwischen Preußen und SchwedischPommern: UAG, Altes Rektorat, Hbg. Nr. 411. 184 So finden sich etwa entsprechende Schreiben der Universität Halle an Wittenberg in: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 10531/6, Schreiben des Oberkonsistoriums an Kurfürst Friedrich August, Dresden den 19. Juni 1702 [o. Pag.]. Entsprechende Korrespondenzen zwischen Halle, Rostock und Greifswald aus den Jahren 1686 und 1702 finden sich in: UAG, Altes Rektorat, Hbg. Nr. 411. 185 SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 10531/6, Stellungnahme der Regierung vom 10. Nov. 1701 [o. Pag.]. Eine entsprechende Vereinheitlichung sollte dann auf dem Reichstag zu Regensburg besprochen werden. Vgl. 10024, Loc. 10531/6, Schreiben Bernhard zu Sachsen vom 23. Dezember 1701. 186 Allerdings spielten hier die Universitäten selbst eine größere Rolle als bei den Duellmandaten, die stärker als Akt einer ‚Fremdregelung‘ durch die Landesherren und ihre Behörden verstanden wurden. Vgl. etwa die Diskussion über mögliche Mandate in: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9722/3: Acta das Duelliren und Balgen auf der Universität zu Jena und darwider ausgelaßenes Fürstl. Sachsen-Eisenachsches Duellmandat 1689; zur Stellungnahme des Rektors der Universität Leipzig: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 10531/6: Abstellen des Duellirens auf Universitäten ao. 1701 ff. [beide o. Pag.]. Zum sächsischen Raum vgl. auch: Zaunstöck, Milieu des Verdachts, S. 61–110. Siehe übergreifend zudem: Füssel, Riten der Gewalt, S. 636–640. 187 Es wurde mit Blick auf den Austausch und Abgleich der Duellgesetze für die Universitäten sogar ganz offen damit argumentiert, dass hier wie bei den Gesetzen gegen den Pennalismus vorgegangen werden sollte. So erinnerten etwa die säch sischen Herzöge Johann Ernst, Johann Georg, Bernhard und Friedrich in einem Schreiben an die Mecklenburger Herzöge Christian Ludwig und Gustav Adolph daran, dass man im Fall der wegen Duellierens von den Universitäten relegierten
2. Rechtliche Etablierungsprozesse 107
Denn auch wenn in den Normen stetig betont wurde, dass Duelle unter den Studenten nun „überhandt“ zu nehmen drohten, so waren die konkreten Anlässe für einzelne Gesetzesinitiativen doch jeweils Einzelfälle. Dies zeigt exemplarisch die zwischen 1686 und 1706 geführte Diskussion um eine Erneuerung des kursächsischen Duellmandats für die Universitäten im Land. Ausgangspunkt war hier eine Initiative aus Sachsen-Eisenach, mit der man auf ein „jüngst vorgefallenes“ Duell an der Universität Jena reagiert hatte.188 Dieses Gesetz sollte nun unter anderem auch in Kursachsen erlassen werden, damit möglichst an „allen Teutschen Universitäten die gleichen Mittel“ zur Abstellung der Duelle angewandt würden. Die Diskussion tröpfelte allerdings über Jahre ergebnislos vor sich hin, bis 1694 wiederum ein einzelnes Duell, diesmal in Wittenberg, eine Belebung der Diskussion mit sich brachte. Man beschloss nun, einen neuerlichen Erlass auf dem nächsten Landtag zu diskutierten, zu weiteren Diskussionen kam es dann aber doch erst im Zuge des großen sächsischen Duellmandats von 1706. Zwei Jahre nach Erlass dieses Mandats erklärte allerdings der Rektor der Universität Leipzig auf Nachfrage, dass Duelle in Leipzig praktisch keine Rolle spielten, viel problematischer wären hingegen die vielfältigen Injurien, die aber offensichtlich keineswegs zu Duellen führten.189 Die langwierige Diskussion um ein vereinheitlichtes Mandat wurde also offenbar geführt, ohne dass wirklich ein für die Universitäten erkennbares Problem bestand. In eine ähnliche Richtung weisen einige zwischen Rektor und Konsilium der Universität Rostock einerseits und dem Mecklenburg-Güstrower Herzog Studenten so vorgehen solle, wie es seinerzeit auf dem Reichstag 1654 für Studenten beschlossen worden war, die gegen die Mandate zur Eindämmung des Pennalismus verstoßen hatten und deshalb relegiert worden waren. LAS, 2.12.-3/3 (Universität Rostock und Bützow), Vol. VII, 5. Duell, Schreiben Weimar, den 29. Juni 1676 [o. Pag.]. 1701 erklärten die ernestinischen Herzöge Wilhelm Ernst und Johann Wilhelm in einem Schreiben an den sächsischen Kurfürsten Friedrich August I., dass eine Zusammenarbeit sinnvoll sei, da man „mit zusammen gesetzten rath und einhelligen verfügungen auff die maße wie bey dem pennal-wesen mit erfolgten guten success practiciret worden auch diesem unfug […] steuren“ könnte. SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 10531/6, Schreiben vom 14. Dezember 1701 [o. Pag.]. Zur chronologischen Darstellung der entsprechenden Gesetze gegen den Pennalismus Schöttgen, Historie. 188 Die Universität Jena kann dabei nicht nur einer Landesherrschaft zugeordnet werden, sondern einem Konglomerat ernestinischer Klein- und Kleinststaaten. Vgl. zu dieser Situation Kriebisch, Die Spruchkörper Juristenfakultät und Schöppenstuhl zu Jena, S. 189–197. 189 Zu der Diskussion und dem Wittenberger Fall siehe SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9722/3: Acta das Duelliren und Balgen auf der Universität zu Jena und darwider ausegelaßenes Fürstl. Sachsen-Eisenachsches Duellmandat 1689; zur Stellungnahme des Rektors der Universität Leipzig: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 10531/6: Abstellen des Duellirens auf Universitäten ao. 1701 ff. [beide o. Pag.].
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III. Das Duell im Alten Reich
Gustav Adolf andererseits gewechselte Schreiben aus dem Jahr 1685. Hierin gab der Herzog seiner Verwunderung Ausdruck, dass die Universität angesichts des „unverantwortlichen Wesens“ des Duellierens, welches „fast sehr in schwange gehe“, noch keine konkreten Verbote erlassen hätte, zumal sich „erst unlängst ein gantz trauriger casus“ zugetragen habe. Für die Erstellung eines Mandats empfahl die Güstrower Kanzlei zudem eine enge Anlehnung an das Regensburger Reichsgutachten von 1668 und erklärte, dass im Namen des Herzogs und im Anschluss an eben jenes Reichsgutachten umgehend eine entsprechende Verordnung für die Universität erlassen werden sollte. Rektor und Konsilium der Universität widersprachen in ihrem Antwortschreiben zunächst vehement dem Vorwurf, dass ihnen die nötigen strafrechtlichen Instrumente fehlen würden. Vielmehr erklärten sie, ohne Weiteres in der Lage zu sein, strafrechtlich gegen Duellanten und Totschläger vorzugehen. Allerdings hätten sie vom Reichsabschied gegen das Duellieren keine Kenntnis und da ihnen die Mittel fehlten, um eine persönliche Korrespondenz zum Reichstag zu unterhalten, baten sie, den Reichstagsbeschluss wie allgemein üblich in Druck gehen zu lassen. Mit Blick auf den angesprochenen „traurigen casus“ zeigten sich die Rostocker zudem außerordentlich überrascht und erklärten, sie würden gern wissen, um was für einen Fall es sich hierbei handele, denn sie könnten ihrerseits versichern, dass Duelle an der Universität keine Rolle spielten. Aber offenbar nahm man gar nicht an, dass aus Güstrow genauere Informationen zu erwarten seien. Vielmehr schloss das Antwortschreiben mit der eindringlichen Bitte, der Landesherr möge doch künftig seiner Universität mehr Glauben schenken als Gerüchten.190 Offensichtlich war diese Bitte durchaus berechtigt. Denn die nähere Betrachtung der einschlägigen Akten lässt deutlich erkennen, dass die Zahl der Studentenduelle bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in den in dieser Arbeit näher untersuchten Territorien auffallend gering war, was neben Rostock und Bützow auch auf Wittenberg, Leipzig und Greifswald zutraf.191 Doch lässt man hier einmal die Diskrepanz zwischen einem offenbar zunächst noch geringen Ordnungsproblem einerseits und den vergleichsweise umfassend ausfallenden normativen Ordnungsbemühungen andererseits beiseite, zeigt sich bei den Duellgesetzen für die Universitäten im Speziel190 LAS, 2.12-3/3 (Universität Rostock und Bützow), Vol. VII, 5. Duelle [o. Pag.]. Zu einem identischen Befund kommt das Rektorat der Universität Altdorf. Hier liegt die Einschätzung sogar in gedruckter Form vor: In einem Schreiben des Nürnberger Rats vom 10. August 1683 an Ahasver Fritsche wurde vermeldet, dass man Frit schens Vorschläge zur Abstellung der Duelle auf den Universitäten erhalten haben, aber „bey unserer Universität dergleichen trauriger Ableibsfall/[sich] durch GOttes sonderbahre Gnade nicht ereignet“ habe. Das Schreiben ist abgedr. in: Hartnack, Theologische Curiositäten, S. 562 f. 191 Vgl. dazu die ausführlichere Darstellung in Kap IV. 2. in dieser Arbeit.
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len, was sich auch für die ‚großen‘, übergreifenden Duellmandate beobachten lässt: Im Ergebnis der territorialen Normentwicklung ist seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert eine schrittweise Ausdifferenzierung der Reglungs materien und damit ein zunehmend klarer konturiertes Rechtsverständnis des Duells als dem zentralen Normgegenstand feststellbar. Dies fand nicht zuletzt seinen Niederschlag im Umfang der Regelungen. Nach den eher knapp gehaltenen Bestimmungen der 1660er und 1670er Jahre wurden seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert immer detailliertere Mandate erlassen. Die großen Duellmandate des frühen 18. Jahrhunderts enthielten dann mitunter fünfzig und mehr Paragrafen. Diesen umfassenden Mandaten folgten manchmal sogar noch kleine Mandate und Reskripte nach, in denen unklare Formulierungen richtig gestellt oder ergänzende Ausführungsbestimmungen erlassen wurden.192 Dabei kam es im Zuge der Weiterentwicklung einschlägiger Duellmandate durchaus auch zu Missverständnissen oder normativen Stilblüten. So war etwa im kursächsischen Duellmandat von 1706 in § 6 festgesetzt worden, dass das Duellmandat nicht angewandt werden sollte, „wann einer von Adel, oder derselbigen Standes-Privilegien theilhafftig, mit Handwerckern, Bauern und Gemeinen, auch andern Leuten, so vom Duelliren keine Profession machen, in Wort-Streit und Injurien verfiele“.193 Die Formulierung 192 Besonders gut nachvollziehbar ist dies für Kursachsen. Hier lassen sich mit den Mandaten 1653, 1665, 1706 und 1712 vier wichtige Etappen in der Normentwicklung ausmachen, die in den Jahren nach ihrem Erlass jeweils von weiteren Bestimmungen ergänzt und konkretisiert wurden. Am deutlichsten wird dies im finalen kursächsischen Duellmandat 1712. Diesem folgten immerhin zehn Mandate nach, die inhaltlich von einer weitergehenden Einschränkung des Degentragens bis hin zur Erläuterung einzelner Paragrafen sehr verschiedene Punkte nachregelten. (1) Mandat wider das unbefugte Degentragen, den 3. Julii 1712; (2) Rescript, Daß einer von Adel einen Bürgers-Mann, wegen Injurien, nach dem Duell-Mandat nicht belangen kann […], den 5. April 1713; (3) Rescript, daß in Injurien und blossen RügenSachen, bey keinem Judicio, […] erkannt werden solle, den 9. Novembr. 1715; (4) Befehl, Worinnen die eigenmächtige Interpretation derer Rechts-Collegien über den 22.§ des An 1712 erneuerten Duell-Mandats untersaget […], den 4. Martii 1716; (5) Befehl an den Schöppenstuhl zu Leipzig, worinne der 22. § des An. 1712 erneuerten Duell-Mandats erkläret wird, den 7. Mart. 1716; (6) Befehl An die Landes-Regierung, vorstehende Erklärung des 22. §. […] zu publiciren, den 10. Mart. 1716; (7) Resolution auf die Frage wegen eines Duells, wo keine Entleibung vorgegangen, und die Thäter die That nicht geständig, zu ertheilen, den 20 Januar und 3. Februar 1717; (8) Resolution, Wenn bey einem Duell keine Entleibung erfolget […]30. Junii und 2. Augusti 1717; (9) Mandat wider das unbefugte Degentragen, den 29. Augusti 1719; (10) Rescript, Daß die Denunciationes in Duell-Mandats-Sachen denen Citationen nicht beygefüget werden sollen, den 19. Febr. 1721 (Codex Augusteus, Bd. 1, 1724, Sp. 1803 f., 1813 f., 1841 f., 1853–1856, 1855–1858, 1869–1872, 1875 f., 1903–1906 u. 1941–1944). 193 Kursächsisches Duellmandat 1706, Sp. 1734.
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III. Das Duell im Alten Reich
„Leute, so vom duellieren keine profession machen“ stieß dabei auf Unverständnis, so dass unter anderem der Leipziger Rat bei der Landesregierung nachfragte, wer damit eigentlich gemeint sei. Die Verwirrung verwundert nicht, lässt sich doch aus dieser Formulierung schließen, dass es im Gegenzug professionelle Kämpfer beziehungsweise Duellanten geben müsse, eine Deutung, die sicherlich nicht intendiert war.194 Vermutlich sollten mit der genannten Formulierung wohl all diejenigen umschrieben werden, für die die im Duellmandat integrierten Strafbestimmungen für Injurien nicht gelten sollten.195 Offen bleiben muss, ob es (wie weiter unten im Mandat geschehen) eigentlich heißen sollte ‚vom Degen keine Profession machen‘ – hier im Sinne von nicht berechtigt, einen Degen zu tragen – und man sich schlichtweg verschrieben hatte oder ob man im Grunde eben doch meinte, dass es Personengruppen gab, von denen man annahm, dass sie eigentlich nicht in der Lage oder zumindest nicht berechtigt waren, ein Duell auszutragen. Die Akten geben hierüber keine weiteren Aufschlüsse. Beim kursächsischen Duelledikt von 1712 vermied man die Formulierung dann allerdings.196 194 Vgl. dazu: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/7, Schreiben des Rates vom 26. Juli 1706. Die gleichen Verständnisschwierigkeiten hatte Hans Haubold von Einsiedel zu Syhra und fragte daher in gleicher Sache nach. Vgl. 10024, Loc. 9992/7, Schreiben Hans Haubold von Einsiedel zu Syhra vom 21. Juni 1706. 195 Hier hieß es im Artikel 6: „Hergegen haben diese vorangeführten Straffen [d. s. Strafen im Fall von Beleidigungen zwischen Adligen, Offizieren etc.] nicht statt, wann einer von Adel, oder derselbigen Standes-Privilegien theilhafftig, mit Handwerckern, Bauern und Gemeinen, auch andern Leuten, so vom Duelliren keine Profession machen, in Wort-Streit und Injurien verfielen, sondern dieses soll nach der Policey-Ordnung und zwar ohne Proceß, entschieden werden, wie denn auch von diesem Unserm Duell-Mandat ausgenommen wird, wenn Handwercks-Bauers und andere gemeine Leute, die sich des Degens zu gebrauchen, nicht befugt, einander unter sich mit Verbal- oder Realinjurien beleidigen, massen es in solchen Fällen bey denen in gedachter Policey-Ordnung vorgeschriebener Straffen gelassen, der weitläufige Process aber, Krafft dieses aufgehoben wird, vergriffe sich aber einer, der vom Degen und Pistolen Profession macht, an einem andern thätlich, den soll von der unten gesetzten Straffe nicht befreyen, daß er mit einem zu thun habe, mit dem er auf solche Art sich nicht einlassen könte.“ Kursächsisches Duellmandat 1706, Sp. 1734 f. 196 Stattdessen legte man gleich im ersten Paragrafen fest, dass „so viel die Verleumdhung und Beschimpffung mit Worten und Wercken betrifft, ein Unterscheid unter denen Personen selbst zu machen [sei], und ist dahero dasjenige, was von den nachfolgenden 2.§. an biß und auf mit dem 15. disponiret zu finden, bloß von solchen anzunehmen, welche auf beyden Seiten, Sowohl des Beleidigers, als Beleidigten, entweder von Adel und Rittermäßigen, auch höhern Standes, worunter auch Unsere und Unserer Vettern LLLbden würcklich und andere Räthe, zuverstehen, ingleichen bey der Militz, sowohl alle in würcklichen Diensten stehende als honeste dimittirte OberOfficiers, biß auf den Adjutanten, Cornet und Fähndrich, inclusive, so lange nicht die dimittirte gemeine Bürgerliche und Bauer-Nahrung treiben.“ Kursächsisches Duell-
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c) Widerstände: Der Oberlausitzer Adel macht gegen die Duellmandate mobil Dass sich besonders landsässige Adlige gegen die Duellmandate wehrten, da sie darin eine Einschränkung ihrer hergebrachten Vorrechte erkannten, wurde bereits an den frühen Beispielen eines gescheiterten Normenerlasses in Pommern und Mecklenburg deutlich. Eine besonders bemerkenswerte Verknüpfung von adlig-ständischer Gruppenbildung, Landtagen und dem Duell findet sich auch in der Oberlausitz. Der Oberlausitzer Adel als Formation positionierte sich dabei auf beeindruckend geschlossene Weise gegenüber den Duellmandaten und der Landesherrschaft. Dies geschah indes nicht über den Austrag von entsprechenden Kämpfen, wie dies etwa für den französischen Adel im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert gezeigt wurde. Hier avancierte das Duell geradewegs zum Medium des adligen Widerstandes gegen die monarchische Zentralgewalt. In England findet man ab dem späten 17. Jahrhundert ebenfalls eine Duellkultur, in der die Kämpfe als Zeichen eines (wahren englischen) adligen Selbstverständnisses galten, ohne dass damit allerdings eine oppositionelle Haltung gegenüber dem Königshaus verknüpft war.197 Eine vergleichbar virulente, distinktiv markierte adlige Gewaltkultur fehlt in der Oberlausitz, wie auch im Alten Reich insgesamt. Allerdings gelang es dem Oberlausitzer Adel von Anfang an und immer wieder auf neue Art und Weise, für sich eine exklusive Stellung in den Duellmandaten durchzusetzen und dafür nutzte er – wenn es sich anbot – auch die Landtage. Mitgetragen und ermöglicht wurde das im Folgenden kurz zu schildernde Vorgehen des Adels durch den Umstand, dass die seit dem Prager Frieden von 1635 an Kursachsen gebundene Oberlausitz nicht mit dem sächsischen Kernland verschmolz, sondern einen ‚teilautonomen Status‘ behielt.198 Dem mandat 1712, hier § 1, Sp. 1787. Damit findet sich hier eine Aufzählung von Personengruppen, die später dann – noch um wenige weitere ergänzt – die sogenannte satisfaktionsfähige Gesellschaft stellten. Allerdings gilt es zu beachten, dass 1712 in Kursachsen noch keine klar abgegrenzte Idee einer satisfaktionsfähigen Gesellschaft bestand, sondern hier nur jene Personen bezeichnet wurden, bei denen die in den Duellmandaten verankerten Bestimmungen zu den Injurien Anwendung finden sollten. Interessant ist, dass das Preußische Duellmandat von 1713 diese unklare Bezeichnung gezielt übernahm. Preußisches Duellmandat 1713, Art. XI. 197 Asch, Ständische Stellung und Selbstverständnis des Adels im 17. und 18. Jahrhundert; Peltonen, The Duel. 198 D. h., die Stände behielten auch nach 1635 ihre bestehenden Privilegien und Rechte und die Verwaltung der Oberlausitz erfolgte weiterhin weitgehend in ständischer Eigenregie. Eine mit der lokalen Verwaltungssituation Kursachsens vergleichbare Ämterverfassung konnte nicht etabliert werden. Blaschke, Das Markgrafentum Oberlausitz, S. 110.
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III. Das Duell im Alten Reich
war es geschuldet, dass neue Rechtsnormen zwar von Kursachsen übernommen werden konnten, diese Übernahme aber der Zustimmung der Oberlausitzer Stände bedurfte.199 Und an diesem Punkt setzte der Oberlausitzer Adel an. Das erste einschlägige Duellmandat für Kursachsen wurde 1653 erlassen und in diesem Jahr verhandelten die Dresdner Behörden auch das erste Mal über ein entsprechendes Mandat mit den Oberlausitzer Ständen und ihren Vertretern. In welcher Form und mit welchem Nachdruck eine Übernahme des 1653 erlassenen Mandats in der Oberlausitz angestrebt wurde und ob sich die Oberlausitzer gegebenenfalls dagegen sträubten, lässt sich leider nicht mehr klären. Dokumentiert ist jedoch ein eigener, ständischer Gesetzesvorschlag für die Oberlausitz, den der Oberlausitzer Landvogt Curt Reinicke Freiherr von Callenberg200 1653 an die Dresdner Landesregierung übersandte. Ein solcher ständischer Gegenvorschlag ist zweifellos bemerkenswert. Als Grundlage diente dabei ein Mandatsentwurf, der schon im Jahre 1605, unter Abraham Burggraf von Dohna,201 abgefasst worden war und der inhaltlich vor allem auf das Ausfordern zum Kampf rekurrierte.202 Auffällig – wenn auch zu erwarten – war an diesen nahezu identischen Mandatsentwürfen von 1605 und 1653, dass in beiden der gewaltsame Austrag von Ehrkonflikte ganz selbstverständlich als ein ‚Grundrecht‘ des Adels verstanden wurde. Ein Argument, das den zentralen Widerspruch des Oberlausitzer Vorschlags zum kursächsischen Duellmandat (und auch allen anderen zeitgenössischen Gesetzesvorstößen) markiert. Der Idee jenes adeligen 199 Siehe zu dieser besonderen rechtlichen Situation: Blaschke, Geschichte der Oberlausitz, S. 50. Zum politischen Status der Oberlausitz im 17. und 18. Jahrhundert siehe u. a. Blaschke, Übergang; Seifert, Staatsrechtliche Stellung; für das späte 18. Jahrhundert auch Matzerath, Eingliederung. Die eigenständige Rechtstradition der Oberlausitz spiegelt sich besonders eindrucksvoll in den zwei großen Foliantbänden des Codex Augusteus, in denen die in der Ober- und Niederlausitz geltenden Normen abgedruckt wurden: Codex Augusteus, dritter Theil: Von denen Landes-Constitutionen und Verordnungen Derer Beyden Marggrafthümer, Ober- und Nieder-Lausitz. 200 Kurt Reinicke Reichsgraf von Callenberg (1607–1672) war 1644(?)-1672 Landvogt der Oberlausitz. 201 Abraham Burggraf von Dohna (1561–1613) war von 1596–1610 Landvogt der Oberlausitz. 202 Damit kann dieser Entwurf von 1605 zwar als Beispiel einer Vorläufergesetzgebung zum Duell verstanden werden, aber es war eben kein genuines Duellmandat. Infolgedessen kam der Begriff Duell im Gesetzesentwurf auch kein einziges Mal vor. Stattdessen war nur vom Balgen, Ausfordern und allerlei Mord- und Untaten die Rede. Den Akten ist nicht zu entnehmen, ob dieser Entwurf 1605 oder aber zu einem späteren Zeitpunkt von den Oberlausitzer Ständen mit der böhmischen Seite oder aber mit Wien diskutiert wurde.
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Grundrechts auf eigenmächtige Rache entsprach, dass die im Mandatsentwurf vorgesehenen Strafen für Angehörige des Adels selbst im Fall der Tötung des Gegners nicht über 50 Reichstaler hinausgingen. Zugleich sollten die vorgesehenen Möglichkeiten einer Strafverfolgung von adligen Gewalttätern extrem eingeschränkt sein: Dies fing mit der Feststellung an, dass Adlige, die über Grundbesitz in der Oberlausitz verfügten, mit der Untersuchungshaft zu verschonen seien203 und reichte bis zu der Idee, dass bei potentiellen Streitfällen eine ad hoc vom Hausherrn und anderen anwesenden Adligen zusammengestellte Schiedsinstanz über das weitere Vorgehen und auch mögliche Strafen entscheiden sollte. All dies widersprach den Bestimmungen des kursächsischen Duellmandats von 1653, was sicherlich auch in der Oberlausitz nicht unbekannt geblieben war. Aber dennoch ersetzte Reinicke 1653 in diesem alten Mandatsentwurf königlich einfach durch kurfürstlich-sächsisch und schickte das Ganze als Oberlausitzer Vorschlag einer rechtlichen Regelung der Duell materie nach Dresden.204 Auf Zustimmung traf dieser Entwurf erwartungsgemäß nicht. Und da 1653 offenbar keine Einigung erreicht werden konnte, wurde der Erlass eines Oberlausitzer Duellmandates zunächst aufgeschoben. Erst mit gut zweijähriger Verspätung – am 21. September 1655 – wurde das kursächsische Duellmandat von 1653 dann auch in der Oberlausitz eingeführt: Es war ebenjener Curt Reinicke, der in seiner Position als Landvogt das Mandat publizieren ließ. Inhaltlich wich es nicht von der kursächsischen Vorlage ab, lediglich die Adressaten waren verändert worden und dem rhetorischen Vorgehen in solchen Mandaten entsprechend erklärt man zudem, dass die eingerissenen Missstände in der Oberlausitz ganz besonders drastisch seien.205 Gesonderte Verhandlungen zu diesem verspäteten Erlass finden sich nicht in den Akten, aber der Adel dürfte an dieser Verzögerung durchaus interessiert gewesen sein, denn im Mandat wurde – so wie in dieser Zeit allgemein üblich – eine adlige Sonderstellung für das Feld gewaltsamer Ehrverteidigung bestritten. Der nächste Vorstoß in Sachen Duell wurde zehn Jahre später unternommen. Nun erklärte Kurfürst Johann Georg II. in einem Schreiben vom 9. August 1665 gegenüber jenem, schon 1653 amtierenden Landvogt Curt Reinicke, dass er beschlossen habe, im Markgrafentum „ein Mandat, wie unlängst an unserm Hoff geschehen, gleichfals ergehen zu laßen“. Inszeniert werden sollte diese Gesetzesübernahme performativ wirkungsvoll in 203 Diese Forderung entsprach durchaus der privilegierten Stellung des Adels im Recht, taucht aber in allen anderen Duellmandaten nicht mehr als Vorrecht auf. 204 Staatsfilialarchiv Bautzen, 50009 (Oberamt/Oberamtregierung), Nr. 690 [o. Pag.], Schreiben Curt Reinickes, Budissin, April 1652. 205 Oberlausitzer Duellmandat 1655.
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einem öffentlichen Akt, bei dem der Gesetzestext dem Oberlausitzer Adel feierlich verkündet und von diesem durch die Teilnahme an der Verkündigung zugleich auch angenommen werden sollte. Und diesmal drang der sächsische Landesherr mit seinem Ansinnen sofort durch. Das Duellmandat, das dem 1665 in Kursachsen erlassenen glich, wurde im Rahmen eines Landtages in Anwesenheit des Adels öffentlich verkündet und damit für die Oberlausitz in Kraft gesetzt. Theoretisch galten damit in der Oberlausitz die gleichen restriktiven Bestimmungen wie in Kursachsen: Duellanten konnten nicht nur in Untersuchungshaft gebracht werden, sondern waren für ihr Verhalten auch dann mit dem Tod durch das Schwert zu bestrafen, wenn niemand verwundet worden war. Auffällig ist, dass dieses Mandat in den späteren Oberlausitzer Gesetzessammlungen nicht mehr auftaucht.206 Ob dies als Hinweis dafür zu werten ist, dass das Mandat mit Bedacht und Absicht nicht in die Rechtspraxis eingeführt wurde, ist schwer zu entscheiden. Denn der Umstand, dass die rigiden Strafandrohungen des 1665er Mandats in den folgenden Jahren in den Verfahren gegen Duellanten nicht auftauchen, sondern wie schon zuvor kurze Haft- und geringe Geldstrafen verhängt wurden, ist kaum bemerkenswert. Vergleichbar milde Strafen finden sich, dies wurde bereits erwähnt, auch in anderen Regionen.207 Aber es war auch nicht die Strafpraxis, die das Oberlausitzer Beispiel so interessant macht, sondern die legislativen Akte, mit denen die Mandate implementiert werden sollten. Die performativ-expressive Logik, die bei der Verabschiedung des Gesetzes zum Tragen kam, folgte dabei einem festen Prozedere:208 Ein entsprechendes Gesetz wurde zunächst den anwesenden Ständen auf einem ausgeschriebenen Landtag in Budissin (Bautzen) verkündet, anschließend durch einen Herold auf dem Burgplatz und auf dem dortigen Marktplatz „nach gehörten Trompeten- und Paukenschall“ öffentlich und unter Anwesenheit der Stände verlesen und schließlich in Kopien 206 Das Mandat fehlt sowohl in der von kursächsischer Seite redigierten Sammlung Codex Augusteus (hier finden sich lediglich die Mandate bzw. die Verweise auf die Mandate von 1655 und 1712 sowie eine Erläuterung zum Injurienverfahren nach dem Duellmandat von 1716) als auch in der in Budissin (Bautzen) erschienenen Sammlung (hier mit den Mandate von 1655, 1706, 1712, 1717 und 1737), die offenbar auf Initiative der Oberlausitzer Behörden zusammengestellt und gedruckt wurde. Lünig, Codex Augusteus, 1724, Teil 3, Sp. 231–236, 341 f. u. 345–348; Collection derer den Statvm des Marggrafthums Ober-Lausitz […] betreffenden Sachen, Bd. 1, S. 192–196, 202–220, 223–246, 251 u. 278–282. 207 Ausführlich dazu Kap. III. 3. in dieser Arbeit. 208 Zur Publikationspraxis von Mandaten Schennach, Gesetz und Herrschaft, S. 613–636; für Kursachsen am Beispiel der Lebensrettungsmandate im 18. Jahrhundert auch Kästner, Tödliche Geschichte(n), S. 414–426.
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im Land – hier dann entsprechend auch an die adligen Grundherren – verteilt.209 Die festen Formen folgende öffentliche Inszenierung der Gesetzespublikation machte diese zugleich zu einem Akt gemeinschaftlicher Wahrnehmung. In dieser Hinsicht sind Bekanntmachungsakte von Normen als ‚Ereignis‘ mit Blick auf ihre performativ-expressive Wirkung tendenziell vergleichbar mit öffentlichen Strafvollstreckungen, wenngleich bei den Gesetzespublikationen natürlich die schaurig-sensationelle Seite der Inszenierung fehlte und eine Strafvollstreckung die Gültigkeit einer Norm über deren reale Anwendung zweifellos besonders deutlich zum Ausdruck brachte.210 Aber „das gemeinsame Interesse an der Wahrung guter Ordnung“ wurde auch bei einer öffentlich inszenierten Normpublikation wirkungsvoll in Szene gesetzt.211 Eine derartige Inszenierung konnte zudem bei Bedarf wiederholt werden: Und so wurde an das Duellmandat von 1665 schon nach zwei Jahren erneut mit ‚Pauken und Trompeten‘ erinnert, da – so zumindest die offizielle Begründung – die Duelle in der Oberlausitz abermals zugenommen hätten.212
209 StFiA Bautzen, 50009, Nr. 690 [o. Pag.], Briefwechsel zwischen Johann Georg II. und dem Landvogt der Oberlausitz vom 9. August 1665. Für die Bekanntmachung von einschlägigen Mandaten durch Verteilung sind zumindest für das 18. Jahrhundert Listen überliefert, in denen von einem Boten vermerkt wurde, wann das Mandat an die entsprechenden lokalen Obrigkeiten ausgegeben worden war. Eine Liste für die Verteilung in der Oberlausitz aus dem Jahre 1737 umfasste immerhin 273 Stationen. StFiA Bautzen, 50009, Nr. 691 [o. Pag.]. Entsprechende Listen finden sich auch für Mecklenburg-Güstrow (1715) LAS, 2.12-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1637 [o. Pag.], Liste der an die Ämter und Städte im Herzogtum Güstrow verschickten Exemplare. Hier gingen 646 Exemplare an die elf Ämter, die dann die Drucke jeweils eigenständig weiter an die Grundherrschaften verteilen mussten. So erklärte etwa der Landreiter Hans Drägen, dass er das Duellmandat am 31. Mai und 2. Juni 1715 im Amt Güstrow an 48 adlige Höfe, 18 Pfarreien und 16 Krüge (Gastwirtschaften) im Amt verteilt hatte. 102 Exemplare gingen an die 14 Städte im Land, diese wurden zum Teil auch von den Landreitern überbracht. So lieferte Hans Drägen auch die Exemplare an die Städte Güstrow, Teterow, Lage und Krakow aus, die alle im Amt Güstrow lagen. LAS, 2.12-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1637 [o. Pag.], Bericht des fürstl. Landreiters Hans Drägner vom 13. Juni 1715. Diese Verteilung bis in die einzelnen Ortschaften war generell üblich und kein Spezifikum der Duellmandate. Vgl. Schennach, Gesetz und Herrschaft, S. 620–628. 210 Zur Wirkung entsprechend inszenierter Strafvollstreckungen siehe Sharpe, Last Dying Speeches; Kittsteiner, Buße auf dem Schafott; Martschukat, Ein Freitod durch die Hand des Henkers; Krischer, Hinrichtungen. 211 Schilling, Gesetzgebung und Erfahrung, S. 406. 212 StFiA Bautzen, 50009, Nr. 690 [o. Pag.], Bericht des Herolds Christian von Gehe, Dresden den 23. April 1667. Darin berichtete dieser, dass das Patent am 22. April 1667 Punkt 9 Uhr am Vormittag nochmals publiziert und wie zuvor auch ausgeblasen wurde.
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Mit der nächsten, von Dresden angestoßenen Mandatsübernahme sollten die Kurfürsten dann allerdings mit Pauken und Trompeten scheitern. Denn nun regte sich entschiedener Widerstand, als aus Dresden im Mai 1677 gefordert wurde, das im März neu erlassene kursächsische Duellmandat auch für die Oberlausitz zu übernehmen. Zunächst erklärte der Oberlausitzer Amtsverwalter Gottlob Ehrenreich von Gersdorff, dass eine Publikation des 1677er Mandats unmöglich wäre, da dieses inhaltlich eine Wiederholung des Duellmandats von 1670 sei, dieses aber in der Oberlausitz nicht erlassen worden war. Den Umstand, dass das Mandat von 1670 seinerseits eine Wiederholung des in der Oberlausitz durchaus gültigen Mandats von 1665 war, sprach Gersdorff vorsorglich nicht an. Offenbar nahm man in Dresden diese Einwände Gersdorffs nicht weiter ernst und war der Überzeugung, dass das Gesetz dennoch auf dem nächsten Landtag der Oberlausitzer Stände zu Elisabeth (19. November) 1677 angenommen und verabschiedet werden würde. Dass man mit dieser Einschätzung falsch lag, zeigte sich eindrucksvoll, als die unternommene Präsentation des Mandats auf dem Landtag grandios missriet: Denn bei der vorgesehenen Publikation des Mandates waren „sämbtliche von Adel“ einfach „nicht zugegen gewesen“, wodurch es schlichtweg nicht möglich war, das Gesetz zu verabschieden. Greifbar wird hier also ein symbolisch außerordentlich wirkungsvoll in Szene gesetzter Kommunikationsboykott, mit dem der Oberlausitzer Adel seine Ablehnung demonstrierte.213 Im vorliegenden Fall machte sich der Adel damit die performativ-expressive Logik des Gesetzgebungsaktes, der immer auch auf eine wechselseitige Bereitschaft zur Kommunikation angewiesen war, zunutze und verwies so einerseits auf sein beanspruchtes Recht einer gewaltsamen Ehrverteidigung und andererseits auf seinen (Mit-)Gestaltungsanspruch von Herrschaft. Angesichts dieses gescheiterten Versuchs verschob man das Publikationsprojekt. Johann Georg II. ließ allerdings in einem weiteren Schreiben an Gersdorff darauf hinweisen, dass „dieses unzuläßliche, in Götlich und Weltlichen Rechten verbothene duellwesen in keinem besonderen Privilegiis oder Observantz bestehet“. Die Dresdner Seite betonte also, dass sich der Oberlausitzer Adel in Duellsachen gerade nicht auf seine älteren Rechte und Privilegien berufen konnte, weil es hierfür keine älteren, aus der böhmischen Zeit stammenden Bestimmungen gab, sondern nur die auch in der Oberlausitz geltenden kursächsischen Mandate von 1653 und 1665. Zudem wurde der eigene Herrschaftsanspruch nochmals unterstrichen und angemahnt, dass bei der Bestrafung eines „gleichmäßig delictum […] kein un213 StFiA Bautzen, 50009, Nr. 690 [o. Pag.], Schreiben Johann Georg II. zum willkürlichen Landtag Elisabeth 1677 an den Amtsverwalter des Marggrafentum Oberlausitz Gottlob Ehrenreich von Gersdorff.
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terscheid zwischen einem orthe kegen den andern, wo einerley hohe Obrigkeit verhanden“ gemacht werden sollte.214 In den folgenden Jahren wurden daher von Dresdner Seite immer wieder neue Vorstöße unternommen,215 und der Oberlausitzer Adel reichte seinerseits immer wieder Bedenken ein, aber zu einer Einigung kam man nicht.216 Selbst als 1693 ein offenbar gemeinsam erarbeiteter und gegenüber den rigiden kursächsischen Bestimmungen bereits deutlich abgeschwächter Entwurf vorlag,217 wurde dieser,
214 StFiA Bautzen, 50009, Nr. 690 [o. Pag.], Schreiben Johann Georg II. zum willkürlichen Landtag Elisabeth 1677 an den Amtsverwalter des Marggrafentum Oberlausitz Gottlob Ehrenreich von Gersdorff. 215 Ermahnung das 1665er Mandat erneut zu erlassen ergingen am 10./20. Okt. 1679; im Rahmen von zwei Duellverfahren in den Jahren 1680 und 1681 und am 28. März/7. April 1690. StFiA Bautzen, 50009, Nr. 690 [o. Pag.]. 216 Die Vorbehalte des Oberlausitzer Adels bezogen sich vor allem auf folgende sieben Punkte: (1) Im Land besessene Adlige sollten nicht in Untersuchungshaft genommen werden, sondern mit Handschlag und der Drohung, ihre Güter sonst zu verlieren, zusichern, sich dem Gericht zu stellen. (2) Hausherren, bei denen sich Ehrkonflikte (von der Injurie bis zum nicht tödlichen Duell) ereigneten, sollten nicht verpflichtet sein, diesen Vorfall anzuzeigen. Denn es bestünde die Gefahr, dass der Hausherr von einem Ehrenstreiter, der im Land nicht viel zu verlieren hätte, dafür verfolgt würde. (3) Die Ergreifung flüchtiger Duellanten sollte nicht unter Aufbietung der Bürger und Untertanen in den Städten erfolgen, da „durch dergleichen auffbietung des gemeinen Pöfels viel größeres Unheil erreget alß verhüttet“ würde. (4) Mit Blick auf die für die Verfahren eingerichteten Untersuchungskommissionen gab man zu bedenken, dass sich niemand gern zu solchen Kommissionen bestellen lässt, weil man spätere Feindseligkeiten der beklagten Standesgenossen befürchtete. Daher wurde gefordert, dass entsprechende Verfahren immer durch den Landvogt oder in dessen Abwesenheit vom Oberamtsverwalter und den adeligen Gerichtsassessoren geführt werden sollten. (5) Zudem sollte es den Oberlausitzer Adligen freigestellt sein, bei Verbal- und Realinjurien die im Lande gewöhnliche Ehrentafel besetzen und den Vorfall dort erörtern zu lassen. (6) Ob Geld- oder Gefängnisstrafen verhängt würden, sollte nach Beschaffenheit der Person und der Umstände entschieden werden. (7) Und bei der Ehrenerklärung gegenüber dem beleidigten Part sollte nur gesagt werden, dass man „den andern zur höchsten ungebühr, und höchst unverantwortlich geschlagen“. Die in Kursachsen vorgesehene Ergänzung, dass man „nicht als ein ehrlicher mann geschlagen“ hätte, sollte gestrichen werden. Zudem gab man generell zu bedenken, dass der Passus reparationis honoris nochmals überdacht werden sollte, da hiervon sehr stark abhängen würde, ob sich der Beleidigte beruhigte. StFiA Bautzen, 50009, Nr. 690 [o. Pag.], Bedenken der Stände vom 19. März 1678. 217 So sollten adlige Duellanten weder während der Untersuchung inhaftiert noch im Fall der Fälle gefoltert werden dürfen. Letzteres war in Kursachsen zumindest theoretisch möglich, eine kurzfristige Untersuchungshaft sogar durchaus typisch. Als Strafen waren im Oberlausitzer Entwurf für den Fall, dass niemand starb, lediglich Geldstrafen bis maximal 500 Rtl. vorgesehen. Die sächsischen Mandate drohten weiterhin schon bei der bloßen Forderung zum Duell mit dem Tod. Lediglich wenn einer der Duellanten starb, war auch im Oberlausitzer Mandatsentwurf ein härteres
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III. Das Duell im Alten Reich
als es schließlich zur Verabschiedung auf dem Landtag kommen sollte, vom Oberlausitzer Adel doch noch abgelehnt.218 Wie weit man sich in dieser Zeit auch in der Verfahrenspraxis von den kursächsischen Zuständen entfernt hatte, zeigen einige Verfahren aus den 1680er Jahren, in denen es adligen Duellanten plötzlich gestattet wurde, in sächsischer Frist (sechs Wochen und drei Tage) zu beweisen und darzulegen, wieso sie einer Beleidigung im Duell begegnen mussten.219 Die Ehrenkämpfer argumentierten bei diesen Gelegenheiten ganz selbstverständlich mit einem adligen Notwehrrecht in Ehrensachen. Dieser Argumentation folgten auch die Gerichte und erließen entsprechend Urteile, in denen Duellanten zwischen acht Tagen Arrest und einer Geldstrafe von 20 Reichs talern wählen konnten.220 Aber das Besondere gegenüber den kursächsischen Verhältnissen waren letztlich nicht die milden Strafen für Duellanten. Vielmehr war entscheidend, dass diese milden Strafen nicht als herrschaftliche Gnadenakte, sondern mit dem Verweis auf alte Vorrechte des Adels in einem regulären Verfahren als reguläre Strafen verhängt wurden. Die Strafverfahren gegen Duellanten wurden damit zu Exempeln, mit denen Oberlausitzer Adlige vor Gericht beweisen konnten, dass sie einen rechtlichen Sonderstatus genossen und ihnen dieser von Kursachsen auch nicht genommen worden war. Vor Gericht demonstriert wurde damit keine Beschränkung der Satisfaktionsfähigkeit auf die Gruppe des Adels, sondern dass der Adel ein althergebrachtes Recht hatte, seine Ehre mit Waffengewalt und also auch im Duell zu verteidigen, aber im Unterschied zu anderen Ständen milder dafür bestraft wurde. Die Ablehnung der kursächsischen Duellmandate entpuppt sich angesichts der auch in Kursachsen anzutreffenden systematischen Gnadenpraxis damit in erster Linie als Symbolpolitik gegenüber den kursächsischen Ansprüchen. Zugleich war diese Verweigerungshaltung aber auch ein wirkungsvoller Integrationsmechanismus für den Oberlausitzer Adel. Denn dieser konnte selbstbewusst darauf verweisen, dass man sein Recht selbst in die Hand nahm. In Anbetracht nicht erlassener neuer und der Ignoranz älterer Duellmandate war es nicht nur Usus, sondern eben auch zulässig, einer EhrkränVorgehen vorgesehen. Dann sollte gegen den Überlebenden wie gegen einen Totschläger verfahren werden. StFiA Bautzen, 50009, Nr. 158, Bl. 575b–587a. 218 StFiA Bautzen, 50009, Nr. 158, Bl. 575b–587a enthält nur eine als Entwurf bezeichnete Fassung, eine Ratifizierung findet sich nirgends. 219 So die Erklärung der Beklagten in Prozesses von 1680 und 1681: StFiA Bautzen, 50009, Nr. 690 [o. Pag.]. 220 Etwa in entsprechenden Verfahren 1686 und 1687: StFiA Bautzen, 50009, Nr. 690 [o. Pag.].
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kung mit Waffengewalt zu begegnen, anstatt, wie in den Duellmandaten allgemein gefordert, mit einer Klage vor Gericht. Damit stand in Ehrensachen zwischen Angehörigen des Oberlausitzer Adels bis in das frühe 18. Jahrhundert faktisch Selbstjustiz über der Strafkompetenz des Landesherrn. Denn obwohl das Duell überall praktiziert wurde, so war der Ehrgewinn doch um einiges größer, wenn man sich die Rechtmäßigkeit eines solchen Vorgehens gerichtlich auch noch bestätigen lassen konnte. Ein Ende fand dieser Sonderstatus dann recht sang- und klanglos mit der Verabschiedung der kursächsischen Duellmandate von 1706 und 1712 in der Oberlausitz.221 Hier lassen sich auf Seiten der Oberlausitzer Stände keine Versuche mehr nachweisen, eine entsprechende Übernahme zu hintertreiben. Es ist nicht zu entscheiden, was den Oberlausitzer Adel zu diesem Schritt bewogen hat. Es spricht allerdings einiges dafür, dass sich dieser Wandel im Kontext eines übergreifend zu veranschlagenden Integrationsprozesses vollzog, bei dem sich der Oberlausitzer Adel weniger kategorisch gegen das kursächsische Mutterland abgrenzte.222 Zugleich ist festzustellen, dass man in Dresden offenbar kein Kapital aus der veränderten Gesetzeslage zog, denn eine vermehrte Prozesstätigkeit gegen Oberlausitzer Duellanten findet sich nicht.223 Für die Duellanten änderte sich aber immerhin so viel, dass 221 Siehe die entsprechende Verfügungen: Oberlausitzer Duellmandat 1706; Oberlausitzer Duellmandat 1712. Entsprechende landesherrliche Anweisungen an den Amthauptmann in Budissin finden sich auch in: StFiA Bautzen, 50009, Nr. 690 [o. Pag.] Schreiben vom 3. Mai 1706 u. 21. Sept. 1712. 222 Dies war wohl einerseits eine Frage der Zeit, andererseits auch das Produkt einer gezielten Integration Oberlausitzer Adliger in die Dresdner Hofgesellschaft. Hinzu kam, dass ab 1672 die Kurprinzen phasenweise als Landvögte der Oberlausitz fungierten: Kurprinz Johann Georg von 1672–1680, Kurprinz Friedrich August von 1703–1733 und Kurprinz Friedrich Christian von 1736–1763. Allerdings wurde diese Position im Zuge dessen mehr und mehr zu einem Titulaturamt und die Prinzen waren kaum in der Oberlausitz präsent. Ab 1777 wurden keine Landvögte mehr bestellt. 223 Bis 1806 ließen sich lediglich fünf Verfahren gegen Oberlausitzer Duellanten eruieren: (1) Rencontre zwischen Heinrich Adloph von Gersdorff und Wolff Gottlob von Muschwitz i. J. 1720: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 69a–77b u. 363a–380a; (2) Realinjurie zwischen Gottlob Friedrich von Warnsdorff und dem Advokaten Printz aus Budissin (Bautzen) i. J. 1728: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 151a–161b; (3) ein im oberlausitzischen Seidenberg (heute Zawidów) 1740 stattgefundenes Duell zwischen dem in preußischen Diensten stehenden Leutnant Hans Georg von Gersdorff und Jobst Burckhardt von Hoyqueslot: SächsH StA Dresden, 10026, Loc. 1405/3, Bl. 1ab, 9a–18b, 33a–58b u. 67a–118b; (4) eine 1750 stattgefundene Provokation zum Duell zwischen Christian Gottlob Adolph von Nostiz und Johann Heinrich von Stuttenheim: SächsHStA Dresden, 10026, Loc 1405/2, Bl. 102a, b. Hinzu kam schließlich noch (5) ein 1708 unter dem Duellmandat abgehandelter gewalttätiger Übergriff von Carl Gotthard von Gersdorff auf einen Bauern und dessen Frau, die im Dienst eines gewissen von Kyau standen. Dieser
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sie ihre niedrigen Strafen nun einem herrschaftlichen Gnadenakt verdankten und nicht mehr einem regulären Urteil. d) Rechtliche Differenzierung jenseits von Formalisierung Betrachtet man nun die insgesamt zu beobachtenden Erweiterung und Ausdifferenzierung der Duellmandate, so fällt auf, dass der synonyme Gebrauch der Begriffe Duellieren, Balgen und Kugeln wechseln in den Normen bis in das 18. Jahrhundert hinein bestehen blieb.224 Allerdings rückte das Duellieren bei der Beschreibung des Phänomens allmählich von einem der hinteren Ränge weiter nach vorn.225 Zugleich gewann der Terminus der Selbst-Rache an Bedeutung, da mit ihm besonders herausgestrichen werden konnte, dass sich die Duellanten mit ihrem Handeln das Recht der für die Sühnung von Injurien eigentlich zuständigen Obrigkeiten anmaßten. Ab dem zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts kam dann verstärkt noch der deutsche Begriff Zweikampf hinzu, der ebenfalls synonym zum Duell gebraucht wurde.226 Neben der begrifflichen Vielfalt blieb auch die Beschreibung des Ordnungsproblems weit gefasst. So ähnelt das im kursächsischen Duellmandat von 1706 geschilderte Ordnungsproblem in verblüffender Weise dem, das im ersten einschlägigen sächsischen Mandat von 1653 beschrieben wurde. Denn man klagte noch 1706, dass die „Vasallen, Kriegs-Officirern, auch andern Unsern Unterthanen, nicht weniger Studiosis […] ein unordentliches wurde bei diesem Übergriff in Abwesenheit beleidigt und diese Injurien (nicht der Übergriff auf die Bauern) wurden im Verfahren behandelt: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 186a–192b. Bemerkenswert ist zudem, dass in der Ablage der Oberamtsregierung in Bautzen keine einschlägigen Prozesse nach 1706 verzeichnet sind, sondern nur bei der Landesregierung in Dresden. 224 Darauf verweisen auch Bors, Duell und juristischer Ehrenschutz; Lorenz, Duell oder Balgerey. 225 Diese Verschiebung verlief allerdings nicht immer einheitlich. So wurden 1665 zwei Duellmandate in Kursachsen erlassen. Das eine hieß ganz einfach (W)ider die Injurien und Duelle. Im Titel des anderen Duell-Mandats war hingegen von Injurien-Händel und […] Tumultiren, Degenblossen, Ausfordern, Balgen und Duelliren die Rede. Vgl. Kursächsisches Duellmandat 1665-a, Kursächsisches Duell mandat 1665-b. 226 Dies spiegeln die entsprechenden Einträge im Zedler, [Art.] Duell oder Zweykampff; Zedler, [Art.] Zweykampf, Selbst-Kampf, Balgen und Rauffen oder, Duell. Die Beiträge zeigen zudem exemplarisch, dass das Interesse am Duell bis zur Jahrhundertmitte deutlich angestiegen war. Beschränkten sich die Ausführungen 1734 noch auf knapp eine halbe Spalte, füllte man mit den Ausführungen 1750 nahezu 100 Spalten. Diese exorbitante Zunahme ist letztlich auch nicht durch den Befund zu schmälern, dass die Artikellänge in den späteren Bänden des Zedlers insgesamt zunimmt.
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und wüstes Leben“ führten und bei „allerhand gelacken, besonders, bey übermäßigen Volltrincken, durch unbedachtsames, oder auch übermüthiges Schrauben, Verachten, hinterlistiges Nachreden oder Beschimpffen, Bedrohen, öffentliches Schmähen, und auf dergleichen mehrere Art, allerhand Zänckereyen und andere unfertige Händel, auch wohl gar unanständiges Stossen, Schlagen, bastioniren und Karbatschen“ entstehe. Und dieses münde dann schließlich nur zu leicht „in ein unchristliches, schon vorlängst durch Reichs- und Landes-Gesetze höchst-verbothenes Rauffen, Balgen, Schlagen und duelliren“.227 Mit dem situativen Zusammenhang von Alkohol und Ehrenkämpfen wurde auch im Preußischen Duelledikt von 1713 argumentiert. Hier erklärte man im Artikel XIII, dass durch die Laster der „Trunckenheit und Füllerey“ ein Mensch „aller seiner Vernunfft und Sinnen beraubet“ und in ein „unvernünfftige(s) Thiere“ verwandelt würde. Derart von Sinnen, setze man schließlich nur allzu leicht „Ehre und Gesundheit / Leib und Seele“ aufs Spiel und fände sich ganz leichtfertig zum „Duelliren / Rauffen und Schlagen“ bereit.228 Ein prinzipiell formalisierter Handlungsablauf ließ sich mit solchen Szenarien kaum verknüpfen. Doch trotz dieser immer noch sehr offen gehaltenen Beschreibung der Reglungsmaterie in den Normen wurden statt pauschaler Sanktionsdrohungen nach und nach ausdifferenzierte Strafkataloge formuliert. Einerseits unterschied man genauer zwischen verschiedenen Formen der Beteiligung, indem man spezielle Strafandrohungen für Duellanten, Sekundanten, Mitwisser oder Zuschauer festsetzte. Andererseits wurden Konfliktszenarien beziehungsweise Konfliktetappen benannt, die in ihrer Zusammenschau in gewisser Weise einen prototypischen Ablauf eines Kampfes nachzeichneten: Neben den Bestimmungen zu Injurien, die im Kontext der Mandate als Duellanlässe konzeptionalisiert wurden, differenzierte man bei den Strafandrohungen zwischen Ausforderung zum Duell, Annahme der Ausforderung, Erscheinen zum Kampf, einem wirklich geführten Kampf ohne Verletzung, mit Verletzung oder aber mit tödlichen Verletzungen.229 Hinzu kam, dass 227 Kursächsisches
Duellmandat 1706. Duellmandat 1713, hier Art. XIII, Bl. C2b–C3a. 229 Exemplarisch sei hier lediglich verwiesen auf das Preußische Duellmandat von 1713: Art. V befasste sich mit der Ausforderung zum Duell, Art. VI mit der Annahme der Ausforderung und dem Erscheinen zum Kampf, in Art. VII wurden Strafen für einen wirklich geführten Kampf ohne Verletzung, mit Verletzung oder aber mit tödlichen Verletzungen festgesetzt. Beim Strafmaß wurde dabei zwischen Honoratiores – also Adligen, Oberoffizieren, oberen Beamten und Personen mit einem vergleichbaren Ehrenstatus – und den Geringern – zu denen alle anderen Personengruppen zählten – unterschieden. Preußisches Duellmandat 1713, hier Art. V–VII, Bl. A4b–B3a. 228 Preußisches
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seit den Mandaten der 1670er Jahre eine Unterscheidung zwischen Duellen auf der einen Seite und Renkontres auf der anderen Seite aufkam, ohne dass damit zunächst genauer umrissen war, welche konkreten Handlungsweisen mit den Begriffen überhaupt gemeint waren. So unterschied man im kursächsischen Duellmandat von 1670 noch zwischen (in ihrem Wesen nicht näher definierten) Duellen und Kämpfen, in denen ein Angreifer „ohne gegebene Ursach den andern in oder ausserhalb [des] Hausses auf der Strassen oder Gassen mit dem blossen Degen, oder anderm gezogenen Gewehr anfile, darunter wir auch die von den Partheyen abgeredete Rencontren, und andere Wegelagerungen verstehen“.230 An dieser Formulierung irritiert zweierlei: Zum einen wurden Renkontres mit Formen der Wegelagerei verglichen, womit sie einen einseitig zuweisbaren, vorsätzlichen Charakter erhielten. Zum anderen wurde erwähnt, dass Renkontres zwischen den Parteien verabredet seien, was dem späteren Verständnis dieser Form des Ehrenkampfes als spontan ausgetragene Variante des Duells deutlich widerspricht. Knapp vier Jahrzehnte später, im kursächsischen Duellmandat von 1706, entspricht die Abgrenzung des Renkontres gegenüber dem Duell dann bereits stärker der heutigen Sicht. Denn nun wurde erklärt, dass es sich nur dann um ein Renkontre handeln würde, wenn „würcklich ex motu primo und bey der Hitze, welcher wohl nicht allemahl widerstanden werden mag, sich Balgereyen zutrügen“.231 Noch deutlicher wurde man im Brandenburger Duellmandat von 1713. Hier hieß es ex negativo, dass als Renkontre nur die Konflikte zu gelten hätten, die nicht „vorhero unter den rencontrirenden Partheyen mündlich oder durch Schreiben / Internuncios,232 Diener oder sonsten verabredet worden“.233 Mit dieser Umschreibung des Renkontres wurde damit zugleich eine Definition des Duells mitgeliefert. Denn wenn die spontanen aus einer konkreten Situation unmittelbar hervorgegangenen und auch gleich vor Ort ausgetragenen Ehrenkämpfe als Renkontre verstanden werden sollten, waren alle in irgendeiner Weise verabredeten und damit zeitlich erkennbar nach dem Ursprungskonflikt ausgetragenen Ehrenkämpfe als Duelle zu begreifen. Eine Unterscheidung in der Sache, die sich bekanntlich durchsetzen sollte. Ob und wenn ja, in welcher Weise in der Gerichtspraxis eine so klare Abgrenzung zwischen Duell und Renkontre erfolgte, kann aufgrund fehlender Kommentare in den Quellen nicht entschieden werden. Festgestellt werden kann aber immerhin, dass sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts 230 Kursächsisches
Duellmandat 1670, hier Sp. 1635. Duellmandat 1706, § 43, Sp. 1740. 232 Bei Internuncios handelt es sich um Unterhändler. 233 Preußisches Duellmandat 1713, hier Art. XII, Bl. C b. 2 231 Kursächsisches
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kein strategischer Einsatz des einen oder anderen Etiketts durch die Protagonisten vor Gericht beobachten lässt. Man versuchte also noch nicht, sich aus der Affäre zu ziehen, indem man behauptete, der Konflikt sei ein Renkontre und kein Duell gewesen und müsse daher auch milder bestraft werden.234 Eine solche Strategie war angesichts der unterschiedslos milden Urteile auch gar nicht nötig.235 In der Regel fehlt in den Gerichtsakten also ein eindeutiges Etikett, zumal in den einschlägigen Verfahren häufiger nur unspezifisch von Verstößen gegen das Duellmandat die Rede ist. In diesen Fällen ist zwar auf der Basis der Konfliktbeschreibung noch eine Unterscheidung zwischen Verbalinjurien und tätlichen Auseinandersetzungen möglich, eine Abgrenzung zwischen Realinjurien, Renkontres und Duellen kann hingegen nicht sinnvoll getroffen werden. Und selbst wenn sich doch eine genauere Bezeichnung findet, so erscheint die Etikettierung eines Konflikts als Renkontre oder als Duell noch lange eher zufällig zu erfolgen. Deutlich wird dies etwa bei einer Auseinandersetzung in Dresden zwischen dem Kammerherrn Ulrik Frederik Volckmar Freiherr von Löwendal und dem Kapitän der Schweizer Garde Pierre de Prohinques236, die 1731 vor dem Gasthaus zur Krone in stattfand. Löwendal war – so erklärte der Gastwirt Christoph Müller später vor Gericht – am 28. Juli um ein Uhr nachmittags im Gasthaus erschienen und zunächst eine Stunde lang in der Stube auf und ab gegangen. Dabei hatte er immer wieder auf die Pirnaische Gasse hinausgesehen. Schließlich sei Löwendal auf die Gasse getreten und verstellte dort Prohinques, der sich in einer Portechaise237 tragen ließ, den Weg. Sobald die Sänfte abgesetzt war, stürzte Prohinques heraus und beide gingen sofort mit den Degen aufeinander los. Nach kurzem Kampf und einer Oberschenkelverletzung Löwendals wurden sie durch einen Major der königlichen Janitscharen getrennt und man verließ den Ort des Geschehens in verschiedenen Portechaisen.238 Im Verfahren, das mit einem völligen Freispruch der Kontrahenten endete, bezeichnete man den Vorfall als Renkontre. Dem klassischen Verständnis des Renkontres als spontaner Variante 234 Als absolute Ausnahme hat daher ein Fall aus dem Jahre 1723 zu gelten, bei dem ein Fähnrich von Römer vor Gericht eidlich versicherte, dass es sich bei der Auseinandersetzung mit Heinrich Rudolph von Oelschnitz nicht um ein Duell, sondern um ein Renkontre gehandelt habe. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 272a–286a. 235 Zur Gnadenpraxis siehe Kap. III. 3. in dieser Arbeit. 236 Pierre de Prohinques war 1725 mit der Neugründung der Schweizer Garde beauftragt worden, diese Neuaufstellung war schließlich 1730 realisiert. Vgl. dazu May, Schweizer Söldner. 237 Bei einer Portechaise handelt es sich um einen Tragsessel, also eine kleine Sänfte für eine Person. Vgl. auch Bill, Kultursoziologie der Portechaise. 238 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 231a–238b.
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des Duells entsprach die Auseinandersetzung dabei kaum. Denn aus dem gezielten Warten Löwendals lässt sich durchaus schließen, dass beide nicht zufällig auf der Pirnaischen Gasse aufeinander trafen und der Konflikt offensichtlich bereits vor der dortigen Begegnung entstanden war. Aber auch ein eher überfallartiger Charakter der Auseinandersetzung lässt sich nicht gänzlich ausschließen. Doch dies alles bleibt Spekulation, denn eine nähere Erläuterung zum Konfliktverlauf beziehungsweise eine Erklärung, wieso das Ganze nun als Renkontre und nicht als Duell oder aber als Realinjurie verhandelt wurde, fehlt in den Akten. Insgesamt lässt sich feststellen, dass Diskussionen über den Charakter einer Auseinandersetzung nur ausgesprochen selten in den Gerichtsakten dokumentiert sind. Zudem wurde in aller Regel auch nicht weiter kommentiert, wieso man überhaupt der Meinung war, dass ein Vorfall nach den Duellmandaten verhandelt werden sollte. Einer der wenigen Fälle, in denen unterschiedliche Einschätzungen zum strafrechtlichen Charakter des gerichtlich verhandelten Deliktes erkennbar werden, ist ein 1706 geführtes Verfahren gegen die in sächsischen Diensten stehenden Kadetten Hans Georg Ligotski und von Munckwitz. Hier erklärte die Dresdner Regierung, dass die Auseinandersetzung zwischen den beiden, bei der Munckwitz immerhin verletzt worden war, eben kein Duell sei. Begründet wurde dies damit, dass die Kontrahenten „gegeneinander keine Feindschaft gehabt“ hätten, vielmehr sei der Konflikt aus einem „Scherz“ entstanden. Damit stellte sich die Regierung gegen die Einschätzung des Generalfeldzeugmeisters Graf von Zinzendorf, der die gerichtliche Untersuchung in der Sache führte und zuvor erklärt hatte, dass die Auseinandersetzung als Duell angesehen werden müsse.239 Auf lange Sicht erwies sich die Position der Dresdner Regierung, nach der ein scherzhafter Beginn oder eine fehlende Feindschaft zwischen den Konfliktgegnern ein Duell ausschlössen, bekanntlich nicht als mehrheitsfähig. Gleichwohl verweist dieser Fall immerhin darauf, dass solche Argumente zumindest gelegentlich ins Feld geführt wurden. Erst nach und nach bildete sich in der gerichtlichen Praxis eine inhaltlich stabilere Differenz zwischen verschiedenen Konflikttypen heraus. Und am Ende des im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Zeitraumes finden sich 239 Diese unterschiedliche Einschätzung führte allerdings nicht zu einer differenten Strafforderung. Vielmehr sollten die beiden Beklagten ohnehin nur mit einer kurzzeitigen Haftstrafe belegt werden. SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9993/2 [o. Pag.]. In eine ähnliche Richtung weist ein Verfahren im Jahre 1707, bei dem festgestellt wurde, dass nicht zu klären sei, ob es sich bei der Auseinandersetzung zwischen den Kadetten Franz Karl Legorski und Heinrich Adolph von Reichardt um ein „formales“ Duell gehandelt hätte. Daher wurden beide vom Kriegsgericht nur zu einer kurzen Haftstrafe verurteilt. SächsHStA Dresden, 11237, Loc. 10910/8, Bl. 6a–7b.
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punktuell sogar Verfahren, in denen die vorgenommene Differenzierung den uns aus dem 19. Jahrhundert vertrauten Definitionen entsprach. So wird in einem Schreiben der Schweriner Justizkanzlei aus dem Jahr 1795 erklärt, dass im Fall der tätlichen Auseinandersetzung zwischen dem Kammerrat von Hahn und dem Drosten von Plessen „ein wahres Duell und kein Rencontre vorhanden ist, indem der kammerrath von Hahn den Drost von Plessen herausgefordert, dieser die Provocation angenommen, beide sich an einem bestimmten Ort gestellet und in Gegenwart des dänischen Kammerherrn von Oertzen würcklich geschlagen haben“.240 Typisch für die Gerichtspraxis war bis in das späte 18. Jahrhundert aber jene große Vielfalt an Gewaltvergehen und Injuriensachen, die gerade bei adligen Konfliktgegnern nach dem Duellmandat und nicht nach anderen (durchweg milderen) Strafrechtsbestimmungen verhandelt wurden. Dies schloss weder Frauen als Konfliktgegnerinnen241 aus, noch Szenarien, die deutlich fehdeähnliche Züge trugen. Beides fiel bei einem Vorfall zusammen, der 1706 die kursächsische Landesregierung beschäftigte.242 Protagonisten in dieser Auseinandersetzung waren als Angreifer der Hofrat von Trützschler mit einem Reitknecht und weiteren, nicht näher benannten Bediensteten. Ihnen gegenüber stand als Angegriffene Johanna von Lemberg. Im Bericht der geheimen Räte in der Sache heißt es, dass Trützschler mit seinen Leuten am Abend des 7. Dezembers 1706 Johanna von Lemberg 240 LAS, 2.26.-1 (Großherzogliches Kabinett I), Nr. 883, Schreiben der herzog lichen Justizkanzlei an den Herzog, Schwerin den 1. Mai 1795 [o. Pag.]. 241 Aber natürlich war die Präsenz von Frauen als Konfliktgegnerin oder Prozesspartei die absolute Ausnahme. 1673 erklärte der sächsische Kurfürst Johann G eorg II. gegenüber dem Oberlausitzer Amtsverwalter Gottlob Ehrenreich von Gersdorff zu Kaupa immerhin, dass er Nachricht hätte, dass das Duellieren in der Oberlausitz „nicht allein zwischen denen mannes- sondern auch gar Weibes-Personen, einreiße“. Erst jüngst – so der Kurfürst – hätten sich zwei Damen aus den adligen Häusern von Uechtriz und von Sommerfeld nach vorangegangener Schlägerei gegenseitig zum Duell gefordert, dieses ausgetragen und einander sogar verwundet. Das dies in dieser Form den Tatsachen entsprach, kann bezweifelt werden. Vielmehr dürfte der Verweis angesichts der Außergewöhnlichkeit eines solchen Frauenduells dazu gedient haben, mit Nachdruck zu verdeutlichen, wie groß das zu regelnde Problem sei. StFiA Bautzen 50009, Nr. 690 [o. Pag.], Schreiben Johann Georgs II. vom 16. April 1673. Ein einschlägiges Injurienverfahren ist für 1714 nachweisbar. Hier wurde Amalie Christiane Gräfin zu Solms wegen ausgestoßener Beleidigungen von Christoph Albrecht von Schlieben verklagt. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 210a–215b. Zum Phänomen der zeitgenössisch durchweg als exotisch, zumeist auch als absurd oder komisch wahrgenommenen Frauenduelle siehe: Sokalski, Duelling French Woman. Ausgetragen – so Sokalski – wurden Frauenduelle zumeist zwischen adligen Frauen, für die der Umgang mit Waffen weit weniger ‚ungehörig‘ war als für bürgerliche oder bäuerliche Frauen. 242 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 57a–67a.
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„mit Brechung des Hauß-Friedens, überfallen“ hätte. Zudem hatte Trützschler die Adlige „durch jeztbesagten Reuth-Knecht, ohne einzige Uhrsache, auf das schimpflichste karbatschen lassen“.243 Johanna von Lemberg bat nach diesem Übergriff bei der Regierung in Dresden, dass gegen Trützschler nach dem Duellmandat vorgegangen werden solle. Und die Regierung befand in der Sache dann auch, dass das „denuncirte Factum“ durch verschiedene Zeugen eidlich erwiesen sei und das Duellmandat Selbst-Rache und Friedensstörung verbiete.244 Dieses gelte – so die Regierung weiter – auch, wenn man „mit einer Person zu thun [hätte] und an derselben sich thätlich vergriffe, die die Sache durch den Degen und Pistolen nicht ausmachen könnte“. In dieser Lesart hatte also auch eine adlige Frau das Recht, einen Konflikt nach dem Duellmandat verhandeln zu lassen, zumal es sich für sie natürlich nicht schickte, einen Kampf auszutragen. Folgte man den normativ festgesetzten Strafen, hätte Trützschler nicht nur seiner Stellung für immer enthoben werden müssen, sondern ihm hätte für seine persönlich durchgeführte, tätliche Aktion, für den dabei begangenen Hausfriedensbruch und dafür, dass er Johanna von Lemberg in seinem Namen hatte karbatschen lassen, auch eine mehrjährige Haftstrafe zuerkannt werden müssen.245 In diesem Fall gaben die Dresdner Räte zudem noch zu bedenken, dass die Tat besonders ärgerlich und strafbar sei, weil sie von einem 243 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 57a–67a, Schreiben der Geheimen Räte v. 14. Jan. 1707, hier Bl. 58a. 244 Verwiesen wurde dabei darauf, dass in § 10, 12 und 17 im Kursächsischen Duellmandat von 1706 scharfe Strafen für entsprechende gewalttätige Vorfälle festsetzt worden seien, wovon laut § 6 niemand befreit sei. 245 Die Paragrafen sahen vor: „10. Wer gar mit der Hand, einem Stabe, Karbatsche oder Peitsche, und dergleichen schläget, dem andern etwas nach dem Kopffe wirfft, oder es sonst auf einige Weise zur Thätlichkeit kommen lässet, derselbe soll, wann er durch vorhergehende Injurien oder andere Beleidigung darzu veranlasset und gereitzet worden, zwey Jahr, wäre es aber ohne alle gegebene Ursach geschehen, Vier Jahr lang mit Gefängnüß beleget, und seiner Charge oder Function entsetzet, hierüber auch, ehe er ins Gefängnüß gebracht, dahin angehalten werden, daß er dem Beleidigten eine Abbitte auf folgende Weise kniend leiste. […] 12. Wann aber auch gar darbey der Hauß-Friede gebrochen, und einer in seiner Wohnung überfallen worden, auf solchen Fall soll des Verbrechers Straffe, so viel das Gefängnüß betrifft, umb einen dritten Theil noch steigen. […] 17. Liesse einer den andern durch angestellte Leute prügeln, oder karbatschen, derselbe soll nimmermehr zu einer Charge gelassen, und nebst dem, so dessen Befehl vollbracht, mit Acht-jähriger Gefängnüß, binnen welcher Zeit sie sämbtlich die ersten zwey Jahre nichts als Wasser und Brodt bekommen sollen, angesehen werden, iedoch mit Freylassung der Geld-Busse auf die letzteren drey Jahre, iedes 1000. Thlr. Würden aber Diener, die an des Herrn, dessen Befehl vollbracht wird, Lohn und Brodt seyn, es verrichten, die sollen hierüber Vier Jahr lang hart gefangen gesetzet, und ihnen Nasen und Ohren abgeschnitten werden.“ Kursächsisches Duellmandat 1706, hier Sp. 1735 f.
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Hofrat der Obervormundschaftlichen Regierung in Merseburg246 begangen worden war. Aus all dem folge, so die Regierung resümierend, dass in dieser Sache „straks nach dem Duellmandat“ vorzugehen sei.247 Ob es in dieser Angelegenheit je zu einer dem Duellmandat entsprechenden Verurteilung gekommen ist, lässt sich nicht nachweisen und darf angesichts der allgemein milden Strafpraxis bezweifelt werden. Aber wesentlich für den hier betrachteten Zusammenhang ist vor allem der Umstand, dass der Vorfall als Materie anerkannt wurde, in der nach dem Duellmandat zu verfahren sei. Und auch wenn nicht davon auszugehen ist, dass der Vorfall als Duell bezeichnet wurde, so macht er doch eines mehr als deutlich: Mit den Duellmandaten des 17. und auch noch des 18. Jahrhunderts versuchte man eben gerade nicht nur Duelle in einem eng verstandenen Sinn (als einen mit Waffen ausgetragenen Ehrkonflikte unter Männern) zu regeln, sondern hatte ein deutlich breiteres Spektrum von Ehrkonflikten im Visier, deren vor Gericht dargestellte Verläufe eher selten formalisierte Züge aufwiesen.
246 Es handelt sich um die obervormundschaftliche Regierung über Moritz Wilhelm, Herzog von Sachsen-Merseburg (1688–1731). Vgl. hierzu Säckl, SachsenMerseburg, bes. S. 200 f. 247 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 57a–67a, Schreiben der Geheimen Räte v. 14. Jan. 1707, hier Bl. 58a–59a. Das entschiedene Vorgehen der Dresdner Räte gegen Trützschler dürfte indes nicht losgelöst von den politischen Ereignissen des Jahres 1706 gewesen sein. Denn in diesem Jahr hätte die Vormundschaft des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August II. über Herzog Moritz Wilhelm von Sachsen-Merseburg (1688–1731) mit dessen 18. Geburtstag am 2. Februar enden müssen. Kursachsen verweigerte aber die Einsetzung Moritz Wilhelms in seine Ämter und Würden. Der Konflikt spitzte sich Ende 1706 zu. Moritz Wilhelm und seine Vertrauten hofften offenbar, die im Verlauf des Nordischen Krieges (1700–1721) mit dem Altranstedter Frieden von 1706 deutlich geschwächte Position Kursachsens für die eigenen Interessen nutzen zu können. Das um die Jahreswende von 1706/1707 geführte Verfahren gegen den Hofrat von Trützschler dürfte der kursächsischen Seite daher auch dazu gedient haben, den erhobenen Zuständigkeitsanspruch gegenüber den Merseburger Ambitionen zu betonen und zu dokumentieren. Die Kursächsische Position wurde dabei nicht nur durch die Entsagung der polnischen Krone im Altranstedter Frieden (24. September 1706) geschwächt, sondern auch durch den Einmarsch schwedischer Truppen unter Karl XII., die bis 1707 in Sachsen liegen blieben. In dieser angespannten Gesamtlage reiste der Merseburger Prinz – der sich zwischenzeitlich in Nürnberg aufgehalten hatte – nach Sachsen und begab sich dort an den Zeitzer Hof. Dazu Säckl, Sachsen-Merseburg.
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e) Stillstand und Neuanfang. Die rechtliche Entwicklung seit den 1720er Jahren Interessant ist, dass die inhaltliche Entwicklung der Duellmandate seit den 1720er Jahren weitgehend zum Stillstand gekommen ist. Einige Territorien – wie etwa Bayern oder Mecklenburg – erließen zwar noch umfassende Mandate in der zweiten Jahrhunderthälfte, doch sind diese Mandate in erster Linie Ausdruck einer späten Rezeption und weniger einer normativen Fortentwicklung.248 Ansonsten kann im Bereich der Normen seit den 1720er Jahren eine Zeit der Stille veranschlagt werden, in der freilich weiterhin Duelle bzw. als Duell etikettierte Kämpfe gefordert, angenommen und ausgetragen wurden und man in einschlägigen Verfahren mit den Duellmandaten arbeitete. Erst im Zuge der Strafrechtskodifikationen seit dem späten 18. Jahrhundert wird dann eine neue Entwicklung greifbar.249 Diese war durch zwei Aspekte gekennzeichnet: Zum einen wurde das Duell nun mit zunehmender Tendenz nicht mehr als ‚Sonderdelikt‘ zwischen Ehr- und Gewaltvergehen verstanden, sondern man reihte es in die Gruppe der Tötungsdelikte ein. Zum anderen findet sich – zunächst noch ganz zaghaft, im 19. Jahrhundert dann deutlich – eine Milderung der in den Normen vorgesehenen Strafen. Verweist ersteres zumindest auf das Bemühen, den Duellen und damit auch den Duellanten keinen (von diesen distinktiv deutbaren) Sonderstatus zuzuweisen, folgte die Milderung der Strafen der Idee, dass die Wirkungslosigkeit früherer Mandate mit ihrer überbordenden Strenge zu erklären sei. Beide Entwicklungen sind Ausdruck der um 1800 zunehmend geführten Diskussionen um eine Erneuerung des Strafrechts. Von Debatten der Aufklärung vorbereitet, zielten die Bemühungen auf eine ‚Humanisierung‘ und neue Systematisierung des Strafrechts. Ein zentraler Protagonist dieser Entwicklung war etwa Paul Johann Anselm Feuerbach, der als Schöpfer des bayrischen Strafgesetzbuchs von 1813 zu gelten hat.250 In diesem Strafgesetzbuch taucht das Duell bemerkenswerterweise gar nicht mehr als eigenes Delikt auf, vielmehr sollten entsprechende Vergehen nach den Bestimmungen für Körperverletzungs- und Tötungsdelikte verhandelt werden.251 248 Vgl. etwa Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1737; Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1750; Mecklenburg- Schweriner Duellmandat 1786; Bayrisches Duellmandat 1773. 249 Zu der Gesamtentwicklung im Strafrecht dieser Zeit Kesper-Biermann, Einheit und Recht; zum Feld des rechtlichen Umgangs mit Ehre Bors, Duell und juristischer Ehrenschutz; Bors, Abbitte, Widerruf und Ehrenerklärung. 250 Zu Feuerbach Merzbacher, [Art.] Feuerbach. 251 Zum Gesetzbuch Walter, Das Duell in Bayern, S. 77–91.
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Das Duell als rechtlich neu gefasstes Standesdelikt findet sich hingegen erstmals in den Bestimmungen im Allgemeinen Preußischen Landrecht von 1794: Denn hier wurde in den Bestimmungen zum Duell erstmal klar die Idee einer sozial exklusiven Satisfaktionsfähigkeit vertreten. Dementsprechend heißt es, auf eine akteurszentrierte Unterscheidung in der Charakterisierung der gleichen Handlung zielend, in § 689: „Wenn Personen, die weder zum Adel- noch Officierstand gehören, jemanden mit Seiten- oder Schießgewehr angreifen; oder ihren Gegner zum Zweykampfe fordern: oder Ausforderung annehmen: so soll dergleichen Unternehmen als ein Versuch zum Morde angesehen und bestraft werden.“252 Im Umkehrschluss bedeutet dies aber, dass Zweikämpfe von Adligen oder Offizieren eben nicht als Mordversuch angesehen werden sollten und damit anders, und zwar erstmals milder (!), zu bestrafen seien.253 Dieser Fassung des Duells als Standesdelikt stand in den § 607 bis 636 eine umfängliche, ständisch differenzierte Regelung bei Injurienvergehen zur Seite. In der Rechtspraxis führte die rechtlich verankerte Idee der Satisfaktionsfähigkeit freilich nicht dazu, dass sich bürgerliche Zivilisten nicht mehr duellierten, sondern nur dazu, dass sie nicht als Duellanten verurteilt wurden. Ein Vorgehen, das durchaus für Zündstoff sorgte und dadurch auch gleich seine Funktionalität als distinktives Mittel bewies, wie Ute Frevert aufzeigen kann. Wobei das distinktive Potential langfristig vor allem darin bestand, dass Adlige und Offiziere mehr und mehr Duellforderungen Bürgerlicher ohne Ehrverlust ausschlagen konnten.254 Wenngleich hier nicht übersehen werden sollte, dass derartige Duellverweigerungen zwar in spektakulären Einzelfällen überliefert sind, aber nicht unbedingt den ‚Normalfall‘ widerspiegeln. Doch als entscheidende Neuerung hat zu gelten, dass das Duell – zumindest in Preußen – dieses Potential in sich trug und im Fall der Fälle auch öffentlich und damit ausgesprochen breitenwirksam darüber diskutiert wurde.255 Die weitere Ent252 Allgemeines
Landrecht für die Preußischen Staaten 1794, 2. Teil, Titel 20, § 689. Allgemeinen Landrecht für die Preußischen Staaten 1794, 2. Teil, Titel 20, § 826 und 827, wurde festgesetzt, dass vorsätzlicher Mord, bei dem der Kontrahent starb, mit der Todesstrafe zu belegen sei. In § 838 wurde festgesetzt, dass schon bei der bloßen Tötungsabsicht (ohne einen Schaden für das potentielle Opfer) eine vierbis sechsjährige Festungs- oder Zuchthausstrafe zu verhängen sei. Wurde das Opfer verletzt, erhöhte sich diese Haftstrafe und konnte sich von zehn Jahren bis zur lebenslänglichen Haft erstrecken. In § 806 wurde festgesetzt, dass auch ein Todschläger im Falle des Todes seines Opfers mit dem Schwert zu richten sei. In § 816 wurde zudem festgestellt, dass bei de facto nicht tödlichen Verwundungen, bei denen der Verletzte dennoch starb, eine sechs- bis zehnjährige Festungsstrafe zu absolvieren war. Konnte einem an sich tödlich Verletzten doch noch das Leben gerettet werden, so erwarteten den Täter formal Festungsstrafen von zehn Jahren bis lebenslänglich. 254 Frevert, Ehrenmänner, S. 77–79. 255 Ein Umstand, der seinerseits womöglich entscheidend zu einer weiteren Verfestigung dieser ständischen Differenz in der Wahrnehmung geführt hat. Darauf, 253 Im
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wicklung im 19. Jahrhundert zeigt dann allerdings eindrucksvoll, dass von einem langfristig wirksamen Ausschluss Bürgerlicher vom Duell nicht die Rede sein kann, sondern gerade der Anteil bürgerlicher Studenten, Reserveoffiziere und Beamter unter den Duellanten beträchtlich war.256 Gleichzeitig setzte im 19. Jahrhundert auch eine Festschreibung mehr oder weniger verbindlicher Regelkataloge ein, was die bislang vermisste Formalisierung des Duells deutlich vorantrieb. Neben den studentischen Komments, die seit der Jahrhundertwende in stetig größer werdender Zahl präsent waren,257 finden sich dann ab der zweiten Hälfte des 19. bis in das frühe 20. Jahrhundert gruppenübergreifende Duellkodizes.258 Welche konkrete Bedeutung diese Regelwerke für die Duellpraxis in den Staaten des Deutschen Bundes beziehungsweise im Deutschen Kaiserreich hatten, wäre allerdings noch genauer zu klären. Als sicher kann hingegen gelten, dass die Formalisierung und Regelhaftigkeit des Duells im öffentlichen Diskurs zum dominanten Darstellungsmuster wurden. Die langanhaltende Bedeutung dieser Inszenierung des Duells als regel- und formelhaftem Ehrenkampf dürfte dabei vor allem auf die ikonografische und literarische Verankerung dieses Plots in Bildern, Theaterstücken und Romanen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts zurückzuführen sein.259 Denn diese entfalteten durch ihre enorme Verbreitung eine durchschlagende Wirkung und prägten die landläufigen Vorstellungen über das Duell bis heute. Neu war im 19. Jahrhundert zudem, dass sich diese gesellschaftliche Akzeptanz in bestimmten Sphären bis zu einem de facto bestehenden Duelldass die Strafpraxis zum Teil ganz anders aussah, hat (in einzelnen Beispielen) bereits Frevert, Ehrenmänner, S. 78 f. hingewiesen. 256 Vgl. dazu Frevert, Ehrenmänner, bes. S. 133–177; Gahlen, Das Duell im bayerischen Offizierskorps. 257 Bauer (Hg.), 14 der ältesten SV-Komments vor 1820; Meyer-Camberg (Hg.), 21 der ältesten Consitutionen der Corps und ihre Vorläufer. 258 Chatauvillard, Duell-Codex; Barbasetti, Ehren-Kodex; Bolgár (Hg.), Die Regeln des Duells; Kufahl/Schmied-Kowarzik, Duellbuch; Mayer, Der Zweikampf; Rathen, Duellregeln. 259 Zur Fortführung dieser Bildtradition bis zum modernen Film Ende/Müller, En garde! Berühmte literarische Duelle finden sich etwa in Theodor Fontanes Effi Briest oder auch in den Erzählungen Arthur Schnitzlers. Siehe dazu: Wirsing, „Und es wäre zum Todschießen …“; Harpprecht, „Die Hauptsach’ ist: er ist tot und ich darf leben“. Berühmt sind schließlich die Duelle der russischen Literaten und der russischen Literatur, zu denken wäre etwa an Alexander Puschkins ‚Der Schuß‘, ‚Eugen Onegin‘ oder ‚Die Hauptmannstochter‘. Anton Tschechow verfasste sogar einen Text mit dem Titel ‚Das Duell‘ und auch Michail Jurjewitsch Lermontow befasst sich in ‚Ein Held unserer Zeit‘ mit diesem Thema. Zum Duell in der russischen Literatur Scholle, Das Duell in der russischen Literatur; zu den Duellen der Literaten und deren Bedeutung für das russische Duell Reyfman, Ritualized violence Russian style, zusammenfassend S. 262–286.
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zwang, mitunter auch nur zur Inszenierung eines Duellzwangs, steigerte. Prominentestes Beispiel ist hier zweifellos das Militär, allen voran das preußische, in dem sich dieser Duellzwang über die Ehrengerichtsverordnung von 1843 auch rechtlich niederschlug. Denn nun waren die Gerichte berechtigt, bei gravierenden Vorkommnissen ein Duell anzuordnen und die derart ‚Verurteilten‘ verpflichtet, dieses auch auszutragen.260 In anderen Regionen – etwa Bayern – setzte der Duellzwang im Militär erst mit der Übernahme entsprechender preußischer Militärgesetze in den Jahren 1870 und 1874 ein.261 Unter Studenten sorgten vor allem die Komments der Burschenschaften für die Idee, dass man sich im Fall der Fälle zu duellieren und nicht einfach wieder zu versöhnen hatte.262 Über die Burschenschaften und das Institut des Reserveoffiziers diffundierte die Idee eines Duellzwangs in die Gesellschaft hinein und erlangte hier durchaus den Status einer so zialen Norm.263 Der Umstand, dass die potentiellen Duellanten auch ganz persönlich in einen massiven Zugzwang gerieten, manifestiert sich besonders eindrücklich in Berichten über Scheinduelle. So erklärten die beiden Mecklenburger Duellanten Meders und Schmidt 1815, dass sie sich eigentlich schon versöhnt hatten, aber um kein Aufsehen zu erregen, sich dann doch „zum Schein“ duelliert hatten.264 Eine ganz ähnliche Situation schilderte 1811 der Amtswundarzt Heinrich Scharff aus Grevesmühlen bei seiner gerichtlichen Befragung. Er erklärt, dass er von dem Studenten Reinicke gebeten worden war, als Arzt einem Duell beizuwohnen, das Reinicke mit dem Studenten Nagel auszutragen gedachte. Bemerkenswerterweise ging der Wundarzt zunächst davon aus, dass es sich bei der ganzen Sache um einen Scherz handeln würde, weshalb er ohne Verbandszeug erschien. Und womöglich hatten auch die beiden Studenten nicht wirklich die Absicht gehabt, sich zu duellieren, da sich aber neben ihnen und dem Arzt noch eine beträchtliche „Anzahl Zuschauer“ versammelt hatte, war eine Versöhnung ausgeschlossen und man verständigte sich, „zum Schein einen Gang“ auszutragen, damit die Sache ausgestanden wäre.265 Um solch einen Schein zu wahren, musste 260 Gahlen, Das Duell im bayerischen Offizierskorps, S. 263; siehe auch Dieners, Zwischen Disziplinierung und Privilegierung, S. 128; zu den Duellstrafen in der Ehrengerichtsverordnung von 1843 Dieners, Das Duell und die Sonderrolle des Militärs, S. 96–98. 261 Gahlen, Das Duell im bayerischen Offizierskorps, S. 263; Dieners, Das Duell und die Sonderrolle des Militärs, S. 154–156. 262 Frevert, Ehrenmänner, S. 134–177, zum Übergang in die Welt der bürger lichen Akadenmiker bes. S. 167–177. 263 Frevert, Ehrenmänner, S. 237 u. 275. 264 LAS, 2.26-1 (Großherzogliches Kabinett I), Nr. 905. 265 LAS, 2.26-1 (Großherzogliches Kabinett I), Nr. 889.
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man natürlich in der Lage sein, ein Duell zu inszenieren. Aber vor allem spiegelt sich in den Scheinduellen das Problem der Duellanten, dass man sich nach einer öffentlich bekannt gewordenen Duellforderung ohne Ehrverlust nicht einfach wieder versöhnen konnte. Scheinduelle boten hier einen möglichen Ausweg.266 Neben solchen Scheinduellen finden sich allerdings zahlreiche ‚ernsthafte‘ Duelle, deren Verbreitung über weite Teile der alten und neuen Eliten Ute Frevert schon vor zwei Jahrzehnten eindrucksvoll beschrieben hat. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Arbeit zur Geschichte des frühneuzeit lichen Duells im Alten Reich lassen sich diese Ergebnisse Freverts nun neu rahmen. Denn gerade im Vergleich zwischen der Zeit vor und nach 1800 wird deutlich erkennbar, dass die eigentliche Hochzeit des Duells im 19. und frühen 20. Jahrhundert zu suchen ist. Allerdings weitete sich dafür nicht – wie bisher angenommen – der Kreis der satisfaktionsfähigen Gesellschaft aus, sondern eine satisfaktionsfähige Gesellschaft im eigentlichen Sinne entstand erst in dieser Zeit. Mit der Etablierung dieser satisfaktionsfähigen Gesellschaft setzte sich das Duell endgültig gegenüber anderen Formen der gewaltsamen Ehrverteidigung durch und dies gerade auch in der gesellschaftlichen Formation des Adels, im Militär und in der Studentenschaft.267 Daneben gewann das Duell einen festen Platz in der bürgerlichen Welt. Allerdings lassen sich die Duelle der bürgerlichen Akademiker vor dem Hintergrund der Handwerkerduelle kaum als Zugewinn bürgerlicher Gleichheit verbuchen! Vielmehr verengte sich im 19. Jahrhundert der Kreis der bürgerlichen Duellanten auf Akademiker, wenngleich die Quantität des Phänomens natürlich zunahm. Zugleich – und das scheint mir das Entscheidende zu sein – wandelte sich das Duell im 19. Jahrhundert nun zu jenem verabredeten, regelhaften und mit tödlichen Waffen ausgefochtenen Zweikampf, bei dem es um die Wahrung der Ehre ging.268 Bemerkenswert ist zweifellos, dass sich mit diesem regelhaften, formalisierten und weithin akzeptierten Duell zugleich ein ernstzunehmender Widerstand gegen diese Strategie des Ehrenkampfes etablierte. Der Widerstand kam dabei interessanterweise genau von jener Gruppe, gegen die die Theologen am Beginn besonders gewettert hatten. Denn es waren (vornehmlich katholische) Adlige, die sich seit dem späten 266 Darauf verweist für die die 1790er Jahre auch schon Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 209 f. 267 Zur Erweiterung des Kreises der Duellanten und der Bedeutung der Universitäten und des Instituts des Reserveoffiziers Frevert, Ehrenmänner, S. 237 u. 275; siehe auch Gahlen, Das Duell im bayerischen Offizierskorps, S. 259. 268 So die am Material des 19. Jahrhunderts gewonnene Definition bei Frevert, [Art.] Duell, Sp. 1165.
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19. Jahrhunderts vehement gegen das Duell aussprachen und sich schließlich 1902 in der Anti-Duell-Liga zusammenschlossen!269
3. Duelle zwischen Strafe und Gnade. Der Umgang mit Duellen als Ausdruck von Normenkonkurrenz Unabhängig von der territorial unterschiedlichen ‚Verfolgungsintensität‘ und den Wellen der Normsetzung lässt sich insgesamt feststellen, dass Verstöße gegen die Duellmandate in der Urteilspraxis zeitlich und räumlich übergreifend mit ausgesprochen milden Strafen belegt wurden oder die Beklagten sogar völlig straffrei blieben. Die allenthalben in der vormodernen (und modernen) Rechtspraxis anzutreffende Partialität der Normumsetzung und -anwendung270 präsentiert sich im Feld der Duellmandate und der darauf aufbauenden Strafpraxis in einer extremen Form: Hier hatte eine den normativen Vorgaben entsprechende Bestrafung absoluten Ausnahmecharakter. Verstärkt wird dieser Befund noch durch den Umstand, dass die in den Duellmandaten festgesetzten Strafen ausgesprochen drastisch waren: So drohte in den untersuchten Territorien den Duellanten die Todesstrafe, wenn sie ein Duell antraten, ein Duellgegner in der Auseinandersetzung verletzt wurde oder gar starb. Bei reinen Duellforderungen oder aber Auseinandersetzungen, bei denen keiner der Protagonisten starb, ließe sich die mildere Strafpraxis sicherlich damit erklären, dass die Gnade hier womöglich als Regulativ zu den drastischen Strafforderungen fungierte. Doch in immerhin 13 Prozent der insgesamt erhobenen 559 Verfahren starb zumindest ein Duellant im Kampf oder kurz danach an den im Duell erlittenen Verletzungen.271 Aber dennoch findet sich im Untersuchungssample lediglich ein Fall,272 in dem eine Todesstrafe offenbar nicht mehr umfassend 269 Gahlen, Das Duell im bayerischen Offizierskorps, S. 271; Schlink, Das Duell im 19. Jahrhundert, S. 20; Dowe, Auch Bildungsbürger, S. 102 f. 270 Darauf verweist zusammenfassend bereits Schilling, Gesetzgebung als Kommunikation, S. 134. 271 13 % entsprechen 71 von 559 Fällen. In 70 Auseinandersetzungen starb dabei nur eine Person, in einem Fall verstarben beide Kontrahenten an den Verletzungen, die sie sich gegenseitig im Kampf zugefügt hatten. 272 Bei einem weiteren Fall aus dem Jahr 1719 ist lediglich das von einem braunschweig-lüneburgischen Kriegsgericht gefällte Todesurteil gegen den in Mecklenburg stationierten Musketier Christian Holzen überliefert. Es bleibt aber unklar, ob dieses Urteil auch vollstreckt wurde, angesichts der sonstigen Rechtspraxis ist dies aber unwahrscheinlich. LAS, 2.12-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1638 [o. Pag.], Schreiben vom 1. Juli 1719. Die gerichtliche Konstellation erklärt sich hier daraus, dass 1719 mit Hannoveraner und Braunschweiger Truppen eine Reichsexekution gegenüber Karl Leopold Herzog zu Mecklenburg-Schwerin (*1678/1713–1728/†1747)
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III. Das Duell im Alten Reich
abgemildert wurde: Es handelt sich hierbei um den in sächsischen Diensten stehenden, bürgerlichen Korporal Matthaes Bartsch, der 1724 mit einem Sergeanten Grünewald in ein Duell geraten war, bei dem Letzterer starb. Im Kriegsgericht war Bartsch daraufhin gemäß § 40 des kursächsischen Duellmandats von 1712 die Strafe des Stranges zuerkannt worden. Zwar wurde er aufgrund „seiner in die 11 Jahr geleistete[n] gute[n] dienste“ und angesichts des Umstandes, dass er seines „Verhaltens halber von allen seinen vorgesetzten Officiers ein gutes Lob erhalten“, zum Tod durch Erschießen mit einer Arkebuse273 begnadigt, aber bei der Todesstrafe blieb es dieses eine Mal. Allerdings ist auch hier keine Urteilsvollstreckung dokumentiert, eine zweite, umfassendere Begnadigung ist also nicht gänzlich ausgeschlossen.274 Das Vorgehen gegen Bartsch war dabei so oder so ein Einzelfall, denn im Normalfall wurde eine zuerkannte Todesstrafe umgehend wieder abgemildert. Exemplarisch gezeigt werden kann dies am Beispiel des sächsischen Kadetten Ernst Abraham von Löben, der seinen Kameraden Joachim Siegmund von Gersdorf in einem Kampf bei den Altendresdner Brotbänken erstochen hatte. Im daraufhin eingeleiteten Strafverfahren war er zunächst dazu verurteilt worden, dass sein Degen zerbrochen, er durch das Schwert sterben und sein toter Körper anschließend außerhalb des Friedhofes verscharrt werden sollte. Dieses Urteil entsprach den Bestimmungen des sächsischen Duellmandats von 1712. Die angedrohte Strafe wurde jedoch mit der Begründung, Löben sei kein „vorsetzlicher, boshafter und muthwilliger mörder“, rasch gemildert. Es sollte gnadenhalber weder der Degen zerbrochen noch die Schwertstrafe vollzogen werden. Vielmehr war Löben in Haft zu belassen, „biß er bey sich ereignenden Kriegs-Occassion in einer gefährlichen Action gebrauchet, und also sein leben göttlicher Fügung überlassen werden könnte“.275 Als sich nach zwei Jahren – eine Zeitspanne, die im Kontext entsprechender Duellverfahren schon ungewöhnlich lang war – noch immer keine Gelegenheit für einen ‚lebensgefährlichen‘ militärischen durchgesetzt wurde. Ab Juni 1719 übernahm dann eine kaiserliche Kommission die Regierungsgeschäfte. Siehe dazu den Überblick in Wick, Versuche zur Errichtung des Absolutismus in Mecklenburg, S. 125–146. 273 Unklar ist, wieso die Todesstrafe mit dieser für das frühe 18. Jahrhundert bereits untypischen Schusswaffe vollstreckt werden sollte. Eigentlich war um 1700 die Bajonettflinte aufgekommen und hatte die Arkebuse verdrängt. Vgl. dazu Zenke, [Art.] Waffen, 1. Waffentechnik, Sp. 477 f. 274 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 419a–423b. 275 Die Begründung in der Strafmilderung nimmt einen Topos aus den Normen auf, in denen immer wieder gefordert wurde, dass Duellanten ihr Leben lieber dem Vaterland statt ihrer Ehre opfern sollten. So bspw. in: Kursächsisches Duellmandat 1706, Sp. 1732.
3. Duelle zwischen Strafe und Gnade135
Einsatz ergeben hatte, wurde Löben schließlich aus der Haft entlassen und gänzlich begnadigt.276 Häufig erlangte der Überlebende eines Duells aber auch sofort einen Strafdispens und dies selbst dann, wenn im Urteil die Todesstrafe zuerkannt worden war. So im Fall des Premierleutnants Caspar Rudolph von Schönberg, der den Premierleutnant Alfred Gottlieb Buben in einem Pistolenduell erschossen hatte. Schönberg war zwar im Urteil ebenfalls das Zerbrechen des Degens, der Tod durch das Schwert und die anschließende Bestattung außerhalb des Friedhofes zuerkannt worden, doch auf dieses Urteil erfolgte unmittelbar nach dem Verfahren die völlige Begnadigung.277 Diese außerordentlich umfassende Gnadenpraxis ist erklärungsbedürftig und dies umso mehr, wenn man bedenkt, dass in den Normen immer wieder aufs Neue versichert wurde, man wolle bei Duellen und Injurien, die unter das Duellmandat fielen, keine Gnadenbitten gestatten, da man prinzipiell nicht gewillt sei, Begnadigungen vorzunehmen. Schon diese Festsetzung ist für das vormoderne Strafrecht bemerkenswert, denn in den sonstigen Strafgesetzen wurde – wenn überhaupt – nur das zu frühzeitige oder unnachlässige Gnadenbitten verboten. Ein kategorischer Ausschluss von Gnadenakten findet sich als Postulat hingegen nur in den Duellmandaten.278 Dieser massive Widerspruch zwischen der betriebenen Gnadenpraxis und dem kategorischen Ausschluss von Begnadigungen reichte dabei mitunter bis in die Rechtsnormen hinein. Besonders deutlich kommt dies in einem Mecklenburg-Schweriner Generalpardon vom 27. März 1715 zum Ausdruck, der gleichzeitig mit dem neuen Duelledikt veröffentlicht wurde. Im Generalpardon ließ Herzog Carl Leopold verkünden, dass man die Absicht habe, ein „gar ernsthafftes Edictum“ im Land zu publizieren, um so die „Abstellung der in Gött- und Menschlichen Rechten verbothenen höchstrafbahre[n] Duelle“ zu erreichen. Zugleich sollten aber „aus besondern Gnaden […] insgemein alle Unsere Officirer / Vasallen und Unterthanen“, die sich vor der Publikation dieses neuen Mandates „dieses Verbrechens schuldig gemachet / hiermit gnädigst pardioniert seyn“. Und ungeachtet früherer Erfahrungen der Gleichzeitigkeit von harten Strafdrohungen und dennoch immer wieder erfolgten Begnadigungen wurde im neu erlassenen Mandat wieder 276 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 112a–125b, 147a–150a u. 219a– 227a, Zitat Bl. 112a, b. 277 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 319a–342a. 278 Mitunter gab es sogar besondere Regelungen für die Gestattung von Gnade. Vgl. dazu für den Fall des Ehebruchs Ludwig, Herz der Justitia, S. 246–250; zur Einhegung der Gnadenbitten in Strafrechtsnormen siehe etwa Rudolph, „Eine gelinde Regierungsart“, S. 271 f.; Härter, Das Aushandeln von Sanktionen und Normen, bes. S. 249–251; Schwerhoff, Das Kölner Supplikenwesen, bes. S. 485–488.
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III. Das Duell im Alten Reich
ganz prinzipiell erklärt, „daß Wir bey allen nach diesem in Unsern Landen verübenden Duellen kein Pardon ertheilen / sondern wieder die Verbrecher mit gehöriger rigeur und nach dem Jnhalt Unsers Edicti verfahren lassen wollen“. Begründet wird dies durchaus traditionell damit, dass der „intendirte Zweck“ des Mandats nicht erreicht werden könnte, wenn die darin „determinierte[n] Straffen / wieder die Verbrecher / nicht würcklich / und ohne alle zu hoffende Dispensation […] exequiret würden“.279 Mit dieser Selbstverpflichtung zum ‚gnadenlosen Durchgreifen‘ lag der Mecklenburg-Schweriner Herzog voll im Trend der Zeit, denn derartige Selbstverpflichtungen waren allgemein üblich und finden sich in sächsischen Duellmandaten280 ebenso wie in den Bestimmungen Schwedens,281 Bayerns282 oder auch Brandenburgs283. 279 Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1715, hier Bl. F a. Eine handschrift 2 liche und eine gedruckte Fassung des Generalpardons findet sich in: LAS, 2.12-2/3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1637. 280 Vgl. bspw. die Bestimmungen im kursächsischen Duellmandat von 1706, in denen es im § 51 heißt: „Als erklären wir uns hiermit bey Unsern Königl. hohen Worten, daß wir ins künfftige weder einige Duella und Selbst=Rache verstatten, noch denen, so wieder das Duell-Mandat gehandelt, die geringste Gnade oder Dispensation erweisen“. Kursächsisches Duellmandat 1706, § 51, hier Sp. 1742. Ganz Ähnliches wird im Duellmandat von 1712 behauptet. Im § 60 wurde festgesetzt, „daß Wir ins künfftige weder einige Duella verstatten, noch denen, so wieder das Duell-Mandat gehandelt, die geringste Gnade oder Dispensation erweisen“. Angesichts der Gnadenpraxis bemerkenswert ist die dafür angeführte Begründung. Denn hier heißt es, man würde diese Regelung treffen, „[d]amit aber diesem Unserm Mandat um so viel steiffer und unverbrüchlicher möge nachgegangen werden“. Kursächsisches Duellmandat 1712, § 60, hier Sp. 1803. 281 Im schwedischen Duellmandat von 1682 wurde in Art. 13 erklärt, dass sich „niemand die Gedanken machen mag, daß er womit übersehen oder verschonet werde soll, der sich hinwider verbrochen, von was Condition und Würde er auch seyn mag“. Ergänzt wurde dieser Erklärung durch das Verbot, beim König in Duellsachen entsprechende Bitten und Suppliken einzureichen. Schwedisches Duellmandat 1682, Art. 13, S. 346. 282 Z. B. Bayrisches Duellmandat 1779, Art. XV. 283 Im Brandenburger Duellmandat von 1688 wird in Art. XVI ebenfalls festgesetzt, „daß Wir hierunter mit niemanden/wer der auch seyn möchte/vmb einerley Ursach willen/wie dieselbe ersinnet/oder erdacht werden könte/Conniviren oder Nachsehen/weniger die gesetzte Straffen erlassen/noch einigen Pardon oder Gnade desfallls ertheilen Wollen“. Und auch hier wurden Intercessionen und Suppliken in Duellsachen verboten. Zudem wurden entsprechende Gnadenakte auch für Phasen erhöhter Gnadenbereitschaft – etwa die glückliche Entbindung der Kurfürstin oder die Heirat eines Prinzen bzw. einer Prinzessin – ausgeschlossen. Brandenburger Duellmandat 1688, Art. XVI, hier S. 587 f. Die genannten Ereignisse im Familienleben des Herrschers waren typische Anlässe, für Amnestien oder doch wenigstens Zeiten, in denen Gnade gewöhnlich eher gewährt wurde. Vgl. dazu Ludwig, Herz der Justitia, S. 162 f.
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Nimmt man diese Deklarationen in den Normen zum Maß, kann davon gesprochen werden, dass die Duellmandate in der Rechtspraxis nicht nur unterlaufen, sondern in einem Grad missachtet wurden, bei dem sich die Frage stellt, ob dies nicht zum Legitimitätsproblem für die normsetzenden Instanzen wurde. Und diese Gefahr wurde ganz offensichtlich bereits von den Zeitgenossen mit Sorge betrachtet. Deutlich wird dies beispielsweise an den immer wieder geführten Diskussionen zwischen den sächsischen Kurfürsten und der Dresdner Landesregierung beziehungsweise dem Geheimen Consilium. Die Regierungsbehörden mahnten dabei regelmäßig an, wenigstens unmittelbar nach dem Erlass neuer Duellmandate auf die durchgängige Strafmilderung zu verzichten. Denn, so gab das Dresdner Geheime Consilium in einem Schreiben vom 16. Juli 1695 zu bedenken, durch die stetig gewährten Begnadigungen und Abolitionen (also der Niederschlagung von Strafverfahren) würden „Autorität und Nachdruck“ der publizierten Duellmandate „nicht nur in weniger zeit, den zeither noch zieml. gehabten Effect verliehren“, sondern es sei auch zu befürchten, dass die Beklagten immer dann, wenn sie doch einmal „nach der schärfe tractirt werden sollten“, sich auf eben jene Begnadigungen berufen und die gleiche Milde fordern würden.284 Geändert hat sich in der Folge dieser Mahnung nichts. Und so beklagten die Räte der Landesregierung mit Blick auf die Geltungskraft der bestehenden Normen vier Jahre später erneut, dass „zur abschnejdung der vielfältigen und schändlichen Duelle in dero Churfürstenthum und landen zwar ein so genanntes Duellmandat verhanden, dasselbe aber durch die ungleiche Bestrafung der vbelthaeter, da einige entweder gar nicht zu gebührender Bestrafung gezogen, oder da auch gleich die im Mandat enthaltenen Strafen ihnen dictiret dennoch solche wiederum erlassen und sie pardonniret würden, in schlechter Achtung und observantz“ stehen würde.285 Derartige Klagen der Räte lassen sich bei einem Blick auf die Straf- und Gnadenpraxis leicht nachvollziehen. Insgesamt gewinnt man hier nämlich den deutlichen Eindruck, dass der ‚Wille zur Gnade‘ auf herrschaftlicher Seite offensichtlich viel wirkungsmächtiger war als der Wunsch nach Norm umsetzung.286 Wie grundsätzlich die herrschaftliche Gnadenbereitschaft bei 284 SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9993/2, Gutachten des Statthalters und des Geheimen Conisiums [o. Pag.] Das Verständnis, nach dem Gnade in vergleichbaren Fällen entsprechend erwart- und gewissermaßen auch einforderbar sei, speiste sich vornehmlich aus dem in Kursachsen seit dem 16. Jahrhundert institutionalisierten Bearbeitungsverfahren im Rahmen der landesherrlichen Gnadenpraxis, in dem entsprechend vorgegangen wurde. Vgl. dazu Ludwig, Herz der Justitia, S. 256–271. 285 SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/7 [o. Pag.], Bericht der Regierung vom 3. Juni 1699. 286 Wenngleich hier natürlich keineswegs ein absolut gesetztes Ideal völliger Normumsetzung als Gegenbild aufgebaut werden soll, da eine durchgängige Norm
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III. Das Duell im Alten Reich
Vergehen gegen die Duellmandate dabei ausfiel, wird besonders gut an einem Fall greifbar, bei dem eine Begnadigung zwar nicht opportun erschien, aber dennoch gewährt wurde und dies auf zweifellos bemerkenswerte Weise. Was war geschehen? 1708 wurde in Leipzig ein gewisser Pierre (de) Gautier inhaftiert.287 Ihm wurde vorgeworfen, sich duelliert zu haben – über den Konfliktgegner und den Verlauf der Auseinandersetzung erfährt man aus den Akten allerdings nichts Genaueres. Wieder aktenkundig ist indes das verhängte Urteil, in dem Gautier eine immerhin zwölfjährige Haftstrafe zuerkannt worden war. Wahrscheinlich wäre die Begnadigung dem Urteil unmittelbar nachgefolgt, hätte nicht zu diesem Zeitpunkt eine Interzession aus Genf die Dresdner Kanzlei erreicht.288 Darin bat der Stadtrat um die Begnadigung des offenbar von dort stammenden Gautier. Durch das Auftauchen dieser dritten Partei, die gleichsam als Beobachter hinzutrat, hatte man in Dresden aber plötzlich Bedenken, den Verurteilten wie sonst üblich zu begnadigen. Man würde zwar, so die Regierung in einer Stellungnahme gegenüber dem Landesherrn, der Bitte der Genfer „gern nachkommen“, aber man wolle doch „dem ausgegangenen Duelmandat, zu Verhütung der Consequenz, mit eclat nicht gerne Abbruch thun“.289 Ein solcher Eklat wäre aber zu befürchten, würde das Urteil einfach abgemildert werden. Erscheinen derartige Einlassungen angesichts der allgemein üblichen Gnadenpraxis zunächst wie ein Vorspann für den gewöhnlich an dieser Stelle folgenden Hinweis auf die Ausnahme von der behaupteten Regel, so blieb eine solche argumentative Wendung diesmal aus. Vielmehr sah man sich in Dresden zu einem anderen Vorgehen veranlasst. Ganz offensichtlich hatte gerade die Genfer Interzession dafür gesorgt, dass ein sang- und klangloses Ignorieren der Normen politisch nicht mehr ratsam schien, vielleicht weil man fürchtete, dass eine Begnadigung für das Ansehen Kursachsens im Ausland nachteilig wäre. Aber diese Bedenken führten auch jetzt nicht dazu, dass man auf eine Begnadigung verzichtete und die Norm exemplarisch umsetzte, vielmehr kam Gautier trotzdem in den Genuss einer Begnadigung. Allerdings plante man ihn nicht offiziell und wie sonst üblich auf einen ordentlichen, landesherrlichen Befehl hin zu begnadigen und freizulassen, sondern die sächsiumsetzung sowohl in der Frühen Neuzeit als auch in der Moderne als Fiktion gelten muss. Vgl. dazu Stolleis, Normumsetzung. 287 Es bleibt in den Akten unklar, ob es Gautier oder de Gautier heißen muss, es finden sich beide Schreibweisen. 288 Zu diesem Fall: SächsHStA Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 1404/1, Bl. 116a–119b. Zur Schweizer Garde in Sachsen May, Schweizer Söldner in Sachsen. 289 SächsHStA Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 1404/1, Bl. 117a.
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schen Behörden inszenierten stattdessen seine Flucht. Dafür sollte Gautier zunächst vom Leipziger Rat an den Gouverneur der Stadt, Generalleutnant von Neitschitz, überstellt werden. Neitschitz seinerseits bekam den Auftrag, Gautier anschließend „unter zulänglicher Wache“ nach Dresden zu bringen. Bei dieser ‚Überstellung‘ sollte Gautier dann von einer „hierzu commandierten Chevalier Guarde angenommen, und ihm Gelegenheit zu echappiren290 gegönet werden“. Damit diese ‚Übergabe in die Freiheit‘ reibungslos funktionierte, sollte Neitzschitz dem für die Flucht zuständigen Obristen Graf Lecherain noch mitteilen, wann man aus Leipzig aufbrechen würde und an welchem Ort der „gefangene zu übernehmen“ sei, damit die von Dresden dorthin „commandirte[n] sich daselbst zu rechter zeit einfinden und das anbefohlene zu wercke bringen möchten“. Dass diese im Auftrag des Landesherrn inszenierte Flucht „mit gebührender Behutsamkeit zu veranstalten“ war und Neitschitz „diese gantze Sach geheim zu halten“ hatte, versteht sich von selbst.291 Anscheinend verlief alles reibungslos, Gautier konnte fliehen und alle waren zufrieden. Bei diesem ungewöhnlichen Akt einer geheim gehaltenen, via Flucht vollzogenen Begnadigung springen zwei Punkte besonders ins Auge. Zum einen verdeutlicht dieser Fall in seiner ungewöhnlichen Ausprägung die übergreifende Beobachtung, dass ein ganz grundsätzlicher Gegensatz zwischen dem strafrechtlichen und dem strafpraktischen Umgang mit Duellanten bestand. War in den Normen eine drastische und in jedem Fall gnadenlose Sanktion gefordert, wurde in der Rechtspraxis auch noch dann eine Begnadigung möglich gemacht, wenn diese aus anderen Gründen eigentlich nicht opportun war. Zum anderen stellt sich mit diesem geheimen Gnadenakt die Frage nach der Funktion von Gnade neu. Denn mit der Geheimhaltung büßte der Gnadenakt auch seine symbolische Wirkung ein: Mit einer Flucht – von der keiner wissen durfte, dass sie inszeniert war – ließ sich weder das Bild eines gnädigen Herrschers noch eines gut funktionierenden Strafrechts zeichnen. Denn der womöglich noch mitschwingende Effekt eines zumindest vordergründig inszenierten Willens zur Umsetzung der Normen, wurde für den uneingeweihten Betrachter zweifellos durch die Unfähigkeit, einen Gefangenen von Leipzig nach Dresden zu transportieren, wieder aufgehoben. Beide Punkte lassen aber letztlich nur den Schluss zu, dass im Grunde keine Umsetzung der in den Normen festgesetzten Strafen intendiert war und damit auch keine ernsthafte Bestrafung der Duellanten, auch wenn zugleich immer wieder Duellverbote erlassen wurden. Die Duellkultur des 290 Echappieren, abgeleitet vom französischen échapper, bedeutet entweichen, flüchten. 291 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 117a.
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Alten Reiches war vielmehr – so ließe sich dieser Befund zuspitzen – durch eine doppelte Missachtung der Normen geprägt. Denn gegen die vielfältigen Duellverbote verstießen nicht nur all die Männer, die dennoch für ihre Ehre kämpften, sondern die Mandate wurden ebenso durch die Gerichte und den Landesherrn selbst hintergangen, die allen Verboten zum Trotz immer wieder Gnade vor Recht ergehen ließen. Diese doppelte Missachtung wurde dabei durch die regelmäßig wiederholten landesherrlichen Duellverbote und die darin immer wieder behauptete Verweigerung jeglicher Gnadenakte zum Paradox gesteigert. Dieser ausgesprochen irritierende Befund verlangt nach einer Erklärung. Für die allenthalben zu beobachtende, ungewöhnlich milde Straf- und Gnadenpraxis im Fall von Duellverfahren wurden in der Forschung bislang besonders zwei Begründungen angeboten: Zum einen wurde festgestellt, dass die milde Straf- und umfassende Gnadenpraxis seitens der Landesherrn genutzt wurde, um die Protagonisten der Kämpfe, bei denen es sich vor allem um Vertreter der territorialen Eliten handelte, über das Privileg einer Begnadigung an den Herrscher zu binden.292 An einer solchen Bindung waren Herrschaftsträger dann auch zweifellos interessiert. Allerdings handelte es sich bei der hier beobachteten Bindung an den Herrscher – zumindest dann, wenn man den Akt der Strafsetzung einbezieht – nicht um eine wirkliche Strategie, sondern vielmehr um einen zusätzlichen Effekt der milden Straf- und umfassenden Gnadenpraxis gegenüber Duellanten. Diesem Effekt kann dementsprechend auch keine ursächliche Bedeutung für die Entstehung des hier betrachteten Paradoxes zugewiesen werden. Denn die Strafnorm wurde ja nicht extra geschaffen oder aber gezielt erhalten, um die Eliten durch eine Abweichung von dieser Norm im Gnadenakt systematisch an die Herrscher zu binden. Hinzu kommt, dass von der milden Urteils- und umfassenden Gnadenpraxis bei entsprechenden Verfahren keineswegs nur Angehörige der Eliten profitierten. Vielmehr lässt sich eine entsprechend milde Straf- und Gnadenpraxis auch bei einschlägigen Verfahren gegen Handwerker oder einfache Soldaten beobachten.293 Schließlich setzt das Fehlen exemplarischer Einzelbestrafungen im untersuchten Sample diesem Erklärungsansatz deutliche Grenzen. Denn wenn Gnade in Duellsachen immer und für jeden zu erwarten war, konnte sie nicht zugleich den Charakter eines besonderen Vorrechts und Privilegs für bestimmte Gruppen besitzen. Zum anderen wurde darauf verwiesen, dass der Herrscher und sein administrativer Apparat im Grunde selbst den duellaffinen Gruppen angehörten argumentiert bspw. Frevert, Ehrenmänner, S. 65 u. 67 f. den einfachen Soldaten siehe Kap. IV. 1. und zu den Handwerkern siehe Kap. IV. 3. in dieser Arbeit. 292 So
293 Zu
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und daher nicht entschieden genug an einer Normumsetzung interessiert waren.294 Dieses Deutungsangebot nivelliert allerdings nicht nur die durchaus bestehenden Differenzen innerhalb der hier als entscheidend angesehenen Großgruppen des Adels und der Offiziere, sondern zugleich wird ausgeblendet, dass die Duellmandate ja durchaus mit Wissen und Willen der Landesherren und ihrer oberen Behörden erlassen wurden und mit dem Erlass von Normen immer auch eine repräsentative Wirkungsabsicht verknüpft war.295 Eine geradezu grenzenlose Bereitschaft zur Gnade konterkarierte diese Wirkungsabsicht aber deutlich. Da Landesherr und administrativer Apparat damit sowohl Normsetzer als auch entscheidende Garanten für die Gnadenpraxis waren, werden mit diesem Erklärungsansatz zumindest Teilbereiche des beobachteten Paradoxes ausgeblendet. Zugleich bleibt die fortgesetzt scharfe Normsetzung gerade vor dem Hintergrund erklärungsbedürftig, dass die meisten Duellanten zu den Eliten des Landes gehörten: Aus dem sozial herausgehobenen Status der großen Mehrheit der Duellanten hätte nämlich durchaus ein rechtlicher Sonderstatus abgeleitet werden können – wie dies in anderen Bereichen des Rechts (etwa bei der weitgehenden Befreiung von der Folter als Befragungsinstrument oder der ständisch differenten Strafzumessung)296 auch üblich war. Das Beispiel der schwedischen Duellmandate, die ausschließlich für Adlige, Offiziere und obere Beamte der Krone galten, zeigt zudem, dass trotz dieses herausgehobenen recht lichen Status dennoch rigide Strafandrohungen festgesetzt wurden. Im Fall des Duells lässt sich damit davon sprechen, dass es im Recht zwar als Sonderdelikt konzeptualisiert wurde, doch dies nicht zu einer im positiven Sinne privilegierten rechtlichen Situation für die Duellanten und entsprechend milden Strafnormen führte, sondern dazu, dass das Duell und die sonst in den Duellmandaten sanktionierten Vergehen mit überdurchschnittlich harten Strafen versehen wurden. Insgesamt zeigt sich, dass mit beiden Deutungsansätzen das eingangs beschriebene Paradox letztlich nicht hinlänglich erklärt werden kann. Als problematisch erweist sich dabei vor allem, dass in beiden Fällen für eine Erklärung einseitig bei der Gnade angesetzt wird. Ausgeblendet bleibt hingegen die anhaltende Gleichzeitigkeit von drastischen Strafdrohungen einerseits und extrem milder Bestrafungs- und Gnadenpraxis andererseits. Damit soll keineswegs in Frage gestellt werden, dass der Gnadenpraxis eine verpflichtende Wirkung zugewiesen werden kann beziehungsweise dass sich die Landesherren und ihre leitenden Beamten als Teil des Adels begriffen darauf etwa bei Speitkamp, Ohrfeige, S. 138 f. Gesetzgebung als Kommunikation. 296 Wie oben bereits erwähnt spricht Wieland hier davon, dass die Einbindung des Adels in das Rechtssystem in Form einer privilegierten Integration erfolgte. Wieland, Legitimität. 294 Verweise
295 Schilling,
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und tendenziell einem ähnlichen Ehrenkodex verpflichtet fühlten wie die Duellanten. Doch es verbietet sich, diesen Beobachtungen eine ursächliche Wirkung für das Paradox zwischen Strafnorm und Strafpraxis zuzuweisen. Zugleich ist es wenig sinnvoll, die milde Sanktions- und umfassende Gnadenpraxis vorschnell und (ab)wertend nur als defizitäre Normumsetzung beziehungsweise Normdurchsetzung zu etikettieren. Denn damit können weder die gegenüber anderen Strafnormen ungewöhnlich scharfen Sank tionsdrohungen erklärt werden, noch die normativ festgeschriebene Gnadenverweigerung. Beide Elemente müssen aber, so meine These, als gezielte Maßnahmen im Prozess der (immer wieder erneut erfolgenden) Normsetzung angesehen werden, und dies obwohl den beteiligten Protagonisten und Institutionen der Normproduktion bekannt war, dass diese Festsetzungen in der Urteils- und Gnadenpraxis immer und immer wieder unterlaufen wurden. Erst wenn man den stets aufs Neue durch die Rechtssetzung und die Gnadenpraxis befeuerten Widerspruch als Befund begreift und zum Ausgangspunkt der Betrachtung macht, wird erkennbar, dass sich darin eine grundsätzliche Konkurrenz zwischen rechtlichen und lebensweltlich-sozialen Normen spiegelt, die in ihrer Divergenz sogar in die rechtlichen Normen eingeschrieben war.297 Die lebensweltlich-soziale Norm der situativ erwarteten, selbstverantwortlichen Ehrverteidigung (eben weil die Ehre ein so wertvolles Gut war) und die rechtliche Norm, in der genau diese lebensweltlich-soziale Norm als Normbruch und Angriff auf das herrschaftliche Gewaltmonopol oder doch wenigstens den herrschaftlichen Zuständigkeitsanspruch bei Ehrkonflikten deklariert wurde, standen sich dabei unversöhnlich gegenüber: Denn die Befolgung der einen Norm war immer zugleich der Bruch der anderen Norm. Diese Normenkonkurrenz behinderte – so die zentrale These der nachstehenden Überlegungen – eine Umsetzung der Normen ebenso wie sie eine Anpassung der Gesetzgebung an die Sanktionierungspraxis blockierte. Was dies genau bedeutet, wird im Folgenden näher zu erläutern sein. Zunächst ist dafür zu klären, was konzeptionell unter Normenkonkurrenz zu verstehen ist. Anschließend gilt es, die im Fall des Duells zu beobachtende Normenkonkurrenz näher zu untersuchen. 297 Das Konzept der Normenkonkurrenz geht im Wesentlichen auf Popitz, Soziale Normen, u. a. S. 97–101 zurück. Verstärkt in die aktuelle Diskussion eingebracht hat dieses Konzept v. a. Hillard von Thiessen. Vgl. etwa Thiessen, Korrupte Gesandte; Thiessen, Das Sterbebett als normative Schwelle; zusf. jetzt: Thiessen, Normenkonkurrenz. Instruktiv für diesen Themenkomplex ist ebenso die konzeptionelle Perspektive auf Pluralisierungen des Münchner Sonderforschungsbereichs 573 „Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit“. Vgl. dazu etwa Müller, Vorwort. Gleiches gilt für die Diskussionen um Werte- und Deutungskonflikte im Kontext des Münsteraner SFB 496. Vgl. dazu bes. Stollberg-Rilinger, Einleitung.
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a) Zum Konzept der Normenkonkurrenz Unter Normenkonkurrenz ist ganz allgemein die gleichzeitige Wirksamkeit verschiedener Normen oder Normsysteme zu verstehen, die auf einander widersprechende Verhaltenserwartungen aufbauen. Die Normenkonkurrenz hat dabei als Unterkategorie oder als eine mögliche Erscheinungsform von Normenpluralität zu gelten. Unter Normenpluralität soll dabei die gleichzeitige Existenz verschiedener, gleichermaßen relevanter Normen für die Mitglieder einer Gesellschaft, Gemeinschaft oder Gruppe begriffen werden.298 Diese Normen müssen dabei keineswegs zwingend einen einander widersprechenden Charakter besitzen, vielmehr können sie auch ohne erkennbare Wechselwirkung nebeneinander bestehen, einander über- und untergeordnet sein oder sich gegenseitig bestärken, aber sie sind jeweils mit einem umfassenden Wahrheits- und Gültigkeitsanspruch ausgestattet.299 Der zugrunde gelegte Normbegriff reicht dabei über den Bereich des Rechtes hinaus. Vielmehr werden Normen ausgehend von den Überlegungen von Heinrich Popitz als „das Basalfaktum der sozialen Existenz des Menschen“ begriffen.300 Soziale Normen will Popitz dabei als ein Verhalten verstanden wissen, das vier Kennzeichen aufweist: Es ist ein Verhalten, das man als (1) zukünftiges Verhalten erwarten kann; das (2) bestimmten Verhaltensregelmäßigkeiten entspricht; es ist (3) ein gesolltes, gewünschtes Verhalten und schließlich (4) ein Verhalten, das mit einem Sanktionsrisiko bei Abweichungen verbunden ist.301 Rechtliche Normen bilden angesichts dieses weiten Verständnisses also einen spezifischen Typus sozialer Normen.302 Hinsichtlich des zuletzt genannten Kennzeichens hat Popitz zudem darauf verwiesen, dass die Sanktionen im Falle einer Abweichung von der Norm keineswegs immer umgesetzt werden müssen. Aber eine Bestrafung sollte prinzipiell denkbar sein und sich im Feld des Möglichen bewegen. 298 Es geht hier um Formen der Vergesellschaftung. Vergesellschaftung wird hierbei verstanden als Prozess, bei dem „mehrere Menschen ihr Verhalten irgendwann aneinander zu orientieren beginnen“, wobei „die Orientierung sukzessive intensiver und umfassender wird“. Popitz, Soziale Normen, S. 76. Zum Konzept der normativen Partikularisierung Popitz, Die Normative Konstruktion von Gesellschaft, S. 72 f. 299 Im Grunde lassen sich unter dem Dach der Normenpluralität Phänomene beobachten, die zwischen den Polen der Normenkonkurrenz und der Normeninterferenz (i. S. einer wechselseitigen Bekräftigung und Bestärkung von Normen) angesiedelt sind. 300 Pohlmann, Heinrich Popitz, S. 31. 301 Popitz, Soziale Normen, S. 85. 302 Von Rechtsnormen spricht Popitz dann, wenn im Falle der Normübertretung die alleinige Sanktionsgewalt bei einer Zentralinstanz liegt, die sich aus einer allgemeinen, ursprünglich sanktionsberechtigten Gruppenöffentlichkeit herausgebildet hat. Popitz, Soziale Normen, S. 70.
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Ein Verhalten erwarten und dessen Ausbleiben sanktionieren kann dabei – sieht man von Formen der Selbstbestrafung ab – entweder die unmittelbar vom Normbruch betroffene Person, eine bestimmte Gruppenöffentlichkeit oder aber deren Vertreter, der im Fall eines Normbruchs als Sanktionsberechtigter auftritt.303 Hillard von Thiessen hat jüngst vorgeschlagen, für die frühneuzeitlichen Gesellschaften Europas idealtypisch zwischen drei Normsystemen zu unterscheiden, die sich meines Erachtens am klarsten von ihren Sanktionsinstanzen im Falle eines Normbruchs aus unterscheiden lassen: Zum einen ist dies die lebensweltlich-soziale Sphäre304 mit dem (mehr oder weniger weit zu fassenden) sozialen Umfeld beziehungsweise der jeweils relevanten Eigengruppe als Sanktionsinstanz.305 Als solche Eigengruppen sind verschiedene gesellschaftliche Teilformationen zu begreifen, die sich etwa anhand der Kategorien Stand, berufliche Position oder Geschlecht formierten. Im Fall des hier interessierenden Duells spielten zum Beispiel das Offizierskorps oder aber lokale Adelsnetzwerke eine entscheidende Rolle als Gruppenöffentlichkeit beziehungsweise Eigengruppen, der in der Regel alle Parteien in einem Konflikt angehörten. Als zweiten Bereich grenzt Thiessen religiöse Normsysteme, mit den entsprechenden kirchlichen Sanktionsinstanzen, ab.306 Als dritte Sphäre unterscheidet Thiessen schließlich ein gemeinwohlorientiertes Normsystem, das in erster Linie als weltlich-herrschaftliches Normsystem zu begreifen ist. Hier wären die jeweiligen Herrschaftsträger beziehungsweise besondere Institutionen – etwa Gerichte oder auch die Landesregierung –, die im Auftrag der sie hervorbringenden und zugleich legitimierenden herrschaftlichen Gewalten agierten, die Sanktionsinstanzen.307 Duellmandate als 303 Zur Typisierung der Sanktionssubjekte Popitz, Soziale Normen, S. 69 f.; Popitz, Die normative Konstruktion von Gesellschaft, S. 52–57. 304 Hillard von Thiessen spricht von „sozialen Normen“, was aber angesichts der als Überbegriff konzeptualisierten Fassung von sozialen Normen bei Popitz irreführend ist. Thiessen, Das Sterbebett als normative Schwelle, S. 636 (hier sogar mit Verweis auf Popitz, Soziale Normen, S. 69 f.). Inzwischen verwendet Thiessen auch die Bezeichnung „Handlungserwartungen des sozialen Umfelds“, bleibt aber dennoch bei der Bezeichnung „soziales Normsystem“ (im Unterschied zum religiösen und gemeinwohlorientieren Normsystem) als Bezeichnung für einen Teilbereich, unter dem er dann all jene Handlungserwartungen versteht, „die sich aus dem unmittelbaren sozialen Zusammenleben ergeben“. Thiessen, Normenkonkurrenz, S. 241 u. 261. 305 Popitz, Die normative Konstruktion von Gesellschaft, S. 53. 306 Dies ist bezogen auf das christliche Alteuropa zu verstehen, in anderen Religionskulturen treten an die Stelle der Kirchen entsprechend andere Institutionen. 307 Thiessen, Das Sterbebett als normative Schwelle, S. 636 f. Als vierter Bereich ließe sich – mit zeitlich zunehmender Relevanz – noch das ökonomische Normsystem abgrenzen, wobei hier die Sanktionsinstanz weniger gut greifbar wird und sich
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Rechtsnormen308 und auch Begnadigungen als Einzelakte der herrschaftlichen Entscheidungspraxis lassen sich diesem zuletzt genannten Bereich zuordnen.309 Eine klare analytische Trennung zwischen den drei Normsystemen ist ohne Frage idealtypisch, aber ausgesprochen hilfreich, um Paradoxa, die bei der Untersuchung konkreter kultureller Phänomene – wie etwa dem Duell – anzutreffen sind, als Überlagerungen verschiedener Normsysteme erfassen zu können.310 Phänomene der Normenkonkurrenz waren dabei davon gekennzeichnet, dass die konkurrierenden Werte oder Normen diametral entgegengesetzt waren: Die Einhaltung der einen Norm war also zugleich der Bruch der anderen.311 Dies ist recht unproblematisch, solange die konträren Normen nicht zeitgleich aktualisiert werden. Im Fall einer zeitgleichen Aktualisierung entsteht allerdings ein Dilemma, das nicht ohne Weiteres gelöst werden kann. Für die pluralen, aber eben nicht pluralisierten Normsysteme312 der etwas abstrakt als ‚Markt‘ fassen ließe. Vgl. dazu einl. Elmer/Reith, Märkte im vorindustriellen Europa; siehe exemplarisch auch Beck, Lemonihändler. 308 Wobei hier keineswegs unterschlagen werden soll, dass die Sphäre des Rechts in der Frühen Neuzeit durch einen bemerkenswerten Rechtsquellenpluralismus gekennzeichnet war, d. h. neben relativ aktuell erlassenen Mandaten finden sich wohl zu jedem Deliktfeld juristische Schriften, in denen ein bunter Strauß von Belegen aus dem gemeinen Recht und partikularen Rechten, Zitaten aus der Bibel und Belegen aus älteren juristischen Traktaten zusammengestellt war. Diese Vielfalt insgesamt wurde als geltendes Recht betrachtet, wobei den einzelnen Rechtssätzen keine absolute, sondern nur eine relative Autorität zukam. Dazu Duve, Sonderrecht in der Frühen Neuzeit, S. 37. 309 Popitz unterscheidet hingegen basaler zwischen Sitten- und Rechtsnorm. Popitz, Die normative Konstruktion von Gesellschaft, S. 31–34. 310 Normenkonkurrenzen konnten dabei nicht nur zwischen Normsystemen auftreten, vielmehr finden sie sich genauso zwischen einzelnen Normen innerhalb eines Normsystems, wenngleich sich in dieser Konkurrenz mitunter zugleich verschiedene Normsysteme spiegeln. So war etwa in den Kursächsischen Konstitutionen von 1572 festgesetzt worden, dass sich die Trunkenheit eines Täters bei der Tat strafverschärfend auswirken sollte. In den geheimen Zusatzbestimmungen zu den Konstitutionen wurde den kursächsischen Urteilsgremien dann allerdings per Mandat mitgeteilt, dass sie für die Urteilspraxis im Gegensatz zu den Festsetzungen in den Konstitutionen dennoch eine mildere Strafe verhängen sollten, wenn ein Täter während der Tat stark alkoholisiert gewesen wäre. Das moralisch-erzieherische Argument der Verwerflichkeit starken Alkoholkonsums stand hier gegen die rechtliche Kategorie der eingeschränkten Zurechnungsfähigkeit. Diese Normenkonkurrenz wurde indes durch die Geheimhaltung der Zusatzbestimmung abgeschwächt. Dazu Ludwig, Herz der Justitia, S. 86 f. 311 Stollberg-Rilinger, Einleitung, S. 16 u. 18. 312 Mit Pluralisierung ist die Vervielfältigung relevanter Repräsentationen von Wirklichkeit gemeint, die als Teilwirklichkeiten zwar miteinander konkurrieren, sich aber wechselseitig in dieser Konkurrenz zugleich wahrnehmen. Dies wirkt sich auch auf die Verbindlichkeit und Reichweite von Normen aus. Denn diese können ange-
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Vormoderne kommt hinzu, dass die Überzeugung einer „grundsätzlich harmonischen, nicht disponiblen Ordnung der Welt“ dominierte. Damit waren die „Reflexionsmöglichkeiten über konkurrierende Wertesysteme“ (oder auch Normsysteme) beschränkt und der Weg aus dem Dilemma verstellt.313 Dies führte in der Tendenz dazu, dass man nicht nur die gleichzeitige Aktualisierung verschiedener Normen zu unterbinden suchte, sondern dass man, wenn sich dies doch nicht vermeiden ließ, eher nach punktuellen als nach langfristigen Lösungen suchte.314 Parallel zu diesen Strategien im Umgang mit der ‚gelebten‘ Normenkonkurrenz wurde aber innerhalb der verschiedenen Normsysteme weiterhin ein auf das jeweilige Teil-System beschränktes, harmonisches Ordnungsideal formuliert und absolut gesetzt. Beide Aspekte – also die punktuellen Lösungen zum Erhalt des Status quo und die trotz bestehender Normenpluralität dennoch singulär konzeptualisierten Normsphären – führten gemeinsam dazu, dass die bestehende Normenkonkurrenz konserviert und auf Dauer gestellt wurde. Für das Duell lassen sich zwei Bereiche einer übergreifenden Normenkonkurrenz unterscheiden, die beide zentral sind, um die festgestellten Widersprüchlichkeiten im gesellschaftlichen Umgang mit dem Duell zu erklären. Der Umstand, dass sich Duelle als Form des eigenmächtigen Austrags von Konflikten trotz der frühzeitig erlassenen und ausgesprochen drastischen Sanktionsdrohungen durchzusetzen vermochten und bis in die Moderne von anhaltender Bedeutung blieben, ist Ausdruck einer Normenkonkurrenz auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene, nämlich einer Konkurrenz zwischen lebensweltlich-sozialen und rechtlichen als Form der gemeinwohlorientierten Normen. Allerdings lässt sich die nachsichtige Straf- und Gnadenpraxis eben nicht nur als Konkurrenz zwischen diesen beiden Normsphären auf einer gesamtgesellschaftlichen Ebene greifen. Vielmehr ist die milde Strafund Gnadenpraxis zugleich Ausdruck einer Verlagerung dieser Normenkonkurrenz in das rechtliche Normsystem hinein. sichts der Wahrnehmung miteinander konkurrierender Repräsentationen von Wirklichkeit keinen absoluten Geltungsanspruch mehr entfalten. Wenn hingegen von Normenpluralität gesprochen wird, dann bestehen zwar verschiedene Normen gleichzeitig. Diese sind aber jeweils mit einem absoluten Geltungsanspruch ausgestattet. Vgl. zum Konzept der Pluralisierung übergreifend die Beiträge in Müller u. a., Pluralisierungen. Mit Blick auf das Recht besonders Schröder, ‚Pluralisierung‘ als Deutungskonzept. 313 Stollberg-Rilinger, Einleitung, S. 16. 314 Diese Logik hat Barbara Stollberg-Rilinger für Konflikte auf dem Reichstag klar herausgearbeitet. Stollberg-Rilinger, Des Kaisers alte Kleider. Aber diese Taktik der Zwischenlösungen, mit denen sich zugleich der Status quo erhalten ließ, war in fast allen Bereichen vormoderner Gesellschaften antreffen. Für den Umgang mit religiösen Konflikten siehe bspw. Deubel, Umgang mit religiöser Abweichung; systematisch auch Kästner/Schwerhoff, Religiöse Devianz.
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b) Das Duell als Ausdruck der Gleichzeitigkeit einer lebensweltlich-sozialen Normerfüllung und eines rechtlichen Normbruchs Die erste und augenfälligste Ausprägung der Normenkonkurrenz im Fall von Duellen und Beleidigungen bestand zwischen gemeinwohlorientierten Normen – hier konkret Rechtsnormen, die innerhalb der (Gesamt-)Gesellschaft Gültigkeit beanspruchten – und lebensweltlich-sozialen Normen, die in den Gruppen bedeutsam waren, denen die Ehrenkämpfer angehörten.315 Grundsätzlich wurde zwar seit den ersten Duellmandaten im frühen 17. Jahrhundert den Ehrenkämpfern mit Leib- und Lebensstrafen gedroht, doch jenseits dieser Mandate sah man eigenmächtig unternommene Maßnahmen zum persönlichen Ehrenschutz im Allgemeinen und damit auch Duelle im Besonderen als legitim an. Duelle wurden daher von den jeweils relevanten Gruppenöffentlichkeiten wie auch von den im konkreten Fall beleidigten Parteien durchaus als situativ notwendige, zumindest aber sinnvolle Reaktionsmöglichkeit im Ehrenkampf angesehen. Neben dem Duell bestand natürlich eine breite Palette anderer verbaler, gestischer und tätlicher Reaktionsoptionen. Für den hier betrachteten Zusammenhang ist dabei wichtig, dass das Ausbleiben einer unmittelbaren Reaktion des Beleidigten von Seiten der Eigengruppe als fehlende Bereitschaft, die eigene Ehre zu schützen, ausgelegt und damit als Normbruch (im Sinne einer Missachtung des gruppenspezifischen Ehrenkodexes) wahrgenommen und bestraft werden konnte. Bei derartigen Sanktionierungen durch die Eigengruppe handelte es sich in erster Linie um verschiedene Formen der sozialen Ausgrenzung und Ächtung, durch die die Zugehörigkeit zur Eigengruppe in Frage gestellt wurde und die mitunter sogar zum Ausschluss aus eben dieser Gruppe führen konnten. Dabei ist festzustellen, dass entsprechende Sanktionen der Eigengruppe in den Quellen nur ausgesprochen selten greifbar werden. Besser dokumentiert sind hingegen Erklärungen, in denen mit der Furcht vor Ausgrenzungen aus der Gruppe die eigene Reaktion legitimiert werden sollte.316 Ausgehend von diesen Überlegungen kann festgestellt werden, dass die Duellmandate damit im Unterschied zu anderen Feldern des Strafrechts einem besonders großen gesellschaftlichen Akzeptanzdefizit ausgesetzt waren. Denn im Unterschied zu Duellen verstießen andere strafrechtlich relevante Vergehen, wie etwa Ehebruch, Diebstahl oder Mord, nicht nur gegen strafrechtliche, sondern auch gegen lebensweltlich-soziale Normen. Entsprechen315 Darauf verweist einen Kommentar zum Entwurf des Allgemeinen Landrechts zitierend bereits Frevert, Ehrenmänner, S. 66 f. Allerdings wird dieser Argumentationsstrang nicht vertieft. 316 Vgl. exemplarisch dazu die weiter unten präsentierte Fallschilderung.
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de Verhaltensweisen waren daher nicht nur rechtlich verboten, sondern zugleich sozial geächtet. Dies bedeutete – wie ein Blick in die Gerichtsakten überdeutlich zeigt – keineswegs, dass nicht einzelne Personen die Ehe brachen, fremde Güter stahlen oder einen anderen Menschen töteten. Sie wurden dafür womöglich auch vergleichsweise milde bestraft und zumeist wurden sie nach einem solchen Normbruch von ihrem Umfeld auch wieder in die Gemeinschaft aufgenommen beziehungsweise nie daraus verdrängt.317 Aber im Unterschied zum Duell bestand beim Ehebruch, Diebstahl oder Mord zugleich ein gesellschaftlicher Konsens dahingehend, dass es sich prinzipiell um ein sanktionswürdiges Vergehen handelte. Es kann also ausgeschlossen werden, dass eine Person für den begangenen Ehebruch, Mord oder Diebstahl von ihrem weiteren sozialen Umfeld und zumeist auch der jeweils relevanten Eigengruppe besonders geschätzt wurde.318 Das bedeutet aber, dass in diesen Deliktfeldern im Unterschied zu Duellen beziehungsweise allgemeiner zu unerlaubten Formen der gewaltsamen Ehrverteidigung keine Normenkonkurrenz, sondern eine wechselseitige Bestärkung und damit eine Normeninterferenz zwischen rechtlichen und lebensweltlich-sozialen Normen bestand. Die jeweiligen Gründe, die zum Ehebruch, Diebstahl oder Totschlag und damit zum Normbruch geführt hatten, besaßen also nicht den Charakter einer lebensweltlich-sozialen Norm.319 Und dies fand auch einen entsprechenden Niederschlag in den Stellungnahmen und Suppliken, die im Rahmen einschlägiger Gerichtsverfahren verfasst wurden: Denn hier dominierte mit Blick auf das Vergehen Reue und die Einsicht, einen Fehler gemacht zu haben.320 Im Unterschied dazu betonten die Duellanten in ihren Darstellungen vor Gericht, dass ihr Verhalten unumgänglich, ja angemessen gewesen sei und Schwerhoff, Historische Kriminalitätsforschung, S. 93 f. u. 124 f. lag die Sache, wenn etwa im Fall von Räuberbanden oder Wildereinetzwerken ebendiese die relevante Eigengruppe bildeten. In diesem Fall ist natürlich eine Akzeptanz des sanktionierten Verhaltens durch die Eigengruppe zu erwarten. 319 Nur unter besonderen Umständen konnte dies aufgeweicht werden. Zu denken ist etwa an das ‚Vergehen‘ des Lebensmitteldiebstahls während einer langanhaltenden Hungersnot, was nicht nur lebensweltlich-sozial eher toleriert wurde, sondern sich auch in entsprechenden Sonderregeln („Stehlen in rechter Hungersnot“) in den Strafrechtsnormen niederschlug. Siehe etwa Carolina Art. CLXVI „Stelen inn rechter hungers nott“: „ITem so jemandt durch recht hungers not/die er/sein weib oder kinder leiden/etwas von essenden dingen zuo stelen geursacht würde/wo dann der selb diebstall tapffer groß vnd kündtlich wer/sollen abermals richter vnd vrtheyler (als obsteht) radts pflegen. Ob aber der selbigen dieb einer vnsträfflich erlassen würd/soll jm doch der kläger vmb die klag/deßhalb gethan nichts schuldig sein.“ Zur Bedeutung derartiger strafrechtlicher Regelungen Dorn, „Not kennt kein Gebot“. 320 Zu den Argumentationsweisen in Suppliken Ludwig, Herz der Justitia, S. 182– 205. 317 Dazu
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sie damit im Grunde nur den Erwartungen ihres Umfeldes entsprochen hätten. Was dies konkret heißt, vermag am besten ein Beispiel zu verdeutlichen. Zurückgegriffen wird hierbei auf das weiter oben bereits im Zusammenhang mit den beachtlichen Strafmilderungen erwähnte Duell zwischen dem Premierleutnant Caspar Rudolph von Schönberg und dem Premierleutnant Alfred Gottlieb Buben, das am 12. April 1736 ausgetragen worden war. Beide standen in polnisch-sächsischen Diensten, verhandelt wurde also in Dresden.321 Vorausgegangen war dem Duell etwa ein Jahr zuvor eine in den Akten nicht eigens spezifizierte Beleidigung Bubens durch Schönberg (erster Rechtsbruch), auf die Buben bereits nicht – wie eigentlich im kursächsischen Duellmandat von 1712 gefordert – mit einer gerichtlichen Anzeige, sondern mit einer per Post zugestellten Duellforderung regierte (zweiter Rechtsbruch). Schönberg nahm die Duellforderung an (dritter Rechtsbruch) und reiste daraufhin von Dresden nach Bautzen, wo sich das Regiment Bubens zunächst noch aufgehalten hatte. Allerdings verpassten sie sich dort, da das Regiment inzwischen schon in Richtung Rhein marschiert war.322 Man verabredete daher per Post, sich bei der Rückkehr Bubens zum Kampf zu treffen (vierter Rechtsbruch). Obwohl bis zu dieser Rückkehr noch mehrere Monate vergingen, zeigte keiner der beiden oder aber ein Mitwisser den Vorgang an (fünfter Rechtsbruch). Als Buben schließlich wieder nach Kursachsen zurückgekehrt war, reiste Schönberg erneut nach Bautzen, um seinen Widersacher dort zu treffen. Und inzwischen dürfte er sogar persönlich stärker als zuvor an einem Duell interessiert gewesen sein, da Buben – wie Schönberg zu Ohren gekommen war – wegen des verpassten Duells im Jahr zuvor „schimpfliche“ Nachreden (sechster Rechtsbruch) über ihn verbreitet haben soll. Der genaue Inhalt dieser schimpflichen Nachreden wird in den Akten nicht wiedergegeben, anzunehmen ist allerdings, dass Schönberg unterstellt wurde, seinerzeit absichtlich nicht rechtzeitig in Bautzen eingetroffen zu sein. Beim erneuten Zusammentreffen vereinbarten beide wiederum ein Duell auf Pistolen, diesmal für den 13. April 1736 (siebenter Rechtsbruch). Allerdings fand der Kampf dann doch einen Tag früher als geplant statt, da Buben Schönberg bereits in der Nacht zuvor, als dieser ausgegangen war, überfallen und mit einem Degen attackiert hatte (achter Rechtsbruch). Offenbar holte man daraufhin sofort die Pistolen und im nun folgenden Schusswechsel (neunter Rechtsbruch) wurde Buben von einer Kugel getroffen und verstarb kurz darauf. Im Rahmen dieses Konfliktes hatten beide mehrfach gegen die Bestimmungen des Duellmandats verstoßen. Als Offiziere in polnisch-sächsischen Diensten hätten sie daher nach den strafrechtlichen Bestimmungen sowohl 321 SächsHStA 322 Dort
Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 319a–342a. fanden entscheidende Kämpfe des Polnischen Erbfolgekrieges statt.
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für die ausgestoßenen Injurien, die Duellforderung, die Annahme dieser Forderung, die zweimalige Verabredung eines Duells, das Erscheinen zum verabredeten Treffen und schließlich für den (doch eher spontan) ausgetragenen Kampf bestraft werden müssen. Hinzu kam, dass die lange Zeitspanne, über die sich die Ereignisse erstreckten, durchaus die Möglichkeit zum Einlenken oder zur Besinnung auf die rechtlichen Normen geboten hätte, eine Möglichkeit, von der beide Kontrahenten keinen Gebrauch gemacht hatten. Daher ließ sich durchaus von einem Vorsatz zur Tat sprechen. Auf diesen mehrfachen Normbruch wurde dann auch im Urteil der Wittenberger Juristenfakultät verwiesen. Zugleich wurde im Urteil betont, dass Schönberg (dessen Bestrafung gerichtlich verhandelt wurde) als Offizier das Duellmandat auch gekannt und damit der Obrigkeit vorsätzlich in ihr ‚Racheschwert‘ gegriffen habe. Das Gericht erklärte dann auch, dass Schönberg formal nach § 40 des Duellmandats mit dem Zerbrechen des Degens, dem Tod durch das Schwert und einer anschließenden unehrenhaften Bestattung bestraft werden müsse.323 Schönberg hielt dagegen, dass er gar nicht anders hätte handeln können, und begründete vor Gericht sein Verhalten nun folgendermaßen: Er hätte wegen des nächtlichen Überfalls und der schimpflichen Nachrede „billig eine dem Kriegs-Gebrauch gemäße satisfaction durch ein Duell zu suchen sich genöthigt gesehen, anderergestalt er […] ein abscheu aller ehrlichen Leuthe werden und zum schändlichsten Spectacul des Regiments und seiner gantzen Familie in der Welt herumb gehen müssen, auch nicht des schlechtesten dienstes bey der Armee ferner würdig gewesen seyn würde“.324 Geschildert wird hier also eine Verhaltenserwartung des Regiments-Offizierskorps und der Familie, einer Ehrverletzung dieser Schwere im Kampf zu begegnen. Es ist gut möglich, dass diese Verhaltenserwartungen und die im Fall der Fälle zu erwartenden Sanktionen (Ausschluss aus den Gruppen durch offene Verachtung und Schmälerung der beruflichen Chancen) vorgeschoben waren, aber sie war in jedem Fall glaubwürdig. Andernfalls hätte Schönberg vor Gericht gar nicht in der beschriebenen Weise argumentieren können. Doch dieser versuchte sein normwidriges Verhalten gerade nicht zu entschuldigen, etwa mit dem Verweis auf Unwissenheit, situativen Übermut oder überschwellenden Zorn, sondern erklärte, das Duell wäre ganz gezielt und damit vorsätzlich geschehen, weil seine Ehre andernfalls in ernsthafter Gefahr gewesen sei. Argumentiert wurde dabei auf eine Weise, die deutlich macht, dass gerade weil Korps und Familie von der Auseinandersetzung mit Buben Kenntnis hatten, Schönberg offenbar eine gerichtliche Klage unmöglich und zugleich ein Duell unumgänglich schien. 323 SächsHStA 324 SächsHStA
330a.
Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 319a–342a, hier Bl. 337a, b. Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 319a–342a, hier Bl. 329b u.
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Natürlich gilt es zu bedenken, dass die gerichtliche Aussage Schönbergs immer auch als Nachrationalisierung des Geschehenen zu deuten ist und als Versuch, einer Bestrafung zu entgehen.325 Aber dies ändert nichts an dem grundsätzlichen Befund, dass der Verweis auf eine lebensweltlich-soziale Norm, nach der er geradezu zum Duell verpflichtet gewesen sei, als Erklärung offenbar genutzt werden konnte. Und damit hatte Schönberg dann auch Erfolg, denn nach all diesen Erklärungen wurde er schließlich vollständig begnadigt. Diese im Austrag von Ehrenkämpfen trotz einschlägiger Verbote erkennbare Normenkonkurrenz zwischen rechtlichen und lebensweltlich-sozialen Normen verweist allerdings zunächst einmal nur auf eine große gesellschaftliche Akzeptanz von gewaltsamen Formen der Ehrverteidigung. Eine Erklärung für die außergewöhnlich nachsichtige und milde Straf- und Gnadenpraxis bieten diese Beobachtungen noch nicht. Von entscheidender Bedeutung für die Straf- und Gnadenpraxis war vielmehr der Umstand, dass die rechtlichen Bestimmungen in sich nicht widerspruchsfrei waren. Denn die in gesamtgesellschaftlicher Perspektive erkennbare Normenkonkurrenz hatte sich auch in die Duellmandate eingeschrieben. Hier ließe sich in Abgrenzung zu der zuerst genannten gesamtgesellschaftlichen von einer innerrechtlichen Ebene der Normenkonkurrenz sprechen. c) Duellmandate als Resultat innerrechtlicher Normenkonkurrenz Zwei Felder innerrechtlicher Normenkonkurrenz lassen sich dabei in den Duellmandaten unterscheiden. Zunächst erwies sich die rechtliche Gestaltung des Ehrenschutzes als ein grundsätzliches Problem, denn genau genommen beruhten die hier angewandten rechtlichen Regelungen auf der großen Bedeutung der lebensweltlich-sozialen Norm der unmittelbaren Ehrverteidigung. Dementsprechend wurde auch im Recht der hohe Status der Ehre als Rechtsgut damit erklärt, dass ein Angriff auf die Ehre wie ein Angriff auf Leib und Leben zu bewerten sei. Das heißt aber, die strafrechtlichen Bestimmungen in den Duellmandaten leiteten zumindest in Teilen ihre Legitimität aus dem lebensweltlich-sozialen Normverständnis in Sachen Ehrenschutz ab, dessen Austrag sie zugleich unterbinden wollten. Zugleich überlagerten sich in den Duellmandaten verschiedene Rechtsziele: In ihnen wurde nämlich einerseits der Anspruch auf ein herrschaftliches Gewaltmonopol formuliert und mit dem Verweis auf die nur so 325 Siehe zu dieser spezifischen Sprechsituation vor Gericht Ludwig, Von Scherzen und Duellen.
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mögliche Wahrung der öffentlichen Ordnung und des sozialen Friedens begründet. Andererseits versuchte man, die persönliche Ehre als schützenswertes Rechtsgut adäquat zu ihrer grundlegenden Bedeutung in der Gesellschaft rechtlich zu erfassen und angemessene, rechtliche Formen des Ehrenschutzes in die Normen zu integrieren. Beide Ziele konnten allerdings nicht widerspruchsfrei zueinander formuliert werden. Dies führte dazu, dass in den Duellmandaten eine Normenkonkurrenz zwischen dem angestrebten herrschaftlichen Gewaltmonopol auf der einen und der Bedeutung persönlicher Ehre und dem damit verknüpften Anspruch eines situativ adäquaten Ehrenschutzes auf der anderen Seite fest- und fortgeschrieben wurde. Beide Felder der innerrechtlichen Normenkonkurrenz waren dabei miteinander verschränkt und können auch analytisch nicht gänzlich von einander geschieden werden. Im Folgenden werden sie daher auch gemeinsam betrachtet. Wie bedeutsam das Ideal der unmittelbaren Ehrverteidigung für die Bestimmung der Ehre als schützenswertes Rechtsgut war, zeigt sich eindrucksvoll darin, dass die lebensweltliche Akzeptanz der Selbstrache in älteren Strafgesetzen noch ein rechtliches Pendant besaß. In den strafrechtlichen Bestimmungen und strafrechtlichen Kommentaren findet sich bis in das 16. und frühe 17. Jahrhundert hinein die Ansicht festgehalten, dass eine gewaltsame Reaktion auf schwere (womöglich auch nur verbale) Beleidigungen als Form der Notwehr anzusehen war.326 Begründet wurde dies in den Rechtstexten ganz selbstverständlich damit, dass Ehre und Leben gleichwertige Güter seien und eine Verletzung der Ehre dementsprechend mit einem körperlichen Angriff gleichgesetzt werden müsse. Ganz in diesem Sinne wurde etwa in den Kursächsischen Konstitutionen von 1572 festgestellt, dass „ehrbare Leute allewege das Leben und die Ehre gleich geachtet und die Verletzung oder die Verleumdung an Ehren höher und beschwerlicher denn Leibesbeschädigung gehalten“ hätten.327 Dieses Verständnis eines Notwehrrechts in Ehrensachen hatte aber zur Folge, dass gewalttätige Reaktionen auf injuriöse Angriffe rechtlich entschuldbar waren und milder bestraft werden konnten. So wurde in den bereits genannten Kursächsischen Konstitutionen beispielsweise eine Strafmilderung bei jenen Tötungsfällen festgeschrieben, bei denen der Beklagte zuvor mit provozierenden, ehrenrührigen Worten zum Kampf gefordert worden war. Dem in der Auseinandersetzung getöteten Beleidiger (Provokant) wurde hier also eine Mitschuld an der Tat zugewiesen. Daraus leitet man ab, dass der dergestalt Provozierte nicht mit der ordentlichen Strafe der 326 Siehe
dazu den Überblick bei Löhnig, [Art.] Notwehr, Sp. 255. Konstitutionen 1572, Teil 4, Art. XLII.
327 Kursächsische
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Totschläger, sondern den genaueren Umständen angemessen mit Landesverweisung oder einer noch milderen Strafe zu belegen war.328 Dieser Sichtweise schloss sich noch Benedikt Carpzov in seiner 1635 erstmals erschienenen Practica nova Imperialis Saxonica an.329 Für den Fall der gewaltsamen Ehrverteidigung folgt daraus, dass die lebensweltlich-soziale Norm der eigenmächtigen Ehrverteidigung zunächst und vor den Duellmandaten (in denen dann anders argumentiert wurde) zumindest in der grundsätzlichen Tendenz strafrechtlich als relevant für eine mildere Bestrafung und damit in gewisser Weise auch als legitim anerkannt wurde.330 Im Zuge der Ausbildung eines landesherrlichen Anspruchs auf das Gewaltmonopol ergab sich jedoch eine sukzessive Erweiterung des herrschaftlichen Zuständigkeitsanspruchs und damit verbunden eine Verdrängung des Rechts auf Selbstschutz in Ehrkonflikten aus den Strafnormen.331 Dass dies 328 „Würde sichs aber zutragen, daß der, so durch Ehrenverletzliche Wort gefordert, den Provocanten entleibete, So soll er, in Erwegung derer Personen Umstände, mit ordentlicher Straffe der Todschläger nicht belegt, sondern willkührlich, als mit Landes-Verweisung, und dergleichen gestrafft werden.“ Kursächsische Konstitutionen 1572, Teil 4, Art. X. 329 Zwar betont Carpzov, dass der durch ehrenrührige Worte zum Kampf Herausgeforderte sich lieber nicht auf einen Kampf einlassen und besser vor Gericht gegen den Provozierenden vorgehen solle. Aber wenn sich der Beleidigte vom Zorn erregt doch auf einen Kampf einließe und seinen Kontrahenten in diesem tötete, dann sei er eben kein Totschläger und daher auch nur mit einer zeitlichen Verweisung, einer Geld- oder Gefängnisstrafe zu bestrafen. Carpzov, Practica nova, Pars I, qu. 29, 73–75. 330 Diese Spiegelung in den strafrechtlichen Normen beruhte ihrerseits auf einer schriftlichen Fixierung zunächst mündlich tradierter Gewohnheitsrechte, die durchaus stark von lebensweltlich-sozialen Normen beeinflusst waren. Zu diesen Übergängen siehe auch Simon, Geltung, hier bes. S. 103–105 u. 112–115. 331 Diese Entwicklung von der rechtlichen Einbindung bestimmter Formen des Selbstschutzes hin zu einem prinzipiellen herrschaftlichen Zuständigkeitsanspruch war dabei keineswegs auf den Bereich eines eigenmächtigen Ehrenschutzes beschränkt. Ganz generell verschwanden im Laufe des 16. Jahrhunderts im Bereich des Strafrechts nach und nach Formen privater Konfliktregulierungen: Dies zeigt sich beispielsweise im reichsweiten Verbot der Fehde im ‚Ewigen Landfrieden‘ von 1495. Ganz ähnliches findet sich auf territorialer Ebene mit der angestoßenen Verdrängung von Sühneverträgen und dem damit verknüpften Instrument der ‚Schadensersatzzahlung‘ (Wergeld) im Fall von Totschlagsdelikten. Aber auch im strafrechtlichen Umgang mit dem Ehebruch lässt sich feststellen, dass dessen ehrverletzende Bedeutungsebene zunehmend in den Hintergrund trat: War der Ehemann zunächst noch entschuldigt, wenn er im Falle einer Entdeckung des Ehebruchs in flagranti seine Frau und/oder deren Liebhaber angesichts der mit dem Ehebruch für ihn verknüpften Schmach quasi im Affekt selbst richtete und tötete, wurde ihm dieses im Laufe des 16. Jahrhunderts sukzessive verwehrt und schließlich gänzlich untersagt. Am Ende dieser Entwicklung hatte ein derart agierender Gatte dann selbst mit einer strafrechtlichen Verfolgung zu rechnen, die Sanktionierung des Ehebruchs
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anfangs noch erklärungsbedürftig war, zeigt eines der frühen Duellmandate. So sah man sich im Edict wider das Ausfordern, Rauffen, Balgen und Kugelnwechseln, welches im Namen Herzog Augusts II. von BraunschweigLüneburg 1646 erlassen wurde, offenbar noch genötigt zu betonen, dass das ausgesprochene Verbot und die damit verknüpften Strafandrohungen auch wirklich Rechtens seien. Ganz in diesem Sinne sei es eine gänzlich „irrigige Opinion“, dass man den, der sich weigerte einer Aufforderung zum Kampf zu folgen, nicht mehr für einen „ehrliche[n] hertzhaffte[n]“, sondern stattdessen für einen allen Ehren „unwerte[n], blöde[n] und verzagte[n] Mann“ hielte. Denn bei derartigen Kämpfen handele es sich eben nicht um einen „löblichen ritterlichen“ und durch „langwierigen Gebrauch eingeführten und bestätigten Defensions-Actu“, sondern um ein verbotenes und sündhaftes Verhalten, das auch entsprechend bestraft werden müsse.332 Hier zeigt sich deutlich, dass mit den Duellmandaten im Fall der eigenmächtigen Verteidigung der angegriffenen Ehre der Gleichklang von lebensweltlich-sozialer und rechtlicher Norm aus den rechtlichen Bestimmungen verschwand. Stattdessen wurde in ihnen nun vehement Stellung gegen die lebensweltlich-soziale Norm einer in bestimmten Situationen als notwendig und berechtigt verstandenen, gewaltsamen Ehrverteidigung bezogen. Damit wurde auf dem Feld der Ehrenkämpfe dem vormals wirkmächtigen Prinzip der privaten Sühne ein herrschaftlicher Zuständigkeitsanspruch entgegengestellt. Aus der Perspektive des herrschaftlich beanspruchten Gewaltmonopols ist ein solches Vorgehen zweifellos vollkommen folgerichtig. Denn in dieser Perspektive handelte es sich bei Duellen, wie bei allen anderen gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikten beziehungsweise Gewalthandlungen, in erster Linie um Störungen des sozialen Friedens und der öffentlichen Ordnung. Selbstrache im individuellen ‚Vergeltungsakt‘ verstieß dabei gegen den landesherrlichen Anspruch, im Auftrag Gottes und der Gesellschaft für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Ganz in diesem Sinne wurde in den Duellmandaten dann auch betont, dass die Duellanten mit ihrem Handeln in das von Gott allein dem Landesherrn übergebene ‚Racheschwert‘ griffen. Dieser Hinweis auf den göttlichen Auftrag an den Landesherrn als obersten Gerichtsherrn verwies dabei auf die grundsätzliche Verpflichtung, Ehrkonflikte rechtlich und damit friedlich und unter herrschaftlicher Ägide zu regeln. In dieser Perspektive wurde aus der Selbstrache als unmittelbare Konfliktlösungsstrategie also eine Störung der öffentlichen Ordnung und stand nun nur noch den jeweils zuständigen Gerichten zu. Zur rückläufigen Bedeutung von Sühneverträgen im 16. Jahrhundert und der Verdrängung der Selbstjustiz bei Ehebruch Ludwig, Herz der Justitia, S. 85 f. 332 Duellmandat Braunschweig-Lüneburg-Wolffenbüttel 1646, S. 1138.
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damit aus einem Handlungsmuster zwischen den Ehrenkämpfern ein gesamt gesellschaftliches Problem.333 Das allgemein gültige und gesellschaftlich auch erwartete Reaktionsmuster auf derartige Störungen der Ordnung waren herrschaftliche Verbote. Das Ausbleiben von einschlägigen Sanktionsmaßnahmen wäre, da das Ordnungsproblem allgemein bekannt war, in jedem Fall als Zeichen defizitärer Herrschaft ausgelegt worden.334 In dieser Perspektive erweisen sich die Duellmandate daher als absolut notwendige und erwartbare Maßnahmen herrschaftlicher Repräsentation und als „Medium der obrigkeitlichen Selbstdarstellung“.335 Dieser herrschaftliche Zuständigkeitsanspruch war freilich zunächst und vor allem Ausdruck eines politischen Denkens der Zeit und eben nicht Zeugnis eines gesellschaftlichen Konsenses.336 Dementsprechend blieb die lebensweltlich-soziale Norm eines situativ gerechtfertigten, eigenmächtigen Ehrenschutzes parallel dazu ausgesprochen wirkmächtig und dies nicht nur in der Duellpraxis, sondern sogar – wenn auch nur als absolute Ausnahme – in der Normsetzung selbst. So wurde etwa im preußischen Duellmandat von 1713 für die Gruppe der Offiziere erklärt, dass diese zumindest dann nicht als Duellanten gelten und damit auch nicht nach dem Duellmandat bestraft werden sollten, „[w]ann sie […] von andern Frembden […] aus übermäßigem Kitzel und Muthwillen ausser Unserm Königreich und Landen an ihren ehren touchiret / angegriffen / und also mit ihnen in Duell gerathen sollten“.337 Auch hier verweist freilich die ausgesprochen voraussetzungsvolle Form der Duellerlaubnis (in der Fremde durch Fremde angegriffen), dass der herrschaftliche Anspruch auf das Gewaltmonopol im Land gewahrt bleiben sollte.338 Aber zugleich zeigt dieses Mandat eindrucksvoll, dass im Kontext 333 Diese Argumentation taucht nicht nur in den Duellmandaten auf, sondern wurde auch in den lutherischen Bußpredigten vertreten. Vgl. dazu Kap. III. 1. in dieser Arbeit. Später findet sich dieses Argument dann auch in den Antiduellschriften der Aufklärer, die im Laufe des 18. Jahrhunderts die Theologen als Mahner in Sachen Duell nach und nach ablösen sollten. Siehe den Überblick bei Frevert, Ehrenmänner, S. 39–41. 334 Dazu Schilling, Gesetzgebung als Kommunikation, S. 41; Stolleis, Was bedeutet „Normdurchsetzung“. 335 So Miloš Vec: „Der Publikationsakt der Norm war vielmehr ein Medium der obrigkeitlichen Selbstdarstellung, in der diese zeigen konnte, daß sie der ihr obliegenden Aufgabe der Ordnungsstiftung nachkam und ihre Autorität manifestieren konnte.“ Vec, Hofordnungen, S. 55. 336 Zum Wandel des politischen Denkens Simon, Geltung, S. 102 f. 337 Preußisches Duellmandat 1713, Art. III (Bl. A a–b). 4 338 Auf die außerordentlich hohe Akzeptanz des Duells im Offizierskorps seitens der preußischen Monarchen wurde in der Literatur bereits verschiedentlich verwiesen. Vgl. exemplarisch Müller, Schauspiele der Gewalt, S. 14 f.
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rechtlicher Regelungen durchaus Gestaltungsräume für das Verständnis des Duells als notwendiger Form des Ehrenschutzes bestanden. In eine ähnliche Richtung weist dann um 1800 die Einrichtung von Ehrengerichten, die ja im Einzelfall auch den Austrag von Duellen anordnen konnten und damit die rechtliche Legitimation eines privaten Ehrenschutzes lieferten.339 Aber auch wenn legitime Formen der Selbstrache im Großen und Ganzen zugunsten der Inszenierung eines herrschaftlichen Gewaltmonopols aus den Duellmandaten verschwunden waren, so ließen sich das herrschaftliche Gewaltmonopol und eine effektive Friedenssicherung rechtlich nur sinnvoll begründen, wenn man in den Mandaten das Verbot eigenmächtiger Selbstrache durch Maßnahmen zum Schutz der Ehre als Rechtsgut flankierte. Denn der Rechtsweg konnte nach zeitgenössischem Verständnis letztlich nur dann als eine adäquate Alternative zur Selbstrache präsentiert werden, wenn für den Provozierten und an seiner Ehre Verletzen eine echte Chance bestand, die verletzte Ehre im Rahmen einer gerichtlichen Satisfaktion wirkungsvoll wiederherzustellen. Der Schutz des Rechtsguts Ehre erwies sich dabei als ausgesprochen diffizil: Grundsätzlich bestand das rechtstheoretische Verständnis, dass die Ehre ein vergeltungsfähiges Rechtsgut sei und damit ein Angriff auf die Ehre als rechtliche Normverletzung durch eine angemessene, das Unrecht wieder aufhebende Strafe negiert werden könne.340 Bis hierhin war die Sache allen klar und weitgehend unkompliziert. Als problematisch erwies sich allerdings, dass der Maßstab für diese rechtliche Vergeltung aus der lebensweltlich-sozialen Norm übernommen wurde: D. h., basal für den rechtlichen Umgang mit Ehrverletzungen war erneut jene Gleichsetzung von Ehre und Leben, die als Kernelement des eigenmächtigen Ehrenschutzes zu gelten hat. Mit Blick auf die Bedeutung und den Stellenwert der Ehre berief man sich also sowohl in rechtlichen also auch in lebensweltlich-sozialen Normen darauf, dass die Ehre so kostbar war wie das Leben. Rechtlich auf eine Ebene mit schweren Gewaltakten gestellt, wurden Ehrverletzungen in den Duellmandaten dann – wenig überraschend – auch mit entsprechend drastischen Strafen belegt. Denn mit ein paar Talern Strafgeld konnte ein derart kostbares Gut wie die Ehre kaum angemessen gesühnt werden. Das in den Duellmandaten verankerte Strafspektrum für Injurien umfasste dabei neben beachtlichen Haft- und Geldstrafen auch Formen der öffentlichen Abbitte. Um dies zu verdeutlichen, sei exemplarisch auf die entsprechenden Bestimmungen im kursächsischen Duellmandat von 1706 verwie339 Zu den Ehrengerichten: Frevert, Ehrenmänner, S. 105–119; Gahlen, Das Duell im bayerischen Offizierskorps, S. 262–266. 340 Zu diesem rechtskonzeptionellen Ansatz siehe Reuss, Zivilcourage als Strafzweck, S. 9 f.
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sen. Hier wurde für den Fall eines Konfliktes zwischen zwei Adligen, Offizieren oder diesen im Status gleichrangigen Personen festgelegt, dass der Injuriant bei (einfachen) Verbalinjurien, höhnischen Gesten und Worten neben einer sechswöchigen Haftstrafe eine öffentliche Abbitte leisten sollte, in der er erklärte: „Ich N. N. bekenne hiermit, daß ich mit meinen unbedachtsamen und straffbaren Worten N. N. gröblich beleidiget; Wie ich nun zu Anhörung gleichmäßiger Injurien mich ihm billig darstelle; Als bitte zugleich, mein unverantwortliches Beginnen mir zu verzeihen, und weiln er, dergleichen mir anzuthun aus Generosität unterlassen, so will mich schuldigst dafür bedancket, und dahin erkläret haben, daß ich, wann ich an seiner Stelle gewesen wäre, mich williglich mit gleichmäßiger Satisfaction begnügen lassen wolte“.341
Deutlich erkennbar wird in dieser Abbitte das aus den lebensweltlichen Kontexten vertraute Schema von Beleidigung und Gegenbeleidigung als allgemein akzeptiertes Grundmuster einer ‚angemessenen‘ Reaktion auf ehrenrührige Attacken.342 Allerdings findet sich zugleich eine wichtige Einschränkung, nämlich die, dass der Beleidigte auf seine im Grunde berechtigte Replik verzichtete. Dieser Verzicht war offenbar riskant und nicht allgemein akzeptiert, denn der Verzicht auf eine vergeltende Reaktion wird in der Abbitte nicht nur eigens als großmütiger Akt lobend erwähnt, sondern der zu bestrafende Beleidiger musste seinerseits versichern, dass er diesen Verzicht auf eine Gegenbeleidigung auch für sich selbst akzeptiert hätte, wenn er denn beleidigt worden wäre. Betrachtet man diese Abbitte, so fällt zudem auf, dass hier konzeptionell von der Situation einer einseitigen Attacke ausgegangen wurde. Dieses idealtypische Konstrukt einer einseitigen Beleidigungssituation dürfte allerdings in der ‚Beleidigungspraxis‘ kaum anzutreffen gewesen sein beziehungsweise als Deutungsmuster für eine Situation kaum parteienübergreifende Zustimmung gefunden haben. Vielmehr wussten zumeist beide Seiten von injuriösen Aktionen des Anderen zu berichten, die einen selbst (mehr oder weniger) überraschend getroffen hatten. Die Ursprünge von Ehrkonflikten blieben dementsprechend häufig diffus. Die schematisch-idealtypische Konstruktion der Straftatbestände in den Normen und die entsprechend einseitig zugewiesenen Sanktionen standen damit aber in einem deutlichen Widerspruch zur Streitpraxis. Dieser Widerspruch nahm mit der Schwere der zu ahndenden Injurien immer weiter zu. Denn waren die Injurien grober Natur, sollte sich der Injuriant während der Abbitte zusätzlich „selbst Lügen straffen, oder gar auffs Maul schlagen“ (§ 2). Im Fall, dass sich eine derartige Auseinandersetzung im Haus des Beleidigten zugetragen hatte, wurde die Strafe weiter ge341 Kursächsisches 342 Siehe
Duellmandat 1706, hier Sp. 1734. dazu ausführlicher Kap. V. 1. in dieser Arbeit.
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III. Das Duell im Alten Reich
schärft: Nun sollte die öffentliche Abbitte auf Knien erfolgen, hinzu kam ein Jahr Haft. Handelte es sich um schwere Injurien, wurde die Haftstrafe auf zwei Jahre erhöht, wobei diese gegebenenfalls auch eine Zeit lang bei Wasser und Brot erfolgen konnte (§ 7). Wurde ein tätlicher Angriff angedroht (aber nicht vollzogen), hatte die Abbitte nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich zu erfolgen, hinzu kamen bis zu drei Jahre Haft (§ 8). Im Fall, dass wirklich karbatscht (also gepeitscht), geschlagen oder gestoßen wurde, konnten neben der knienden Abbitte bis zu vier Jahre Haft verhängt werden (§ 10).343 Insgesamt verweist dieses Konzept für den rechtlichen Umgang mit Injurien darauf, dass sich rechtliche und lebensweltlich-soziale Normen gerade nicht mit Blick auf die Anerkennung der Bedeutung der Ehre und der Notwendigkeit einer entsprechend deutlichen Vergeltung im Falle einer Ehrverletzung auseinander entwickelten. Vielmehr zielten sowohl die Mandate als auch die private Selbstrache mit den ihnen jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln auf den Schutz der Ehre. So wie man in lebensweltlichen Kontexten Ehrverletzungen mit entsprechend harschen verbalen oder tätlichen Repliken begegnete und dabei für die Ehre notfalls sein Leben riskierte, versuchte man in den Rechtsnormen über abgestufte, besonders harsche Sanktionen für Ehrverletzungen den hohen gesellschaftlichen Status der Ehre als schützenswertes Rechtsgut zu unterstreichen. Aus dieser Sanktionslogik für Injurien ergab sich dabei im Zusammenspiel mit der intendierten Gewaltmonopolisierung ein unauflösliches Dilemma. Denn wenn das zu schützende Rechtsgut so bedeutungsvoll war, wie dies die angedrohten Strafen markierten, hätte dies dem herkömmlichen Rechtsverständnis entsprechend eine strafmildernde Wirkung bei eigenmächtigen Schutzmaßnahmen zur Folge haben müssen. Entsprechende rechtliche Bestimmungen finden sich dann für den Fall der Notwehr bei tätlichen Angriffen oder bei gewalttätigen Schutzmaßnahmen des Eigentums im Falle eines Raubes oder Einbruchs.344 Doch aus dieser Logik brachen die Duellmandate nun aus. Denn der eigenmächtige Schutz der Ehre wirkte sich trotz der grundsätzlich anerkannten Bedeutung des Rechtsguts Ehre gerade nicht strafmildernd, sondern gewissermaßen strafverschärfend aus. Deutlich greifbar wird dies bei einem vergleichenden Blick auf das Strafspektrum in den Duellmandaten und in anderen Strafnormen, in denen, abgesehen vom Fall der vorsätzlichen Tötung, keine Todesstrafen drohten. 343 Kursächsisches Duellmandat 1706, hier Sp. 1734 f. Die hier skizzierte Sanktionslogik ist prinzipiell nicht neu, aber sie fällt deutlich drastischer aus, und es fehlt – das ist entscheidend – der sonst integrierte Notwehrgedanke bzw. die Idee einer strafmildernden Wirkung für den Fall, dass man von der eigenen Wut übermannt werden konnte und eigenmächtig zurückschlug. 344 Siehe dazu den Überblick bei Schaffstein, Die allgemeinen Lehren vom Verbrechen, S. 86 f.
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Indem man in den Duellmandaten den Beleidigten kategorisch jegliche Berechtigung zur eigenmächtigen Ehrverteidigung versagte, sprach man zugleich der Ehrverletzung die situative Brisanz ab, die eine eigenmächtige Reaktion erklärbar gemacht hätte: War die Ehre nur verletzt (aber noch nicht eigenmächtig verteidigt), galt sie als ein besonders kostbares und schützenswertes Rechtsgut. Doch dies änderte sich sofort, wenn der Beleidigte dieses Rechtsgut eigenmächtig verteidigte. Denn nun war das Rechtsgut Ehre gerade nicht so wichtig, als dass dessen Verteidigung rechtlich zugelassen werden konnte. Diesem Dilemma versuchte man von herrschaftlicher Seite über eine weitere Differenzierung und Verschärfung der recht lichen Sanktionierung von Ehrverletzungen zu begegnen. Dieses Vorgehen folgte der idealtypischen Logik, dass man mit entsprechend drastischen Abschreckungsmaßnahmen Beleidigungen von Anfang an verhindern könne. Am grundsätzlichen Problem der Normenkonkurrenz änderte die Erhöhung des angedrohten Strafmaßes allerdings wenig, vielmehr spitzte man das Problem nur noch weiter zu. Insgesamt hatte der alternativ angebotene, gerichtliche Ehrenschutz damit den Effekt, dass mit dem Austrag eines Duells (und im Grunde auch schon mit einer Duellforderung) immer eine doppelte Übertretung der Norm verknüpft war. Denn Duelle waren nun immer mehr als nur ein eigenmächtig und gewaltsam ausgetragener Ehrkonflikt, bei dem die Gerichte umgangen wurden. Im Falle des Duells wurde vielmehr normativ ‚mitgedacht‘, dass die Tat zugleich Ergebnis und Ausdruck der Ignoranz der landesherrlichen Justiz sei, da die Streitenden die bestehenden und in den Normen explizit genannten rechtlichen Mittel der Konfliktbeilegung ja gerade ungenutzt ließen. Diese Ignoranz wurde aber als Zeichen der Anmaßung gegenüber dem Landesherrn als obersten Gerichtsherrn ausgelegt, da sich die Streitenden mit ihrem Handeln über die diesem zustehende Gerichtsgewalt stellten, eine Gerichtsgewalt, die immer auch als Ausdruck landesherrschaftlicher Macht gedeutet und verstanden wurde. Aus dem Duell war auf diese Weise in der normativen Logik der Mandate ein symbolisch hoch aufgeladener Angriff auf den Herrscher geworden. Infolgedessen wurde das Duell in den Normen dann auch als crimen laesae maiestatis345 konzeptualisiert. Dieser Aspekt unterschied das Duell grundsätzlich von jeder ‚einfachen‘ Schlägerei, aber auch von Mord und Totschlag – sieht man einmal von Attentaten auf den Herrscher ab. Aus einer persönlichen Auseinandersetzung wurde über das Verständnis des Duells als Majestätsbeleidigung somit formalrechtlich ein Angriff auf den Herrschaftsanspruch des Landesherrn und darüber konnte man schon aus 345 Zum rechtlichen Verständnis dieses Deliktes im 17. und 18. Jahrhundert siehe u. a. Härter/Graaf, Vom Majestätsverbrechen zum Terrorismus.
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III. Das Duell im Alten Reich
Gründen herrschaftlicher Symbolpolitik nicht einfach hinweggehen. Aus dieser Perspektive erscheint es geradezu zwangsläufig, dass der herrschaftliche Zuständigkeitsanspruch in den Normen entsprechend deutlich formuliert wurde. Und wie ließ sich in der Logik der Rechtssetzung die notwendige Deutlichkeit besser demonstrieren, als in der Form harter Sanktionsdrohungen gegen Duelle? Mit den harten Strafbestimmungen in Injurien sachen war hierfür aber bereits ein Mindestmaß in der Sanktionspalette vorgegeben, hinter dem die normativ festgesetzten Sanktionen für angebotene und vollzogene Duelle als entsprechend höhere Eskalationsstufe nicht zurückbleiben konnten. Wenn aber bereits im Fall schwerer Verbalinjurien mehrjährige Haftstrafen drohten, blieb für den Fall ausgetragener Duelle kaum noch Gestaltungsspielraum bis zur Todesstrafe. Vor dem Hintergrund all dieser Logiken und Zwänge in der Normsetzung wird aber insgesamt erkennbar, dass die Duellmandate ganz grundsätzlich auf eine symbolische Wirkung zielten beziehungsweise als Ergebnis einer strafrechtlichen Symbolpolitik verstanden werden müssen, die offensichtlich ohne ein Pendant in der Strafrechtspraxis auskommen konnte und auch musste. Und im Ergebnis dieser innerrechtlichen Ausprägung der Normenkonkurrenz erweist sich die zuvor betrachtete Konkurrenz zwischen rechtlichen und lebensweltlich-sozialen Normen zugleich als stark (symbol-)politisch aufgeladen. Denn einerseits lässt sich eine durchaus gesamtgesellschaftlich getragene und in gewisser Weise abstrakt-politische Idee erkennen, dass sich Herrschaft beweise, indem sie Gewalt monopolisiere oder doch wenigstens den Anspruch darauf erhob. Folglich musste Herrschaft – so die daraus abgeleitete Handlungsnorm – auf Duelle als Störungen des sozialen Friedens und der öffentlichen Ordnung strafend reagieren. Mit dem Auftrag der Friedenssicherung und dem Anspruch auf ein Gewaltmonopol verknüpft war zudem die Verpflichtung, das Rechtsgut der Ehre über entsprechende Strafandrohungen vor Angriffen zu schützen. Dem stand andererseits die unmittelbar erfahrbare Innenperspektive der verschiedenen Eigengruppen der potentiellen Duellanten gegenüber. Aus dieser Perspektive waren und blieben Ehrverletzungen allen Normsetzungen zum Trotz zuallererst Akte einer tendenziell heiklen, situativen Exklusion des Beleidigten aus der Gemeinschaft beziehungsweise den jeweils relevanten Eigengruppen. Einer solchen Exklusion durch beleidigende Handlungen galt es aber möglichst sofort und am Besten in Gegenwart der Anderen zu begegnen. Notwendig war dies, weil sich auf diesem Weg an die situative Exklusion schnell eine erneute Inklusion anschließen ließ. Aufschub – etwa in Form einer Vertagung des Streits auf eine später anzusetzende rechtliche Regulierung – war hingegen sozial riskant und bedeutete, dass man eine länger anhaltende Infragestellung der Position in der Gruppe beziehungsweise sogar die Infragestellung der Zugehörigkeit zur Gruppe in Kauf nahm.
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Aus der Perspektive der Gruppe und des Geschmähten lässt sich also eine nahezu zwingende Logik ‚unmittelbarer Vergeltung‘ ausmachen, die den Status einer lebensweltlich-sozialen Norm mit hoher Verbindlichkeit besaß. Die anhaltende Existenz dieser Normenkonkurrenzen war der normsetzenden Seite dabei durchaus bewusst. Darauf verweisen der Verzicht der Mecklenburger Landesherren, das 1618 diskutierte Duellmandat angesichts der befürchteten Umsetzungsprobleme überhaupt zu erlassen ebenso wie die Bitten der Dresdner Regierung, doch wenigstens unmittelbar nach dem Normerlass die Gnadenpraxis ein wenig zu beschränken.346 Gebracht haben diese Selbsteinschränkungen und Bitten bekanntlich nichts. Zugleich wird in den Gerichtsakten aber auch greifbar, dass lebensweltlich-soziale und rechtliche Norm als gänzlich konträre Positionen letztlich die meiste Zeit unverbunden nebeneinander herlaufen konnten. Bei der Aktenlektüre entsteht sogar der deutliche Eindruck, dass das im Grunde bekannte Dilemma zwischen einer scharfen Sanktionsdrohung und einer einzigartig milden Sanktions- und Gnadenpraxis im Kontext der Normentstehung zumeist recht erfolgreich ausgeblendet wurde. So wurde wenigstens innerhalb der herrschaftlich-administrativen Sphäre die Fiktion eines ernst gemeinten Strafanspruchs aufrechterhalten. Und dies auch dann, wenn man in der Rechtspraxis notgedrungen immer wieder auf lebensweltliche Positionen traf, die diese Fiktion kontrastierten und denen mit dem endgültigen Entscheid in der Sache – der eben in Gestalt der Begnadigung und nicht der Bestrafung erfolgte – tatsächlich auch nicht widersprochen wurde. Dass trotz der allumfassenden Gnadenpraxis die Idee eines grundsätz lichen Strafanspruchs auf Seiten der gerichtlichen Instanzen bis zum Ende des hier untersuchten Zeitraums bestehen blieb, zeigt ein Mecklenburger Beispiel, konkret ein auf den 21. April 1795 datierter Bericht des Direktors der Schweriner Justizkanzlei August Christian Fromm, den er gemeinsam mit seinen Kollegen Johann Jacob Prehn und Friedrich von Oertzen verfasst hatte. Darin berichten sie über ein Gnadengesuch, das in einem laufenden 346 Argumentiert wurde dabei einerseits damit, dass man so Präzedenzfälle schaffen würde, auf die andere Duellanten dann verweisen und ebenfalls eine Begnadigung fordern könnten. Dies gab das Dresdner Hofratskollegium etwa in einem Fall aus dem Jahre 1712 zu bedenken. Duelliert hatten sich hier zwei Bedienstete des Grafen von Solms zu Baruth und zwar dessen Koch und Martin Sickel, einer seiner Schützen. Hinzu kam aus Sicht des Hofrats, dass das Duellmandat gerade erlassen worden war. Eine Begnadigung verhinderte dies freilich nicht. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/2, Bl. 23a–27a u. 37a. In einem Fall zwei Jahre später erklärte die Dresdner Regierung dann, dass angesichts der vielen Begnadigungen der Eindruck entstände, dass man „gleichsam auf Gnade loß sündigen“ dürfte. Aber auch in diesem Fall, bei dem ein Hauptmann von Schönberg mit anderen, namentlich nicht genannten Offizieren in Streit geraten war (Realinjurien) erfolgte eine Begnadigung. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/2, Bl. 28a–31b, hier Bl. 28b.
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III. Das Duell im Alten Reich
Duellverfahren eingereicht worden war. Duelliert hatten sich der preußische Kammerrat Otto Conrad von Hahn347 und ein Ostfriesischer Droste von Plessen. In dem Bericht heißt es: „Ungeachtet klare Reichs- und Landes-Gesetze alles vorsetzliche Duellieren so strenge und nachdrücklich verbieten und solche von Ew. Herzoglichen Durchl. bald nach Antritt höchst Jrer Regierung unterm 25. Septbr. 1786 erneuert und landesväterlich eingeschärft sind, scheinen Supplicanten doch die Anordnung dieser Gesetze in Unsern Tagen bezweifeln zu wollen. Sie scheinen in dem Wahn zu stehen, als wenn das Duelliren eine erlaubte Sache sey, wenn sie in ihre(r) unterthänigsten Vorstellung schreiben, daß die persönliche Vertheidigung eines unbescholtenen Mannes zur Genüge de(r) öffentlichen Meinung nicht die Ahndung sich zuziehen werde, welche ältere Gesetze nur zur Behinderung der aufwallenden Selbstrache auf den Zweikampf gesetztet haben. […] Unmöglich können und werden Ew. herzogl. Durchl. eine solche Sprache billigen, welche geradezu dahin führet, dem muthwilligen vorsetzlichen duelliren Thür und Thore zu öfnen. Und es ist wahrlich eine sehr gewagte Behauptung wenn Supplicanten diesen so laut und ernstlich redenden Reichs- und Landesgesetzten alle verbindliche kraft absprechen wollen. Dieses hiese ja das alte verderbliche Faustrecht wieder einführen, zu dessen bessern ausrottung aber alles duelliren so hart verpönet ist. Wozu wären dann die Gesetze angewendet, wenn ein jeder sich nach eigenem Gefallen selbst Recht verschaffen dürfte. Die öffentliche Meinung, worauf Supplicanten sich berufen, und welche auf einen irrigen Wahn beruhet, ist längst von Kaiser und Reich gemißbilliget und durch die angezogenen Gesetze verworfen.“348
Doch trotz dieser so grundsätzlichen Stellungnahme erfolgte natürlich auch in diesem Fall schließlich eine völlige Begnadigung der Duellanten. Alles in allem erwies sich die Normenkonkurrenz im situativen Rahmen eines Ehrkonfliktes also als weniger problematisch, da hier die strafrechtliche Norm nicht unmittelbar aktualisiert wurde und man situativ ausschließlich innerhalb des lebensweltlich-sozialen Normsystems agierte. Und auch für die Prozesse der Normsetzung kann festgestellt werden, dass hier problemlos innerhalb des rechtlichen Normsystems argumentiert und damit der Widerspruch zur Rechtspraxis ausgeblendet werden konnte. Nur im Rahmen eines Strafverfahrens war dies anders, denn hier griffen gleichzeitig beide Normsysteme. Mit dem Vollzug einer entsprechenden Bestrafung nach dem Duellmandat hätte man zugleich aktiv die Gültigkeit der lebensweltlich-sozialen Norm der selbstverantwortlichen Ehrverteidigung und damit auch die 347 Otto Conrad von Hahn (um 1750–1804) war erst 1788 geadelt worden, gehörte zu den bekanntesten Gutshändlern in Mecklenburg und trug den Titel eines preußischen Kammerrats. Siehe Sehlke, Das geistige Boitzenburg, S. 214. 348 LAS, 2.26-1 (Großherzogliches Kabinett I), Nr. 883: Das Abolitionsgesuch des Kammerraths v. Hahn und Drosts v. Plessen, wegen ihres gehabten Duells.
3. Duelle zwischen Strafe und Gnade163
Bedeutung der Ehre selbst bestritten. Hinzu kam, dass in jedem Verfahren die in die Duellmandate eingeschriebene Normenkonkurrenz aktualisiert wurde, hier also sowohl eine Bestrafung nach dem Buchstaben des Gesetzes wie auch eine Begnadigung mit Blick auf die Normen einen delegitimierenden Effekt hatte. Die aufgezeigten Normenkonkurrenzen verhinderten dabei sowohl einen in regelmäßig wiederkehrenden Einzelakten präsentierten Vollzug der Norm, als auch eine grundsätzliche Neuausrichtung der Strafnormen, bei der diese an die milde Straf- und Gnadenpraxis angepasst worden wären. Ersteres war nicht möglich, ohne die Ehre als schützenswertes Rechtsgut in Frage zu stellen, dies hätte aber (angesichts der großen Bedeutung der lebensweltlichsozialen Norm des Ehrenschutzes) den sozialen Frieden in der Gemeinschaft nachhaltig gefährdet. Selbst ein exemplarischer Strafvollzug war daher nicht ratsam.349 Eine Anpassung der Duellgesetze an die Urteils- und Gnadenpraxis kam aber ebenfalls nicht in Frage, da man damit nicht nur die grundsätzliche Möglichkeit einer gerichtlichen Satisfaktion in Ehrkonflikten ausgeschlossen, sondern zugleich in einem besonders prestigeträchtigen Bereich den herrschaftlichen Zuständigkeitsanspruch und das behauptete Gewaltmonopol aufgegeben hätte. Die situative Lösung dieser Normenkonkurrenz im Falle ihrer Aktualisierung (also im Fall, dass ein Duell nicht nur ausgetragen, sondern auch gerichtlich verhandelt wurde) bestand (notgedrungen) im Gnadenakt. Denn in diesem blieb einerseits der rechtliche Anspruch auf das herrschaftliche Gewaltmonopol gewahrt und wurde durch den herrschaftlich legitimierten Gnadenakt auf anderer Ebene sogar unterstrichen. Andererseits fand mit der Begnadigung immer auch eine Anerkennung der lebensweltlich-sozialen Norm einer selbstverantwortlichen Ehrverteidigung und damit die so wichtige Bestätigung des hohen Guts der Ehre statt, wenngleich dies gern mit dem Gestus einer letzten Ausnahme von der eigentlich geltenden Regel erfolgte. Insgesamt stabilisierte die als Einzelakt inszenierte, wenn auch immer wieder gewährte Gnade damit die prekäre Situation einer aktualisierten Normenkonkurrenz und bestätigte gleichzeitig die Bedeutung einander widersprechender Normen. 349 Das ein solches exemplarisches Strafen z. B. in Frankreich doch möglich war, ist damit zu erklären, dass nicht nur die Stellung des Herrschers eine andere war, sondern über diese exemplarischen Exekutionen zugleich grundsätzliche Konflikte zwischen Adel und König mitverhandelt wurden. Die Bestrafung von Adligen für den Austrag von Duellen markierte in gewisser Weise stellvertretend den prinzipiellen königlichen Machtanspruch gegenüber dem rebellierenden Adel. Aber auch für Frankreich ist zu betonen, dass die Bestrafung von Duellanten als absolute Ausnahmeerscheinung zu gelten hat. Asch, Ständische Stellung und Selbstverständnis des Adels im 17. und 18. Jahrhundert.
IV. Akteursgruppen Wer waren nun die ‚Duellanten‘ und aus welchen Teilen der Gesellschaft kamen sie? Lassen sich vielleicht besondere Akteursgruppen ausmachen und hatte das Duell für diese spezifischen Akteursgruppen womöglich eine besondere Bedeutung? Mit diesen Fragen sind aus gruppensoziologischer Perspektive zwei Ebenen angesprochen, die es deutlich auseinander zu halten gilt.1 Auf einer ersten Ebene geht es quasi um einen Akt der Auszählung und der daran anschließenden Gruppierung. Dafür werden die Duellanten den verschiedenen, in der Vormoderne existenten Großgruppen zugeordnet, die entlang von geburts- beziehungsweise berufsständischen Kategorien gebildet werden. Wenn also gefragt wird, wie viele Adlige, Offiziere oder auch Handwerker sich im untersuchten Sample ausmachen lassen, dann lassen sich daraus Schlüsse für die Verbreitung des Duells als soziale Praktik ziehen. Auf einer zweiten Ebene ist hingegen die Frage angesiedelt, inwieweit diese Zuordnung zu den gesellschaftlichen Großgruppen lediglich Ergebnis eines an analytischen Kategorien ausgerichteten Sortierungsverfahrens ist oder ob auch ein genuiner Zusammenhang zwischen ständischer Gruppenzugehörigkeit und Duellkultur bestand. Hier geht es also um die Frage, ob die frühneuzeitliche Duellkultur im Alten Reich einen gruppenerhaltenden, gruppenstabilisierenden oder gar einen gruppengenerierenden Effekt hatte oder aber als soziale Praktik nur vorrangig von Vertretern bestimmter Gruppen praktiziert wurde, ohne dass erkennbare Rückwirkungen auf die Gruppe ausgemacht werden können. Diesen Fragen nach typischen Protagonistengruppen der Duellkultur einerseits und der Bedeutung des Duells für spezifische Gruppenkulturen andererseits widmet sich das folgende Kapitel. Hierfür werden zunächst mit dem Adel und Angehörigen des Militärs vertraute Vertreter betrachtet. Beiden Gruppen sind zusammen drei Viertel der erfassten Personen des untersuchten Samples zuzuordnen und entsprechend groß ist die Bedeutung dieser Gruppen für die frühneuzeitliche Duellkultur im Alten Reich zu veranschlagen. In einem zweiten Schritt wird nach der studentischen Duellkultur gefahndet beziehungsweise gefragt, wieso Studenten gerade keine typischen Ver1 Siehe dazu die Überlegungen bei Neidhardt, Themen und Thesen zur Gruppensoziologie; Tyrell, Gruppe als Systemtyp.
IV. Akteursgruppen165
treter einer vormodernen Duellkultur waren. Denn in quantitativer Hinsicht haben Duelle unter Studenten in der Frühen Neuzeit als Randerscheinung zu gelten. Dies änderte sich erst mit dem Aufkommen der Burschenschaften nach 1800, denn nun lassen sich deutliche und in ihren Auswirkungen bemerkenswerte Institutionalisierungsprozesse des Duells als gruppenspezifisches Kennzeichen und Handlungsmuster ausmachen. Damit wird in diesem Unterkapitel also eine doppelte Frageperspektive verfolgt: Zum einen ist zu klären, wieso das Duell in der studentischen Kultur der Vormoderne so marginal blieb. Zum andern stellt sich im Anschluss daran die Frage, wieso sich dies an der Wende zum 19. Jahrhundert änderte. Im dritten Unterkapitel werden mit den Handwerkern und ihren Duellen schließlich eher unerwartete Protagonisten in den Blick genommen. Zwar hatten Handwerkerduelle in quantitativer Hinsicht nur eine geringe Bedeutung, aber diese Duelle sind mit Blick auf die generelle Charakterisierung der vormodernen Duellkultur ausgesprochen aufschlussreich. Handwerkerduelle bieten sich daher in besonderer Weise an, wenn man die Frage diskutieren will, ob und wenn ja in welcher Weise dem Duell in der hier interessierenden Zeit eine distinktive Wirkung zugewiesen werden kann. Am Beispiel der Handwerker wird also exemplarisch untersucht, ob die Imitation und Übernahme des Etiketts Duell für sie attraktiv war, weil auf diese Weise eine distinktive Aufwertung der eigenen Person erreicht werden konnte oder sollte. Für einen ersten Überblick seien an dieser Stelle die zentralen Erhebungsdaten des Samples vorgestellt. Für die Untersuchung der sozialen Gruppen wurden die dem Gericht jeweils bekannten Konfliktgegner der insgesamt 559 erhobenen Verfahren einzeln verzeichnet. Insgesamt konnten so 1.018 Protagonisten ausgemacht werden (Tab. 2). Tabelle2 Zahl der insgesamt erfassten Konfliktgegner Erhobene Gerichtsfälle insgesamt
559
davon mit zwei bekannten Kontrahenten
459
davon mit einem bekannten Kontrahenten
100
Insgesamt erfasste Personen (ohne Sekundanten etc.)
1.018
Ordnet man diese 1.018 Personen den vier ständischen Großgruppen Adel, Militär, nichtadlige Zivilisten (ohne Studenten) und Studenten zu, ergibt sich eine klare Dominanz von Adligen und Offizieren im Sample. Zu berücksichtigen ist bei dem folgenden Überblick (Tab. 3), dass sich in zwei
166
IV. Akteursgruppen
Bereichen Überschneidungen zwischen den Gruppen ergeben. So wurden etwa adlige Offiziere sowohl der Gruppe des Adels als auch der der Militärangehörigen zugeordnet. Adlige Studenten wurden ebenso doppelt einsortiert, nämlich einerseits beim Adel und andererseits bei den Studenten. Tabelle 3 Ständische Zugehörigkeit der Protagonisten des Untersuchungssamples (1637–1806) Ständische Groß-Gruppe
Adlige
Militärangehörige
nichtadlige Studenten ungenaue Angaben Zivilisten (ohne Studenten)
Ständische Untergruppe adlige Zivilisten
312
adlige (Unter-)Offiziere
241
241
adlige (Unter-)Offiziere a. D.
10
10
nichtadlige (Unter-)Offiziere
144
nichtadlige (Unter-)Offiziere a. D.
4
Soldaten
25
ehem. Soldaten
2
Militärhandwerker
5
Militärmusiker
2
nichtadlige Zivilisten (unspezifisch) adlige Studenten
102 35
35
nichtadlige Studenten
90
Handwerker
21
Bauern
2
Ungenaue Angabe Summe
23 598
433
125
125
23
IV. Akteursgruppen167
Bemerkenswert an dieser Übersicht sind besonders zwei Befunde: zum einen der überraschend große Anteil von nichtadligen Zivilisten und zum anderen der vergleichsweise niedrige Anteil von Studenten. Die geringe Zahl der Studenten im Sample verschärft sich nochmals, wenn man berücksichtigt, dass 37 der 125 Studenten – also knapp 30 Prozent – für den Zeitraum 1797 bis 1806 verzeichnet wurden. In dieser letzten Dekade kehrt sich die zuvor und damit auch im Durchschnitt anzutreffende Verteilung nahezu um. Von den 61 für diese Dekade verzeichneten Personen konnten neun (15 Prozent) der Gruppe der adligen Zivilisten zugeordnet werden, elf (18 Prozent) waren Militärangehörige, vier waren nichtadlige Zivilisten und 37 (61 Prozent) jene bereits erwähnten Studenten. In diesen Zahlen spiegelt sich der Beginn der Burschenschaftsbewegung um 1800. Erst mit den Burschenschaften und ihren Komments sollte das studentische Duell aber jene enorme Bedeutung gewinnen, die dann für das 19. und 20. Jahrhundert charakteristisch ist.2 Interessant ist auch die Gruppe der nichtadligen Zivilisten, denn in dieser wird der bereits angesprochene Umstand greifbar, dass das vormoderne Duell eben kein exklusiv Adligen, Offizieren und Studenten vorbehaltenes Phänomen war. Neben den 21 Handwerkern beziehungsweise Handwerkergesellen und den zwei Bauern, finden sich in dieser Gruppe auch ein Expectant der kursächsischen Regierungskanzlei, ein Hofmeister, ein Seiltänzer, vier Förster und vier Jäger, ein Dresdner Postmeister und ein Händler aus Zittau, ein italienischer Sprachmeister aus Olmütz, ein Professor aus Greifswald3 und eine ganze Reihe von Personen, bei denen nur bekannt war, dass es sich um Bürger handelte. Dieser Befund einer ständisch offenen Duellkultur im Alten Reich bestätigt sich auch bei einem Blick auf die Gruppe der Militärangehörigen. Denn unter den 433 hier verzeichneten Personen waren immerhin auch 25 Soldaten, zwei ehemalige Soldaten, fünf Militärhandwerker und zwei Militärmusiker. Aber auch wenn im Sample insgesamt eine ganz grundsätzliche ständische Offenheit der Duellkultur greifbar wird, so verdeutlicht der hohe Anteil 2 Zum
studentischen Duell siehe detaillierter Kap. IV. 3. in dieser Arbeit. der Reihenfolge der Nennung: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/2, Bl. 13, 39–42b; LAG, Rep. 10, Nr. 243, Bl. 29a–37b; LAG, Rep. 7, Nr. 1361; RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1725 24/Sept, No 88; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 15a–17a; ebd., Bl. 51a, b; ebd., Bl. 241a–245b; ebd., Bl. 272a; ebd., Bl. 273a–279a; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 204a– 207b; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/2, Bl. 7a–9a; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 20a–26b; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/2, Bl. 45a, b; ebd., Bl. 174a, b; ebd., Loc. 1405/2, Bl. 85a, b; ebd., Bl. 121a, b, 142a, b; ebd., Loc. 1405/2, Bl. 111a, b; StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 672 (vorläufige Sign.); RAS, Utsalgshandlingar oresolverade, 1704 14/Dec. 3 In
168
IV. Akteursgruppen
von Adligen und Offizieren doch zugleich, dass es in einigen sozialen Gruppen offenbar typischer war als in anderen, Ehrenkämpfe als Duelle zu begreifen. Dieses Phänomen wird im Rahmen der noch folgenden Betrachtungen zu den einzelnen sozialen Gruppen genauer untersucht. Mit einem letzten einführenden Blick auf das Sample ist aber zunächst noch darauf zu verweisen, dass die vier ständischen Großgruppen in den untersuchten Territorien durchaus unterschiedlich stark vertreten waren (Tab. 4). Tabelle 4 Ständische Zugehörigkeit der Protagonisten des Untersuchungssamples (1637–1806) nach Regionen Mecklenburg
Kursachsen
13 (20 %)
171 (28 %)
94 (57 %)
22 (23 %)
9 (12 %)
Adel insgesamt
32 (48 %)
353 (58 %)
149 (91 %)
50 (52 %)
11 (15 %)
3
598 (59 %)
Militär angehörige
18 (27 %)
260 (43 %)
60 (37 %)
57 (60 %)
36 (49 %)
2
433 (43 %)
nichtadlige Zivilisten (ohne Studenten)
9 (14 %)
82 (13 %)
3 (2 %)
9 (9 %)
21 (28 %)
Studenten
25 (38 %)
90 (15 %)
2 (1 %)
5 (5 %)
3 (4 %)
125 (12 %)
ungenaue Angaben
1 (2 %)
9 (2 %)
5 (3 %)
3 (3 %)
5 (7 %)
23 (2 %)
66
612
164
96
74
6
1.018
6 %
60 %
16 %
9 %
7 %
1 %
100 %
adlige Zivilisten (ohne Studenten)
Protagonisten nach Regionen Prozentualer Anteil am Sample
Preußisch- Schwedisch- Schwedische andere ProtagoPommern Pommern Hofgerichte nisten (ohne nach Pommern) Gruppen
3
1
312 (31 %)
125 (12 %)
Auffällig ist dabei, dass vor allem die Befunde für die Mecklenburger Herzogtümer denen in den anderen Territorien entgegenlaufen. Denn hier machten gerade die Studenten die größte Teilgruppe aus, was aber mit der geringen Gesamtzahl der Fälle und den späten Studentenduellen zu erklären
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs169
ist. In den anderen Gebieten dominierten hingegen die Militärangehörigen und adligen Zivilisten. Wenn man bedenkt, dass es zwischen beiden Gruppen zugleich erhebliche Überschneidungen gab, sticht besonders die große Bedeutung des Adels hervor.
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs a) Adel Adlige bilden mit deutlichem Abstand die größte Gruppe innerhalb des untersuchten Samples. 598 der insgesamt 1.018 erfassten Personen waren adliger Herkunft, das sind stattliche 59 Prozent. In den meisten Konstellationen trafen dabei zwei adlige Protagonisten aufeinander. Die adlige Duellpraxis war damit eng mit Formen adliger Binnenkommunikation verknüpft.4 Zentrale Bedeutung als ‚Konfliktentstehungsrahmen‘ kam dabei Begegnungen im Kontext einer adlig-familiären Geselligkeitskultur zu. Die Anlässe des Zusammentreffens waren natürlich ausgesprochen heterogen. Sie reichten von einer nachbarlichen Stippvisite beim Ritt über die eigenen Felder, über das gemeinsame Mittagessen bis hin zu den verschiedenen Familienfesten anlässlich von Hochzeiten, Taufen oder Geburtstagen, auf denen sich die Mitglieder der adligen Gesellschaft vor Ort und der fami liären Verwandtschafts- und Freundschaftskreise trafen. In einem lokalen Rahmen etablierten sich dabei durchaus Ehr- und punktuell dann auch Gewaltgemeinschaften (mit einer nach innen gerichteten Logik).5 Anzutreffen 4 Wichtig für die weiteren Betrachtungen ist daher die Frage nach Feldern tendenziell exklusiver adliger Binnenkommunikation. Unter Rückgriff auf Josef Matzerath lassen sich hier drei Kommunikationsbereiche herausheben: die Ständeversammlungen, der Hof mit den wechselweise anwesenden Mitgliedern des Hofstaats und den als punktuelle Treffpunkte des Adels fungierenden Hoffesten und schließlich Formen familiärer Geselligkeit, hierunter fallen einerseits gegenseitige Besuche und andererseits Familienfeste. Wenngleich der Adel in allen drei Bereichen zumeist nicht gänzlich unter sich blieb, so dominierte er doch das Geschehen deutlich. Matzerath, Adelsprobe, S. 109–153 geht besonders auf Landtag und Hof ein. Die familiär initiierten Geselligkeitsformen von Besuchen und Familienfesten werden hingegen nicht eigens thematisiert. Allerdings lieferten die Überlegungen Matzeraths zur „Geselligen Förmlichkeit“, in denen er vor allem Formen der inneren Verfasstheit adliger Familienverbände (Familienverträge) und der Vermittlung von Adligkeit in der Erziehung und Ausbildung, in Ehe und Beruf untersucht, entscheidende Denkanstöße. Matzerath, Adelsprobe, S. 153–253. 5 Gewaltgemeinschaften mit einer nach innen gerichtete Logik sollen hier als Gruppen verstanden werden, deren lebensweltlich-soziale Normen in spezifischen Situationen (z. B. bei Ehrverletzungen) eine gewaltsame Reaktion unter den Gruppenmitgliedern vorsah. Unter Gewaltgemeinschaften mit einer nach außen gerichte-
170
IV. Akteursgruppen
waren im Kontext der adlig-familiären Geselligkeit also tendenziell unveränderliche Gruppen von Protagonisten, die bei verschiedenen Anlässen immer wieder aufeinandertrafen und die bei diesen verschiedenen Treffen gegebenenfalls auch immer wieder aneinander gerieten. Das Personal derartiger Konflikte war zahlenmäßig also eher begrenzt und korrelierte mit der Größe der jeweiligen Adelsnetzwerke.6 Der Umstand, dass die Zusammensetzung adliger Geselligkeitsgruppen relativ konstant blieb und die gleichen Personen zu verschiedenen Anlässen immer wieder miteinander agierten, konnte dabei zu einem komprimierenden Effekt in der Darstellung führen: Denn in der erzählerischen Rückschau auf die Konfliktverläufe vor Gericht verwischt mitunter der Umstand, dass sich diese Konflikte schon über Jahre hinzogen. Der bei der Lektüre derartiger Beschreibungen entstehende Eindruck, dass man sich trotz eines angespannten Verhältnisses zueinander solange traf, bis es endgültig krachte, ist also mitunter ein Effekt eben jener konzertierten Rückschau vor Gericht, in der für die Darstellung der Ereignisse eine zeitliche Differenzierung und friedliche Phasen während der Begegnungen weitgehend ausgeblendet wurden. Zu berücksichtigen ist daher, dass bei den Konfliktbeschreibungen in den Gerichtsakten verstärkt mit Darstellungseffekten gerechnet werden muss, die auf die besondere Sprechsituation vor Gericht zurückzuführen ten Logik sollen hingegen Gruppen verstanden werden, die sich durch kollektiv organisierte Gewaltakte gegen Gruppenfremde auszeichnen. Siehe dazu die Beiträge in Speitkamp (Hg.), Gewaltgemeinschaften. Speitkamp verweist in seiner Einleitung zum Band darauf, dass innerhalb der Giessener Forschergruppe „Gewaltgemeinschaften“ systematisch zwischen drei Gruppentypen differenziert wurde: (1) Gewaltgemeinschaften, für die Gewalt zur Lebensform geworden ist (z. B. Söldnergruppen oder Räuberbanden), (2) Gewaltgemeinschaften, die sich für einen räumlich und zeitlich begrenzten Zweck herausbilden (z. B. Fehdegemeinschaften) und (3) teilintegrierte Gewaltgemeinschaften, bei denen Gewalt nicht der Kern des Zusammenhalts ist und deren Mitglieder zugleich in anderen sozialen Gruppen und Milieus verankert sind (z. B. Jugendbanden). Welches Wechselverhältnis zwischen den nach außen gerichteten, kollektiven Gewaltakten und den gruppeninternen Gewaltlogiken bestehen, wird von ihm aber nicht eigens diskutiert. Speitkamp, Einleitung, S. 9. 6 So kann etwa anhand des Samples für den preußisch-pommerschen Adel festgestellt werden, dass Vertreter bestimmter regional entsprechend präsenter Familien immer wieder bei den Konflikten anzutreffen waren. In Preußisch-Pommern waren dies vor allem Mitglieder der Adelsgeschlechter Kameke, Puttkammer, Kleist, Podewils, Glasenapp, Zastrow und Lettow. Fälle in chronologischer Reihenfolge, an denen ein oder mehrere Vertreter der genannten Adelsgeschlechter beteiligt waren: LAG, Rep. 7, Nr. 4854, 5777, 1617, 4408, 2356, 5020, 764, 3821, 2521a, 1336, 2887, 4024 u. 4571 (Kameke); Nr. 2109, 3305, 1322, 2644, 180, 5012, 1093, 4999, 2554 u. 421 (Puttkammer); Nr. 2644, 2640, 4068, 4077, 5197, 2352, 656 u. 1519 (Kleist); Nr. 4855, 3648, 3128, 4408, 4634, 5098 u. 5730 (Podewils); Nr. 4855, 5107, 5535, 5534, 2539 u. 1887 (Glasenapp); Nr. 332, 3132, 2707, 5107, 352 u. 5534 (Zastrow); Nr. 2202, 3952, 5014, 3876, 2803 u. 862 (Lettow).
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs171
sind, in denen verschiedene Ereignisse plötzlich aus einer spezifischen Perspektive erzählt wurden. Zugleich ist aber durchaus zu beobachten, dass die Kontakte innerhalb adliger Netzwerke nicht unbedingt eingestellt wurden, wenn entsprechende Konflikte auftraten.7 Vielmehr waren die Beteiligten zumeist gewillt, mit bestehenden Konflikten zu leben. Infolgedessen waren gewaltsame Konfliktausbrüche, aber auch Schlichtungsbemühungen oder Formen eines pragmatischen Aussitzens der Situation genuine Bestandteile der vormodernen Geselligkeitskultur. Dass dieses Leben mit Konflikten keineswegs ein ‚böses Ende‘ nehmen musste, zeigen Beispiele, in denen eine weit eskalierte Situation plötzlich in sich zusammensackte und man später einander begegnete, als wäre nichts gewesen. So geschehen ist dies bei einem Zusammentreffen zweier pommerscher Adliger, eines Kapitäns von der Öhe und eines Kornetts gleichen Namens.8 Mit der Namensgleichheit angezeigt ist die verwandtschaftliche Verbindung, es handelt sich um Onkel (der Kapitän) und Neffen, die sich auf ihren benachbarten Landgütern in Schwedisch-Pommern aufhielten. Bei einem morgendlichen Ritt über seine Felder am Morgen des 8. Mai 1750 sah nun der Kapitän von der Öhe seinen Neffen von weitem und ritt zu dessen Feldern, um diesen und einen anwesenden Gast – den Fähnrich Carl Ludwig von der Lacken – zu begrüßen. Dort angekommen grüßte er die beiden und nach einem entsprechenden Gegengruß fragte er seinen Neffen, wie es mit der „Possession“, also dem Besitz, stünde. ‚Welcher Besitz?‘ fragte daraufhin der Kornett lakonisch, was den Kapitän sofort so erregte, dass er die Pistole zog und den anderen fluchend aufforderte: „Cannaille, wer hat dier die possession gegeben, gieb mier possession oder dich soll der teuffel holen“.9 Hinter diesem Ausbruch stand vermutlich eine schwelende Erbschaftsstreitigkeit, über die man aus den Akten indes nichts Genaueres erfährt. Dort ist lediglich verzeichnet, dass der Kornett seinem Onkel entgegnete, dass er doch schießen solle, wenn er im Recht wäre, 7 Besonders markant greifbar wird dies in einer Reihe familieninterner Konflikte. Siehe bspw. der Streit zwischen den Brüdern Hauptmann Georg Casimir von Zitzewitz aus Brötzen und Ernst Carl von Zitzewitz (LAG, Rep. 7, Nr. 502); den Brüdern Bertram von Plötz aus Krakow und Bernd Friedrich von Plötz (LAG, Rep. 7, Nr. 449); einem Leutnant von Böck und seinem Vetter Rüdiger von Böck (LAG, Rep. 7, Nr. 3767); den Vettern Christian und Werner von Bandemer (LAG, Rep. 7, Nr. 1035); den Vettern Hans Georg und Wolff Adolph von Polentz (Sächs HStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 316a–322b); zwischen dem Obristen Carl Erdmann von Bose und seinem Neffen Carl Gottlob von Bose (SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 292a–300b); zwischen dem Kapitän Erdmann Friedrich Raab und seinem Schwager von Schirnding (SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 217a–229b, 10026, 1404/5, Bl. 356–361a). 8 Zum Fall: LAG, Rep. 31, Nr. 295/5, Nr. 12, Bl. 31a–43a. 9 LAG, Rep. 31, Nr. 295/5, Nr. 12, Bl. 31a–43a, hier Bl. 39b.
172
IV. Akteursgruppen
woraufhin der Kapitän von der Öhe mit seiner Pistole fuchtelnd schreiend erklärt hätte, der offenbar unbewaffnete Kornett solle seine Pistole für einen Kampf holen. Anschließend versuchte er noch seinen Neffen mit der Peitsche zu schlagen, was dieser allerdings mit seinem Stock abwehren konnte. Nach einigem hin und her und weiteren Beleidigungen trennte man sich zunächst und jeder ritt in sein Gutshaus zurück. Doch am Nachmittag kam man erneut zusammen – aber nicht um einen Kampf auszutragen, sondern um gemeinsam zu speisen. Der Kapitän von der Öhe, als Gast im Hause seines Neffen, hatte dabei zwar die ganze Zeit zwei Pistolen mit gespannten Hahn vor sich auf dem Tisch liegen, aber offenbar amüsierte man sich so gut, dass diese nicht zum Einsatz kamen und der Gast sogar noch über Nacht blieb. Ganz Ähnliches kann bei einem Streit beobachtet werden, der im Jahre 1717 während der Hochzeitsfeierlichkeiten Michel von Belows in Pustamin (heute Postomino) ausbrach. Hauptakteure waren, neben dem Bräutigam Michel von Below, Elisabeth von Natzmer, ihr Bruder Ernst Bogislaff von Natzmer und dessen Frau, Friedrich Wilhelm von Zastrow auf Wusterhausen sowie die namentlich nicht genau spezifizierten Schwestern von Below. Ausgangspunkt der Streitigkeiten war, dass Ernst Bogislaff von Natzmer gegenüber seiner Frau erklärte, dass man, da Zastrow nach Musikern geschickt habe und später zum Tanz aufspielen lassen wollte, lieber anspannen und nach Hause fahren sollte. Zwar war es noch mitten am Tage, aber womöglich dauerte die Heimreise ihre Zeit und man wollte wohl nicht im Dunkeln reisen. Dabei scheute Natzmer wohl weniger den Tanz. Vielmehr trug er Bedenken, dass er bei der zu erwartenden „tollerey“ nicht schlafen könne, da eigentlich vorgesehen war im Hause der Belows zu übernachten. Dies hörte nun eines der Fräulein von Below, die gleich zu Zastrow eilte und diesem berichtete, Natzmer wolle abreisen, weil er wegen der „tolle[n] leuthe“ auf dem Fest nicht schlafen könne. Diese leichte Akzentverschiebung von einer unpersonalisierten allgemeinen Tollerei eines Festes hin zu tollen Leuten (also lärmenden, unmäßigen Menschen), die Natzmer stören würden, wurde im Folgenden entscheidend. Denn Zastrow fühlte sich angesprochen, da er die Bezeichnung ‚tolle Leute‘ auf sich bezog, sie als Beleidigung verstand und Natzmer daraufhin zur Rede stellte. Dieser versuchte sich zu erklären und betonte, dass er seinen Schlaf nicht wegen irgendwelcher lärmenden, sich unmäßig verhaltenden Leute gefährdet sah und schon gar nicht gemeint hätte, einer der Anwesenden wäre eine solche Person, sondern einfach Bedenken trage, nicht gut bei lauter Musik schlafen zu können. Doch Zastrow ließ sich durch diese Erklärung nicht beruhigen. Dies war nun für Natzmer ein Grund mehr anspannen zu lassen und abzureisen. Aber als die Kutsche abfahrbereit war und Natzmer, seine Frau und seine Schwester losfahren wollten, kamen die Schwestern von Below
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs173
herangeeilt und baten, doch zu bleiben. Dies schien auch dringend geraten, denn inzwischen hatte Zastrow vor der Hochzeitsgesellschaft erklärt, er wolle Natzmers nachreisen und alle Kutscheninsassen erschießen. Dass es ihm ernst damit war, ließ sich zumindest vermuten, da er eine geladene Pistole mit sechs Schuss geholt hatte und sein Pferd sattelte. Angesichts dieser Entwicklung ließen die Natzmers ihre Pferde wieder ausspannen. Zur Hochzeitsgesellschaft zurückgekommen, kam Zastrow auf Natzmer zu und forderte diesen auf zu erklären, wie er seine Bemerkung gemeint habe. Und Natzmer erklärte erneut, „daß er gar nicht von tollen leuten gesprochen, sondern daß er gesaget, er könne vor solche tollerey nicht schlafen“.10 Und nach einigem hin und her gab sich Zastrow mit dieser Erklärung schließlich zufrieden und beide vertrugen sich wieder. Aber zwei Stunden später, die Gesellschaft war gerade aus der Kirche gekommen, fing Zastrow erneut an und erklärte, er sei doch noch nicht zufrieden. Zudem kränke es ihn, dass Natzmer seiner Frau verboten haben solle, mit ihm zu tanzen. Natzmer bestritt, ein derartiges Verbot ausgesprochen zu haben. Da Zastrow aber nicht von seinem Vorwurf abrückte, erklärte Natzmer schließlich, „daß ihm solches kein ehrh[icher] Mensch nachreden“ könne.11 Angesichts dieser entschiedenen Haltung Natzmers, entschuldigte sich Zastrow damit, dass ihm dies die Fräulein von Below erzählt hätten. Zudem hätten diese behauptet, dass ihr Bruder Michel von Below gegenüber Natzmer erklärt habe, er solle ein geladenes Gewehr mitbringen und dies im Garten hinter dem Zaun verstecken. Später dann wolle Below Zastrow in den Garten bitten und ihn mit diesem Gewehr „massacriren“.12 Zwar hatte Below gegenüber Zastrow all dies bestritten, aber dieser war dennoch wütend. Wieso Zastrow annahm, dass derartige Gerüchte stimmen könnten, muss offen bleiben, da die Akten hierüber keine Auskunft geben. Aber festzuhalten ist, dass die beiden jungen Damen von Below hier schon zum zweiten Mal als diejenigen auftraten, die durch das Weitererzählen von (vermeintlich) Gehörtem die Stimmung anheizten. Aber auch diesmal gelang es, die angespannte Situation wieder zu entspannen und die ganze Hochzeitsgesellschaft ging nun gemeinsam zum Haus zurück und begann mit dem Festschmaus. Als der Abend fortgeschritten war, wollten Natzmer und seine Frau zu Bett gehen. Zastrow begleitete die beiden in das ihnen zugewiesene Schlafzimmer und verlangte in Gegenwart Natzmers einen Kuss von dessen Frau. Da diese ihn aber nicht küssen wollte, erklärte Zastrow, Natzmer solle es seiner Frau befehlen. Doch dieser lehnte ab und erklärte, wenn seine Frau 10 LAG,
Rep. 7, Nr. 352, Aussage Elisabeths von Natzmer, Bl. 1b. Rep. 7, Nr. 352, Aussage Elisabeths von Natzmer, Bl. 2a. 12 LAG, Rep. 7, Nr. 352, Aussage Elisabeths von Natzmer, Bl. 2a. 11 LAG,
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IV. Akteursgruppen
ihn hätte küssen wollen, „hätte Er solches würden geschehen laßen, daß er aber von jhme begehren wolte seiner liebsten zu befehlenn jhm einen Kuß zu geben, wäre eine gar unzeitige bitte“. Darüber mokierte sich Zastrow und fragte Natzmer, „ob er dan meine[,] daß seine liebste so gar schön seye? Er würde sich in seiner Meinung sehr betrügen, sie habe ihres gleichen.“13 Diese Angriffe auf die Ehre seiner Frau wollte Natzmer natürlich nicht unkommentiert lassen und erklärte daher, dass niemand an der Meinung Zastrows interessiert sei. Zudem gab Natzmer jetzt doch den Befehl, anspannen zu lassen und reiste trotz der späten nächtlichen Stunde zurück auf das eigene Gut in Krolow (Królewo). Am nächsten Tag ließ Zastrow einen Bediensteten zu Natzmer nach Krolow schicken und ausrichten, er könnte ihn heute noch nicht besuchen, weil er noch in Pustamin bei Below zu Gast bleiben würde. Es ist unklar, ob dies vorher so verabredet worden war. In jedem Fall ließ Natzmer, vom letzten Abend wohl noch reichlich verstimmt, ausrichten, „daß es ihm gleichviel sey, er komme oder komme nicht, wenn er aber nicht kommen sollte[,] würde es ihm umbsoviel lieber seyn“.14 Zastrow kam später trotz seiner zuvor anders lautenden Nachricht dennoch und brachte auch noch Michel und Claus Ludwig von Below sowie den zuvor noch nicht in Erscheinung getretenen Ernst von Grumbkow von Sellin mit. Man saß schließlich zusammen in der Stube und das Gespräch kam noch einmal auf den letzten Abend zurück. Natzmer erklärte während dieser Unterhaltung gegenüber seinem ebenfalls anwesenden Vater, dass Zastrow ihn am gestrigen Tage „recht alß einen gefangenen gehalten“ hätte.15 Als hätte er nur auf sein Stichwort gewartet, zeigte sich Zastrow entrüstet und abermals drohte die Situation zu eskalieren, weil sowohl Zastrow als auch Natzmer nach ihren Waffen griffen. Doch auch diesmal kehrte schließlich wieder Ruhe ein und die beiden wurden erneut miteinander versöhnt. Ob dieser Frieden lange hielt muss offen bleiben, denn hier endet die Akte. Wer den Vorgang denunziert hatte, ist nicht zu erkennen. In jedem Fall zog sich das Injurienverfahren noch lange Zeit ohne rechte Fortschritte hin und wurde 1728 schließlich ganz eingestellt, da Zastrow inzwischen verstorben war und er damit auch nicht mehr wegen seines injuriösen Verhaltens belangt werden konnte. Insgesamt zeigt dieses Beispiel nachdrücklich, dass die lokale adlige Gesellschaft ausdauernd und ungeachtet der durchaus vorhandenen Konflikte miteinander agierte. Eingebunden waren ganze Familien und damit ältere und jüngere, männliche und weibliche Personen. Zu einigen Feiern kamen 13 LAG,
Rep. 7, Nr. 352, Aussage Elisabeths von Natzmer, Bl. 2b. Rep. 7, Nr. 352, Aussage Elisabeths von Natzmer, Bl. 3a. 15 LAG, Rep. 7, Nr. 352, Aussage Elisabeths von Natzmer, Bl. 3a, b. 14 LAG,
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs175
allerdings eher Protagonisten einer Alterskohorte zusammen. So erzählte im vorgestellten Fall Bogislaw von Natzmer seinem Vater am nächsten Tag von den Vorfällen bei der Feier am Vortag, was den Schluss zulässt, dass es sich wohl eher um ein Fest junger Adliger gehandelt hatte. Darauf, dass zur Hochzeit Michel von Belows wohl in erster Linie die adlige Jugend der Gegend zusammengekommen war, verweisen auch die vergleichsweise vielen unverheirateten adligen Damen.16 Bemerkenswert ist, dass sich im Sample keine mit dieser adlig-familiären Geselligkeitskultur vergleichbare Bedeutung des Hofes und der Hofgesellschaft wie auch der Ständeversammlungen als Rahmen für die Entstehung entsprechender Konflikte nachweisen lässt. Erklärt werden kann dies mit einer vergleichsweise hohen Verbindlichkeit der Friedenspflicht in den Räumen des Hofes, bei Hoffesten und Ständeversammlungen.17 Auszumachen ist hier also eine recht große Autorität der Ordnungsgefüge,18 die offen ausgetragene Konflikte weitgehend verhinderte.19 Herauszustellen ist damit, dass der informelle Rahmen von Familienfesten mit seinen zwangloseren Verhaltensmustern situativ eher die Möglichkeit 16 Konkrete
Altersangaben fehlen in den Akten. den Hoffesten in Dresden siehe Rosseaux, Freiräume, S. 73–151. 18 Mit Blick auf den Hof hat Miloš Vec darauf verwiesen, dass diese Disziplinierung nicht zwingend durch verbindlich erlassene Hofordnungen, sondern auch durch informelle Reglungen erfolgte, die trotz oder gerade aufgrund ihrer fehlenden offiziellen Verbindlichkeit als soziale Norm eine hohe Geltungskraft entfalten konnten. Vec, Hofordnungen, S. 60–63. Zum Verhältnis informeller und formaler Ordnungsmuster Emich, Die Formalisierung des Informellen. 19 Darauf wurde auch für andere Konfliktbereiche verwiesen: Mit Blick auf das Feld von Rangstreitigkeiten innerhalb der Hofgesellschaft führt Barbara StollbergRilinger die geringe Zahl einschlägiger, vor Gericht ausgetragener Konflikte darauf zurück, dass angesichts der vergleichsweise „gering differenzierten und überschaubaren sozialen Realität“ der Hofgesellschaft Rangreglements noch etabliert und durchgesetzt werden konnten. D. h. zugleich, die Reglements konnten die Konflikte in diesem überschaubaren Rahmen offenbar noch wirkungsvoll verhindern. Stollberg-Rilinger, Rang vor Gericht, S. 417. Siehe auch Bleckmann, Rang und Recht, S. 285–301. Es passt ins Bild, dass sowohl Pečar, Ökonomie der Ehre, als auch Hengerer Ehrkonflikte im Allgemeinen und Rangkonflikte im Besonderen innerhalb der Hofgesellschaft nicht systematisch betrachten. Allerdings spricht Hengerer diese in einem kurzen Teilkapitel durchaus an (Hengerer, Kaiserhof, S. 208–215). Fuchs, Um die Ehre, hat ebenfalls keine einschlägigen Verfahren für sein Sample erfasst. Interessant macht dieses Fehlen von Verfahren natürlich gerade der Umstand, dass jenseits der Hofgesellschaft zwischen der Mitte des 17. und der Mitte des 18. Jahrhunderts ein deutlicher Anstieg einschlägiger Verfahren um Rangfragen zu verzeichnen ist. Dies erklärt sich nach Stollberg-Rilinger damit, dass jenseits der überschaubaren Hofgesellschaft nicht nur vielfältige Ranginterferenzen anzutreffen waren, sondern die Positionen innerhalb des Ranggefüges auch offen ausgekämpft werden konnten und mussten. Stollberg-Rilinger, Rang vor Gericht, S. 390 u. 417. 17 Zu
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IV. Akteursgruppen
einer Konflikteskalation bot als ein entsprechendes Großereignis. Damit soll natürlich nicht in Abrede gestellt werden, dass die Hofgesellschaft, höfische Feste, aber auch Ständeversammlungen für die adlige Repräsentation zentrale Handlungsfelder waren und einen bedeutsamen Rahmen adliger Binnenkommunikation bildeten. Doch für den bewaffneten Austrag von Ehrkonflikten boten Hof und Landtag eben keinen geeigneten Rahmen.20 Allerdings konnten Gerüchte oder die Gewissheit über den Austrag von Duellen jenseits des Hofes dafür sorgen, dass die Präsenz am Hof plötzlich problematisch wurde. So kann Mark Hengerer für den Wiener Hof zeigen, dass Duellanten immer wieder ihre Kontakte am Hof nutzten um eine Begnadigung zu erreichen. Wichtig waren die Gnadendispense des Kaisers aber weniger, um einer drastischen Strafe zu entgehen, mit einer solchen dürfte im Grunde niemand ernsthaft gerechnet haben. Die Begnadigungen waren für Duellanten vielmehr wichtig, damit sie wieder ohne Bedenken am Hof verkehren konnten. Denn es wurde offenbar doch als Problem wahrgenommen, wenn bei einem Duell, als einem (zumindest hypothetischen) Majestätsverbrechen, die offizielle Begnadigung fehlte.21 Gut greifbar wird dies in den Tagzetteln und Tagebüchern des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach. In diesen wird von einer ganzen Reihe tätlicher Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern der hoffähigen Gesellschaft berichtet, die mal als Duell mal als Renkontre und mal auch nur als Händel bezeichnet wurden,22 aber allesamt gerade nicht in der Nähe des Hofes und des Kaisers stattfanden.23 Gleichwohl war nicht nur Harrach, sondern auch 20 Hengerer, Kaiserhof, S. 210 hebt diesbezüglich hervor, dass „der Raum des Hofstaats ein befriedeter Bereich“ war, „in dem das fürstliche Gewaltmonopol faktisch gesichert war, zudem symbolisch repräsentiert wurde und gerade deshalb durch Verletzungen besonders gefährdet war“. Dementsprechend war beispielsweise das Waffentragen eingeschränkt. 21 So erklärte etwa Vratislaw von Sternberg, seines Zeichens Kämmerer Kaiser Ferdinands II., dass er fürchte nach seinem mit Adam Matthias Graf von Trautmannsdorf ausgetragenen Duell einfach an den Hof zurückzukehren, da er nicht wüsste, ob man dort von seinem ‚Vergehen‘ wüsste. Hengerer, Kaiserhof, S. 211, Fn. 814. Eine ähnliche Argumentation findet sich im folgenden Fall Harrach, Diarien und Tagzettel, Bd. 6, S. 409 f. u. 412 (Franz Adam v. Losenstein u. Ludovico Colloredo). 22 Manchmal wurde auch der gleiche Vorfall mal Duell mal Raufhändell genannt. So etwa die Auseinandersetzung zwischen Ludovico Colloredo und Franz Adam von Losenstein aus dem Jahr 1658. Siehe die verschiedenen Einträge dazu bei Harrach, Diarien und Tagzettel, Bd. 6, S. 409 f. u. 412 (Franz Adam v. Losenstein u. Ludovico Colloredo). 23 In den Diarien und Tagzetteln des Kardinals Ernst Adalbert von Harrachs finden 16 Duelle, Duellforderungen bzw. Gerüchte über Duelle Erwähnung (die auch als Duelle und nicht als Händel, Rauferei etc. benannt sind) und die allesamt nicht in der räumlichen Nähe des Hofes stattfanden. Vgl. dazu (in chronologischer
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs177
der Kaiser und seine nächsten Beamten von entsprechenden Konflikten unterrichtet. Dies spiegelt sich nicht zuletzt in einer Reihe von Verhaftungen, die allerdings nicht dazu dienten, ein Verfahren zu eröffnen. Vielmehr sollten sich die verhafteten Kontrahenten einfach nur vertragen und damit war die Sache aus der Welt.24 Dass die Landesherren, wenn die Duellanten aus ihrem näheren Umfeld stammten, womöglich noch die Versöhnung der Kontrahenten aber keine Strafverfolgung forcierten, zeigen die seltenen Fälle, in denen der Landesherr mit der Bitte um eine Duellerlaubnis schon im Vorfeld der Duelle eingebunden wurde. Strategisch zielte eine solche Einbindung darauf ab, die eigene Position innerhalb der Hofgesellschaft nicht unnötig zu gefährden. Besonders spektakulär ist in dieser Hinsicht ein polnisch-sächsisches Beispiel, das zugleich eine nicht untypische Verschränkung zwischen höfischadliger und militärischer Sphäre aufweist. Bei der Angelegenheit handelt es sich um ein im Jahr 1723 ‚erlaubtes‘ Duell. Gestattet worden war es Joachim Friedrich Graf von Flemming, General der Kavallerie. Die Erlaubnis erteilt hatte der sächsische Kurfürst und polnische König August II. Und antreten wollte Flemming gegen den in preußischen Diensten stehenden Albrecht Friedrich Baron von Putlitz.25 Reihung) Harrach, Diarien und Tagzettel, Bd. 3, S. 49 (General Golz u. Silberkämmmerer Pappenheim); Bd. 5, S. 421 (Hartmann von Lichtenstain u. Graf Ernest de Merode); Bd. 3, S. 94 (Rodolfo Colloredo); Bd. 3., S. 459 (Massimiliano von Waldenstein); Bd. 5, S. 626 (Francois di Beaufurt u. Henri de Nemour); Bd. 5, S. 702 u. Bd. 3, S. 686 (Graf Pietro Strozzi u. Ludovico Caprara); Bd. 3, S. 768 (Gotthard von Starhemberg); Bd. 6, S. 295 (Obrist Gottfried von Heister u. Obrist Giancarlo de Colomba); Bd. 4, S. 230 (Franz Adam von Wallstein u. Johann von Herberstein); Bd. 4, S. 231 (Leopold Wilhelm von Königsegg u. Franz Ulrich Kinsky); Bd. 6, S. 409 f. u. 412 (Franz Adam v. Losenstein u. Ludovico Colloredo); Bd. 6., S. 427 f. (Franz Karl Berka u. Wratißlaw); Bd. 6, S. 441 (Gotthardt von Starhemberg u. Rittmeister Zehendtner); Bd. 6, S. 671 (Conrad Christoffer von Königsmarck, NN. Oxenstierna u. Obrist Aschenfeldt); Bd. 6, S. 853 (Johann Adolf von Schleswig-Holstein-Plön u. Obristwachtmeister Ermann (?) von Promnitz); Bd. 7, S. 485 f. (Franz Johann Richard (?) von Althann u. ein Wachtmeister). Gleichwohl kann Hengerer, Kaiserhof, S. 212 f., Fn. 817 für ein tödlich verlaufendes Duell (1664) zwischen dem preußischen Oberstallmeister von Pölnitz und dem kaiserlichen Kämmerer Erhard Truchseß von Wetzhausen, bei dem Letzterer starb, auf einen Kommentar von Gottlieb Graf von Windischgrätz verweisen. In diesem erklärt er gegenüber Harrach, dass man neuerdings extra nach Wien und damit in die Nähe des Kaiserhofs führe, um ein Duell auszutragen. 24 Siehe dazu die entsprechenden Beispiele bei Hengerer, Kaiserhof, S. 213, Fn. 819 (Duellforderung zwischen Franz Adam Graf von Waldenstein und Sigmund von Dietrichstein, 1666) u. 214, Fn. 821 (Duell zwischen Strozzi und Caprara, 1653). Siehe exemplarisch auch eine entsprechende Bemerkung bei Harrach, Diarien und Tagzettel, Bd. 6, S. 409 f. (Franz Adam v. Losenstein u. Ludovico Colloredo). 25 SächsHStA Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 3424/4 [o. Pag.].
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IV. Akteursgruppen
Dem Duell vorausgegangen war ein längerer Streit, in dem Flemming Putlitz vorwarf, dass preußische Werber in seinem Namen einen Mälzer26 von den polnischen Gütern Flemmings verschleppt hatten. Da die in dieser Sache beim Berliner Hof eingereichten Beschwerden Flemmings ohne Erfolg blieben, kam es bei der nächsten persönlichen Begegnung zum Eklat. Aufeinandergetroffen war man in Polen und hier offenbar in Warschau, wo sich Joachim Friedrich von Flemming häufig aufhielt. Bei dieser Begegnung avancierte der Streit um das unrechtmäßige Agieren preußischer Werber zur persönlichen und persönlich genommenen Auseinandersetzung: Man beleidigte sich nicht nur verbal, sondern Flemming teilte auch einige Ohrfeigen aus. Damit war aber eine Stufe der Eskalation erreicht, in der für Putlitz eine gütliche Einigung ohne Gesichtsverlust nicht mehr möglich schien. Die Duellforderung an Flemming ist daher kaum verwunderlich und Flemming nahm diese erwartungsgemäß an. Er konnte wohl auch kaum anders handeln, denn die Auseinandersetzung hatte inzwischen schon einen bemerkenswerten Bekanntheitsgrad erlangt, der sich nicht zuletzt in einer Reihe von Briefen spiegelt, die zu diesem Vorfall von den in sächsischen Diensten stehenden Gesandten an den Bruder Flemmings, Jacob Heinrich Graf von Flemming, geschrieben worden waren, der die Position des dirigierenden Kabinettsministers in Dresden innehatte.27 Diese auch familiäre Nähe zum Landesherrn machte es für Flemming zugleich schwierig, das offiziell geltende Duellverbot einfach zu ignorieren. Als Ausweg aus diesem Dilemma blieb daher nur die persönlich beim Landesherrn vorgebrachte Bitte um eine Freistellung vom Mandat. Zwar wies man auch in diesem Fall von landesherrlicher Seite formal darauf hin, dass „dergleichen Duel durch Unser, in Unserm Churfürsten thum und Landen emanirtes Duel Edict, auf das nachdrücklichste verbothen“ sei. Aber diesen Grundsatz hob man umgehend auf, da „die Umbstände“ in der Sache „von besonderer Beschaffenheit“ wären und „die Sache auswärtige Höfe mit beträffe“. Gerade „in Ansehung der sich hierbey ereignenden besonderen Umbstände“ wurde der Bitte Flemmings schließlich „in Königl. Gnaden statt gegeben“. Zugleich wurde zugesagt, „daß 26 Bei einem Mälzer handelt es sich um eine Person, die das geschrotete Getreide zu Malz verarbeitet und entsprechend für die Bierproduktion zentral war, die in dieser Zeit gerade auch für die lokale Versorgung eine große Rolle spielte. 27 Jacob Heinrich Graf von Flemming wurde bezüglich des Duells nicht nur durch den Kabinettsminister von Manteuffel angeschrieben (SächsHStA Dresden, 10026, Loc 696/7, Bl. 163a), sondern auch von Graf von Flodorff-Wartensleben, dem kursächsischen Gesandten in Kassel (SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 686/5, Bl. 203a–305b) und von Prinz Eugen, dem Vertrauten Flemmings in Wien (Säch HStA Dresden 10024, Loc. 10144/16, [o. Pag.] Schreiben Flemmings v. 4. Aug. 1724). Zum Korrespondenznetzwerk Flemmings siehe Matzke, Gesandtschaftswesen, S. 86–96.
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs179
besagtem Unserm General bey der Cavallerie, Grafen von Flemming und seinen Assistenten, das vorstehende Duel mit dem Königl. Preuß. Officier, Baron von Buttlitz, es falle nun aus, wie es fallen möge, an ihren Ehren, Würden, Chargen, Güthern und Vermögen, allenthalben unschädlich seyn“ sollte und sie keinesfalls bestraft werden würden.28 In dem schließlich ausgetragenen Duell starb Albrecht Friedrich von Putlitz. Konsequenzen hatte dies für Flemming – wie zuvor vom Landesherrn zugesichert – nicht. Angesichts der marginalen Präsenz von Duellen am Hof und auf Landtagen überrascht es wenig, dass über die Zugehörigkeit zur höfischen Gesellschaft oder gar zu den Landständen in aller Regel nicht gewaltsam gestritten wurde und wenn doch, dann wenig erfolgreich. Die wenigen greifbaren Konflikte fanden dementsprechend auch nicht während oder im unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Umfeld der Zusammenkünfte statt, sondern waren eher bei der Vor- oder Nachbereitung entsprechender Ereignisse anzutreffen.29 Wenn der Zugang zur höfischen Gesellschaft oder zu den Landständen dennoch mit Duellforderungen erstritten werden sollte, ist damit zugleich angezeigt, dass es für den Einzelnen um sehr grundsätzliche Fragen von Zugehörigkeit und Ausgrenzung ging. Dies demonstriert ein Fall, bei dem über die Teilnahmeberechtigung an der kursächsischen Ständeversammlung gestritten wurde. In diesem kursächsischen Beispiel forderte Carl Friedrich Baron von Eberstein den kursächsischen Geheimen Rat Carl August Graf Löser, der als Erbmarschall an der Spitze des Landtages stand und dem die Kommunikation mit dem Landesherrn oblag,30 zum Duell. Herausgefordert wurde damit die Symbolfigur des Landtages, was in gewisser Weise schon darauf verweist, dass es hier um sehr grundsätzliche Verfahrensfragen ging. Was war geschehen?31 Ab Januar 1799 sollte in Dresden wieder ein Landtag stattfinden. Zu diesem reiste am 6. Januar auch Carl Friedrich Baron von Eberstein an und zwar als Vertreter des Weißenfelser amtsässigen Adels.32 Aber in Dresden ließ der 28 SächsHStA Dresden, 10026 Geheimes Kabinett, Loc. 3424/4 [o. Pag.], hier: Decret Vor den General bey der Cavallerie Grafen von Flemming; daß ihm und seinen assistenten, das vorstehende Duel mit einem königl. Preuß. Officier, Baron von Buttlitz allenthalben unschädlich seyn solle, Dresden den 23. Sept. 1723. 29 Siehe dazu: SächsHStA Dresden, 10015, Nr. A32, Bl. 485a–489b (Memorial des von Haugwitz und des von Kromsdorff wegen eines Duells, 1663); Nr. A. 53, Bl. 606a, b (Klage der Erben von Hans Dietrich Marschall von Bieberstein, wegen der diesem zugefügten Beleidigungen, Landtag 1687/88). 30 Zu dieser Position des Erbmarschalls Matzerath, Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte, S. 8. 31 Für den Fall insgesamt: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/4, Bl. 1a–78a u. 90a–91a. 32 Der (kursächsische) Adel ist generell in Land- und Amtssassen unterteilt. Landsässige Adlige waren (verwaltungs)rechtlich direkt dem Landesherrn unterstellt,
180
IV. Akteursgruppen
Erbmarschall Löser durch August Christian Carl von Raschau, der ebenfalls Deputierter des amtsässigen Adels im Amt Weißenfels war, mitteilen, dass Eberstein für die Teilnahme am Landtag nicht zugelassen werde. Diesen Ausschluss begründete Löser damit, dass Eberstein im Jahre 1795 für eine gewaltsame Auseinandersetzung mit einem Verwandten eine vierjährige Zuchthausstrafe zuerkannt worden war. Und auch wenn diese später gnadenhalber soweit abgemildert wurde, dass Eberstein sie als Festungshaft auf dem Königstein abbüßen konnte, so blieb doch der Makel des Urteils bestehen.33 Für diese Entscheidung stützte sich Löser auf den 38. Artikel der kursächsischen Land- und Ausschusstagsordnung von 1728, in dem festgelegt war, das „diejenigen, welche in causis famosis durch eingeholte Urteil und Recht überführet, oder condemniret, oder denen die Special-Jnquisition zuerkannt“ zu den Sessionen der Land- und Ausschusstage nicht zugelassen seien.34 Gegen diesen Ausschluss setzte sich Eberstein nun zur Wehr und versuchte zunächst, Löser in verschiedenen Schreiben seine Sicht der Dinge zu schildern. Da Löser aber noch nicht einmal bereit war, auf diese Schreiben zu antworten und eine nachträgliche Zulassung zum Landtag damit nicht zu erwarten war, reiste Eberstein schließlich nach ein paar Tagen unverrichteter Dinge aus Dresden ab und begab sich nach Erfurt. Aber verdaut hatte er diese Angelegenheit nach seiner Abreise keineswegs. Und so setzte Eberstein am 26. Januar 1799 einen Brief an Löser auf, in dem er erklärte, dass er sich durch die verweigerte Zulassung zum Landtag „auf das äuserste“ beleidigt sehe. Zugleich warf er Löser vor, dieser habe durch die verweigerte Zulassung versucht, seiner, also Ebersteins, „Ehren und Geburth einen Schandfleck“ anzuhängen.35 Verstärkt worden sei dies noch dadurch, dass Löser auf seine schriftlichen Rechtfertigungen nicht reagiert hatte. Dies alles machte es für ihn aber unumgänglich, so Eberstein weiter, von Löser für die „zugefügte beleidigung eine [s]einer [also Ebersteins] Ehre, Geburt und Stand angemessene Satisfaction und Genugthuung“ zu verlangen. Denn seine „Geburt und Stand“ verböten ihm, „dergleichen Beleidigung zu ertragen“. Argumentativ unterstrich Eberstein diese Satisfaktionsforderung bei Amtssassen waren die Ämter als landesherrliche Regionalbehörden zwischengeschaltet. Wie weiter oben bereits ausgeführt, hatten die schriftsässigen Rittergutsbesitzer Sitz und Stimme in der Ständeversammlung, wenn sie denn eine entsprechende Ahnenprobe vorweisen konnten. Amtssässige Adlige konnten hingegen nur Deputierte entsenden und ein solcher – für das Amt Weißenfels – war Eberstein. 33 Eine Position die später durch das am 20. August 1799 erteilte Urteil des Leipziger Schöffenstuhls bestätigt wurde. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/4, Bl. 76a–78b, hier Bl. 77b. 34 Ein Extrakt der Ordnung findet sich ebenfalls in: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/4, Bl. 65a. 35 Siehe die Forderung Ebersteins an Löser: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/4, Bl. 62a–63a, hier Bl. 62a.
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs181
noch mit der Erklärung, dass er sich zu dieser Reaktion gezwungen sähe, da Löser ihn ja erst recht verabscheuen würde, wenn er eine derartige Beleidigung auf sich sitzen ließe und keine Genugtuung forderte.36 Löser verstand dies als Ausforderung zum Duell und so war das Schreiben vermutlich auch gemeint. Aber Löser kam keineswegs auf die Idee, in diese Duellforderung einzuwilligen. Vielmehr zeigte er die Sache einfach auf dem Landtag an. Dieser überprüfte zunächst die Richtigkeit des seinerzeit von Löser durchgeführten Ausschlussverfahrens gegen Eberstein und als man nach eingehender Beratung zu dem Ergebnis gekommen war, dass alles korrekt und der Land- und Ausschusstagsordnung gemäß verlaufen war, wandten sich die Vertreter von Ritterschaft und Städten schließlich am 11. Februar 1799 mit einem Schreiben an den Kurfürsten. Darin baten sie darum, dass von kurfürstlicher Seite wegen unerlaubter Duellforderung ein Verfahren gegen Eberstein eröffnet werden sollte, damit der Erbmarschall „vor allen weiteren Beleidigungen des von Eberstein auf immer vollkommen“ sicher sein könne.37 Der sächsische Kurfürst Friedrich August III. zögerte nicht lange und befahl, dass Eberstein in Erfurt verhaftet und – da diese Stadt nicht in Kursachsen lag – in das an der Grenze gelegene kursächsische Tennstedt im Amt Langensalza überstellt werden sollte. Wie befohlen so geschehen. In Tennstedt machte man Eberstein dann von Amts wegen den Prozess, in dessen Ergebnis er schließlich für seine Duellforderung zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde.38 Eine Strafe die offensichtlich nicht abgemildert wurde, was im Rahmen der Urteilspraxis in Duellvergehen ausgesprochen bemerkenswert ist.39 Der Versuch Ebersteins, den Ausschluss vom Landtag als Beleidigung zu werten und mit Verweis auf diese Deutung eine Wiederherstellung seiner Ehre im Duell zu fordern, war also gründlich gescheitert. Der Landtag als ständische Vertretung des Landes hatte sich zugleich über den Ausschluss Ebersteins und die kollektiv geforderte Bestrafung für seinen Angriff auf ihren Repräsentanten symbolisch wirkungsvoll formiert. Die Gruppe stand eng beisammen und Eberstein stand draußen. 36 Siehe die Forderung Ebersteins an Löser: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/4, Bl. 62a–63a, hier Bl. 62b. 37 Das Schreiben der Vertreter der Ritterschaft und Städte: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/4, Bl. 58a–61a. Unterschrieben worden war dieses Schreiben sowohl von den Vorsitzenden der sieben Kreise (Kurkreis sowie Thüringer, Meißner, Erzgebirgischer, Leipziger, Vogtländischer und Neustädter Kreis), vom Direktor und Kondirektor des weiten Ausschusses, den Direktoren und Kondirektoren der Ritterschaft in den sieben Kreisen sowie den sieben Vertretern der Städte Leipzig, Wittenberg, Dresden, Zwickau, Langensalza, Plauen und Neustadt an der Orla. 38 Das Urteil des Leipziger Schöffenstuhls: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/4, Bl. 76a–78b. 39 Siehe dazu Kap. III. 4. in dieser Arbeit.
182
IV. Akteursgruppen
Betrachtet man abschließend die Zahl einschlägiger Verfahren, in die Adlige involviert waren, insgesamt, zeigt sich, dass Duelle und Injurien, die im Kontext der Duellmandate verhandelt wurden, zwar durchaus ein Thema für die adlige Gesellschaft waren, aber zum Dauerbrenner avancierten sie nicht. Ehrkonflikte im Allgemeinen und Duelle im Besonderen waren vielmehr Teil einer adligen Geselligkeitskultur. Doch ein eng umgrenzter Regelkanon, wie solche Konflikte zu lösen waren, fehlte ebenso wie das übergreifende Bewusstsein, dass man auf Beleidigungen dringend und zwingend mit einem Duell reagieren musste. Hinzu kam, dass Ehrkonflikte unter Adligen keineswegs immer als Duelle ausgetragen beziehungsweise in der nachträglichen Etikettierung als Duelle oder duellmandatsrelevante Vergehen begriffen wurden. Exemplarisch verdeutlicht werden soll dies mit einer Aufstellung adliger Gewaltvergehen in Preußisch-Pommern (Tab. 5). Hier kann aufgrund einer zeitgenössisch separat geführten gerichtlichen Aktenablage gezeigt werden, dass keineswegs alle verbalen Attacken und tätlichen Angriffe, in die Adlige involviert waren und die man nach den Duellmandaten hätte verhandeln können, auch nach diesen verhandelt wurden. In der Gesamtschau entsteht hier also das Bild einer weitgehend unspezifisch bleibenden adligen Gewaltkultur. Tabelle 5 Verteilung aktenkundig gewordener Gewaltdelikte Adliger in Preußisch-Pommern 1685–1745 Gewaltvergehen, Zahl der die nicht Gerichtsfälle insgesamt nach den Duellmandaten verhandelt wurden
Zeitspanne
Duelle und Duellforderungen
andere Vergehen gegen das Duellmandat
1685–1694
3
3
3
9
1695–1704
4
7
1
12
1705–1714
11
15
20
46
1715–1724
9
19
26
54
1725–1734
8
8
10
26
1735–1744
0
3
1
4
1745
1
2
1
4
Summe
36
57
62
155
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs183
Offenbar drängten weder die Protagonisten noch die Gerichte darauf, all jene Gewaltakte, die grundsätzlich nach den Duellmandaten verhandelbar gewesen wären, auch nach den Duellmandaten zu verhandeln. Schlüssig erklärt werden kann dies meines Erachtens mit dem offensichtlich begrenzten distinktiven Mehrwert eines solchen Vorgehens. Das bedeutet aber letztlich, dass auch dem Duell für die Gruppe des Adels im Untersuchungszeitraum nur bedingt der Charakter einer distinktiven Strategie zugewiesen werden kann. b) Militärangehörige Mit Blick auf die Frage nach auffälligen Gruppenkonstellationen sticht neben der geburtsständisch abgrenzbaren Gruppe des Adels die Zugehörigkeit zur berufsständisch organisierten Gruppe des Militärs hervor. Dem Militär lassen sich mit 433 von insgesamt 1.018 knapp die Hälfte (43 Prozent) all der Personen zuordnen, die im Rahmen des hier untersuchten Samples von Duellen beziehungsweise Vergehen gegen die Duellmandate als Konfliktparteien erfasst wurden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass zwischen der Formation des Adels und der Gruppe des Militärs erhebliche Überschneidungen zu verzeichnen sind.40 Bei den erfassten Militärangehörigen handelt es sich zumeist um Offiziere.41 Der Umstand, dass sich neben Offizieren ebenso einfache Soldaten, Militärhandwerker und -musiker finden lassen, weist aber ganz ähnlich wie im zivilen Bereich darauf hin, dass das Duell nicht als sozial exklusive Praktik verstanden werden kann. Die relativ geringe Zahl der Soldaten, Militärhandwerker und -musiker zeigt indessen auch hier an, dass die fehlende soziale Exklusivität der frühneuzeitlichen Duellkultur offenbar nicht dazu führte, dass das Duell von Vertretern geburts- oder ständisch nachgeordneter Gruppen zur distinktiven Aufwertung genutzt wurde. Aber dessen ungeachtet haben Militärangehörige insgesamt als typische Duellanten zu gelten, ein Befund, der für andere Regionen und Zeiten ganz ähnlich ausfällt. Dies ist im Grunde wenig verwunderlich, denn zweifellos bestärkten sich das gewaltsame Habituskonzept dieser Gruppe und die Selbstverständlichkeit, Ehrenkämpfe auch mit Waffengewalt auszutragen, wechselseitig.42 40 Siehe
dazu der Überblick in Tab. 3 am Beginn dieses Kapitels. von 433 erfassten Personen können diesen Gruppen zugerechnet werden, das entspricht immerhin 92 %. 42 Dass dies auch in anderen europäischen Ländern und zu anderen Zeiten so war, zeigt eine ganze Reihe einschlägiger Untersuchungen. Für Frankreich siehe etwa: Serna, Corps morts et paroles vives, S. 363; Carroll, Blood and Violence, 41 399
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IV. Akteursgruppen
Wie schon beim Adel zu beobachten war, bestand auch innerhalb dieser Formation eine Verschränkung zwischen Geselligkeits- und Streitkultur. Man kannte sich, traf bei verschiedenen Gelegenheiten immer wieder zusammen und irgendwann entstand bei einem solchen Zusammentreffen aus einem Scherz, einem Missverständnis, aus einem schon lang gehegten Groll oder auch nur aus einem Bericht über eine missverständliche Aussage Dritter ein Ehrkonflikt, der sich unter Umständen bis in einen bewaffneten Kampf steigern konnte.43 Inwieweit bei derartigen Zusammenkünften adlige und nichtadlige Offiziere gemeinsam am Tisch saßen, lässt sich zumeist nicht mehr feststellen. Allerdings ist beim frühneuzeitlichen Offizierskorps durchaus von einer begrenzten, aber gerade in den unteren Offiziersrängen deutlich erkennbaren geburtsständischen Durchmischung auszugehen. Wie auf der Basis punktueller Erhebungen von Offiziersverzeichnissen aufgezeigt werden kann, stellten zumindest im 18. Jahrhundert Personen nichtadliger Herkunft etwa ein Drittel der Offiziere in Schwedisch-Pommern (34 Prozent) und Kursachsen (26 Prozent).44 Für Preußen verweist Georg Hebbelmann in seiner S. 147–157; Geifes, Das Duell, S. 160–171; für Italien: Hughes, Soldiers and Gentlemen; für England: Manning, Swordsmen; Shoemaker, The Taming of the Duel. 43 Zum Verlauf und der Logik derartiger Konflikte siehe Kap. V. in dieser Arbeit. 44 Im Rahmen dieser Untersuchung konnten angesichts des damit verbundenen Arbeitsaufwandes lediglich punktuell Rang- und Stammlisten erhobenen werden. Für Schwedisch-Pommern wurde dabei die gedruckt vorliegende Offizier-Stammund Rangliste des Pommerschen Füsilier-Regiments Nr. 34 von 1720 bis 1806 ausgewertet. Hierbei handelt es sich um ein schwedisches Infanterieregiment, das hauptsächlich in Schwedisch-Pommern stationiert war. Von den insgesamt 382 verzeichneten Offizieren, die für die Zeit bis 1806 (Dienstantritt) erhoben wurden, waren 130 bürgerlich (34 %). Demgegenüber finden sich 237 adlige Offiziere (62 %) und zehn geadelte Offiziere (3 %). In fünf Fällen war eine eindeutige Zuordnung nicht möglich. Zur Datengrundlage siehe: Backstrom (Bearb.), Offizier-Stamm und Rangliste. Für Kursachsen wurde zunächst ein handschriftliches Verzeichnis genutzt: SLUB, Dresden Mscr. K39: Rangliste der ChurFürstl. Sächs. Generals auch Staabs- und Oberofficiers Anno 1769. Von den 1.840 hier verzeichneten Offizieren waren 1.368 adliger und 472 bürgerlicher Herkunft. Verzeichnet und damit auch bei der Auszählung erfasst wurden Offiziere ab der Position des Sousleutnants. Daneben konnte auf die Auszählung der entsprechenden Offiziersstellen im Militärstaat für das Jahr 1765 bzw. 1781 zurückgegriffen werden. Von den insgesamt 1.081 verzeichneten Stellen waren 802 (74 %) mit Adligen besetzt. Siehe die Auswertung bei Matzerath, Adelsprobe an der Moderne, S. 518–524. Zweifellos handelt es sich bei diesen Erhebungen mit Blick auf die zeitliche Verteilung des Untersuchungssamples um ein vergleichsweise spätes Beispiel, bei dem der Anteil bürgerlicher Offiziere womöglich im Unterschied zu der Zeit vor und um 1700 vergleichsweise hoch war. Hinzu kam, dass nach dem Siebenjährigen Krieg (1756–1763) sicherlich mit ‚Auffüllphänomenen‘ zu rechnen ist, die zu einer Erhö-
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs185
umfassenden prosopographischen Studie zum Offizierskorps immerhin noch auf einen zehnprozentigen Anteil nichtadliger Offiziere.45 In einigen anderen Regionen des Alten Reiches lag der Anteil nichtadliger Offiziere gerade in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts sogar noch höher als in Schwedisch-Pommern oder Kursachsen: So verweist Heinz Reif auf einen Anteil von circa 50 Prozent bürgerlicher Offiziere im Militär des Fürstbistums Münster.46 Für das Bayrische Offizierskorps der Jahre 1781 bis 1805 gibt Angela Karl mit 44 Prozent einen ähnlich hohen Anteil bürgerlicher Offiziere an.47 In der Gesamttendenz ist dabei davon auszugehen, dass der Prozentsatz bürgerlicher Offiziere von der Mitte des 17. bis zum Ende des 18. Jahrhunderts sukzessive gestiegen ist. Jenseits dieser großen Entwicklungslinie ist allerdings phasenweise auch mit rück- und gegenläufigen Entwicklungen zu rechnen.48 Zudem bestanden mehr oder weniger deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Waffengattungen49 beziehungsweise zwischen hung des bürgerlichen Anteils geführt haben dürften. Die ursprünglich als Vergleichswert vorgesehene Erhebung eines zeitlich übergreifenden gedruckten Verzeichnisses der kursächsischen Offiziere (Verlohren, Stammregister und Chronik der Kur- und Königlich Sächsischen Armee) erwies sich allerdings als unvollständig und dabei als zu selektiv-adlig. Von den hier für den Zeitraum 1636–1806 im aktiven Dienst verzeichneten 4.838 Offizieren, waren 4.646 Adlige (96 %) und 192 Bürgerliche (4 %). 45 Für die preußische Gesamtarmee verweist Georg Hebbelmann auf der Basis von 32.554 Datensätzen für die Zeit von 1713 bis 1786 auf einen durchschnittlichen Anteil bürgerlicher Offiziere von 10,1 %. Hebbelmann, Das preußische „Offizierkorps“, S. 183. 46 Reif, Westfälischer Adel, S. 159. Leider spezifiziert er diesen Wert nicht genauer. 47 Karl, Chargenhandel im bayerischen Offizierkorps, S. 84. 48 Hebbelmann, Das preußische „Offizierkorps“, S. 183–185 kann zwar insgesamt eine kontinuierliche prozentuale Zunahme bürgerlicher Offiziere feststellen, aber in den Garnisonsregimentern ging ihr Anteil von 23,4 % (02/1713–05/1740) in der Jahrhundertmitte zunächst deutlich zurück – anfangs auf 10,4 % (06/1740–07/1756), dann sogar auf 8,6 % (08/1756–02/1763) – um erst nach dem Siebenjährigen Krieg wieder auf nun 38,9 % anzusteigen (03/1763–08/1786). Gahlen betont für Bayern, dass in der von ihr untersuchten Zeit von 1815–1866 gerade kein kontinuierlicher Verbürgerlichungsprozess zu beobachten ist, sondern auch langgestreckte Phasen der Rearistokratisierung. Gahlen, Das bayerische Offizierskorps, S. 225–227. 49 Unterschiede zwischen den Waffengattungen können nur vereinzelt nachgewiesen werden. So variieren der Anteil Bürgerlicher unter den Offizieren zwischen den Kavallerie- und Infanterieregimentern aus der kursächsischen Erhebung des Jahres 1769, wenn auch nur minimal. (Kavallerieregimenter 21 % und Infanterieregimenter 25 %). Allerdings heben sich das Ingenieurcorps mit einem Anteil Bürgerlicher von 90 % (37 von 41 Offizieren) und das Artilleriecorps mit 79 % bürgerlichen Offizieren (61 von 77) deutlich von den anderen Regimentern ab. Für Bayern stellt Karl bis auf die Gruppe der Generalität keinerlei Unterschiede zwischen Infanterie
186
IV. Akteursgruppen
Garnisons- und Feldregimentern.50 Aber summa summarum kann in jedem Fall doch mit einer erkennbaren geburtsständischen Durchmischung des Offizierskorps gerechnet werden, was die Frage nahe legt, ob bei den innermilitärischen Ehrkonflikten Anfänge geburtsständisch-egalitärer Gruppenkonstellationen beobachtet werden können oder doch wenigstens eine strategische Nutzung des Duells durch nichtadlige Offiziere. Eine einfache Auszählung scheint zunächst zu einem positiven Befund zu führen, denn der Anteil bürgerlicher Offiziere im Untersuchungssample lag tendenziell höher als ihr durchschnittlicher Anteil am Offizierskorps in der Untersuchungszeit (Tab. 6). Konkret heißt dies, dass insgesamt knapp 40 Prozent der im Sample erfassten Offiziere nicht adliger Abstammung waren. Und auch wenn sich hier in Abhängigkeit von verschiedenen Regionen das Verhältnis von adligen und nichtadligen Militärangehörigen durchaus verschieden gestaltete, so weist dieser Befund doch insgesamt eine klar erkennbare Tendenz auf. Tabelle 6 Verteilung adliger und nichtadliger Militärangehöriger des Untersuchungssamples (1637–1806) nach Regionen Militär angehörige
Insgesamt
Mecklen- Kur- Preußisch- Schwedisch- Schwed. andere Summe burg sachsen Pommern Pommern Hofgerichte (ohne Pommern) 18
260
60
57
36
2
433
8 (44 %)
17 (7 %)
2 (3 %)
2 (4 %)
3 (8 %)
2
34 (8 %)
10
243
58
55
33
0
399
davon adlige Offiziere
3 (30 %)
165 (68 %)
55 (95 %)
26 (47 %)
2 (6 %)
0
251 (63 %)
davon nichtadlig Offiziere
7 (70 %)
78 (32 %)
3 (5 %)
29 (53 %)
31 (94 %)
0
148 (37 %)
keine Offiziere Offiziere
und Kavallerie fest (Fahnenjunker jeweils 72,2 % Bürgerliche, Unterkapitäne und Rittmeister 50,6 % (Inf.) und 50,8 % (Kav.), in den Chargen vom Major bis zum Oberst 12,3 % (Inf.) bzw. 12,1 % (Kav.) sowie in der Generalität 1,9 % (Inf.) bzw. 0 % (Kav).) Karl, Chargenhandel im bayerischen Offizierkorps, S. 85. 50 Hebbelmann, Das preußische „Offizierkorps“, S. 185, verweist auf der Basis von 3.115 Datensätzen auf durchschnittlich 27 % Bürgerliche im Offizierskorps in den Garnisonsregimentern. Der Anteil Bürgerlicher in den Feldregimentern war mit durchschnittlich 4,6 % entsprechend geringer.
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs187
Diese Übersicht bedarf allerdings in zwei Punkten der Relativierung: Zum einen erklärt sich der überdurchschnittlich hohe Anteil adliger Offiziere in Preußisch-Pommern zumindest teilweise aus der spezifischen Überlieferungssituation des hierfür erhobenen Samples einer dezidiert adlige Gewaltakte umfassenden Ablage. Entsprechend niedrig lag der Anteil Bürgerlicher im Sample und unterschritt sogar noch den durchschnittlichen Anteil Bürgerlicher im Offizierskorps.51 Zum anderen ist für die Fälle vor den schwedischen Hofgerichten und bis zu einem gewissen Grad auch für Schwedisch-Pommern zu berücksichtigen, dass im Schwedischen das einfache Adelsattribut ‚von‘ im Unterschied zum Deutschen häufig nicht im Namen enthalten ist, eine ständische Zuordnung daher nicht immer sicher getroffen werden konnte.52 Hinzu kommt, dass im schwedischen Militär der Anteil Bürgerlicher zwar in den unteren Offiziersrängen vergleichsweise hoch war, aber im Rahmen der Beförderung zugleich eine ausgreifende Nobilitierungspraxis auszumachen ist, denn Bürgerliche im Militärdienst konnten ab den Chargen als Major und Kapitän mit einer Nobilitierung rechnen.53 Ob eine Nobilitierung bereits für den konkreten Zeitpunkt des erfassten Verfahrens vorlag, lässt sich in den meisten Fällen nicht sicher bestimmen, so dass sich im Sample womöglich einige fälsch licherweise noch als bürgerlich verbuchte Majore und Kapitäne finden. Doch beide Relativierungen ändern nichts an der grundsätzlichen Tendenz, in der deutlich wird, dass der Anteil bürgerlicher Militärangehöriger im Sample vergleichsweise hoch ausfällt. Sieht man also von den genannten Unsicherheitsfaktoren einmal ab, so ließe sich gerade für Kursachsen und Schwedisch-Pommern durchaus mutmaßen, dass Bürgerliche hier nicht nur vermehrt im Korps anzutreffen waren, sondern auch einen erhöhten Bedarf hatten, über Duelle oder aber entsprechende Injurienverfahren ihre Zugehörigkeit zur Gruppe zu markieren. Bei einem zweiten Blick auf das Material relativiert sich dieser Eindruck jedoch. Denn aus der Zahl nichtadliger Offiziere lässt sich bei genauerer Betrachtung eben doch nicht ohne Weiteres auf eine Überlagerung geburtsständischer Differenz durch eine berufsständische Gemeinsamkeit schließen. So ist zunächst festzustellen, dass der Anteil adliger Militärangehöriger unter den Protagonisten des Samples im Laufe der Zeit nicht ab, sondern tendenziell zunahm, was einer umgekehrten Entwicklung des Adelsanteils 51 Hebbelmann,
Das preußische „Offizierkorps“, S. 183. wurde das Adelsattribut ‚von‘ gerade unter den ‚deutschstämmigen‘ Schwedenkönigen Friedrich (1676–1751) und Adolf Friedrich (1710–1771) häufiger mit verliehen, grundsätzliche Zuordnungen allein über den Namen verbieten sich aber dennoch. 53 Elmroth, Från överklass till medelklass, S. 305. 52 Zwar
188
IV. Akteursgruppen
120
Militärangehörige insg.
100
adlige Militärangehörige
80
nichtadlige Militärangehörige
60 40 20
1797–1806
1787–1796
1777–1786
1767–1776
1757–1766
1747–1756
1737–1746
1727–1736
1717–1726
1707–1716
1697–1706
1687–1696
1677–1686
1667–1676
1657–1666
1647–1656
1637–1646
0
Grafik 3: Verteilung adliger und bürgerlicher Militärangehöriger des Untersuchungssamples nach Dekaden (1637–1806).
im Korps insgesamt entsprochen haben dürfte. War bis 1706 der Anteil bürgerlicher Militärangehöriger bei den erfassten Fällen immer höher als der adliger, so kehrte sich dieses Verhältnis zueinander (bei insgesamt rückläufiger Tendenz der absoluten Verfahrenszahlen) nach 1706 um (Grafik 3). Zudem ist zu konstatieren, dass geburtsständisch gemischte Konstellationen unter den erhobenen Fällen deutlich in der Minderheit sind. Die benannten 433 Militärangehörigen aus dem Sample verteilen sich auf insgesamt 287 Verfahren. In 248 dieser insgesamt 287 Verfahren konnten beide Konfliktparteien ermittelt werden, allerdings handelt es sich nur in 146 Fällen auf beiden Seiten um Militärangehörige.54 Betrachtet man nun diese 146 Fälle, so stehen 71 rein adeligen und 49 nichtadligen Konstellationen lediglich 26 Fälle gegenüber, in denen der Konflikt zwischen einem adligen und einem nichtadligen Militärangehörigen ausgetragen wurde, in 25 Fällen waren dies zwei Offiziere. Das bedeutet, bei nicht einmal einem Fünftel der verzeichneten Konflikte zwischen zwei Militärangehörigen kann überhaupt von einer erkennbaren Überlagerung der geburtsständischen Differenz durch die berufsständische Gemeinsamkeit gesprochen werden. Hinzu kommt, dass die nicht unerhebliche Zahl von Konflikten zwischen zwei nichtadligen beziehungsweise zwei adligen Kontrahenten durchaus den Schluss zulässt, dass die Verkehrskreise innerhalb des Korps eher separiert blieben. Aber immerhin kann angesichts des Gewaltverhaltens nichtadliger Offiziere her54 Innerhalb dieses Detailsamples von 292 Militärangehörigen stellten Adlige mit 162 Personen 57 %, was dem für alle Militärangehörigen erhobenen Anteil völlig entspricht.
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs189
ausgestellt werden, dass diese Gruppe tendenziell eine mit adligen Offizieren vergleichbare Gewaltkultur pflegte. Aber das für die Duellpraxis des 19. Jahrhunderts gern ins Feld geführte Argument, dass sich über das Duell als korporativ-distinktiv wirkender Praktik ein geburtsständisch übergreifender Korpsgeist etablierte,55 kann daher für das Alte Reich nicht ohne Weiteres Geltung beanspruchen. Wobei damit nicht in Abrede gestellt werden soll, dass die kleine, aber eben doch merkliche Zahl einer geburtsständisch gemischten Konfliktkonstellation bei innermilitärischen Auseinandersetzungen innerhalb der vormodernen ständischen Gesellschaft interessant ist. Aber es bleibt doch fraglich, ob diese wenigen Beispiele wie auch die Duellfälle zwischen Offizieren bürgerlicher Herkunft als hinreichender Beleg dafür gelten können, dass bürgerliche Offiziere Duelle und einschlägige Verfahren nach dem Duellmandat gezielt als ‚Integrationsmaßnahme‘ nutzten oder durch eine solche Deutung ein übergreifend anzutreffendes Gewaltverhalten nicht zu einseitig gedeutet werden würde. Denn eine entsprechende gerichtliche Verhandlung einschlägiger Konflikte bürgerlicher Offiziere nach den Duellmandaten ist angesichts des gesetzlichen Rahmens wenig verwunderlich. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass ein entsprechend gewaltfreudiges Verhalten unter Offizieren keine grundsätzlich neue Erscheinung war und ebenso wie in anderen Bereichen der Gesellschaft vielfältige Prozesse der Neu- und Umdeutung unter dem Label Duell anzusetzen sind. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Fälle, in die Soldaten, Militärhandwerker und -musiker involviert waren.56 Verweist die erste Gruppe vor allem auf die fehlende soziale Exklusivität des Duells in einer übergreifenden Gruppe von ‚Kriegern‘, legen die Militärhandwerker und -musiker den Schluss nahe, dass unter den männlichen Nichtmilitärs nicht nur das Ideal des kämpfenden Mannes bedeutsam war, sondern ebenso das Duell als Form des Konfliktaustrags innerhalb der Gesamtformation des Militärs ‚Nachahmer‘ fand. Allerdings lassen es die insgesamt geringen Fallzahlen kaum zu, ernsthaft von einem sozial relevanten Phänomen zu sprechen. Dies zeigt sich mit Blick auf die Gruppe der Soldaten gerade bei einem Vergleich mit den französischen Verhältnissen, denn hier stellten einfache Soldaten im 18. Jahrhundert einen erheblichen Teil der Duellanten.57 Zugleich wird gerade für die Gruppe der Soldaten ein Phänomen erkennbar, das bei den später noch genauer zu betrachtenden Handwerkerduellen wiederbegegnen wird. dazu etwa Gahlen, Das Duell im bayerischen Offizierskorps, S. 267 f. 27 Soldaten finden sich auch fünf Militärhandwerker und zwei Militärmusiker. Zudem konnten noch zwei ehemalige Soldaten erfasst werden. Vgl. Tab. 3 am Beginn dieses Kapitels. 57 Vgl. dazu: Brioist/Drévillon/Serna, Croiser le fer, S. 363. 55 Siehe
56 Neben
190
IV. Akteursgruppen
Denn innerhalb der Gruppe der Soldaten, die durchaus für ihre Affinität zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bekannt ist, finden sich zwar vereinzelte Duelle, aber eine gezielte strategische Nutzung des Duells für distinktive Belange lässt sich gerade nicht feststellen. Eine Beobachtung die also wenig über die Gewaltkultur der Soldaten aussagt, aber einiges über die fehlende Bedeutung des Duells als distinktiv bedeutsamer Gewaltform. Insgesamt wurden geburtsständische Differenzen im Rahmen der vor Gericht präsentierten Konflikte dann auch nicht thematisiert. Ganz ähnlich verhält es sich bemerkenswerterweise mit Rangunterschieden. Einer der seltenen Fälle, in denen Rangunterschiede doch einmal thematisiert wurden, ist die Auseinandersetzung zwischen dem Kapitän Fricken und dem Fähnrich Sydow. Ausgangspunkt war hier die Bemerkung Frickens, dass sich die unteren Offiziersränge, also auch die Gruppe der Fähnriche, widerrechtlich gemeinsam mit den Kapitänen in einem Kirchengestühl der Stettiner Marienkirche aufhielten und sich daher fernhalten sollten.58 Später erweiterte Fricken diese Forderung noch dahingehend, dass er generell verlangte, dass sich die verschiedenen Statusgruppen „doch nur in Jhren graden vor sich halten“ sollten. Der persönlich angesprochene Sydow widersprach solchen Forderungen energisch und erklärte mit Blick auf die übliche Praxis, dass ihm eine solche Separierung neu sei, vielmehr hätte er ganz im Gegenteil mit den verschiedensten Dienstgraden Umgang. Sydow verwies hier also ganz dezidiert auf seine akzeptierte Zugehörigkeit zum Offizierskorps als Ganzes.59 Aber der Verweis auf derartige Rangkonflikte – vorgeschoben oder nicht – war die absolute Ausnahme. Und im Unterschied zu den Beobachtungen zur geburtsständischen Separierung in den Konflikten, beleidigten, stritten und duellierten sich Vertreter der verschiedenen, zumeist unteren Offiziersränge bunt durcheinander. Dies offenbart sich auch bei einem Blick auf die Geselligkeitskultur der Offiziere, in deren Kontext Konflikte nicht selten entstanden. So feierten etwa bei einem Fest in dem seinerzeit holsteinischen Städtchen Sonderburg60 Oberstleutnants und Rittmeister mit einfachen Fähnrichen (Kornetts) gemeinsam, ohne dass innerhalb der Tafelrunde die verschiedenen Dienstgrade zum Tragen kamen.61 Auch dem Duell zwi58 LAG, Rep. 31, Nr. 389, hier Bl. 19a. Zum Fall siehe auch: Ludwig, Von Scherzen und Duellen, S. 389–394. 59 LAG, Rep. 31, Nr. 389, Bl. 21a, b. 60 Dabei handelt es sich um das heute dänische Städtchen Sønderborg auf der Ostseeinsel Alsen. Vgl. hierzu Åberg (Ed.), Fältmarskalken Rutger von Aschebergs Journal, S. 32. 61 RAS, Justitierevisionen utslagshandlingar oresolverade, 1662, August/09 [o. Pag.], zu den beteiligten Personen siehe die artikulierten Fragstücken (No. 2).
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs191
schen Major Friedrich Wilhelm von Meyer und dem Rittmeister Johann Georg Ludwig Freiherr von Werthern von Vitzhum, bei dem letzterer starb, ging ein gemeinsames Essen in größerer Runde voraus. Hier saßen eines Abends im Jahr 1761 im Sangerhausener Gasthof zum „Schleendorne“ Majore, Obristleutnants und Rittmeister beim gemeinsamen Mahl, ehe die Situation eskalierte.62 Innerhalb des Militärs zeigt sich damit, dass zumindest in bestimmten Rahmenkonstellationen die innermilitärische Rangordnung der verschiedenen Offiziersgrade zurücktrat und für die Geselligkeitskultur – zumindest dann, wenn man adliger Abstammung war – in erster Linie die prinzipielle Zugehörigkeit zum Offizierskorps relevant war. Auf die grundsätzliche Bedeutung geburtsständischer Unterschiede deutet dabei noch eine weitere Beobachtung. Denn es scheint kaum sinnvoll zu sein, die im Sample erkennbare Affinität der Militärangehörigen zum Duell ausschließlich mit einer Stoßrichtung in das Militär hinein zu deuten, da im erhobenen Sample in immerhin 101 Fällen berufsständisch gemischte Konstellationen vorliegen, in die Angehörige des Militärs involviert waren (Tab. 7). Tabelle 7 Berufsständisch gemischte Fälle mit Beteiligung von Militärangehörigen Berufsständisch gemischte Konflikte
101
adliger Militär vs. adliger Zivilist
58
adliger Militär vs. nichtadliger Zivilist
9
nichtadliger Militär vs. adliger Zivilist
13
nichtadliger Militär vs. nichtadliger Zivilist
21
Diese tabellarische Übersicht macht ganz generell deutlich, dass die Durchmischung von militärischer und ziviler Sphäre mit Blick auf die vormoderne Duellkultur nicht zu vernachlässigen ist. Ein Befund, der eigentlich kaum überrascht, denn in der Forschung zum frühneuzeitlichen Militär ist mit Nachdruck darauf verwiesen worden, dass das Militär – und damit auch das Offizierskorps – deutlich in die sie umgebende zivile Gesellschaft eingebunden war.63 Hinzu kommt, dass gerade adlige Offiziere immer wieder 62 SächsHStA Dresden 10026, Loc. 1405/2, Bl. 187a–196b u. letztes Stück im Band [o. Pag.]. 63 Basal hierzu Pröve, Stehendes Herr und städtische Gesellschaft; für Schwedisch-Pommern siehe auch Kroll, Stadtgesellschaft und Krieg, S. 70–73.
192
IV. Akteursgruppen
auf ihren Landgütern anzutreffen waren, auf denen sie sich mehr oder weniger lang aufhielten. Neben Adligen, die ihren Dienst bereits quittiert hatten, waren in der ‚zivilen Gesellschaft‘ auch eine ganze Reihe Offiziere anzutreffen, die (gerade in Friedenszeiten) kurz pausierten. Hier kann zumindest für die Gruppe des Adels durchaus von einem Parallelphänomen zum Reserveoffizier des 19. Jahrhunderts gesprochen werden.64 Eine strikte Trennung zwischen den männlichen Mitgliedern des Landadels und dem einheimischen Offizierskorps ist daher für das 17. und 18. Jahrhundert kaum sinnvoll. Aber auch jenseits dieser Verquickung zwischen Adel und Offizierskorps kam es besonders in Städten – vor allem dann, wenn es sich um Garnisonsstädte handelte – zu vielfältigen Kontakten zwischen verschiedenen berufsständischen Gruppen. Gerade die städtischen Gast- und Schankhäuser boten als typische Orte vormoderner Öffentlichkeit65 den Rahmen für solche Begegnungen. Hier trafen adlige Militärs nicht nur auf den Adel der Gegend, sondern ebenso auf Bürger, hier feierten Offiziere neben Studenten und begegneten sich Handwerker und Soldaten beim Feierabendtrunk. Und bei all diesen Gelegenheiten konnten Konflikte entstehen, die im Zweifel später unter das Duellmandat fielen. Neben diesen punktuellen Begegnungen, bei denen eher zufällig Konflikte entstanden, kam gerade in kleinen und mittelgroßen Städten berufsständisch gemischten Verkehrskreisen66 eine große Bedeutung zu, da die personell begrenzte Situation vor Ort hier verstärkt dazu führte, dass sich die Vertreter der verschiedenen ‚Elitegruppen‘ zusammenfanden, um überhaupt so etwas wie einen mehr oder weniger exklusiven Kreis für eine gemeinsame Geselligkeitskultur zu schaffen.67 64 Dementsprechend ist dann auch eine Militarisierung der adligen Gesellschaft anzusetzen, die freilich in der Frühen Neuzeit keine neue Erscheinung war, sondern traditionell schon länger bestand. 65 Schwerhoff, Öffentliche Räume und politische Kultur; Schwerhoff, Stadt und Öffentlichkeit. 66 Unter Verkehrskreis soll dabei ganz grundsätzlich eine Gruppe von Personen verstanden werden, die in einem regelmäßigen, persönlichen und tendenziell als egalitär zu charakterisierenden Kontakt standen. Gerade mit Blick auf die tendenziell egalitäre Position der Interaktionspartner ergibt sich eine deutliche Abgrenzung der Verkehrskreise gegenüber Netzwerken, in denen Hierarchiegrenzen typischer Weise überschritten werden. Vgl. zur Netzwerktheorie: Reinhard, Freunde und Kreaturen. In diesem Sinne handelt es sich bei Verkehrskreisen um besondere Formen sozialer Gruppen. Zu Fragen der Definition ‚sozialer Gruppen‘ ist immer noch instruktiv: Neidhardt, Themen und Thesen zur Gruppensoziologie. 67 Siehe dazu etwa den später in Kap. V. 3. noch näher vorgestellten Wismarer Fall um den Baron Koskuhl aus dem Jahr 1769: SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913 oder den weiter unten näher vorgestellten Fall des Konflikts des Lübecker Kaufmanns Fock mit Kapitän von Rosenholz und dem Leutnant Friedrich Wille brandt. LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263.
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs193
Besonders bemerkenswerter an den im Sample erfassten Konflikten zwischen Vertretern der militärischen und der zivilen Sphäre sind jene 22 Konfliktkonstellationen, die sich jenseits der traditionell berufsständisch übergreifenden Adelskultur beziehungsweise einer städtisch-bürgerlichen Konstellation (etwa zwischen einem städtischen Handwerker und einem Feldscherer) abspielten.68 Aus den dreizehn Fällen, in denen nichtadlige Militärs mit adligen Zivilisten in Konflikt gerieten, kann dabei geschlossen werden, dass die Zugehörigkeit zum Militär zumindest vereinzelt auch jenseits militärischer Kontexte die geburtsständische Differenz überlagerte. Ein Befund der durchaus als Hinweis auf die Wahrnehmung der Zugehörigkeit zum Offizierskorps als Zugehörigkeit zu einer ranggleichen Statusgruppe gelten kann. Die wechselseitige Wahrnehmung als ‚gleichrangig‘ zeigt sich hierbei gerade darin, dass es sich bei neun Fällen um Duelle und nur viermal um Injurienklagen handelte, die adligen Zivilisten den bürgerlichen Offizier also als ebenbürtigen Kampfgegner anerkannten.69 Nicht so recht ins Bild passen hingegen jene neun Beispiele, in denen adlige Offiziere mit nichtadligen Zivilisten aneinander gerieten. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich hier dann auch, dass es sich bei den Fällen vornehmlich um Gewaltakte handelt, die durch ein sehr starkes hierarchisches Gefälle geprägt waren. Denn den adligen Offizieren standen Bauern, Wirte oder auch ein kleiner Akziseinspektor gegenüber.70 Besonders deutlich 68 Ein Aspekt der nicht zuletzt dadurch mitgeprägt wurde, dass der Militärdienst für eine ganze Reihe junger Adliger lediglich eine Lebensphase darstellte, der dann eine zivile Karriere als Landbesitzer und womöglich noch als adliger Beamter im Dienste der Krone folgte. Vgl. dazu für Kursachsen Matzerath, Adelsprobe an der Moderne, S. 186. 69 Es handelt sich um folgende Fälle: (1) SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9700/47 (1678, Duell zwischen Adam Heinrich von Starschedel und einem Offizier namens Kospoth); (2) RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1696/Bunt II, 22/Juni (1696, Duell zwischen Helfried von Yxhall Gryllenbrand und Leutnant Mandel); (3) RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1697/Brut IX, Nr. 1 (1697, Duell zwischen Wenzel von Pulkow und einem Offizier namens Marten Baschow); (4) SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 217a–229b, 10026, 1404/5, Bl. 356–361a (1703, Duell zwischen Kapitän Erdmann Friedrich Raab und einem von Schirnding); (5) LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 262 (1704, Duell zwischen dem Drost von Ostfriesland Schachten und Kapitän Bonard); (6) UAR, Akademisches Gericht, Nr. 1787 A (1715, Duell zwischen Baron von Güldenstock und Leutnant Bischwangen); (7) RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1721, 21/Febr (1721, Duell zwischen Magnus G. von Köhler und Kapitän Andres Rehberg); (8) RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1744, 15/Oct. (1744, Duell zwischen Benjamin von Schröer und einem Offizier namens Löwenhaupt); (9) SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913 (1769, Duell zwischen Elias Andreas Lomberg und Baron von Buttlar). 70 Zu den Fällen mit Wirten: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 137a; SächsHStA Dresden, 10026, Loc 1404/5, Bl. 51a–57b; zum Akziseinspektor: Loc
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IV. Akteursgruppen
greifbar wird dies bei zwei Beispielen aus dem Jahr 1708. In dem einen hatte Carl Gotthard von Gersdorff, seines Zeichens nicht nur Spross eines einflussreichen Oberlausitzer Adelsgeschlechts, sondern auch Kapitän der Chevaliergarde, den siebzigjährigen Bauern Christian Hoffmann und dessen Frau beschimpft, bedroht und mit der flachen Seite des Degens verprügelt. Den Anstoß oder besser Vorwand für diesen heftigen Ausbruch hatte die Weigerung des Bauernpaares geliefert, ihren Grundherrn Leutnant von Kyau als einen „hundfutt“ zu bezeichnen. Das Bauernpaar wurde also in gewisser Weise stellvertretend für ihren Grundherrn beleidigt und verprügelt.71 In dem zweiten Fall vergriff sich der Obrist Christian von Lüttichau an dem Bauern Andreas Munckelt aus Gautzsch.72 Auch in den anderen Fällen traf zumeist ein deutliches hierarchisches Gefälle mit einer entsprechend einseitigen Gewaltausübung zusammen. Dass diese Konflikte vor Gericht nach den Duellmandaten verhandelt wurden, verweist daher weniger auf eine sozial weit gespannte Duellkultur, sondern darauf, dass adlige Gewaltakte von Seiten des Gerichts womöglich auch dann im Kontext der Bestimmungen zum Duell betrachtet wurden, wenn diese Deutung rechtlich eigentlich nicht vorgesehen war. Zwar lassen sich gerade die Angriffe auf die Bauern auch als indirekte Angriffe auf deren adlige Gutsherrn und damit in abgeleiteter Form als Konflikt zwischen Adligen deuten, aber in erster Linie sind derartige Konstellationen doch ganz stereotype Beispiele von ‚Herrengewalt‘.73 Angesichts der ausgesprochen milden Strafpraxis im Fall der ‚Bestrafungen‘ nach dem Duellmandat kann dabei davon ausgegangen werden, dass die Mandate hier nicht zum Einsatz kamen, um derartige Gewaltakte rechtlich einzuhegen und zurückzudrängen, sondern um den sozialen Statusansprüchen der gewalttätigen adligen Offiziere gerecht zu werden. 1404/5, Bl. 87a–99b. Auf die Fälle mit den Bauern wird im Folgenden noch direkt eingegangen. 71 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 186a–192b, Zit. Bl. 189b. 72 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 125a–128a. Gautzsch ist heute ein Ortsteil der Stadt Markkleeberg im Landkreis Leipzig. 73 Der Begriff ist entlehnt von Algazi, Herrengewalt. Dabei soll hier nicht die grundsätzliche These Algazis übernommen werden, nach der die Fehdepraxis des Adels immer auch als Strategie zu deuten ist, mit der die abgängige Landbevölkerung durch ein System von Gewaltandrohungen und -akten, Schutzverbrechen und Geldabgaben sukzessive in die Abhängigkeit gedrängte wurde. Eine These die durchaus kritisch diskutiert wurde. Dazu zusammenfassend Reinle, Bauerngewalt, S. 108. Wichtig im vorliegenden Zusammenhang ist aber, dass die hier als Herrengewalt bezeichneten Gewaltmuster genau jenem stereotypen, hierarchische Unterordnung her- und darstellenden Muster folgten, das Algazi in seiner Arbeit zum Prinzip adlig-grundherrlicher Gewaltlogik gegenüber den bäuerlichen Schichten erhoben hatte. Dieser beobachtete Gewaltcharakter kann wohl kaum bezweifelt werden.
1. Vertraute Akteure: Adel und Militärs195
Adlige Militärs taten sich dann mitunter auch erkennbar schwer mit bürgerlichen Kontrahenten und dies sogar in Fällen, in denen ein deutliches hierarchisches Gefälle fehlte. Kompliziert wurde es gerade dann, wenn man nicht nur in den gleichen Kreisen verkehrte, sondern auch noch geschäftlich miteinander zu tun hatte. Wunderbar demonstriert werden kann dies an einem Duell, das im Jahre 1705 beinahe zwischen dem Lübecker Kaufmann Hermann Fock, dem Leutnant Hinrich Willebrandt und dem Kapitän von Rosenholz ausgetragen worden wäre.74 Hintergrund der Auseinandersetzung war eine Schuldangelegenheit. Der in mecklenburgischen Diensten stehende Kapitän von Rosenholz zu Manhagen schuldete dem Kaufmann Hermann Fock stattliche 600 Reichstaler. Diese enorme Summe rührte offenbar daher, dass Fock Rosenholz eine Messingmühle in Manhagen verpachtet hatte, dieser aber offenbar den Pachtzins nicht bezahlen konnte oder wollte.75 Es ist nur natürlich, dass Fock daran interessiert war, die Modalitäten der Bezahlung zu klären. Entsprechend empört war er dann auch, als sich Rosenholz bei einem Aufenthalt in Lübeck nicht bei ihm gemeldet hatte, sondern – so hatte Fock gerüchteweise erfahren – lediglich seinen in Lübeck wohnenden Freund Leutnant Friedrich Willebrandt besucht hatte. In dieser Angelegenheit nun kam es zu einer Diskussion zwischen Fock und jenem Leutnant Friedrich Willebrandt, den Fock zu sich bitten ließ.76 Folgt man der späteren Darstellung Willebrandts, mündete das Gespräch schnell in den Vorwurf Focks, dass Willebrandt nur vorschütze, nichts Näheres über den Aufenthaltsort von Rosenholz zu wissen. Daher erklärte Fock gegenüber Willebrandt – dem er in der Sache quasi die Rolle des Übermittlers zuwies –, dass er Rosenholz, sollte dieser nicht bezahlen, in Manhagen aufsuchen und auf seinem eigenen Hof attackieren würde. Zugleich erklärte Fock, Rosenholz solle wissen, „dass er keinen bürger oder Kausffmann vor sich hett, sondern Er wehre alle tage so gut alß Ein Cavallier“.77 Hier scheint also durchaus die Wahrnehmung einer berufsständischen Grenze auf, dies aber nur, um sogleich überwunden zu werden. 74 LAS,
4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263. Mühle, die zuvor im Besitz verschiedener Lübecker Kaufleute war, wurde in den frühen 1670er Jahren von Christian Louis I., Herzog zu MecklenburgSchwerin gekauft und nach weiteren Besitzerwechseln schließlich 1696 an Hermann Fock verkauft. Vgl. dazu Lisch, Geschichte der Eisengewinnung in Mecklenburg, S. 62 f., Fn. 2. Manhagen gehört zum Bistum/Hochstift Ratzeburg. Dieses wurde im Westfälischen Frieden 1648 endgültig säkularisiert und als Fürstentum Ratzeburg dem Herrschaftsbereich der Herzöge von Mecklenburg zugesprochen. 1701 gelangte es an das Herzogtum Mecklenburg-Strelitz. 76 LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263, hier Nr. 3 (Schreiben Hinrich Willebrandts an Adolf Friedrich II., Herzog von Mecklenburg-Strelitz), S. 1. 77 LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263, hier Nr. 3 (Schreiben Hinrich Willebrandts an Adolf Friedrich II., Herzog von Mecklenburg-Strelitz), S. 2. 75 Diese
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Rosenholz, von diesen Drohungen unterrichtet, ließ Fock daraufhin von Willebrandt übermitteln, dass er nicht bereit sei zu zahlen, ehe Fock sich nicht in einer anderen Schuldsache verglichen hätte. Dabei handelte es sich offenbar um eine auf Focks Seite bestehende Verbindlichkeit gegenüber dem Herzog von Mecklenburg-Strelitz.78 Mit Blick auf die Gewaltandrohungen Focks ließ er diesem zudem ausrichten: „wo er Jhm auff seinen hoffe attaquirete, wollte Er Jhm […] de[n] ahrß so voll hagell schießen, daß Er dass Fuchßen79 in Lübeck woll darüber vergessen“ würde. Zudem sollte Willebrandt Fock noch berichten, dass „Rodden Leüte“ – also unehrliches ‚Gesindel‘ – in Focks Namen 500 Reichstaler von Rosenholz geliehen hätten.80 Den beiden letzten Bemerkungen kam zweifellos der Charakter von gezielten Gegenbeleidigungen zu. Diese wie auch der von Fock verbal angedrohte Hausfriedensbruch zielten jeweils symbolisch auf die körperliche Unversehrtheit und den Ehrenstatus des Gegners. Inhaltlich wurden dabei – durchaus typisch für Beleidigungen – Bezüge zu den Tätigkeitsbereichen und unmittelbaren Lebenssituationen der Beschimpften hergestellt.81 Es verwundert kaum, dass die Situation zwischen Fock und dem Überbringer dieser pikanten Antwort eskalierte. Man tauschte noch weitere Beleidigungen aus und schließlich forderte Fock Willebrandt zum Duell (erste Ausforderung). Doch zum Kampf kam es zunächst aufgrund verschiedener Missverständnisse und dann wegen der Anwesenheit der Stadtwache nicht. Doch diese Missverständnisse mündeten ihrerseits wieder in neuerliche Duellforderungen erst von Willebrandt sowie dann wieder von Fock (zweite und dritte Ausforderung). Nach diesem stürmischen Beginn beriet sich Willebrandt nun mit einem Freund in der Sache und überlegte nach eigenen Angaben, „ob ich dießen [F]ocken nicht sollte vor solche Mal honette öffentlich prugeln und auch gerichtlich klagen“. Meint man hier zunächst einen bemerkenswerten Beleg für ein ständisches Abgrenzungsgebaren zu erblicken, das in Form einer das hierarchische Gefälle klar markierenden Gewaltform auch demonstriert werden sollte, so ändert sich die Sache deutlich, wenn man die Antwort des Freundes hinzunimmt. Denn dieser riet Willebrandt „[F]ockenß großem Anhangß wegen“ dringend von solch ei78 Wieso dieser Umstand hier zum Argument gemacht wurde und werden konnte, geht aus den Akten nicht hervor. 79 Mit fuchsen war hier betrügen, andere beschweren gemeint. Vgl. dazu [Art.] fuchsen, Nr. 1c u. 2a. 80 LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263, hier Nr. 3 (Schreiben Hinrich Willebrandts an Adolf Friedrich II., Herzog von Mecklenburg-Strelitz), S. 3. 81 Vgl. dazu Krug-Richter, Von nackten Hummeln, 290–296. Beispielhaft für Beschimpfungen von Kaufleuten Le Cam, Ehrkonflikt.
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nem Vorgehen ab. Zumal Fock neben den guten Kontakten offenbar auch noch ein stattliches Vermögen besaß.82 Zugleich gab der „KaufCavallier“ 83 Fock seinerseits keine Ruhe, denn bald nach seinem Zusammenstoß mit Willebrandt in Lübeck rühmte er sich in einem Brief an Rosenholz, dass er Willebrandt in seinem Hause derart traktiert hätte, dass dieser nun die Öffentlichkeit scheuen müsste. Diese Behauptung wollte Willebrandt nicht auf sich sitzen lassen und daher forderte er Fock erneut zum Duell, insgesamt war dies dann die fünfte Duellforderung in dieser Angelegenheit.84 Und diesmal kam auch wirklich Bewegung in die Sache. Man vereinbarte ein Treffen auf halber Strecke zwischen Ratzeburg und Lübeck und traf sich nach einigem hin und her schließlich in Panten, einem etwa 15 Kilometer westlich von Ratzeburg liegenden Dorf. Als Hauptakteure zugegen waren Fock sowie als dessen doppelter Widerpart Willebrandt und Rosenholz. Hinzu kamen jeweils Sekundanten.85 Dort eingetroffen, vertrugen sich Fock und Rosenholz nach einer Aussprache offenbar recht schnell: Rosenholz sagte zu, die 600 Reichstaler zu zahlen, die er Fock noch schuldete und Fock nahm alle seine Beleidigungen gegen Rosenholz zurück. Zwischen Willebrandt und Fock kehrte aber keine Ruhe ein. Im Laufe des Treffens erfolgten – von Vermittlungsversuchen Dritter unterbrochen – Ausforderung fünf und sechs. Hinzu kam das Angebot eines gewissen Schacke, 82 Zum Ausdruck kam dies nicht zuletzt in seinem Wohnsitz, dem so genannten Hoghehus, einem dreigeschossigen Doppelgiebelhaus in einer der Hauptstraßen Lübecks (Koberg, Nr. 2). Das Hoghehus ist eines der ältesten Häuser Lübecks, benannt wurde das Haus nach seinem ersten Besitzer Conrad Hoghehus, dem der Bau von 1322 bis 1351 gehörte. Im späten 14. Jahrhundert beherbergte es eventuell die städtische Vogtei, dann war es Wohnhaus von Kaufleuten und Ratsherren. Vgl. dazu der Eintrag in der Datenbank zur ‚Wand- und Deckenmalerei in Lübecker Häusern 1300 bis 1800‘, online unter: URL http://www.wandmalerei-luebeck.de/webdb/receive/ Histral_hlgr_00013474 (zuletzt am 24. März 2015). Das Statusbewusstsein Hermann Focks und seiner Familie spiegelt sich nicht zuletzt in einer Reihe von Emblemen, die sich als Deckenmalereien im Haus erhalten haben. Zu den Bildbeschreibung dieser Deckenmalereien siehe URL http://www.wandmalerei-luebeck.de/webdb/ receive/Histral_hlsch_00017943 (zuletzt am 24. März 2015). 83 So eine etwas abfällig gemeinte Bemerkung Willebrandts, siehe: LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263, hier Nr. 3 (Schreiben Hinrich Willebrandts an Adolf Friedrich II., Herzog von Mecklenburg-Strelitz), S. 4. 84 LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263, hier Nr. 3 (Schreiben Hinrich Willebrandts an Adolf Friedrich II., Herzog von Mecklenburg-Strelitz), S. 4. 85 Im Falle von Fock waren dies der Rittmeister Michels, der zunächst in dänischen und später dann in kaiserlichen Diensten stand und ein gewisser Ms. Schaak, der zumindest über seine Titulatur nicht als Angehöriger des Militärs ausgewiesen wurde. LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263, Protocollum v. H. Eschenbach, S. 5 (eigene Zählung).
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eines Sekundanten von Fock, dass er bereit sei, als Focks Stellvertreter gegen Willebrandt anzutreten. Hintergrund dieses Angebots war das Argument, dass mit Blick auf die Vertrautheit im Umgang mit Waffen ein zu großes Ungleichgewicht zwischen den Kontrahenten bestünde. Doch auch diesmal kam es nicht zum Kampf, vielmehr vertagte man die Sache auf den nächsten Tag und kehrte in ein nahe gelegenes Wirtshaus ein. Am nächsten Tag nun wollte Willebrandt die Sache endlich erledigen, doch als er im Kreise einiger Vertrauter gegenüber Fock erklärte, dieser „sollte nun seine Sache außmachen, Er hette mich ja gefordert“, erwiderte Fock recht überraschend: „Er hette nicht gefordert“. Dies brachte Wille brandt derart in Rage, dass er seinen Stock ergriff und Fock drohend entgegenrief: „waß habt Jhr mir nicht gefordert, wolt Jhr solches leuchnen, seit ihr ein Mosset86“. Diese Beleidigung wollte Fock – jedenfalls in der Darstellung Willebrandts – nicht auf sich sitzen lassen und zog den Degen, Willebrandt tat es ihm gleich. In dieser Situation trat erneut einer der Sekundanten – diesmal Kaater, der Willebrandt sekundierte – hinzu und bot sich seinerseits an, an Focks Stelle zu kämpfen, doch dieser schlug erneut aus. Und als man später dann doch zum ersten Gang schreiten wollte, kam schließlich der Holzvogt des Orts dazu, verhaftete Willebrandt und Fock und brachte sie in Untersuchungshaft. Zu einem Kampf war es also auch dieses Mal nicht gekommen.87 Die Entwicklung der Auseinandersetzung, die in weiten Teilen der Darstellung Willebrandts vor Gericht folgt, zeigt deutlich, dass die Beteiligten durchaus von einer ungleichen Befähigung zum Kampf ausgingen. Besonders gut greifbar wird dies in den angebotenen Stellvertretungen. Zugleich fragte sich Willebrandt, will man seiner gerichtlichen Stellungnahme in dieser Angelegenheit Glauben schenken, ob Fock überhaupt ein angemessener Duellpartner wäre. Bemerkenswert ist hierbei, dass die in einer solchen Perspektive ‚standesgemäße‘ öffentliche Prügel als Reaktion auf die erfolgten Beleidigungen angesichts der gesellschaftlichen Position des Kaufmanns Fock als nicht praktikabel verworfen wurde. Ein Duell schien Willebrandt letztlich als einzig mögliche Option des Reagierens. Und auch Fock, der in Willebrandts Darstellung immer dann als zögerlich präsentiert wurde, wenn es wirklich ans Kämpfen gehen sollte, erklärte in seiner gerichtlichen Aussage, „dass es meinen Stande [zwar] nicht gemäß [mich] mit Einem Officier in Schlägerey einzulassen; Weilen aber der Lieut. Wildebrand durch seine Broutale Conduite mir so nahe getreten, dass Er mich mehrmahlen irritiret und 86 Mosset hier i. S. von Angeber, wahrscheinlich abgleitet von se faire mousser, d. i. sich aufblasen, sich besonders herausstellen. 87 LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263, hier Nr. 3 (Schreiben Hinrich Willebrandts an Adolf Friedrich II., Herzog von Mecklenburg-Strelitz), S. 8.
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braviret, dass alda der Ort wäre, alwo Er Satsifaction haben wollte, und Er nunmehro an meiner Courage zweiffelte, so kann ich justo dolore wohl bewogen worden seyn, gleichwie Jmmer nach dem degen zu greiffen.“88 Inszenierte sich Fock hier durchaus als Getriebener in der Sache, so erklärte er schlussendlich eben doch, dass er durch die öffentlich vorgebrachten Zweifel an seiner Courage dazu genötigt gewesen sei, sich auf das Duell einzulassen. Im Protokoll der gerichtlichen Untersuchung dieser Angelegenheit findet sich schließlich noch eine weitere Variation dieser Unumgänglichkeitsinszenierung: Hier wurde referiert, dass Rosenholz mit Blick auf Focks Frage, was er tun müsse, damit am Mecklenburg-Strelitzer Hof die schimpflichen Reden über ihn aufhörten, diesem erklärte habe: „das könte nicht beßer ausgemachet werden, alß wenn“ er sich „anitzo gleich auff selbigen platze mit dem lieutnant schlüge, sonsten Jhro Hochfürstl. durchl. an des arrestati Mr. Focken seiner bravur zweiffln würde“.89 In dieser Perspektive unterstellte Rosenholz also dem Mecklenburg-Strelitzer Herzog selbst die Ansicht, dass die entstandenen Irritationen in der Angelegenheit, in die das mecklenburg-strelitzsche Herrscherhaus lediglich über die noch ausstehende Zahlung Focks involviert war, nur über die Austragung eines Duells aus der Welt zu schaffen seien. Dass der Herzog ebenfalls dieser Ansicht war, kann man bezweifeln. Dementsprechend wurde in einem fürstlichen Bedenken im Namen des Herzog erklärt, dass er wegen seines „renomme solche dinge nicht ungestrafft werde hingehen lassen“,90 eine völlige Straffreiheit für alle Beteiligten verhinderte dies freilich nicht. Betrachtet man diesen Fall, so wird deutlich, dass (zumindest vor Gericht als solche markierte) Deutungskämpfe um den Konfliktverlauf, die Handlungsstrategien und -motive der Beteiligten geführt wurden. Doch dies änderte nichts daran, dass man sich angesichts des persönlichen Status der daran Beteiligten und der Schwere der Beleidigungen situativ doch grundsätzlich darin einig war, die Sache in einem Duell auszutragen. Die ständisch gemischten Verkehrskreise führten hier also auch zu ständisch gemischten Konfliktkonstellationen im Duell. Wobei die gesellschaftliche Stellung Focks im Grunde alle Beteiligten dazu nötigte, auf ein Duell als Konfliktstrategie zurückzugreifen, und dies obwohl ein bewaffneter Austrag der Sache nach Meinung aller Beteiligten für einen Bürger eigentlich nicht üblich war, zumindest dann, wenn es sich bei dem Gegner um einen Offizier handelte. 88 LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263, Schreiben Herman Focks an Adolf Friedrich II., Herzog von Mecklenburg-Strelitz, S. 3 f. (eigene Zählung). 89 LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263, Protocollum v. H. Eschenbach, S. 7 (eigene Zählung). 90 LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263, Ohnmaßgebliche gedancken v. Adolph Friedrich, hier Pkt. 17.
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IV. Akteursgruppen
2. Vermisste Bekannte: Zur geringen Bedeutung studentischer Duelle Der Befund ist überraschend, aber eindeutig: Für keine der im Rahmen dieser Arbeit untersuchten Universitäten (Leipzig, Wittenberg, Rostock, Bützow und Greifswald) konnten in den knapp 150 Jahren bis zur Etablierung der Burschenschaften um 1800 mehr als einige Dutzend Verfahren gegen Studenten ausgemacht werden, in denen Duelle beziehungsweise Vergehen gegen die Duellmandate Gegenstand der Untersuchungen waren. Insgesamt finden sich im Sample 125 Studenten in 69 Verfahren (von denen 19 in die letzte Untersuchungsdekade von 1797 bis 1806 fallen), die vorrangig den Universitäten Leipzig, Wittenberg, Rostock und Bützow zugeordnet werden können.91 Den größten Teil stellen dabei Studenten, die von sächsischen Gerichten belangt wurden. 36 Verfahren mit insgesamt 67 beteiligten Studenten unter den Konfliktgegnern können der Universität Leipzig zugeordnet werden, wobei jedoch zu berücksichtigen ist, dass 16 der 36 Verfahren in der letzten Untersuchungsdekade (1797–1806) stattfanden, von denen wiederum neun Duelle zu dem 1803 gerichtsanhängig gewordenen landsmannschaftlich organisierten Massenduell zwischen Leipziger und Hallenser Studenten gehören.92 Für die Universität Wittenberg können im Untersuchungszeitraum zwölf Verfahren (mit insgesamt 21 beteiligten Studenten) ausgemacht werden. In den sächsischen Fallakten finden sich schließlich noch drei weitere Verfahren, bei denen aber die universitäre Zugehörigkeit der Studenten nicht geklärt werden konnte. Für Studenten der Universität Rostock lassen sich zehn Verfahren nachweisen, für die Universität Bützow drei (bei insgesamt 25 mecklenburgischen Studenten im Sample). Für Schweden (zwei Fälle mit insgesamt drei Studenten) und Schwedisch-Pommern (drei Fälle mit insgesamt fünf Studenten) gibt es kaum Beispiele. Dies kann im Wesentlichen auf das anders ausgerichtete schwedische Recht zurückgeführt werden, in dem bürgerliche Studenten ohnehin nicht unter die Duellmandate fielen und auch adlige Studenten, quasi aus Gründen des Jugendschutzes, ebenfalls nicht strafrechtlich verfolgt wurden.93 Aus der Erhebung des Samples für Preußisch91 Bei den 125 erfassten Studenten handelt es sich ausschließlich um die jeweils unmittelbar tatbeteiligten Kontrahenten. Vermittler, Sekundanten etc. wurden für die Auszählungen im Sample nicht berücksichtigt, da hier in vielen Fällen der Grad der Beteiligung gegenüber den allenthalben präsenten Zuschauern nicht hinlänglich geklärt werden konnte. 92 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 2445/8. 93 Gut greifbar wird dies in der Diskussion, die zwischen dem Rektor und Konsilium der Universität Greifswald und der schwedischen Krone nach dem Erlass des renovierten Duellplakats von 1721 entstand. Im Rahmentext der wortwörtlichen
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Pommern treten schließlich noch zwei Fälle hinzu, in denen jeweils ein Student beteiligt war. Alles in allem verweisen diese Zahlen im Vergleich zur Gruppe des Adels und der Offiziere auf die geringere Bedeutung von studentischen Duellen, zumindest dann, wenn man der Perspektive der Gerichtsakten folgt. Dass dieser Befund nicht auf Besonderheiten der im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Universitäten zurückzuführen ist, zeigen einschlägige Untersuchungen zu anderen Akademien. So kommt Stefan Brüdermann für die Universität Göttingen zu einem ganz ähnlichen Befund, denn für Göttingen kann er von der Gründung 1734 bis zum Jahre 1803 lediglich 41 verhandelte Duelle in den Akten des akademischen Gerichts ausmachen.94 Für die Universität Halle, deren akademische Gerichtsbarkeit in einer Arbeit von Holger Zaunstöck betrachtet wird, können auf der Basis eines Verzeichnisses über die kassierten Kriminalakten des 18. Jahrhunderts ebenfalls nur 42 Verfahren wegen der Verabredung beziehungsweise Durchführung von Duellen oder Renkontres nachgewiesen werden.95 Herauszustellen ist zudem, dass die geringe Zahl der Duellfälle nicht auf eine generell zurückhaltende akademische Gerichtsbarkeit zurückzuführen ist. Dies zeigt exemplarisch ein detaillierter Blick auf die Verhältnisse an den Universitäten Rostock und Bützow.96 Beide Universitäten werden dabei gemeinsam betrachtet, da es sich bei Bützow um eine Abspaltung von der Wiederholung der Bestimmungen von 1682 (in denen Studenten keine Erwähnung fanden) waren nämlich nicht nur Adlige, Offiziere und hohe Beamte der Krone angesprochen worden, sondern eben auch Studenten (und neben diesen auch die „gemeine Soldatesque“, Fremde und allgemein alle Untertanen und Einwohner). Dies nahm man nun zum Anlass, um zu diskutieren, ob volljährige adlige Studenten für Duelle von den (im Gesetz angesprochenen) Hofgerichten oder aber nur von den akademischen Gerichten angeklagt werden durften. Im Entscheid in dieser Sache aus Stockholm wurde dann etwas schwammig erklärt, „daß es mit dem renovirten Duell Placat nicht die Meinung habe, daß die unter denen Studenten vorfallende casus nach deßen (I)nhalt abgerichtet und bestraffet werden sollen, sondern wir nur blos unter andern auch denen Studenten das duellieren darinnen verboten“. Dies bedeutet in der Konsequenz, dass die Kämpfe unter Studenten, selbst wenn man diese einhellig als Duelle bezeichnet hätte, eben nicht nach den Duellmandaten sanktioniert werden konnten und es sich somit rechtlich auch nicht um Duelle handelte. LAG, Rep. 10, Nr. 243, Bl. 78b, 79a, Zitat Bl. 78b. Eine Sichtweise, die auch zwei Jahrzehnte später nochmals von der schwedischen Krone bestätigt wurde. Siehe ebd., Bl. 99b–100a. 94 Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 533–535. Die Zahl erscheint noch kleiner, wenn man berücksichtigt, dass insgesamt 5.221 Gerichtsfälle überliefert sind. 95 Zaunstöck, Das Milieu des Verdachts, S. 109. Zaunstöck erhebt in seiner Arbeit insgesamt 2.136 verzeichnete Einzelfälle. 96 Die Betrachtung der Tiefenbohrung bietet sich für diese Universitäten an, da hier auf eine außerordentlich gute Überlieferung der Akten des akademischen Gerichts zurückgegriffen werden kann. Vergleichbares findet sich weder für die Universitäten Leipzig und Wittenberg noch für Greifswald.
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Rostocker Universität handelte, die lediglich zwischen 1760 und 1789 existierte. Zudem wurden die Akten der akademischen Gerichte später zusammengeführt und in einer gemeinsamen Ablage verzeichnet.97 Nimmt man nun die Akten der akademischen Gerichte beider Universitäten näher in den Blick, zeigt sich eindrücklich, dass gewalttätiges und ehrverletzendes Handeln von Studenten durchaus regelmäßig untersucht wurde: Für den Zeitraum von 1637 bis 1806 finden sich in den Akten der akademischen Gerichte insgesamt 366 Verfahren gegen einen oder (zumeist) mehrere Studenten, die wegen verbal und / oder körperlich ausgetragener Ehrverletzungen, Gewaltvergehen, Ruhestörungen und Duellen angeklagt worden waren. Das Sample unterteilt sich dabei in 145 Beleidigungsfälle (in denen nicht auf die Duellmandate rekurriert wurde), 149 Gewaltdelikte ohne Todesfolgen (außer Duellen), 38 Fälle nächtlicher Ruhestörung, 19 Totschläge und fünf Fälle, in denen mehrere Anklagepunkte eine eindeutige Zuordnung verhinderten, bei denen die Studenten aber nicht wegen Vergehen gegen die Duellmandate angeklagt worden waren. Lediglich in zehn Verfahren wurden Duelle, Duellforderungen oder aber Vergehen gegen die Duellmandate verhandelt. Damit machen Anklagen wegen einer Übertretung der Duellmandate nur knapp drei Prozent der Verfahren aus, in denen man Studenten für ihr ehrverletzendes und gewalttätiges Verhalten angeklagt hatte. Ein Indiz dafür, dass offenbar nicht alle einschlägigen Übertretungen der Duellmandate den Weg vor die akademischen Gerichte fanden, sind jene drei Mecklenburger Fälle, die sich nur in den Akten der landesherrlichen Behörden finden, aber nicht in denen der akademischen Gerichte. In allen drei Fällen gingen Gnadengesuche beim Herzog von Mecklenburg-Schwerin ein, die jeweils positiv beschieden wurden. Ob die Supplikanten in diesen Verfahren die akademischen Gerichte gezielt umgangen hatten oder aber eine Anklage außerhalb der Universität erfolgt war, ist nicht sicher zu klären.98 Gleichwohl können diese drei Fälle kaum als Hinweis auf eine generell segmentierte Tätigkeit der akademischen Gerichte gelten. Zudem gilt es im Falle Rostocks und Bützows zu bedenken, dass sich die Verfahren der akademischen Gerichte auf eine relativ geringe Zahl von Studenten verteilten. Gerade im Vergleich mit anderen Universitäten im Alten Reich wird deutlich, dass es sich bei Rostock mit jährlichen Immatrikulationszahlen von durchschnittlich 88 Studen97 Eine nachträgliche Trennung der Bestände hätte einen unnötig hohen Bearbeitungsaufwand bedeutet. Vgl. knapp zur Geschichte der Universität Bützow Asche, Von der reichen hansischen Bürgeruniversität, S. 73–79. 98 LAS, 2.12.-3/3 (Universität Rostock und Bützow), Vol. VII, 7. Exzesse [o. Pag.]: Injuriensache Ernst Friedrich Pflueg, 1701; LAS, 2.12.-3/3 (Universität Rostock und Bützow), Vol. VII, 7. Exzesse [o. Pag.]: Gnadengesuch Volrath Augustin von Lühe, 1706; LAS, 2.12.-3/3 (Universität Rostock und Bützow), Vol. VII, 7. Exzesse [o. Pag.]: Gnadengesuch Christof Gottfried von Cochenhausen, 1730.
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ten (1646–1800) und Bützow mit durchschnittlich 26 Studenten pro Jahr (1760–1789) eher um Universitäten geringer beziehungsweise sehr geringer Größe handelte.99 Vor diesem Hintergrund erscheint die durchschnittliche Zahl der Verfahren pro Jahr weniger auf ein Defizit in der Strafverfolgung zu verweisen, als darauf, dass angesichts der zahlenmäßig kleinen Studentenschaft Konflikte, die so schwerwiegend waren, dass sie bis vor das akademische Gericht gelangten, einfach nicht so häufig waren. Schließlich zeigt auch hier ein vergleichender Blick auf die Situation in Göttingen, dass die Mecklenburger Befunde keinen Sonderfall darstellen. Auch für die deutlich größere Universität Göttingen (mit einem Jahresdurchschnitt von 298 Immatrikulationen für die Zeit von 1734 bis 1799)100 zeigt sich, dass angesichts von 2.178 einschlägigen Verfahren zwar durchaus von einer regen Tätigkeit der akademischen Gerichte im Bereich von Ehr- und Gewaltdelikten gesprochen werden kann, unter diesen Verfahren Übertretungen der Duellmandate aber lediglich zwei Prozent ausmachten.101 Betrachtet man die Zahl der insgesamt geführten Verfahren im Bereich der Gewaltvergehen, kann zudem nicht von einem generellen Gewährenlassen studentischen Gewalthandelns gesprochen werden. Wenn aber nächtliche Ruhestörungen, Schlägereien oder verbale Attacken immer wieder vor den akademischen Gerichten verhandelt wurden – und dies sicherlich nicht, weil 99 Erhoben wurden die Zahlen auf der Basis der Tabelle bei Asche, Von der reichen hansischen Bürgeruniversität, S. 530 f. An der Universität Rostock immatrikulierten sich von 1646 bis 1799 insgesamt 13.479 Studenten. Wobei die Zahl der Immatrikulationen im 18. Jahrhundert stark rückläufig war: Immatrikulierten sich von 1646 bis 1699 noch durchschnittlich 138 Studenten pro Jahr (absolut 7.431), waren es im 18. Jahrhundert durchschnittlich nur noch 61 (absolut 6.048). An der Universität Bützow waren hingegen in der Zeit ihres kurzen Bestehens insgesamt nur 780 Studenten eingeschrieben, damit gehörte Bützow im 18. Jahrhundert zu den kleinsten Universitäten im Alten Reich. Für einen besseren Vergleich sei hier lediglich auf die durchschnittlichen Immatrikulationszahlen pro Jahr bei den folgenden Universitäten verwiesen: Leipzig ∅ 475 jährlich bei absolut 73.219 Immatrikulationen (1646–1799); Wittenberg ∅ 234 jährlich bei absolut 36.077 Immatrikulationen (1646–1799); Greifswald ∅ 50 jährlich bei absolut 7.740 Immatrikulationen (1646–1799); Halle ∅ 492 jährlich bei absolut 52.154 Immatrikulationen (1694–1799) und Göttingen ∅ 298 jährlich bei absolut 19.696 Immatrikulationen (1734–1799). Für die Berechnung wurde das Zahlenmaterial von Eulenburg genutzt. Eulenburg, Die Frequenz der deutschen Universitäten, S. 290–299. 100 Eulenburg, Die Frequenz der deutschen Universitäten, S. 295–299. 101 Unter den 2.178 Verfahren finden sich 1.068 Gewaltkonflikte zwischen Studenten (ohne Duelle), 407 Gewaltkonflikte von Studenten mit der städtischen Bevölkerung, 144 Gewaltkonflikte zwischen Studenten und dem Militär in der Stadt, 395 Fälle von Ruhestörungen und 157 Fälle von Sachbeschädigung und sieben Todesfälle (wobei hier von Brüdermann neben Totschlag und Mord auch Selbstmord hinzugerechnet wurde). Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 533–535.
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die Studenten diese Ausfälle selbst vor die Gerichte trugen – erscheint es sinnvoll, die niedrige Zahl der Verfahren wegen Übertretung der Duellmandate als Hinweis darauf ernst zu nehmen, dass im akademischen Bereich gewaltsame Aktionen unter den Studenten relativ selten unter dem Label Duell verhandelt wurden. Dass Duelle zumindest aus der Sicht der Professorenschaft weder alltäglich noch allgemein verbreitet waren, zeigen auch entsprechende Aussagen in den Untersuchungsakten zu den wenigen überlieferten Duellfällen. Denn hier betonten die Vertreter der akademischen Gerichte selbst ihr seltenes Vorkommen. So erklärte in einem Bützower Duellfall aus dem Jahre 1770 Eobald Toze als Mitglied des Konsiliums an der Universität in einem Schreiben an seine Kollegen: „Mir ist, so lange ich die Ehre habe ein Mitglied des Concilii zu seyn, ein solcher fall noch nicht vorgekommen. Die älteren unter meinen hochzuehrenden Herrn Collegen werden vielleicht aus vorigen ähnlichen Fällen wissen, ob Verbrechen dieser Art nach der Strenge der Gesetze bestraft, oder ob […] die Strafe gemildert worden sey.“102 Zum Zeitpunkt dieser Nachfrage war Toze bereits neun Jahre ordentlicher Professor der Geschichte in Bützow, es ist also davon auszugehen, dass über den relativ langen Zeitraum von neun Jahren weder einschlägige Vorfälle bekannt geworden waren noch der gerichtliche Umgang mit Duellen im Kollegium diskutiert worden war.103 In eine ganz ähnliche Richtung weist eine Bemerkung in einem Leipziger Verfahren. Hier erklärten Rektor und Konsilium der Universität Leipzig am 23. Oktober 1708 in einem Schreiben an den Landesherrn, dass in den letzten Jahren: „weder von exorbitanten real-injurien, alß schlagen mit stock und karbatschen104, noch von attaquen, weniger von duellen das geringste, dem höchsten sey danck! zuvernehmen gewesen“ sei.105 Und noch 1801 erklärte der Wittenberger Rektor, dass die zur Bekämpfung von Duellen diskutierten studentischen Ehrengerichte nicht gebraucht würden. Denn – so der Rektor in einem Schreiben an den sächsischen Kurfürsten vom 28. Oktober 1801 – in Wittenberg seien „die Duelle unter den Studirenden wenig, oder gar nicht üblich“. Zudem böten die bestehenden Gesetze schon ausreichend Gelegenheit, Ehrenkränkungen ohne große Weitläufigkeit anzuklagen und zu sanktionieren.106 102 UAR,
Akademisches Gericht, Nr. 2476 [o. Pag.], Schreiben v. 5. Febr. 1770. Toze: Hofmeister, [Art.] Toze. 104 Karbatschen bedeutet mit einer Karbatsche schlagen. Bei einer Karbatsche handelt es sich um eine Peitsche mit kurzem Stil, die aus ledernen Riemen oder Hanfseilen geflochten wird. 105 SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 10531/6: Abstellen des Duellierens auf Universitäten ao. 1701–1702/8 [o. Pag.]. 106 UAH, Rep. 1, Nr. 1912, Bl. 50a. 103 Zu
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Derartige Bemerkungen wie auch die geringen Fallzahlen zeigen deutlich, dass das Duell bis zum Ende des 18. Jahrhunderts gerade noch kein zentraler Bestandteil einer studentischen Gruppenkultur war!107 Das bedeutet nicht, dass sich die Studenten durch ein auffallend friedfertiges Wesen ausgezeichnet hätten. Dass gerade das Gegenteil der Fall war, zeigen ja bereits die oben angegebenen Zahlen einschlägiger Verfahren vor den akademischen Gerichten, in deren großer Zahl die Duelle gerade nicht hervorstechen, sondern untergehen. Dass sich die akademischen Gerichte durchaus regelmäßig mit der studentische Gewaltkultur auseinanderzusetzen hatten, mag ein Blick in die Rektoratsprotokolle der Universität Wittenberg für die Zeit von Anfang Mai bis Anfang Oktober 1672 verdeut lichen:108 Für den 4. Mai wurde zunächst eine nächtliche und mit bloßen Degen auf der Gasse ausgetragene Schlägerei zwischen zwei Studentengruppen verzeichnet. Am 21. Mai kam zur Anzeige, dass einige Studenten in einem Wirtshaus Injurien gegen die Wirtin ausgestoßen und anschließend auch noch verschiedene Krüge, Möbelstücke und Fenster zerschlagen hatten. Schon am nächsten Tag kam eine Schlägerei zwischen Studenten zur Anzeige, bei der der eine Student angeblich ohne jeden Grund von dem Anderen mit dem Degen über den Kopf gehauen worden war. Am gleichen Tag klagte der Student Langelatt seinen Kommilitonen Carpzov, Spross der berühmten sächsischen Juristen- und Theologendynastie, an, da dieser ihn ohne jede Ursache als Hundsfott beschimpft hatte und für den nächsten Tag zum Degenkampf gefordert haben soll. Über den genauen Hergang der Ereignisse machten die Kontrahenten und auch die Zeugen allerdings höchst unterschiedliche Aussagen. Einig war man sich aber immerhin darin, dass diese Forderung in ein Handgemenge einer größeren Gruppe von Studenten 107 Damit bestreite ich entschieden die in der Forschung immer wieder pauschal behauptete große Bedeutung des Duells für den studentischen Habitus im 17. und 18. Jahrhundert. Vgl. etwa Füssel, l duello studentesco; Krug-Richter, Ein stund ernennen; Frevert, Ehrenmänner, S. 35. Die große Bedeutung der Duelle für den studentischen Habitus wird dabei gern aus zeitgenössischen Publikationen (theologisch-moralische Traktate, Duellmandate) übernommen. Dies ist allerdings problematisch, da – wie bereits oben gezeigt – die in derartigen Drucken geführten Klagen über die überhandnehmende Zahl an Duellen in erster Linie rhetorischen Mustern folgten. Auf der Grundlage dieser Klagen verbieten sich daher Rückschlüsse auf die Duellhäufigkeit. Allenfalls für das ausgehende 18. Jahrhundert können entsprechende Wandlungsprozesse geltend gemacht werden. Hingegen verweist Zaunstöck, Milieu des Verdachts, S. 109, bereits darauf, dass zwar zwischen den Studenten zahlreiche von Zweierkonstellationen geprägte Gewalthändel vorkamen, die Konflikte aber ausgesprochen selten in Duellen oder Renkontres ausgetragen wurden. 108 Das Folgende findet sich nacheinander verzeichnet in: UAH, Rep. 1, Nr. 172 [o. Pag.].
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IV. Akteursgruppen
gemündet war, bei dem man sich schließlich gegenseitig mit der flachen Seite des Degens verprügelt hatte.109 Am 22. Mai 1672 ging dann eine Klage Wittenberger Bürger wegen Sachbeschädigung durch Studenten ein und zudem wurde gemeldet, dass mehrere Studenten einen Bauernknecht mit bloßen Degen vor dem Tor der Stadt verprügelt hatten. Für den 31. Mai 1672 findet sich ein Bericht über eine Auseinandersetzung unter mindestens sechs Studenten. Hier hatte der Student Georg Samuel Pecker seinen Kommilitonen Düßell verklagt, da dieser ihn und seine Begleitung erst als Schelm, Dieb und Hundsfott beschimpft haben soll und sie schließlich „zum schlagen“ provoziert hätte. Es war dann auch zum Kampf gekommen, bei dem aber offensichtlich niemand Verletzungen davongetragen hatte. Ebenfalls am 31. Mai 1672 ging eine Klage über ungebührliches Benehmen eines Studenten gegenüber anderen am Tisch in der „Communität“ – einer Art des Freitisches für wenig bemittelte Studenten – ein. Der Juni war zunächst vergleichsweise ruhig, nur gegen Ende des Monats gab es Beschwerden. So klagte am 25. Juni 1672 der Pedell, dass er von einigen Studenten injuriiert worden war. Am nächsten Tag wurde dem Rektorat bekannt gemacht, dass mehrere Studenten unter wüsten Beschimpfungen mit dem bloßen Degen aufeinander losgegangen waren. Und am 29. des Monats hatte sich schließlich ein Student in einen derartigen Gewaltexzess gesteigert, dass der Vater sofort anbot, ihn innerhalb von zwei Wochen aus Wittenberg wegzuschaffen, wenn ihm dadurch eine Bestrafung erspart bliebe. Am 6. Juli 1672 kam es zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen einem Schuster und mehreren Studenten, wobei letztere den Handwerker mit bloßem Degen in seinem Laden überfallen hatten. Sechs Tage später – am 12. Juli – fand zwischen mehreren Studenten wiederum eine Schlägerei mit entblößtem Degen statt. Am 18. Juli ging die Klage eines Wittenberger Bürgers über eingeworfene Fenster in seinem Haus ein und in der Nacht vom 27. zum 28. Juli überfiel eine Gruppe von Studenten auf der Straße eine andere Studentengruppe und erbeutete dabei nicht nur drei Degen und verschiedene Hüte, sondern brachte ihren Opfern auch mehrere Wunden bei. Am 29. Juli folgte erneut ein Fenstereinwurf. Am 3. August wurde Mattheus Praun vor das akademische Gericht bestellt, da ihm vorgeworfen worden war, dass er sich mit seinem Kommili109 Das Gericht setzte daher zunächst alle Beteiligten in Arrest und mahnte, sich künftig nicht wieder aneinander zu vergreifen. Im abschließenden Urteil, das am 28. Juni 1672 erging, wurden dann hauptsächlich Geldstrafen in Höhe von jeweils 50 Reichstalern und kurze Karzerstrafen verhängt, die Studenten Sparr, Lange, Wecker und Brauning wurden als notorische Unruhestifter allerdings für jeweils drei Jahre relegiert.
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tonen Langelatt vor der Stadt duelliert haben sollte. Praun bestritt dies entschieden und erklärte, dass er zwar in der Stube des Studenten Dieners mit Langelatt in einen Wortwechsel geraten sei und sie noch in der Stube mit einem Stock gefochten hätten, allerdings wäre dies nur scherzhaft geschehen. Von einem Duell wüsste er nichts und auch die befragten Zeugen erklärten übereinstimmend, dass sie zwar den Streit in der Stube bezeugen könnten, aber von einem Duell vor dem Tor nichts wüssten. Daraufhin wurde Praun wieder aus dem Arrest entlassen. Am 5. August 1672 war es wiederum bei einem Freitisch zu gegenseitigen Beleidigungen gekommen, diesmal zwischen den Studenten Röhm und Sollich. Röhm hatte Sollich schließlich sogar auf den Degen gefordert, aber letztlich hatten sich beide wieder vertragen, zumal sie erst kurz zuvor Streit gehabt hatten und diesen nicht wieder völlig ausbrechen lassen wollten. Fünf Tage später ging eine Klage ein, weil Studenten einen Feldwebel der Torwache als Hundsfott beschimpft hatten und am 13. August war es mittags auf einer Gasse zwischen zwei Studenten unter gegenseitigen Beschimpfungen zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung gekommen. Einen Tag später beklagte sich ein Obrist der Stadtwache, dass Studenten ein verleumderisches Pasquill über ihn gedichtet hätten. Am 22. August wurde angezeigt, dass zwei Studenten mit Ofengabeln aufeinander losgegangen seien und am 7. September wurde erneut eine studentische Auseinandersetzung mit bloßen Degen auf offener Straße angezeigt. Am 21. September beschwerte sich der Leipziger Juraprofessor Gottfried Strauß, der gerade in Wittenberg zu Gast war, dass er von Studenten der Universität offen beleidigt worden war. Am 7. Oktober kam es auf einer städtischen Hochzeitsgesellschaft zwischen mehreren Studenten zu einem Gefecht mit dem Degen und am 9. Oktober beklagte sich schließlich ein Wittenberger Bürger darüber, dass mehrere Studenten erst vor seiner Tür gestritten hätten und dann mit bloßen Degen in seine Stube eingedrungen wären. Angesichts dieser nicht enden wollenden Folge von kleineren und größeren Vorfällen wundert es kaum, dass nicht nur das Rektorat, sondern auch die städtische Bürgerschaft den Eindruck einer gewaltbereiten Grundhaltung der Studentenschaft hatte. Ein Eindruck, den die Wittenberger mit den Bewohnern anderer Universitätsstädte teilten.110 Diese Alltagskultur des Beleidigens und gewalttätigen Auftretens bot Gesetzgebern und Theologen zugleich einen gern genutzten Ansatzpunkt, um sowohl in Duellmandaten als auch in einschlägigen theologischen Traktaten wieder und wieder auf eine scheinbar 110 Exemplarisch verwiesen sei hier nur auf Füssel, Umstrittene Grenzen, S. 182 f.; Füssel, Devianz als Norm; Schuh, Von alten Bürgern und jungen Studenten; Brüdermann, Studenten als Einwohner, S. 24 f.; Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 249–276.
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IV. Akteursgruppen
prosperierende, studentische Duellkultur zu verweisen. Aber damit reagierte man eben nicht auf eine neue, ernsthaft problematische Entwicklung, sondern beschritt vielmehr eingespielte Pfade unter neuen Vorzeichen.111 In den theologischen Traktaten, die sich speziell mit den Duellen der Studenten befassten, wird allerdings noch ein zweites Muster greifbar, eines, das in gewisser Weise bereits für die Gruppe des Adels bedeutsam war. Denn die Mahnungen der Theologen vor einer scheinbar überbordenden Duellkultur speisten sich auch hier aus dem Umstand, dass das Duell als neues Thema die Chance bot, gegen die generell und schon länger als problematisch wahrgenommene studentische Gewaltkultur zu wettern. Dass diese Kritik am zügellosen Leben der Studenten im Grunde nicht neu war, zeigen entsprechende Schriften des 16. und frühen 17. Jahrhunderts, in denen die hohe studentische Gewaltbereitschaft auch schon beklagt wurde. Allerdings wurden in diesen Texten auch noch andere problematisch erscheinende Verhaltensweisen verdammt, etwa das maßlose Trinken, das leichtsinnige Kartenspiel, der Hang zu einem finanziell ruinösen Kleidungsstil und der schamlose Umgang mit jungen Frauen.112 Betrachtet man die Antiduellpredigten vor dem Hintergrund einer schon länger etablierten und inhaltlich stark kanonisierten Kritik am studentischen ‚Lotterleben‘, erscheinen die Warnungen vor einer überbordenden studentischen Duellwut wenig originell. Vielmehr wird bei einem genaueren Blick erkennbar, dass sich auch in den Duelltraktaten des späten 17. und des 18. Jahrhunderts die altbekannten Mahnungen finden. So erklärte etwa Daniel Hartnack in einem 1690 erschienenen „Tractätlein“113: „man hört / von dieser und jener Universität immer wieder Exempel von Duellen mit tödlichen Ausgang“, dies sei aber nicht nur schändlich und angesichts der klagenden und weinenden Eltern eine Tragödie, sondern auch allen christlichen Grundsätzen zuwider. Als zentrale Ursache dieses Problems machte er dabei aus, dass man „heutiges Tages einen Hauffen junger / frecher / unbändiger Leute“ auf die Universitäten schicke, 111 Auf die besondere Bedeutung der eingespielten Muster im Umgang mit dem Pennalismus als Entstehungshintergrund der trotz fehlender Duelle dennoch zahlreich publizierten Duellmandate für die Universitäten wurde bereits oben verwiesen. Siehe Kap. III. 2. in dieser Arbeit. 112 Besonders bedeutsam unter der großen Zahl an Pamphleten ist etwa Meyfart, Christliche Erinnerung. Zu diesen Schriften und den langen Traditionslinien des studentischen Sittenverfalls siehe auch Rasche, Cornelius relegatus; Füssel, Akademischer Sittenverfall?, S. 139–145. 113 Hartnack, Theologische Curiositäten, hier S. 540–589. Hartnack, geboren 1642 in der Nähe von Stargard in Pommern und gestorben 1708 in Bramstedt (heute Bad Bramstedt, zwischen Itzehoe und Bad Segeberg), war ein lutherisch-orthodoxer Theologe, Pädagoge und Schriftsteller. Zu seinem Lebensweg siehe Weber, Daniel Hartnack.
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„die offt weder zu Hause von ihren Eltern gebührend erzogen / noch auf Trivial-Schulen recht angeführet seyn“. Es gelte daher die Jugend zu mehr Gottesfurcht und Sittlichkeit zu erziehen, eine Gemeinschaftsaufgabe für Eltern, Präzeptoren in Land- und Stadtschulen, Universitätsprofessoren, Haus- und Tischwirte und – wenig überraschend – für Theologen.114 Erst einmal an diesem Punkt angelangt, schwenkt Hartnack nun endgültig vom speziellen Problem der Duelle ab und behandelt viel grundsätzlicher und allgemeiner das schlechte Betragen der studierenden Jugend. Dabei erscheint dem Theologen nicht nur das Degentragen problematisch,115 sondern das ganze gewaltsame Wesen der Studenten. Daher forderte er, „das barbarische Nacht-Geschrey / und unmenschliche Blöcken / die Schmausereyen und Sauff-Compagnien an denen Tischen / in denen Wirthshäusern / und auff den Stuben / und die dahero erfolgende übermässige Trunckenheit“ gänzlich zu verbieten, denn „darauß zeithero die meisten Duella und Schlägereyen / so unter den Studenten ein und anderen Orts vorgangen / veranlasset worden“. Um dies zu erreichen sollten die Wirte den Studenten nach zehn Uhr in der Nacht keine Getränke mehr ausschenken, den Schwertfegern sollte verboten werden, Rauf- und Schlagdegen heimlich oder öffentlich an Studenten zu verkaufen, und die Professoren, Haus- und Tischwirte sollten die Exempel getöteter oder lahm geschlagener Duellanten öfter mahnend erwähnen, um so auf die mit dem Duell verknüpften Leibes- und Seelengefahren hinzuweisen. Zudem – so wurde der Theologe nicht müde zu fordern – müssten die Universitäten energisch gegen jegliche Form des Müßiggangs vorgehen. Eine besondere Gefahr für die studierende Jugend ginge ja bekanntermaßen gerade von jenen Studenten aus, die „keine Collegia / weder publica noch privata besuchen / theils in obscuro leben / und die Gelder / so ihnen ihre Eltern oder Vormünder schicken / in Müßiggang verzehren und durchbringen“. Als beredten Spiegel dieses Lotterlebens verweist Hartnack auf deren Stuben und erklärt: „(k)ommet man auff ihre Stuben / so findet man allda einen Rauff-Degen / oder ein paar Pistolen / Karten und Toback-Pfeiffen / Bier und Wein-Humpen / aber manchesmal weder Bibel / noch Gebetbuch.“116 Derart vom Wege abgekommen war es letztlich kein Wunder, dass diese Studenten auch in Schlägereien und Duelle gerieten. Ein Bild, das Hartnack nicht von ungefähr bemüht. Vielmehr beschreibt er die seit den Corneliusdarstellungen verbreiteten Zimmeransichten eines vom Wege abgekommenen Studenten117 (Abb. 2). 114 Hartnack,
Theologische Curiositäten, S. 542–545. Zitat S. 542 f. Theologische Curiositäten, S. 450–452, Zitat S. 452. 116 Hartnack, Theologische Curiositäten, S. 455–458, Zitate S. 455 u. 458. 117 Dazu umfassend Rasche, Cornelius relegatus in Stichen und Stammbuchbildern; Rasche, Cornelius relegatus und die Disziplinierung. 115 Hartnack,
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IV. Akteursgruppen
Beklagt wurde letztlich ganz traditionell ein allgemeiner ‚Sittenverfall‘, und damit gegen diesen Klage geführt werden konnte, wurde er kurzerhand zur zentralen Triebfeder für das Duell erklärt. Deutlich scheint in dieser Klage dabei eben jenes altbekannte, breitere Feld studentischen Fehlverhaltens auf, das neben Gewaltakten den übermäßigen Trunk, die Völlerei oder auch die fehlende Lust zum Studieren umfasste. Zum positiven Selbstbild gespiegelt finden sich diese Eigenschaften auch in den bildlichen Darstellungen in studentischen Stammbüchern.118 Wenngleich in den Stammbüchern in aller Regel die Zahl der Bilder mit gewalttätigen Szenen aus dem Studentenleben gering war,119 so hatte doch insgesamt die Darstellung von trinkenden, feiernden, in den städtischen Straßen lärmenden, dem Studium abgeneigten und eben auch gewalttätigen Studenten bei der Illustration des studentischen Lebens einen festen Platz als Sujet.120 Vor allem seit dem späten 17. und im 18. Jahrhundert finden sich in den Stammbüchern immer wieder Abbildungen, auf denen Studenten vor Gasthöfen und in Studentenstuben gemeinsam tranken, Karten spielten, Pfeife rauchten und auch immer wieder miteinander rauften. Die abgebildeten Gewaltszenen umfassen dabei ganz ähnlich wie die Protokolle der akademischen Gerichte eine große Vielfalt an Gewaltformen, die vom nächtlichen Lärmen, Gruppenschlägereien und Tumulten in Studierstuben und Gasthöfen bis hin zu Degenkämpfen mit einer erkennbaren Zweierkonstellation reichten (Abb. 3 u. 8). Immer wieder finden sich auch zerbrochene und noch kampftaugliche Degen sowie Pistolen als Zeichen für die grundsätzliche Befähigung zu bewaffneten Kämpfen (Abb. 4–6 u. 8). Auf entsprechende Übungsstunden verweisen mitunter in den Studentenstuben aufgehängte Schuldenregister, in denen Kosten für die Fechtstunden zum Phänomen des Stammbuchs Schnabel, Das Stammbuch. zeigt z. B. der fulminante Überblick entsprechender Bildbeigaben aus Stammbüchern bei Brednich, Denkmale der Freundschaft; siehe auch die zusammengetragenen Bildbeigaben in Hofmann (Ed.), Stammbuch aus vier Jahrhunderten; vgl. auch den systematisierenden Themenüberblick bei Loesch, Der Freundschaft Denkmal, S. 164 u. 166. Hier spielen gewalttätige Szenerien eine ausgesprochen marginale Rolle. 120 Allerdings gilt es hier durchaus im Blick zu behalten, dass eine nicht unbeträchtliche Zahl der Stammbücher auch ohne derartige Darstellungen auskamen. So etwa: Ebel (Ed.), Göttinger Studenten-Stammbuch aus dem Jahre 1786; HAAB Weimar, Stb 518: Stammbuch Wilhelm Förster (1804–1807); HAAB Weimar, Stb 669: Stammbuch Carl Musäus (1787–1821); HAAB Weimar, Stb 243: Stammbuch eines unbekannten Studenten in Altdorf (1697–1700); HAAB Weimar, Stb 440: Stammbuch Heinrich Nikolaus Crell (1750/51). Im Stammbuch Crells aus seiner Studentenzeit finden sich bemerkenswerterweise neben zwei Druckgrafiken mit Stadtansichten und einigen Gouachen mit Landschaftsmalereien auch zwei Bilder mit Szenen aus dem bäuerlichen Leben. 118 Übergreifend 119 Dies
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verzeichnet waren (Abb. 4). Der raufende (Abb. 12) und gelegentlich auch als Renommist gekennzeichnete Student – eine Bezeichnung, die vor allem nach der 1744 erstmalig erfolgten Veröffentlichung des komischen Heldenepos „Der Renommist“ von Friedrich Wilhelm Zachariä an Bedeutung gewann – lässt sich als immer wiederkehrender Topos also deutlich erkennen. Seinen Vorläufer hatte dieser Typus in den bereits erwähnten Corneliusdarstellungen, eine Verbindungslinie, die besonders mit Blick auf die Darstellungen der Studentenstube mit zerbrochenen Degen, Pistolen, Bierhumpen und Weinkrügen, Schuldenregister und vergessenen Büchern augenfällig ist (Abb. 2 u. 6). Allerdings gilt es bei diesen Bildern zu berücksichtigen, dass die kunstvollen Szenerien des studentischen Lebens in aller Regel nicht selbst von den Stammbuchbesitzern und Einträgern angefertigt, sondern von professionellen Malern gekauft und dann zur Illustration in das Buch eingefügt wurden.121 Die ausgeprägte Standardisierung der bildlichen Darstellung des Studentenlebens folgte dabei durchaus den Produktionslogiken eines verkaufsorientierten Kunstmarkts.122 Besonders gut greifbar wird dies dann, wenn die gleichen Motive auftauchen (Abb. 2 u. 6, 10 u. 11). Die dargestellten Szenen eines draufgängerisch-lustigen Studentenlebens dürften dabei für die Bedürfnisse der Studenten als Käufergruppe extra produziert worden sein. Für den Einzelfall kann dann auch nicht nachvollzogen werden, ob man mit derartigen Bildern im Stammbuch eigene Erfahrungen illustrieren oder sich vielleicht eher als draufgängerischer Student inszenieren wollte und dies auch dann, wenn man womöglich selbst weniger tollkühn und keck war. Dass das Bild des draufgängerischen Studenten nicht zu verallgemeinern ist, zeigen auch jene schriftlichen Einträge in den Stammbüchern, in denen bemerkenswerterweise ganz andere Inszenierungen erkennbar werden. Hier dominieren gerade nicht die derb-lustigen Sprüche, vielmehr stehen die vereinzelten Bilder in einem auffälligen Kontrast zu den 121 Darauf verweist nicht nur die häufig homogene, wenn auch nicht immer hohe künstlerische Qualität der Bilder, sondern in einzelnen Stammbüchern finden sich auch noch handschriftliche Vermerke auf freien oder mit Bildern bestückten Seiten, in denen die Einträger darüber informiert wurden, dass die Seite für ein Bild freibleiben sollte. Ott, Kommentar, S. 14. In einem Rostocker Stammbuch hat sich der Stammbuchmaler Friedrich Georg Zimmer sogar mit einem eigenen Eintrag verewigt. Kohfeldt/Ahrens (Hg.), Ein Rostocker Studenten-Stammbuch von 1736/37, Abb. 1 u. S. 8 f., zu Honorarforderungen von Stammbuchmalern S. 11 f. Dass die Stammbuchbilder als Ware gehandelt wurden, zeigt sich auch in der Überlieferung von zeitgenössischen Stammbuchabbildungen ganz ohne Stammbuch, etwa im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe. Zu diesem Bestand Kelter, Jenaer Studentenleben. 122 Dazu mit einem Fokus auf dem Corneliusmotiv auch Rasche, Cornelius relegatus und die Disziplinierung, S. 187–200.
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IV. Akteursgruppen
Abb. 2: „Cornelius bin ich genant, allen Studenten wollbekant“, Kupferstich aus dem Speculum Cornelianum von 1608 / 1618.
Abb. 3: Rostocker Stammbuch von 1736 / 37, Bl. 11.
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Abb. 4: Rostocker Stammbuch von 1736 / 37, Bl. 7.
Abb. 5: Stammbuch Johann Christoph Hamisch (1753–1797), Bl. 55.
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IV. Akteursgruppen
Abb. 6: Rostocker Stammbuch von 1736 / 37, Bl. 8.
Abb. 7: Stammbuch Hempel 1773, Fechtübungen Göttinger Studenten in einer Wohnung. Die Anweisung des Fechtmeisters lautet: „Las das Legiren bleiben“.
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Abb. 8: Stammbuch Johann Bernhard Wilhelm Sternberger (1773–1776). Der Text im Bild lautet: „Lernen reiten, sauffen, rauffen liebet Bruder Studio, aber wen die Zeit verlauffen ruft er mit Ovidio: ich scheiß in das Register, brumender Phillister, O: mihi praeteritos referat, Si Jupiter annos“ (Oh, gäbe Jupiter mir doch die vergangenen Jahre zurück!).
Abb. 9: Stammbuch Johann Wilhelm Moll (1763–1767), Bl. 142.
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IV. Akteursgruppen
Abb. 10: Stammbuch Johann Daniel Spies (1762–1767), Bl. 55. Die Kommentare im Bild lauten von links nach rechts: „In Leipzig sucht der Bursch die Mägden zubetrügen – In Halle muckert er u. seuffzet ach! u. weh – In Jena will er stets vor blancker Klinge liegen – der Wittenberger bringt ein Hoch à bonne Amitié“.
Abb. 11: Rostocker Stammbuch von 1736 / 37, Bl. 18.
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Abb. 12: Johann Georg Puschner: Der Rauffende Student, Kupferstich 1725.
Merksprüchen und selbst gedrechselten Versen, in denen eher auf ein tugendhaftes Verhalten123 gedrängt oder aber ein geruhsames, bequemes Le123 Dies zeigen etwa die folgenden Einträge im Sternberger Stammbuch: „Vergnügt zu seyn ist wohl erlaubt, wenn sich die Unschuld paart mit freude.“ (Johann Friedrich Kolbe, Jena, März 1775); „Das was allein mit Recht beneidenswürdig heist, Jst die Zufriedenheit und ein gesetzter Geist.“ (J. J. Batsch, Jena, 7. September 1773); „Erhaben dencken, weislich leben, Der wahren Tugend sich ergeben, Heißt groß und starck und edel seyn. Frey von den Lüsten dieser erden, Sich selbst sein eigner herr zu werden, Trift nur bey edlen Seelen ein.“ (Johann David Christian Rumpelt, Jena, 18. Juni 1774); „Erfülle dich, scheinst du zu wanken, Stets mit dem mächtigenn Gedancken: Die Tugend sei dein größtes Glück. Einmal verscherzt und aufgegeben, Verläst sie dich im ganzen Leben, Und keine Reue bringt sie zurück.“ (F. F. Wagner, Jena, 25. März 1775). Ott (Ed.), Stammbuch, Bd. 1, S. 171, 154, 123 u. 241.
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IV. Akteursgruppen
ben124 gewünscht wurde. Sucht man unter diesen Einträgen nach Hinweisen auf ein ‚verlottertes‘ Studentenleben, finden sich am ehesten noch Erinnerungen an hübsche Mädchen oder gesellige Umtrünke.125 Einen wirklichen Anhaltspunkt für eine ausgeprägte, womöglich geheime Duellkultur der Studenten liefern die Stammbücher damit nicht. Doch der raufende Student, der Degen als typisches Ausstattungsstück in einer studentischen Wohnstube und die gelegentlich auf den abgebildeten Schuldentafeln vermerkten Kosten für die Fechtübungen zeigen doch in jedem Fall an, dass der gewaltsame Habitus zum festen Repertoire studentischer Inszenierungen gehörte. Das Duell aber tritt unter diesem allgemein gewaltsamen Gestus noch nicht als eine klar umrissene Praktik hervor. In den überlieferten Gerichtsakten zu studentischen Duellen und Gewalthändeln zeigt sich ein ganz ähnliches Bild, denn zumeist folgten die geschilderten Konflikte der situativen Logik eines allgegenwärtigen, gewalt samen Habitus. Deutlich wird dabei, dass die Studenten schon bei Kleinigkeiten bereit waren, zum Degen zu greifen, ohne dass daraus immer gleich ein hochformalisierter Zweikampf erwachsen musste. Erkennbar wird ein solch typischer Konfliktverlauf etwa bei einem Verfahren gegen die Leip ziger Studenten Peter Bestuchef, Sohn des russischen Gesandten in Stockholm und Spross eines der politisch einflussreichsten Adelsgeschlechter Russlands,126 und Christian von Brömbsen, der einem der bekanntesten adligen Ratsherrengeschlechter in Lübeck entstammte. In den Gerichtsakten 124 So heißt es etwa im Sternberger Stammbuch im Eintrag von Friedrich Nicol vom 15. August 1774: „Hr. Bruder! Es seind nur auf der Welt, vier angenehme Sachen; die dich und mich mein Freund, dereinsten glücklich machen: Ein angenhems Amt, ein tugendhafftes Weib, Ein mäsig Capital, und ein gesunder leib.“ Ott (Ed.), Stammbuch, Bd. 1, S. 195. 125 Dies zeigen etwa die folgenden Einträge im Sternberger Stammbuch: „Das Herz eines jungen Mädchens ist ein Buch, in welchem viele Druckfehler sind.“ (Johann Georg Schaifner, Jena, 19. September 1773); „Den Großen in der Welt, den Jungfern und den Frauen, Muß man zu dienste stehn, allein sehr wenig trauen.“ (A. F. Schirmer, Jena, 21. Mai 1774); „Es lebe der Herzog, mein Mädchen und ich, Der Herzog für alle, mein Mädchen für mich.“ (G. H. C. Schröter, Jena, 11. April 1775); „Ohne Lieb und ohne Wein, Was wäre unser Leben?“ (E. F. Gruner, Jena 22. April 1774); „Gieb Bachus deinen besten Wein Saalinens Musen-Soehnen, Philistern schencke Stadtklatich (sic) ein und las sie Hörner krönen.“ (G. A. J. Leopold, Jena, 14. September 1774). Ott (Ed.), Stammbuch, Bd. 1, S. 41, 72, 140, 166 u. 34. Zum weiter gefassten Themenfeld von Liebe und Sexualität in Stammbüchern siehe auch Loesch, Der Freundschaft Denkmal, S. 151–161. 126 Es finden sich neben Bestuchef auch folgende lateinisierte Schreibweisen: Bestuzhev, Bestuschew. Ein Verwandter – Mikhael Petrovich Bestuzhev-Rjumin (1688–1760) – war zu Beginn des 18. Jahrhunderts Gesandter in London (siehe dazu: The Memorial of M. Bestuchef His Czarish Majesties Resident in London, 1721; ([Art.] Bestuzhev-Rjumin, Mikhael Petrovich) ein anderer, Alexei Petrowitsch Bestuzhev Rjumin (1693–1766), war von 1744–58 Reichskanzler Russlands ([Art.]
2. Vermisste Bekannte: Zur geringen Bedeutung studentischer Duelle 219
wird berichtet, dass mehrere adlige Studenten in geselliger Runde – wenn auch auf verschiedene Tische verteilt – in einem Leipziger Gasthaus zusammengekommen waren. Man war fröhlich und ausgelassen bis sich Bestuchef plötzlich weigerte, auf die Gesundheit Brömbsens zu trinken. Daraufhin weigerte sich auch Brömbsen, auf die Gesundheit Bestuchefs zu trinken. Und da das Trinken in studentischen Kreisen bekanntlich besonders strengen Regeln unterlag,127 ist es wenig verwunderlich, dass sich aus dieser wechselseitigen Weigerung schnell ein Streit ergab. An dessen Aufflammen waren dabei nicht nur die zwei Genannten beteiligt, sondern das Ganze war quasi ein Gruppenprodukt. Denn als Bestuchef sich zunächst nur verärgert zeigte, stichelte ein dritter Student vom Nachbartisch sogleich, dass Bestuchef wohl „Händel haben wollte“. Einem vierten sagte er zudem, dass er einen Degen besorgen solle, was dieser auch prompt tat und Bestuchef präsentierte. Dieser nahm den Degen wohl oder übel an, trat vor den Tisch Brömbsens, legte seinen Trauerdegen128 ab und den kampftauglichen Degen an, band sich sein Schnupftuch als Schutzmaßnahme um die Hand und erklärte seinem Widersacher „er müsse heute mit einem Hundsvoit händel haben“. Vom Tisch des derart Beschimpften stand daraufhin der Student Osterfelde auf und fragte nochmals nach, mit wem er genau Händel haben wolle, worauf Bestuchef erklärte, dass er Brömbsen meine. Und bei diesen Worten zog er offenbar schon den Degen und begann das Gefecht. Die ersten Hiebe wehrte Osterfelde noch mit seinem Stock ab, bis Brömbsen seinerseits gezogen hatte und zum Kampf antrat. Bei der Auseinandersetzung trugen beide, wie sich aus dem Wundzettel des Barbiers entnehmen ließ, leichte Wunden davon.129 Die hier gut erkennbare Situationslogik, bei der sich während eines gemeinsamen Umtrunks, Spiels oder Gelages aus einem vergleichsweise harmlosen Ausgangskonflikt in kürzester Zeit ein bewaffneter Kampf entwickelte, verweist auf ein Phänomen, das weiter unten unter dem Stichwort ‚Wettkampfspiel‘ noch genauer betrachtet werden wird. An dieser Stelle sei Bestuzhev-Rjumin, Graf Aleksej Petrovich); ein anderer – Alexander Fedoseevisch Bestuzhev (1761–1810) – war Offizier ([Art.] Bestuzhev, Alexander Fedoseevisch). 127 Siehe dazu die erstmals 1617 veröffentlichte, ausgesprochen populäre Schrift Multibibus, Ius potandi oder Zech-Recht, (spätere dt. Auflagen: 1669, 1675; lat. Ausgaben 1616, 1617, 1626, 1627). Zur vormodernen Trinkkultur allgemein Tlusty, Bacchus und die bürgerliche Ordnung. 128 Bei einem Trauerdegen handelt es sich um einen Galanteriedegen, der zu Beerdigungen und während der Trauerzeiten getragen wurde. Gefäß und mitunter auch die Klinge waren schwarz gehalten. Ähnlich wie beim Galanteriedegen war er nicht eigens als Kampfinstrument ausgebildet, sondern in erster Linie ein modisches Accessoire. 129 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 270a–271b u. 307a–315b, zur Fallschilderung Bl. 311b u. 312a.
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IV. Akteursgruppen
aber bereits vorweggenommen, dass bei Wettkampfspielen eine spezifische Situationslogik zum Tragen kam, die sich aus Formen einer aggressiven Imagepflege innerhalb von Männergemeinschaften speiste.130 Aus einer womöglich sogar spaßig gemeinten, spielerischen Verweigerung des Zutrinkens oder einem derben Witz konnte hier im Zuge eines Überbietungswettstreits leicht eine mit Waffen geführte Auseinandersetzung erwachsen. Typisch ist im Fall der hier betrachteten Auseinandersetzungen der Studenten, dass die Konflikte bei geselligen Runden in Gast- und Kaffeehäusern,131 auf Bällen132 oder in der Studentenstube133, mitunter aber auch beim Streit über das Vortrittsrecht auf den städtischen Gassen und Straßen134 entstanden. Dem entspricht, dass sich im untersuchten Sample fast ausschließlich Beispiele finden lassen, bei denen Studenten miteinander in Konflikt gerieten.135 Der spielerischen Ausgangslage entsprechend wurden derartige Konflikte dann auch von den Beteiligten beziehungsweise von deren Anverwandten häufig als weniger erheblich betrachtet. Ganz in diesem Sinne erklärte etwa der Vater von Johann Fischer 1722, dass sein Sohn „wie es 130 Siehe
dazu umfassender Kap. V. 2. b) in dieser Arbeit. etwa bei dem 1727 vorgefallenen Duell zwischen den Leipziger Studenten August Gottlob Baron von Seyffertitz und einem von Gersdorf SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 25a–39a; bei einem 1740 stattgefundenen Konflikt zwischen den Leipziger Studenten Metting und Schultze: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/2, Bl. 11a–13b. 132 So gerieten die Studenten Gustav Baron von Tiesenhausen und Lattorff auf einem Ball in Streit und trugen die Sache schließlich – allerdings an einem anderen Ort – in einem Duell aus. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/2, Bl. 119a–120a. 133 Dies ist etwa der Fall bei einer Auseinandersetzung, die 1755 zwischen Rudolph Otto von Pfuhl und Jean von Arnim stattfand. SächsHStA Dresden, 10026, 1405/2, Bl. 145a–147b. 134 Beim Gassen- oder Gossenrecht handelt es sich um eine Vereinbarung unter den Studenten, dass immer der, zu dessen linker Seite sich die Gosse befindet, ausweichen muss. Siehe dazu: Brüdermann, Göttinger Studenten, S. 186 f. Für eine zeitgenössische Sicht auf das Gassenrecht List, Beyträge zur Statistik von Göttingen, S. 163–165. Ein Konflikt um ‚unsachgemäße‘ Forderungen des Vortritts bilden den Hintergrund für den 1706 stattgefundenen Streit zwischen den Wittenberger Studenten Gerber und Hillgen. SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9993/2. Das Gleiche findet sich bei einer 1727 aktenkundig gewordenen Auseinandersetzung zwischen den Wittenberger Studenten Christoph Gottlob Schönborn und einem namentlich nicht genannten anderen Studenten: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 43a–47b. 135 Nur in 5 Fällen gerieten Studenten mit Vertretern anderer berufsständischer Gruppen aneinander: zweimal mit Offizieren (StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 603 (vorläufige Sign.); SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/2, Bl. 170a–171b); einmal mit einem Adligen (SächsHStA Dresden 10026, Loc. 1405/2, Bl. 119a–120a) und zweimal mit Handwerkern und anderen Bürgern der Universitätsstadt (StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 672 (vorläufige Sign.); LAG, Rep. 7, Nr. 1361). 131 So
2. Vermisste Bekannte: Zur geringen Bedeutung studentischer Duelle 221
iunge Purschen von 18 Jahren zu machen pflegen, vor einiger Zeit über [einen] entstandenen WortWechsel in ein Rencontre gerathen“ sei.136 Etwas Ungewöhnliches fand er daran offenbar nicht und dies, obwohl derart charakterisierte Konflikte nur selten vor Gericht gebracht wurden. Hier zeigt sich einmal mehr, dass eine fehlende Ausdifferenzierung der Konflikttypen sowohl zur seltenen Etikettierung von Konflikten als Duell oder Renkontre führte als auch zur Wahrnehmung der als Duell oder Renkontre etikettierten Konflikte als völlig alltäglich. Dabei konnten Studenten, die sich diesen ‚Sitten‘ entzogen und Kämpfe (ob nun vorgeblich oder ehrlichen Herzens) vermeiden wollten, gerade deshalb in eine Auseinandersetzung geraten. So klagte der Vater des in Leipzig studierenden August Gottlob Baron von Seyffertitz 1727 in einem Gnadengesuch an den sächsischen Kurfürsten, dass sich sein Sohn, nachdem er offenbar bereits in eine „Affaire“ mit einem aus Schweden stammenden Studenten namens Lilienberg verwickelt gewesen und begnadigt worden war, vergeblich um die Vermeidung neuer Händel bemüht hatte. Denn gerade weil er versuchte, sich mit seiner neuen, „behutsamen Lebens-Arth“ aus allem rauszuhalten, piesackten ihn seine Kommilitonen umso mehr. So hatte Lilienberg zunächst versucht, 200 Reichstaler von Seyffertitz zu erpressen. Als dies nicht gelang, hatte er ihn gemeinsam mit einem gewissen von Gersdorff verhöhnt, mit dem Stock und schließlich mit dem blanken Degen geschlagen, so dass sich der derart Angegriffene notgedrungen verteidigen musste.137 Es kann dahingestellt bleiben, ob der Vater in diesem Schreiben ein zu unschuldiges Bild seines Sohnes zeichnete, interessant ist in jedem Fall, dass er offenbar überzeugt war, eine derartige Geschichte wäre glaubwürdig. Zugleich hatte der Vater anscheinend jede Hoffnung auf eine Besserung der Situation aufgegeben, denn immerhin bat er in der Supplik, seinen Sohn noch vor dem Ende des Verfahrens aus Leipzig abziehen zu dürfen, damit er sich künftig jenseits der Universitäten weiter bilden könne.138 In den Gerichtsakten erkennbar wird damit insgesamt das Bild einer recht alltäglichen studentischen Gewaltkultur. Dass das Duell hierbei lange keine erkennbare Rolle spielte, ist vor diesem Hintergrund daher weder Zeichen für ein friedfertiges Wesen noch für eine grundsätzliche defizitäre Gerichtsbarkeit. Vielmehr drängte offenbar niemand danach, die als Duell bezeichneten Konflikte von anderen studentischen Gewalthändeln zu unterscheiden, weder in den Praktiken noch in den Bezeichnungen.139 136 SächsHStA
Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 256a–258a, hier Bl. 257a. Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 25a–39a, hier Bl. 31a–32a. 138 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 25a–39a, hier Bl. 32b. 139 Eine leichte Verschiebung ist in dieser Hinsicht bei den wenig greifbaren Beschreibungen der eigenen Studentenzeit in (auto)biografischen Lebenserinnerun137 SächsHStA
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IV. Akteursgruppen
Den Durchbruch schaffte das Duell an den Universitäten erst an der Wende zum 19. Jahrhundert. Für die Zeit nach 1800 verweist Ute Frevert dann sogar darauf, dass die Studenten unter den Duellanten die größte Gruppe bildeten.140 Eine gewichtige Rolle für die Popularisierung haben dabei die ab der Jahrhundertwende immer häufiger schriftlich verfassten Komments der studentischen Korporationen gespielt, die dann später ihre Fortsetzungen in den Mensurbestimmungen der Burschenschaften finden sollten. In diesen wurden für den deutschsprachigen Raum erstmals und zunehmend penibel festgeschrieben, wie man seine Ehre im Duell zu verteidigen hatte.141 Die Forderung, dass die verletzte Ehre im Kampf verteidigt werden sollte, war dabei nicht von entscheidender Bedeutung. Entscheidend war vielmehr, dass in diesen Regelwerken festgesetzt wurde, wie der Kampf ablaufen sollte. Durch die Regelungen wurde das Duell nun ‚endlich‘ von anderen Formen des Ehrenkampfes abgehoben und zu etwas Besonderem, Anderem gemacht. Und dementsprechend verschob sich auch die Deliktverteilung in den Akademischen Gerichten. Für die Universität Bonn kann Jens-Peter Müller für die Jahre von 1819 bis 1840 beispielsweise zeigen, dass von insgesamt 989 Vergehen, die er anhand der Karzerbücher erfasste, 276 Verfahren vollzogene oder geplante Duelle betrafen. Das sind immerhin knapp ein Drittel aller Fälle.142 gen festzustellen. Manchmal avanciert hier die Erwähnung eines Duells angesicht fehlender anderer Gewaltbeschreibungen zum solitären Ereignis und gewinnt so einen deutlich herausgehobenen Charakter, so etwa bei: Hartmann (Hg.), D. Joachim Hartmanns Geschichte seines Lebens, S. 49 f. Allerdings finden sich genauso Lebenserinnerungen, in denen vielfältige Gewaltszenen neben einzelnen Duellen verzeichnet sind, so bei Müller, Meines Lebens Vorfälle, S. 85 f., 110 f., 114 f., 155, 158–161, 162, 166 f., 167–173, 173–177, 209 f. u. 224–226. Aber unabhängig von der Gewaltfrequenz ist doch bemerkenswert, dass gerade Duelle als moralische Verfehlung begriffen und deren Austragung im Rückblick zur ungern angenommenen, aber unausweichlichen Notwendigkeit avancierte, die eigene Ehre zu verteidigen. Die Berichte über derartige Ereignisse hatten dabei gerade nicht den Charakter einer unbeschwerten Erinnerung an eine vergnügte Jugend, sondern dienten – als beschämende Beispiele eigener Fehler – der Ermahnung der Leser. Besonders gut greifbar wird dies in einer Bemerkung in Müllers Lebensbeschreibung. Hier heißt es: „Ich könnte auch hirbei manches verschweigen, was nicht zu meinem besondern Ruhme gereichet, zum Exempel die Duelle oder Zwei Kämpfe, aus welchen ich mich nachhero keine sonderliche Ehre gemacht […] und denen ich mich nunmehr schäme“ Aber wenn er diese Ereignisse verschwiege, würde er letztlich verheimlichen, „daß der Mensch zu einer Zeit seines Lebens gewiß auf Thorheiten gerathe“. Müller, Meines Lebens Vorfälle, S. 118. 140 Frevert, Ehrenmänner, S. 134 u. 270. 141 Frevert, Ehrenmänner, S. 137 f.; vgl. dazu die abgedr. Komments in Bauer (Hg.), 14 der ältesten SV-Komments vor 1820; Meyer-Camberg (Hg.), 21 der ältesten Consitutionen der Corps und ihre Vorläufer. 142 Müller, Salamander, Hunde und Exzesse, S. 22 f.
3. Unerwartete Protagonisten: Handwerker und ihre Duelle 223
3. Unerwartete Protagonisten: Handwerker und ihre Duelle Im Rahmen des hier bearbeiteten Samples waren insgesamt 21 Handwerker beziehungsweise Handwerksgesellen an 14 Duellen beziehungsweise Delikten, die nach dem Duellmandat sanktioniert werden sollten, beteiligt.143 Diese geringen Zahlen verweisen – das wurde bereits betont – auf die grundsätzlich marginale Bedeutung der Handwerkerduelle. Und auch wenn sich sicherlich noch in so manchem Stadtarchiv das eine oder andere Handwerkerduell finden ließe, so ändert dies wohl wenig am grundsätzlichen Befund ihres randständigen Charakters.144 Wobei die Randständigkeit in doppelter Hinsicht zu verzeichnen ist: Zum einen gab es aus der Perspektive der Duellforschung nur wenige Handwerker unter den Duellanten. Zum anderen kann aus Sicht einer übergreifenden Gewaltforschung festgestellt werden, dass Duelle eine selten genutzte Gewaltform innerhalb der Handwerkerschaft waren. Denn zu betonen ist, dass sich die vormoderne Handwerkerschaft – das wurde in verschiedenen Untersuchungen hinreichend herausgearbeitet – keineswegs durch ein besonders friedfertiges Wesen auszeichnete.145 Insgesamt war das Duell also ein von Handwerkern und Handwerksgesellen prinzipiell nutzbares, aber selten eingesetztes Mittel des Konfliktaustrags. 143 (1) 1655 Mecklenburg-Schwerin: UAR, S 1411, S. 79 u. SA 1411.2, S. 9–16; (2) 1673 Kursachsen: SächsHStA Dresden, 13749, Nr. 97; (3) 1689 Kursachsen: StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 608 (vorläufige Sign.); (4) 1690 Kursachsen: StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 611 (vorläufige Sign.); (5) 1696 Kursachsen: StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 615 (vorläufige Sign.); (6) 1698 Kursachsen: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 2a–7a); (7) 1703 Kursachsen: StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 636 (vorläufige Sign.); (8) 1705 Kursachsen: StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 641 (vorläufige Sign.); (9) 1706 Kursachsen: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/7 und Loc. 9993/2; (10) 1708 Kursachsen: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 95a–132a; (11) 1719 Kursachsen: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 159a–165b; (12) 1737 Kursachsen: SächsHStADresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 248a–257b; (13) 1738 Kursachsen: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/1, Bl. 210a–215b u. SächsHStA Dresden, 10026, 1405/2, Bl. 1a–4b; (14) 1790 Kursachsen: SächsHStA Dresden, 10026, Militärdepartement, Nr. 220. 144 Eine andere Sicht vertritt in diesem Punkt Pieter Spierenburg, der, aufbauend auf seine Unterteilung in ordentliche und populäre Duelle, den Bereich der Gewaltkultur unterer sozialer Schichten, der sich durch Zweikampfformen auszeichnete (etwa Messerkämpfe), den populären Duellen zuschlägt und dies auch dann, wenn die Beteiligten oder Dritte nicht davon sprachen, dass es sich um ein Duell handelte. Spierenburg, A History of Murder, S. 71–96. 145 Schwerhoff, Köln im Kreuzverhör, S. 184 u. 312–322; Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 252–265; Simon-Muscheid, Gewalt und Ehre.
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IV. Akteursgruppen
Alle Fälle bis auf einen sind dem kursächsischen Sample zuzuordnen. Dennoch waren Handwerkerduelle keine ‚Spezialität‘ Kursachsens. So konnte etwa für Mecklenburg lediglich ein gerichtsnotorisch gewordenes Handwerkerduell ausgemacht werden, allerdings überrascht dies aufgrund der insgesamt geringen Fallzahl für die Mecklenburger Territorien kaum.146 Bemerkenswert und sicherlich auch ungewöhnlich ist an diesem Fall allerdings, dass die Umetikettierung eines Tötungsdeliktes aus dem Jahr 1655 zum Duell sehr spät erfolgte, nämlich erst 22 Jahre später. Zu diesem späten Zeitpunkt drohte der Schweriner Freischuster Joachim Reimar seinem seinerzeit in den Konflikt involvierten Schwager, dem Freischlachter Heinrich Schröder, damit, ihn wegen der damaligen Tötung beim Stadtgericht als Mörder anzuzeigen. Anlass der Auseinandersetzung zwischen den verschwägerten Handwerkern war eine strittige Erbschaftsangelegenheit. Reimar hoffte wohl auf dem Wege der Denunziation einen finanziellen Vorteil für sich herauszuschlagen. Eine Strategie, die freilich nur bedingt aufging, da Schröder nicht rechtskräftig verurteilt wurde. Aber im hier interessierenden Zusammenhang gilt es vor allem festzuhalten, dass die Schwiegermutter Schröders in einer Supplik damit argumentierte, dass es vor 22 Jahren angesichts der einseitigen, von zahlreichen Schmähungen begleiteten Bedrohung „umb Ehr und glimpf“ gegangen und das „im duell“ von ihrem „Schwieger-Sohn beschehene niederstoße[n]“ daher zu entschuldigen wäre und wenn überhaupt, dann als Notwehr anzusehen sei.147 Neben dem Mecklenburger Beispiel zeigen aber auch vereinzelte Hinweise auf entsprechende Vorfälle in anderen Arbeiten, in denen auf diesen Aspekt allerdings nicht systematisch eingegangen wurde, dass das Handwerkerduell im Alten Reich durchaus verbreitet war.148 Für Schwedisch-Pommern ist das Fehlen vergleichbarer Vorfälle indes mit der anderen gesetzlichen Grundlage zu erklären, denn hier griffen die Duellmandate für die Gruppe der Handwerker und Handwerkergesellen gerade nicht. Von den 21 Handwerkern im Sample waren zwölf Gesellen, das Duell war innerhalb der Handwerkerschaft also sehr deutlich ein Phänomen der ‚Jugendkultur‘. Dies ist insgesamt kein ungewöhnlicher Befund, da Gesellen auch in anderen Feldern der Gewalt ausgesprochen präsent waren.149 Zugleich lässt sich aber tendenziell auch die Duellpraxis insgesamt als Phänomen einer Jugendkultur begreifen. Auffällig an den hier untersuchten 146 UAR,
S 1411, S. 79 u. SA 1411.2, S. 9–16. S 1411, S. 79 u. SA 1411.2, S. 9–16, hier S. 12 u. 15. 148 Vgl. etwa bei Frevert, Ehrenmänner, S. 23 u. 277, der Hinweise auf ein Handwerkerduell, dessen gerichtliche Akte im Staatsarchiv Detmold liegt. Siehe zudem die Hinweise bei Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 216. Zu Kursachsen siehe bereits Meier, Handwerkerduelle. 149 Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 252–265. 147 UAR,
3. Unerwartete Protagonisten: Handwerker und ihre Duelle 225
Beispielen ist allerdings, dass unter den Beteiligten immerhin acht Gesellen aus der Chirurgen- und Barbierinnung150 und vier Feldschere zu finden sind. Zwölf der 21 Protagonisten sind damit einem spezifischen Handwerk zuzuordnen. Dieser Befund verschärft sich noch, wenn man bedenkt, dass zum Zeitpunkt des Konfliktes von den acht Barbiergesellen und vier Feldscheren immerhin sechs beziehungsweise einer in Leipzig ansässig waren und in der Stadt (inklusive der Vorstädte) insgesamt lediglich zehn, später dann nur noch neun Barbierstuben zugelassen waren.151 Wenig wahrscheinlich ist, dass sich unter Barbieren und Feldscheren generell eine erhöhte Gewaltbereitschaft finden lässt, zumindest ist ein eklatant höheres einschlägiges Deliktaufkommen in der bisherigen Forschung bislang nicht verzeichnet worden.152 Konflikte zwischen Angehörigen der städtischen Chirurgen- und Barbierinnung einerseits und Feldscheren andererseits lassen sich aber womöglich mit einer erhöhten beruflichen Konkurrenz erklären, denn die städtische Kundschaft war hart umkämpft.153 Und auch wenn diese in den konkreten Auseinandersetzungen nicht eigens angesprochen wurde, so finden sich unter den Fällen immerhin drei, in denen sich jeweils ein Barbiergeselle und ein Feldscher gegenüberstanden.154 150 In den Akten werden sie durchweg als Barbiergesellen bezeichnet, auch wenn die Handwerksinnung die Bezeichnung Chirurgen und Babiere im Titel führte. Die ausschließliche Bezeichnung als Barbiergesellen wurde für die Darstellung übernommen. 151 Vgl. dazu die entsprechenden Satzungen der Leipziger Innung: Satzung 1694: StA Leipzig, Inn. Chir., A3, Art. 29, Bl. 10a; Satzung aus dem 18. Jahrhundert, Prachthandschrift ohne genaues Datum: StA Leipzig, Inn. Chir., A4, Tit XIX, Bl. 35a. Die Zahl der Feldschere dürfte ähnlich oder sogar noch niedriger gewesen sein. Genauere Angaben zur Anzahl der Feldschere bei dem in Leipzig stationierten Militär fehlen aber. 152 Allerdings weisen die Leipziger Innungsartikel aus dem 18. Jahrhundert immerhin noch Hinweise auf das Verständnis einer Eigengerichtsbarkeit auf. In Tit V, Art. 1–3 wird geregelt, „wo und wie die Privat-Händel, so sich zwischen Meistern oder Gesellen, oder Wittben und sonst begeben, verhört und beygelegt werden“ sollen. StA Leipzig, Inn. Chir., A4, Tit V, Bl. 10a–11a. Hier ließe sich die Idee ableiten, dass man davon ausging, Konflikte ‚unter sich‘ auszumachen. 153 Zum Ausdruck kommt dies nicht nur in der beschränkten Meisterzahl, sondern auch in einigen dokumentierten Konflikten zwischen einzelnen Feldscheren und der Chirurgen- und Barbierinnung. Vgl. etwa die 1712 beim Landesherrn eingereichte Beschwerde der Innung über die Witwe des Leipziger Garnisonsfeldschers Melchior Crantz, die widerrechtlich auch Einwohner und Bürger der Stadt versorgte. Doch dieses Privileg war seinerzeit nur ihrem Mann auf Lebenszeit zuerkannt und der Innung zugleich versichert worden, dass dieses Privileg für die generelle Aufteilung der Zuständigkeiten keine Konsequenzen nach sich zöge. StA Leipzig, Inn. Chir., C1,1, Bl. 62a, b. 154 StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 636 (vorläufige Sign.); SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 248a–257b; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/1 u. Loc. 1405/2, Bl. 1a–4b.
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IV. Akteursgruppen
Am wahrscheinlichsten kann die signifikante Häufung allerdings darauf zurückgeführt werden, dass Barbiere und Feldschere beruflich häufiger als andere Handwerker mit Adligen und Offizieren zu tun hatten, die ihre gewaltsam ausgetragenen Konflikte als Duelle begriffen.155 Damit dürfte es für sie selbstverständlicher als für andere Handwerker gewesen sein, auch die eigenen Auseinandersetzungen als Duelle zu etikettieren. Zugleich gilt es aber zu betonen, dass das Handwerkerduell keine Spezialität der Bar biere, Chirurgen und Feldschere war. Unter den Personen, die mit den Duellmandaten in Konflikt geraten waren, finden sich schließlich auch zwei Perückenmacher- und zwei Kürschnergesellen, ein Freischlachter und ein Koch, zwei Schuster und ein Schneider. Die meisten Konflikte wurden zwischen zwei Angehörigen des Handwerks ausgetragen. Allerdings waren immerhin zwei Auseinandersetzungen ständisch übergreifend: Bemerkenswert ist zweifellos ein Fall, der sich im Jahre 1790 ereignete. Hier forderte der Feldscher Friedrich Wiegert einen gewissen Wilhelm Baron von Kolbe, einen Offizier in preußischen Diensten, zum Duell. Anlass der Forderung war offenbar ein Annäherungsversuch, den Kolbe gegenüber der Ehefrau Wiegerts unternommen hatte. Zum Ehebruch war es jedoch nicht gekommen, sondern nur zu besagter Duellforderung. Diese blieb ihrerseits ohne gewaltsame Folgen, da Kolbe nach der Forderung kurzerhand die Stadt verließ. Wieso dies geschah und ob er Wiegert womöglich als Duellpartner abgelehnt hatte, wird in den Akten nicht erwähnt. Auf jeden Fall war die Duellforderung öffentlich bekannt geworden und gegen Wiegert wurde in der Folgezeit dann auch trotz Kolbes Verschwinden ein Verfahren eröffnet. Wiegert gab zwar an, dass er trotz seiner Duellforderung „die Absicht nicht gehabt habe“, sich mit Kolbe wirklich zu schlagen, vielmehr zielte seine Forderung lediglich darauf ab, diesen „ab[zu]schrecken, nicht wieder zu kommen“. Doch das Gericht nahm die Sache offenbar ernster. Denn Wiegert wurde nach § 25 des kursächsischen Duellmandats von 1712156 für seine Duellforderung zu einer zweijäh155 Erwähnt werden entsprechende Behandlungen der Wunden bzw. Gutachten über die Todesursachen raum- und zeitübergreifend. Siehe beispielsweise in: UAR, Akademisches Gericht, Nr. 1597; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 95a– 132a; StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 672 (vorläufige Sign.); UAG, Med. Fak 8, Bl. 168a–179a; SächsHStA Dresden 10026, Loc. 1405/2, Bl. 187a–196b u. letztes Stück im Band [ohne Pag.]; UAR, Akademisches Gericht, Nr. 3319. 156 Hier hieß es mit Blick auf das Szenario eines solchen Falls: „§.25. […] Wäre aber die Ausforderung so fort in der ersten Hitze, da der Unwille entstanden, und die Beleidigung eben vorgegangen, von ihme selbst geschehen, so soll die Suspension von seiner Function, mit Einziehung der Besoldung, auf Zwey Jahr, und Ein=jähriges Gefängniß, in dem Fall aber, da er ausser Dienste, Zwey=jährig Gefängniß statt haben.“ Kursächsisches Duellmandat 1712, Sp. 1793.
3. Unerwartete Protagonisten: Handwerker und ihre Duelle 227
rigen Suspension aus dem Dienst und einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Allerdings folgt auch hier auf die Verurteilung die Begnadigung und Wiegert wurde schließlich nur ein achtwöchiger Arrest zuerkannt, den er sogar nach und nach abbüßen konnte.157 Bei dem zweiten ständisch gemischten Duellfall handelt es sich um eine 1719 in Freiberg unternommene Duellverabredung zwischen Magnus Johann Georg Nöller, dem dortigen Quartiermeister und Militärangehörigen in städtischen Diensten,158 und einem Koch namens David Friedrich Wagner. Auch hier war es offenbar nicht zu einem Kampf gekommen, vielmehr war das Stadtgericht gegen die Konfliktgegner noch vor dem Austrag des Duells vorgegangen. In diesem, in den Akten nur sehr knapp dokumentierten Fall, wurde Nöller durch das Freiberger Stadtgericht zu einer Haftstrafe verurteilt, aber auch ihm wurde nach einer (nicht näher bestimmten) Zeit in Haft der Rest der Strafe erlassen.159 Abgesehen von diesen beiden Beispielen handelt es sich bei allen anderen Fällen um Duelle oder Duellforderungen unter ‚Handwerks-Kollegen‘.160 Für die Frage nach dem zeitgenössischen Duellverständnis ist es besonders interessant und entscheidend, dass sich innerhalb des Samples kein Beispiel für ein Verfahren findet, in dem den Handwerkern die Berechtigung zum Duell von irgendeiner Seite abgesprochen wurde. Die gerichtlichen Instanzen gingen vielmehr durchweg und ganz selbstverständlich davon aus, dass es sich bei den Konflikten der Handwerker um Duelle oder aber um Duellforderungen handelte. Das bedeutet aber, dass die Gerichte nicht die Auffassung einer auf bestimmte ständische Gruppen beschränkten Duellberechtigung vertraten. Gleiches kann für die Konfliktgegner festgestellt werden, die in den meisten Fällen selbst davon sprachen, dass es sich um ein Duell oder aber um die Herausforderung zu einem Duell gehandelt hätte. Und selbst wenn die Beschuldigten vor Gericht grundsätzlich bestritten, dass sie sich überhaupt duelliert hätten, gingen sie doch zugleich ganz selbstverständlich davon aus, dass sich Handwerker beziehungsweise Handwerksgesellen duellieren konnten. Besonders deutlich zeigt dies eine Angelegenheit, die vor dem Leipziger Stadtgericht im Jahr 1690 verhandelt wurde. Angeklagt waren die Barbiergesellen Dietrich Rudolph Zickel und Paul Pinßbach. Beide brachten zunächst zu ihrer Entschuldigung vor, dass sie sich nicht duelliert, sondern nur 157 SächsHStA
Dresden, 10026, Militärdepartement, Nr. 220 [o. Pag.]. Nöller in städtischen Diensten gestanden haben muss, ergibt sich aus dem Umstand, dass das Stadtgericht unwidersprochen gegen ihn vorging. 159 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 159a–165b. 160 Vgl. zu Handwerkerduellen auch die präsentierten Beispiele bei Meier, Handwerkerduelle. 158 Dass
228
IV. Akteursgruppen
„im Schnee mit einander umb gejaget aus Spahse“.161 Doch die Entschuldigung des eigenen Verhaltens hielt die Gesellen nicht davon ab, im Laufe des gerichtlichen Verhörs Vermutungen über andere Handwerkerduelle anzustellen. So erklärte Dietrich Rudolph Zickel bei seiner Vernehmung etwa: „Duelliret hette er sich nicht, vielleicht würden es andere balbier gesellen gewesen seyn […] Schmidts seiner soll der ärgste Krackeler seyn, [… und] Schneiders andere[r] geselle wäre gestochen, solt, wie er gehöret, mit Schmidts seinen gesellen in Duell geschehen seyn.“162 Interessant ist zudem, dass obwohl Pinßbach und Zickel bestritten, sich duelliert zu haben, die Leipziger Schöffen und mit ihnen das Leipziger Stadtgericht zu dem Schluss kamen, dass es sich um ein Duell gehandelt hätte. Im Urteil wurde daher vorgeschlagen, Zickel als ‚Anfänger‘ in dieser Sache mit einer vier- oder fünfjährigen Landesverweisung zu bestrafen und ihm darüber hinaus auch noch die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Allerdings stünde es dem Leipziger Stadtgericht frei – so der Urteilsspruch der Leipziger Schöffen weiter –,163 diese Verweisung in eine Geldstrafe in Höhe von 50 Reichstalern zu verwandeln. Dies tat das Gericht dann auch und als Zickel die erste Hälfte der Summe in bar bezahlt hatte, erließ man ihm gnadenhalber auch noch die verbleibenden 25 Reichstaler und setzte ihn wieder auf freien Fuß.164 Ein Urteil für Pinßbach fehlt bemerkenswerterweise ganz. Die Beispiele zeigen deutlich, dass die am Konflikt wie auch an dessen gerichtlichem Nachspiel beteiligten Personen ganz selbstverständlich davon ausgingen, dass sich Handwerker duellieren konnten, in jedem Fall miteinander, aber im Grunde auch ständisch übergreifend. Die Waffen, die bei diesen Konflikten gegebenenfalls zum Einsatz kamen, waren in erster Linie Degen und Schwerter. Deren Besitz war weitgehend üblich, wenngleich man die 161 StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 611 (vorläufige Sign.), Aussage von Paul Pinßbach v. 29. Jan. 1690, hier Bl. 7b. 162 StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 611 (vorläufige Sign.), Aussage von Dietrich Rudolph Zickel, hier Bl. 5b–6b. 163 Der Leipziger Schöffenstuhl war in Kursachsen neben dem Wittenberger Schöffenstuhl als landesherrliches Spruchgremium für die Urteilsfindung im Bereich der oberen Gerichtsbarkeit zuständig. Städtische Gerichte oder auch adlige Gerichtsherren konnten lediglich in niedergerichtlich angesiedelten Strafverfahren selbst Urteile fassen. In peinlichen Strafverfahren führten die Gerichte vor Ort zwar das Verfahren, schickten die zusammengestellten Akten dann aber zur Urteilssprechung an die Leipziger oder Wittenberger Schöffen. Zur kursächsischen Gerichtsorganisation siehe Ludwig, Herz der Justitia, S. 45–49. 164 StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 611 (vorläufige Sign.), Urteil der Leipziger Schöffen, Bl. 37a–38b, hier Bl. 37b u. die darauf vermerkte Notiz zur Urteilsumsetzung Bl. 38b.
3. Unerwartete Protagonisten: Handwerker und ihre Duelle 229
Waffen auch nicht unbedingt immer bei sich trug.165 Dies zeigt beispielsweise eine Auseinandersetzung, die sich 1673 in Freiberg zwischen den Kürschnergesellen Martin Adelmann und Wenzel Köhler ereignete.166 Man hatte gemeinsam im Wirtshaus gesessen und getrunken als es zum Streit kam, der zu guter Letzt mit Waffen entschieden werden sollte. Da die Beteiligten offenbar der Meinung waren, dass der Kampf mit dem Degen auszutragen sei, ging Adelmann nach der Ausforderung zunächst in seine Herberge und holte seinen dort befindlichen Haudegen. Köhler trug seinen Stoßdegen hingegen bereits bei sich.167 Und wie vereinbart traf man später dann vor der Stadt zum Kampf zusammen, bei dem Adelmann schließlich verletzt wurden. Der Umstand, dass man zum Kampf mit – wenn auch verschiedenen – Degen antrat, schien für die Beteiligten völlig selbstverständlich zu sein. Dementsprechend erklärte Köhler dann auch später vor Gericht, dass die Gesellen derartige Degenkämpfe „uf der herbrige öffters […] getrieben“ hätten.168 Aus dem ‚Holen der Waffe‘ lässt sich zugleich schließen, dass man den Konflikt bewusst nicht mit den Fäusten oder dem Messer – das wahrscheinlich schneller zur Hand gewesen wäre – austragen wollte. Die Kontrahenten schrieben dem Kampf mit den eigens geholten Degen vielmehr eine spezifische, in den Quellen jedoch nicht eigens beschriebene Bedeutung zu. Der Konfliktverlauf wies durch das Waffenholen – so kann vorsichtig abgeleitet werden – zumindest Ansätze einer Formalisierung auf, die über die situativ in vielen Gewalthändeln eingeschriebenen Muster des ehrlichen Kampfes hinausreichte. Zugleich scheint die Option eines Degengefechts zwischen Handwerkern für die Beteiligten völlig selbstverständlich gewesen zu sein, ohne dass damit angezeigt wäre, dass derartige Konflikte immer unter dem Label Duell firmierten.169 165 Vgl. dazu für die Stadt Augsburg die Übersicht des Waffenbesitzes 1610 und 1645 bei Tlusty, The Martial Ethic, S. 140 f. u. 144. Tlusty kann nachweisen, dass in etwa 90 % der Haushalte ein kriegstaugliches Schwert vorhanden war. Siehe auch die Beobachtungen zu den Gewaltpraxen an Markttagen (vornehmlich am Beispiel Hildesheims im 17. und 18. Jahrhundert) bei Fenske, Marktkultur, S. 276–286. Auf die stark handwerklich geprägte Fechtkultur nördlich der Alpen verweist auch Jaser, Ernst und Schimpf, S. 223 f. 166 Zum Fall insgesamt: SächsHStA Dresden, 13749, Nr. 97. 167 Die Kombination von Hau- und Stoßdegen war dabei durchaus problematisch, da sie sich in Gewicht und Form unterschieden und ihr optimaler Einsatz im Grunde verschiedene Kampftechniken erforderte: Der Haudegen war (ähnlich dem Schwert) nicht nur auf den Stich, sondern auch auf den Hieb ausgerichtet und nur an der Spitze zweischneidig. Der Stoßdegen besaß demgegenüber eine schmale, spitz zulaufende Klinge und eignete sich v. a. für den Stich. Er war leichter und seine Handhabung im Zweifel lebhafter als das mehr Kraft erfordernde Kämpfen mit dem Haudegen. 168 SächsHStA Dresden, 13749, Nr. 97, Bl. 6a. 169 Auf entsprechend anders benannte Degengefechte verweist etwa Fenske, Marktkultur, S. 279–281.
230
IV. Akteursgruppen
Bei den Verfahren gegen Handwerker wird noch ein weiteres interessantes Moment deutlich. Denn es zeigt sich, dass die milde Straf- und Gnadenpraxis auch hier anzutreffen war, wenngleich punktuell andere Entscheidungsmuster aufscheinen. So wurden längere Haft- oder gar Zuchthausstrafen zwar ausgesprochen selten verhängt, kamen aber doch vor, wenngleich auch diese nach einiger Zeit wieder abgemildert wurden. So etwa im Fall der bereits genannten Freiberger Kürschnergesellen Wenzel Köhler und Martin Adelmann, die wegen ihres ausgetragenen Duells zunächst beiderseits zu einem Jahr Haft verurteilt worden waren und davon immerhin ein halbes Jahr auch in der Haft verbrachten.170 Weniger gut getroffen hatte es da der Merseburger Barbiergeselle Johann Gottfried Leune.171 Diesem war für seine Duellforderung des Feldschers Rabe und die Entblößung des Degens zunächst eine Festungsbaustrafe von acht Jahren zuerkannt worden, die zwar abgemildert wurde, aber anfangs nur zu einer einjährigen Zuchthausstrafe ohne Willkommen, also ohne die rituelle Auspeitschung auf dem Hof des Zuchthauses bei der Einlieferung. Diese vergleichsweise harte ‚Gnadenstrafe‘ war ausgesprochen ungewöhnlich, denn eine Zuchthausstrafe wurde bei Gewaltvergehen generell eher selten verhängt,172 im Fall von Duellen hatte sie absoluten Ausnahmecharakter. Im vorliegenden Fall ist die Zuchthausstrafe dann auch zweifelsohne mit dem sozialen Status des Beklagten zu erklären.173 Es gelang dem Verurteilten aber schließlich doch noch, der drastischen Bestrafung zu entgehen. Nach einigem Hin und Her erlangte Leune einen Dispens und durfte nun gnadenhalber im Prinz Xaverischen Regiment dienen. Begründet wurde dies mit dem jugendlichen Alter des Beklagten, der erst 19 Jahre alt war, und damit, dass er ein Bursche sei, der „72 Zoll an Maaße habe“, also knapp 1,70 m groß war, und damit für das Militär offenbar interessant.174 170 SächsHStA
Dresden, 13749, Nr. 97. Dresden, 10026, Loc. 1405/1, Bl. 210a–215b. 172 So wurden in das Waldheimer Zuchthaus im Zeitraum von 1716–1720 bzw. 1747–1750 von insgesamt 1.024 bzw. 550 Züchtlingen nur 20 resp. 17 Personen wegen begangener Gewalttaten eingeliefert. Siehe Bretschneider, Gefangene Gesellschaft, S. 114 f., Tab. 1–11 u. 1–12. 173 Zuchthausstrafen für Adlige und Offiziere waren eine absolute Ausnahme, denn sie zogen letztlich den Verlust des Ehrenstatus nach sich. Ein exemplarisches Beispiel für die drastischen Folgen einer Zuchthausstrafe ist etwa das 1799 durch Erbmarschall Graf von Löser gegenüber Carl Friedrich Baron von Eberstein ausgesprochene Verbot einer Teilnahme am Landtag, aufgrund einer einschlägigen Verurteilung zu einer vierjährigen Zuchthausstrafe (für den gewaltsamen Austrag eines Konfliktes innerhalb der weiter zu fassenden Familie, der nahezu fehdeähnlichen Charakter annahm). Dieser Ausschluss wurde durch Eberstein vergeblich angefochten und führte schließlich sogar zu einer Duellforderung an Löser. Allerdings schlug dieser auch das Duell mit Verweis auf den unehrlichen Status Ebersteins aus. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/4, Bl. 1a–78a u. 90a–91a. 174 SächsHStA Dresden, 10026, 1405/2, Bl. 1a–4b. 171 SächsHStA
3. Unerwartete Protagonisten: Handwerker und ihre Duelle 231
Aber sieht man von solchen Ausnahmen ab, fällt der gerichtliche Umgang mit Handwerkerduellen alles in allem nicht aus dem Rahmen des auch für Adlige oder Militärs Üblichen: Duellierende Handwerker und Handwerksgesellen hatten für ihr Handeln kaum mit strafrechtlichen Konsequenzen zu rechnen und kamen ebenfalls in den Genuss einer ausgesprochen umfassenden Gnadenpraxis.175 Diese ‚Normalität‘ im Umgang mit Handwerkerduellen lässt den Schluss zu, dass das Duell bis weit in das 18. Jahrhundert hinein noch keinen gesellschaftlich übergreifend verankerten Charakter als distinktives Mittel bestimmter Gruppen besaß. Die Vorstellung einer auf die später so genannten satisfaktionsfähigen Gruppen beschränkten, alleinigen Berechtigung zum Duellieren bestand demnach nicht. Zugleich weist die Seltenheit der Handwerkerduelle darauf hin, dass von Seiten der Handwerkerschaft keineswegs von einer gezielten Indienstnahme des Duells auszugehen ist, mit der eine distinktive Aufwertung der eigenen Person bezweckt werden sollte oder auch nur konnte. Denn in diesem Fall wären nicht nur erheblich mehr überlieferte Fälle zu erwarten gewesen,176 sondern auch Hinweise darauf, dass die Protagonisten vehement darauf bestanden, dass ihr Handeln explizit als Duell erkannt und beschrieben wurde beziehungsweise die Gerichte gerade dies in Frage stellten. Allerdings scheint die jeweils anzutreffende Etikettierung der Ereignisse als Duell eher einem zufälligen Prinzip zu folgen. Mitunter sind es sogar vorrangig die Gerichte, die eine Auseinandersetzung als Duell bezeichneten, freilich ohne dass ihnen von den Gewalttätern bei einer solchen Deutung der Ereignisse widersprochen worden wäre.177 Was heißt das alles nun für die Frage nach der ständischen Qualität des Duells? Es heißt, dass die Fähigkeit sich zu duellieren zumindest dann, wenn man den Einflussbereich des deutschen Rechts betrachtet, kein Kennzeichen bestimmter sozialer Gruppen war. Vielmehr konnten sich Handwerker genauso selbstverständlich gegenseitig zum Duell fordern wie dies Adlige oder auch Offiziere taten. Es ist daher deutlich zu betonen, dass das Duell (noch) nicht zur Markierung einer distinktiven Differenz zwischen verschiedenen sozialen Gruppen genutzt wurde und auch nicht werden 175 Strafen von 25 oder 50 Rthl. oder wenige Wochen Haft waren bei Handwerkerduellen durchaus üblich. So etwa bei: StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 608 (vorläufige Sign.); StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 611 (vorläufige Sign.); SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/3, Bl. 159a–165b; SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 248a–257b; Sächs HStA Dresden, 10026, Militärdepartement, Nr. 220 [o. Pag.]. Zur Gnadenpraxis siehe auch die Ausführungen in Kap. III. 3. 176 Eibach, Frankfurter Verhöre, S. 252–265. 177 So etwa im folgenden Fall: SächsHStA Dresden, 13749, Nr. 97. Siehe dazu auch Meier, Handwerkerduelle, S. 291–294.
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IV. Akteursgruppen
konnte.178 Denn dem Duell fehlte es bis weit in das 18. Jahrhundert einfach an einer ausreichenden Spezifik, um im Alltag als Distinktionsmittel zu funktionieren. Der Unterschied zwischen Samt und Leinen, zwischen erster und zweiter Reihe, war klar und für jedermann erkennbar. Die Grenze zwischen gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikten, die als Duell etikettiert wurden, und Konflikten, bei denen dies eben nicht erfolgte, war hingegen fließend. Diese geringe distinktive Bedeutung des Duells hilft auch zu erklären, wieso Duelle nur so selten durch jene ‚Anderen‘, also durch Handwerker, Gastwirte oder kleine Beamte, ausgetragen wurden. Denn natürlich waren gewaltsam ausgetragene Ehrkonflikte keine Spezialität von Adligen und Offizieren.179 Aber mit der Etikettierung der eigenen Konflikte als Duell war für Handwerker, Gastwirte oder Bauern einfach kein Mehrwert verbunden, es gab nichts, was sie nachahmen konnten.180 Bleibt die Frage, wieso trotz einer fehlenden sozialen Beschränkung des Duells dennoch ein sehr begrenztes soziales Profil der Protagonisten erkennbar wird. Zu vermuten ist, dass es offenbar in bestimmten Kreisen selbstverständlicher war als in anderen, Konflikte als Duell zu etikettieren oder aber Formen von Verbal- und Realinjurien im Kontext der Duellmandate zu verhandeln. Das Recht selbst liefert hier keine einleuchtenden Vorlagen, vielmehr sind es vor allem jene theologischen Streitschriften und Predigten gegen das Duell, die einen engen Zusammenhang zwischen dem Duell und der Zugehörigkeit zum Adel, zum Offizierskorps oder zur Studentenschaft behaupten.181 Und auch wenn die Mahnungen der Theologen mit Blick auf ein erhofftes, friedfertigeres Verhalten wenig fruchteten, so hatten sie mit ihren Streitschriften und Predigten vielleicht immerhin den Erfolg, dass Adlige, Militärs und Studenten mehr als andere dazu neigten, ihre gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikte als Duelle zu bezeichnen.
178 Diese Markierungs- und Differenzierungsarbeiten erfolgten vielmehr in anderen Felder. Siehe etwa Stollberg-Rilinger, Rang vor Gericht; Bulst, Städtische Kleider- und Aufwandsordnungen; Bulst, Kleidung als sozialer Konfliktstoff; Weller, Theatrum Praecedentiae. 179 Für den städtischen Kontext im 18. Jahrhundert siehe Eibach, Frankfurter Verhöre, bes. S. 213–215; mit Fokus auf die Kaufmannschaft im 16. Jahrhundert siehe auch Häberlein, Tod auf der Herrenstube; siehe zudem die Beiträge in folgenden Sammelbänden Schreiner/Schwerhoff (Hg.), Verletzte Ehre; Backmann u. a. (Hg.), Ehrkonzepte; Kesper-Biermann u. a. (Hg.), Ehre und Recht. 180 Für das Ernstnehmen einer eigenen Logiken und Selbstverständlichkeiten folgenden, städtischen Fecht- und Gewaltpraxis jenseits einer trickle-down-Lesart plädiert auch Jaser, Ernst und Schimpf, S. 240 f. 181 Siehe dazu die Ausführungen in Kap. III. 1. in dieser Arbeit.
V. Konflikttypen und Konfliktlogiken Darauf, dass Ehre als ein Grundwert frühneuzeitlicher Gesellschaften zu gelten hat und Ehrkonflikte zum Alltagsgeschäft ihrer Mitglieder gehörten, wurde bereits zu Beginn dieser Arbeit verwiesen.1 Allerdings ist festzustellen, dass die situative Logik und Funktion der untersuchten Konflikte mit dem alleinigen Verweis auf ihren Status als Ehrkonflikte noch nicht erschlossen ist. Vielmehr finden sich neben schon lange schwelenden Konflikten, etwa über ausstehende Geldzahlungen oder als ungerecht empfundene Vorteilsnahmen eines Bekannten, bei denen die Beteiligten irgendwann doch aneinander gerieten und nach wechselseitigen Beschimpfungen und Drohungen womöglich eine Duellforderung folgte, solche Konflikte, bei denen aus Kleinigkeiten, aus freundschaftlich-frechen Dialogen plötzlich tödliche Kämpfe entstanden. Gelegentlich scheinen Ehrkämpfe aber auch aus versehentlichen Bemerkungen und Gesten entstanden zu sein, wurde ein Versehen unerwartet zur Grundsatzsache. In allen drei Fällen zeichnen sich ganz unterschiedliche Konfliktlogiken ab, in denen gleichwohl immer mit dem Verweis auf Ehre agiert und argumentiert wurde. In systematisierender Absicht wird daher vorgeschlagen, drei Grundtypen der individuell ausgetragenen Ehrkonflikte im Allgemeinen und der Duelle im Besonderen zu unterscheiden: Wettkampfspiele, Stellvertreterkonflikte und Entgleisungskonflikte.2 Als Wettkampfspiele, im Sinne von ernsten Spielen des Wettbewerbs,3 sollen dabei Ehrkonflikte verstanden werden, die aus einem spielerisch-aggressiven Miteinander innerhalb von Gruppen entstanden. Wettkampfspiele sind Ausdruck und Ergebnis einer alltäglichen kommunikativen Praxis, die zumindest phasenweise von Formen aggressiver Imagepflege dominiert war, deren zentrale Strategie in der spielerischen Infragestellung des Ehrenstatus des jeweiligen Kommunikationspartners bestand. Dabei kann beobachtet werden, dass Wettkampfspiele vor allem innerhalb von Jungmännergruppen – etwa im Offizierskorps, in adligen Netzwerken, in studentischen Formationen oder aber in Handwerker- bzw. Gesellenschaften einer Zunft oder Stadt – anzutreffen waren und hier immer auch der Vergemeinschaftung dienten. Wettkampfspiele haben damit in erster Linie als Charakterisauch schon Münch, Grundwerte, S. 71 f. dazu auch Ludwig, Von Scherzen und Duellen. 3 Bourdieu, Die männliche Herrschaft, S. 203. 1 So
2 Vgl.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
tikum homosozial ausgerichteter Gruppen in der Vormoderne zu gelten, die sich typischerweise als Teilformationen innerhalb der ständischen Großgruppen herausbildeten. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass aus dieser Beobachtung nicht im Umkehrschluss auf eine generell anzutreffende Duellaffinität in den ständischen Großformationen, in denen sich die genannten homosozial ausgerichteten Gruppen herausbildeten, rückgeschlossen werden kann, ein Befund, der im letzten Kapitel hinlänglich deutlich geworden sein sollte. Vom Konflikttyp des Wettkampfspiels zu unterscheiden sind Ehrkonflikte, die hier als Stellvertreterkonflikte bezeichnet werden sollen. Bei diesen fungierte der Streit um die Ehre als Ersatzhandlung für den Austrag eines ‚eigentlichen Konfliktes‘. In der Gegenüberstellung von Stellvertreterkonflikten und Wettkampfspielen wird damit deutlich, dass Ehrkonflikte in Form von Stellvertreterkonflikten als Modus eines Konfliktmanagements anzusehen sind. Wettkampfspiele kamen hingegen ohne einen solchen ‚ernsten‘ Anlass aus. Sie sind als Ausdruck einer habituellen Haltung zu begreifen, mit der die Kampfbereitschaft als Zeichen und Ausweis von Männlichkeit unterstrichen wurde. Von beiden Formen abzugrenzen sind schließlich Konflikte, bei denen eine versehentliche Bemerkung oder eine im Grunde unbeabsichtigte Geste, also ein Fehltritt, zum Problem wurde und die sich daraus entwickelnden Auseinandersetzungen als Entgleisungskonflikte gedeutet werden können. Fehltritte oder Entgleisungen können mit Karl-Siegbert Rehberg als „Mikroverletzungen institutionell formierter Verhaltenserwartungen“ verstanden werden.4 Entgleisungen sind also unbeabsichtigte „Fehlanwendungen einer grundsätzlich akzeptierten und bekannten Regel eines gruppeninternen Codes durch ein zugehöriges Individuum“.5 Die den Entgleisungskonflikten zugrunde liegende Logik einer situativ unumgänglichen, gewaltsamen oder rechtlichen Reaktion auf einen Fehltritt war eng mit Verhaltenskodizes verschränkt, die zumindest innerhalb einer begrenzten Gruppe situativ als verbindlich angesehen wurden. Denn für diesen Konflikttyp relevant war ja gerade nicht die bewusste Kränkungs- oder Beleidigungsabsicht, sondern das als Abweichung vom Erwartbaren gedeutete Handeln eines der Protagonisten. Derartige Fehltritte waren prinzipiell immer möglich, aber die Zwangsläufigkeit, mit der aus einem Fehltritt ein mit Waffen ausgetragener Kampf wurde, dürfte im Fall von formalisierten Verhaltenskodizes größer gewesen sein.6 Für den 4 Rehberg,
Der ‚Fehltritt‘, S. 419. Vorwort, S. XIV. Unter Entgleisungen in einem weiteren Sinne fasst Moos „die Gesamtheit aller Regelverletzungen“. Moos, Vorwort, S. XV. 6 Indirekt ist für die italienische Halbinsel des 15. und 16. Jahrhunderts und für England auf einen solchen Zusammenhang verwiesen worden, da hier stets argu5 Moos,
V. Konflikttypen und Konfliktlogiken235
deutschsprachigen Raum dürfte die Häufigkeit entsprechender Entgleisungskonflikte mit den Duellkodizes des 19. Jahrhunderts zugenommen haben, im untersuchten Sample sind sie hingegen noch selten. Im 18. Jahrhundert spielte dieser Typus aber bereits im Kontext von literarischen und populären Erzählungen über Duelle eine interessante Rolle. Die vorgeschlagene Dreiteilung von individuell ausgetragenen Ehrkonflikten in Wettkampfspiele, Stellvertreterkonflikte und Entgleisungskonflikte ist natürlich idealtypisch, Übergangsformen, Uneindeutigkeiten und Binnendifferenzierungen sind daher zu erwarten. Deutlich von dieser funktionalen Differenz zu unterscheiden sind die Praktiken des Konfliktaustrags, die nicht spezifisch different, sondern typübergreifend waren. Den verschiedenen Konflikttypen können also gerade keine jeweils besonderen Modifikationen des Beleidigungs- oder Gewalthandelns zugewiesen werden. Bestimmte Formen und Inszenierungen verbaler Attacken und tätlicher Gewaltanwendungen sind vielmehr bei allen Konflikttypen anzutreffen. Dementsprechend kann mit Blick auf das Duell festgestellt werden, dass dieses einerseits den Charakter eines Wettkampfspiels annehmen konnte. Andererseits konnte ein Duell natürlich auch ein Stellvertreterkonflikt sein oder aber eine kämpferische Reaktion auf einen Fehltritt und damit ein Entgleisungskonflikt. Das bedeutet, dass Duellen keine generelle Funktion zugewiesen werden kann, vielmehr lassen sich die verschiedenen Funktionen von Duellen nur sinnvoll unter Berücksichtigung des jeweiligen situativen Settings und damit den jeweils anzutreffenden Konfliktlogiken bestimmen. Diese unterschiedlichen Konflikttypen und die damit verbundenen Konfliktlogiken gilt es im Folgenden näher zu betrachten (V. 2.). Der Untersuchung der Konflikttypen vorangestellt sind allerdings zunächst übergreifende Überlegungen zur Kunst des Beleidigens (V. 1.). Dieses Vorgehen ist dem Umstand geschuldet, dass die in den verschiedenen Konflikten erkennbaren Mechanismen kommunikativen Handelns allen Formen von Ehrkonflikten als Vollzugsweisen gemeinsam waren. In einem dritten Teilkapitel wird dann der Frage nachgegangen, welche Bedeutung den gerichtlichen Klagen der Konfliktparteien im Rahmen von Ehrenhändeln zukam (V. 3.). Dies ist nicht nur geboten, weil im Rahmen dieser Arbeit vornehmlich mit Gerichtsakten gearbeitet wurde, sondern weil den gerichtlichen Klagen als Strategie der Konfliktparteien in Ehrkämpfen durchaus eine zentrale Rolle zufiel. Die Überlegungen in allen drei Teilkapiteln werden anhand exemplarischer Fälle aus dem Sample entwickelt. Dafür wurden besonders aussagementiert wurde, dass der Anstieg gewaltsam ausgetragener Ehrkonflikte in dieser Zeit v. a. mit dem Aufkommen der ‚Benimmliteratur‘ zu erklären sei. Müller, Schauspiele der Gewalt, S. 25 f.; Quint, Duelling and Civility in Sixteenth-Century Italy; Hughes, Soldiers and Gentlemen; Peltonen, The Duel.
236
V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
kräftige Beispiele ausgewählt, die in einzelnen Zusammenhängen eine Zuspitzung der Aussagen ermöglichen. Abgesehen von der Feststellung, dass Entgleisungskonflikte im Untersuchungszeitraum ein marginales Phänomen waren, wird weitgehend darauf verzichtet, Aussagen über die quantitative Bedeutung der Konflikttypen oder aber einzelner Aspekte zu treffen. Eine solche ‚Bezifferung‘ ist schon angesichts der ausschnitthaften Überlieferung nicht sinnvoll. Hinzu kommt, dass in einer Reihe von Fällen die notwendigen Informationen fehlen, um eine Auseinandersetzung den im Folgenden näher untersuchten Erscheinungsformen der Ehrkämpfe plausibel zuordnen zu können. Der Verzicht auf quantitative Aussagen sollte aber die Resultate der folgenden Untersuchungen nicht schmälern, da es in erster Linie um grundsätzliche Erklärungsansätze für insgesamt typische Phänomene der frühneuzeitlichen Gewaltkultur geht.
1. Die Kunst des Beleidigens7 In nahezu allen in dieser Arbeit betrachteten Konflikten stand am Anfang eine Beleidigung, eine Beleidigung, die – ob nun gezielt platziert oder versehentlich passiert – augenscheinlich als solche verstanden wurde, zumeist auch so gemeint war und die ganz offensichtlich nicht einfach hingenommen werden konnte. Beleidigungen lassen sich ganz grundsätzlich als Sprechakte beschreiben: Das heißt, ein Sprecher erzielte bei einem Hörer mit seinen Worten den perlokutionären Akt des Beleidigens und zwar zumeist, indem er den illokutionären Akt einer Behauptung realisierte.8 Als Beispiel kann hier die Aussage ‚Du bist ein Hundsfott!‘ dienen.9 Mit dieser Aussage wurde eine negativ konnotierte, zuschreibende Behauptung getroffen, die beim Hörer eischon der Titel eines Aufsatzes: Objartel, Die Kunst des Beleidigens. Differenzierung zwischen illokutionären und perlokutionären Sprechakten (in Abgrenzung zu lokutionären Sprechakten – also dem Akt ‚Etwas-Sagen‘) geht auf John L. Austin zurück. Alle drei, also lokutionärer, il- und perlokutionärer Akt, sind dabei verschiedene Aspekte einer komplexen sprachlichen Äußerung und zumeist nur analytisch trennbar. Wobei – ich folge hier der Erklärung Judith Butlers – illokutionäre Sprechakte dadurch gekennzeichnet sind, dass sie das tun, was sie sagen, indem sie es sagen. Perlokutionäre Sprechakte rufen hingegen einen bestimmten Effekt, eine Wirkung als Folgeerscheinung hervor. „Der illokutionäre Sprechakt ist also selbst die Tat, die er hervorbringt, während der perlokutionäre Sprechakt lediglich zu bestimmten Effekten bzw. Wirkungen führt, die nicht mit dem Sprechakt selbst zusammenfallen.“ Butler, Haß spricht, S. 11. Vgl. zudem Austin, Zur Theorie der Sprechakte. 9 Hundsfott bezeichnet ‚ursprünglich‘ die äußeren Geschlechtsorgane einer Hündin. In der Idee des Begriffes werden damit abwertend sexuelle Bedeutungen mit dem ebenfalls abwertend gemeinten hündischen Charakter kombiniert und für die Charakterisierung eines Menschen als feige genutzt. Zur Wortbedeutung: [Art.] Hundfott. 7 So
8 Die
1. Die Kunst des Beleidigens237
nen entsprechenden Effekt der Kränkung auslöste. Besonders die Verwendung eines Schimpfwortes zeigt dabei an, dass dem Sprecher dieser perlokutionäre Akt des Beleidigens bewusst war, da Schimpfworte nicht versehentlich benutzt wurden. Vielmehr galt es, mit einer getroffenen Aussage den Effekt des Beleidigt-Fühlens beim Gegenüber zu erzielen! Neben dieser Form mit klarer Beleidigungsabsicht war es grundsätzlich ebenso möglich, dass dem Sprecher die beleidigende Wirkung seiner Aussage für den Kommunikationspartner nicht bewusst war. In diesem Fall hätte der perlokutionäre Akt (mit seiner beleidigenden Wirkung beim Hörer) kein illokutionäres Gegenstück, da der Sprecher die beleidigende Wirkung seiner Aussage nicht intendiert hatte (oder dies zumindest später behauptete und Gegenteiliges nicht erkennbar ist). In derartigen Fällen waren in aller Regel auch keine klar markierten Schimpfworte im Einsatz, sondern Aussagen und Bemerkungen, die der potentielle Konfliktgegner als herabwürdigend und beleidigend empfand. Eine solche versehentliche Beleidigung kann etwa bei einem Dresdner Beispiel aus dem Jahre 1678 vermutet werden. Die Beleidigung fand dabei indirekt im Rahmen eines geselligen Beisammenseins einiger Offiziere statt. Entscheidend war hierbei eine Frage, die der Oberwachtmeister Christoph von Ölschnitz den Anwesenden stellte, denn er erkundigte sich, ob der nicht anwesende, aber offenbar allen bekannte Hauptmann Wilhelm Albrecht von Reuter vor Anklam Streit mit dem Hauptmann von Schöning gehabt hätte. Ein Freund von Reuter verneinte dies, was Ölschnitz wunderte, da Schöning dies offenbar verbreitet hatte und insgesamt nicht gut auf Reuter zu sprechen war. Von dieser Nachfrage berichtete nun jener, namentlich nicht genannte Freund Reuter. Reuter war empört, wohl vor allem über die vermutete üble Nachrede durch Schöning. Und dieser üblen Nachrede wollte er dann auch entgegentreten. Dafür begab sich Reuter zu Ölschnitz, stellte diesen in Ermangelung Schönings zur Rede und erklärte, er werde sich, da Schöning nicht in der Stadt war, in dieser Sache an ihn halten und forderte ihn wegen seiner beleidigenden Äußerungen zum Duell.10 In diesem Fall sah sich Reuter also nicht nur durch Schöning, sondern ebenso durch die öffentlich von Ölschnitz gestellte Frage beleidigt, ohne dass Ölschnitz eine solche Reaktion von Seiten Reuters beabsichtigt haben dürfte. Aber auch wenn hier anzunehmen ist, dass durch Ölschnitz zunächst keine Beleidigung Reuters intendiert war, sondern seine Nachfrage eher dem Hang zum Austausch von Klatsch und Tratsch unter Offizieren zuzuschlagen ist, ändert dies nichts am beleidigenden Effekt seiner Frage für Reuter. Die Kunst des Beleidigens war hier also zunächst einmal die Kunst des Beleidigtseins, aus der dann auch ohne entsprechende Intentionen von 10 Zum
Fall: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/7 [o. Pag.].
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
Ölschnitz schnell ein ernstzunehmender Konflikt erwuchs. Das Beispiel markiert bereits, dass es im Falle von Beleidigungen in aller Regel und in jedem Fall bei den hier untersuchten aktenkundig gewordenen Auseinandersetzungen nicht bei der ersten gezielt oder aber unbeabsichtigt platzierten kränkenden Äußerung blieb. Vielmehr war diese erste als Beleidigung gemeinte und / oder verstandene Äußerung nur der Auftakt für alles Weitere. Die untersuchten Konflikte zeichnen sich vielmehr dadurch aus, dass auf eine als Beleidigung verstandene Attacke mindestens mit gleicher Münze zurückgezahlt wurde. Diese unmittelbar verbalen, mitunter auch physischen und nun in jedem Fall beleidigend gemeinten Abwehrreaktionen auf Beleidigungen waren typische Elemente in der Alltagskommunikation11 und sie sind es bis heute geblieben, wenngleich sich auch die konkrete Ausgestaltung verändert hat.12 Es wird vorgeschlagen, das hier erkennbare basale Muster im Umgang mit Beleidigungen in Form von Attacke und Gegenattacke als kommunikative Gattung (Thomas Luckmann) zu verstehen, denn derartige beleidigende Gegenäußerungen waren (und sind) als ganz selbstverständliche, nur bedingt reflektierte Reaktionen auf Beleidigungen fest im Verhaltensrepertoire der Kommunikationspartner verankert.13 Kommunikative Gattungen sind dabei als spezifische Ausprägung oder Variante sozialer Praktiken zu begreifen. Zugleich wird über das Verständnis der Beleidigungsakte als kommunikativer Gattung deutlich, dass man es im Fall von Ehrkonflikten nicht mit einer einzelnen sozialen Praktik zu tun hat, sondern mit PraktikenKomplexen.14 Was mit dem Verständnis von Beleidigungsakten als kommunikative Gattungen für die in dieser Arbeit untersuchten Konflikte gewonnen ist, gilt es im Folgenden genauer zu erläutern. Dafür ist zunächst kurz auf das Luckmannsche Konzept der kommunikativen Gattungen einzugehen und anschließend zu entfalten, in welcher Weise dieser Zugriff für die Analyse der betrachteten Ehrkonflikte lohnend ist. Ausgangspunkt des Luckmannschen Konzepts der kommunikativen Gattung ist die Beobachtung, dass Kommunikation weder in alltäglichen Kom11 Wenngleich die hier untersuchte Beleidigungskommunikation anders als die üblicherweise als Beispiel für kommunikative Gattungen herangezogenen Elemente wie Begrüßungen oder Verabschiedungen nicht permanent zum Einsatz kamen. 12 Siehe dazu etwa folgende Untersuchungen Meier, Zwischen Interaktionsritualen, Verbalduellen und face attacke; Meier, Beleidigungen; Schubert, Lästern. 13 Luckmann, Kommunikative Gattungen; Dinges, Kommunikative Gattungen. 14 Ehrkonflikte waren also ein „Konglomerat von Praktiken […], die zwar einerseits auf verschiedene Weise miteinander verknüpft“ waren, „die sich andererseits jedoch auch deutlich in ihren Anforderungen an das praktische Wissen voneinander unterschieden, die mitunter auch zueinander in Konkurrenz“ standen. Reckwitz, Grundelemente, S. 295.
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munikationssituationen – etwa bei einer zufälligen Begegnung auf der Straße – noch in institutionalisierten Kommunikationszusammenhängen – etwa beim Sprechen über eben jene Begegnung auf der Straße vor Gericht – voraussetzungslos und unstrukturiert abläuft. Ein Hinweis, der im Zuge des linguistic turn inzwischen zur Binsenweisheit geworden ist. Denn ganz allgemein kann festgestellt werden, dass sich kommunikative Handlungen immer an mehr oder weniger stark verfestigten sprachlichen Mustern, Routinen und Deutungskonventionen von Wirklichkeit orientieren.15 Von kommunikativen Gattungen als besonderem Typus sprachlicher Muster kann dann gesprochen werden, wenn sprachliche Muster zu typisierten Handlungsformen werden, in denen bestimmte, für die Gemeinschaft relevante Wissensbestände vermittelt und tradiert werden. In diesem Sinne verweist Daniel Schubert mit Rückgriff auf Luckmann darauf, dass kommunikative Gattungen „als historisch und kulturell spezifische, gesellschaftlich verfestigte und formalisierte Lösung kommunikativer Probleme“ zu begreifen sind, „deren gattungsspezifisch unterschiedlich ausgeprägte Funktion in der Bewältigung, Vermittlung und Tradierung intersubjektiver Erfahrungen der Lebenswelt besteht“.16 Kommunikative Gattungen haben dabei die Form von sprachlichen Ritualen und stellen wie Institutionen Lösungen für Probleme der gesellschaftlichen Interaktion zur Verfügung, die damit nicht immer wieder neu ausgehandelt werden müssen.17 Sie definieren auf diese Weise kommunikative Milieus, Situationen und Rollen der wechselseitigen 15 Für den behandelten Zusammenhang stütze ich mich vor allem auf Schubert, Lästern, bes. S. 41–47. 16 Schubert, Lästern, S. 41. 17 Der Ritualbegriff wird hier in Anlehnung an Peter von Moos verwendet, der Rituale als „Geltungsquellen eines durch gemeinsame Wiederholung stabilisierten Alltagsverhaltens“ versteht, deren „Code sich durch Erklärungsunbedürftigkeit auszeichnet“, Rituale beanspruchen also Normalität: „So macht man’s eben, weil man es immer so gemacht hat.“ Geertz nennt diese Selbstverständlichkeit, darauf verweist Moos ebenso, common sense, dessen Hauptmerkmal es ist, dass er verleugnet ein commen sense und damit eben nicht allgemein gültig zu sein, sondern vielmehr Naturgegebenheit behauptet. Moos, Vorwort, S. XIII f. Diese Rituale im weiteren Sinne sind von denen im engeren Sinne abzugrenzen, die in der geschichtswissenschaftlichen Forschung der letzten Jahre eine herausragende Rolle gespielt haben und vor allem im Zusammenhang mit dem Konzept der symbolischen Kommunikation diskutiert wurden. Unter Ritual im engeren Sinne soll dabei mit Stollberg-Rilinger, Symbolische Kommunikation, S. 503, eine komplexe Form symbolischen Handelns verstanden werden, „eine aus mehreren Elementen bestehende, formal normierte, symbolische Handlungssequenz, die eine spezifische Wirkmächtigkeit besitzt“. Ritualisierungen im weiteren Sinne umfassen demgegenüber eben auch die bereits angesprochenen Alltagsroutinen. Vgl. zu dieser Unterscheidung StollbergRilinger, Symbolische Kommunikation, S. 502 f. Siehe dazu auch Luckmann, Kommunikative Gattungen, S. 256. Vgl. zum Zusammenhang mit dem Konzept institu tioneller Ordnung Rehberg, Der ‚Fehltritt‘.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
Beziehungen zwischen den Handelnden.18 Dabei sind sich die Sprechenden zumeist nicht bewusst, dass sie für ihre sprachlichen Äußerungen auf kommunikative Gattungen zurückgreifen. Diese sind vielmehr soweit verinnerlicht, dass ihnen der Status von Automatismen zukommt. Das bedeutet etwa, dass sich ein Sprecher situativ kaum (extra) überlegt, wie er auf einen Gruß reagiert, man grüßt einfach zurück und nutzt dafür standardisierte Muster. Ganz ähnlich laufen die Reaktionen auf eine Beleidigung in aller Regel ganz selbstverständlich und ohne großes Nachdenken ab. Wenn eine Person als Hundsfott bezeichnet wurde, reagierte der derart Beleidigte zumeist mit der Behauptung, dass der Beleidiger selbst ein solcher sei oder mit einer vergleichbaren Gegenbeleidigung. Kommunikative Gattungen sind also anders als nur spontane Sinnkonstruktionen Teil des gesellschaftlichen Wissensvorrates und beruhen auf einem Gesamtmuster, das als Mittel zur Erreichung eines Ziels dienen kann. Das Ziel im hier interessierenden Zusammenhang war, unmittelbar auf eine als ehrverletzend empfundene Attacke zu reagieren, um einer anhaltend wirksamen Ehrverletzung wirkungsvoll entgegenzutreten. Wobei für die Beteiligten die größte Herausforderung zweifellos in der Unmittelbarkeit der gesellschaftlichen Reaktionserwartung bestand, ein Umstand, der für die große Bedeutung von kommunikativen Gattungen im Feld der Ehrverletzung entscheidend ist.19 Kommunikationssituationen, die durch den Einsatz kommunikativer Gattungen geprägt sind, zeichnen sich zugleich durch einen vergleichsweise hohen Grad an Vorhersagbarkeit des Kommunikationsverhaltens (im Reden und sonstigen Handeln) aus. Das heißt, die Interagierenden stützen sich dabei auf mehr oder weniger verbindliche Gattungsverfahren, die einer 18 In diesem Sinne wäre der verbal bzw. physisch gewalttätige Konfliktaustrag als Kommunikationsform zu verstehen (etwa in Abgrenzung zum Gerichtsverfahren). Das Duell wäre dann eine kommunikative Gattung neben anderen (etwa Ausfordern, Messer zücken, Verbalinjurien), die ihrerseits ebenfalls spezifischen Mustern folgten. 19 Für die Bedeutung dieser Unmittelbarkeit siehe die Überlegungen bei Meuser, Distinktion und Konjunktion; Toprak/El-Mafaalani, Eine Frage der Männlichkeit. Ganz grundsätzlich sei angemerkt, dass die hier interessierenden Beleidigungsdialoge, die sich bis zu physisch ausgetragenen Ehrenkämpfen steigern konnten, natürlich nicht die einzige Form gewaltsam-verbaler Konfliktregelung waren, zu denken wäre etwa auch an Verwünschungen oder Flüche. Aber auch hier lässt sich beobachten, dass kommunikative Gattungen für die Kommunikation eine ganz grundsätzliche Bedeutung hatten. Siehe dazu etwa Labouvie, Verwünschen und Verfluchen; im Fall der Gotteslästerung bietet Schwerhoff, Zungen wie Schwerter, S. 279–288, einen übergreifenden Systematisierungsvorschlag, bei dem bemerkenswerte Parallelen zu den hier behandelten Ehrkonflikten greifbar werden. Ein systematischer Vergleich beider Felder steht noch aus.
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weitgehend voraussagbaren Typik folgen.20 Kommunikative Gattungen sind also mit bestimmten, übergreifend wirksamen Strukturen des Kommunizierens verknüpft, die sich verpflichtend auf die Handelnden auswirken. Das bedeutet, dass es erklärungsbedürftig war, wenn eine Person als Hundsfott beschimpft wurde und den Beleidiger im Gegenzug nicht ebenfalls entsprechend beleidigte, denn durch die ausbleibende Gegenattacke entsprach der Beleidigte nicht der ihm im Akt der Beleidigung zugewiesenen Rolle. Es bedeutet aber auch, dass dann, wenn ein als Hundsfott Beleidigter erklärte, der Beleidiger können dies sicherlich am besten einschätzen, dies kaum als Lob für die richtig formulierte Einschätzung der Person des Beleidigten gedeutet wurde, sondern als Gegenbeleidigung. Diese voraussagbare Typik und Musterhaftigkeit kommunikativer Gattungen lässt sich nach Luckmann über zwei Merkmale näher bestimmen: einerseits über den Einsatz bestimmter sprachlicher Mittel, die jeweils in Abhängigkeit von gattungsspezifischen Anforderungen und Zielen variieren, und andererseits über die Struktur, in die eine kommunikative Handlung eingebettet ist.21 Als spezifische sprachliche Mittel lassen sich im Fall von Ehrkonflikten etwa signifikante Schimpfworte oder Gesten begreifen, denen von allen Beteiligten einhellig ein beleidigender Sinn zugewiesen wurde.22 Mit Blick auf das strukturelle Gefüge23 ist im hier betrachteten Zusammenhang neben den allenthalben auftretenden räumlichen und zeitlichen Modifikationen vor allem die Verknüpfung zwischen kommunikativer Gattung und Sozialstruktur oder sozialem Milieu interessant. Denn diese Verknüpfung verweist darauf, dass die konkrete Ausgestaltung von Kommunikation und die Bedeutung bestimmter Ausprägungen kommunikativer Gattungen nicht nur situations-, sondern eben auch gruppenabhängig unterschiedlich waren. So verweist Luckmann beispielsweise darauf, dass sich bestimmte Milieus durch die deutliche Präferenz der Verwendung spezifischer sprachlicher Mittel innerhalb der kommunikativen Gattungen auszeichnen und so eine spezifische kommunikative Kultur ausbilden.24 Daran anschließend 20 Luckmann,
Kommunikative Gattungen, S. 201. Kommunikative Gattungen, S. 204. 22 Der Einsatz von Schimpfworten zielt dabei grundsätzlich darauf ab, eine konkrete Person einem begrifflichen Stereotyp zuzuordnen. Stereotype werden dabei durch Begriffe gebildet, „die sich in den Traditionen sprachlicher Praktiken zu Chiffren der Diskriminierung verdichte(n) und somit ein Stück weit in die Sprache eingeschrieben haben“. Krämer, Sprache als Gewalt, S. 44. 23 Das strukturelle Gefüge wird von Luckmann prinzipiell nochmals in drei Ebenen unterteilt: in die Binnenstruktur (das sind die genutzten sprachlichen Mittel), die situative Realisierungsebene (verstanden als die verschiedenen Äußerungsformate) und die Außenstruktur (verstanden als kommunikatives Milieu). 24 Luckmann, Kommunikative Gattungen, S. 205. Die in dieser Untersuchung angesprochenen Eigengruppen, denen im Rahmen von Ehrkonflikten eine so zentra21 Luckmann,
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
lässt sich im Fall von Ehrkonflikten von gruppenspezifischen Beleidigungskulturen sprechen, die eine eigene Logik und Verbindlichkeit für die Beteiligten entfalteten und die ihren Ausdruck nicht zuletzt in spezifischen Schimpfworten fanden: So ließ sich ein Offizier besonders wirkungsvoll als Feigling beleidigen, ein Adliger mit der Behauptung, er sei kein Kavalier, und ein Student als Fuchs oder dummer Junge.25 Ganz grundsätzlich gilt es schließlich noch zu berücksichtigen, dass den verbalen Mitteln in Beleidigungsdialogen durch den in solchen Dialogen eingeschriebenen Überbietungsimpetus deutliche Grenzen gesetzt waren. Prinzipiell ist für die hier interessierenden Sprechsituationen der wechselseitigen Beleidigung festzuhalten, dass im Miteinanderreden „der Umschlag von Sprechen in Gewalt als eine strukturelle Dimension angelegt“ war.26 Dieses Umschlagen von verbalen Attacken und Gegenattacken in physische Gewalt ist dabei durch eine Eigenart verbaler Verletzungen bedingt: Denn eine verbale Beleidigung zielt – so Sybille Krämer – tendenziell darauf ab, „mit Hilfe der Sprache die Sprachfähigkeit des Anderen zu beschädigen“. Zurückzuführen ist dies darauf, dass in verbalen Attacken das für das Reden miteinander so basale Element der Anschlussfähigkeit von Rede fehlt. Denn mit einer Beleidigung als Hundsfott zielt ein Sprecher eben gerade nicht darauf ab, seinem Gegenüber eine Antwort zu ermöglichen, sondern vielmehr darauf, ihn zu übertrumpfen und sprachlos zu machen.27 Der wechselseitige Überbietungswettbewerb besteht also gerade darin, trotz dieser gefürchteten Sprachlosigkeit zur Gegenattacke auszuholen, seinem Gegenüber zumindest Paroli zu bieten und ihn im Idealfall noch zu übertrumpfen.28 Dass sich für diese Reaktion feste sprachliche Muster ausbildeten und auf diese auch zurückgegriffen wurde, grenzte das Risiko ein, in Sprachlosigkeit zu verfallen, schloss es aber keineswegs aus. Scheitert eine solche verbale Überbietung, bildet eine physische Reaktion eine mögliche und auch genutzte Alternative. Natürlich ist dieser Wechsel vom Verbalen zum Physischen nicht zwangsläufig vorgegeben und natürlich gab es – wie die Forschung vielfältig aufgezeigt le Rolle zufiel, können als solche Milieus begriffen werden, als „räumlich umgrenzbare soziale Einheiten, die durch verhältnismäßig feste Sozialbeziehungen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit der regelhaften Wiederkehr typischer kommunikativer Interaktionen, durch gewohnheitsmäßige Orte der Kommunikation, gemeinsame Zeitbudgets und eine gemeinsame Geschichte gekennzeichnet“ waren. Schubert, Lästern, S. 44. Hier mit Verweis auf Auer, Sprachliche Interaktion, S. 180. 25 Das allgegenwärtige ‚Hundsfott‘ kam hingegen als Universalbeschimpfung für Männer zum Einsatz. 26 Krämer, Sprache als Gewalt, S. 39. 27 Krämer, Sprache als Gewalt, S. 43. 28 Gut untersucht ist dies etwa für die Beleidigungsrituale von Jugendlichen, vgl. Toprak, Nachgiebigkeit als Schwäche. Für einen Forschungsüberblick siehe auch Meuser, Männerwelten.
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hat – innerhalb des Artikulationsraums verbaler Attacken und Gegenattacken zahlreiche Strategien des Ausstiegs aus dem Überbietungswettbewerb.29 Aber auch wenn sich aus verbalen Attacken nicht zwangsläufig physisch ausgetragene Konflikte entwickelten, so muss doch in den Fällen, in denen es dazu kam, ein hoher Grad der Selbstverständlichkeit und Nachvollziehbarkeit eines solchen Wechsels veranschlagt werden. Eine Selbstverständlichkeit, die im Zuge der Etablierung von neuen Verhaltensidealen, die auf situative Selbstbeherrschung zielten, im Laufe der (Frühen) Neuzeit zwar sukzessive zurückgedrängt wurde, aber für den hier betrachteten Zeitraum zweifellos durchweg von großer Bedeutung war.30 Was ist nun mit dem Verständnis der wechselseitigen Beleidigungsattacken als kommunikative Gattung für die Arbeit gewonnen? Man gewinnt eine dreifache Einsicht: Zum einen gelingt es auf diese Weise, die sonst nur schwer zu erfassende Zwangsläufigkeit dieser kommunikativen Akte als für die Beteiligten oft unabwendbare Verhaltensnotwendigkeit zu verstehen.31 Zum anderen ist mit dem Verweis auf Beleidigungsdialoge als kommunikative Gattung angesprochen, dass auch bei der Darstellung dieser Beleidigungen (ob nun vor Gericht oder aber jenseits gerichtlicher Vollzüge) durch die Beteiligten auf die entsprechenden Gattungsverfahren zurückgegriffen wurde und auch zurückgegriffen werden musste, da das eigene Verhalten im Konflikt (nur) dadurch plausibel erklärt werden konnte. Verwiesen ist damit sowohl auf die Wahrnehmungsmuster des eigenen Handelns, als auch auf die grundlegenden Rahmenbedingungen der späteren Darstellung von Handlungen.32 Drittens gelingt es mit diesem Ansatz, verbale und physische Attacken sinnvoll zu verknüpfen. Welches Erklärungspotential diese drei Einsichten im Detail besitzen, ist im Folgenden exemplarisch an konkreten 29 Diese Ausstiegsoptionen wurden dabei in aller Regel durch anwesende Dritte forciert. Zusammenfassend dazu Schwerhoff, Historische Kriminalitätsforschung, S. 122. 30 Für die angesprochene Entwicklung der Selbstkontrolle und v. a. der Körperbeherrschung Zakharine, Von Angesicht zu Angesicht. Ganz grundsätzlich kann für die in diesem Zusammenhang interessierenden, individuellen Konfliktsituationen auf das Eliassche Zivilisationskonzept verwiesen werden, wenngleich hier in den letzten Jahrzehnten deutliche Differenzierungen vorgenommen wurden. Dazu Schwerhoff, Zivilisationsprozeß und Geschichtswissenschaft; Asch, Hof, Adel und Monarchie. 31 Die in den Überbietungswettbewerb eingeschriebenen Eskalationsspiralen lesen sich aus der Position einer späten Relektüre der Akten zwar mitunter als ausgesprochen irrational und schwer verständlich, doch dies bedeutet eben nicht, dass sie dies für die Sprecher auch waren. 32 An diesem Punkt angesprochen ist damit das Verhältnis von Diskursen und kommunikativen Gattungen als diesen übergeordneten sozialen Praktiken. Interessant ist hier also vor allem der soziale Gebrauch von spezifischen, zeitgenössischen Beschreibungsweisen von Ehrkonflikten. Zu diesem Verständnis des Zusammenhangs von Diskursen und sozialen Praktiken Reckwitz, Grundelemente, S. 298.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
Beispielen zu erläutern. Abschließend wird noch einmal anhand eines Falls die grundsätzliche Frage nach dem Gelingen und Misslingen von Beleidigungen gestellt. Das Verständnis der Beleidigungsdialoge als kommunikative Gattungen und die damit verknüpfte Zwangsläufigkeit der wechselseitigen Beleidigungen ist vor allem für den analytischen Zugriff auf jene Dialoge von Bedeutung, deren beleidigende Qualität für uns nicht mehr ohne Weiteres erschlossen werden kann. Angesprochen sind damit kommunikative Handlungen, die sich erst zu einem relativ späten Zeitpunkt – etwa beim Umschlagen in eine bewaffnete Auseinandersetzung – als Beleidigungsdialoge entpuppen. Zurückzuführen ist diese fehlende Nachvollziehbarkeit im Rahmen der späteren Lektüre nicht zuletzt auf die Transformation herabwürdigend gemeinter und verstandener verbaler Äußerungen, die ohne den Gebrauch von gut erkennbaren Schimpfworten auskamen, in eine nachträglich verfasste schriftliche Darstellung. Als schwierig erweist sich hierbei, dass die Multidimensionalität mündlicher Verständigung, deren Situationsverwobenheit und die Interaktivität zwischen den Kommunikationspartnern beim Produzieren der Sprechakte nicht ohne Weiteres in den Beschreibungen abbildbar sind.33 So lässt sich die Logik der plötzlich aufbrechenden Dramatik des im Folgenden kurz geschilderten Dialoges aus dessen Beschreibung vor Gericht nur sehr bedingt erschließen. Weniger das konkret Gesagte, sondern der Umstand, dass sich aus dem Gesagten ein tödlich endender Kampf entwickelte, verweist hier auf die offenbar vorhandene beleidigende Wirkung und eine entsprechende Bedeutsamkeit, die dieser Dialog für die Akteure gehabt haben muss. Der anfangs deutlich spielerische Zug der Unterhaltung zeigt dabei an, dass dieser Fall dem Typus der Wettkampfspiele zuzuschlagen ist. Ausgangspunkt der folgenden Szene war ein wahrscheinlich zufälliges Zusammentreffen des Leutnants Pansow mit den Leutnants Hempel und Griggenschild an der Stralsunder Hauptwache am Abend des 17. Februar 1696. Die drei Offiziere kannten sich und Pansow grüßte dann auch mit einem „Guten Abend“ und erklärte, an Griggenschild gewandt: „Brüderchen, (heut’) vormittag war ich voll“. Griggenschild antwortete, dass er dies wohl gesehen hätte. Worauf Pansow entgegnete: „du bist ja nicht böse“, was Griggenschild dann auch bestätigte.34 Und damit war dieser etwas 33 Fiehler u. a., Eigenschaften gesprochener Sprache, S. 40. Darauf verweist bereits Behaghel, Geschriebenes Deutsch und gesprochenes Deutsch, S. 14 f. Siehe auch grundsätzlich zum Verhältnis gesprochener und geschriebener Sprache zueinander Koch/Oesterreicher, Sprache der Nähe – Sprache der Distanz, bes. S. 19–23. 34 Dies und das Weitere: StA Stralsund, Rep. 3, Nr. 6700 [o. Pag.], hier Aussage Baltzer Zanders vom 24. Februar 1696. Der Umstand, dass die Trunkenheit auf diese Weise angesprochen wurde, ist womöglich ein Verweis auf den damit verbun-
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kryptische Dialog zwischen Griggenschild und Pansow auch schon beendet und zwar ohne dass etwas passiert wäre. Pansow wandte sich nun Leutnant Hempel zu und forderte: „Ms. hempel er kuße mich einmahl“. Dies tat Hempel, worauf Pansow munter erklärte: „Nun Ms. Hempel, nun bin ich sein diener, und wil auf seine gesundheit auf dem marckte […] pißn“. Hempel nahm den Ball auf und erklärte seinerseits, dass er dann auf Pansows Gesundheit „schiße“. Doch mit dieser Entgegnung war Pansow offenbar nicht zufrieden. Jedenfalls erklärte er: „Ms. das thue er nicht an mir, ich bin ein ehrlich kerl“. Aber Hempel war noch zu weiteren Scherzen aufgelegt und entgegnete, wenn Pansow nicht wolle, dass er es ihm „schiße“, dann solle er es doch einfach genießen. Auch dieser Scherz kam nicht gut an, denn Pansow schwieg nach Aussage der Zeugen zunächst eine Zeit lang und erklärte anschließend: „Ms. er hat mir solche affirmt35 an itzo gedahn, er warte biß merz, so will ich satisfaction davon haben.“ Hempel willigte ein. Unklar ist an diesem Punkt noch, was mit der geforderten Satisfaktion konkret gemeint war, denkbar ist sowohl eine Herausforderung zum Kampf, eine im Unbestimmten gelassene Drohung oder auch ein Scherz. Wie Hempel diese Erklärung Pansows schließlich (um-)deutete, zeigte sich nach einer kurzen Pause. Denn nun verkündete Hempel plötzlich, dass Pansow, wenn er Satisfaktion haben wolle, auch gleich mit ihm zum Wall gehen könne. Pansow willigte umgehend ein und man machte sich gemeinsam auf den Weg. Die ganze Tragweite dieser schnell erteilten Zustimmung erkannte Pansow allerdings schon kurze Zeit später auf dem Wall. Nun bat er Hempel, den Kampf wenigstens auf den nächsten Tag zu verschieben, da beide betrunken seien. Doch Hempel lehnte ab und erklärte: „Ein hundsfott ziehet seinen Degen nicht“. Angesichts dieser eindeutig markierten Ehrkränkung, die für den Fall eines endgültigen Rückziehers in Aussicht gestellt wurde, war in dieser Situation offenbar ein Waffengang nicht mehr zu umgehen und man zog die Degen zum Kampf, ein Kampf, der für Pansow tödlich endete. Die rasante Entwicklung vom Scherzdialog zum tödlichen Zusammenstoß wurde von den anwesenden Dritten an keiner Stelle ernsthaft in Frage gestellt und dürfte also für alle mehr oder weniger direkt an dieser Szene Beteiligten eine gewisse Plausibilität besessen haben. So ist anzunehmen, denen Übertritt von Dienstvorschriften. Vgl. zur Trunkenheit im Dienst als Vergehen Lorenz, Rad der Gewalt, S. 291–296; zum Topos des trunkenen Soldaten Huntebrinker, „Fromme Knechte“, S. 133–138. Zu diesem Fall auch schon Ludwig, Von Scherzen und Duellen, S. 371 f. 35 Von lat. affirmatio: Beteuerung, Versicherung, hier im Sinne von einer Aussage, von der man nicht abrücken wollte.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
dass etwa durch bestimmte Gesten oder auch die Stimmlage und Lautstärke des Wortwechsels das plötzliche Umschlagen vom scherzhaften Dialog zur ernstgemeinten Attacke und schließlich zum bewaffneten Kampf weit weniger überraschend kam und auch besser erkennbar war, als dies aus heutiger Sicht der Fall ist, da man seinerzeit für die Bewertung der Situation eben nicht auf den Wortlaut allein angewiesen war. Aber diese ‚erklärenden‘ Elemente fehlen in der schriftlich abgefassten Beschreibung des Vorgangs, der dadurch einen unverständlichen Zug gewinnt.36 Zugleich wird im Beispiel die einmal in Gang gesetzte Überbietungsmaschinerie gut greifbar. Die Zwangsläufigkeit des wechselseitigen Überbietungswettbewerbs führte zwar keineswegs immer zu einem bewaffneten Kampf und konnte situativ von den verschiedenen Akteuren unterbrochen werden, aber wenn es zum Kampf kam, hatte dies für die Beteiligten eben jene hohe situative Plausibilität, die einen Ausstieg scheinbar sehr erschwerte. In der rückblickenden Darstellung dieser situativen Plausibilität wurde daher gern darauf verwiesen, dass ein gewaltsamer Austrag des Konfliktes unumgänglich, ja alternativlos war, da andernfalls die eigene Ehre auf dem Spiel gestanden hätte. So entschuldigte etwa der Hauptmann Adam Friedrich von Grape seine physischen Attacken gegen den Leutnant von Kleist damit, dass es zwar rechtlich verboten sei, verbale und physische Angriffe eigenmächtig zu rächen und so „einige Satisfaktion“ zu erlangen, aber anders zu handeln wäre ihm – so Grape – „bey den angezeigten umbständen gar nicht zu verdencken gewesen, weil [er] im widrigen [Fall] für der gantzen honetten Welt würde prostituirt geblieben sein“.37 In den Konflikten wurde dabei das aus der Überbietung resultierende eigene Handeln nicht nur als unumgänglich empfunden, sondern mitunter auch durch ein gezieltes ‚Nachschieben‘ weiterer Beleidigungen sichergestellt, dass die einmal erreichte Eskalationsstufe durch den Kontrahenten nicht mehr verlassen wurde. Dieser Aspekt wird auch im Konflikt zwischen Pansow und Hempel gut greifbar. Denn dass es trotz der Bitten um Verschiebung durch Pansow dennoch zum Kampf kam, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Hempels Reaktion auf dieses Anliegen zurückzuführen. Mit dem Ruf „Ein hundsfott ziehet seinen Degen nicht“ griff Hempel auf ein eindeutig besetztes Schimpfwort zurück und platzierte rituell noch einmal eine formale Beleidigung. Nach dieser Beleidigung war es Pansow in der konkreten Situation offenbar nicht mehr möglich, einen Rückzieher zu machen, da dies (zumindest aus seiner situativen Sicht auf die Dinge) 36 Zu den Beschreibungsbedingungen solcher Sprechakte zueinander Koch/ Oesterreicher, Sprache der Nähe – Sprache der Distanz, S. 20. 37 Zu diesem 1722 in Preußisch-Pommern stattgefundenen Fall: LAG, Rep. 7, Nr. 4770, Zitat Bl. 184a.
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zwangsläufig zu einer nachhaltigen Beschädigung seiner Person geführt hätte. Hempel war sich dabei gewiss im Klaren darüber, dass diese finale Beleidigung einen solchen Effekt hatte und sie kam gerade deshalb zum Einsatz. Die strategische Platzierung von bestimmten Schimpfworten als Auftaktfloskeln von Konflikten, aber auch für die Markierung von Eskalationsstufen oder die Sicherstellung der Kampfbereitschaft war durchaus typisch für Beleidigungsdialoge und spielte nicht nur in den situativen Auseinandersetzungen selbst, sondern ebenso – wenn nicht noch mehr – in den nachträglichen Erzählungen über diese Konflikte eine entscheidende Rolle, womit die zweite oben genannte Einsicht angesprochen ist. Denn im Zuge von gerichtlichen Verhandlungen ließ sich ein Sprechakt mit dem Verweis auf gefallene Schimpfworte oder vollzogene schimpfliche Gesten als Beleidigung markieren, ein Vorgehen, das nicht zuletzt der Legitimierung der eigenen Reaktionen (ob nun verbaler oder physischer Art) diente. Dabei wurde einerseits der illokutionäre Charakter der verbalen Äußerung (des anderen), also die mit dem Sprechakt vollzogene Beleidigung, und andererseits die perlokutionäre Wirkung dieses Sprechaktes, also ein entsprechender Effekt des Beleidigtseins und die daraus folgende Reaktion auf die erfahrene Beleidigung (kausaler Effekt bei sich selbst), in deutliche Worte gefasst.38 Der Umstand, dass die Beleidigungen nachträglich beschrieben und zu Protokoll genommen wurden, konnte dabei durchaus zu einer Vereindeutigung und womöglich auch zur gezielten Sinnzuweisung der Sprechakte als illokutionär funktionierend und perlokutionär wirksam genutzt werden. Das bedeutet, dass sich die nachträgliche Darstellung des Konfliktverlaufs aus der Sicht einer Konfliktpartei nicht unbedingt mit dem faktischen Konfliktablauf oder aber der Sicht anderer Beteiligter auf diesen decken musste, sondern die Darstellung, womöglich zur Rechtfertigung des eigenen Handelns, nachträglich und mehr oder weniger gezielt verändert wurde. Ob und in welcher Weise dies der Fall war, lässt sich zumeist nicht mehr feststellen. Dass ein solches Vorgehen offenbar anzutreffen war, zeigen jene Beispiele, bei denen im Rahmen der gerichtlichen Verhandlungen Alternativerzählungen auftauchten. Dies war etwa bei einer Auseinandersetzung der Fall, über die der Kammerjäger Johann Christoph Hollen im Juni 1733 in einer Supplik an seinen Landesherrn berichtete.39 Hollen beklagte in dieser Supplik, dass er sowohl verbal als auch tätlich schwer 38 Siehe
dazu die Bemerkungen am Beginn dieses Kapitels. Landesherr hatte gerade gewechselt: am 1. Februar war Friedrich August I. (August II. von Polen) in Warschau verstorben und sein Sohn Friedrich August II. (August III. von Polen) folgte ihm zunächst auf den sächsischen, später auch auf den polnischen Thron. 39 Der
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
durch den Kammerjunker Friedrich Adolph von Haugwitz beleidigt worden war.40 Hollen und Haugwitz waren eines Nachts in dem kleinen Städtchen Nossen vor dem Haus Hollens aneinander geraten, als Haugwitz gegen Mitternacht mit „einer Musico herumb gegangen“ und Hollen auf dem Heimweg von einem Besuch bei Freunden war. Bei diesem nächtlichen Treffen wurde Hollen, folgt man der Darstellung in seiner Supplik, durch Haugwitz ganz unvermittelt angegriffen und zwar „sowohl verbis als factis“: Haugwitz nannte ihn eine „Bestie“ und „Canaille“ und drohte ihm zugleich mit seinem Hirschfänger.41 Schließlich attackierte er ihn derart, dass Hollen immerhin ein Attest des städtischen Chirurgen beilegen konnte.42 Aber ungeachtet dieser körperlichen Schäden war es Hollen bei seiner Schilderung wichtig, dass die ehrverletzende Absicht des tätlichen Übergriffs deutlich mit den Schimpfworten ‚Bestie‘ und ‚Canaille‘ angezeigt wurde. Hollen inszenierte sich damit nicht nur als körperlich verletzt, sondern zugleich als grundlos beleidigt. Dass dieser so unvermutete und scheinbar völlig unbegründete Übergriff nur Hollens Sicht der Dinge war, legt schon der Anlass nahe, aus dem dieser die Supplik verfasst hatte. Denn Hollen supplizierte, weil Haugwitz zuvor erfolgreich gegen ihn vor Gericht geklagt hatte. In dieser Klage wurde nun Hollen beschuldigt, in jener Nacht zuerst ausfällig geworden zu sein. Hollen sollte nämlich erklärt haben, Haugwitz wäre kein „Cavallier“, sondern ein „hundtfüttisch strolch, item Er seye ein[es] Edelmanns schufft“.43 Der derart beleidigte Haugwitz reagierte auch nach seiner eigenen Darstellung wie oben beschrieben, indem er Hollen sowohl verbal als auch tätlich angriff. In der Darstellung präsentierte Haugwitz die Ereignisse damit in Form eines klassischen Reiz-Reaktions-Schemas: Durch den Reiz in Form der gegen Haugwitz ausgesprochenen Beleidigung, er sei kein Kavalier, sondern ein hundsföttischer Strolch und ein Schuft, fühlte sich Haugwitz beleidigt und zeigte dies, indem er ganz folgerichtig und für Dritte auch nachvollziehbar mit einer beleidigenden und übertrumpfenden Gegenattacke 40 Zum
Fall siehe: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 20a–26b. einem Hirschfänger handelt es sich um ein Messer bzw. Kurzschwert, das eigentlich von Jägern benutzt wurde, aber auch im Militär in Jägerbataillonen Verbreitung fand. Siehe die Objektbeispiele aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums URL: http://www.dhm.de/magazine/jagdwaffen/HTMLs/schwerter_ hirschfaenger.html (zuletzt am 14. Dezember 2014). Es bleibt offen, ob es sich im konkreten Fall wirklich um einen Hirschfänger gehandelt hat oder Hollen angesichts seiner beruflichen Tätigkeit als Kammerjäger ein langes Messer einfach als Hirschfänger einordnete. 42 Darin wurden die ihm zugefügten Verletzungen und die daher notwendig gewordenen Behandlungen beschrieben. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 20a–26b, hier Bl. 22b. 43 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 20a–26b, hier Bl. 23a. 41 Bei
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reagierte, hier in der Kombination aus Verbalinjurie (Beschimpfung als Bestie und Kanaille) und tätlichem Angriff. In der Darstellung wird die Beschimpfung von Haugwitz durch Hollen als direkter, beleidigender und damit illokutionärer Sprechakt präsentiert. Zugleich handelt es sich aber – zumindest dann, wenn man der Logik der Darstellung in der Klage von Haugwitz folgt – auch um einen perlokutionär wirksamen Sprechakt. Denn mit der Attacke von Haugwitz wird fassbar, dass sich dieser auch beleidigt fühlte und darauf entsprechend reagierte. In der Version von Hollen fehlte hingegen der ‚Reiz‘ – also die Erwähnung einer verbalen Attacke seinerseits – und damit wurde in seiner Darstellung aus Haugwitz’ Re-Aktion eine reine Aktion und diese konnte dann durch Hollen entsprechend als einseitig beleidigend, da ungerechtfertigt, angezeigt werden. Beiden Versionen gemeinsam ist dabei, dass sich die Erzähler jeweils als die ungerechtfertigt Angegriffenen und in ihrer Ehre Beleidigten präsentierten und so die Schuld am Geschehen dem jeweiligen Konfliktgegner zuwiesen. In beiden Versionen der Darstellung spielen Schimpfworte eine zentrale Rolle. In der Benutzung von Schimpfworten wird dabei nicht nur die Intention des Beleidigens greifbar, sondern ein Sprechakt auch für Dritte als Beleidigung markiert: Indem auf den Einsatz von spezifischen Schimpfworten wie Hundsfott, Kanaille oder Schelm verwiesen wurde, sollte sichergestellt werden, dass die beim Konflikt anwesenden Personen, beziehungsweise später die Gerichte, begriffen, dass das Gesagte auch als Beleidigung gedacht war. Den Schimpfworten war dabei häufig eine „kondensierte Geschichtlichkeit“44 zu eigen, denn sie waren als Schimpfworte mit einem zugehörigen semantischen Gehalt allgemein bekannt.45 Das heißt im Grunde nichts anderes, als dass man sich als Sprecher sicher sein konnte, seinen Konterpart zu beleidigen, wenn man ihn als Hundsfott oder Schelm bezeichnete. Die ‚kondensierte Geschichtlichkeit‘ der Begriffe machte es zugleich möglich, dass sie auch ohne jeden syntaktischen Rahmen als reine Anrufung des Gegenübers beleidigende Wirkung entfalteten. Auf diese Wirkung wurde dann auch in der Darstellung des Konfliktverlaufs im Fall von Haugwitz und Hollen zurückgegriffen: Um den Angriff von Haugwitz als beleidigend zu kennzeichnen, genügte es, wenn Hollen darauf verwies, dass Haugwitz ihn als Kanaille und Bestie bezeichnet hatte. Auch umgekehrt diente Haugwitz der Hinweis, dass er von Hollen als hundsföttischer Strolch und Schuft bezeichnet worden war, als Argument für die Entschuldigung seiner Attacke 44 Butler,
Haß spricht, S. 12. jeweils als Schimpfwort erfahren und konzeptionalisiert wurde, gestaltet sich allerdings raumzeitlich höchst variabel. Aus sprachwissenschaftlicher Perspektive sehr aufschlussreich: Lobenstein-Reichmann, Sprachliche Ausgrenzung, bes. S. 31–90 u. 108–126. 45 Was
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
gegen Hollen, eine Argumentation, die seinerzeit auch das Gericht überzeugt hatte. Mit derart standardisierten, ohne nähere Erklärungen funktionierenden Schimpfworten ließ sich daher besonders sicher anzeigen, dass Person A Person B mit einer Bemerkung auch beleidigen wollte und dies sowohl in der unmittelbaren Streitsituation als auch in der nachträglichen Darstellung.46 Ob die jeweiligen Schimpfworte in jedem Fall ausgesprochen worden waren oder eine Auseinandersetzung womöglich erst nachträglich mit ihnen eindeutig als Beleidigungshandlung gekennzeichnet werden sollte, lässt sich in aller Regel nicht klären, aber der Umstand, dass diese Schimpfworte als Argument vor Gericht Bestand hatten, verweist hinlänglich auf ihre Wirksamkeit.47 Ähnlich wie Schimpfworte ließen sich auch bestimmte Gesten der Gewalt einsetzen, die neben ihrer injuriösen Wirkung zugleich den Übergang von der verbalen zur physischen Attacke und damit eine weitere Eskalationsstufe markierten, womit der dritte oben genannte Aspekt – die Verknüpfung verbaler und physischer Beleidigungsakte – angesprochen ist. Eine besondere Bedeutung kam dabei solchen Gesten der Gewalt zu, die auch im Kontext ständisch übergreifender Konflikte oder aber im Rahmen von Erzieher-Zögling-Beziehungen zum Einsatz kamen, und mit denen in der allgemeinen Vorstellung daher ein hierarchisches Gefälle zwischen demjenigen, der die Gewalt ausübte, und demjenigen, dem die Gewalt zugefügt wurde, verknüpft war. Als solche Praktiken haben besonders das Prügeln mit dem Stock und das Ohrfeigen zu gelten. Gerade weil Ohrfeige und Prügel als Gesten einer symbolisch aufgeladenen Gewaltkommunikation zur Verdeut 46 Gut greifbar wird dies etwa dann, wenn derartige Standardisierungen als Gegen-Schimpfworte verwendet wurden, deren Einsatz dem Muster folgte: Wenn Person A dieses oder jenes tue, werde sie von Person B dafür für einen Hundsfott gehalten. Die gebrauchten Schimpfworte variierten dabei mit Blick auf das Milieu. So finden sich etwa in brieflichen Duellforderungen Rostocker Studenten Formulierungen wie „Jüngschen“, „Fuchs“ oder „Cujon“ (Memme), Bezeichnungen, die deutlich dem studentischen Milieu zuzuordnen sind, verweisen doch gerade die ersten beiden auf die Hierachisierungen im Rahmen des Pennalismus. Zu den Briefen siehe Kohfeldt, Kleine Züge aus dem Rostocker Universitätsleben, hier S. 73–76 (Alte briefliche Duellforderungen). In brieflichen Duellforderungen jenseits des studentischen Milieus dominieren hingegen Begriffe wie Hundsfott oder Kannaille. Siehe bspw. die Briefe in LAG, Rep. 31, Nr. 389, Bl. 118b, 119a oder auch die schriftliche Ausforderung in folgender, edierter Akte: Wermert (Bearb.), „Monsieur Behrnhüter Schurck et hundtsfott. etc.“, S. 2–7. 47 Eine derartige Markierungsarbeit war gerade dann angezeigt, wenn sich Beleidigungen schon situativ nicht so eindeutig lexikalisch festmachen ließen. Wie bereits die oben geschilderte Auseinandersetzung von Pansow und Hempel gezeigt hat, konnten Akte verbaler Beleidigung durchaus sehr stark von nonverbalen Äußerungskontexten abhängig sein.
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lichung hierarchischer Differenz dienten, konnten sie in Konflikten unter Standesgenossen eine markante beleidigende Wirkung entfalten, da man einen ebenbürtigen Konfliktgegner wie einen Untergebenen oder ein Kind behandelte, eine Beleidigungsstrategie, die selten ihre Wirkung verfehlte. Wunderbar präsentiert findet sich dies etwa bei der Klage Christian von Bandemers gegen Werner von Bandemer, beide waren verwandt, gehörten dem hinterpommerschen Adel an und gerieten im Jahre 1710 aneinander.48 In seiner gerichtlichen Anzeige berichtete Christian nun, dass sein Vetter ihn zunächst verbal angegriffen und als Hundsfott beschimpft hatte. Danach war er in drei Runden körperlich attackiert worden, Attacken, denen jeweils ein deutlich injuriöser Gestus zukam: Zunächst war Christian von Bandemer von seinem Vetter mit dem Stock geschlagen, dann geohrfeigt worden und schließlich hatte Werner von Bandemer ihm noch mit der Faust gedroht. Es ist kaum zu vermuten, dass die Auseinandersetzung derart einseitig stattgefunden hat, wie dies vor Gericht durch Christian von Bandemer dargestellt wurde. Aber im jetzigen Zusammenhang interessant ist in erster Linie der Umstand, dass die genannten Gewaltgesten nicht als Gewaltakte, sondern als Form einer schweren Beleidigung bei Gericht angezeigt worden waren. Eine Klage, die Erfolg hatte, denn gegen Werner von Bandemer wurde ein entsprechendes Verfahren eingeleitet, allerdings ist dessen Ausgang – wie so oft – nicht dokumentiert. In den meisten Gerichtsakten finden derartige Gewaltgesten – ähnlich wie die Schimpfworte – nur beiläufig Erwähnung. In der Regel spielen sie dabei die Rolle eines Markers im Konfliktverlauf, mit dem zumindest in der Darstellung eine weitere Eskalationsstufe angezeigt wurde. Deutlich wird dies auch in einem Leipziger Fall von 1684. Hier waren bei einem gemeinsamen Trunk in Grünwalds Keller der Leutnant Wolf Heinrich von Rosenhahn und der Student Johann Ernst Zapf aneinandergeraten.49 Nach anfänglichen Beschimpfungen hatte man Ohrfeigen verteilt, denen die Forderung zum Duell folgte, das wohl auch umgehend ausgetragen wurde. Die Ohrfeigen hatten hier ganz unverkennbar den Charakter einer schweren und eindeutig erkennbaren Beleidigung, auf die man ‚angemessen‘ mit einer Forderung zum Kampf reagieren konnte.50 48 LAG,
Rep. 7, Nr. 1035. Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 603 (vorläufige Sign.). 50 Festzuhalten ist allerdings, dass derartige Gewaltgesten zwar mitunter eine herausfordernd injuriöse Wirkung entfalteten, aber womöglich eher der Markierung einer hierarchischen Differenz dienten. So wurde beispielsweise die physische Bedrohung des Oberpostmeisters Christian Wilhelm Pöppelmann durch Major Sauer, Offizier bei der Garde du Corps, die wegen eines verspätet zugestellten Briefes am 27. Mai 1730 in einer Dresdner Postexpeditionsstube stattfand, von beiden sehr unterschiedlich eingestuft. Sah sich Pöppelmann als königlicher Beamter beleidigt 49 StA
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
Der bis hierhin feststellbaren Unabwendbarkeit der Beleidigungsdialoge, die schnell und scheinbar mühelos in physische Attacken umzukippen drohten, ist allerdings zugleich eine Unberechenbarkeit solcher Beleidigungsakte zur Seite zu stellen. Angesprochen ist damit weniger, dass in dem einen oder anderen Fall womöglich ein falsches und nicht beleidigend gemeintes Wort zum Konfliktauslöser wurde, sondern vielmehr die Beobachtung, dass der Einsatz von Schimpfworten oder beleidigenden Gesten keineswegs immer die womöglich erhoffte Wirkung hatte und nicht automatisch zu gewaltsam ausgetragenen Ehrkämpfen führte. Die Kunst des Beleidigens kam letztlich ohne die Kunst des Beleidigtseins nicht aus. Wie mühselig das Geschäft einer wirkungsvollen Beleidigung offenbar mitunter war, zeigen jene Beispiele, bei denen der Angreifer eine schier endlos lange Zeit mit verbalen Beleidigungen und ehrenrührigen, tätlichen Attacken hinbringen musste, bis sich der derart Angegriffene doch noch zu einer Duellforderung bequemte. Beispiele wie das folgende zeigen zugleich deutlich an, dass man die in anderen Selbstdarstellungen der Duellanten formulierte Zwangsläufigkeit der Duellforderung und -annahme nach beleidigenden Worten oder Gesten keinesfalls verallgemeinern darf! Der hier kurz vorgestellte Fall spielte sich vom 9. bis 11. April des Jahres 1724 im preußisch-pommerschen Zeblin ab. Dort waren mehrere Adlige der Umgebung am Tag vor Palmsonntag zu einer kleinen Feier bei Joachim Ewald von Kleist zusammengekommen. Man kannte sich und traf sich offenbar regelmäßig.51 Unter den Gästen war auch der Obrist Christian von Lettow, mit dem der Hausherr schon beim ersten gemeinsamen Abendessen am 9. April in Streit geriet. Ausgangspunkt dieser Auseinandersetzung war ein Bericht Kleists, der den Anwesenden erzählte, dass er mitten in einem fiskalischen Prozess stecke, der zu seinem Nachteil auszugehen drohe. Als Kleist im Zuge dessen erklärte, dass ihn vor allem die Falschaussage der Landrätin von Zastrow in diese missliche Situation gebracht habe, protestierte Christian von Lettow plötzlich. Über die Beweggründe dieser Kritik an Kleists Darstellung ist leider nichts bekannt, aber sie fiel immerhin so entschieden aus, dass sich die beiden Männer nicht nur stritten, sondern Kleist Lettow auch gleich zum Duell forderte, bei dem ihm sein Hofmeister Witte sekundieren sollte.52 und zeigte Sauer mit Verweis auf das Duellmandat an, verstand Sauer seine Attacke lediglich als berechtigte Zurechtweisung. Bemerkenswert an diesem Fall ist dabei, dass sich die Regierung in Dresden der Sichtweise des Oberpostmeisters anschloss. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 199a–213b. 51 So hatten die Beteiligten beispielsweise auch schon 1723 am Wochenende zu Palmsonntag gemeinsam gefeiert. 52 Zu dieser schnellen Eskalation dürfte beigetragen haben, dass beide schon im Jahr zuvor aneinander geraten waren. Damals hatte Lettow sich abschätzig über einen Verwandten von Kleist, den Generalmajor von Glasenapp, geäußert, was ihm
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Doch Lettow machte keine Anstalten, dieser Duellforderung Folge zu leisten. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, holte Kleist daher zwei Degen, drückte Lettow einen davon in die Hand und forderte diesen nochmals auf, mit ihm zum Duell vor die Tür zu treten. Aber Lettow weigerte sich weiterhin. Nun schickte Kleist die anderen Gäste aus dem Speisezimmer, wies seine Dienerschaft an, mehr Kerzen zur Beleuchtung hereinzubringen und erklärte, dass man jetzt nicht mehr vor die Tür gehen müsste, sondern sich auch im Haus duellieren könne. Als Lettow immer noch keine Anstalten machte, die Forderung anzunehmen, schlug ihn Kleist mit einem eigens hereingeholten Stein derart vor die Brust, dass Lettow zu Boden ging. Ziel dieses massiven körperlichen Angriffs war es ganz offensichtlich, Lettow einen hinreichenden Anlass zu liefern, damit dieser nun Kleist forderte. Und dementsprechend erklärte Kleist als Lettow wieder auf den Beinen war: „Bruder, nun hastu eins gekriecht, wilstu mehr haben so kanstu es nur sagen, ich will dier satisfaction geben“.53 Aber Lettow fand sich nach all dem noch immer nicht zum Duell bereit. Selbst als auch der Hofmeister Witte Lettow zum Duell forderte, blieb dieser ungerührt, obwohl die Forderung durch einen Hausbediensteten als markante Herabwürdigung Lettows gewertet werden muss. Aber zunächst kam es zu keiner ernsthaften Eskalation, wenngleich in der Nacht noch weitere Herausforderungsversuche folgten, aber Lettow war davon unbeeindruckt und irgendwann ging die ganze Gesellschaft zu Bett. Am nächsten Morgen war Kleist aber noch immer kämpferisch gestimmt und forderte Lettow schon vor dem Frühstück erneut zum Duell. Nun erklärte Lettow: „Bruder, du hast mir gestern den degen gebracht, dass ich mich mit dier schlagen sollte, komm heute nur“. Kleist, in der Hoffnung, nun zu seinem Duell zu kommen, rief daraufhin: „Kom Lettow stich mich, hier stich mich“. Worauf Lettow – in diesen verbalen Überbietungswettbewerb einsteigend – den Umstehenden erklärte: „ich will Kleisten erst brav abprügeln, ehe ich Jhn todt steche“.54 Kleist schlug nun vor, dass man sich etwas außerhalb des Dorfes, am Fuße eines kleinen Hügels, treffen sollte, und er machte sich mit seinem Sekundanten – einem gewissen Zillies – auch sofort zum vermeintlich bestimmten Ort auf. Allerdings wartete er dort vergebens, denn Lettow dachte auch jetzt nicht daran, sich zu duellieren, sondern kehrte ins Haus zurück und begab sich zusammen mit seiner Frau und einigen anderen Gäste zum gemeinsamen Frühstück in die Stube. das Ehepaar Kleist sehr verübelt hatte und später auch noch vorwarf. Dieser Aspekt wird später im Urteil deutlich: LAG, Rep. 7, Nr. 1519, Bl. 206a–212a, hier 208a, b [neue Zählung]. 53 Zum bisherigen Verlauf: LAG, Rep. 7, Nr. 1519, Bl. 6a–7a, Zitat Bl. 7a [neue Zählung]. 54 LAG, Rep. 7, Nr. 1519, Bl. 7b, 8a [neue Zählung].
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Als der Hofmeister Witte dies bemerkte, ging er zu Lettow und bat ihn inständig, sich doch endlich mit „seinem Patron zuschlagen“, doch Lettow schlug ihm – inzwischen wenig überraschend – diese Bitte ab. Angesichts der erneuten Weigerung griff Witte zu nachdrücklicheren Mitteln und ohrfeigte Lettow. Dieser Angriff war zweifellos eine drastische Überschreitung der Verhaltensregeln, Lettow wies seinen Jäger daher auch an, „den unnutzen kerl aus der Stube“ zu bringen. Aber Witte war offenbar so richtig in Fahrt gekommen und ohrfeigte nicht nur den Jäger beherzt, sondern im Anschluss daran erneut Lettow. Nun fand sich Lettow endlich zu deutlicheren Reaktionen, wenn auch nicht zum Duell, bereit: Zunächst verprügelte er den Hofmeister mit einem Rohrstock und als dieser sich wehrte, kamen dem Obristen schließlich mehrere Bedienstete zu Hilfe und warfen Witte aus dem Haus. Dass diese tumultartigen Zustände einen prächtigen Gesprächsstoff für die Gäste boten, versteht sich von selbst und ganz offenbar kamen bei diesen Gesprächen Kleist und sein Hofmeister Witte nicht besonders gut weg. Gegen Kleist wurde dabei von Lettow ein Argument stark gemacht, das verstehen hilft, wieso sich Lettow derart phlegmatisch verhielt. Denn Lettow erklärte gegenüber den anderen Gästen: „der Kleist ist nur […] ein Junge, der seine Tage keinen todten hund gesehen hat“.55 Angespielt wurde damit darauf, dass Kleist im Unterschied zu Lettow nicht im Krieg gewesen war, was Lettow mit Blick auf die zur Schau gestellte Kampffreudigkeit seines Kontrahenten abschätzig betonte. Und um das Maß der Beleidigung voll zu machen, prahlte Lettow auch noch vor der gesamten anwesenden adligen Gesellschaft: „Wenn Kleist zu mier käme, so wolte ich 12 Handschuhe auf Jhn entzwey peitschen und jhm die Nase abschneiden“.56 Gerade die Drohung, er würde Kleist die Nase abschneiden – ein deutliches körperliches Symbol der Unehrlichkeit und zugleich der Verweis auf eine sich selbst zugewiesene Sanktionierungsmacht –, muss als ausgesprochen drastische Beleidigung des Hausherrn gelten.57 Diese verbale Gegenattacke zeigt daher an, dass Lettow die Angriffe auf seine Person offenbar doch nicht gänzlich gleichgültig waren, wenn er auch die direkte Konfrontation mit Kleist vermied. Allerdings beschloss Lettow, sich ganz persönlich an Witte zu rächen. Dafür nahm er dem inzwischen schlafenden Witte seine Perücke ab, begab sich damit in den Garten und entleerte seinen Darm in diese hinein, eine 55 LAG,
Rep. 7, Nr. 1519, Bl. 9a [neue Zählung]. Rep. 7, Nr. 1519, Bl. 9a, b [neue Zählung]. 57 Zur symbolischen Bedeutung der gewaltsam zugefügten körperlichen Entstellung als Markierung von Unehrlichkeit mit Blick auf das Naseabschneiden Gröbner, Ungestalten, S. 72–75. 56 LAG,
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Maßnahme mit einer markant beleidigenden Botschaft.58 Offenbar zufrieden mit dieser Aktion begab sich Lettow schließlich selbst zu einem Mittagsschlaf ins Bett. Doch Witte, von der Beschmutzung seiner Perücke unterrichtet, war keineswegs gewillt, diese Demütigung auf sich sitzen zu lassen. Daher schnappte er sich seine besudelte Perücke, begab sich in das Schlafzimmer Lettows und drückt sie dem Schlafenden beherzt und mit dem Kot zuerst ins Gesicht.59 Derart besudelt und erniedrigt fand sich Lettow nun endlich zum Duell bereit, er forderte Kleist sogar nachdrücklich und mehrmals. Aber nun lehnte dieser einen sofortigen Austrag der Sache im Duell ab, man verabredete sich schließlich am 11. April auf einem Feld in der Nähe von Zebelin. Doch Kleist erschien nicht. Statt seiner schickte er einen Jäger, der dem wartenden Lettow auszurichten hatte, dass sich Kleist nicht wohl befinde und Lettow an einem anderen Tag wieder vorbeikommen könne, wenn er sich duellieren wolle.60 Und damit endete der Streit beziehungsweise wurde angesichts der unklaren Perspektive von Lettow auf eine andere Ebene gehoben. Denn derart mit seinen Pistolen am Duellplatz alleingelassen, entschloss sich Lettow auf Nummer sicher zu gehen und zeigte Kleist und seinen Hofmeister Witte kurzerhand bei Gericht an. Das Verfahren wurde dann auch eingeleitet und Kleist immerhin formal zur Festungshaft verurteilt, allerdings folgte die königliche Begnadigung unmittelbar auf das Urteil. Lettow, der selbst ebenfalls mit einer wenigstens symbolischen Verurteilung zu rechnen hatte, starb schon kurze Zeit nach seiner Anzeige. Witte hatte Preußen indes längst verlassen und konnte somit nicht mehr gerichtlich belangt werden.61 Das Beispiel zeigt eindrücklich, dass auf Beleidigungen keineswegs immer in der erwarteten Weise reagiert wurde und dass die Kunst des Beleidigens ohne die Kunst des Beleidigtseins nicht auskam, zumal dann, wenn aus einer Beschimpfung mehr werden sollte als eine verbale Attacke. Dass dies dennoch in den meisten hier untersuchten Fällen gelang, ist wesentlich 58 Der symbolische Einsatz von Fäkalien im Rahmen von schweren Herabwürdigungen des Gegners ist etwa von den Flugblättern der Reformationszeit bekannt. Vgl. bspw. die verzeichneten Blätter bei Hohenemser (Ed.), Flugschriftensammlung Gustav Freytag, S. 186–252. Zur sprachlichen Einschreibung in das Deutsche Gauger, Das Feuchte und das Schmutzige, Kap. 14–17. Gauger verweist darauf, dass sich bis heute im Deutschen eine Vorliebe für Fäkalausdrücke erhalten hat, während etwa in den romanischen Sprachen sexuelle Anspielungen als Strategie der Herabwürdigung dominieren. Ein derart realer Einsatz von Fäkalien wie im vorgestellten Fall dürfte allerdings auch im deutschsprachigen Raum ausgesprochen selten gewesen sein! 59 LAG, Rep. 7, Nr. 1519, Bl. 10a [neue Zählung]. 60 LAG, Rep. 7, Nr. 1519, Bl. 11a, b [neue Zählung]. 61 LAG, Rep. 7, Nr. 1519, Bl. 392a [neue Zählung].
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dem Zuschnitt des Samples geschuldet, denn eine unerwiderte und ins Leere gelaufene Beleidigung beschäftigte die Gerichte in aller Regel nicht, zumindest dann nicht, wenn es die Beteiligten bei der fehlenden Reaktion bewenden ließen.
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen Wenn im Folgenden Stellvertreterkonflikte, Wettkampfspiele und Entgleisungskonflikte als spezifische Konflikttypen näher betrachtet werden, so ist das vornehmliche Ziel deren grundsätzliche, keine im Detail erschöpfende Charakterisierung. Über die vorgenommene Typisierung, so die zentrale Annahme, lässt sich dabei erst erfassen, welche verschiedenen gesellschaftlich-sozialen Funktionen dem Duell (jenseits der individuellen Bedeutung als Repräsentationsmedium und Vollzugsweise von Ehre) innerhalb der vormodernen Gesellschaften im Alten Reich zugewiesen werden können. Nochmals betont sei auch, dass mit der Dreiteilung von individuell ausgetragenen Ehrkonflikten in Wettkampfspiele, Stellvertreter- und Entgleisungskonflikte Idealtypen vorgestellt werden. Übergangsformen, Uneindeutigkeiten und Binnendifferenzierungen waren in der alltäglichen Konfliktkultur natürlich in vielfältiger Weise anzutreffen. Relativierend angemerkt werden muss zudem, dass alle hier untersuchten Konflikte auf der Basis von Gerichtsakten dargestellt werden. Wie die Protagonisten ihr Handeln vor oder aber jenseits dieser gerichtlichen Verhandlung begriffen und beschrieben, ob sie einzelne Handlungssequenzen hinzufügten und andere womöglich wegließen oder auch vereindeutigten, entzieht sich unserer Kenntnis. Hinzu kommt, dass die hier untersuchten Gewaltakte in aller Regel nicht Ergebnis eines zielgerichteten Handelns waren, sondern stark von Handlungsroutinen geprägt. Das bedeutet, die Beteiligten reflektierten ihr Handeln zumindest im Akt des Vollzuges nur bedingt. Es ist daher durchaus damit zu rechnen, dass eine Deutung und damit verbunden die sinnhafte Aufladung eines Konflikts als Ehrkonflikt beziehungsweise als Duell mitunter erst einsetzte, wenn dieser gerichtlich verhandelt wurde. Aus einer sonst vielleicht nur implizit bleibenden Deutung des Konflikts als Ehrensache wurde in dieser gerichtlichen und damit öffentlichen Situation womöglich eine explizite Charakterisierung als Vergehen, welches nach dem Duellmandat sanktioniert werden konnte. Wann eine solche ‚Neuschreibung‘ der Ereignisse vor Gericht stattfand und wann nicht, lässt sich allerdings nicht mehr feststellen. Dieser Aspekt ist daher als Eigenheit des Sprechens vor Gericht, als stete Relativierung der folgenden Aussagen mitzudenken, die sich letztlich immer auf Repräsentationen der Wirklichkeit beziehen und nicht vermögen, die Wirklichkeit selbst einzufangen.
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen 257
a) Stellvertreterkonflikte Als Stellvertreterkonflikte werden Ehrkonflikte verstanden, die sich aus anderen Konflikten speisten. Dem Streit um die Ehre kam bei diesem Konflikttyp die Funktion eines Substituts zu. Die Überführung eines ursprünglichen Konflikts in einen Ehrkonflikt bot die Möglichkeit, jenen ursprünglichen Konflikt neu zu verhandeln beziehungsweise den Gegner, der dazu unter Umständen sonst nicht bereit gewesen wäre, mit Hilfe einer öffent lichen Beleidigung zu einer Neuverhandlung zu zwingen. Damit lassen sich Stellvertreterkonflikte im Grunde als Form der Konfliktlösung oder des Konfliktmanagements begreifen, wenngleich die Transformation des ursprünglichen Konflikts in einen Ehrkonflikt keineswegs immer oder auch nur meist zu einer Einigung in der Sache führte. Die Verschiebung der Konfliktlagen hin zu einer Auseinandersetzung um die Ehre erfolgte zudem nicht notwendigerweise gezielt. Vielmehr konnten schon lang schwelende Konflikte plötzlich aufbrechen, indem sich etwa nach einigen Krügen Bier im Wirtshaus die lang angestaute Wut Bahn brach und mehr oder weniger spontane Beleidigungen ausgestoßen wurden, die zu einer Umwandlung des Austragsmodus einer Auseinandersetzung in einen Ehrkonflikt führten.62 Dass ursprünglich anders gelagerte Konflikte in Auseinandersetzungen um die Ehre in Form von Stellvertreterkonflikten transferiert werden konnten, verweist darauf, dass schon in diese ursprünglichen Konflikte Ehre als potenziell abrufbarer Aspekt des Konfliktverständnisses eingeschrieben war. Eine Erkenntnis, die keineswegs neu ist. So hat bereits Martin Dinges den „Verweischarakter“ der Ehre betont und herausgestellt, dass man Ehrkonflikte initiierte, „um Interessenkonflikte auf fundamentale Wertkonflikte hochstufen zu können“.63 Eine Beobachtung, die inzwischen vielfach bestätigt wurde.64 Allerdings ist zu betonen, dass dieser Befund eben nicht (und hier in deutlicher Abgrenzung zur bisherigen Forschung)65 generalisiert werden kann, denn in den von den Stellvertreterkonflikten zu unterscheidenden Wettkampfspielen und Entgleisungskonflikten lässt sich gerade nicht beobachten, dass Interessenkonflikte zu Wertkonflikten wurden, aber dazu später mehr. Grundsätzlich ließ sich nahezu jeder Konflikt in einen Ehrkampf transferieren. Ein Streit über Schulden bot sich hierfür ebenso an wie Eheprobleme 62 Vgl. hierzu Schwerhoff, Das Gelage; Schwerhoff, Policey; Krug-Richter, Von nackten Hummeln, S. 276. 63 Dinges, Maurermeister, S. 414. 64 Hier sei nur beispielhaft verwiesen auf Le Cam, Ehrkonflikt; Walz, Agonale Kommunikation; Habermas, Diebe. 65 Walz, Agonale Kommunikation, S. 250; Dinges, Maurermeister, S. 412–414; Haack, Der vergällte Alltag, S. 88; Krug-Richter, Von nackten Hummeln, S. 270.
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der Tochter, Jagdkonflikte, die gewaltsame Werbung von fremden Untertanen oder ein verlorenes Kartenspiel.66 Als wesentlicher Grundzug dieser Umwandlung hat dabei zu gelten, dass das Verhalten des Konfliktgegners als ehrverletzend auf sich bezogen wurde. Am Beginn dieser Umwandlung steht also keine gezielte Beleidigung, sondern die Behauptung, dass das Verhalten des Konfliktgegners für einen selbst in einer bestimmten Sache ehrverletzend sei. Eine Behauptung, die keineswegs von allen Beteiligten geteilt werden musste. Der Transfer eines Ursprungskonflikts in einen Ehrkonflikt wird dann auch besonders gut in Fällen erkennbar, bei denen diese Transformation auf Widerspruch stieß. So geschehen in einem Fall aus dem Jahre 1732, der sich unter zwei Offizieren in sächsisch-polnischen Diensten ereignete, wobei für einige Details des Ablaufs zu beachten ist, dass sich die Kontrahenten in Polen aufhielten. Am 9. Juni dieses 1732er Jahres ging bei dem Generalmajor Klingenberg ein schriftliches Kartell ein. Darin forderte ihn der Obristleutnant de Milie zum Duell.67 Diese Forderung war ausgesprochen pikant, denn Klingenberg war nicht nur der Vorgesetzte Milies, sondern auch dessen Schwiegervater. Und mit letzterem Punkt hatte auch der Konflikt zwischen den beiden Offizieren zu tun. Anlass der Duellforderung war nämlich der Umstand, dass Klingenbergs Tochter am 9. Juni 1732 „mit Hinwegnehmung aller ihrer Effecten“ wieder bei ihrem Vater eingezogen war und sich offenbar nicht bereit zeigte, zu ihrem Gatten zurückzukehren.68 Noch am Nachmittag des Tages, an dem Milie von seiner Frau verlassen worden war, verfasste er jenes Kartell und ließ es durch seine Lakaien dem Generalmajor Klingenberg übergeben. Dieser zügige Verlauf erklärt sich dabei auch aus dem Umstand, dass alle Beteiligten nah beieinander waren, da sie sich gemeinsam in einem Feldlager in Polen befanden. Man ‚wohnte‘ also faktisch in unmittelbarer Nachbarschaft und das Kartell musste – wenn überhaupt – nur ein paar hundert Meter weit getragen werden. Für die Duellforderung waren dabei wohl kaum oder doch nicht in erster Linie Probleme zwischen Milie und seinem Schwiegervater ausschlaggebend, vielmehr fühlte sich Milie durch das Verhalten seiner Frau in seiner 66 Ulbrich, Weibliche Delinquenz, S. 284, und Krug-Richter, Von nackten Hummeln, S. 271, haben bereits implizit darauf verwiesen, dass bestimmte Formen von Ehrhändeln den Charakter von Stellvertreterkonflikten hatten. Im Grunde kann der weitaus größte Teil der im Kontext der Kriminalitätsforschung vorgelegten Arbeiten zu Ehrkonflikten diesem Typus zugeordnet werden. Vgl. exemplarisch die Fälle, die Lacour, Schlägereyen, S. 116–120, unter der Rubrik „Ehrkonflikte“ vorstellt. 67 Zu diesem Fall siehe: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 284a– 296a u. 298a–329b. 68 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 284a–296a u. 298a–329b, hier Bl. 316a.
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Ehre gekränkt. Gut erkennbar wird dies in einem Brief Milies an seine Gattin. Darin heißt es: „Sie bedencken wohl in was für eine plame sie mich und sich gesetztet haben, durch ihre Desertion, faßen sie ihr irritiertes gemühte wiederumb zusammen, nehmen sie ihren nun habenden guten verstandt zu rathe und recolligiren sie sich wiederumb“.69 Interessant und für den weiteren Verlauf des Konflikts entscheidend ist nun, dass Milie zwar seiner Frau die Schuld an seiner misslichen Lage gab, er sich aber zugleich berechtigt sah, die Wiedergutmachung seiner gekränkten Ehre vom Vater zu verlangen, denn dieser hatte sich – aus Sicht Milies – mit der erneuten Aufnahme seiner Tochter im elterlichen Heim eine illegitime Kuratel angemaßt. Klingenberg sah sich aber weder veranlasst, das geforderte Duell anzunehmen, noch war er der Meinung, dass seine Tochter ihren Ehemann unberechtigterweise verlassen hatte. Ersteres demonstrierte er nachdrücklich damit, dass er Milies Duellforderung umgehend bei dem dafür zuständigen Militärgericht anzeigte. Letzteres dokumentiert die Aussage Klingenbergs vor Gericht. Denn dort gab er zu Protokoll, dass seine Tochter ihren Mann wegen „deßen widerwärtige[n] conduite und übele[n] Comportement“ verlassen hätte. Zuletzt hätten seine Tochter „folgend 2 Ursachen dahin gebracht sich von ihrem Mann zu retiviren, indem er 1) keinen Scheu getragen, vor einigen tagen gegen den OberkriegsCommisarium Uhlen [zu] declariren, daß er durch seine Laquais sie wolte halten laßen um seinen Willen an ihr zu erfüllen; 2) hätte er ihr selbst in Gegenwart der Domestiquen gesagt, kriege er sie nur nach Sachsen, so wolle er ihr schon weisen, wie man mit dergl. Weibern umgehen müße“. Dies hätte seine Tochter aber als Bedrohung für Leib und Leben verstanden, „zumal er ihr schon öfter mit Schlägen gedroht hätte“.70 Ihr Weggang schien dem Vater daher legitim. Eine neuerliche Versöhnung des Paares war aus Sicht des Vaters ebenfalls nicht 69 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 284a–296a u. 298a–329b, hier Bl. 321a. Zugleich versuchte Milie – wenigstens halbherzig – eine Versöhnung anzubieten. Der letzte Satz des Briefes macht dabei überdeutlich, dass er ganz offensichtlich der Meinung war, mit diesem Schreiben den Gipfel der schmeichelnden Umwerbung erreicht zu habe. Im Brief heißt es also weiter: „ich will der erste seyn, der zu in (sic) kommen wird, ich will der erste seyn der es ihnen ab bitten will, wo ich ja ihnen soll etwas zuwieder gethan haben, ich will vor der gantzen Welt die schuld auf mich nehmen, weil ein Cavallier ehe kan was auf sich nehmen, ich will selber kommen und ihnen abholen, und mit der Zeit zeigen, das ich die zeit Lebens nicht aufhören werde solange ein blutstropfe in meinen adern seyn wird, zu seyn deßen biß in den todt getreüer Knecht und diner de Milie, ich glaube nicht das ein Galan kann komplimanter an seine Maisdresse schreiben.“ SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 284a–296a u. 298a–329b, hier Bl. 321a, b. 70 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 284a–296a u. 298a–329b, hier Bl. 320a–d (sic).
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
mehr zu erwarten, denn Milie war bereits zu häufig mit einem ausgesprochen schlechten Benehmen gegenüber seiner Frau aufgefallen und seine früher gegebenen Versprechen, dieses Verhalten zu ändern, hatte er offenbar nie gehalten. Klingenberg durchkreuzte mit dieser Argumentation vor Gericht deutlich den Vorstoß Milies, seine Eheprobleme als Ehrkonflikt zu verhandeln. Stattdessen betonte er, dass es sich eben gerade nicht um einen Fall von gekränkter Ehre handelte, sondern vielmehr um einen Fall häus licher Gewalt. Mit der Aussicht auf ein gerichtliches Verfahren statt des erhofften Ehrkampfes, flüchtete sich Milie zunächst in ein Kloster.71 Doch angesichts der gerichtlichen Drohung, dass er „durch öffentl. Trommel-Schlag dem Gebrauch nach citirt werden würde“, wenn er sich nicht freiwillig stellte – für einen Offizier ein klar ehrabschneidendes Zitationsverfahren –, gab Milie sein Asyl schnell auf, stellte sich dem Gericht und wurde für den Prozess schließlich nach Dresden gebracht.72 Der Ausgang des Verfahrens ist in den Akten nicht mehr verzeichnet. Aber es ist anzunehmen, dass auch in diesem Fall nicht nach der Härte des Gesetzes verfahren wurde. Dessen ungeachtet macht das Beispiel aber hinreichend deutlich, dass die Reformulierung einer Auseinandersetzung als Stellvertreterkonflikt nicht zwangsläufig Erfolg haben musste. Milie konnte zwar seine Eheprobleme als Ehrkonflikt umdeuten und von seinem Schwiegervater ein Duell fordern, aber Klingenberg als Offizier und Vater konnte diese Duellforderung ebenso einfach ablehnen, ein unumgänglicher Zwang, einen einseitig zum Ehrkonflikt erhobenen Streit mit Waffen auszutragen, bestand demzufolge nicht.73 71 Eine Strategie, die dem Umstand Rechnung trug, dass sich alle Beteiligten zum Zeitpunkt dieser Forderung nicht im lutherischen Sachsen, sondern im katholischen Polen aufhielten. Zum Phänomen des Kirchenasyls siehe den Überblick zur aktuellen Forschung bei Häter, Asyl. 72 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/4, Bl. 284a–296a u. 298a–329b, hier Bl. 316b. 73 Solche Duellverweigerungen kamen immer wieder vor und machen damit sehr deutlich, dass man offenbar ohne Ehrverlust einseitig ‚aussteigen‘ konnte. Vgl. bspw. folgende vier Fälle: (1) Im Jahr 1701 forderte Wilhelm Heinrich von Rath, Oberhauptmann von Köthen, Geißler von Dißkau, Amtshauptmann zu Füben, zum Duell, was dieser jedoch ausschlug. SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9700/55. (2) In einem Fall, diesmal aus dem Jahre 1740, endete die Sache dennoch tragisch. Hier war es der Leutnant Hans Georg von Gersdorff, der den Hauptmann Jobst Burckhardt von Hoyqueslot zum Duell forderte. Dieser verweigerte das Duell, wurde aber von Gersdorff und seinem Begleiter Otto Ernst von Gersdorff vor die Stadt genötigt. Als Hoyqueslot von dort zurückging, wurde er zunächst von seinen Widersachern schwer beschimpft, dann von hinten mit der flachen Seite des Degens geschlagen und als er sich schließlich umdrehte, ohne Vorwarnung durch Otto Ernst von Gersdorff erstochen. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/3, Bl. 1a, b, 9a–18b, 33a– 58b u. 67a–118b. (3) Johann Heinrich von Wolff forderte seinen Schwager, Carl
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen 261
Zweifellos hat dieser Fall mit Blick auf den ‚Ursprungskonflikt‘ Ausnahmecharakter. Viel häufiger waren im untersuchten Sample Stellvertreterkonflikte anzutreffen, deren Ursprungskonflikte monetärer Natur waren. Interessant ist dabei, dass ein Streit um Geld sowohl durch den Gläubiger als auch durch den Schuldner in einen Ehrkonflikt überführt werden konnte und auch wurde. Bei der ersten Variante versuchte der Gläubiger den Druck auf den Schuldner durch eine neuerliche Thematisierung der Schuld über den Aspekt der Ehre zu erhöhen, um so doch noch an sein ausstehendes Geld zu kommen. Bei der zweiten Variante versuchte der Schuldner eine Schuldforderung abzuwehren, indem er die Ehre des Gläubigers öffentlich in Zweifel zog und diesen so zwang, sich zunächst nicht um sein Geld, sondern um seine Ehre zu kümmern. Allerdings ist festzustellen, dass sich die beiden Instrumentalisierungsvarianten häufig überlagerten, wenn die Überführung einer Schuldensache in einen Ehrkonflikt erst einmal angelaufen war. Besonders beliebt für solche Umdeutungsmanöver waren Spielschulden, bei denen letztlich die Rechtmäßigkeit der geforderten Summe noch mitverhandelt werden konnte oder doch angesichts der Höhe der Schulden die Frage aufkam, ob eine Auszahlung des Geldes ernstlich zu erwarten sei. So hatte etwa in einem Leipziger Fall ein gewisser Baron Uslar aus Braunschweig-Hannover, der sich während der Michaelismesse Ende September 1708 in Leipzig aufhielt, bemerkenswerte 6.400 Reichstaler Spielschulden bei dem kursächsischen Offizier de Wisel gemacht.74 Wisel, der bei einem abendlichen Würfelspiel offenbar ein ausgesprochen glückliches Händchen gehabt hatte, machte sich zunächst wohl noch ernsthafte Hoffnungen auf diesen unverhofften Geldsegen, denn als sich die beiden Spielpartner am Tag nach der nächtlichen Würfelpartie erneut begegnet waren, hatte Uslar versichert, dass er willens und bereit sei, seine Spielschulden noch am gleichen Tag zu begleichen. Als Wisel aber vergeblich auf seinen Schuldner wartete, besuchte er Uslar in dessen Unterkunft und forderte das ausstehende Geld ein. Über Wisels Auftauchen war Uslar wenig erfreut, zumal er nicht allein war, sondern mit einer größeren Runde von Freunden und Bekannten zusammensaß. Vor diesen Freunden und Bekannten durch die öfGotthardt von Bernewitz 1772 gleich zweimal zum Duell, was dieser aber beide Male ausschlug. Die Duellforderungen wurden schließlich von dessen Frau und Wolffs Schwester zur Anzeige gebracht. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/3, Bl. 119a–149b. (4) 1776 forderte Christian August Gotthold von Helmhod den preußischen Leutnant Arnold Olmis von Mühlstroh schriftlich zum Duell. Aber auch Mühlstroh dachte nicht daran, sich zu duellieren und zeigte Helmholt kurzerhand an. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1405/3, Bl. 151a–167b. 74 Zum Verlauf des Falls siehe: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 133a–138a.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
fentlich vorgetragene Schuldforderung bloßgestellt, erklärt Uslar empört, „Wisel sollte die Schuld in seinem, des Baron Uslars, Lande, suchen, er gäbe ihm zu Leipzig nichts, und wollte ihn salvo venia was sch[eissen]“.75 Mit diesem Satz war die Schuldforderung erst einmal vom Tisch, Wisel sah sich vielmehr genötigt, zunächst die beleidigende Attacke abzuwehren. Dies tat er dann auch und entgegnete: „Canaille, dafür soll dich der donner erschlagen, und ich werde dich durch meine knechte prügeln lassen“. Dies wollte und konnte wiederum Uslar nicht auf sich sitzen lassen, und so ließ er statt einer direkten Antwort seinen Jäger rufen, wodurch er deutlich markierte, dass er im Gegenzug bereit war, seinem Gegner die ihm angedrohten Schläge sofort selbst zukommen zu lassen. Wisel zog angesichts dieser zügigen Zuspitzung vorsorglich seinen Degen und trat derart gewappnet den Rückzug an. Als er schließlich vor dem Haus angekommen war, rief Uslar aus dem Fenster den Leuten auf der Straße zu: „Haltet auf, ein Voleur76, ein Spitzbube“. Dieses Rufen hatte eine durchschlagende Wirkung, denn Wisel konnte sich, nachdem er von den Passanten durch die Leipziger Straßen verfolgt worden war, nur noch in die Festung Pleißenburg retten, wo er die Auseinandersetzung anzeigte und sich freiwillig in Arrest begab, um vor weiteren Verfolgungen geschützt zu sein.77 Betrachtet man dieses Beispiel, kann beobachtet werden, dass hier im Unterschied zum oben vorgestellten Fall der Eheprobleme Milies, beide Seiten an der Überführung der Schuldforderung in einen Ehrkonflikt beteiligt waren. Den Auftakt machte Wisel mit der vor Dritten vorgetragenen Schuldforderung. Wisel erhoffte sicherlich, dadurch den Druck auf Uslar zu erhöhen, damit dieser doch noch zahlte. Da die Bekanntmachung der Zahlungsverweigerung aber auch als Hinweis auf eine Zahlungsunfähigkeit Uslars verstanden werden konnte, gewann der Hausbesuch Wisels zugleich einen stark injuriösen Charakter. Seine injuriöse Qualität bezog die öffentliche Geldforderung dabei aus dem Umstand, dass schon das Gerücht der Zahlungsunfähigkeit den Verlust der Kreditwürdigkeit nach sich ziehen konnte. Dies hätte angesichts des vormodernen Wirtschaftens im Alltag, bei dem das Leben auf Kredit zu den grundlegenden Formen des geschäftlichen Miteinanders gehörte, fatale Folgen für Uslar gehabt.78 Seine Abwehrattacke 75 Die Ergänzung in eckigen Klammern wurde von mir vorgenommen, im Original heißt es nur „sch…“. 76 Voleur, frz., Dieb, Spitzbube. 77 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 133a–138a, hier Bl. 136a, b. 78 Zur Form des Wirtschaftens über Kredit und Bürgschaft in der Vormoderne und zur Bedeutung des guten Leumunds und des ‚ehrlichen Namens‘ als unmittelbar pekuniär wirksames soziales Kapital einer Person Wee, Forschungen zur Geschichte des Privatkredits; Muldrew, Zur Anthropologie des Kapitalismus; Sturm, „wat ich schuldich war“.
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen 263
war entsprechend vehement. Er griff für seine Gegen-Beleidigung auf die Verbalisierung der besonders abwertenden Geste des ‚auf etwas scheißen‘ zurück und erzielte damit schon situativ eine durchschlagende Wirkung. Der Konflikt wurde nicht nur endgültig zum Ehrkonflikt, sondern Wisel war es bereits zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich, seine Schuldforderung überhaupt noch anzusprechen. Sogar im anschließend eingeleiteten Verfahren wurden die Schulden nicht mehr thematisiert, sondern nur noch darüber verhandelt, wie mit den wechselseitigen Injurien umzugehen sei – für Uslar war das zweifellos ein bemerkenswerter Erfolg im Ergebnis dieser Konflikt umwandlung. Es konnte bei Stellvertreterkonflikten allerdings auch um deutlich kleinere Summen gehen, ohne dass dies einen beruhigenden Effekt für die Konfliktentwicklung gehabt hätte. So gerieten mehrere Offiziere der Chevaliergarde in einem Dresdner Kaffeehaus am 16. August 1708 bereits wegen zwei Groschen in heftigen Streit.79 Auch hier ging es um Geld, das beim Spiel gewonnen beziehungsweise verloren worden war, und zwar bei einer Bassette-Partie, einem in dieser Zeit beliebten Glücksspiel. Beim Bassette handelt es sich um ein Kartenspiel, bei dem von maximal vier Mitspielern auf den Augenwert von Karten gesetzt wurde. Je nachdem, ob der ‚Banquier‘ als fünfter Spieler, der für sich selbst und die Mitspieler jeweils Gegenkarten zog und setzte, Karten mit höherer oder niederer Augenzahl aufdeckte, verloren oder gewannen die vier Mitspieler ihr und das vom ‚Banquier‘ gesetzte Geld.80 Der Spielverlauf brachte es mit sich, dass während des Spiels immer wieder Geld der Mitspieler zur ‚Bank‘ wanderte und von dort wiederum Gewinne ausgezahlt wurden. Als problematisch erwies sich nun, dass Mathau, der als Banquier fungierte, seinen Mitspielern Milckau und Falkenberg jeweils einen Spezitaler im Wert von 30 Groschen auszahlte. Milckau wechselte seinen gerade gewonnenen Spezitaler allerdings eigenmächtig mit einem Taler im Wert von 32 Groschen aus, der offenbar in einer früheren Spielrunde im Geldhaufen von Falckenberg gelandet war. Milckau versuchte also mit diesem Tausch seinen Gewinn um zwei Groschen zu erhöhen. Ob er diesen höherwertigen Taler ursprünglich ins Spiel gebracht hatte, ist unklar, kann aber als Hintergrund dieser Tauschaktion vermutet werden. Falckenberg war von dieser Auswechslung erwartungsgemäß nicht begeistert und erklärte gegenüber Milckau, dass dies ja wohl „Narrenstreiche“ seien und ihm – also Milckau – „solche NarrenPoßen“ nicht anstünden.81 Mit dieser Bemerkung versuchte Falckenberg nicht unbedingt, die Rückfor79 Zu
diesem Fall: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 133a–135a. dazu Zollinger, Geschichte des Glücksspiels, S. 293. 81 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 133a–135a, hier Bl. 134a, b.
80 Siehe
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
derung seines Talers zum Ehrkonflikt zu machen, vielmehr wollte er Milckau zunächst mit Verweis auf dessen Ehrenstatus und sein im Vergleich dazu wenig ehrenvolles Agieren zur freiwilligen Einhaltung der Spielregeln bewegen. Aber damit lieferte er Milckau zugleich eine perfekte Steilvorlage für eine endgültige Umwandlung der Sache zum Ehrkonflikt. Dieser ging dann auch gar nicht mehr auf seine Tauschaktion ein, sondern erklärte: „Der mich vor einen Narren hält, den halte ich vor einen […] Hunßfott“.82 Nach dieser Beleidigung zogen beide auch schon den Degen und gingen damit aufeinander los. Als Milckau nach kurzem Kampf leicht an der Hand verletzt worden war, trennten andere Offiziere die Kämpfenden, die sich daraufhin schnell aus dem Kaffeehaus und offenbar auch für einige Zeit aus Dresden entfernten, vom minderwertigen Spezitaler war nach diesem Degengefecht dann nicht mehr die Rede. Die bisher vorgestellten Beispiele zeigen deutlich, dass in Stellvertreterkonflikten jene für Ehrkonflikte generell typischen, im ersten Teilkapitel bereits angesprochenen Eskalationsspiralen im Kontext von Beleidigungsdialogen anzutreffen waren. Der Ursprungskonflikt war den Protagonisten zwar bekannt, wurde aber, wenn überhaupt, nur zu Beginn der Auseinandersetzung thematisiert und spiegelte sich in Einzelfällen noch in der Wahl der Schimpfworte wider.83 Mit der Überführung des Ursprungskonflikts in einen Ehrkonflikt folgten die Handlungsweisen der Beteiligten den Verhaltensroutinen in Beleidigungshandlungen. Eine geradezu idealtypische Entfaltung solch einer Eskalationsspirale nach der Überführung in einen Ehrkonflikt findet sich bei einem Beispiel, bei dem es ursprünglich ebenfalls um die Rückzahlung von Schulden ging, die diesmal aber nicht beim Spiel gemacht worden waren, sondern ganz klassisch durch das Ausleihen von Geld.84 Kreditgeber war in diesem Fall der kursächsische Hauptmann Hans Friedrich Wilhelm von Troyff, der im Jahre 1797 dem Grafen Franciscus Cyprianus de Peralta-Renaud eine scheinbar nicht unbeträchtliche, in den Akten aber nicht genau spezifizierte Summe geliehen hatte. Den Anstoß für die Hochstufung dieser Schuldfor82 SächsHStA
Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 133a–135a, hier 134b. sei an dieser Stelle etwa an den weiter oben bereits vorgestellten Konflikt zwischen dem Lübecker Kaufmann Hermann Fock und dem Mecklenburger Leutnant Hinrich Willebrandt, bei dem es ebenfalls um die Rückzahlung von Schulden ging. Hier war der Kaufmann damit attackiert worden, dass er seinen Reichtum dem „Fuchßen“, also betrügerischen Praktiken, verdanke, eine Beleidigung, für die auf eine abwertende Beschreibung seiner Tätigkeit zurückgegriffen wurde und die in gleicher Weise bei einem Offizier, der versuchte Spielschulden einzutreiben, natürlich nicht zum Einsatz kommen konnte. Zu dem Fall siehe Kap. IV. 1. in dieser Arbeit. Die Fallakte findet sich im: LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 263. 84 Zum Fall: SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 2456/3, Bl. 1a–22a. 83 Erinnert
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen 265
derung zum Ehrkonflikt war auch hier die Einbeziehung von Dritten. Denn nachdem Troyff offenbar mehrfach erfolglos versucht hatte, sein Geld von Peralta-Renaud zurückzuerhalten, wandte er sich an seinen Schwager, den Major und Kreiskommissar von Hartitzsch. Mit dessen Hilfe versuchte Tyroff nun zu erreichen, dass die Leibrente des Grafen gekürzt würde. Die Einsparungen bei der Leibrente sollten dabei nicht direkt an ihn ausgezahlt werden, vielmehr hoffte Troyff darauf, dass Peralta-Renaud durch diese Maßnahme den Ernst der Lage erkennen und endlich ‚motiviert‘ werden würde, die Rückzahlung seiner Schulden in Angriff zu nehmen. Neben den drohenden Mindereinnahmen war durch diesen Schachzug die Schuldforderung Troyffs allerdings zugleich am Dresdner Hof bekannt gemacht worden, ein Umstand, über den Peralta-Renaud wenig erfreut war. Entsprechend verärgert reagierte er dann auch und forderte Troyff wegen seines Vorgehens in der Schuldsache beim nächsten Zusammentreffen zum Duell. Dabei erklärte er energisch, dass er nicht bereit sei, seine Schulden zurückzuzahlen bis Troyff sich zum Duell gestellt hätte, denn „ein Hunsvoigt kann mich nicht incommodiren“.85 Der derart beleidigte Troyff konterte sofort und erklärte: „derjenige, welcher mich einen Hundvoigt heißt, ist selbst ein doppelt und zehnfacher“.86 Damit war das verbale Reservoir der beiden offensichtlich schon ausgeschöpft, was nicht weiter verwunderlich ist, da mit der Beschimpfung als Hundsfott eine auch in anderen Fällen immer wieder zu beobachtende Grenze des verbalen Schlagabtauschs markiert war. Peralta-Renaud schlug Troyff als ‚Antwort‘ auf dessen Gegenbeleidigung daher ins Gesicht, so dass Troyffs Hut herunterfiel. Dieser wollte sich daraufhin mit ein paar Stockschlägen revanchieren, was aber nicht gelang, da Peralta-Renaud den Stock Troyffs, noch bevor dieser den ersten Schlag vollführen konnte, zu fassen bekam und zerbrach. Troyff zog daraufhin den Degen, was PeraltaRenaud zur Flucht veranlasste, da er selbst keinen Degen zur Hand hatte.87 Betrachtet man diesen Verlauf, folgte auf eine Beschimpfung bis zum Marker Hundsfott als nächstes eine tätliche Beleidigungsspirale von der Ohrfeige über die Stockschläge bis zum Drohen mit dem blanken Degen. Dass in dieser Reihe der bewaffnete Kampf als letzter Schritt ausblieb, ist zweifellos auf den fehlenden Degen bei Peralta-Renaud zurückzuführen. In anderen Fällen war eine beidseitige Bewaffnung vorhanden und ein entsprechender 85 Inkommodieren meint in diesem Zusammenhang belästigen. Insgesamt zielte die Aussage darauf ab, dass ein derart verachteter Mensch kein Recht hätte, von ihm, Peralta-Renaud, Geld zu verlangen. 86 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 2456/3, Bl. 1a–22a, hier Bl. 5b. 87 Auch hier folgte ein Verfahren, beide wurden wegen dieser tätlichen Auseinandersetzung zu einer einjährigen Haftstrafe verurteilt, die sie immerhin teilweise absitzen mussten, wenn auch im eigenen Haus.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
Waffengang konnte folgen. Auch in den Fällen, bei denen eine schriftliche Ausforderung zum Kampf zwischengeschaltet war oder sich die Beteiligten direkt auf einen späteren Termin für den Waffengang einigten, ändert sich an dieser grundsätzlichen Abfolge wenig. Allerdings fallen mit Blick auf Stellvertreterkonflikte als Typus zwei Besonderheiten auf, die diese tendenziell von Wettkampfspielen und – wenn auch weniger deutlich – von Entgleisungskonflikten unterschieden: Zum einen ist zu beobachten, dass im Unterschied zu Wettkampfspielen Stellvertreterkonflikte häufiger nach der Phase verbaler und erster physischer Attacken abgebrochen und von einem der Beteiligten beim Gericht angezeigt wurden. Hierfür nutzte man die seit dem späten 17. Jahrhundert in den Duellmandaten verankerten Sanktionierungen von Injurien. Dieser Aspekt der strategischen Einbeziehung der Gerichte in die Ehrkämpfe wird später noch genauer ausgeführt, an dieser Stelle sei aber bereits darauf verwiesen. Interessant ist zum anderen, dass gerade die Hochstufung von Konflikten um ausstehende Schulden zu gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikten nicht nur weit verbreitet war, sondern hier mitunter auch Konstellationen mit einem starken Gefälle in der ständischen Hierarchie beobachtet werden können, die dennoch nach den Duellmandaten verhandelt wurden. So etwa im Fall des Konfliktes zwischen Curt Christoph von Peine und dem Advokat Johann Christoph Lothsch, bei dem Letzterer versuchte, bei Peine sein noch ausstehendes Honorar für eine bereits länger zurückliegende Rechtsvertretung in einer Gütertrennungssache einzufordern. Aus dieser bei einem zufälligen Treffen am 4. Juni 1735 auf der Lindenallee vor Leipzig erneut gestellten Forderung entwickelte sich schnell ein beleidigender Wortwechsel, dann wurde mit dem Stock geprügelt und schließlich war man beim Degen angekommen, wobei weniger gekämpft wurde, sondern Peine seinen ehemaligen Advokaten mit dem Degen in der Hand vor sich hertrieb. Lohtsch zeigte diese Sache daraufhin an und das Gericht verurteilte Peine mit Verweis auf das kursächsische Duellmandat von 1712 immerhin zu einer gerichtlichen Abbitte und einer einjährigen Haftstrafe.88
88 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/5, Bl. 282a–288a. Festzuhalten ist, dass in dieser Injuriensache nach dem Duellmandat verfahren wurde, obwohl Lothsch ja bürgerlicher Herkunft war und zudem nicht Offizier, sondern Zivilist. Eine Verurteilung nach dem Duellmandat war in derartigen Fällen eigentlich rechtlich ausgeschlossen. Hier zeigt sich erneut die weiter oben bereits angesprochene Tendenz, dass bei Injurienverfahren im Fall einer gemischtständischen Konstellation immer dann nach dem Duellmandat verfahren wurde, wenn eine Verurteilung eines Adligen oder Offiziers anstand. Siehe dazu Kap. IV. 1. in dieser Arbeit.
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen 267
b) Wettkampfspiele Von den Stellvertreterkonflikten deutlich zu unterscheiden sind jene Ehrkonflikte, die dem Typus der Wettkampfspiele zugeordnet werden können. Der Begriff verweist bereits auf das Konzept der „ernsten Spiele des Wettbewerbs“ (Pierre Bourdieu).89 Hiervon ausgehend und in Abgrenzung zu Stellvertreterkonflikten ist herauszustellen, dass sich Wettkampfspiele gerade nicht aus ‚ursprünglichen Konflikten‘ entwickelten, sondern Resultat einer alltäglichen Praxis aggressiver Imagepflege (Erving Goffman) waren. Von Formen der aggressiven Imagepflege spricht Goffman dann, wenn die sonst in der Kommunikation üblichen kommunikativen Muster der Ehrerbietung und Ehrbestätigung inhaltlich nahezu umgekehrt wurden.90 Natürlich zeichneten sich die Kommunikationsprozesse in Stellvertreterkonflikten ebenso dadurch aus, dass die sonst in Interaktionen so wichtigen, soziale Beziehungen stabilisierenden Strategien der Ehrerbietung und des guten Benehmens konterkariert wurden. In der Kunst des Beleidigens und auch des Beleidigtseins dominierte letztlich immer die Logik wechselseitiger Herausforderung.91 Aber beim Typus der Wettkampfspiele war die gegenseitige, beleidigende Herausforderung im Unterschied zu Stellvertreterkonflikten eben nicht an einen Ursprungskonflikt gebunden, sondern Teil einer Gruppenkultur. Das heißt, agonale Formen der Kommunikation gehörten hier generell zu den alltäglich praktizierten kommunikativen Mustern innerhalb der Gruppe. Die Interaktion der Gruppenmitglieder untereinander war also grundsätzlich durch ‚Herausforderungsspiele‘ geprägt.92 Die Basis der Wettkampfspiele war daher gerade kein spezifischer Konflikt, sondern – das sei deutlich betont – eine habituelle Haltung, die ihren Ausdruck eben in der aggressiven Imagepflege fand. Wettkampfspiele und die dabei anzutreffenden Muster aggressiver Imagepflege waren (und sind) charakteristisch für kommunikative Praktiken innerhalb von homosozialen Gruppen. Zwar wurde dieser Zusammenhang bislang vornehmlich im Rahmen sozialwissenschaftlicher Forschungen zur Ausprä89 Zum Konzept der „ernsten Spiele des Wettbewerbs“ vgl. grundlegend Bour dieu, Die männliche Herrschaft, bes. S. 203–205. Zentral für diesen Ansatz sind auch die Überlegungen bei Meuser, Ernste Spiele. Anknüpfungspunkte ergeben sich bereits bei Huizinga, Homo Ludens, bes. S. 80–85 u. 152 f.; Huizinga, Herbst des Mittelalters, hier Kap. VII: Die politische und militärische Bedeutung des Rittergedankens, S. 126–146. 90 Goffman, Verhalten, S. 31. 91 Dinges, Maurermeister, S. 413. 92 Vgl. dazu grundlegend Luckmann, Grundformen; siehe auch Dinges, Kommunikative Gattungen.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
gung von Männlichkeit(en) in der Moderne untersucht,93 allerdings ist diese Beschränkung auf die Moderne meines Erachtens keineswegs zwingend. Denn Formen aggressiver Imagepflege waren ebenso charakteristisch für die Handlungslogiken der Mitglieder homosozial ausgerichteter Gruppen in der Vormoderne, wenngleich sich diese Gruppen im Unterschied zu denen in der Moderne nicht vornehmlich entlang der Kategorie Geschlecht definieren lassen, sondern eine Überlagerung mit geburts- und berufsständischen Verankerungen sowie mit dem Alter typisch war.94 In aller Regel handelte es sich bei homosozial ausgerichteten Gruppen in der Vormoderne um Jungmännergruppen, etwa um die jüngeren Offiziere des Korps in einer Garnison oder in einem Regiment, studentische Landsmann- und später Burschenschaften, die Handwerksgesellen einer Zunft oder eines Ortes.95 Wettkampfspiele als besondere Form von Ehrkonflikten wurden also im Unterschied zu Stellvertreterkonflikten nicht von allen Vertretern ständischer Gruppen gleichermaßen praktiziert, sondern sind als typisches Verhalten für Angehörige eines spezifischen Gruppentyps zu begreifen, eines Gruppentyps, der jedoch innerhalb verschiedener ständischer Formationen auftreten konnte. Die Formen, in denen Wettkampfspiele ausgetragen wurden, waren vielfältig und reichten von Wortgefechten über Rangeleien mit dem Degen oder auch anderen Waffen bis hin zu hoch formalisierten Varianten des Duells.96 Innerhalb dieses Spektrums erlangte das Duell lange Zeit keine besondere Prominenz, ehrbezogene Wettkampfspiele sind daher nicht mit Duellen gleichzusetzen.97 Ganz grundsätzlich hatten Wettkampfspiele als 93 Exemplarisch sei nur verwiesen auf Meuser, Männerwelten; Meuser, It’s a Men’s World; Scholz, „Hegemoniale Männlichkeit“; Neuber, Gewalt und Männlichkeit; Luedtke, Gewalt und männliches Dominanzverhalten; Toprak, Nachgiebigkeit als Schwäche. 94 Die allenthalben anzutreffende Gleichsetzung von homosozialen Gruppen mit ‚Männerbünden‘ im 19. und 20. Jahrhundert resultiert z. T. auch daraus, dass das Konzept bislang fast ausschließlich im Rahmen von geschlechtergeschichtlich ausgerichteten Untersuchungen zu Themen des 19. und 20. Jahrhunderts angewandt wurde. Zur konzeptionellen Einbettung dieser Perspektive Martschukat/Stieglitz, „Es ist ein Junge!“, S. 141–172, mit Blick auf das Militär bes. S. 157–163. Zur Diskussion um die Nutzbarmachung des Konzepts hegemonialer Männlichkeit für die Vormoderne vgl. auch Füssel, Studentenkultur. 95 Zu den Gruppen der Handwerker, Studenten und Militärs siehe etwa KrugRichter, Du Bacchant; Krug-Richter, Von Messern, Mänteln und Männlichkeit; Thiele, Grenzkonflikte; Füssel, Riten der Gewalt; Lorenz, Rad der Gewalt, S. 218– 232. 96 Zu den Gewaltpraktiken unter Soldaten vgl. Huntebrinker, „Fromme Knechte“, S. 265–320; Lorenz, Rad der Gewalt, S. 218–232. 97 Allerdings nahm das Duell in der Erinnerungskultur des Militärs seit dem frühen 19. Jahrhundert eine zentrale Stellung als einziges dem Offizierskorps wirklich adäquates Wettkampfspiel ein. Vgl. dazu Frevert, Ehrenmänner, S. 89–132.
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen 269
Rituale der Gruppenbildung und der wechselseitigen Bestätigung der Gruppenzugehörigkeit Bedeutung und waren in dieser Hinsicht durchaus funktional.98 Angesichts des weiten Formenspektrums von Wettkampfspielen gilt es allerdings zu betonen, dass Duellen, wenn sie dem Typus der Wettkampfspiele zugeordnet werden können, zwar zweifellos eine integrierende Wirkung und erhebliche Bedeutung für Prozesse der Gruppenkonstituierung hatten, eine Feststellung, die innerhalb der Duellforschung keineswegs neu ist.99 Allerdings verbietet es sich – hier in deutlicher Abgrenzung zur Forschung – im Umkehrschluss allein aus der Duellhäufigkeit auf die Ausprägung des Korpsgeistes zu schließen! Denn auch wenn von Duellen ein vergemeinschaftender Effekt ausgegangen sein dürfte, verweist eine geringe Duellhäufigkeit eben nicht in derselben Weise auf einen fehlenden oder weniger stark ausgeprägten Korpsgeist, sondern im Zweifel einfach nur darauf, dass auf dem Feld der Wettkampfspiele andere Formen bedeutsamer als das Duell waren. Das heißt aber, dass nicht Duelle im Besonderen, sondern Wettkampfspiele im Allgemeinen eine vergemeinschaftende Wirkung besaßen! Besonders gut greifbar wird der gemeinschaftsstiftende Effekt eines solchen Kampfes bei einem Duell in der Dresdner Heide.100 Stattgefunden hatte es zwischen den Kapitänen von Hartitzsch und von Pilzingsleben, die beide bei der Chevaliergarde in Dresden dienten. Über die Details der Auseinandersetzung wurde kaum etwas bekannt, es ist nur klar, dass aus einem abendlichen Umtrunk am 24. November 1715 und einer dort entstandenen Schlägerei eine Duellforderung entsprang. Zu deren Umsetzung fanden sich die Kontrahenten am nächsten Morgen in Begleitung einiger anderer Offiziere der Chevaliergarde und einiger Knechte in der Dresdner Heide ein. Der Kampf endete für Pilzingsleben mit einer tödlichen Verwundung, an der er noch im Wald verstarb. Bis hierhin ist der Fall wenig bemerkenswert, dies ändert sich aber bei einem Blick auf die weiteren Ereignisse. Denn die Offiziere waren nicht nur gemeinsam in die Dresdner Heide geritten, son98 Wenngleich natürlich der Umstand, dass dabei aus scherzhaften Bemerkungen mitunter tödliche Kontroversen wurden, für die jeweilige Gemeinschaft ebenso dysfunktionale Effekte hatte. 99 Besonders betont wurde dies für das Offizierskorps im 19. Jahrhundert Frevert, Ehrenmänner, S. 99–101 u. 104; Gahlen, Das bayerische Offizierskorps, 506– 510; Geifes, Das Duell, S. 160–171. Lorenz, Rad der Gewalt, S. 26 f., verweist darauf, dass ein entsprechender gruppenbildender Effekt auch für die Vormoderne anzunehmen ist. Im Anschluss an die vorliegenden Ausführungen wäre dabei ergänzend zu betonen, dass die integrierende Wirkung weniger dem Konfliktaustrag allein zugewiesen werden kann, vielmehr war die rückblickende Übereinkunft über ein solches Ereignis von entscheidender Bedeutung. 100 Zum Fall: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9702/4 u. Loc. 1404/2, Bl. 188a– 190a.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
dern sie waren auch nicht bereit, ihren toten Kammeraden den Gerichten zu überlassen. Daher besorgten sie ein Leichenhemd und begruben Pilzingsleben im Kreise ihrer kleinen Gemeinschaft in der Dresdner Heide, wohl in der Nähe des Austragungsorts des Duells. Nachdem dieser Vorfall bekannt geworden war, wurde er gerichtlich untersucht. Bei den Befragungen des zuständigen Gerichts, das die letzte Ruhestätte des verstorbenen Duellanten in Erfahrung bringen wollte, weigerten sich nun alle am Duell Beteiligten, konkrete Angaben zu machen. Ein wichtiger Grund für diese Aussageverweigerung dürfte dabei sicherlich gewesen sein, dass die Landesregierung forderte, den Toten wieder auszugraben und nach den Bestimmungen des Kursächsischen Duellmandats von 1712 zu bestatten. Dies hätte aber bedeutet, dass Pilzingsleben ohne Zeremonien außerhalb des Friedhofs an dem Ort beigesetzt werden sollte, an dem sonst die in Haft gestorbenen oder hingerichteten Verbrecher begraben wurden, zweifellos ein Ort, der nach Ansicht der Beteiligten für einen Angehörigen der Chevaliergarde unwürdig war.101 Ob es im Falle einer Preisgabe des geheimen Begräbnisplatzes zu einer Umsetzung der im Duellmandat vorgesehenen unehrenhaften Bestattung des verstorbenen Duellanten gekommen wäre, kann bezweifelt werden. Doch dies ist letztlich auch von nachrangiger Bedeutung. Wichtig für den betrachteten Zusammenhang ist in erster Linie, dass die Offiziere bereit waren, für ihren Kameraden auch über den Tod hinaus einzustehen. Die Idee der Zusammengehörigkeit und das Gemeinschaftsgefühl der Offiziere sind hier gerade im Akt eines geheimen, aber ehrenhaften Begräbnisses ihres getöteten Kammeradens deutlich erkennbar, wenngleich Pilzingsleben persönlich auch nichts mehr davon hatte. Mit Blick auf den vergemeinschaftenden Effekt von Wettkampfspielen ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Konflikte nicht für alle Beteiligten den gleichen Effekt gehabt haben müssen: Zwar hatten Wettkampfspiele durch die ihnen eingeschriebene Idee einer begrenzten Teilhabe eine exkludierende Wirkung gegenüber Personen außerhalb der jeweils definierten homosozialen Gruppe und auf diese Weise natürlich nach innen einen inkludierende Funktion. Aber dies war eben nur eine Seite der Medaille, denn Wettkampfspiele waren auch für die Gruppenmitglieder durch einen Wechselbezug zwischen Exklusion und Vergemeinschaftung gekennzeichnet. Das heißt, mit den Konflikten konnten für Einzelne durchaus Exklusionsprozesse verknüpft sein. So kam es im Verlauf der Kämpfe immer wieder dazu, dass einer der Konfliktgegner den anderen deutlich dominierte. In den Akten und damit in den sich an die Auseinandersetzungen anschließenden Formen der Konfliktdarstellung und -bearbeitung zeichnet sich dementsprechend ein Bild vielfältiger Formen der einseitigen Dominanz und Demütigung im 101 Zu
diesem Fall auch Ludwig, Die verschwundene Leiche.
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen 271
Rahmen des Kampfes ab. Die vergemeinschaftende Wirkung von Wettkampfspielen erfolgte also unter Umständen auf Kosten einer mehr oder weniger dauerhaften individuellen Exklusion.102 Neben solchen Ausgrenzungsakten und tödlich endenden Duellen finden sich aber natürlich auch Konflikte, bei denen sich die Kontrahenten schließlich versöhnten, wenngleich diese Versöhnung am Ende für keinen der hier untersuchten drei Konflikttypen konstitutiv war. Typisch für den Verlauf von Wettkampfspielen war es, dass am Beginn kein klar erkennbarer Konflikt stand, sondern oft ein derber Scherz oder das, was zumindest einer der Kontrahenten dafür hielt. An diesen schloss sich dann jener, schon mehrfach angesprochene Überbietungswettbewerb an, der durchaus noch spielerische Züge tragen konnte. In manchen gerichtlich dokumentierten Fällen blieb es dabei. So etwa bei den zwei Leipziger Barbiergesellen Dietrich Rudolph Zickel und Paul Pinßbach, die sich zunächst scherzhaft beschimpft hatten und anschließend nur „im Schnee mit einander umb gejaget aus Spahse“, wenn auch mit den bloßen Degen in ihren Händen.103 Der spielerische Charakter der Auseinandersetzung wurde von den Beteiligten mitunter sogar noch dann betont, wenn die Waffen nicht nur zum Einsatz kamen, sondern sich die Kämpfer auch gegenseitig verwundet hatten. So geschehen bei der Auseinandersetzung zwischen den Dresdner Kadetten Hans Georg von Ligotski und von Minkwitz, bei denen das Gericht nach dem Verhör der Beteiligten und Zeugen am 1. Juli 1706 zu dem Schluss kam, dass offenbar „alles waß geschehen, nur von einen, wiewohl doch auch unrechten und straffbaren Scherz, hergekommen“ und der mit einem Degen ausgetragene Kampf daher nicht nach dem Duellmandat zu behandeln sei, sondern beiden Kämpfern eine kleine, willkürlich zu verhängende Strafe nach der „Kriegs-Disziplin“ zuerkannt werden sollte.104 Es ist anzunehmen, dass solche von allen Beteiligten als harmlos verstandenen Verläufe in den Fällen, die nicht gerichtsanhängig wurden, weit verbreitet waren. In einigen Fällen verlor sich im Laufe der Auseinandersetzung aber jeder spielerische Zug. Gut zu beobachten ist dies bei einem Fall, der sich am 1. Oktober 1658 im holsteinischen Sonderburg105 abgespielt 102 Siehe
dazu auch später Kap. V. 3. c) in dieser Arbeit. Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 611 (vorläufige Sign.), Aussage von Paul Pinßbach v. 29. Jan. 1690, hier Bl. 7b. 104 SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 40a–53a, hier Bl. 41a. Mit einer willkürlichen Strafe wird im vormodernen Strafrecht immer oder doch in den allermeisten Fällen eine mildere Sanktion als rechtlich festgesetzt bezeichnet. 105 Gemeint ist das heute dänische Städtchen Sønderborg auf der Ostseeinsel Alsen. Vgl. hierzu Åberg (Ed.), Fältmarskalken Rutger von Aschebergs Journal och Korrespondens, S. 32. 103 StA
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
hatte.106 Hier waren in der Stube des Obristleutnants Siegel die Offiziere eines schwedischen Regiments, das gerade in Sonderburg Station gemacht hatte, zu einer kleinen Feier zusammengekommen.107 Unter den Gästen waren auch der Rittmeister Heinrich Johann von Dünewald und der erst etwas später eingetroffene Kornett Ernst von der Osten genannt Sacken. Nach dem Essen wurde getrunken und gescherzt, indem man sich – wie es in den Vernehmungsprotokollen heißt – „mit Nüßen und Äpfeln“ bewarf. Dünewald wurde im Verlauf dieser Belustigung von einem Apfel am Rücken getroffen und sah sich nach dem ‚Täter‘ um. Da der Kornett Sacken hinter ihm auf einem Stuhl saß, nahm er an, von diesem beworfen worden zu sein. Daher rief er Sacken zu: „Ej Käbgen bistu lustig“. Sacken hatte den Apfel aber offenbar weder geworfen noch fand er die scherzhafte Anrede Dünewalds lustig und so erklärte er genervt, dass er sich derartige Beleidigungen verbiete. Doch statt Sacken in Ruhe zu lassen, setzte Dünewald noch eins obenauf und fragte: „Ej Kälbgen, willstu böse werden“. Sacken änderte nun seine Taktik und zahlte mit gleicher Münze zurück, indem er Dünewald als „Eselgen“ titulierte, was dieser aber seinerseits nicht sehr amüsant fand. An eine Beruhigung der Gemüter war daher nicht mehr zu denken und zwischen all den anderen scherzenden, sich mit Nüssen und Äpfeln bewerfenden Offizieren tauschten die beiden Männer noch ein paar (nicht mehr näher im Gerichtsprotokoll verzeichnete) Beschimpfungen aus, bis schließlich einer von beiden für die erlittenen Beleidigungen Vergeltung im Kampf forderte. Die Frage, wer den Kampf gefordert hatte, ließ sich gerichtlich nicht mehr mit Bestimmtheit klären. In jedem Fall besprachen sie sich kurz und gingen dann gemeinsam mit dem Kornett Byring, dem die Position eines Schiedsrichters zufiel, in einen Garten außerhalb der Stadt, um sich dort mit dem Degen zu schlagen. Kaum im Garten angekommen (der angesichts der Stadtgröße wohl spätestens nach einem fünfminütigen Fußweg erreicht gewesen sein dürfte), stand Dünewald schon mit entblößtem Degen bereit. Byring versuchte dennoch zunächst, die Streitenden wieder zu beruhigen. Allerdings hatte er damit keinen Erfolg, Byring trat daher bald zur Seite, so dass das Kampffeld für Dünewald und Sacken freigegeben war. Nach einigem Hin und Her erhielt Sacken einen Ritz in die Brust und verletzte kurz darauf Dünewald mit einem Schmiss an der Wange. Diese Verletzungen 106 Der dargestellte Verlauf folgt: RAS, Justitierevisionen utslagshandlingar oresolverade, 1662, August/09 [o. Pag.], summarische Klage und artikulierte Fragstücke (No. 2). Zu diesem Fall auch schon Ludwig, Rituale der Vergemeinschaftung, S. 61–65. 107 Es handelt sich um einen Krieg zwischen Dänemark und Schweden, der von 1658 bis 1660 dauerte.
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen 273
nahm Byring zum Anlass, erneut dazwischen zu treten. Er erklärte, dass damit ein Gang gekämpft und der Streit somit beendet wäre. Sacken stimmte dem gebotenen Frieden zu, doch Dünewald war empört. Er schrie Sacken an: „Du hundt, du hast mich ins Gesicht gehauen, du solst eins wieder haben, oder ich will sterben.“ Daraufhin riss er sich von Byring los, stürzte mit vorgestreckten Degen auf den überraschten Sacken zu und stach ihn in den Unterleib, so dass eine breite, tiefe Wunde entstand, eine Verletzung, die tödlich war. Sacken starb noch in derselben Nacht.108 Mit diesem Ende hatte sicherlich zu Beginn der Auseinandersetzung niemand ernsthaft gerechnet, der Kampf war aber dennoch die (logische) Folge eines situativ zu verortenden Überbietungswettbewerbs, der letztlich aus dem Ruder gelaufen war. Mitunter waren die Beteiligten dann auch deutlich überrascht, sich plötzlich in einem Duell wiederzufinden und in einigen Fällen fassten sie diese Überraschung nicht nur unmittelbar in Worte, sondern dies wurde später auch noch zu Protokoll gegeben. Erkennbar wird dabei die große Bedeutung von Gewaltdynamiken für die weitere Entwicklung der Konflikte, eine Dynamik, die nicht nur durch die Kontrahenten selbst befördert wurde, sondern mitunter auch durch die anwesenden Dritten. Erkennbar werden dabei ganz besonders im Fall von Wettkampfspielen, dass diese Dritten nicht nur als Schiedsrichter, Schlichter oder einfach als Zuschauer auftraten, sondern mitunter auch einen erheblichen Druck auf die Kontrahenten ausübten, wirklich bis zum Äußersten zu gehen. Exemplarisch verwiesen sei hierfür auf zwei Rostocker Studentenduelle: Bei dem ersten Duell, das sich 1791 zwischen den Studenten Johannes Richter und einem gewissen Schütze ereignete, beschrieb der Vater von Richter in einer Supplik die Bedeutung der Gruppe. Hier heißt es, dass sein Sohn von Schütze im Beisein anderer Studenten solange als Schurke beschimpft und auch anderweitig bedroht worden sei, bis sich sein Sohn schließlich mit „den Schütze, der sonst sein Freund gewesen, nach der altförmmischen Studenten Mode absolut fechten und schlagen müssen“.109 Auch im Fall der Rostocker Studenten Schoendorff und Lehmann, die sich im Jahr 1797 duellierten, spielte die Anwesenheit anderer Studenten eine entscheidende Rolle für den wirklichen Austrag des Duells. So sahen es zumindest die Duellanten, die in der gerichtlichen Befragung erklärten, dass es ihnen durch die Mitwisserschaft ihrer Kommilitonen „nicht weiter möglich gewesen“ sei, „die Schlägerey zu 108 RAS, Justitierevisionen utslagshandlingar oresolverade, 1662, August/09 [o. Pag.], durch Nikolaus Prunkker, notarius publicus caesare, beglaubigte Abschrift der schriftlich eingereichten Zeugenaussage des Regimentspfarrers Jacobus Hartung vom 30. September 1658. 109 UAR, Akademisches Gericht, Nr. 3319, hier Nr. 11: Supplik des Vaters, Wittenberg, den 15. Feb. 1792 [o. Pag.].
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
vermeiden“.110 Allerdings gilt es unbedingt zwischen diesem situativ aufgebauten Gruppenzwang und einem generalisierten Duellzwang zu unterscheiden, der bis ins 19. Jahrhundert hinein keine Rolle spielte.111 c) Fehltritte und Entgleisungskonflikte Die Vorstellung, dass ein womöglich zu unverfrorener Blick, ein unbeholfenes Wort oder eine unbedachte Geste als Beleidigung gedeutet und um diese zu sühnen, Duelle gefordert wurden, ist eine weit verbreitete, gerade in Schriften des späten 18. und 19. Jahrhunderts häufig vertretene Annahme.112 Dass es sich dabei durchaus um unbeabsichtigte Beleidigungen handeln könnte, war ebenso bekannt. So erklärte Gottlieb Christian Heinrich List in seinen 1785 erschienenen Beyträgen zur Statistik von Göttingen mit Blick auf das Duellverhalten der Studenten, dass man zwischen ein- und zweideutigen Beleidigungen unterscheiden müsste. Um Letztere handele es sich, wenn etwa „einer den andern eine Zeitlang starre ansieht, oder hinter mehreren hergeht, und laut lacht, und einer von diesen glaubt, dass es ihm gelte, oder wann sonst einer von einem andern, oder zum ihm, etwas sagt, welches eine doppelte Auslegung leidet u.s.w.“.113 Diese Zweideutigkeiten gelte es – wenn möglich – aufzuklären, denn sonst würden daraus zwangsläufig Duelle entstehen. Vor 1800 waren derartige Szenarien aber jenseits literarischer und populärer Texte über das Duell in der Gewalt- und Gerichts praxis ausgesprochen selten und wie sich dies in der Gewaltpraxis des 19. Jahrhunderts konkret gestaltete, wäre im Grunde auch noch genauer zu untersuchen.114 Aus der Perspektive der bereits am Beginn dieses Kapitels angesprochenen kommunikativen Routinen, bilden Fehltritte jene Unberechenbarkeiten, bei denen soziale Praktiken trotz des „routinierten Strom[s] der Reproduktion typisierter Praktiken“ plötzlich misslingen oder zu misslingen drohen.115 Sie sind dabei aus der Sicht des ‚Senders‘ völlig harmlose Kommunikationsakte, 110 UAR, Akademisches Gericht, Nr. 3473, hier Nr. 9: Protokoll der Befragung vom 4. März 1797, Befragung Schoendorff [o. Pag.]. 111 Mit Blick auf die eben als Beleg aufgeführten Studentenduelle ließe sich etwa relativierend auf die Denunziationen entsprechender Duelle durch andere Studenten verweisen. Vgl. bspw.: UAR, Akademisches Gericht, Nr. 2531. Siehe dazu auch Zaunstöck, Milieu des Verdachts, S. 100–107. 112 Siehe dazu die Beispiele weiter unten im Text. 113 List, Beyträge zur Statistik von Göttingen, S. 166 f. 114 Bislang wurde dieses spezifische Konfliktsetting (gerade in Abgrenzung zu anderen Konflikttypen) auch in den Arbeiten zum 19. Jahrhundert noch nicht separat erfasst und untersucht. 115 Reckwitz, Grundelemente, S. 294.
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen 275
aus der Sicht des ‚Empfängers‘ hingegen Beleidigungen. Derartige Missverständnisse resultieren dabei aus einer unabsichtlichen „Fehlanwendung einer grundsätzlich akzeptierten und bekannten Regel eines gruppeninternen Codes“ und sind im alltäglichen Miteinander im Grunde zu erwarten.116 Weniger erwartbar ist hingegen, dass man auf jeden Fehltritt auch mit einem Duell reagierte. Denn das Spektrum der Reaktionsmöglichkeiten war deutlich größer: Neben der Option einer unmittelbaren „Reparatur durch Satisfaktionsforderungen“ – in Gestalt ganz unterschiedlicher gewaltsamer Entgegnungen – stehen Formen der Verleugnung und des Übersehens, erzieherische Korrekturen, Mitgefühl oder gar Mitscham mit dem „Pechvogel“.117 Im Zusammenhang dieser Arbeit interessieren natürlich vor allem solche Entgleisungen, die, zumindest aus der Sicht des durch den Fehltritt Beleidigten, nur noch durch einen Waffengang gelöst werden konnten. Argumentativ musste man hierfür auf einen zumindest innerhalb der Gruppe als verbindlich angesehenen Verhaltenscode verweisen können, der auch dann eine Satisfaktion unumgänglich machte, wenn sich der Pechvogel für seinen Fehltritt entschuldigte. Inwieweit das Aufeinandertreffen von Prinzipienreitern und Pechvögeln dabei einer nachträglichen Inszenierung vor Gericht geschuldet war und sich dahinter womöglich auch ein verschieden gedeutetes Wettkampfspiel oder aber ein Stellvertreterkonflikt verbarg, ist im Einzelfall schwer zu entscheiden. Im untersuchten Sample finden sich dann auch keine ‚reinen‘ Entgleisungskonflikte, aber es gibt doch vereinzelt Fälle, bei denen zumindest von einer Konfliktpartei die fatale Wirkung des eigenen Verhaltens noch während des Konfliktes als unbeabsichtigt gekennzeichnet wurde. Exemplarisch vorgeführt sei dies an einem kursächsischen Beispiel. Im Februar 1690 waren einige Adlige in Dresden zum Mittagessen zusammengekommen. Man kannte sich offenbar schon länger, das Ganze hatte entsprechend einen eher informellen Charakter. Als man sich nun zu Tisch gesetzt hatte und miteinander plauderte, sprach einer der Anwesenden den Kammerjunker Erwin Gotthard von Bülau versehentlich mit Dölau an. Dieser Versprecher war gar nicht weiter verwunderlich, saß doch ein Träger dieses Namens, nämlich Adam Friedrich von Dölau zu Tieffenau, ebenfalls als Gast in dieser Runde. Bülau, derart falsch angesprochen, erklärte nun: „mann sollte doch seinen Namen nicht also missbrauchen; Er wollte nicht 1.000 Thl. nehmen und Dölau heißen“.118 Dölau war über diesen Kommen116 Zit. aus: Moos, Vorwort, S. XIV. Zum Zusammenhang von Routine und Routinebruch siehe Reckwitz, Grundelemente, S. 297. 117 Moos, Vorwort, S. XVIII. 118 Dies und das Weitere SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9710/4 [o. Pag.], Aussage Wilhelm Bose.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
tar – so sein Stiefbruder Leutnant Wilhelm Bose in seiner späteren Zeugenaussage – „sehr piquiret“, aber enthielt sich offenbar weiterer Kommentare. Zurückgeführt werden kann dies womöglich darauf, dass Bülau, als er die misslungene Wirkung seines Scherzes erkannte, noch hinzugesetzt hatte: „du [also Dölau] würdest nicht 15.000 Thlr. nehmen, dass du hißest wie ich“.119 Das Gespräch unter den anwesenden Männern ging daher zunächst munter weiter. Als Dölau aber kurze Zeit später Bülau auf die Gesundheit zutrinken wollte, wurde er von diesem zum zweiten Mal düpiert. Denn dieser erklärte: „Sie hätten wohl warten können, Jch hatte es auch in willens die Gesundheit anzufangen“.120 Das wollte Dölau, nun schon deutlich verstimmt, nicht mehr auf sich sitzen lassen und bat zunächst seinen Stiefbruder Bose, für ihn mit Bülau seine Satisfaktionsforderung zu besprechen. Bose lehnte die erbetene Vermittlungsaufgabe aber mit dem Hinweis ab, dass er gleich seinen Wachdienst antreten müsse. Für ihn sprang der ebenfalls anwesende Regimentsquartiermeister von Seidelitz ein und verabredete mit Bülau, für ein Duell gemeinsam vor die Stadt in die Dresdner Heide zu reiten. Von dieser Entwicklung war Bülau offensichtlich überrascht und so erklärte er beim Ritt aus der Stadt gegenüber dem ebenfalls mitgekommenen und auch schon zuvor anwesenden Johann Friedrich von Wehle: „Siehe doch, wie es mir gehet, Dölau hat mich wegen eines wordtes wegen fordern laßen, Jch habe es straff mich Gott nicht böse gemeinet“.121 Der angesprochene Wehle erklärte dann auch, dass Dölau und Bülau „als ein paar alte HoffCamaraden eines Wordts halben nicht so empfindlich seyn“ würden und riet Bülau, dass er sich bei Dölau einfach entschuldigen solle, was er – Wehle – auch gern vermitteln würde. In der Nähe des Fischhauses in der Dresdner Heide angekommen, wandte Wehle sich dann wie zuvor mit Bülau besprochen öffentlich an Dölau und bat, wegen „eines wordt[s] und solcher bagadelle wegen nicht Ernst“ zu machen. Die anderen anwesenden Herren stimmten dem zu, aber Dölau zeigte sich unversöhnlich. Selbst als Bülau auf Dölau zuging, sich noch einmal persönlich entschuldigte und dabei versicherte, dass es nicht so bös gemeint war, wie Dölau es aufgefasst hätte, war Dölau nicht mehr umzustimmen. Um dies deutlich zu unterstreichen, schlug er mit der Hand nach Bülau und rief: „du Schurck, du hast von mir geredet wie salv. von einem Hundsv[ott]“. Anschließend spuckte er aus, sprang zurück und zog seinen Degen. Mit einer derart eindeutig mar119 SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9710/4 [o. Pag.], Aussage Johann Friedrich von Wehle. 120 SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9710/4 [o. Pag.], Aussage Wilhelm Bose. 121 SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9710/4 [o. Pag.], Aussage Johann Friedrich von Wehle.
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen 277
kierten Beleidigung versehen, war nun auch Bülau zum Kampf bereit und beide gingen mit ihren Degen aufeinander los. Als Dölau schließlich am Arm verletzt war, traten die Umstehenden dazwischen und Wehle rief ihnen zu, dass sie zufrieden sein könnten und alle Anwesenden dieser Meinung seien.122 Insgesamt wird in diesem Fall erkennbar, dass die Duellforderung – allen Entschuldigungsversuchen Bölaus zu Trotz – aus der Sicht Dölaus eine gewisse Folgerichtigkeit hatte. Denn ob Bölau ein Einlenken Dölaus wirklich goutiert hätte, war keineswegs ausgemacht, vielmehr bestand durchaus die Gefahr, dass Dölaus Einlenken zum Scherz beim nächsten Umtrunk werden würde. Der Austrag des Duells dürfte ihm daher auch rückblickend – gerade angesichts des harmlosen Ausgangs – als die bessere Wahl erschienen sein. In jedem Fall ist an keiner Stelle des Verfahrens auch nur der Ansatz eines rückblickenden Bereuens seinerseits erkennbar. Aber dennoch kann zumindest in der nachträglichen Schilderung der Abläufe auch jene Gegengeschichte eines missglückten Scherzes plausibel präsentiert werden. Unerlässlich für diese Version und vor dem Hintergrund der anderen Fälle im Sample zugleich ausgesprochen ungewöhnlich ist dabei der stark formalisierte Ablauf. Mit Blick auf den Charakter des Konflikttyps hat dieser Formalisierungsgrad hingegen als typisch zu gelten. War es doch gerade der hohe Grad einer verbindlich gestellten Formalisierung, der es Dölau ermöglichte, für den missglückten Scherz trotz der vielfältig vorgebrachten Entschuldigungen ein Duell zu fordern. Ein ähnliches Szenario der scheinbaren Unumgänglichkeit lässt sich in einer Reihe von literarischen Texten des späten 18. Jahrhunderts beobachten, in denen Duelle als Entgleisungskonflikte präsentiert wurden. Für diese moralisierenden Texte boten sich Entgleisungskonflikte dabei in besonderer Weise an. Denn gerade dann, wenn dem Lesenden durch den weiteren Lauf der Dinge verdeutlicht werden konnte, dass der Auslöser eines Konfliktes ein Versehen oder Missgeschick war, erschien das daraufhin geforderte Duell und der dadurch riskierte Tod als übertriebene und falsche Reaktion. Besonders im Rahmen von Theaterstücken erlangte dieser Plot einige Beliebtheit, wobei er hier bemerkenswerter Weise gerade nicht den Stoff für Tragödien lieferte, sondern eher für heiter-unterhaltende Komödien mit den kuriosesten Verwechslungsspielen. Exemplarisch vorgeführt werden soll ein solcher Erzählplot am Beispiel des Theaterstücks ‚Der Zweykampf. Ein Lustspiel in fünf Aufzügen‘. Der Autor des Stückes ist Johann Ludwig Schlosser, der es 1758 in seiner Jenaer Studienzeit verfasst hatte.123 122 SächsHStA
Dresden, 10024, Loc. 9710/4 [o. Pag.], Aussage Wilhelm Bose. Schlosser war inzwischen Pastor in Bergedorf, einer inzwischen eingemeindeten Gemeinde in der Nähe von Hamburg – wurde das Stück durch die 123 1768 –
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
Erzählt wird darin die Geschichte des Grafen von Schwanenfeld, der unglücklich in ein Duell geraten war, seinen Gegner getötet hatte und daraufhin floh. Unter dem angenommenen Namen Leander reiste er begleitet von einem treuen Diener und tief betrübt über seine verwerfliche Tat umher. Dabei begab es sich, dass er während eines Waldspaziergangs Herrn von Geront zu Hilfe eilt, der von Räubern überfallenen in Lebensgefahr geraten war. Leander rettet – wie könnte es anders sein – durch seinen mutige Einsatz Geront das Leben und wird von diesem zum Dank auf sein Schloss eingeladen. Dort verliebt sich der junge Held in Henriette, die Tochter des Hausherrn, und sie sich in ihn. Leander hütet aber aus Scham über seine Tat das Geheimnis seiner wahren Identität. Zudem macht er sich auch wenig Hoffnung auf die Hand von Henriette, da Geronts einziger Sohn und Bruder Henriettes in einem Duell gestorben war. Als er sein Geheimnis schließlich gegenüber Henriette entdeckt, muss er bestürzt erfahren, dass sein Duellgegner ihr Bruder war. Henriette bittet ihn nun inständig, das Haus ihres Vaters zu verlassen, da sie dessen Rache fürchtet und entschließt sich auf das Drängen ihrer Stiefmutter hin auch noch, einem älteren Bewerber ihre Hand – wenn auch nicht ihr Herz – zu versprechen. In dieser zugespitzten Situation meldet sich nun der Herr von Valer – angeblich ein alter Freund des Bruders – als Gast im Hause an und berichtet dem Vater über die bis dahin nicht genauer bekannten Umstände des Duells. Der Anlass dieses Duells war seinerzeit ein falsch gedeuteter Besuch des Grafen Schwanenfeld bei der Geliebten des jungen Geront gewesen. Schwanenfeld hatte damals zufällig in deren Haus Zuflucht vor einem tobenden Unwetter gefunden und eine Kutsche erwartet, nachdem an seiner eigenen zuvor ein Rad zerbrochen war. Der junge Geront – von der wahren Ursache des Aufenthalts im Hause nichts ahnend – sah nur einen fremden Mann aus dem Haus seiner Geliebten kommen und forderte Schwanenfeld daraufhin, von Eifersucht getrieben, zum Duell. Der Versuch Schwanenfelds, das Missverständnis aufzuklären, fruchtete nichts und es kam zu eben jenem Kampf, bei dem der junge Geront tödlich verletzt worden war. Nachdem Valer diese Geschichte dem alten Geront erzählt hatte und diesem auf Umwegen auch noch klar wurde, dass der einstige Duellgegner seines Sohnes sein Gast und Lebensretter Leander war, vergibt Geront LeAckermannsche Gesellschaft in Hamburg auf die Bühne gebracht und noch im selben Jahr in Bremen gedruckt. Bereits ein Jahr zuvor war es anonym in Hamburg erschienen. Das Stück löste neben anderen Bühnenwerken Schlossers den sogenannten zweiten Hamburger Theaterstreit aus, bei dem vornehmlich kritisch diskutiert wurde, ob Geistliche Bühnenstücke verfassen sollten. Im ersten Hamburger Theaterstreit war es knapp einhundert Jahre zuvor um die Frage gegangen, ob Theaterstücke aus theologischer Sicht überhaupt sittlich zulässig seien. Siehe dazu Geffcken, Der Streit über die Sittlichkeit des Schauspiels.
2. Von Stellvertreterkonflikten, Wettkampfspielen und Entgleisungen 279
ander, da dieser ja von seinem Sohn so leichtsinnig zum Duell gefordert worden war und nun mit diesem Unglück leben muss. Als Leander in dieser Vergebungsszene den hinzukommenden Valer erblickt, erkennt er in ihm seinen einstigen Duellgegner, der doch nicht an seinen Wunden gestorben war. Sie fallen sich in die Arme. Der Vater erkennt seinen Sohn nun auch, vergibt ihm die Unbesonnenheit seiner Duellforderung und drückt ihn gerührt an seine Brust. Und um das Maß des allgemeinen Glücks voll zu machen, tritt der Bräutigam Henriettes trotz der Verlobung von seinen Rechten zurück und Leander schließt – nun wieder als Graf von Schwanenfeld – Henriette in der finalen Szene in seine Arme und der Vorhang fällt.124 Es kann als sicher gelten, dass dieses Theaterstück, wie im übrigen auch die anderen Bühnenwerke zum Duell, nicht zu den literarischen Glanzlichtern seiner Zeit gehörte, aber dies ist für den hier interessierenden Zusammenhang nachrangig. Entscheidend ist vielmehr, dass in diesem Plot gerade nicht wegen einer ‚ernst gemeinten‘ Ehrverletzung zum Duell gefordert wurde, sondern wegen einer Fehldeutung, die aber aufgrund der erhitzten Gemüter nicht aufgeklärt werden konnte. Es ist klar, dass der ehemalige Herausforderer das Duell später bereut und auch der Herausgeforderte zeigt sich betrübt und betont die „Reue über seine Fehltritte“, denn immerhin hatte er sich ja zum Duell bereitgefunden.125 Zugleich war es dem Autor durch den dramaturgischen Rückgriff auf einen Fehltritt möglich, Duelle ohne die Einführung ‚böser‘ Charaktere auf das Schärfste zu kritisieren. Und so waren sich im oben beschriebenen Theaterstück dann auch alle Protagonisten darin einig, dass Duelle ganz generell eine „barbarische Gewohnheit“ wären, die Duellanten zudem als „Mörder“ anzusehen seien – und dies auch, wenn es sich, wie im konkreten Fall, um einen „unglückliche[n] Jrrthum“ handelte.126 Neben diesem Theaterstück finden sich weitere mit einem ähnlichen Handlungsaufbau: Typischerweise sind in den Stücken adlige Familienkonstellationen anzutreffen. Entweder der Vater, der Sohn oder auch der Gast (und spätere Schwiegersohn) sehen sich dabei nach einem Fehltritt beziehungsweise einer fehlgedeuteten Situation genötigt, in ein Duell einzuwilligen. Der Duellgegner entpuppt sich im Ergebnis verschiedener Verwechslungsgeschichten als verlorener Sohn oder edler Freund und gerne gibt es als Zutat auch noch eine kleine Liebesgeschichte.127 Grundsätzlich wird das 124 [Schlosser],
Der Zweykampf. Der Zweykampf, S. 78 f. u. 77. 126 [Schlosser], Der Zweykampf, S. 4 f. u. 45. 127 Bei allen gefundenen und untersuchten Texten handelt es sich um Theaterstücke bzw. um Produkte einer weniger kunstvollen Unterhaltungsliteratur. Der beschriebene Plot findet sich – neben dem bereits erwähnten Stück – in folgenden Texten: 125 [Schlosser],
280
V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
Duell als moralisch verwerflich abgelehnt und als Quelle dieses Übels wird eine „eingebildete“ oder „barbarische“ Ehre gebrandmarkt, die die Tugend wahrer „Hertzhaftigkeit“ überdeckte.128 Zumeist finden alle adligen Protagonisten zu dieser Einsicht. Bemerkenswert ist allerdings, dass trotz der durchweg bürgerlichen Autoren Ansätze einer dezidierten Adelskritik fehlen. Vielmehr sind es in den Stücken in aller Regel Vertreter des Adels, die für das ‚gute neue‘ Ideal einer Ehre der innerlichen Werte und gegen die ‚schlechte alte‘ Einbildung einer mit Waffengewalt zu verteidigenden Ehre streiten. Hinzu tritt mitunter die Figur des bürgerlichen Erziehers im Haus, die pointiert zusammengefasst das Publikum belehrt.129 Doch exemplifiziert und lobt diese Figur lediglich die bereits zuvor von einem Adligen geäußerte, moralisch ‚richtige‘ Ansicht und belehrt diesen nicht.130 Mit Blick auf die Vermittlung stereotyper Bilder des Duells bieten die Stücke dabei nicht nur einen plakativ-aufgeklärten Begriff der moralisch richtigen Ehre,131 sondern sie vermitteln zugleich auch den Eindruck eines unumgänglichen Duellzwangs, der sich – zwar von einem falschen Ehrverständnis geleitet – in einem scheinbar fest umrissenen und allen Beteiligten (als Problem) bekannten Duellkodex niederschlug. Dass ein derartiger Duellzwang in das Reich der literarischen Fiktion gehört und kein Spiegelbild realer gesellschaftliche Problemlagen war, sollte in dieser Untersuchung bereits hinlänglich deutlich geworden sein. Zugleich kann aber vermutet werden, dass der vorgestellte literarische Plot und die mit diesem verknüpfV***, Der Duell; Jester, Das Duell; Gotter, Das Duell oder der Weise in der That. Ähnliches lässt sich aus einer Theaterkritik über ein Stück des Titels: ‚Einer von beiden. Lustspiel in drei Aufzügen‘ schließen, das am 22. Januar am Burgtheater in Wien aufgeführt wurde. Siehe dazu [Rez.]: Notitzen, Schauspiel: ‚Einer von beiden. Lustspiel in drei Aufzügen‘. Bemerkenswert ist, dass die einschlägigen moralischen Lustspiele mit Duellen allesamt von Bürgerlichen geschrieben wurden, mitunter sogar – wie im Fall des ‚Zweykampfs‘ von Schlosser – von Theologen. 128 V***, Der Duell, S. 19. 129 So mahnt etwa der Lehrer Alcest seinen Schützling Carl (dessen Vater sich gerade mit dem unerkannten Sohn aus der ersten Ehe seiner Frau duelliert): „Diese Ehre ist bloß eine eingebildete Ehre, die nirgends als bei Cavaliers, und bei denen, so in ihre Fußstapfen treten, bei etlichen wüsten und wilden Jünglingen auf Akademien stat findet, eine ehre, die ein jeder Vernünftiger verabscheuet […].“ V***, Der Duell, S. 19 f. 130 Mitunter sind es dann auch die Bediensteten bürgerlicher Herkunft, die das Duell gerade gutheißen. So erklärt etwa Leanders treuer Diener Heinrich: „Sie haben einen Menschen auf eine honette Art, nach den Regeln Jhres Standes, aus der Welt geschaft.“ [Schlosser], Der Zweykampf, S. 5. 131 Zu der entsprechenden zeitgenössischen Debatte über die ‚wahre‘ Ehre siehe den Überblick bei Frevert, Ehrenmänner, S. 36–44. Jetzt mit Fokus auf den Zusammenhang von Ehre und Emotion im Kontext moderner Normensysteme auch Frevert, Honour and/or/as Passion. Erhellend zudem: Vogt u. a., Die Modernität der Ehre.
3. Klagen vor Gericht als Strategie in Ehrkämpfen281
te Vorstellung eines unumgänglichen Duellzwangs langfristig auch in anderen Diskurs- und Handlungsfeldern an Einfluss gewannen. Doch dies kann hier nicht näher untersucht werden, aber eine Untersuchung wert wäre es wohl allemal.132
3. Klagen vor Gericht als Strategie in Ehrkämpfen Es mag zunächst etwas überraschend sein, dass gerichtliche Klagen als Strategien im Ehrkampf behandelt werden. Gemeinhin gilt das Duell ja gerade als außergerichtliche Strategie, mit der eine gerichtliche und damit herrschaftlich kontrollierte Konfliktlösung umgangen werden sollte. Erkennbar wird dies nicht zuletzt daran, dass in den Duellmandaten selbst darüber Klage geführt wurde, dass die Duellanten mit ihrem Handeln eigenmächtig Rache suchten und damit in das den Herrschern allein zustehende ‚Racheschwert‘ griffen und sie für ihre Taten daher streng zu bestrafen seien.133 Aber die Rechtspraxis erweist sich auch in diesem Fall anders als in den Mandaten beschrieben, denn es ist festzustellen, dass die Konfliktparteien immer wieder selbst Anzeige erstatteten! Erklärt werden kann dieser Befund mit zwei Aspekten des rechtlichen Umgangs mit Duellen. Zum einen stellten die Duellmandate selbst ein distinktiv nutzbares Potential bereit, dass eine spezifisch Form der Justiznutzung entscheidend beförderte. Zum anderen standen die Selbstanzeigen in einem engen Zusammenhang mit dem weiter oben bereits genauer erläuterten Befund, dass für Vergehen gegen die Duellmandate zwar in den Rechtsnormen außerordentlich drakonische Strafen vorgesehen waren, doch diese letztlich nicht zur Anwendung kamen.134 Statt der eigentlich vorgesehenen langen Haft- oder sogar Todesstrafen waren Freisprüche, geringe Geld- oder aber sehr kurze Haftstrafen der Regelfall und dies auch dann, wenn einer der Beteiligten im Duell starb. Angesichts einer derart milden Strafpraxis büßte das Verfahren deutlich seinen Schrecken ein und ließ sich entsprechend strategisch einsetzen und dies auch, wenn man sich mit seiner Klage praktisch selbst anzeigte. Im Folgenden wird nun in einem ersten Schritt zur Erinnerung nochmals knapp umrissen, in welcher Weise durch die Rechtsnormen Formen sozialer Exklusivität etabliert wurden, es geht also um die rechtliche Basis für eine 132 Ausreichend
literarischen Stoff gäbe es. sei exemplarisch nur auf die Passage aus dem kursächsischen Duellmandat von 1706 verwiesen, in dem erklärt wird, dass die Duellanten und Balger mit ihrem Handeln: „in das der hohen Obrigkeit von GOtt anvertraute Rach=Schwerdt unverantwortlich eingegriffen“. Kursächsischen Duellmandat 1706, Sp. 1732. 134 Siehe dazu ausführlich Kap. III. 3. in dieser Arbeit. 133 Hier
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
strategische Nutzung von Klagen für distinktive Zwecke. In einem zweiten Schritt werden anhand exemplarischer Beispiele drei aus meiner Sicht besonders bedeutsame Formen der strategischen Nutzung entsprechender Klagen durch die Konfliktparteien diskutiert. Im Mittelpunkt der Betrachtungen stehen dabei ausschließlich Konflikte, in denen eine Seite, in seltenen Fällen auch beide Konfliktparteien,135 die Auseinandersetzung selbst angezeigt hatten. a) Strukturelle Aspekte: Sicherstellung sozialer Exklusivität durch Rechtsnormen Sowohl im deutschen als auch im schwedischen Recht waren spezifische Formen sozialer Exklusivität eingeschrieben. Besonders markant war dies bei den schwedischen Duellmandaten, die nur dann angewandt werden konnten, wenn die Konfliktgegner Adlige, Offiziere oder aber Beamte der Krone waren. Dieser sozial beschränkte Anwendungsbereich war eng verknüpft mit dem Umstand, dass Vertreter der genannten Gruppen auch schon zuvor bei schweren Strafrechtsvergehen nur vor den Hofgerichten angeklagt werden durften. Hier spiegelt sich also in den Duellmandaten ein herausgehobener Gerichtsstand der genannten Gruppen.136 Zugleich besaß das in den Normen sanktionierte Gewalthandeln kaum distinktiv nutzbares Potential, da durch die Gleichsetzung von Duell und Schlägerei in den Mandaten kein klar unterscheidbares Handlungsmuster etabliert wurde. Die Frage, ob sich zwei Protagonisten nun duelliert oder aber nur gerauft hatten, war also nicht Anliegen einer gerichtlichen Untersuchung und somit ließ sich ein Verfahren auch nicht für den Nachweis nutzen, dass man sich ‚nobel‘ duelliert statt nur ‚banal‘ geprügelt hatte. In distinktiver Hinsicht kam im schwedischen Recht daher nicht einer besonderen Form des Ehrkampfes Bedeutung zu, sondern vielmehr dem Umstand, ob und damit vor welchem Gericht ein gewaltsam ausgetragener Ehrkonflikt als Verstoß gegen geltendes Recht verhandelt wurde. Das strategisch nutzbare Potential derartiger Strafverfahren erhöhte sich seit dem Duellmandat von 1682 noch dadurch, dass innerhalb der Duell135 So zeigten sich 1711 Adolph Wolfen von Pistoris und Gottfried Leopold von Bickholz wegen einer Beleidigungssache gegenseitig bei ihrem kursächsischen Landesherrn an und wurden auch jeweils in Arrest genommen. In der Haft legten sie die Sache dann gütlich bei. SächsHStA Dresden, 10026, Loc. 1404/1, Bl. 238a. Häufiger finden sich zudem Fälle, bei denen im Laufe des Verfahrens von der verklagten Seite ebenfalls Klage erhoben wurde oder dies zumindest versucht wurde. Beispiele hierzu finden sich in diesem Teilkapitel. 136 Siehe dazu die Ausführungen zum schwedischen Recht in Kap. III. 2. a) in dieser Arbeit.
3. Klagen vor Gericht als Strategie in Ehrkämpfen283
mandate auch Strafen für Verbal- und Realinjurien festgesetzt wurden. Damit konnte man jetzt schon im Falle einer einfachen verbalen Beleidigung ein entsprechend prestigeträchtiges Verfahren eröffnen. Der Distinktionsgewinn im Verfahren löste sich auf diese Weise von der tätlichen Auseinandersetzung ab. Gerade für die Gruppe des Adels kann im Gefolge dieses Duellmandats von 1682 beobachtet werden, dass sich ein ‚Hang zum gerichtlichen Verfahren‘ abzeichnete und dies vor allem dann, wenn der adlige Status unklar oder neu erworben war und damit eine gerichtliche Bestätigung vertragen konnte. Zugleich ist festzuhalten, dass in knapp der Hälfte aller erhobenen Verfahren aus dem schwedischen Rechtsbereich nicht wegen der Durchführung oder aber Herausforderung zum Duell geklagt worden war, sondern wegen erlittener Injurien (siehe unten Tab. 8). Für den deutschen Rechtsraum ist im Unterschied zum schwedischen Recht zu betonen, dass das Duell in den einschlägigen Duellmandaten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts nicht als sozial exklusives Vergehen konzeptionalisiert wurde.137 Zugleich fehlte in den deutschen so wie schon in den schwedischen Rechtsnormen eine klare Unterscheidung zwischen Duellen und anderen Gewaltpraktiken. Damit kann das Duell zumindest aus einer rechtlichen Perspektive nicht ohne Weiteres als eine distinktiv nutzbare Gewaltform verstanden werden, weil es weder eine spezifisch abgrenzbare Form hatte noch sozial exklusiv war. In Erinnerung gerufen sei an dieser Stelle nochmals, dass es die für das Duell später so wirkmächtige Idee der Satisfaktionsfähigkeit (im Sinne einer sozial exklusiven Berechtigung zum Duell) bis zum Ende des 18. Jahrhunderts weder als verbindlich rechtliche noch als soziale Norm gab.138 Aber bekanntlich hielt die distinktive Ab- und Ausgrenzung über einen Nebenweg Einzug in die deutschen Rechtsnormen und damit auch in die Rechts praxis. Denn ab den 1670er Jahren wurden in den Duellmandaten der Territorien sukzessive Regelungen integriert, nach denen man im Fall von Verbalund Realinjurien nur dann Klage nach dem Duellmandat erheben konnte, wenn beide Konfliktparteien Adlige, höhere Offiziere oder aber Spitzenbeamte im Dienste der jeweiligen Landesherrn waren.139 Die Bestimmungen 137 Siehe
dazu Kap. III. 2. a) in dieser Arbeit. unbestritten ist, dass das Duell in der Praxis sehr stark von Adligen und Offizieren dominiert war, so fehlen doch in den rechtlichen Bestimmungen zum Duell Verweise auf dessen ständische Beschränkung. Damit korrespondiert die große Selbstverständlichkeit, mit der die seltenen Fälle von Duellen unter Handwerkern, Kaufleuten oder kleineren Beamten von den Beteiligten und den Gerichten als solche verhandelt wurden. Siehe dazu Kap. IV. 3. in dieser Arbeit. 139 Unter den Offizieren sollten allerdings nur die Chargen „biß auf den Adjutanten, Cornet und Fähndrich“ Berücksichtigung finden. Einbezogen waren schließlich auch ehrenhaft aus dem Dienst entlassene Offiziere („honeste dimittirte“), solange 138 Wenngleich
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
zur gerichtlichen Satisfaktion galten also im Unterschied zu den übrigen Paragrafen der Duellgesetze nur für ausgewählte Sozialformationen der Gesellschaft.140 Durch diese Besonderheit der Strafbestimmungen konnten Injurienklagen von den Angehörigen dieser frühneuzeitlichen ‚satisfaktionsfähigen Gesellschaft‘ – verstanden als der Personenkreis, der nach den Duellmandaten zur gerichtlichen Satisfaktion in Injuriensachen berechtigt war – als wirkungsvolles Instrument sozialer Distinktion genutzt werden. Und dies war dann auch der Fall. Denn im Anschluss an die Integration von Strafbestimmungen für Injurien in die Duellgesetze wurde in der Gerichtspraxis eine zunehmende Zahl an Strafprozessen aktenkundig, in denen entsprechend injuriöse Verstöße gegen die Duellmandate geahndet werden sollten. Und so waren unter den im Sample verzeichneten 448 Fallakten für den deutschen Rechtsraum immerhin ein Drittel Injuriensachen.141 Tabelle 8 Regionale Deliktverteilung des Untersuchungssamples (1637–1806) Region
Duell
Duellforderung
Injurien
Summe
Mecklenburgische Herzogtümer
29 (85 %)
1
4 (12 %)
34
Kursachsen
189 (59 %) 40 (13 %) 89 (28 %)
318
Preußisch-Pommern
22 (24 %) 16 (17 %) 55 (59 %)
93
Schwedisch-Pommern
26 (44 %) 4 (7 %) 29 (49 %)
59
Schwedische Hofgerichte (ohne Pommern)
35 (67 %)
0
17 (33 %)
52
andere
3
0
0
3
Summe
304 (54 %)
61 (11 %)
194 (35 %)
559
sie keine bürgerliche oder bäuerliche Nahrung trieben. Vgl. dazu bspw. Kursächsisches Duellmandat 1712, Sp. 1787 (§ 1). 140 Das heißt, zwei Kaufleute oder Handwerker, die sich duellierten, wurden nach dem Duellmandat bestraft. Im Fall, dass sich dieselben Kaufleute oder Handwerker nur beschimpften und es zu keinem Duell kam, war eine Verurteilung mit Verweis auf die Duellmandate aber nicht möglich, stattdessen waren nun die einschlägigen Policeyordnungen heranzuziehen. Einzig und allein Adlige, höhere Offiziere, Spitzenbeamte und später auch noch Studenten konnten für Verbal- oder Realinjurien nach den Duellgesetzen bestraft werden. Zu dieser Entwicklung siehe auch Kap. III. 2. a) in dieser Arbeit. 141 Von 448 Fällen entfielen auf entsprechende Injurienklagen nach den Duellmandaten 148, dies entspricht 33 %. Vgl. dazu auch Tab. 8.
3. Klagen vor Gericht als Strategie in Ehrkämpfen285
Übergreifend kann festgehalten werden, dass die Kläger mit diesen Injurienklagen nach den Duellmandaten die für sich beanspruchte Zugehörigkeit zu den satisfaktionsfähigen Gruppen auf dem Rechtsweg wirkungsvoll bestätigen lassen konnten. Denn mit der Eröffnung des Verfahrens war zugleich eine gerichtliche und damit auch öffentlich wirksame Anerkennung des Klägers als Mitglied jener frühneuzeitlichen ‚satisfaktionsfähigen Gesellschaft‘ verknüpft, denen eine Behandlung nach den Duellmandaten zustand. Die große Zahl der Injurienklagen mit Verweis auf die Duellmandate zeigt zudem deutlich an, dass dieser Rechtsweg von Adligen, Offizieren und hohen Beamten auch gezielt für die Umsetzung eigener Interessen und hier nicht nur, aber eben auch, als Distinktionsmittel genutzt wurde. Insgesamt zeigt sich daher sowohl für den Bereich des deutschen als auch des schwedischen Rechts deutlich, dass einschlägige Strafverfahren in Injuriensachen Ausdruck einer strategischen Gerichtsnutzung waren. b) Formen der strategischen Nutzung von gerichtlichen Klagen im Ehrkampf Auf der Ebene der gerichtlichen Verfahren werden eine Vielzahl fallbezogen jeweils unterschiedlicher Formen der Nutzung beziehungsweise Einbeziehung gerichtlicher Verfahren in individuelle Ehrkämpfe erkennbar. Im Folgenden sollen nun anhand von exemplarischen Fallbeispielen drei, aus meiner Sicht zentrale Formen der Justiznutzung in diesem Feld vorgestellt werden. Erstens wird es um den Fall gehen, dass über eine entsprechende Klage die Zugehörigkeit zur Gruppe der gerichtlich Satisfaktionsberechtigten verhandelt wurde. Zweitens wird die Instrumentalisierung von Injurienklagen in Stellvertreterkonflikten angesprochen und drittens die Nutzung von Klagen als Mittel der Ehrenrettung bei missglückten Konfliktverläufen. Erkennbar werden sollte dabei jeweils, welche Optionen Strafverfahren den Konfliktparteien konkret boten und wie über gerichtliche Verfahren eine nachhaltige Sicherstellung des behaupteten Ehrenstatus erfolgen konnte, wenngleich dies auch nicht in jedem Fall gelang. aa) Gerichtliche Verhandlungen über die Gruppenzugehörigkeiten Besonders markant greifbar wird die strategische Nutzung von Strafverfahren für den Nachweis der Zugehörigkeit zur im Recht markierten ‚satisfaktionsfähigen Gesellschaft‘ in jenen Prozessen, die der en corps geadelte Stralsunder Rat gegen die pommerschen Adligen der Umgebung anstrengte. Einer dieser Prozesse soll im Folgenden näher betrachtet werden, wobei es sich nicht nur um ein besonders spektakuläres Beispiel für die in diesem Abschnitt zu behandelnde Form des strategischen Einsatzes von Verfahren
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
durch eine Konfliktpartei handelt, sondern der Fall zugleich exemplifiziert, dass Gerichtsprozesse im Einzelfall auch zur Ausdifferenzierung der Gesetzgebung beitrugen. Dass im Ergebnis der Regelung von Einzelfällen allgemeingültige rechtliche Bestimmungen erlassen wurden, ist für die vormoderne Normsetzung insgesamt nicht untypisch.142 Im Fall der Definition der ‚satisfaktionsfähigen Gesellschaft‘ im schwedischen Recht sollten dabei zahlreiche Einzelverfahren die Ausgestaltung der rechtlichen Norm vorantreiben, ein Befund, der zweifellos bemerkenswert ist und auf den am Ende der Fallschilderung kurz eingegangen werden wird. Aber zunächst zum Beispiel: Was war geschehen? Am Abend des 5. Juni 1723 traf Johan Oker, Altermann und Mitglied des städtischen Rates,143 in seinem eigenen Haus, das zugleich als Kaffeehaus diente, auf die Kapitäne Detholff von Segebade und von Platen. Er grüßte die Herren, worauf Segebade sich sofort erhob, auf ihn zukam und fragte, wo man die städtische Waageordnung erhalten könne. Oker erklärte auf diese Anfrage, dass er diese nicht besäße und auch nicht wüsste, woher man sie bekäme. Diese Unwissenheitserklärung brachte Segebade jedoch auf. Dabei erregte er sich wohl weniger über die womöglich vorgeschützte Unwissenheit Okers als vielmehr über einen für Wolle festgesetzten Preisnachlass im Großhandel beziehungsweise Export zugunsten des Händlers und der städtischen Waage – in diesem Fall also zugunsten Stralsunder Bürger. Segebade hatte aufgrund dieser Festsetzung offenbar weniger als gedacht für die von ihm verkaufte Wolle erhalten und regte sich nun darüber auf. Mit Blick auf die angesprochene Regelung gab Oker dann allerdings doch Auskunft und zwar die, dass ein solcher Preisnachlass seit „undenklichen Jahren in Gebrauch“ sei und „auch in aller welt gebreuchlich“.144 Diese Bemerkung versetzte Segebade nun völlig in Rage. Und mit Ungestüm fuhr er Oker an: „das weren betrüger die solche Ordnung gemacht hetten und stehlen den Landleuten das ihrige“. Okers daraufhin vorgebrach142 Auch im hier untersuchten Sample war dies kein Einzelfall. So löste etwa das Verfahren gegen Ludewich Mensius von Balak, Korporal in der königlich-sächsischen Garde, und dem bereits abgedankten Kadett Johann Christian von Streithorst, die sich 1708 in der Bastion der Fortifikation in Altendreden duelliert hatten, eine Diskussion über die genaue Auslegung der § 1–15 des Kursächsischen Duellmandats von 1706 aus. Im Ergebnis gab es eine Zusatzbestimmung, nach der künftig die Kadetten von den in diesen Paragrafen vorgesehenen Strafandrohungen befreit werden sollten, damit ihr beruflicher Werdegang nicht beeinträchtigt werde. Siehe zu dieser Bestimmung und zum Fall SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/12. 143 Oker gehörte als Altermann, das ist der gewählte Vertreter der städtischen Kaufmannskompanie, zur Stralsunder Führungsschicht und war dann seit 1728 Mitglied im städtischen Rat. Vgl. dazu Brandenburg, Geschichte des Magistrates, S. 95. 144 StA Stralsund, Rep. 3, Nr. 1371, [o. Pag.], Bericht Okers vom 7. Juni 1723.
3. Klagen vor Gericht als Strategie in Ehrkämpfen287
ter Hinweis, dass er ja nichts von ihm gekauft hätte und sie sich damit auch nicht streiten müssten, beruhigte Segebade keineswegs. Vielmehr erklärte er nochmals: „das weren canallien, hundvotter Schelm[,] die solche ordnung gemacht hetten“.145 Und in diesem Ton fuhr Segebade munter fort. Oker mahnte zur Mäßigung. Aber Segebade war nicht mehr zu bremsen. Mit Blick auf die en corps geadelten Mitglieder des Stralsunder Magistrats erklärte er vielmehr: „Sie wolten wohlgebohrne und nach dem Duell Placat tractiret seyn, allein es wären canaillen und hundsvötter, der König möchte so souverain seyn wie Er wolle, so wäre er doch nicht copabel einen solchen Edelmann zu machen wie“ ihn, „denn Er hätte seinen Adel von Ewigkeit her, von seinen Eltern und Vorfahr[en]“, die Mitglieder des Stralsunder Rates wären hingegen „nur neugebackene […] da schiße er was in“.146 Diese verbale Attacke, bei der Segebade nicht nur gegen den Stralsunder Rat ausfällig geworden war, sondern dem schwedischen König auch das Recht auf Nobilitierung absprach, reichte den Stralsundern völlig, um schließlich am 12. Juli 1723 mit Verweis auf ihren adligen Status und die Duellmandate eine entsprechende Klage gegen Segebade beim Greifswalder Hofgericht einzureichen. Segebade, mehrfach zur Stellungnahme in der Sache aufgefordert, entzog sich zunächst recht erfolgreich einer gericht lichen Untersuchung. Doch im Januar 1725 wurde das Verfahren schließlich eröffnet und nun musste er auch seine Stellungnahme einreichen. Zunächst schützte Segebade noch Trunkenheit vor und erklärte, er könne sich an nichts mehr erinnern. Aber das half ihm angesichts der vielen Zeugen, die in übereinstimmenden Aussagen den Vorwurf gegen Segebade bestätigten, wenig.147 Das Gericht erklärte ihn dann auch für schuldig, wenngleich es bis zu diesem Urteil in der Sache mehr als drei Jahre dauerte. Aber am 8. September 1728 wurde durch das Greifswalder Hofgericht schließlich festgelegt, dass Segebade gegenüber dem Magistrat eine öffentliche Abbitte und einen Widerruf zu leisten hatte. Zusätzlich wurde ihm eine dreimonatige Haftstrafe oder alternativ eine Geldstrafe von 300 (schwedischen) Reichstalern zuerkannt. Und schließlich sollte Segebade auch noch die Prozesskosten tragen – ein Posten, der angesichts der Dauer des Verfahrens sicherlich recht erheblich war. In einem eigens eingeholten Gutachten der Lüneburger Juristenfakultät wurde dieses Urteil bestätigt.148 Segebade legt gegen das Urteil zwar noch wegen angeblicher Verfahrensfehler eine Nulli145 StA
Stralsund, Rep. 3, Nr. 1371, [o. Pag.], Bericht Okers vom 7. Juni 1723. Stralsund, Rep. 3, Nr. 1371, [o. Pag.], Zeugenaussage Classen. 147 StA Stralsund, Rep. 3, Nr. 1371, [o. Pag.], Stellungnahme Detholff von Segebade. 148 StA Stralsund, Rep. 3, Nr. 1371, [o. Pag.], Urteil des Hofgerichts und der Lüneburger Juristenfakultät. 146 StA
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
tätsklage ein, doch auch dies nützte nichts, denn am 21. Oktober 1728 erging der endgültige Bescheid des Wismarer Tribunals, mit dem das erste Urteil bestätigt wurde.149 Es ist unklar, ob dieses Urteil je umgesetzt wurde, es ist kaum anzunehmen. Sicherlich wäre gerade die Ableistung einer öffentlichen Abbitte durch Segebade ein grandioser symbolischer Triumph des Rates über den einheimischen Adel gewesen. Doch dürften die Stralsunder auch so hoch zufrieden gewesen sein. Denn man verhandelte in der Sache nicht nur in Greifswald, Wismar und Lüneburg, sondern auch in Stockholm, da der Rat den schwedischen König bereits 1723 über die Vorkommnisse in der Okerschen Kaffeestube unterrichtet hatte. Im Ergebnis der Verhandlungen in Stockholm kam es dann zu einer ergänzenden Bestimmung zum Duellmandat, in der landesweit und allgemein rechtsverbindlich angezeigt wurde, dass der Stralsunder Rat en corps geadelt worden war und aufgrund dieser Nobilitierung eben auch unter das Duellmandat falle.150 Und dies war dem Stralsunder Rat zweifellos mehr wert als jede öffentliche Abbitte. Womöglich hatten die Stralsunder Ratsmitglieder sogar auf eine derartige gesetzliche Zusatzbestimmung spekuliert, denn sie waren nicht die ersten, die sich in den Kreis derjenigen einklagten, die unter das Duellmandat fielen. Das Einfallstor für die Nachnominierung war eine kleine Formulierung im schwedischen Duellmandat von 1682. Hier hieß es mit Blick auf den Geltungsbereich, dass das Mandat ganz generell für Angehörige des Adels und hohe Militärs gelten sollte. Ergänzt wurde diese Bestimmung noch durch ein unscheinbares und im Folgenden besonders folgenreiches „und ihres gleichen“.151 Gemeint waren damit wahrscheinlich die 1682 im Unterschied zum Duellmandat von 1662 nicht eigens genannten Beamten der Krone, doch über die Frage, wer im Einzelnen damit gemeint sei, ließ sich trefflich streiten. Und dass darüber gestritten wurde, zeigen verschiedene gerichtliche Verfahren, in deren Ergebnis man in Stockholm nach und nach ergänzende Bestimmungen zu den Duellmandaten erlassen hatte. Zuerst war 1689 festgesetzt worden, dass die Duellmandate auch für Amtsleute und Oberinspektoren gelten sollten.152 1691 kamen die Landessekretäre und Landeskämmerer153 hinzu. Etwas überra149 StA Stralsund, Rep. 3, Nr. 1371, [o. Pag.], Urteil des Wismarer Tribunals vom 21. Okt. 1728. 150 RAS, Gadebuschska Samlingen, Nr. 115, Bl. 203a–204a. Zugleich war aus Stockholm der Befehl eingetroffen, dass gegen Segebade unnachgiebig und dem Duellmandat gemäß verfahren werden sollte und er sogar für die Zeit des Verfahrens in Untersuchungshaft zu bringen war. 151 Vgl. Schwedisches Duellmandat 1682, Art. 2 (S. 343). 152 RAS, Gadebuschska Samlingen, Nr. 115, Bl. 10b u. 55a, b. 153 RAS, Gadebuschska Samlingen, Nr. 115, Bl. 68a, b.
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schend erklärte man 1695 das Gleiche auch für die Gruppe der Professoren.154 Die ausdrückliche ‚Nachnominierung‘ des Stralsunder Rates von 1723 war in dieser Reihe also eine späte Ergänzung.155 Sieht man von der Gruppe der Professoren ab, liest sich diese Ausweitung der Zielgruppe wie ein Spiegelbild der schwedischen Nobilitierungspolitik.156 Diese sukzessiv vorgenommenen normativen Ergänzungen machen dabei mehr als deutlich, dass die Geltungsbestimmungen der Duellmandate auch jenseits des hier vorgestellten Falls als Differenzkriterium wahrgenommen wurden und man bemüht war, zu eben jenen zu gehören, deren Agieren die Mandate zu sanktionieren suchten. Eine derart auf dem Silbertablett präsentierte strategische Nutzung dieser Klagemöglichkeit wie im vorgestellten Beispiel war allerdings außergewöhnlich. Aber dennoch verdeutlicht dieser Fall das große Potential entsprechender Verfahren, zumal hierfür auch im außergerichtlichen Vorspiel noch nicht einmal Leib und Leben riskiert werden mussten. bb) Instrumentalisierung von Klagen im Kontext von Stellvertreterkonflikten Am häufigsten kamen Klagen mit Verweis auf die Duellmandate jedoch im Kontext der oben bereits vorgestellten Stellvertreterkonflikte zum Einsatz. Das ist im Grunde wenig verwunderlich, denn die vergemeinschaftende Wirkung in diesen Konflikten dürfte gering gewesen sein und das Interesse an einer außergerichtlichen Einigung im Ehrenstreit ebenso, zumindest solange nicht der ursprüngliche Konflikt gelöst war. Klagen mit dem Verweis auf die Duellmandate, die zudem häufig bereits nach rein verbalen Attacken erhoben wurden, boten sich also als neue Optionen in einer komplexen Konfliktstruktur an. Wie sich dies im Einzelnen gestalten konnte, soll anhand einer Auseinandersetzung nachgezeichnet werden, die sich 1716 in Preußisch-Pommern zwischen dem Leutnant Heinrich Albert von Blumenthal und dem Amtshauptmann Henning von Kamcke abspielte.157 Beide entstammten dem 154 RAS,
Gadebuschska Samlingen, Nr. 115, Bl. 84a, b. Gadebuschska Samlingen, Nr. 115, Bl. 203a–204a. 156 Neben der en corp vorgenommenen Nobilitierung einiger Stadträte – neben dem Stralsunder betraf dies in Schwedisch-Pommern auch noch den Greifswalder und Stettiner Stadtrat – konnten bürgerliche Amtsträger in der Verwaltung in der Regel ab der Position eines Assessors oder Sekretärs mit ihrer Nobilitierung rechnen. Die in den Zusatzbestimmungen genannten Gruppen von Amtsträgern dürften damit in der Regel aus Nobilitierten bestanden haben. Elmroth, Från överklass till medelklass, S. 305. 157 Zum Fall insgesamt: LAG, Rep. 7, Nr. 3761. 155 RAS,
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
einheimischen Adel und waren in Preußisch-Pommern begütert. Allerdings bestand zwischen ihnen ein eklatanter Unterschied im Ausmaß des Besitzes, denn Blumenthal war im Besitz mehrerer Ländereien, die zudem nicht durch Schulden belastet waren. Kamcke besaß hingegen nur noch ein kleines, offenbar auch noch hoch verschuldetes Gut, ein anderes hatte er bereits verloren. Blumenthal und Kamcke trafen nun eines Tages auf einem Feld zusammen. Beide waren auf der Jagd, allerdings nicht gemeinsam unterwegs. Wenn zwei Personen, unabhängig voneinander auf dem gleichen Feld jagen, verheißt das zumeist nichts Gutes und so war es auch in diesem Fall. Denn Kamcke war der Meinung, Blumenthal jage auf königlichem Grund in einem Gehege, was er diesem in seiner Eigenschaft als königlicher Amtshauptmann dann auch prompt untersagte und drohte, die Sache gerichtlich zu verfolgen und „fiscalisch“ zu machen.158 Blumenthal sah dies erwartungsgemäß anders. Er war nämlich der Meinung, dass er auf freiem Grund und Boden jagen würde und da das Gelände von adligen Feldern, auch seinen eigenen, umgrenzt sei, wäre es ihm als einem der Feldbesitzer sehr wohl gestattet, dort zu jagen. Im Gegenzug warf er Kamcke zudem vor, selbst unrechtmäßig zu jagen, eine Position, die Blumenthal später vor Gericht mit Zeugen erhärten sollte.159 Aber zunächst eskalierte die Situation an Ort und Stelle: Blumenthal ereiferte sich, dass man ihm gerichtlich nichts anhaben könne und Kamcke entgegnete, dass er es darauf besser nicht ankommen lassen solle. Derart zurechtgewiesen erklärte Blumenthal: „[D]aß kann der König und Sie mir nicht verbiethen, denn es ist kein Gehege, da will ich wohl alle tage hingehen.“ Worauf Kamcke entgegnete: „Nun so probiren Sie und kommen dahin, kann der König nicht verbieten, so verbieth ichs Jhnen.“ Diese Drohung entlockte Blumenthal die spöttische Bemerkung: „Ha! ha! da will ich wohl jetzunder dem Augenblick mit Sie gehen“. Das war für den Amtshauptmann offensichtlich zu viel, er griff nach seiner Peitsche und erklärte diese drohend erhoben: „probieren Sie es nur, so werden Sie sehen was darauf erfolgen wird“. Blumenthal entsicherte nun seine Flinte, zielte auf das Gesicht Kamckes und erklärte: „Herr Hauptman draue er mir nicht mit der Peitsche oder es wird nicht gut werden, ich schieß ihn vom Pferd“. In dieser brenzligen Situation ritt plötzlich Leutnant Johan Christoph von Priort hinzu, der gemeinsam mit Kamcke unterwegs war, sich bislang aber im Hintergrund gehalten hatte. Dieser entsicherte seinerseits das Gewehr und drohte, er würde Blumenthal erschießen, sollte dieser die Waffe gegen Kamcke gebrauchen. Blumenthal ließ daraufhin die Waffe sinken und Kamcke bemerkte sogleich wieder triumphierend: „nun so will ich sehen, wie die Sache 158 LAG, 159 LAG,
Rep. 7, Nr. 3761, Bl. 142b. Rep. 7, Nr. 3761, Bl. 141a, b.
3. Klagen vor Gericht als Strategie in Ehrkämpfen291
ablauffen wird“ und an Priort gewandt setzte er noch hinzu: „Sie werden mein zeuge seyn“.160 Nach diesem Zusammenstoß ging man zunächst auseinander, aber wie angekündigt war Kamcke nicht bereit, die Sache auf sich beruhen zu lassen und zeigte Blumenthal an. Gegenstand dieser Klage war aber keineswegs die auf dem Feld erhobene Anschuldigung der unberechtigten Jagd, vielmehr verklagte Kamcke Blumenthal mit Verweis auf das Duellmandat wegen injuriösen Verhaltens. Offenbar nutzte er hierfür seine guten Kontakte zum Gericht, in jedem Fall wurde umgehend Klage erhoben und Blumenthal sogar in Arrest genommen, was zweifellos ein eher ungewöhnliches gerichtliches Vorgehen war, da ein Adliger, der im Land (unverschuldete) Güter besaß, eigentlich von der Untersuchungshaft befreit war, zumal wenn die Anklage kein Kapitalverbrechen betraf. Zudem legte das Gericht auch noch fest, dass Blumenthal nur gegen die Erlegung von stattlichen 4.000 Reichstalern Kaution freikommen würde, die er allerdings umgehend bezahlen konnte und so innerhalb kürzester Zeit wieder auf freiem Fuß war.161 Die schnell wiedererlangte Freiheit änderte freilich wenig an der Empörung Blumenthals, besonders entrüstete er sich darüber, dass die ganze Angelegenheit nach dem Duellmandat verhandelt werden sollte, „da es doch nur [eine] Bagetelle wäre, die im geringsten nicht nach einem Duell richet“.162 Mit der Vermutung, dass die Klage die eigentlichen Beweggründe des Klägers eher verdeckte und versteckte, lag Blumenthal wohl nicht gänzlich falsch, im Verlauf der weiteren Verhandlungen wurde jedenfalls überdeutlich, dass die ausgetauschten Beleidigungen auf dem Feld nur ein weiterer Baustein in einer langen Reihe bereits zuvor ausgetragener Konflikte waren, bei denen Kamcke – und das dürfte entscheidend sein – meist den Kürzeren gezogen hatte. Nicht nur war er im Kreise seiner Standesgenossen nach und nach finanziell abgestiegen, sondern es gab ganz offensichtlich bereits etliche ältere Auseinandersetzungen zwischen den landsässigen Adligen der Gegend und Kamcke. Dabei war nicht zuletzt von Blumenthal der Vorwurf gegen Kamcke erhoben worden, er würde auf den Gütern der Nachbarn heimlich jagen und einen Handel mit Füchsen betreiben, da sein finanzieller Zustand inzwischen völlig desolat sei. Dass Blumenthal und Kamcke nun wieder über die Frage der Jagdberechtigung aneinander geraten waren, scheint vor diesem Hintergrund kein Zufall zu sein. 160 Dieser grobe Ablauf der wechselseitigen Beschimpfungen folgt der Zeugenaussage von Priort: LAG, Rep. 7, Nr. 3761, Bl. 15a–16b. 161 Siehe dazu die Erklärung in Blumentahls erster Supplik vom 27. November 1716: LAG, Rep. 7, Nr. 3761, Bl. 5a, b. 162 LAG, Rep. 7, Nr. 3761, Bl. 17a.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
Die Anzeige Kamckes nach dem eskalierten Zusammentreffen auf dem Feld entpuppt sich also als neuer Schachzug in einem bereits seit langem laufenden Spiel und diesmal sollte Kamcke triumphieren. Denn im Ergebnis des eingeleiteten Verfahrens wurde Blumenthal nach vielem Hin und Her tatsächlich für schuldig befunden. Er musste eine Purgation leisten, eine Geldstrafe wegen der ausgestoßenen Injurien zahlen, seine Advokaten im Übrigen auch, und schließlich eine Geldstrafe wegen verübter Wilderei erlegen. Zu guter Letzt hatte er auch noch die gesamten Kosten des Verfahrens zu tragen. Blumentahl versuchte zwar mehrfach, gegen dieses Urteil vorzugehen, wollte zum Schluss sogar noch eine Gegenklage gegen Kamcke führen, aber dies wurde ihm verwehrt und das Urteil hatte in der Sache offenbar Bestand.163 Dieser Ausgang war zweifellos ein bemerkenswerter Erfolg für Kamcke. Für das Feld der Stellvertreterkonflikte zeigt der Fall allerdings mehr als diese persönliche Genugtuung für einen verarmten pommerschen Adligen, denn deutlich wird hieran, dass die Umdeutung eines Konflikts in einen Ehrkonflikt durchaus nachhaltige Erfolge und sogar einen ‚Ersatzsieg‘ einbringen konnte! cc) Klagen als Instrument der Ehrenrettung bei gescheiterten Konfliktlagen Ein drittes Feld, in dem gerichtliche Klagen der Streitparteien zum Einsatz kamen, bildeten Konflikte, die deutlich zum Nachteil einer Partei ausgegangen waren. Ziel der Klagen war es hier, die Reputation des Klägers wiederherzustellen. Dies konnte geschehen, indem gerichtlich festgestellt wurde, dass man wirklich zum Duell gefordert oder auch, dass der Gegner sich im Kampf unehrlich verhalten hatte und daher kein ‚ehrenvoller‘ Duellant war, sondern ein notorischer Stänkerer. Bei den hier interessierenden Fällen versuchten die Kläger daher im Unterschied zu den beiden ersten Formen, in denen es im Grunde ganz klassisch einen nach dem Duellmandat schuldigen und einen unschuldigen Part gab, nicht ihre Unschuld zu beweisen. Vielmehr ging es darum, eine gerichtliche ‚Bestätigung‘ zu erhalten, dass sie sich gemäß der lebensweltlich-sozialen Norm als ehrenvolle Duellanten erwiesen hatten. Dass sie dafür selbst verurteilt werden mussten, war aus der Sicht der Kläger – nicht zuletzt wegen der zu erwartenden milden Strafen – ganz offensichtlich von nachrangiger Bedeutung. Im Folgenden soll dieses Feld anhand dreier Beispiele näher vorgestellt werden. In dem ersten Beispiel aus dem Jahre 1678 kam es gar nicht zu einem Duell, aber genau das war auch das Problem. Ausgangspunkt des Konflikts 163 Die letzten Urteile finden sich: LAG, Rep. 7, Nr. 3761, Bl. 229a–231a u. 235a (zur Wilderei).
3. Klagen vor Gericht als Strategie in Ehrkämpfen293
war jenes weiter oben bereits kurz vorgestellte gesellige Beisammensein einiger Offiziere in Dresden, bei dem der Oberwachtmeister Christoph von Ölschnitz in die Runde gefragt hatte, ob der nicht anwesende Hauptmann Wilhelm Albrecht von Reuter vor Anklam Streit mit dem Hauptmann von Schöning gehabt hätte. Ein Freund von Reuter verneinte dies bekanntermaßen, was Ölschnitz wunderte, da Schöning offenbar anderes behauptet hatte.164 Reuter, von diesem Gespräch unterrichtet, war empört und begab sich, um dem Tratsch und der vermuteten üblen Nachrede entgegenzutreten, unverzüglich zu Ölschnitz, stellte diesen in Ermangelung Schönings zur Rede und erklärte, er werde sich in dieser Sache an ihn halten, da Schöning nicht in der Stadt war. Ölschnitz bot daraufhin offenbar sofort einen Austrag im Duell an, doch Reuter lehnte zunächst ab. Nach knapp zwei Wochen traf dann aber doch eine schriftliche Herausforderung bei Ölschnitz ein, in der Reuter darauf bestand, den Kampf am nächsten Tag an der polnischen Grenze auszutragen und zwar zu Pferde. Dieses Detail bereitete Ölschnitz allerdings erhebliche Probleme, da er auf die Schnelle nicht in der Lage war, ein Pferd aufzutreiben und darum um eine Verlegung des Kampfes bat. Schließlich einigte man sich darauf, diesen doch zu Fuß und in der Nähe von Dresden auszutragen. Aber als man am festgesetzten Tag eigentlich gemeinsam im Wagen aufbrechen wollte, war plötzlich wieder alles anders. Denn nun war Schöning in der Stadt aufgetaucht, hatte von der Angelegenheit gehört, sah sie als die seine an und hatte Reuter sogleich seinerseits gefordert. Reuter hatte die Herausforderung angenommen und im Zuge dessen erklärt, dass ihn seine Ersatzforderung gegenüber Ölschnitz jetzt nicht mehr interessiere. Und so stand Ölschnitz plötzlich ganz ohne Duell da. Das war Ölschnitz aber gar nicht recht, da er angesichts der offen gebliebenen Duellforderung befürchtete, mit dem Makel eines unklaren Ehrenstatus zurückzubleiben. Daher forderte er nun seinerseits Reuter, doch dieser dachte gar nicht daran, diese Forderung anzunehmen und beharrte darauf, dass ihn nur noch Schöning interessiere. Da Schöning aber – wie Ölschnitz später süffisant betonte – seit seiner Ankunft in Dresden schwer erkrankt im Bett lag und sich offenbar auch keine Besserung des Zustandes abzeichnete, drohte Ölschnitz Reuter damit, dessen Verweigerung gerade mit Blick auf den kranken Schöning als Feigheit auszulegen, dies allgemein bekannt und Reuter damit zum Gespött der Leute zu machen. Aber auch jetzt ging Reuter nicht auf seine Forderung ein, stattdessen schickte er nur einen Freund, der Ölschnitz die abermalige Weigerung übermitteln sollte und ließ zudem in der Stadt verbreiten, dass er Ölschnitz Prügel angedroht habe, wenn er ihn mit seinen Forderungen nicht in Ruhe ließe. 164 Zum
Fall insgesamt: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/7, [o. Pag.].
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
Durch die statt eines Duells in Aussicht gestellten Schläge fühlte sich Ölschnitz erst recht gedemütigt, zumal die Sache inzwischen allgemein bekannt war. Und da Ölschnitz befürchtete, dass ihm die ganze Angelegenheit angesichts der beharrlichen Weigerung Reuters endgültig aus den Händen glitt, entschloss er sich an dieser Stelle, die Affäre vor Gericht zu bringen. Denn zu diesem Zeitpunkt bot nur noch das gerichtliche Verfahren für Ölschnitz die Chance, seine Sicht der Dinge und damit eben auch die ‚Unbeflecktheit‘ seiner Ehre öffentlich unter Beweis zu stellen.165 Das Beispiel verdeutlicht damit zweierlei: Zum einen wird erkennbar, dass der Gang vor Gericht für die Beteiligten keineswegs ausgeschlossen war, sondern als strategische Option durchaus in Betracht gezogen und auch genutzt wurde. Zum anderen macht das Beispiel nochmals deutlich, dass Duellforderungen keine Selbstläufer waren, da Duelle verschoben, wieder abgesagt und ausgeschlagen werden konnten, und dass dies so war, wussten die Beteiligten offenbar. Vor diesem Hintergrund bot das gerichtliche Verfahren also pikanterweise die Möglichkeit, im Fall von verweigerten Duellen die Handlungshoheit zurückzugewinnen. Dieser Wechsel hatte sich im vorliegenden Fall trotz des Restrisikos, das mit einem gerichtlichen Verfahren verbunden blieb, gelohnt. Denn das Gericht verzichtete auf ernsthafte Strafen, die Beteiligten mussten vielmehr nur ein kleines Strafgeld zahlen. Aber für Ölschnitz entscheidend war, dass im eingeleiteten Strafverfahren allgemein verbindlich festgestellt wurde, dass er zum Duell gefordert und Reuter dies abgelehnt hatte. Der zweite hier kurz präsentierte Fall ist in vielerlei Hinsicht spektakulär. Für den im Rahmen dieses Abschnitts interessierenden Zusammenhang zeigt er zweierlei an: Einerseits erfolgte hier die Klage mit dem Ziel, den Ehrenstatus des Gegners nachhaltig zu beschädigen und ihn gerade nicht als ehrenvollen Duellanten, sondern als notorischen Störenfried zu etikettieren. Andererseits zeigt der Fall aber auch, dass der Ausgang gerichtlicher Verfahren nicht immer vorhersehbar war und das Feld der Ehre mit oft unvorhergesehenen Untiefen aufwartete. Das Folgende ereignete sich 1769 in Wismar.166 Wismar – das sei nur kurz in Erinnerung gerufen – war im Ergebnis des Dreißigjährigen Krieges ebenfalls an Schweden gefallen und gehörte bis 1806 als schwedische Enklave in Mecklenburg zu SchwedischPommern. Was war geschehen? Zu Beginn des Jahres 1769 traf ein gewisser Baron Koskull in Wismar ein, ein wohl noch nicht ganz zwanzigjähriger Adliger aus Kurland. Er kam nicht als Fremder, vielmehr war er mit dem bereits in 165 Zum Verlauf siehe: SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/7, [o. Pag.], Stellungnahme Christoph von Ölschnitz u. Sententia, 17. / 27. Juni 1678. 166 Zum Fall insgesamt: SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913.
3. Klagen vor Gericht als Strategie in Ehrkämpfen295
Wismar ansässigen Baron von Butlar bekannt, der ihn dann auch in die Wismarer ‚Gesellschaft‘ einführte. Diese Gesellschaft war ihrerseits nicht sehr groß und umfasste lediglich ein paar Offiziere und landsässige Adlige, die gelegentlich in die Stadt kamen. Besonders schnell war der Kontakt zu einer kleinen Gruppe von Offizieren geknüpft, allen voran zum Fähnrich Andreas Lomberg. Die Offiziere waren offenbar geschmeichelt, nun mit einem Baron zu verkehren und um Koskull diese Wertschätzung zu verdeutlichen, nahmen sie diesen sogleich in den kleinen Wismarer Zirkel der Freimaurer auf,167 deren Logen in Schwedisch-Pommern personell nahezu mit dem Offizierskorps identisch waren.168 Alles in allem lief es also prächtig, zumindest bis Koskull sich eines Tages Lomberg anvertraute und berichtete, dass er an Baron Butlar beträchtliche Summen im Spiel verloren hätte. Lomberg zeigte sich besorgt und riet seinem jungen Freund, sich von Butlar fernzuhalten, da dieser sein offenbar nicht unbeträchtliches Vermögen zu großen Teilen beim Kartenspiel zusammengetragen hatte.169 Mit diesem freimütigen Ratschlag bewies Lomberg zweifellos Vertrauen und Zuneigung, ließen sich doch derartige Feststellungen durchaus als Form der üblen Nachrede auslegen. Aber offenbar war sich Lomberg seiner Sache sicher. Dies dürfte sich schlagartig geändert haben, als das Gerücht aufkam, Koskull würde ebenfalls beim Kartenspiel betrügen und mit Butlar gemeinsame Sache machen. Lomberg beriet sich nun in seiner kleinen Freimaurerrunde und man kam – menschlich tief enttäuscht – zu dem gemeinsamen Entschluss, dass man den Kontakt zu Koskull abbrechen wolle.170 Doch Begegnungen ließen sich in einer so kleinen Stadt wie Wismar, mit vielleicht 5.000 Einwohnern, nicht völlig vermeiden.171 Wollte man es also 167 SAW,
Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913, Bl. 32a. den Armeelogen in Schweden und Schwedisch-Pommern Önnerfors, Freimaurerei, S. 238–248. 169 SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913, Bl. 32a, b. 170 SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913, Bl. 33b u. 34a. 171 Neuere Arbeiten zur Bevölkerungsgeschichte Wismars fehlen. Schröder verweist in seiner 1743 erschienenen Geschichte der Stadt aber immerhin darauf, dass sich 1670 ca. 1.400 Bürger und damit Haushaltsvorstände in der Stadt befanden, multipliziert man diese Zahl mit 5 – allgemein üblich ist ein Faktor zwischen 3 und 5, die hier vorgenommene Rechnung orientiert sich also eher an der oberen Linie – ergäbe dies eine Einwohnerschaft von ca. 7.000 Personen (zu diesem Faktor Gerteis, Die deutschen Städte in der Frühen Neuzeit, S. 52). 1716, als die Stadt von den Dänen belagert und später auch erobert wurde, ergab eine Zählung sämtlicher in der Stadt befindlicher Personen (vor der Eroberung) 20.000 Männer, Frauen und Kinder, von denen knapp die Hälfte zum Militär gehörte. Diese hohe Bevölkerungszahl ist allerdings als zwischenzeitlicher Ausreißer zu bewerten, denn nach der Belagerung wurde das Militär wieder abgezogen. Eine Zählung von 1720 ergab dann nur noch 168 Zu
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
nicht zum öffentlichen Eklat kommen lassen, war man schon aufgrund der gesellschaftlichen Stellung Koskulls und Butlars gezwungen, einander mit der nötigen Höflichkeit zu begegnen und so hielt man es dann auch. Als schließlich der Tag von Koskulls Weiterreise gekommen war, lud Butlar Lomberg und seine kleine Freimaurerrunde zur Verabschiedung Koskulls zu sich ein. Und als man so beieinander stand und plauderte, erklärte Butlar plötzlich gegenüber Lomberg: „ich höre man spricht viel von mir hinter meinen Rücken, das ist aber hundvöttisch, denn wer was von mir will, muß es mir in die augen sagen“.172 Diese etwas kryptische Aussage verstand Lomberg nicht recht und daher fragte er zunächst noch ganz arglos nach: „H. Baron es müste ein schlechter Mensch seyn, der einem jeden das nicht in die augen sagen sollte, was er in seiner abwesenheit saget, belieben Sie sich also deutlicher zu erklären, was, und zu wen, und von wem zu ihrem Nachtheil hinter ihrem Rücken gesagt worden.“173 Die Auskunft, die Butlar nun gab, dürfte Lomberg voller Schrecken an den seinerzeit Koskull gegebenen guten Rat erinnert haben, denn Butlar berichtete, dass man ihn unter anderem gegenüber dem Herrn von Bohten des Falschspielens bezichtigt hätte. Lomberg beeilte sich also, gegenüber Butlar mehrfach zu versichern, dass er Herrn von Bothen keine solche Information gegeben hätte. Als man schon fast beim Abschied war, versicherte Lomberg dies nochmals, aber nun hörte Koskull diese Versicherung mit an und war empört. Ob diese Empörung gespielt oder echt war, ist nicht mehr zu entscheiden, Lomberg vermutete später, dass die folgenden Ereignisse vorab zwischen Koskull und Butlar verabredet worden waren. Die durchaus überraschenden Aktionen der beiden legen eine solche Vermutung auch durchaus nahe, wenngleich ein Entscheid in der Sache natürlich nicht möglich ist. Jedenfalls schlug Koskull, als er die neuerliche Versicherung Lombergs gegenüber Butlar mit anhörte, seinen früheren Freund auf die Ohren. Als dieser weitere Schläge mit dem Spazierstock abzuwehren suchte, den er gerade in der Hand hielt, sprang Butler zwischen die beiden Streitenden, rief: „hier sind die Pistolen“ und erklärte stürmisch, Koskull und Lomberg müssten die Sache in einem Pistolenduell ausmachen.174 Nun trat Leutnant Muhrat hinzu und befahl im Namen seiner königlichen Majestät Frieden, worauf sich Lomberg seinem Angeben nach sofort beruhigte. Nach kurzer 800 Bürger, was einer Gesamtzahl von etwa 4.000 Einwohnern entsprechen würde. Schröder, Kurtze Beschreibung der Stadt und Herrschafft Wismar, S. 68 f. Die Einwohnerzählung im Jahre 1819 ergab dann, dass in Wismar 7.855 Personen lebten. Auf diese Einwohnerzählung und deren Ergebnis verweist Decker, Wismar 1665, S. 109. 172 SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913, Bl. 36b. 173 SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913, Bl. 37a. 174 SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913, Bl. 38a.
3. Klagen vor Gericht als Strategie in Ehrkämpfen297
Pause erklärte er dann aber, dass er die Sache anzeigen wolle, woraufhin Butlar meinte, nur „alte Weiber klagen“. Derart beschimpft, rechtfertigte sich Lomberg sogleich damit, dass ihm „die gantze Armee in letzten Kriege“ für seine „Courage zeugniß geben“ könnte. Aber der Baron von Butlar erwiderte mit Verweis auf ein früher von ihm selbst ausgetragenes Duell nur höhnisch: „Ja der Obrist Leutnant“, wer hier genau gemeint war, bleibt leider unklar, „rühmte sich auch, wie viele Canonen er gehört hätte“, aber zum Nachweis hätte er sich eben „dennoch mit mir schiessen“ müssen.175 Derart zurechtgewiesen und unter Zugzwang, erklärte Lomberg plötzlich, bevor er zum Duell antrete, wolle er wissen, ob Koskull seinen Adelstitel zu Recht führe. Zweifellos hoffte Lomberg auf diese Weise Zeit zu gewinnen. Allerdings löste diese Forderung tumultartige Zustände aus, aber schließlich gingen Koskull und Butlar doch auf die Forderung Lombergs ein. Noch an Ort und Stelle bürgte Butlar für die Standesherkunft Koskulls mit seinem ganzen Besitz und Koskull versicherte, dass man sich in der nächsten Woche in Grevesmühlen, einem kleinen, etwa 20 Kilometer von Wismar entfernten Mecklenburger Städtchen treffen könne und er – Koskull – dann seine Papiere dabei hätte. Damit war die Situation zunächst beruhigt. Koskull reiste ab, Lomberg erhob keine Klage, wartete allerdings eine Woche später vergeblich auf Koskull und den versprochenen Nachweis seiner adligen Geburt.176 Doch damit war der Konflikt noch immer nicht zu Ende. Denn als Lomberg einige Wochen später in einem Gasthof auf Butlar traf, kam es zwischen beiden schnell zum Streit. Den Auftakt machte diesmal Lomberg, der mit Blick auf den Streit bei der Verabschiedung Koskulls erklärte: „Hr Baron Sie sind an allem Schuld, Sie haben die Sache selbst ausgebracht, und den Koskohl für einen würcklichen Baron und ihren vetter177 ausgegeben, ja sogar dafür ihre Ehre und alle güter zum Pfande gesetzet, und nun veroffenbahret sich doch zur Genüge, daß er ein schlechter Mensch und Taschenspieler sey“.178 Darauf rief der Baron: „das sagt ein …(sic!)“179, weitere Beschimpfungen folgten und schließlich gerieten beide so in Rage, dass sie die Degen zogen und Lomberg sich am Ende nur noch durch einen beherzten Sprung durch das Fenster retten konnte. Dieser Konflikt, der ja durch die Schimpftiraden Lombergs begonnen worden war, wurde nun von Butlar zur Anzeige gebracht. Im Zuge dessen zeigte er gleich noch die äl175 SAW,
Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913, Bl. 38a–39a. Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913, Bl. 40a. 177 Angezeigt ist mit der Bezeichnung als Vetter keine wirkliche Verwandtschaft, sondern eine Freundschaft oder nähere Bekanntschaft unter Standesgleichen. 178 SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913, Bl. 41a, b. 179 SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913, Bl. 41b. 176 SAW,
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
tere Auseinandersetzung zwischen Lomberg und Koskull an, wodurch sich Lomberg dem Vorwurf ausgesetzt sah, ein notorischer Störenfried zu sein. In dem daraufhin eingeleiteten gerichtlichen Verfahren sah es für Lomberg zunächst gar nicht gut aus. Umso größer dürfte die Überraschung für alle Beteiligten gewesen sein, als die ganze Angelegenheit erneut eine drastische Wendung nahm: Lomberg hatte sich nämlich bei Vertretern des kurländischen Adels nach dem Lebenswandel Koskulls erkundigt und im November 1769 ging endlich ein Schreiben aus Kurland ein. In diesem versicherten vier Vertreter des kurländischen Adels eidesstattlich, dass es sich bei jenem in Wismar aufgekreuzten Koskull nicht um einen Vertreter des kurländischen Adelsgeschlechts Koskull handeln würde,180 sondern um den Studiosus und Pfarrerssohn Hollenhagen, der aus einem kleinen kurländischen Dorf stammte und schon seit einiger Zeit in Pommern und Mecklenburg sein Unwesen als Baron Koskull treibe.181 Mit diesem Paukenschlag gewann Lomberg plötzlich und unerwartet die Oberhand im Verfahren. Denn der Anlass des Streits mit Butlar – die Bezichtigung, dass dessen Bekannter ein Betrüger sei – erwies sich plötzlich als berechtigt und damit hatte Lomberg die Wahrheit gesagt und keine Injurien ausgestoßen. Zugleich führte die Aufdeckung der wahren Identität Koskulls natürlich dazu, dass Butlar nachhaltig diskreditiert war, hatte er doch den falschen Baron in die Wismarer Gesellschaft eingeführt und für ihn gebürgt. Angesichts des kurländischen Schreibens stellte das Gericht schließlich auch die Untersuchung der Auseinandersetzung von Lomberg und Koskull alias Hollenhagen ein, denn hier war das Gericht nun gar nicht mehr zuständig, da Koskull nach schwedischem Recht ohne seinen Adelstitel auch nicht unter das Duellmandat fiel und die erhobene Klage damit hinfällig war. Dieser Ausgang des Verfahrens dürfte Lomberg außerordentlich erleichtert haben. Aber dies ist für die hier verfolgte Blickrichtung nicht der entscheidende Punkt: Entscheidend ist vielmehr, dass in diesem Fall neben Duellen, Duellforderungen und verbalen Attacken das gerichtliche Verfahren eine ganz selbstverständlich genutzte Strategie war; wenngleich diese Strategie aus der Sicht Butlars letztlich nicht in der wohl erhofften Weise aufging und für Lomberg einen recht unerwarteten Erfolg brachte. 180 Zu
348.
diesem Geschlecht Stavenhagen, Genealogisches Handbuch, Bd. 1, S. 328–
181 SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 913, Bl. 89a. Das Dokument wurde von Ernst Wilhelm von der Brüggen, Johann Gerhard von den Brücken, Ernst Johann Fircks und Werner Friedrich Behr, allesamt Vertreter des kurländischen Uradels, unterzeichnet. Zu den Familien Brügge und Fircks siehe Stavenhagen, Genealogisches Handbuch, Bd. 1, S. 17–38 u. 56–90; zur Familie Behr Stavenhagen, Genealogisches Handbuch, Bd. 2, S. 767–811.
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Mit einem letzten Beispiel soll schließlich aufgezeigt werden, dass entsprechende Klagen auch als ehrenrettendes Gegenmittel zum Einsatz kamen, wenn eine Partei durch die andere erheblich erniedrigt und die Ehre des unterlegenen Parts daher nachhaltig beschädigt worden war. Häufig wurde in diesem Zusammenhang der Vorwurf erhoben, der triumphierende Gegner habe unehrlich gekämpft. Dies war auch in dem im Folgenden geschilderten Konflikt der Fall, der weiter oben im Rahmen der Überlegungen zu den Akteursgruppen bereits kurz Erwähnung fand. Der Konflikt ereignete sich Ende August 1713 in Stettin und aneinander geraten waren Kapitän Fricken und Fähnrich Sydow. Ausgangspunkt war eine Bemerkung Frickens, der bei einem Gottesdienst in der Stettiner Marienkirche erklärt hatte, dass die Fähnriche im Unterschied zu den Kapitänen nicht berechtigt sein sollten, das Kirchengestühl zu benutzen. Dies untermauerte er zunächst dadurch, dass er Fähnrich Sollebrey an den Hals Griff und ihn aus dem Gestühl schob. Als Fricken später seine abfällige Bemerkung über die Anwesenheit der Fähnriche wiederholte, fühlte sich der neben ihm stehende Fähnrich Sydow angesprochen und erklärte, dass ihm gar nicht bewusst wäre, dass das Gestühl den Kapitänen vorbehalten sei. Da Fricken zu dieser wohl zutreffenden Bemerkung offenbar kein passender Kommentar einfiel, entgegnete er nichts, den ersten Schlagabtausch hatte angesichts der Sprachlosigkeit Frickens also Sydow gewonnen, ein Sieg, den alle anderen Offiziere im Gestühl registriert haben dürften. Dies ärgerte Fricken natürlich und so hoffte er am nächsten Tag, als beide zufällig im Haus des Gouverneurs aufeinandertrafen, seine Niederlage durch eine neuerliche Attacke auszumerzen. Der später vor Gericht von Sydow dargestellte Verlauf dieser Begegnung kann dabei als idealtypische Reinszenierung des Geschehenen als unehrlicher Kampf gelten, dessen Eskalationsschritte dabei so idealtypisch wie einseitig verliefen: Zunächst zog Fricken Sydow am Arm auf den Flur des Gouverneurssitzes hinaus und fragte ihn, wieso er gestern in der Kirche so ein „naßweis maul“ gehabt hätte. Sydow erklärte daraufhin, dass seine Rede in der Kirche keineswegs „naßweis“ gewesen sei, verbat sich solche Behauptungen und ging davon. Doch Fricken ließ ihn nicht einfach ziehen, sondern folgte ihm und als er ihn eingeholt hatte, erklärte er erneut, dass Leutnants und Fähnriche nicht die gleiche Reputation wie Kapitäne hätten, vielmehr seien sie „allzeit zu naßweiß, Sie mochten sich doch nur in Jhren graden vor sich halten“182. Sydow entgegnete, dass sich die anderen Offiziere ganz offensichtlich nicht an den Rangunterschieden stören würden, da er mit den meisten Umgang habe und setzte noch hinzu, dass Fricken, wenn er keinen Umgang mit ihm haben wolle, es doch einfach sein lassen sollte. Nach diesen Worten ging Sydow abermals davon. 182 LAG,
Rep. 31, Nr. 389, Bl. 21a, b.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
Aber damit gab sich Fricken natürlich nicht zufrieden und so rief er ihm nach: „so gehet auch mit dem Büttelknecht aus“.183 Mit dieser schwerwiegenden Beleidigung184 markierte Fricken deutlich, dass ihm der Sinn nach mehr stand und eigentlich hätte nun eine entsprechend drastische Reaktion Sydows folgen müssen. Doch Sydow ging – jedenfalls behauptete er dies später – auch dieses Mal weiter. Fricken eilte hinterher und markierte selbst die nächste Eskalationsstufe, indem er seinem Gegner nun mit dem Stock hart ins Gesicht schlug. Diesen massiven körperlichen Übergriff konnte Sydow nun offenbar nicht mehr ignorieren und nachdem er sich so lange und so einseitig schiedlich und friedlich gezeigt hatte, zückte Sydow den Degen und es kam zum Kampf. Sydow gab später vor Gericht an, dass er Fricken zunächst entwaffnet habe, diesen Moment der Überlegenheit aber nicht genutzt hätte, sondern auch dieses Mal einfach weiter gegangen wäre. Auf diese Weise markierte Sydow nochmals die eigene Friedfertigkeit und inszenierte sich zugleich als ehrlicher und geschickter Kämpfer, was gerade mit Blick auf den weiteren Verlauf des Kampfes als der Versuch einer positiven Selbstdeutung als Offizier erscheint. Denn nach dieser Episode wendete sich das Blatt und als Fricken Sydow erneut attackierte, überwältigte er diesen. Nach einigen Rangeleien am Boden hielten sich die Kontrahenten zunächst gegenseitig bei den Degen, so dass eine Pattsituation eingetreten war. Sydow schlug Fricken daher vor, dass beide zugleich den Degen des Anderen loslassen könnten. Fricken stimmte diesem Vorschlag auch zu, ließ aber im Unterschied zu Sydow nicht wie verabredet los, so dass er seinen Degen wieder frei hatte und Sydow auch noch am Degen hinter sich herziehen konnte, der seinen Degen nicht verlieren und daher auch nicht loslassen wollte. In diesem, für Sydow zweifellos entehrenden Aufzug ging man nun zu dessen Quartier und damit zugleich in die Öffentlichkeit der anderen Offiziere. Beim Quartier angekommen, verlangte Fricken, dass Sydow vor den anwesenden Offizieren erklären solle, er habe ihn „honett tractiret“,185 doch Sydow verweigerte dies. Nach erneutem Gerangel gelang es Fricken schließlich, Sydows Degen gänzlich zu erringen und er machte sich damit davon. Der Verlust des Degens war zweifellos eine weitere, nachhaltige Demütigung für Sydow und alles in allem war dieses zweite Zusammentreffen damit eine ausgesprochen markante Niederlage für Sydow, die dessen 183 LAG,
Rep. 31, Nr. 389, Bl. 22a. Büttelknecht gehörte nach weit verbreiteter Vorstellung zur Gruppe der Unehrlichen und damit galt die Gemeinschaft mit ihm als nachteilig für den Ehrenstatus derer, die mit ihnen Umgang hatten. Zur Sicht auf Scharfrichter, Büttel und deren Knechte Wilbertz, Scharfrichter und Abdecker, S. 287–334; Roeck, Außenseiter, S. 106 f.; Nowosadtko, Scharfrichter und Abdecker, bes. S. 292–310. 185 LAG, Rep. 31, Nr. 389, Bl. 23a. 184 Der
3. Klagen vor Gericht als Strategie in Ehrkämpfen301
Ehrenstatus gerade vor den anderen Offizieren nachhaltig beschädigt haben dürfte. Angesichts dieses so ungünstigen Ergebnisses der Auseinandersetzung mit Fricken erhob Sydow gegen seinen Kontrahenten beim Kriegsgericht Klage. Ziel dieser Klage war es, das Vorgehen Frickens vor Gericht als unehrliche Gewalt zu reinszenieren. Dem entsprechend waren in der Darstellung Sydows die Rollen klar verteilt: Während er selbst sich durch Schlagfertigkeit (in der Kirche und auch noch zu Beginn der zweiten Begegnung), Friedfertigkeit (mehrfaches Weitergehen) und kämpferische Geschicklichkeit (die zunächst erfolgte Entwaffnung Frickens) auszeichnete, wurde Fricken nicht nur als notorischer Unruhestifter dargestellt, sondern eben auch als unredlicher Kämpfer, der ihn nicht nur von hinten geschlagen hatte, sondern auch entgegen der Vereinbarung den Degen Sydows in der Hand behielt. Nur dieses unredliche Verhalten – so lässt sich aus all dem schließen – hatte nach Sydows Sicht auf die Ereignisse letztlich zu seiner Niederlage geführt. Ziel der vor Gericht formulierten Reinszenierung war es also offenbar, den Triumph Frickens als Ergebnis eines hinterhältigen und damit ehrlosen Vorgehens zu einem schändlichen Sieg und damit letztlich zu einem durch und durch ehrlosen Akt umzudeuten. Dadurch wäre die eigene schmachvolle Niederlage zugleich zu einem heimlichen Sieg des ehrlichen Kämpfers geworden. Allerdings folgte auf die eingereichte Klage kein Prozess, was wohl in erster Linie den militärischen Ereignissen geschuldet war, da Stettin zu dieser Zeit anhaltend belagert wurde und später sogar von den schwedischen Truppen geräumt werden musste.186 Offen bleiben muss auch, wie sich die Ereignisse in der Version Frickens lesen, denn seine Sicht auf die Ereignisse ist in den Gerichtsakten nicht enthalten. Aber deutlich erkennbar ist auch so, dass Sydow die Anzeige bei Gericht für sich als Chance nutzen wollte, seine angegriffene Ehre und Reputation wiederherzustellen. Insgesamt zeigen die verschiedenen Beispiele, dass im Fall gekränkter Ehre keineswegs zwingend mit einer Duellforderung reagiert werden musste. Das Duell hat letztlich nur als eine Möglichkeit unter verschiedenen Optionen zu gelten, die eigene Ehre ins rechte Licht zu setzen oder in einem Ehrkonflikt die Oberhand zu behalten. Als mögliche Alternativen oder Ergänzungen zum Duell haben die vorgestellten Formen der Justiznutzung zu gelten, die bemerkenswerter Weise erst durch die Bestimmungen in den Duellmandaten möglich wurden. Dass gescheiterte Duellforderungen oder Duelle von den Protagonisten gerichtlich nachbereitet wurden, macht dabei zweierlei deutlich. Zum einen, dass das frühneuzeitliche Duell offenbar nicht unbedingt eine konfliktlösende Wirkung hatte und die strei186 Thiede,
Chronik, S. 787–791.
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V. Konflikttypen und Konfliktlogiken
tenden Parteien im Ergebnis der Kämpfe also keineswegs miteinander versöhnt sein mussten. Zum anderen wird deutlich, dass Duellforderungen nur eine bedingte Verbindlichkeit besaßen, was zumindest von der zurückgewiesenen Konfliktpartei im Einzelfall als problematisch angesehen und gedeutet wurde. Im Ergebnis dieses Kapitels ist damit noch einmal zu betonen, dass das frühneuzeitliche Duell insgesamt eine ausgesprochen unterschiedlich genutzte, ausgeführte und auch verstandene Strategie in Ehrkämpfen war. Eine einheitliche Definition des Phänomens verbietet sich daher nicht nur, weil es im Untersuchungsgebiet vor dem 19. Jahrhundert noch keinen festen Duellkodex gab, der Ablauf und Form der Kämpfe regulierte. Vielmehr verbietet sich eine einheitliche Definition auch, weil die Formen der strategischen Nutzung, aber ebenso der jeweiligen Deutung konkreter Kämpfe ein enormes Spektrum aufwiesen.
VI. Die Historisierung eines Phänomens: Zur Erfindung der Geschichte des Duells Im Folgenden wird die in der Einleitung dieser Studie bereits angesprochene, ausgesprochen folgenreiche historische und historisierende Umdeutung des Duells um 1800 noch einmal aufgegriffen und zum zentralen Thema erhoben. Einzubetten ist diese Umdeutung in den übergreifenden Befund, dass im 17. und 18. Jahrhundert innerhalb literarischer, theologischer, enzyklopädischer und später dann auch historiografischer Beschreibungen des Duells häufig ganz andere Szenarien und Inszenierungsmuster präsentiert wurden, als dies in der Gewalt- und auch Gerichtspraxis der Fall war. In einer bemerkenswerten Vielfalt finden sich Beschreibungen formalisierter, regelhafter Duellabläufe – etwa in theologischen Traktaten des 17. Jahrhunderts oder aber in den aufklärerischen Antiduellschriften einhundert Jahre später. Neben kuriosen Duellexempeln finden sich juristische Systematisierungen und römischrechtliche Herleitungen, pathetisch-dramatischen Duellinszenierungen in Theaterstücken und mitunter auch solche Beschreibungen von eher unformalisierten Gewaltakten, die als Duelle bezeichnet wurden. Diese Vielfalt an Beschreibungsvarianten hatte dabei neben- und miteinander Bestand, ohne dass dies für die Zeitgenossen zu erkennbaren Problemen führte. In diesem ungestörten und unverbundenen Nebeneinander der Beschreibungsmodi in den verschiedenen Texttraditionen stand die Wiege der Historiografie des Duells. Im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts lässt sich dabei eine folgenreiche, diskursive Engführung beobachten, die die ‚Geschichte des Duells‘ letztlich bis heute mitbestimmt. Ziel der nachstehenden Überlegungen ist es, diese neuordnende Geschichtstransformation1 aufzuspüren und exemplarisch zu diskutieren. Die Darstellung folgt dabei einer groben chronologischen Ordnung. Allerdings lässt sich angesichts der vielfältigen Abund Umschreibeprozesse wie auch der in aller Regel nicht markierten Übersetzungen ins Deutsche nicht immer sicher bestimmen, wann und wo einzelne Erzählmuster und historiografische Versatzstücke erstmals aufkamen. Ein Argumentieren mit exakten Zahlen und Zeitfenstern ist daher kaum sinnvoll, doch dies ändert freilich wenig an den generellen zeitlichen Linien. 1 Konzeptionelle zum Phänomen von Geschichtstransformationen, i. S. einer Aneignung und Umdeutung historischer Erfahrungen und Phänomene, siehe jetzt Ilgner u. a., Geschichtstransformationen.
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VI. Die Historisierung eines Phänomens
1. Von Teufeln, Barbaren und biblischen Helden In der Mitte des 17. Jahrhunderts waren sich zumindest die Theologen einig, dass das Duell schändlich und allen christlichen Geboten zuwider sei und daher auch teuflischen Ursprungs sein müsse. Und so lamentierte etwa der Chemnitzer Superintendent Zachaeus Faber 1625 in seiner „Warnungsschrifft wider die Duella“, dass es dem Teufel und seinen Anhängern gelänge, den Kämpfen „ein solch Mäntelein vmb[zu]hengen / vnd eine solche Hurenschmincke an[zu]streichen“, dass sie den Streitenden nicht mehr als „Sünde vnd Vnrecht“, sondern als „Tugend / eine Mannheit“, ja geradewegs als adlig-edelmütige Tapferkeit (generosa fortitudo) erschienen.2 Aber eigentlich waren die Duelle – so Faber – ein rechtes „Mordwesen“ des Satans und dagegen wollte er predigen. Dieser Verweis auf den teuflischen Ursprung des Duells in den frühen theologischen Schriften gegen das Duell verweist dabei – und dies ist aus meiner Sicht zentral – auf ein Verständnis des Duells als etwas schon immer Dagewesenes. Aus einer solchen Perspektive stellte sich die Frage, wo das Duell geografisch zuerst aufgekommen und entstanden war, letztlich nicht.3 Diese metaphorische Herkunftserzählung blieb gerade in theologischen Auseinandersetzungen mit dem Duell lange Zeit präsent.4 Im Laufe der Zeit wurde der teuflische Wegbereiter dann allerdings zum literarischen Motiv. Der Teufel begleitet nun mit unterschiedlichsten Unterstützern die wankelmütigen Duellanten auch ganz persönlich zum Kampf.5 Eine deutliche Nähe zum teuflischen Ursprung des Duells weist die Behauptung auf, dass das Duell in barbarischen, unchristlichen Völkern ent2 Faber,
Antimonomachia, Bl. Aiib. Duellverständnis wurde bereits im Kontext der frühen Duellmandate greifbar. Siehe Kap. III. 1. in dieser Arbeit. 4 Siehe etwa Schmit, Mordspiegel, Vl., Bl. D a oder Strimesius, Die Unchristi ligkeit und Unvernunfft des Duellirens, S. 8. Ein spätes Beispiel liefert Melissantes, Gemüths vergnügendes historisches Hand-Buch, S. 350. 5 So begleiten ‚Belial‘ und seine Tochter ‚Bellonia‘ in der Duell-Tragödie von Ireneus Friedlieb Pomeranus (Pseudonym) einen Edelmann und einen Studenten über alle Zweifel, Ängste und die Mahnung des Pfarrers hinweg bis zum Duell. In diesem wird der Edelmann getötet und der Student tötet sich aus Schuldgefühl anschließend selbst. Friedlieb Pomeranus, Duell-Tragaedi. Bei Faber, Antimonomachia, Bl. Hia, b, bot sich der Teufel vor allem Soldaten als Unterstützer für magische Formen des ‚Festmachens‘ oder aber der Herstellung sicher treffender Kugeln an. Vgl. zu diesen Praktiken, die noch bis in das 18. Jahrhundert bedeutsam bleiben sollten, Ludwig, Der Zauber des Tötens; Funke, ‚Naturali legitimâque Magica‘ oder ‚Teufflische Zauberey‘?. Dass magische Praktiken unter Duellanten auch zur Anwendung kamen, zeigt die Leichenpredigt auf Friedrich Carl Bose. Dessen Gegner hatte sich nämlich einer magisch präparierten Kugel bedient, dies geht jedenfalls aus den mit abgedruckten Gerichtsakten hervor. Olearius, Der glückseelige Zustand der Gerechten, Kurtzer Extract aus denen Actis, Bl. a2b. 3 Dieses
1. Von Teufeln, Barbaren und biblischen Helden305
standen und von dort – wie auch immer – in das christliche Europa ‚eingeschleppt‘ worden sei. So erklärte 1665 der Dresdner Oberhofprediger Martin Geier in einem Gutachten, dass das Duell „von barbarischen und unchristlichen Völckern seinen ursprung genommen“ habe und zwar von „Lombarden, Moscowitern, Rußen, Ungern etc.“6 Und auch wenn sich Russen und die meisten Ungarn wohl durchaus als Christen verstanden, so waren sie aus der Perspektive deutscher, lutherischer Prediger offenbar so weit entfernt und so fremd, dass man ihnen eine derart ‚barbarische‘ und ‚unchristliche‘ Sitte wie das Duell zutraute. Diese Idee wurde auch in einigen frühen Duellmandaten aufgegriffen.7 Allerdings erlangte der Rückgriff auf die ‚Barbaren‘ als Deutungsmuster langfristig keinen nennenswerten Einfluss. Aber immerhin lässt sich aus dieser Herkunftsdeutung vorsichtig schlussfolgern, dass die Verfasser der Texte das Duell bereits als etwas spezifisch Anderes und nicht mehr als etwas schon immer Dagewesenes konzeptualisierten, weshalb dessen Herkunft auch erklärungsbedürftig wurde. Bemerkenswert ist, dass jenseits dieser Hinweise auf einen ‚barbarischunchristlichen‘ Entstehungskontext in Russland, Ungarn und bei den einstmals immerhin in Italien ansässigen Lombarden eine dezidiert frühneuzeitliche Ursprungs- und Verbreitungsgeschichte des Duells fehlte. Ersetzt wurde diese europäisch-frühneuzeitliche Dimension in gewisser Weise durch die Tradierung von Exempeln. Berichtet wurde dabei von spektakulären Duellen in England, Frankreich, Spanien, Italien oder den Niederlanden, der Fokus lag damit deutlich auf jenen europäischen Mächten, die im 17. und 18. Jahrhundert zentrale Bezugs- und Orientierungspunkte für die gebildete deutsche Leserschaft bildeten.8 So führt etwa Johannes Riemer in seiner 1681 erstmals erschienenen Lustigen Rhetorica9 das ‚sachgerechte‘ Schrei6 SächsHStA Dresden, 10024, Loc. 9992/7 [o. Pag.], 1. Aktenstück: „Gewissens Frage: Ob eine Christliche hohe Landesobrigkeit ihren Vasallen verstatten könne, in wichtigen streitigkeiten oder Injurienhändeln durch ein duell die sache beizulegen?“ von Martin Geier, Dresden, den 17. Juli 1665, Punkt 15 f. Ähnlich argumentiert auch Sircks, Warnungs Predigt, S. 141 f. 7 Vgl. etwa: Sachsen-Gothaer Duellmandat 1646, S. 1093; Duellmandat Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel 1646, S. 1139. Siehe dazu auch die Hinweise in Kap. III. 1. in dieser Arbeit. 8 An dieser Stelle sei nur exemplarisch verwiesen auf Abelinus u. a., Theatrum Europaeum; Melissantes, Gemüths vergnügendes historisches Hand-Buch, S. 350– 359; Zedler, [Art.] Zweykampf, Selbst-Kampf, Balgen und Rauffen, oder Duell. Zahlreiche dieser Beispiele finden sich zudem in verschiedenen Werken wieder, ein Befund, der wesentlich auf den Umstand zurückzuführen ist, dass es üblich war, einander zu kopieren. 9 Riemer, Lustige Rhetorica. Der Band erlebte mehrere Auflagen. Eine zweite ist 1682 ebenfalls bei Christian Forberger in Merseburg erschienen. Daneben findet sich eine zumindest im Titel als fünfte Auflage bezeichnete Ausgabe, die 1717 in
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VI. Die Historisierung eines Phänomens
ben von Kartellen und entsprechender Antwortschreiben unter anderem an zwei Duellen vor. Das eine, wahrscheinlich fiktive Duell spielte sich 1619 in Valencia auf einer Hochzeitsgesellschaft ab und war ein Scheinduell zwischen den Rittern Gaston Cibo und Roderich Casporo.10 In seinem zweiten Beispiel berichtet Riemer von dem 1613 in Paris stattgefundenen Duell zwischen dem Herzog von Guise – gemeint war wohl Charles de Lorraine, der vierte Duc de Guise – und Charles de Malain Baron de Lux.11 Der historische Hintergrund dieses Beispiels wurde in der Darstellung dabei weitgehend ausgeblendet, denn ganz offensichtlich ging es Riemer neben der vergnügten Lektüre vor allem um die Präsentation formvollendeter schriftlicher Ausforderungen und deren sachgerechter Beantwortung. Für eine praktische Anwendung dürften die formulierten Schriftstücke angesichts der eher ungewöhnlichen Beispielfälle allerdings kaum gedacht gewesen sein. Neben dieser Rhetorik – die zweifellos einen ungewöhnlichen Ort für die Präsentation von historischen Duellen darstellt – finden sich exemplarische Duellfälle aus Europa vor allem in jenen historiografischen Werken, die zur Unterhaltung für ein breites Publikum veröffentlicht und mitunter auch erst später ins Deutsche übertragen wurden. So wird etwa in den Niederländischen Historien Emanuel von Meterens das Duell zwischen Sir George Wharton und Sir James Stuart im Jahr 1609 beschrieben, bei dem beide starben.12 Dieses Exempel wurde vereinzelt sogar von Theologen für ihre Argumentation aufgegriffen.13 In Jacques Auguste de Thous Historia mei temporis findet sich unter anderem die Beschreibung des letzten, mit königlicher Bewilligung ausgetragenen Duells, das 1547 zwischen Guy Chabot de Jarnac und François de Vivonne de la Châtaigneraie stattfand und an dessen Folgen Letzterer starb.14 Fanden sich in diesen beiden Schriften nur einzelne Duelle beschrieben, so wurden im Theatrum Europaeum über die verLeipzig bei Johann Herbord Kloß erschien. Weitere Ausgaben zwischen 1682 und 1717 sind allerdings nicht nachweisbar. 10 Riemer, Lustige Rhetorica, § LXXXI–LXXXVI. 11 Riemer, Lustige Rhetorica, § LXXXVII–XCIII. Diesem Duell ging ein weiteres voraus, nämlich zwischen Edme de Malain, Baron de Lux – dem Vater von Charles de Malain – und François Alexandre Lorraine Chevalier de Guise – einem Bruder von Charles de Lorraine. Den – bei Riemer nicht erwähnten – Hintergrund für diese Auseinandersetzungen bildeten die Machtkämpfe zwischen verschiedenen französischen Adelsparteien in den Religionskriegen und konkret die 1588 auf Befehl des Königs erfolgte Ermordung seines Vaters Heinrich de Guise. An diesem Tod hatte Edme de Malain offenbar seinen Anteil. 12 Meteren, Niederländische Historien, S. 119. 13 Sircks, Warnungs Predigt, S. 142–144. 14 Thou, Historische Beschreibung deren namhafftigsten geistlichen und weltlichen Geschichten, S. 85.
1. Von Teufeln, Barbaren und biblischen Helden307
schiedenen Bände verstreut zahlreiche Duelle geschildert, die sich an den verschiedensten europäischen Schauplätzen ereigneten.15 Allerdings weisen diese Exempel auch hier nicht auf eine wie auch immer geartete Systematisierungs- und Typisierungstendenz hin. Vielmehr lassen sie sich als unterhaltsame Geschichtchen in den breiten Strom der in dieser Zeit so beliebten Präsentation von Kuriositäten, Denk- und Merkwürdigkeiten einordnen.16 Neben weniger spektakulären Berichten, wurde auch eine Reihe von wirklich bemerkenswerten Duellszenerien aufgenommen. Für das Jahr 1687 wird etwa berichtet, dass zwei „vornehme Personen“ aus dem Languedoc in Streit gerieten, aber nicht selbst zum Kampf antraten, sondern stattdessen ihre Ehefrauen ein Duell austragen ließen. Diesen ‚Kniff‘ wandten die beiden Männer angeblich an, weil ihre Frauen im Unterschied zu ihnen selbst nicht nach den französischen Duellmandaten bestraft werden könnten. Das Duell soll mit Pistolen ausgetragen worden sein, eine der Frauen starb an Ort und Stelle, die andere ergriff hingegen die Flucht.17 Ebenso kurios war ein Duell, das 1689 in den französischen Niederlanden zwischen vier Franzosen und vier Katalanen18 stattgefundenen haben soll. Der Grund des Streits wird hier ebenso wenig genannt, wie bei den Herren aus dem Languedoc. Berichtet wurde lediglich, dass man sich gestritten und zum Duell verabredet hatte. Vor dem Kampf speisten die acht Herren zunächst 15 So wird etwa in Abelinus u. a., Theatrum Europaeum, Bd. 7 (1651–1657), S. 148, 203, 332, 472, 474, 475, 858–860, über ein Duell im schwedischen Nyköping (1651), ein französisches und ein weiteres schwedisches Duell im Jahr 1652, ein Duell in Rom und eines in Stockholm im Jahr 1653, eines in Paris und eines im niederländischen Breda im Jahr 1655 berichtet. Daneben finden auch drei Duelle im Alten Reich Erwähnung: eines in Regensburg (1653), eines in Magdeburg (1653) und schließlich eines in Wien (1655). Daneben finden sich allerdings auch ganze Bände, in denen von keinem einzigen Duell berichtet wurde. So etwa Abelinus u. a.: Theatrum Europaeum, Bd. 2 (1629– 1632); Bd. 4 (1639–1642); Bd. 8 (1657–1660); Bd. 14 (1691–1695); Bd. 17 (1704– 1706). Zu berücksichtigen ist zudem, dass gerade die ersten Bände des Theatrum Europaeum knapp 40 Jahre nach dem beschriebenen Zeitraum erschienen sind. Eine Umetikettierung einzelner Ereignisse zum Duell ist also nicht ausgeschlossen. 16 Zu dieser Textform siehe den Überblick bei Schock, Wissensliteratur und ‚Buntschriftstellerei‘, S. 3–6. Besonders augenfällig wird dies im Fall von Duellen, die in den Augen der Zeitgenossen wohl in erster Linie kurios erschienen, wie etwa jenes zwischen zwei Frauen in Rotterdam, die sich nach schwerwiegenden, wechselseitigen Beleidigungen nicht nur außerhalb der Stadt zum Kampf verabredet hatte, sondern auch mit eigens für dem Kampf gekauften Messern aufeinander losgingen. Abelinus u. a., Theatrum Europaeum, Bd. 12 (1691), S. 502. Zu Frauenduellen siehe auch: Sokalski, ‚Choose your Weapon‘. 17 Abelinus u. a., Theatrum Europaeum, Bd. 13 (1687–1690), S. 245. 18 Im Text wird von „Roussilianern“ gesprochen. Gemeint sind damit Männer aus dem Roussillon, einer Grenzregion zwischen Frankreich und Spanien.
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VI. Die Historisierung eines Phänomens
gemeinsam, aber ohne ein Wort zu sagen. Nach diesem Essen schickten sie ihre Knechte fort, zogen sich nackt aus und kämpften mit acht vollkommen identischen Degen vier gegen vier zugleich. Nach langem Kampf starben schließlich vier Franzosen und ein Katalane.19 Für die Historisierung und Systematisierung folgenreicher als diese ‚Exempelliteratur‘ war die sich in den verschiedensten Textsorten seit dem Ende des 17. Jahrhunderts nach und nach etablierende, sehr weit zurückreichende ‚Geschichte‘ des Duells: Im Zuge dieser Geschichte bekam das Duell nun biblische und antike Wurzeln. Zurückgegriffen wurde hierbei durchaus auf bereits Bekanntes, nur dass dieses nun als genuiner Teil einer Geschichte des Duells erzählt wurde.20 Den Auftakt machten auch hier die Theologen, indem sie prominente biblische Geschichten als Vergleichsfälle beisteuerten. Wichtig waren vor allem Kain und Abel sowie David und Goliath.21 Boten Kain und Abel kaum positive Anschlussdeutungen,22 der Verweis auf das Brüderpaar diente in erster Linie als Mahnung, lag der Fall bei David und Goliath anders. Hier waren die Theologen bemüht, den grundsätzlich anderen Charakter des Kampfes zu betonen. Denn dieser wurde eben nicht wegen einer privaten Streitigkeit ausgetragen, sondern legitimierte sich als prominenter Einzelkampf von Stellvertretern der Heere und damit als Kampf von öffentlichem Interesse.23 Die Nähe zum mittelalterlichen Herrscherzweikampf ist hier argumentativ bereits angelegt und einige Theologen verweisen dann auch auf entsprechende Beispiele, die allerdings zumeist nicht mehr dem Mittelalter, sondern schon der Frühen Neuzeit zuzuordnen sind. Besonders häufig wurde auf die Zweikampfforderungen zwischen Kaiser Karl V. und dem französischen König Franz I. und die Ausforderung des dänischen König Christian IV. durch den schwedischen 19 Abelinus
u. a., Theatrum Europaeum, Bd. 13 (1687–1690), S. 998. sei dies für David und Goliath nachgezeichnet: Hier gab es, auf mittelalterlichen Traditionen aufbauend, im Laufe des 16. Jahrhunderts neben lateinischen Texten – Gwalther, Monomachia Davidis et Goliae; Wurtzler, Historia Sacra De Davide Et Goliath – einige volkssprachige literarische Verarbeitungen des Stoffes. Siehe etwa Schmeltzl, Ein schöne tröstliche hystoria (1545) oder Lamberg, Comoedia von David und Goliath. Hinzu kommen entsprechende Verarbeitungen des Stoffes in größeren Zusammenhängen. Vgl. dazu Hunger, [Art.] David und Goliath. 21 Mitunter wird auch noch der Kampf Abners mit Joab im Kontext des Duells behandelt. So etwa als Motiv der Predigt bei Müller, Schmertzliche Jammer- und Trauerklage; siehe auch Faber, Antimonomachia, Bl. Fia, b. 22 Auf den Vergleichsfall von Kain und Abel wird etwa verwiesen in Müller, Tractatus, Bl. A3a. 23 Faber, Antimonomachia, Bl. G b–G a; knapp und mit ablehnender Haltung iii iv zur Nutzung dieses Vergleichs Strimesius, Die Unchristligkeit und Unvernunfft des Duellirens, S. 4. 20 Exemplarisch
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König Karl IX. im Jahr 1611 verwiesen.24 Hin und wieder tauchen bei den Theologen auch schon antike Vergleichsfälle auf.25 Aus dem Neben- und Miteinander von biblischen Exempeln, Herrscherzweikämpfen, antiken Heldengeschichten und zeitgenössischen Duellhistörchen präparierte sich um 1700 schließlich langsam eine grundsätzliche Systematisierung heraus, mit der versucht wurde, das Phänomen Duell in all seinen Variationen zu erfassen und abzubilden. Neu war dabei, dass jetzt auch antike Vergleichsfälle herangezogen wurden. Mitunter blieb die Systematisierung eher lose: So erkläre J. D. Müller26 in seinem Tractatus de Duellis zwar, dass „die duella nicht alle von einerley Art“ seien und man daher auch nicht über alle „auf einerley Weise urtheilen“ könne. Im Anschluss findet sich dann aber eher eine lockere Aufzählung von sechs verschiedenen Phänomenen. Neben den müßigen Soldaten, die sich zu allen Zeiten duellierten, um „ihre Stärcke und Kühnheit probieren und sehen zu lassen“, werden als zweiter Typus Schaukämpfe genannt, die zur „Ergötzung der Zuschauer“ stattfanden. Als dritte Form finden römische Gladiatorenkämpfe Erwähnung und als vierte gerichtliche Zweikämpfe als Beweismittel. Der fünfte Typ ist dann der stellvertretende Einzelkampf im Krieg, als Exempel hierfür wird neben der Geschichte von David und Goliath die bei Livius erzählte Legende der Horatii- und Curiatii-Drillinge genannt.27 Die Duelle seiner Zeit begreift Müller schließlich als sechsten Typ.28 24 Von den Theologen dazu etwa Freud, Antimonomachia, oder Gewissens-Fragen, S. 47 f. Zur Zweikampfforderung des schwedischen Königs Riemer, Lustige Rhetorica, § LXXI; bei Zedler, [Art.] Zweykampf, Selbst-Kampf, Balgen und Rauffen, oder Duell, Sp. 1342–1351, finden sich beide frühneuzeitlichen Herausforderungen zum Herrscherzweikampf. Zu den Forderungen Karls V. und Franz I. siehe Emich, Körper-Politik; zu den Herrscherzweikämpfen des Spätmittelalters insgesamt Goez, Über Fürstenzweikämpfe. 25 Siehe etwa Faber, Antimonomachia, Bl. E a–F a u. F b–F a. iv i i iii 26 Es konnte nicht geklärt werden, um wen es sich bei J. D. Müller genau handelte. In jedem Fall verehrte er sein Traktat dem braunschweigisch-lüneburgischen Rat und Kanzler Philipp Ludwig Probst von Wendenhausen (1633–1718) und hoffte auf eine (nicht näher spezifizierte) Anstellung durch dessen Vermittlung. Siehe dazu die Zuschrift in Müller, Tractatus, Bl. A2a, b. 27 Die beiden Brüdertrios entschieden als Stellvertreter für die Römer beziehungsweise Albaner mit ihrem Kampf darüber, ob ihr Volk künftig in Knechtschaft leben würde. Zur Geschichte siehe Kowalewski, Frauengestalten, S. 42–44; Graf, [Art.] Horatii. 28 Müller, Tractatus, Bl. A a, b. Dabei liefert er eine bemerkenswerte ‚Duellde3 finition‘: Das Duell seiner Zeit ist für ihn nämlich ein Kampf, der „unter zweyen vorgehet/unter welchen einer den andern entweder mit Geberden/Worten oder Wercken beleidiget/und deßwegen von dem Beleidigten durch ein Cartel, manifest oder auf andere Weise; auf Pistolen oder Degen ausgefodert (sic) wird/damit angeregter Beleidigte nicht vor zaghafft möge gehalten werden/oder sein guter Nahme/den er
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VI. Die Historisierung eines Phänomens
Doch solche unverbundenen Aufzählungen wurden zunehmend durch eine feste Systematisierung überlagert. Maßgeblich vorangetrieben wurde diese Systematisierungsarbeit nun nicht mehr von Theologen, sondern vor allem von Juristen, die hierfür auf den breiten Strom von Rechtsregeln für die mittelalterlichen Zweikampfformen und römischrechtliche Bestimmungen zurückgriffen. Ausgangspunkt der juristischen Beschäftigung war dabei zumeist der gerichtliche Zweikampf, gelegentlich auch der Zweikampf im Kriegsrecht.29 Das frühneuzeitliche Duell wird in diesen Systematiken hingegen erst mit einer weiten Duelldefinition erfasst. Entscheidend für die Verbreitung dieser Systematisierungen über die Sphäre rechtstheoretischer Debatten hinaus war dann, dass die von den Juristen vorangetriebene Systematisierung Eingang in die gelehrten Lexika der Zeit fand und auf diese Weise eine enorme Breitenwirkung entfalten konnte. Detailliert ausgestaltet findet sich diese Systematisierung der Duellformen im Zweykampf-Artikel bei Zedler. Basis für die darin vorgenommene Systematisierung bildet die 1671 veröffentlichte juristische Dissertation von Enoch Heiland.30 Als Bindeglied zwischen Heiland und dem Zedler fungierte der Duellartikel im Philosophischen Lexikon von Johann Georg Walch, der fast wortwörtlich in den deutlich umfangreicheren Artikel im Zedler übernommen wurde31 (Grafik 4).32 so hoch als das Leben selbsten schätzet/gefährlichen Anstoß leide/auf bestimmte Zeit und Ort/mit biß auf das Hemde ausgezogenen Kleidern/um zu versuchen/wer es dem andern am Geschicke/List/Macht und Tapfferkeit zuvor thue“. Müller, Tractatus, Bl. A3b. 29 Zu diesem kriegsrechtlichen Strang der juristischen Debatten siehe Schrödl, Das Kriegsrecht des Gelehrten Rechts im 15. Jahrhundert, S. 251–289. Die grundsätzliche Ausrichtung am gerichtlichen Zweikampf findet sich noch in den Lexika des 18. Jahrhunderts wieder, hier wurde dieser als Duell im engeren Sinne präsentiert. Entsprechend wurde am Anfang der Artikel im Walch bzw. im Zedler erklärt, Duelle im engeren Sinne seien „pugnam singularem ad probationem veritatis, ita ut vicerit, probavisse intelligatur“. Walch, [Art.] Duell, Sp. 569; Zedler, [Art.] Zweykampf, Selbst-Kampf, Balgen und Rauffen, oder Duell, Sp. 1330. Definition wie auch Systematik in den beiden Artikeln wurden übernommen von Thomasius/Heiland, Problema Politicum De Duellorum, § 14. 30 Die öffentliche Disputation der Dissertation von Enoch Heiland fand unter dem Vorsitz von Jacob Thomasius statt, der daher – wie damals üblich – auch als Erstautor der Schrift genannt ist. Zur Systematik Thomasius/Heiland, Problema Politicum De Duellorum, § 25–48. In deutscher Übersetzung und mit entsprechenden Erläuterungen versehen dann bei Zedler, [Art.] Zweykampf, Selbst-Kampf, Balgen und Rauffen, oder Duell, Sp. 1331–1333. 31 Walch, [Art.] Duell. Darauf, dass das Philosophische Lexikon von Walch nahezu vollständig in den Zedler integriert wurde verweist Schneider, Die Erfindung des allgemeinen Wissens, S. 81. 32 Bezeichnend ist zudem, dass die beschreibende Darstellung der Systematik nach einem Baumdiagramm geordnet ist, ein solches findet sich als Orientierungs-
1. Von Teufeln, Barbaren und biblischen Helden311
Duellum
Duellum praemediatum (verabredet, im beiderseitigen Einverständnis)
Duellum publicum
Duellum extemporaneum (ohne Verabredung, ungeplant)
Duellum privatum
Duellum decretorium (kriegsentscheidend, z. B. Herrscherzweikampf)
zwischen Feinden
Duellum judicale (gerichtlicher Zweikampf)
zwischen Freunden
Duellum extrajudicale
zwischen Fremden
(frühneuzeitliches Duell)
(z. B. Straßenraub)
Duellum prolusorium
Duellum reale (zwischen Feinden, nicht kriegsentscheidend, z. B. David und Goliath)
Duellum angurale (zwischen Kämpfern einer Armee ausgetragener Weissagungskampf)
Grafik 4: Systematik des Duells, erstellt nach der Beschreibung von Jacob Thomasius und Enoch Heiland. hilfe dann auch erstmals im Zedler und zwar am Ende der ausführlichen Erläuterungen zu den einzelnen Typen im Artikel zum Zweykampf. Zedler, [Art.] Zweykampf, Selbst-Kampf, Balgen und Rauffen, oder Duell, Sp. 1333. Dieser Artikel, der 1751 im Band 64 erschien, gehört mit seinen 100 Spalten zu den langen Artikeln im Lexikon. Er hat als umfassende Überarbeitung des sehr knappen, nur 25 Zeilen umfassenden Artikels Zedler, [Art.] Duell oder Zweykampff, zu gelten, der 1735 im Band 7 erschienen war. Beide Artikel dokumentieren damit deutlich das gesteigerte Interesse am Phänomen Duell.
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VI. Die Historisierung eines Phänomens
In den einschlägigen Lexikonartikeln zum Duell wurde diese rechtstheoretische Systematik mit den bekannten Exempeln aus dem theologischen Strang der Auseinandersetzung mit dem Duell kommentiert und illustriert,33 wobei der theologische Traditionsstrang der Diskussion entlang von Exempeln in den Artikeln als Abschnitt über die ‚Moralität‘ der Zweikämpfe firmiert.34 Insgesamt wird mit der in den Lexika präsentierten rechtstheoretischen Systematik und den beigegebenen moralischen Exempeldiskussionen ein bemerkenswert komplexes Phänomen beschrieben. Mitunter finden sich zwar überraschende Zuordnungen, wenn etwa Raubüberfälle als Zweikampfvariante unter dem duellum extemporaneum aufgeführt werden. Doch die insgesamt erkennbare typisierende Aufbereitung des Duells als zeitlich übergreifendes und weit verzweigtes Phänomen ist eine durchaus typische Form der Wissenspräsentation, die im Laufe der Frühen Neuzeit von den wissenschaftlich-gelehrten Abhandlungen in die gelehrte Unterhaltungspublizistik gewandert war.35 Zugleich fällt auf, dass die Systematik zwar de facto weit zurückreichende und so in gewisser Weise historische (Vor-) Formen des Duells integriert, sich aber parallel dazu durch einen überzeitlichen Gestus auszeichnet. Eine genuine ‚Entwicklungsgeschichte‘ des frühneuzeitlichen Duells wird hier noch nicht erzählt. Das frühneuzeitliche Duell war damit Teil eines großen Ganzen, aber eben nicht Produkt einer Weiterentwicklung früherer Zweikampfvarianten. Zugleich war in dieser, im Zedlerartikel exemplarisch greifbaren Beschreibung des Phänomens bereits jene doppelte Sicht auf den Zweikampf beziehungsweise das Duell angelegt, die bis heute für die Wahrnehmung des Phänomens prägend ist. Denn einerseits findet sich ein ausgesprochen weites Duell- oder Zweikampfverständnis, in das sehr vielfältige Ausprägungen integriert wurden, die allerdings fast alle der Zeit bis 1500 zuzurechnen sind. Dem entspricht, dass auch begrifflich nicht zwischen Duell und Zweikampf unterschieden wurde und in den Lexikonartikeln beide Worte syno33 So finden sich die meisten der später präsentierten historischen Beispiele (etwa zu David und Goliath, zu den Herausforderung zu Herrscherzweikämpfen von Kaiser Karl V. und dem schwedischen König Karl IX. und Exempel aus Schriften antiker Autoren) bereits in den theologischen Streitschriften, etwa von Krägelius, Duellum & Bellum, wie auch in der Gegenschrift dazu Leurel, Bellum Inter Christianos minimé bellum. 34 Siehe Zedler, [Art.] Zweykampf, Selbst-Kampf, Balgen und Rauffen, oder Duell, (c) Moralität der Zweykämpffe oder Duelle, Sp. 1333–1366. Im Duellartikel im Walch finden sich keine Zwischenüberschriften, aber er eröffnet den betreffenden Abschnitt mit den Worten: „Vors andere müssen wir auch die Moralität der Duellen untersuchen“. Walch, [Art.]: Duell, Sp. 571–577. 35 Siegel, Tabula, S. 49–90; zur Bedeutung des ‚diagrammatischen‘ Erzählens in der Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts Vogl, Kalkül und Leidenschaft, S. 199 f.
2. Neuordnungen313
nym gebraucht werden. Andererseits wurde die als duellum extemporaneum in der Systematik sogar noch vertretene Variante eines ungeplanten, eher unformalisierten und alltäglicheren Kampfes in den anschließenden Ausführungen und Erläuterungen nicht mehr betrachtet. Das frühneuzeitliche Duell wurde zwar mit einer ‚Ahnenreihe‘ versehen, die ‚Geschwister‘ des Duells fanden in den Darstellungen hingegen nur kurz in der übergreifenden Systematik Erwähnung, um in den Kommentaren dann gänzlich übergangen und vergessen zu werden.36
2. Neuordnungen In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts folgte schließlich eine stärkere Historisierung dieser Systematisierung der Duellformen. Inhaltlich lassen sich in den nun erscheinenden, historiografischen Texten zwei Entwicklungslinien beobachten: Zum einen erfolgte eine teleologische Ausrichtung oder Umordnung der Systematik: Das duellum extrajudicale wurde dabei zu der Form, auf die die Entwicklung hinauslief und für die auch ganz konkrete Vorläufer bestimmt wurden. Im Zuge dessen wurde zum anderen die antike Vorgeschichte zunehmend von einer germanischen abgelöst.37 Für die Präsentation dieser aufklärerischen Duellgeschichte griffen die Autoren dabei – neben einigen aktuellen Beispielen – auf jenen Pool an historischen Exempeln zurück, der schon von den Theologen, Juristen und Enzyklopädisten genutzt worden war.38 Ein frühes Beispiel für diese teleologische Umordnung der Systematik und deren Neuausrichtung auf eine germanischen Vorgeschichte findet sich in Johann Friedrich Camerers Gedanken vom Duelle, eine 1756 in Leipzig erschienene Schrift, die dem dänischen König gewidmet war.39 Neu im Vergleich mit älteren Präsentationen der Geschichte des Duells war hier, 36 Dem entspricht, dass das frühneuzeitliche Duell in diesen gelehrten Betrachtungen kaum gegenüber älteren Formen des Zweikampfs abgegrenzt wurde und man die breite Palette zeitgenössisch präsenter Gewalthändel mit Zweierkonstellation einfach ausblendete. 37 Dieser Wechsel folgte dem allgemeinen Zeitgeist, denn innerhalb der Historiografie der Aufklärung löste sich die Vorstellung vom Altertum von einer expliziten jüdischen, griechischen und römischen Geschichte und drang in neue Räume vor. In Italien wurde etwa die Geschichte der Etrusker entdeckt, nördlich der Alpen befasste man sich mit der Geschichte der Germanen, Slawen und Kelten und in Frankreich mit der der Gallier. Dazu Völkel, Geschichtsschreibung, S. 235. 38 So findet sich etwa bei Camerer, Gedanken vom Duelle, S. 58 f. jenes bekannten Duellexempel des Baron de Lux, das bereits bei Riemer, Lustige Rhetorica, § LXXXVII–XCIII, zu finden war und ebenso bei Zedler, [Art.] Zweykampf, SelbstKampf, Balgen und Rauffen, oder Duell, Sp. 1363–1365. 39 Camerer, Gedanken vom Duelle.
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VI. Die Historisierung eines Phänomens
dass Camerer Duelle in seiner Zeit als „die abgeartete Tochter“ der in früheren Zeiten noch gebräuchlichen Zweikämpfe vor Gericht und vor allem auf dem Schlachtfeld kennzeichnete.40 Die Basis des Zweikampfes wird dabei im ehrorientierten Kampfverhalten der Germanen ausgemacht und dessen Blüte im deutschen Mittelalter. An die Stelle einer überzeitlichen Klassifikation von Zweikampfformen – wie sie noch im Zedlerartikel zum Zweikampf greifbar wird – tritt hier also eine dezidierte Entwicklungsgeschichte. In der nach diesem Auftakt unternommenen universalhistorischen Beschäftigung mit den Zweikämpfen früherer Zeiten finden neben dem gerichtlichen und dem ritterlichen Zweikampf als Wurzeln des Duells auch noch Fehde und ritterliches Turnier Erwähnung.41 Auch dies ist eine bemerkenswerte und bekanntlich richtungweisende Neuerung, die im Rahmen von Camerers Schrift allerdings noch nicht vertiefend diskutiert wurde. Die Erzählfigur einer glorifizierten, mittelalterlichen Vorgeschichte des Duells und dessen wenig ruhmreicher Weiterentwicklung bis in die Gegenwart der Autoren markiert dabei eine grundsätzlich gegenläufige Tendenz der Duellhistoriografie gegenüber anderen Themenfeldern der aufklärerisch geprägten Geschichtsschreibung dieser Zeit.42 Denn wenn man das Duell als Missstand anprangerte, eine Position, die von den meisten Autoren des 18. Jahrhunderts vertreten wurde, konnte in einer Geschichte des Duells die sonst dominierenden Zivilisations- und Fortschrittserzählungen nicht ungebrochen übernommen werden.43 Daher stellte im Fall des Duells das Mittelalter mit seinen regelhaften und herrschaftlich zugelassenen Zwei40 Camerer, Gedanken vom Duelle, S. 10. Dieses Motiv findet sich in den folgenden Jahren und Jahrzehnten dann auch in anderen Texten und die fehlenden Erläuterungen können als Indiz dafür gelten, dass es zunehmend selbstverständlich war, in den mittelalterlichen Zweikämpfen die Vorläufer des Duells zu sehen. Vgl. etwa Weikard, Vom Duell, S. 4–11; List, Beyträge zur Statistik von Göttingen, S. 160 f.; Heinzmann, Kleine Chronick, S. 321–323; Westenrieder, Abriß der deutschen Geschichte, S. 164. Im 19. Jahrhundert setzte sich diese Gleichsetzung ungebrochen und auf breiter Front fort. Siehe bspw.: Seckendorf, Von den in Deutschland gewöhnlichen Duellen, S. 10; Mayer, Der Zweikampf, S. 6 f.; Thümmel, Der gerichtliche Zweikampf. 41 Camerer, Gedanken vom Duelle, S. 38 f. 42 Ziegesar, Ueber das alte Ritterwesen, S. 16–18, liefert hier eine bemerkenswerte Ausnahme von dieser positiven Bewertung des gerichtlichen Zweikampfs im Mittelalter. Denn er hält diesen für ein Zeichen höchster Barbarei, was ihn freilich nicht davon abhält, den Ehrbegriff der Germanen ausgesprochen positiv zu bewerten. In Teilen finden sich in diesem Text wortwörtliche Übernahmen aus Camerer, Gedanken vom Duelle. 43 Die übliche Meistererzählung folgte grob folgendem Muster: Die Entwicklung von den positiv bewerteten spätantiken Zivilgesellschaften zum Mittelalter wurde als ein Abstieg beschrieben. Diesem Abstieg folgte – nach dem Leitmotiv „durch die
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kämpfen, mit Fehde und Turnier den positiven Höhepunkt der Entwicklung dar. Das frühneuzeitliche Duell erwies sich demgegenüber bloß als verwildertes Abbild einstiger Größe. Im weiteren Kontext der Duellgeschichte etablierte sich dementsprechend dann auch eine sehr positiv argumentierende Rechtsgeschichte, die die mittelalterlichen Kampfrechte der Deutschen ‚liebevoll‘ aufbereitete und als Glanzlichter der deutschen Geschichte präsentierte.44 Allerdings wird mit Blick auf das Duell, welches Camerer als „Bestrafung meines Beleidigers durch meine eigene Macht, den Gesetzen der Republik zuwider“ definiert, auch erklärt, dass dieser Typus des Ehrenkampfs seinen Ursprung „nothwendig unter den nordischen Völkern“ hätte, da nur diese bereit gewesen wären, ihre Ehre konsequent mit Waffengewalt zu verteidigen.45 Und an diesem Punkt ließ sich für Camerer ebenso wie für spätere Autoren trotz der prinzipiellen Ablehnung des Duells dennoch eine positive Geschichtsdeutung bis in die eigene Lebenszeit hinein anschließen. Denn das Ehrverständnis, das im Duell erkennbar war, konnte trotz allem als ein kostbares Gut mit eindeutig zivilisatorischem Potential dargestellt werden. Entsprechend schloss man hieran eine ‚national‘ aufgeladene Gesamtdeutung der Duellgeschichte als Globalgeschichte an, in der das Duell zwar nicht als unumwunden positive Erscheinung präsentiert wurde, aber doch immerhin als Praktik, die vor dem Hintergrund ‚unehrlicher‘ Alternativen an Charakterstärke gewann.46 So erklärte etwa der Göttinger Professor Christoph Meiners, dass jenes „hohe Gefühl von Ehre“, das das Wesen des Zweikampfs ausmache, nur bei den Germanen und den mit ihnen verwandten Völkern anzutreffen war.47 Hiervon ausgehend behauptete er in seiner 1794 erschienenen Abhandlung über das Duell zudem, dass Italiener, Portugiesen und Spanier – ähnlich wie seinerzeit die Römer – grundsätzlich nicht den notwenigen männlichen Mut für einen Finsternis zum Licht“ – mit der Renaissance der „Aufstieg der zivilisierten Nationalstaaten“. Dazu Völkel, Geschichtsschreibung, S. 235. 44 Siehe beispielsweise zum mittelalterlichen Kampfgericht und dem ‚wiederentdeckten‘ Kampfrecht Hans Talhoffers Dreyer, Anmerckung von den ehemahligen gerichtlichen Duellgesetzen; Dreyer, Versuch einer Abhandlung, hier bes. § V, S. 1256–1278; Majer, Geschichte der Ordalien. Man widmete sich auch den kurios erscheinenden Formen des Zweikampfs zwischen Mann und Frau Langer, Gerichtlicher Zweykampf zwischen Mann und Weib. 45 Camerer, Gedanken vom Duelle, S. 10 u. 14. 46 Zu den daran anschließenden positiv argumentierenden Duellbefürwortern Frevert, Ehrenmänner, S. 52–64. Zentral ist v. a. das Argument, dass das Duell insofern als Mittel der Zivilisierung zu gelten hat, weil erst durch die stete Gefahr, für unangemessenes Verhalten gefordert zu werden, ein zivilisierter Umgang miteinander sichergestellt sei. 47 Meiners, Kurze Untersuchung, S. 363.
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VI. Die Historisierung eines Phänomens
Kampf Mann gegen Mann besäßen und daher zum Meuchelmord neigten.48 Mit dieser ‚Zweikampf-Schwäche‘ waren die Südeuropäer in Meiners Augen allerdings nicht allein, denn sie ließe sich praktisch in allen Teilen der Welt finden.49 Angesichts dieses Rundumschlags ist es für Engländer und Franzosen geradezu eine Auszeichnung, dass sie im Text keinerlei Erwähnung finden. Es kann dann auch angenommen werden, dass Meiners neben den Deutschen nur den Engländern und Franzosen die nötigen charakterlichen Voraussetzungen zuerkannte, um mit wahrem ‚männlichen Mut‘ ihre Ehre zu verteidigen. Die Fokussierung auf den gerichtlichen Zweikampf im deutschen Recht führte mitunter soweit, dass das frühneuzeitliche Duell gänzlich dahinter verschwand. So war etwa im 1808 in Leipzig erschienenen Konversationslexikon, das im Titel immerhin den Anspruch erhob, Wissen „mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten“ zu präsentieren, kein eigener Artikel zum Duell zu finden, sondern nur noch ein Artikel zum mittelalterlichen Zweikampf.50 Zugleich rückte das mittelalterliche Kampfrecht in den verschiedenen Auseinandersetzungen mit dem Duell und dessen Wurzeln nicht nur immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit, sondern späte Ausläufer des Kampfordals wurden nach und nach bis in das 17. und 18., ja sogar bis in das frühe 19. Jahrhundert verlegt. So wird im Artikel „Duell, Zweikampf“ in Julius Weiskes 1844 erschienenem Rechtslexikon festgestellt, dass der gerichtliche Zweikampf „noch jetzt bei verschiedenen Völkern gewöhnlich [sei]. Vor Kurzem hatte ein solcher Kampf (als Ehrenduell) in Kaukasien statt.“ Und mit Blick auf Deutschland wird berichtet: „Noch im Jahre 1804 bat ein Freiherr von Linsingen den Reichstag, den Kurfürsten von Hessen anzuhalten, seine ungegründete Praetentiones auf Jesberg coram iudicio dei mit der Spitze des Degens auf den Tod wider ihn verfechten zu lassen.“51 Auch im 1858 erschienen Universallexikon Pierers wird jene Zweikampfforderung aus dem Jahre 1804 als Endpunkt des Phänomens im deutschen Sprachraum markiert.52 H. K. Hofmann stellte 1845 in seiner rechtsgeschichtlichen Abhandlung über Zweikampf und Ehrengerichte ebenso fest, dass die linsingensche Ausforderung von 1804 – so lä48 Meiners, Kurze Untersuchung, S. 371–373. Für diese Argumentation werden verschiedene zeitgenössische Exempel beigebracht und weiterführende Literaturverweise angegeben. 49 Slawen, Araber, Hindus, Chinesen, Japaner und Indianer wurden von Meiners hier ebenso genannt wie Afrikaner. Lediglich einzelne, kleine Völker nahm er hiervon aus, etwa die Bewohner der Kanaren. Meiners, Kurze Untersuchung, S. 373– 384, zu den Kanaren S. 379. 50 [Art.] Zweykampf, in: Conversationslexikon. 51 Weiske, [Art.] Duell, Zweikampf, S. 514 f. 52 [Art.] Duell, in: Pierer’s Universal-Lexikon, S. 381.
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cherlich sie auch sei – doch beweise, dass man den gerichtlichen Zweikampf noch im frühen 19. Jahrhundert „als ein allgemeines Rechtsmittel, und nicht bloß als ein Ehrenrettungsmittel betrachtete“.53 Ganz ähnlich äußerte sich 1879 Friedrich Zimmermann, der erklärte, dass die Forderung zeige, „wie fest sich in den Köpfen des Adels die Idee festgesetzt hatte, dass sie ihre Rechtsansprüche durch Kampf beweisen dürften“.54 Dieser Position schloss sich noch Hermann Nottarp in seinen 1956 erschienenen Untersuchungen zur Geschichte der Gottesurteile an.55 Diese für das Jahr 1804 erwähnte Zweikampfforderung ist zweifellos bemerkenswert und wirft die Frage auf, ob dem gerichtlichen Zweikampf als Tradition und zumindest vereinzelt auch noch praktiziertem Rechtsmittel im deutschsprachigen Raum – anders als im Rahmen dieser Studie bislang argumentiert – womöglich doch eine markante Rolle bei der Etablierung des frühneuzeitlichen Duells zufiel. Hierfür lohnt es sich, einen näheren Blick auf jene Zweikampfforderung an den hessischen Kurfürsten zu werfen. Eine gewisse Aufmerksamkeit hatte die Forderung bereits 1804 gefunden, wenngleich auch nicht die, die man vielleicht angesichts des prominenten Adressaten und der Aufforderung an den Reichstag vermuten würde. Denn in den offiziellen Protokollen und Berichten des Reichstags selbst finden sich keine Vermerke. Allerdings wird jene Forderung 1804 von Karl Friedrich Häberlin in einem Beitrag des von ihm herausgegebenen ‚Staats-Archivs‘ näher betrachtet. Hier findet sich sogar ein Abdruck der Forderung selbst. Dieser Beitrag Häberlins ist es dann auch, auf den sich alle späteren Autoren beziehen. Häberlin wiederum bezog seine Informationen von einem 1804 publizierten Flugblatt. Drucken lassen hatte dies kein anderer als Ludwig Carl von Linsingen selbst, der sich mit ebendiesem Flugblatt öffentlich an Kaiser und Reichstag zu Regensburg gewandt und im Text erklärt hatte, dass er den Kurfürsten Wilhelm I. von Hessen-Kassel auffordere, ihm entweder juristisch zu beweisen, dass das Gut Jesberg nicht zum Besitz seiner Familie gehöre, oder aber einen für ihn kämpfenden Stellvertreter zu bestimmen, damit er mit diesem den Streit in einem Duell auf Leben und Tod ausmachen könne.56 Strittig waren dabei zwei aufeinander aufbauende Punkte. Zum einen war 1721 jenes Gut Jesberg an den hessischen Landesherrn zurückgefallen, da dessen Besitzer, die im hessischen beheimateten Herren von Linsingen, mit 53 Hofmann,
Zweikampf und Ehrengerichte, S. 232. Der Zweikampf in der Geschichte, S. 272. 55 Nottarp, Gottesurteil-Studien, S. 207. Nottarp erwähnt neben diesem Zweikampf auch noch eine Eisenprobe, die 1811 in Neapel stattgefunden haben soll, und ein Hexenbad von 1823 im holländischen Deldenerbruck. 56 Häberlin, Aufruf an den Kaiser, S. 94 f. 54 Zimmermann,
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VI. Die Historisierung eines Phänomens
dem Tod Ludwig Eitels von Linsingen im Mannesstamm ausgestorben waren. Der hessische Landgraf Karl belehnte nun seinen neunten Sohn Maximilian mit diesem Stück Land, der weiteren Grundbesitz hinzukaufte und 1723 unterhalb des alten Jesberger Burgberges seine Sommerresidenz errichten ließ.57 Ludwig Carl von Linsingen behauptete allerdings, dass dieses Lehen eigentlich seiner Familie hätte zufallen müssen, da die hessische und die Eichsfelder Linie derer von Linsingen – letzterer gehörte Ludwig Carl an – hinreichend eng verwandt seien. Eine Behauptung, die vom hessischen Fürstenhaus bestritten wurde. Mindestens seit 1784 beschäftigte sich das Reichskammergericht in Wetzlar mit dieser Sache.58 In diesem Zusammenhang war es nun um 1800 zu einer Behauptung gekommen, die für Linsingen keinesfalls hinnehmbar war. Denn von hessischer Seite wurde in der Auseinandersetzung über die Beziehungen der beiden linsingenschen Linien ein Dokument beigebracht, aus dem hervorging, dass neben den Stammvätern des Geschlechts – Ludwig und Wartwin von Linsingen – auf einer Urkunde aus dem Jahr 1253 auch ein gewisser „Trochtmannus Volpertus de Linsingen“ unterschrieben hatte, hinter dessen Namen zur näheren Erklärung „Cives Fritzlariensis“ vermerkt war. Carl Ludwig von Linsingen bestritt allerdings vehement, dass irgendeiner seiner Vorfahren jemals Bürger zu Fritzlar gewesen war und er gar von diesem bürgerlichen Linsingen abstammen könnte!59 Es ist nicht zu entscheiden, ob die Rückgewinnung des alten Familiengutes und die damit verknüpfte familiäre Beziehungsbehauptung oder der Erhalt eines rein adligen Stammbaums für den ehrbewussten Freiherrn wichtiger war. In jedem Fall lobte er – um seine Position zu stärken – in den Jahren 1802 und 1803 Preisgelder aus, zunächst über fünf Louis d’or, später über zehn Louis d’or,60 dann nochmals in der Höhe von 500 Rheinischen Gulden. Diese Preisgelder sollte derjenige erhalten, der beweisen könne, dass die Eichsfelder Linie nicht von der hessischen abstamme oder einer seiner Vorfahren Bürger zu Fritzlar gewesen sei.61 Niemand meldete sich! Linsingen betrachtete dies als Beweis zu seinen Gunsten und fand 57 [Art.]
Jesberg.
58 Entsprechende
Dokumente sind in einer 1792 eigens von Ludwig Carl von Linsingen herausgegebenen Druckschrift zusammengefasst. Linsingen, Authentischer Beweiß. 59 Häberlin, Aufruf an den Kaiser, S. 91. 60 Beim Louis d’or handelt es sich um eine französische Goldmünze zu ursprünglich 6,75 g und 22 Karat, die auch im Alten Reich als Goldwährung Verbreitung fand. 61 Häberlin, Aufruf an den Kaiser, S. 91–95.
2. Neuordnungen319
sich daher in seiner Behauptung bestätigt. Allein die hessischen Behörden erkannten diese negative Beweisführung nicht an und so griff Linsingen auf jenes ‚altbewährte‘ Rechtsmittel einer Zweikampfforderung zurück und erklärte auf dem 1804 öffentlich in Druck gegangenen Flugblatt, dass er den Kurfürsten von Hessen auffordere, die strittige Angelegenheit von einem seiner Untertanen oder Diener „mit der Spitze des Degens auf den Tod gegen mich in Jhrer und des ganzen Hofes Gegenwart, au Jugement de Dieu verfechten zu lassen“.62 In welcher Auflage dieses Flugblatt erschien und welche Verbreitung es fand, lässt sich nicht mehr klären. Die Zeit überdauert hat offenbar kein einziges Exemplar, sondern nur jener Zeitschriftenbeitrag Häberlins, in dem das Flugblatt komplett zitiert wird.63 Stellt sich die Frage, wer dieser Ludwig Carl von Linsingen war und wie typisch sein Verhalten. Aufschluss hierüber liefert ein kursächsisches Verfahren in einer Duellsache aus den Jahren 1800 und 1801. Das Verfahren nahm seinen Anfang mit einem Schreiben, in dem sich kein Geringerer als der Herzog Ernst von Sachsen-Gotha-Altenburg am 28. Juni 1800 an seinen Dresdner Verwandten Kurfürst Friedrich August III. von Sachsen wandte. Darin berichtete er, dass der Obrist von Haack – Kammerherr im Dienste seines zweiten Sohnes Prinz Friedrich und ein „sehr würdige[r] wackrer Mann“ – in den zurückliegenden Wochen durch Ludwig Carl von Linsingen immer wieder in beleidigenden Briefen zum Duell gefordert worden wäre. Den Hintergrund bildete ein alter, nicht näher erläuterter Streit, den man aber bereits auf Drängen Linsingens in einem Pistolenduell ausgetragen hatte, bei dem aber – so Herzog Ernst – glücklicher Weise niemand verletzt worden war. Aber Linsingen wollte „die durch das Duel beygelegte Sache nicht für geendigt ansehen“. Stattdessen schrieb er Briefe und forderte Haack, so als habe man sich in dieser Sache nicht schon duelliert, neuerlich und „ohne die geringste Veranlaßung“ zum Kampf. Eine Forderung, die Haack – der ohnehin von einer tödlichen Krankheit befallen in Weimar ans Bett gefesselt war – mehr als nur irritierte. Das Verhalten Linsingens gab dabei – so Herzog Ernst in seinem Schreiben – nicht nur in diesem Fall Anlass zur Sorge. Vielmehr zeigte Linsingen „bereits seit mehrern Jahren Zeichen einer art von Wahnsinn“. Ein Wahnsinn der aus einem „eingewurzelten falschen Begriffe von Ehre und eigen thümlicher Tapferkeit herzurühren scheint“. Beweise für diesen falsch verstandenen Ehrbegriff gebe es reichlich und eine entsprechende Übersicht 62 Häberlin,
Aufruf an den Kaiser, S. 95. Recherchen in den Bibliothekskatalogen (Karlsruher Virtueller Katalog, KVK) und im Zentralen Verzeichnis digitalisierter Drucke (ZVDD) haben keinen Treffer ergeben, allerdings kann das Flugblatt als Teil einer Sammelakte natürlich bei der Verzeichnung übersehen worden sein. 63 Meine
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VI. Die Historisierung eines Phänomens
würde sein Regierungsrat von Beck – wenn dies denn gewünscht sei – gern nach Dresden senden. Alles in allem hatte man in Gotha also genug Informationen zusammengetragen, um zu beweisen, dass Linsingen „ein unruhiger, gefährlicher und die öffentliche Ruhe stöhrender Mann“ war. Um seinen treuen Diener Haack vor weiteren Anfällen und Zudringlichkeiten des duellwütigen Linsingen zu schützen, bat Herzog Ernst seinen Dresdner Vetter daher, diesen „abentheuerliche Brausekopf“ Linsingen, der sich offenbar gerade im Kurfürstentum und damit im Herrschaftsbereich von Friedrich August III. aufhielt, aus dem Verkehr zu ziehen. Dies schien umso dringlicher, weil nicht nur Haack, sondern potentiell „jeder Edelmann der Wuth dieses Verirrten ausgesetzt“ sei und damit Gefahr laufe, „in ungesuchte Händel und Unannehmlichkeiten“ mit Linsingen zu geraten. Daher gehe es im Grunde nicht nur – so Herzog Ernst abschließend – um die Angelegenheit des zu Unrecht geforderten Obristen und Kammerherrn von Haack, sondern um den gesamten Adelsstand, der durch den von Linsingen „mehr oder weniger beunruhigt“ werde.64 In Dresden reagierte man prompt: Es wurde zunächst angeordnet, Linsingen in anständige aber sichere Haft zu bringen. Anfangs arretierte man ihn in Leipzig, später wurde er dann auf die Festung Königstein verlegt. Darüber hinaus wies man die Behörden an, den Inhaftierten regelmäßig ärztlich zu untersuchen und entsprechende Gutachten nach Dresden zu senden, damit man sich dort ein eigenes Bild vom Geisteszustand des Gefangenen und dessen Entwicklung machen konnte.65 Festgesetzt wurde zudem, dass Linsingen solange in Haft bleiben sollte, bis er keine Gefahr für andere mehr darstellte, also niemanden mehr zum Duell forderte. Dass mit Linsingens Geisteszustand wirklich etwas nicht stimmte, wurde den kursächsischen Behörden wohl spätestens mit dessen Verhaftung klar. Denn dieser hatte zirka 80 Briefe an in- und ausländische Personen bei sich, unter denen sich auch zahlreiche Duellforderungen fanden. Das Geheime Consilium in Dresden ordnete daher an, dass zumindest die 42 Schreiben, die an verschiedene Landesherren, fürstliche und adlige Personen außerhalb Sachsens, an das Reichskammergericht in Wetzlar und andere Adressaten gerichtet waren, im Beisein von Linsingen gerichtlich zu öffnen waren und nur dann verschickt werden sollten, wenn sie keine Duellforderungen enthielten.66 Die ersten ärztlichen Untersuchungen ergaben zudem einen für Linsingen wenig günstigen Befund. Denn der Physikus stellte fest, dass dieser zwar in der Lage wäre, „in den meisten gewöhnlichen Angelegenhei64 Zum Fall insgesamt: SächsHStA Dresden 10026, Loc. 1405/4, Bl. 80a–89b, 92a–171b, das Schreiben Herzog Ernsts: Bl. 82a–83a, hier Bl. 82a, b. 65 SächsHStA Dresden 10026, Loc. 1405/4, Bl. 145a, b. 66 SächsHStA Dresden 10026, Loc. 1405/4, Bl. 144a.
2. Neuordnungen321
ten des Lebens vernünftig zu handeln“, aber eben längst nicht in allen. Bedenklich schienen dem Mediziner vor allem „die bey ihm herschend gewordenen Vorstellungen von der ihm bewiesenen Geringschätzung oder seiner von anderen beleidigten Ehre, sowie von heimlichen Mördern und Spionen, von denen er sich überall umgeben zu seyn wähne“. An eine baldige Entlassung war daher „vornehmlich aus Versorge für die allgemeine Sicherheit“ nicht zu denken.67 Nach mehr als einem halben Jahr Haft, verschiedenen Suppliken des Gefangenen und weiteren medizinischen Gutachten entschloss man sich im Januar 1801 doch noch dazu, Linsingen wieder auf freien Fuß zu setzen. Es muss hier offen bleiben, ob man eine wirkliche Besserung seines Zustandes festgestellt hatte oder nur einen unbequemen Gefangenen loswerden wollte. Vor seiner Freilassung musste Linsingen jedenfalls zusichern und vor Gericht entsprechend beeidigen, künftig weder den Kammerherrn von Haack noch andere Personen zum Duell zu fordern und sich nach seiner Entlassung entweder auf sein Landgut Burgwalde im Eichsfeld oder aber auf ein anderes, nicht näher spezifizierbares Gut im Anhalt-Dessau zu begeben und sein weiteres Leben dort in „Ruhe und Stille“ zuzubringen.68 Nachdem Linsingen diese Versicherung geleistet hatte, wurde er unter Bewachung nach Dessau gebracht und dort dann endgültig auf freien Fuß gesetzt. Doch in „Ruhe und Stille“ leben konnte Lingsingen auch in den folgenden Jahren nicht, und wie die Zweikampfforderung an den hessischen Kurfürsten eindrucksvoll zeigt, sah er seine Ehre noch immer schmerzlichen Angriffen ausgesetzt. Betrachtet man die Zweikampfforderung von 1804 im Lichte dieser Vorgeschichte, dann wird das Bild eines Mannes erkennbar, der ganz ähnlich wie Don Quijote in einer imaginierten Welt des steten Ehrenkampfes lebte. Das hieraus resultierende Verhalten irritierte seine Mitwelt nachhaltig, wenngleich man offenbar weniger lachte, sondern Linsingen einen krankhaften Geisteszustand bescheinigte und ihn wegen seiner völlig hemmungslos in die Welt versandten Duellforderungen durchaus als Gefahr für seine Umgebung ansah. Doch dieser Teil der Geschichte brachte es nicht bis in die Geschichtsbücher. Und so wurde aus dem bereits den Zeitgenossen suspekten, einem wahnhaften Ehrbegriff nachjagenden Freiherrn Linsingen jenes späte Exempel eines vormodernen Ehrbegriffs, das die Autoren des 19. Jahrhunderts dann einmütig als ebenso traditionsbewusst wie exotisch von ihrer eigenen Zeit abgrenzen konnten. Der Fall Linsingen macht dabei exemplarisch deutlich, dass im 19. Jahrhundert erhebliche Um- und Neudeutungen des Duells und seiner Geschichte auszumachen sind, deren Nach67 SächsHStA 68 SächsHStA
Dresden 10026, Loc. 1405/4, Bl. 143a, b. Dresden 10026, Loc. 1405/4, Bl. 155a.
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VI. Die Historisierung eines Phänomens
wirkungen bis in die geschichtswissenschaftliche Forschung der frühen Bundesrepublik reichen. Darüber hinaus führt uns der Fall Linsingen und seine historiografische Verwertung noch einmal – wenn auch für den gerichtlichen Zweikampf – deutlich vor Augen, dass wechselnde Zuschreibungen an ein und dieselbe Sache zu einem völlig neuen Verständnis des Phänomens führen konnten: Aus dem untypischen Einzelfall eines zwanghaften Ehrenkämpfers war auf diese Weise das Signum eines Phänomens und womöglich auch einer Epoche geworden.
VII. Acht Thesen zum Duell im Alten Reich – eine Bilanz Zentraler Ansatzpunkt dieser Arbeit war es, sich von der bislang in der Forschung vorherrschenden Duelldefinition zu lösen – nach der das Duell als ein verabredeter, regelhafter und mit tödlichen Waffen ausgefochtener Zweikampftypus verstanden wurde, bei dem es um die Wahrung der Ehre ging.1 Denn dieser Zugriff auf das Phänomen erhebt das formalisierte Duellverständnis des späten 18. und vor allem des 19. Jahrhunderts zum zeitlich übergreifenden Maßstab. Das frühneuzeitliche Duell, das im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchung stand, lässt sich mit einer solchen Duelldefinition allerdings nicht adäquat erfassen. Daher wurde vorgeschlagen, nicht davon auszugehen, dass es sich beim Duell um eine feststehende, klar abgrenz- und unterscheidbare Handlungsweise handelte, sondern vielmehr um ein vielgestaltiges und wandelbares Phänomen. Zur definitorischen Klammer dieses fluktuierenden Untersuchungsgegenstandes wurde der Begriff Duell in seiner zeitgenössisch verschieden weit gefassten Anwendung erhoben, um hiervon ausgehend zu untersuchen, welches Spektrum an Handlungsweisen zu verschiedenen Zeiten von ganz unterschiedlichen Protagonisten als Duell bezeichnet und verstanden wurde. Mit diesem Zugriff war es einerseits möglich, die vielfältigen Varianzen frühneuzeitlicher Ehrkonflikte und ebenso die Ansätze einer idealisierenden Formalisierung systematisch zu integrieren. Andererseits ließ sich auf neue Weise nach der Transformation frühneuzeitlicher Ehrkonflikte zum Duell als einer mehr und mehr spezifischen Variante des Ehrenkampfs fragen. Der genutzte konzeptionelle Ansatz ermöglichte es dann auch, neue Perspektiven auf den Untersuchungsgegenstand zu erschließen und so neue Einsichten über das Duell zu gewinnen. Diese werden im Folgenden in acht Thesen nochmals knapp zusammengefasst. I. Das Aufkommen des Duells im Alten Reich war das Resultat eines Begriffstransfers. Für das Alte Reich konnte aufgezeigt werden, dass das Duell nicht als feststehendes Handlungsmuster aus Frankreich oder den Ländern der italienischen Halbinsel importiert wurde. Übernommen wurde im frühen 17. Jahrhundert zunächst einmal nur das Wort, das als neues Fremdwort bis in das 18. Jahrhundert hinein synonym zu einer Reihe bereits 1 Frevert,
[Art.] Duell, Sp. 1165.
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VII. Acht Thesen zum Duell im Alten Reich – eine Bilanz
fest etablierter Begriffe – wie Balgen, Raufen oder Kugeln wechseln – gebraucht wurde. Dementsprechend lässt sich das Aufkommen des Duells auch nicht als die Einführung einer fremden, exotischen Form des Ehrenkampfs beschreiben, sondern viel unaufgeregter als die sukzessive Etablierung einer weiteren Bezeichnung für etwas Altbekanntes. Erst deutlich später lagerten sich an diese Neubezeichnung weitere Bedeutungszuweisungen an, etwa stärker formalisierte Vorstellungen über den Kampfaustrag oder aber über angemessene beziehungsweise zwingende Duellanlässe. Dieser Befund ist in zweifacher Hinsicht bemerkenswert: Zunächst steht er für ein verändertes Phänomenverständnis. Denn wenn das Auftauchen des Duells im Alten Reich zunächst nur das Ergebnis einer Neubenennung älterer Formen des Ehrenkampfs war, kann nicht mehr davon ausgegangen werden, dass mit dem neu etablierten Begriff eine neuartige oder als neuartig begriffene Distinktionsform bestimmter Gruppen übernommen wurde. Gerade durch diese neue Erkenntnis eröffnet der Befund zugleich andere Perspektiven für die Diskussion des Duells als europäischer Erscheinung. Denn herausgestellt werden muss, dass es offenbar im Zuge der Verbreitung des Duells in Europa ganz unterschiedliche Formen der Adaption und Anpassung gab. Dementsprechend gilt es für die verschiedenen europäischen Staaten und Regionen künftig genauer zu fragen, was konkret transferiert und wie es transformiert wurde, wenn vom Aufkommen des Duells die Rede ist. In einer gemeinsam geführten, vergleichenden Diskussion ließe sich hiervon ausgehend das Duell als europäisches Phänomen auf neue Weise erfassen. II. Eng mit diesem ersten Punkt verknüpft ist die Beobachtung, dass die als Duell bezeichneten Handlungen im 17. und 18. Jahrhundert ein großes Spektrum an Abläufen und Formen umfassten. Vor dem Hintergrund der landläufigen Vorstellungen über das Duell ist besonders der geringe Grad der Formalisierung auffallend. Bei den meisten als Duell bezeichneten Konflikten des 17. und auch noch des 18. Jahrhunderts handelte es sich einfach um plötzlich ausbrechende, zumeist mit Waffen ausgetragene Kämpfe, die häufig – aber nicht zwingend – eine Zweierkonstellation aufwiesen und bei denen zumindest eine Seite im Nachhinein behauptete, beleidigt worden zu sein. In der Regel fehlten explizit abgegrenzte Herausforderungen (etwa schriftlich verfasste Kartelle), Formen eines artifiziellen Kämpfens (etwa die Thematisierung bestimmter Kleidungsvorschriften, identische Waffen, die Einnahme fester Ausgangspositionen vor dem Kampf oder die Kontrolle des regelgerechten Ablaufs durch Dritte) und auch die Einhaltung eines gewissen zeitlichen Abstands zwischen Konflikt, Herausforderung und Kampf. Über den Kampf als Praktik ist damit keine Unterscheidung des Duells zu anders bezeichneten Formen kämpferischer Auseinandersetzungen möglich. Als zentrales Unterscheidungsmerkmal erweist sich vielmehr der
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Umstand, dass die Protagonisten bestimmte Konflikte als Duell bezeichneten und andere nicht. Mit Blick auf die Frage nach dem Selbstverständnis einer solchen Neuoder Umbenennung für die Protagonisten ist allerdings deutlich zu betonen, dass noch nicht einmal unter Adligen oder Offizieren mit Waffen ausgetragene Ehrenkämpfe immer als Duell verstanden und konzeptionalisiert wurden, mutmaßlich noch nicht einmal häufig. Obwohl also die Möglichkeit bestand, eine Auseinandersetzung als Duell zu etikettieren, war dies für die Zeitgenossen des 17. und 18. Jahrhunderts offenbar keineswegs zwingend oder besonders attraktiv. Auf eine Ehrverletzung konnte man zwar mit Gewalt reagieren und diesen Gewaltakt dann auch als Duell bezeichnen und verstehen, aber es war für die eigene Ehrenrettung genauso möglich, den Gegner zum Kampf mit dem Degen zu fordern und dies einfach weiterhin als Schlägerei zu begreifen. Zugleich ist es dringend geboten, Duellen keine einheitliche Konfliktlogik zu unterstellen. Vielmehr ist zu betonen, dass frühneuzeitliche Duelle genauso wie andere Ehrenkämpfe verschiedenen Konflikttypen (Wettkampfspiele, Stellvertreter- oder aber Entgleisungskonflikte) zugeordnet werden können. III. Eine als ehrenrührig verstandene Handlung musste keineswegs zwingend im Kampf gesühnt werden. Verletzte Ehre konnte vielmehr auch jenseits eines Ehrenkampfs wiederhergestellt werden. Die Behauptung der Duellanten, dass ihr Verhalten notwendig und alternativlos gewesen sei, sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Duell im Speziellen und mit Waffen ausgetragene Ehrenkämpfe im Allgemeinen letztlich nur Möglichkeiten unter deutlich mehr Optionen waren. Duelle und auch anders benannte, gewaltsam ausgetragene Ehrenkämpfe waren für frühneuzeitliche Ehrenmänner also keineswegs alternativlos! So war es offenbar für den Ehrenstatus ohne Nachteil, einen Konflikt gerade nicht gewaltsam auszutragen, sondern eine Injurienklage bei Gericht einzureichen. In den Gerichtsakten wird zudem erkennbar, dass es neben gewaltsam ausgetragenen Ehrkonflikten verschiedenste andere Beleidigungsakte gab, die jedoch nicht weiter eskalierten. Deutlich zu betonen ist, dass die ausbleibende gewaltsame Reaktion in diesen Fällen für den Beleidigten keinen Ehrverlust bedeutete, sondern eine friedliche Lösung allgemein akzeptiert war. Dieses Nebeneinander völlig unterschiedlicher Umgangsmuster mit Ehrverletzungen führt gerade durch die scheinbare Inkonsistenz des hier zu beobachtenden Verhaltens zu einer wichtigen Erkenntnis. Denn Ehre ließ sich auch schon aus Sicht der damaligen Protagonisten nicht nur auf eine Weise verteidigen, her- und darstellen. Vielmehr bestanden ganz unterschiedliche, mitunter auch widersprüchliche Repräsentationsformen der Ehre nebeneinander. Auf welche dieser Repräsentationsformen situativ zu-
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rückgegriffen wurde, war zweifellos von einer Vielzahl von Faktoren abhängig, die in den Quellen allerdings kaum greifbar werden. Denn in den Berichten über das eigene Verhalten rechtfertigten die Protagonisten dieses eben gerade mit der Behauptung von Alternativlosigkeit. Gleichwohl werden jene Alternativen im Nebeneinander von Duellen, Injurienklagen, Gegenbeschimpfungen, Scherzen oder der Ignoranz als Reaktionsmöglichkeiten auf Beleidigungen greifbar. Diese Parallelerscheinungen sollten für die Kennzeichnung des Duells als einer Strategie der Ehrverteidigung unter vielen ernst genommen werden. IV. Da ganz unterschiedliche Handlungsweisen als Duell bezeichnet wurden, war eine Handlung (jenseits von entsprechenden Etikettierungen) auch nicht ohne Weiteres als Duell erkennbar. Aufgrund dieser Uneindeutigkeit konnte das Duell nicht zur Abbildung ständischer Zugehörigkeit und zur Artikulierung von Statusansprüchen genutzt werden. In diesem Sinne war das frühneuzeitliche Duell also kein Distinktionsmittel. Dies schließt keineswegs aus, dass zwei Adlige, Offiziere oder Handwerker mit ihren Duellen situativ distinktive Zwecke verfolgten und auch erreichten. Aber mit dem Duell ließ sich nicht grundsätzlich die Zugehörigkeit zu den elitären Gruppen markieren. Die Differenz zwischen einem Marderpelz und einer Wolljacke, zwischen einem Meißner Kaffeeservice und einem Steingutbecher war für alle klar erkenn- und deutbar.2 Mit dem Tragen eines Marderpelzes oder der Benutzung eines entsprechenden Kaffeegeschirrs konnte man dann auch eindeutig markieren und inszenieren, dass man zur ‚besseren Gesellschaft‘ gehörte oder zumindest dazu gehören wollte und dies unabhängig vom eigenen sozialen Status. Beim frühneuzeitlichen Duell war dies hingegen gerade nicht der Fall! Ohne eine entsprechende Bezeichnung durch die Protagonisten ließ sich ein Duell nicht von einer einfachen Schlägerei unterscheiden. Selbst Degen und Pistole als übliche Duellwaffen waren in der frühneuzeitlichen Gesellschaft unter Männern schichtübergreifend weit verbreitet und kamen auch bei anders genannten Konflikten zum Einsatz. Der Einsatz von Waffen bot daher ebenfalls keinen griffigen Ansatz für eine distinktive Differenzierung. Damit soll nicht behauptet werden, dass es keine soziale Differenz zwischen Adligen und Handwerkern gab, aber dieser Unterschied ließ sich eben nicht am Duell festmachen! Denn aufgrund der fehlenden Exklusivität und Unterscheidbarkeit des Duells, konnte es weder als Mittel einer distinktiven Abgrenzung noch einer distinktiven Erhöhung benutzt werde. Als elitäres Verhalten ließ sich ein Kampf daher nur dann deuten, wenn die Akteure 2 Für die Pelze diskutiert dies am Beispiel eines Selbstbildnisses von Dürer wunderbar pointiert Zitzelsberger, Dürers Pelz; zum Kaffeeservice Hochmuth, Globale Güter – lokale Aneignung, S. 140–142.
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ohnehin der Elite des Landes angehörten, in diesem Fall kam aber nicht dem Duell, sondern den Duellanten die elitäre Qualität zu. V. Das frühneuzeitliche Duell war im deutschen Rechtsraum dann auch nicht mit einer begrenzten Satisfaktionsfähigkeit – im Sinne einer sozial begrenzten Zulässigkeit – verknüpft. Duelle waren aber trotzdem beziehungsweise gerade deshalb nicht allgemein verbreitet. Es waren vor allem Kämpfe zwischen Adligen und adligen Offizieren, die von den Beteiligten, aber auch von den Gerichten als Duelle bezeichnet wurden. Zurückzuführen ist dies wohl vor allem darauf, dass das Neue an den Duellmandaten gerade der Anspruch war, nun auch (wenn auch nicht ausschließlich) entsprechende Ehrenkämpfe des Adels zu verbieten. Allerdings finden sich unter den Beklagten vor Gericht nicht nur Adlige, sondern ebenso Handwerker und Gesellen, Gastwirte und Soldaten, Notare, Postmeister oder Köche. Duelle dieser Protagonisten waren zwar seltener, aber in diesen Einzelfällen wurden sie genauso selbstverständlich wie die Kämpfe von Adligen und Offizieren als Duell behandelt. Aus dieser Selbstverständlichkeit des Umgangs mit den Duellen der kleinen Leute ergibt sich eine für das Phänomen insgesamt interessante und weitreichende Schlussfolgerung. Denn erkennbar wird hieran, dass das Duell ganz offensichtlich nicht als Vorrecht für eine exklusive Gruppe begriffen wurde und damit auch nicht zum Standeszeichen avancierte. Für Adlige oder Offiziere war es daher unproblematisch, dass sich auch Handwerker duellierten. Für Handwerker, Soldaten oder Gastwirte war es im Gegenzug aber auch nicht besonders attraktiv, ihre Kämpfe als Duell zu etikettieren, denn damit war für sie eben gerade kein distinktiver Mehrwert verbunden. Diese Beobachtung ist jedoch nicht mit einer fehlenden ständischen Abgrenzung in der Gewaltpraxis gleichzusetzen. Ständeübergreifende Konstellationen ließen sich dementsprechend auch nur selten im untersuchten Sample nachweisen. Sie waren vor allem dann anzutreffen, wenn Angehörige verschiedener ständischer Gruppen in den gleichen Kreisen verkehrten, miteinander tranken und spielten. Vor diesem Hintergrund erweist sich die geringe Zahl ständeübergreifender Konstellationen vor allem als Resultat separierter Verkehrskreise und nicht als Hinweis auf eine informell bestehende Satisfaktionsfähigkeit. VI. Bemerkenswert ist zudem, dass sich zwar nicht mit Duellen, aber dafür mit gerichtlichen Klagen nach den Duellmandaten ein herausgehobener Ehrstatus inszenieren ließ. Grundlage für die distinktive Nutzung der gerichtlichen Klagen war, dass das Duell in den Duellmandaten im Laufe des 17. Jahrhundert immer ausdrücklicher als Ehrenkampf etikettiert und als solcher verboten wurde. In den stark ausdifferenzierten Duellmandaten des frühen 18. Jahrhunderts wurde das Duell dann endgültig als etwas spezifisch
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Anderes abgegrenzt und aus der bestehenden Vielfalt der Gewaltpraktiken herausgehoben. Durch diese separate Behandlung im Recht bot eine Klage mit Verweis auf die Duellmandate die Chance, den eigenen Ehrenstatus nachhaltig und öffentlich wirksam in Szene zu setzen, da man sich gerichtlich bescheinigen ließ, für diese Ehre gekämpft zu haben. Diese Distink tionsmöglichkeit wurde – wie gerade einschlägige Selbstanzeigen verdeut lichen – von den Ehrenkämpfern auch genutzt, wobei erklärend hinzugefügt werden muss, dass trotz extrem scharfer Sanktionsdrohungen in der Urteilsund Gnadenpraxis letztlich nur minimale Strafen verhängt wurden. Das Distinktionspotential der gerichtlichen Klagen erhöhte sich noch einmal entscheidend, als man im späten 17. und dann vor allem im 18. Jahrhundert dazu überging, Strafen für Verbal- und Realinjurien in die Duellmandate zu integrieren. Den Hintergrund dieser Maßnahme bildete die Idee, dass man Injurien nun auch rechtlich als Duellanlässe auffasste und hoffte, mit deren Bestrafung Duelle vermeiden zu können. Diese Hoffnung sollte sich bekanntermaßen nicht erfüllen, aber die Duellmandate boten fortan eine weitere Option für eine strategische Justiznutzung durch die Streitparteien. Attraktiv waren solche Injurienklagen nach den Duellmandaten vor allem deshalb, weil mit dieser Erweiterung der Materie in den Duellmandaten eine entscheidende Eingrenzung des Geltungsbereichs verbunden war. Denn die Verbal- und Realinjurien durften im deutschen Rechtsraum im Unterschied zu den Duellen nur dann nach den Duellmandaten verhandelt werden, wenn die Kontrahenten Adlige, Offiziere oder höhere Beamte waren, in allen anderen Fällen sollten weiterhin die schon bestehenden Policeyordnungen und Strafgesetze zur Anwendung kommen. Bei einer entsprechenden Klage in Injuriensachen nach den Duellmandaten wurde also fortan immer auch mitverhandelt, ob man zu diesen besonderen Gruppen der Gesellschaft und damit zur Elite des Landes gehörte. Der Umstand, dass nicht Duelle, sondern gerichtliche Klagen nach den Duellmandaten zum Zeichen einer elitären Gruppenkultur wurden, zeigt sich ebenfalls im Fall Schwedisch-Pommerns. Denn im schwedischen Recht, das auch in Schwedisch-Pommern galt, konnten die Duellmandate von Anfang an nur bei Konflikten unter Adligen, Offizieren und höheren Beamten der Krone angewandt werden. Hier war es also rechtlich ausgeschlossen, dass die Ehrenkämpfe von Handwerkern oder Gastwirten nach den Duellmandaten verhandelt wurden. Aber die rechtliche Sonderbehandlung von Adligen, Offizieren und hohen Beamten war im schwedischen Recht dennoch nicht mit der Vorstellung verknüpft, dass es sich bei den Ehrenkämpfen von Vertretern dieser gesellschaftlichen Formationen vornehmlich um Duelle im Sinne einer spezifischen Form frühneuzeitlicher Ehrenkämpfe handelte. Vielmehr wurde in den exklusiven Gesetzen für die Elite des Landes gerade nicht zwischen Duellen und einfachen Schlägereien unter-
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schieden, selbst Faustkämpfe waren nach dem Duellmandat zu behandeln. Dadurch konnte das mit Schlägereien gleichgesetzte Duell der Elite gegenüber anders bezeichneten Gewaltformen keinen exklusiven Status erlangen. Die Zugehörigkeit zur Elite ließ sich also auch hier nur dadurch demonstrieren, dass man für einen Gewaltakt nach dem Duellmandat verurteilt wurde. Übergreifend zeigt sich damit, dass im Recht exklusive Gruppenkonzepte im Zusammenhang mit dem Duell angeboten wurden. In einschlägigen gerichtlichen Verfahren war es daher möglich, die Zugehörigkeit zu spezifischen Gruppen mitzuverhandeln und soziale Abgrenzungen vorzunehmen. Diese Besonderheit im rechtlichen Umgang mit Duellen führte im Laufe des 18. Jahrhunderts dazu, dass sich aus dem strafrechtlichen Verständnis des Duells die Idee entwickeln konnte, dass ein Prozess mit Verweis auf die Duellmandate als Privileg einer spezifischen Gruppenkultur zu verstehen sei. VII. Der gerichtliche Umgang mit dem Duell war dabei durch eine ausgeprägte Normenkonkurrenz geprägt. Zurückzuführen ist diese Normenkonkurrenz darauf, dass es gerade wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Ehre als sozialem Gut nicht möglich war, den rechtlichen Ehrenschutz widerspruchsfrei mit dem herrschaftlichen Zuständigkeitsanspruch einerseits und der gesellschaftlich weithin akzeptierten, eigenmächtigen Ehrverteidigung andererseits zu verknüpfen. Dies spiegelt sich in der Gleichzeitigkeit von drei Phänomenen: (a) Zunächst bestand eine hohe soziale Akzeptanz für verschiedene Formen gewaltsamer Ehrverteidigung, die sich situativ bis zu einer konkreten Erwartungshaltung des sozialen Umfelds steigern konnte, die Ehre im Kampf zu verteidigen. Im Einvernehmen damit wurden Ehrverletzungen in den Duellmandaten besonders nachdrücklich mit empfindlichen Geld- und mehrjährigen Haftstrafen sanktioniert. Diese Sanktionen gingen dabei deutlich über ältere Strafrechtsregelungen im Fall von Verbal- und Realinjurien und auch Tötungsdelikten hinaus. (b) Zugleich wurde in den Duellmandaten aber auch ein außergewöhnlich vehementer strafrechtlicher Sanktionierungsanspruch für den Fall erhoben, dass der rechtlich angebotene Ehrenschutz von den beleidigten Parteien eigenmächtig unterlaufen, also ein Duell ausgetragen wurde. Diese harschen Sanktionsdrohungen ergaben sich bereits aus dem Umstand, dass schon für die ‚Vorgeschichten‘ der Ehrenkämpfe – also für Injurien aller Art – vergleichsweise hohe Strafen vorgesehen waren, mit denen daher ein vergleichsweise hohes Ausgangslevel für die Bestrafung wirklich vollzogener Kämpfe festgeschrieben war. Zugleich wurde das Duell in den Rechtsnormen aber auch als Ablehnung des herrschaftlichen Sanktionierungsangebots und -anspruchs zugunsten einer eigenmächtigen Rache verstanden und daher als Majestätsverbrechen konzeptualisiert. Weshalb man in den Rechtsnormen nicht müde wurde zu betonen, dass die Landesherren bei Vergehen gegen die Duellmandate nicht
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bereit seien, Gnade vor Recht ergehen zu lassen. (c) Diese massive Strafdrohung für den Fall einer eigenmächtigen Ehrverteidigung stand aber – und damit wäre der Kreis zum Ausgangspunkt wieder geschlossen – in einem deutlichen Widerspruch zu der hohen gesellschaftlichen Bedeutung der Ehre als Rechtsgut und dem daraus abgeleiteten Anspruch, diese im Notfall selbst zu verteidigen. Aus dieser Perspektive hätte der Umstand, dass es sich um einen Ehrkonflikt handelte, eigentlich strafmildernde Effekte haben müssen. Da angesichts der geschilderten, konträren Logiken folgenden Verhaltenserwartungen eine widerspruchsfreie Gestaltung der Rechtsnorm nicht möglich war, praktizierten die Landesherren im Gegensatz zum Recht, dafür aber im Einklang mit der gesellschaftlichen Bedeutung der Ehre, in der Rechtspraxis eine bemerkenswert durchgehende und gerade dadurch absolut einmalige Gnadenpraxis. Diese Konkurrenz zwischen lebensweltlichen und rechtlichen Normen blieb bis zum Ende der Frühen Neuzeit und auch noch darüber hinaus bestehen, wobei die Widersprüchlichkeit zwar von verschiedener Seite immer wieder thematisiert, aber letztlich als unlösbar hingenommen wurde. In aller Regel versuchte man daher auch nicht die drei Phänomene in Einklang zu bringen, vielmehr wurden die Ideale des ‚privaten‘ Ehrenkampfs, die rechtlichen Argumentationen der Duellmandate und auch die Gnadenakte säuberlich getrennt voneinander behandelt. VIII. Wenig verwunderlich ist angesichts der Unbestimmtheit und Vielgestaltigkeit des frühneuzeitlichen Duells, dass sich bis zum Ende des 18. Jahrhunderts keine diskursübergreifende Deutung, also kein einheitliches Bild ‚des Duells‘ finden lässt. Vielmehr bestanden ganz unterschiedliche Deutungen unverbunden, unbehelligt und unvereinbar nebeneinander. Bemerkenswert ist dabei vor allem, dass im Gegensatz zu den Inszenierungen vor Gericht, in denen das Duell als zwar notwendiger, aber kaum formalisierter Ehrenkampf präsentiert wurde, in den (allerdings nur vereinzelt) publizierten theologischen, literarischen oder auch populärwissenschaft lichen Texten schon im 17. und frühen 18. Jahrhundert das Bild des Duells als formalisierter Ehrenkampf aufscheint. Die hier anzutreffenden, deutlich anderen Darstellungsmuster dienten aber nicht der Beschreibung eines gesellschaftlichen Zustands, sondern folgten spezifischen, den jeweiligen Diskussionszusammenhängen immanenten Deutungs- und Denkmustern. In der Hauptsache lassen sich drei dieser Muster unterscheiden: (a) Bei den theologischen Antiduellpredigten des 17. und frühen 18. Jahrhunderts führte der Rückgriff auf biblische (etwa David und Goliath, Kain und Abel) und historische Beispiele (beispielsweise Herrscherzweikämpfe) dazu, dass auch das Duell als vorsätzlicher, geplanter Gewaltakt beschrieben wurde, der sich gerade wegen des Vorsatzes als bewusste und damit auch als vermeidbare Handlung konzeptionalisieren ließ. Genau dies wurde dann zum Argument
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gemacht. Denn wenn die Kämpfe vorsätzliche, geplante Handlungen waren, konnte man von einem guten Christen auch fordern, diese zu vermeiden, zumal es sich – und dies war das zweite wesentliche Argument der Theologen – beim Duell um eine eigenmächtige und damit gottlose Tat handelte. (b) In den rechtswissenschaftlichen, lexikalischen und populärwissenschaftlichen Beschäftigungen mit dem Duell, die im Alten Reich am Ende des 17. Jahrhunderts einsetzten, versuchte man das Phänomen – wie in derartigen Überblicksdarstellungen zeitgenössisch üblich – in seiner (vermeintlich) historischen Formenvielfalt zu erfassen und zu systematisieren. Entsprechend bekam das Duell eine weit zurückreichende (Vor-)Geschichte. Neben biblischen und antiken Zweikämpfen fanden hier dann plötzlich auch die mittelalterlichen Formen Turnier, ritterlicher und vor allem gerichtlicher Zweikampf und vereinzelt sogar die Fehde Berücksichtigung. Mit dieser Historisierung setzte eine Heroisierung des ‚germanischen Heldentums‘ ein, aber vor allem wurden die hochformalisierten Regeln des gerichtlichen Zweikampfs und des Turniers in Verbindung mit dem Duell gebracht. (c) In den untersuchten Theaterstücken aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts diente die Inszenierung des Duells als artifiziell ausgestalteter, formalisierter Ehrenkampf hingegen vor allem als Erzählplot. Denn wenn sich aus einem falschen Wort unausweichlich ein Duell ergab, war die dramatische Zuspitzung der Handlung schnell erklärt. Zugleich ließen sich durch die Präsentation fester Duellregeln gesellschaftliche Zwänge inszenieren, denen sich die Protagonisten selbst dann nicht entziehen konnten, wenn sie das Duell als moralisch falsch ablehnten. Auf diese Weise konnte in den Theaterstücken aufklärerische Duellkritik formuliert werden, ohne dass sich diese zugleich zu einer generellen Kritik an den adligen Protagonisten in den Stücken ausweitete. Diese unterschiedlichen Präsentationen des Duells in den literarischen, theologischen, juristischen und populärwissenschaftlichen Texten existierten dabei – und das ist entscheidend – losgelöst von den Darstellungen vor Gericht. Zugleich ist für die Frage nach der Bedeutung dieser Texte zu berücksichtigen, dass derartige Duellschriften im deutschsprachigen Raum bis weit in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hinein nur sehr vereinzelt publiziert wurden. Deutlich zu betonen ist daher, dass im Unterschied zum 19. Jahrhundert in der Frühen Neuzeit gerade keine breite öffentliche Debatte über das Duell greifbar wird.3 Diese geringe Präsenz dürfte dann auch eine Erklärung dafür sein, dass die in den verschiedenen Schriften präsentierten Deutungsangebote des Duells als formalisierter Ehrenkampf für die Präsentationen vor Gericht weitgehend bedeutungslos blieben. Ein 3 Zur
Publizistik im 19. Jahrhundert Frevert, Ehrenmänner, S. 35–64.
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VII. Acht Thesen zum Duell im Alten Reich – eine Bilanz
weiterer Erklärungsansatz für das unverbundene Nebeneinander der Gewaltpraxen und deren Präsentationen durch die Streitparteien auf der einen und der Debatten unter Theologen, Juristen oder Literaten auf der anderen Seite ist darin zu suchen, dass es gerade keine Duellanten waren, die hier das Wort ergriffen, sondern Mahner bürgerlich-akademischer Herkunft. Damit soll die Bedeutung dieser zeitgenössisch publizierten ‚Duellschriften‘ für die Erfassung der verschiedenen Beschreibungsformen des Duells in der Frühen Neuzeit nicht in Abrede gestellt werden, aber überschätzt werden sollte ihre Bedeutung mit Blick auf das Duell als Gewaltpraxis auch nicht! All dies fordert dazu heraus, sich von dem altvertrauten Bild des Duells als einem hoch formalisierten, exklusiven Ehrenkampf zu trennen, zumindest mit Blick auf die Geschichte des frühneuzeitlichen Duells im Alten Reich. Mit dem Aufkommen des Begriffs Duell im frühen 17. Jahrhundert setzte hier vielmehr ein langfristiger, uneinheitlicher und vielschichtiger Transformationsprozess ein. Im Rahmen dieser Transformation schälte sich aus dem Feld frühneuzeitlicher Ehrkonflikte, das stets durch eine große Varianz der Handlungsmuster gekennzeichnet war, nach und nach das Konzept eines ‚modernen‘ Duells heraus, das nun mehr und mehr als verabredeter, regelhafter und mit tödlichen Waffen ausgefochtener Zweikampf verstanden wurde, bei dem es um die Wahrung der Ehre ging. Doch zu einem endgültigen Durchbruch dieser neuen Idee des Duells kam es letztlich erst im 19. Jahrhundert.
VIII. Anhänge 1. Verzeichnis der häufig zitierten Duellmandate Brandenburg, Preußen • Brandenburger Duellmandat 1652 = Churfürst Friedrich Wilhelms zu Brandenburg Edict wider die Duelle, Ein- und Überfälle, Rumor- und Rauff-Händel, Cleve, am 17. Sept. 1652, in: Corpus juris militaris, Bd. 2, S. 857 f. • Brandenburger Duellmandat 1688 = Churfürstlich-Brandenburgisches Edictum wider die Duella, in: Fleming, Hannß Friedrich, Der Vollkommene Teutsche Soldat […], Leipzig 1726, S. 564–589 • Preußisches Duellmandat 1713 = Sr. Königl. Majestät in Preussen / und Churf. Durchleuchtigkeit zu Brandenburg Erklärtes und erneuertes Mandat Wider die Selbst-Rache / Injurien / Friedensstörungen und Duelle, 28. Juni 1713, Halle (bei Christoph Salfeld) 1713 (eigenständiger Druck). • Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten 1794, online unter URL http: / / ra.smixx.de / Links-F-R / PrALR / pralr.html (zuletzt am 12. Oktober 2013). Kursachsen • Kursächsisches Duellmandat 1653 = Churf. Johann Georgens des I. zu Sachsen, das unhöffliche Umbreuthen, üppige Leben, auch unchristliche Ausfordern und Balgen betreffend, den 30. Junii, Anno 1653, in: Lünig, Codex Augusteus, Bd. 1, Sp. 1545–1548. • Kursächsisches Duellmandat 1665-a = Churf. Johann Georgens des II. zu Sachsen wider die Injurien und Duelle, den 19. Julii und 20. Sept. Anno 1665, in: Lünig, Codex Augusteus, Bd. 1, Sp. 1621–1624. • Kursächsisches Duellmandat 1665-b = Injurien=Händel und das Tumultiren, Degenblossen, Ausfordern, Balgen und Duelliren betreffende, in: Lünig, Codex Augusteus, Bd. 1, Sp. 1624–1628. • Kursächsisches Duellmandat 1670 = Wiederholtes Mandat Churf. Johann Georgens des II. zu Sachsen, darinnen das unchristliche Injuriren, Duelliren, vorigen Verordnungen nach, nochmals verbothen (…), den 5. Octobr. Anno 1670, in: Lünig, Codex Augusteus, Bd. 1, Sp. 1633–1638. • Kursächsisches Duellmandat 1677 = Churf. Johann Georgens des II. zu Sachsen, des Duellirens halber, und dessen Extension auf das Bastoniren und Prügeln, oder ander dergleichen Tractament, den Martii, Anno 1677, in: Lünig, Codex Augusteus, Bd. 1, Sp. 1653–1656. • Kursächsisches Duellmandat 1706 = Mandat Wider die Selbst-Rache, FriedenStöhrungen und Duellen […] 1706, in: Lünig, Codex Augusteus, Bd. 1, Sp. 1731– 1744.
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VIII. Anhänge
• Kursächsisches Duellmandat 1712 = Ejusdem Erneuert und geschärfftes anderweit eröffnetes Mandat Wider die Selbst-Rache, Injurien, Friedens-Stöhrungen und Duelle […] 1712, in: Lünig, Codex Augusteus, Bd. 1, Sp. 1785–1804. • Kursächsisches Duellmandat 1717 = Herrn Friderici Augusti, Königs in Polen und Churfürst zu Sachsen Ordre, wegen Limitation des Duell-Mandats, in Ansehung der gemeinen Soldaten vom Wachmeister an, in: Lünig, Corpus juris militaris, Bd. 2, S. 854. Mecklenburger Herzogtümer • Mecklenburg-Schweriner Duellmandat (Entwurf) 1618 = Edict wegen der provocation ad duellum ao 1618, 22. Jan., LAS 2.12-2 / 3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1628 [o. Pag.]. • Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1646 = Edikt vom März 1646 gg. das Duell inklusive der Lübecker Vorlage, LAS, 2.12-2 / 3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1629. • Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1715 = Carl Leopolds / Erneuert- und geschärfftes Duel-Edict […], Rostock den 27. Martii 1715, LAS, 2.12-2 / 3 (Gesetze und Edikte in Zivil und Kriminalangelegenheiten, 1637). • Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1737 = Von Gottes Gnaden / Christian Ludewig […] das Kayserliches Duellpatent, LAS, 2.11-2 / 1 (Auswärtige Beziehungen, Acta externa), 1685. • Mecklenburg-Schweriner Duellmandat 1750 = Von Gottes Gnaden Christian Ludewig […] Duelledict, LAS, 2.12-2 / 3 (Gesetze und Edikte), 1639. • Mecklenburg- Schweriner Duellmandat 1786 = Des Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn, Herrn Friedrich Franz […] Erneuerte Patent-Verordnung gegen herausforderungen, Schlägereyen und Zweykämpfe, Schwerin 1786 (eigenständiger Druck). Oberlausitz • Oberlausitzer Duellmandat 1655 = Chur-Fürst Joh. Georg I. Mandat d. d. 31. Mart. 1653 wieder allen Zanck, Friedens-Stöhrung, Ausfordern und Duelliren, nebst Ober-Amts-Patent d. d. 21. Septembr. 1655, in: Collection derer den Statvm des Marggrafthums Ober-Lausitz […] betreffenden Sachen, Bd. 1, S. 192–196. • Oberlausitzer Duellmandat 1706 = Königs Friderici Augusti II. Mandat, d. d. 15. April 1706 wieder die Selbst-Rache, Friedens-Stöhrungen und Duelle, nebst Ober-Amts-Patent, in: Collection derer den Statvm des Marggrafthums OberLausitz […] betreffenden Sachen, Bd. 1, S. 202–220. • Oberlausitzer Duellmandat 1712 = Ober-Amts-Publications-Patent, Wegen des allergnädigst erläuterten Duell-Mandats, den 16. Septembris, Anno 1712, in: Collection derer den Statvm des Marggrafthums Ober-Lausitz […] betreffenden Sachen, Bd. 1, S. 223–246. Schweden, Schwedisch-Pommern (ggf. in deutscher Übersetzung) • Schwedisches Duellmandat 1662 = Königliches auch in Pommern publicirtes Duell-Verbot vom 23. December 1662, in: Dähnert, Sammlung […] Landesurkunden, Bd. 3, S. 338–340.
1. Verzeichnis der häufig zitierten Duellmandate335
• Schwedisches Duellmandat 1682 = Königliches strenges und ernstliches Verbot wegen der Duellen und Schlägereyen, sampt der Reparaion und Vergnügung, so die Beschimpften haben sollen, 22. August 1682, in: Dähnert, Sammlung […] Landesurkunden, Bd. 3, S. 341–346. • Schwedisches Duellmandat 1719 = Kongl. maj:ts Förnyade Duells-Placat, Gifwit Stockholm den 8. Octob. åhr 1719 (eigenständiger Druck). • Schwedisches Duellmandat 1738 = Kongl: May:tz Förnyade Duells-Placat. Gifwit Stockholm i Råd-Cammaren then 26. Januarii 1738 (eigenständiger Druck). Weitere Gesetze der Reichsebene und anderer Territorien im Alten Reich (chronologische Reihung) • Hessisches Burgfriedenspatent 1611 = Burg-Friedens Patent für den Fürstlichen Hof und übrige Fürstliche Häuser, Cassel, 1. Januar 1611, in: Kleinschmidt, Sammlung Fürstlich Hessischer Landes-Ordnungen und Ausschreibungen […], erster Theil, S. 513 f. • Kaiserliches Duellmandat 1617 = abgedr. in: Sircks, Warnungs Predigt, S. 100– 107. • Schleswig-Holsteiner Duellmandat 1623 = Duel-Verbot, insonderheit wieder das duellieren zu Pferde mit Kugelwechseln, vom 31sten Jan 1623, in: Sammlung der hauptsächlichsten Schleswig-Holsteinischen gemeinschaftlichen Verordnungen, Nr. LX, S. 345. • Schleswig-Holsteiner Duellmandat 1636 = Constitution […] betreffend die Ecclesiastica und Criminalia […] 1636, in: Sammlung der hauptsächlichsten Schleswig-Holsteinischen gemeinschaftlichen Verordnungen, Nr. XCI, § 12–18, S. 458– 460. • Lübecker Duellmandat 1645 = Edikt [mit Abschriften] 1646, LAS, 2.12-2 / 3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1629. • Duellmandat Braunschweig-Lüneburg-Wolffenbüttel 1646 = Hertzogs Augusti zu Braunschweig-Lüneburg-Wolffenbüttel Edict wider das Ausfordern, Rauffen, Balgen und Kugelnwechseln, 1646, in: Lünig, Corpus juris militari, Bd. 2, S. 1138– 1141. • Sachsen-Gothaer Duellmandat 1646 = Hertzogs Ernsts zu Sachsen-Gotha DuellMandat […] 1646, in: Lünig, Corpus juris militari, Bd. 2, S. 1092–1094. • Schlesisches Duellmandat 1651 = Kayser Ferdinandii Mandat, worinn aller Rumor, Rauff-Händel, Balgen und Schlägereyen, auch Frevel und Gewaltthaten, sonderlich im Herzogthum Schlesien verbothen, in: Lünig, Corpus juris militari, Bd. 2, S. 692 f. • Articuls-Brief und Kriegs-Gerichts-Ordnung vor Jhrer Königl. Maj. in Franckreich und derer mit derselben vereinigten Chur- und Fürsten des H. Röm. Reichs-Armee 1658 = Articuls-Brief und Kriegs-Gerichts-Ordnung vor Jhrer Königl. Maj. in Franckreich und derer mit derselben vereinigten Chur- und Fürsten des H. Röm. Reichs-Armee, unterm Commando höchstgedachter Herrn Alliirten bestelten General-Lieutenants Herrn Grafens Wolffgangs Julii von Hohenlohe, 1658, in: Lünig, Corpus juris militaris, Bd. 1, S. 670–681.
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VIII. Anhänge
• Reichsgutachten 1668 = Reichs-Gutachten / Uber Verbesserung des Policey-Wesens, und in specie den ersten Punct: wie nemlich im Heiligen Römischen Reich dem höchst-schändlichen Duelliren, Balgen und Kugel-wechseln zu begegnen […], in: Eggenstorff, Vollständige Sammlung aller […] Reichs-Schlüsse, Teil 1, S. 302–305. • Articuls-Brieff vor die Reichs-Völcker 1672 = Articuls-Brieff vor die ReichsVölcker, in: Lünig, Corpus juris militaris, Bd. 1, S. 115–124. • Bayrisches Duellmandat 1773 = Duell-Mandat für alle hoch und niedere Civilund Militair-Personen, in: Meyr, Sammlung der Kurpfalz-Baierischen allgemeinen und besonderen Landesverordnungen, Bd. 1, Nr. LXXXVII, S. 81–85. • Bayrisches Duellmandat 1779 = Von processir- und Bestraffung der Duellanten, in: Meyr, Sammlung der Kurpfalz-Baierischen allgemeinen und besonderen Landesverordnungen, Bd. 1, Nr. CXVI, S. 137–145. Andere Gesetze (nicht das Duell betreffend) • Carolina = Des allerdurchleuchtigsten großmechtigste[n] vnüberwindtlichsten Keyser Karls des fünfften: vnnd des heyligen Römischen Reichs peinlich gerichts ordnung auff den Reichsztägen zu Augspurgk vnd Regenspurgk, in[n] jaren dreissig, vn[d] zwey vnd dreisssig gehalten, auffgericht vnd beschlossen, (Drucker Ivo Schöffer) Mainz 1533 (eigenständiger Druck). • Kursächsische Konstitutionen 1572, Teil 4 = Churfürst Augusti Verordnungen und Constitutiones, Pars IV, in: Lünig, Johann Christian: Codex Augusteus, Bd. 1, Sp. 117–132. • Oberlausitzer Ober-Amts-Patent 1598 = Ober-Amts-Patent wieder das von einigen von Adel in denen Städten unternommene Abschiessen der Büchsen und anderer Thätlichkeiten, d. d. 4. Septembr. Anno 1598, in: Collection derer den Statvm des Marggrafthums Ober-Lausitz […] betreffenden Sachen, Bd. 1, S. 388 f. • Oberlausitzer Ober-Amts-Patent 1625 = Ober-Amts-Patent wieder einige von dem jungen Adel unternommene Vergünstigungen, den 24. Mart. Anno 1625, in: Collection derer den Statvm des Marggrafthums Ober-Lausitz […] betreffenden Sachen, Bd. 1, S. 394 f. • Oberlausitzer Ober-Amts-Patent 1645 = Ober-Amts-Patent wieder die unanständige Aufführung etlicher von Adel, auch andere in- und ausländische ihnen adhaedirende Gesellschaften, den 20. April Anno 1645, in: Collection derer den Statvm des Marggrafthums Ober-Lausitz […] betreffenden Sachen, Bd. 1, S. 395 f.
2. Verzeichnis der ungedruckten Quellen Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (HAB) HAB Wolfenbüttel, Sign.: M: QuN 1083 (2). Herzogin Anna Amalia Bibliothek (HAAB) HAAB Weimar, Stb 243: Stammbuch eines unbekannten Studenten in Altdorf (1697–1700). HAAB Weimar, Stb 440: Stammbuch Heinrich Nikolaus Crell (1750 / 51). HAAB Weimar, Stb 518: Stammbuch Wilhelm Förster (1804–1807). HAAB Weimar, Stb 669: Stammbuch Carl Musäus (1787–1821). Landesarchiv Greifswald (LAG) LAG, Rep. 10, Nr. 243; Nr. 2591. LAG, Rep. 10a, Nr. 214. LAG, Rep. 29, Nr. 37; 324. LAG, Rep. 31, Nr. 63 / 1; Nr. 63 / 2; Nr. 257 / 1; Nr. 257 / 2; Nr. 295 / 2; Nr. 389. LAG, Rep. 7, Nr. 34; Nr. 180; Nr. 213; Nr. 271; Nr. 289; Nr. 329; Nr. 332; Nr. 335; Nr. 351; Nr. 352; Nr. 421; Nr. 445; Nr. 449; Nr. 476; Nr. 497; Nr. 502; Nr. 525; Nr. 656; Nr. 708; Nr. 762; Nr. 764; Nr. 792; Nr. 862; Nr. 915; Nr. 916; Nr. 996; Nr. 1035; Nr. 1093; Nr. 1109; Nr. 1134; Nr. 1170; Nr. 1214; Nr. 1309; Nr. 1322; Nr. 1327; Nr. 1336; Nr. 1348; Nr. 1361; Nr. 1518; Nr. 1519; Nr. 1617; Nr. 1678; Nr. 1887; Nr. 1932; Nr. 1933; Nr. 1935; Nr. 2008; Nr. 2109; Nr. 2158; Nr. 2202; Nr. 2352; Nr. 2356: Nr. 2387; Nr. 2420; Nr. 2463; Nr. 2521a; Nr. 2539; Nr. 2554; Nr. 2617; Nr. 2640; Nr. 2644; Nr. 2707; Nr. 2803; Nr. 2887; Nr. 2901; Nr. 3128; Nr. 3132; Nr. 3181; Nr. 3184; Nr. 3217; Nr. 3285; Nr. 3305; Nr. 3349; Nr. 3431; Nr. 3536; Nr. 3642; Nr. 3648; Nr. 3761; Nr. 3767; Nr. 3821; Nr. 3876; Nr. 3952; Nr. 4024; Nr. 4068; Nr. 4072; Nr. 4074; Nr. 4075; Nr. 4077; Nr. 4359; Nr. 4360; Nr. 4408; Nr. 4422; Nr. 4518; Nr. 4571; Nr. 4632; Nr. 4634; Nr. 4654; Nr. 4665; Nr. 4770; Nr. 4854; Nr. 4855; Nr. 4999; Nr. 5012; Nr. 5014; Nr. 5020; Nr. 5084; Nr. 5098; Nr. 5107; Nr. 5197; Nr. 5466; Nr. 5534; Nr. 5535; Nr. 5567; Nr. 5676; Nr. 5730; Nr. 5777; Nr. 5837. Landesarchiv Schwerin (LAS) LAS, 2.12.-3 / 3 (Universität Rostock und Bützow), Vol. VII, 5. Duelle; 7. Exzesse. LAS, 2.12-2 / 18 (Militärwesen), 5, Delikte außer Desertion, Nr. 5023. LAS, 2.12-2 / 3 (Gesetze und Edikte), Nr. 1628; Nr. 1629; Nr. 1631; Nr. 1633; Nr. 1634; Nr. 1637; Nr. 1638.
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VIII. Anhänge
LAS, 2.26-1 (Großherzogliches Kabinett I), Nr. 882; Nr. 883; Nr. 884; Nr. 885; Nr. 886; Nr. 887; Nr. 888; Nr. 889; Nr. 890; Nr. 891; Nr. 892; Nr. 893; Nr. 894; Nr. 895; Nr. 896; Nr. 897; Nr. 905. LAS, 4.2.-1 (Ratzeburger Regierung), Nr. 262; Nr. 263; Nr. 264; Nr. 265; Nr. 266. LAS, 2.12-2 / 18 (Militärwesen), 5. Reichsarchiv Stockholm (RAS) RAS, Gadebuschska Samlingen, Nr. 115. RAS, Justitierevisionen utsalgshandlingar, 1683, 9 / Nov.; 1684, 14 / Mars; 1686, 25 / Juni; 1686, 8 / Feb.; 1686, 31 / Aug.; 1692, 17 / Mars; 1692, 2 / Spt.; 1695 / III–V, 19 / Nov.; 1695 / III–V, 2 / Dec.; 1696 / Bunt II B, 26 / Juni; 1696 / Bunt II, 22 / Juni; 1696 / Bunt IV, 16 / Sept.; 1697 / Bunt IX, No. 1; 1698 / Bunt I, No. 2, 7 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 4, 7 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 5, 7 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 6; 1698 / Bunt I, No. 11, 7 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 12, 7 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 13, 7 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 7, 7 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 9, 7 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 101, 26 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 14, 7 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 15, 7 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 16, 7 / Jan.; 1698 / Bunt I, No. 17, 8 / Jan.; 1698 / Bunt III, No. 42, 20 / Mai; 1698 / Bunt III, No. 62, 27 / Mai; 1698 / Bunt IV, No. 208, 25. / Oct.; 1699, Bunt II, No. 16, 10 / Oct.; 1699, Bunt IX, No. 23, 20 / Mai; 1701 30 / Aug.; 1702 26 / Mars, No. 66; 1702, 18 / Juni, No. 61; 1703, 18 / Oct. Nov 26–30; 1704, 13 / Juli, No. 35 1 / 2; 1704, 3 / Sept.; 1704, 5 / Oct.; 1705, 3 / Mars, No. 24.; 1721, 13 / mars und 1723 13 / mars No. 2; 1721, 17 / Nov.; 1721, 21 / Febr.; 1723, 10 / April No. 12; 1723, 20 / Mars, No. 11; 1723, 24 / Juli; 1724, 11 / Sept; 1724, 5 / Juni; 1725, 24 / Sept, No. 88; 1725, 26 / Mai; 1730, 30 / Jan; 1732, 19 / Oct.; 1741, 30 / Mai; 1744, 15 / Oct.; 1785, 16 / Dec, No. 62 1 / 2b, Vol. 18 / 2 ang. Duellmalet; 1685, 1 / Sept.; 1685, 7 / Juni. RAS, Justitierevisionen utslagshandlingar, oresolverade, 1662, 9 / Aug.; 1704 14 / Dec. RAS, Pommeranica, No. 255. Sächsische Landesbibliothek, Staats- und Universitätsbibliothek (SLUB) SLUB, Dresden Mscr. K39: Rangliste der ChurFürstl. Sächs. Generals auch Staabsund Oberofficiers Anno 1769. Sächsisches Hauptstaatsarchiv Dresden (SächsHStA Dresden) SächsHStA Dresden, 10015 (Landtagsakten), Nr. A32; Nr. 53. SächsHStA Dresden, 10024 (Geheimer Rat), Loc. 7902 / 4; Loc. 9661 / 2; Loc. 9700 / 38; Loc. 9700 / 44; Loc. 9700 / 47; Loc. 9700 / 48; Loc 9700 / 49; Loc. 9700 / 51; Loc. 9700 / 52; Loc. 9700 / 55; Loc. 9702 / 3; Loc. 9702 / 4; Loc. 9702 / 6; Loc. 9702 / 8; Loc. 9702 / 18; Loc. 9708 / 18; Loc. 9709 / 30; Loc. 9709 / 30; Loc. 9709 / 37; Loc. 9710 / 4; Loc. 9710 / 10; Loc. 9710 / 11; Loc. 9719 / 25; Loc. 9722 / 3; Loc. 9780 / 11; Loc. 9992 / 5; Loc. 9992 / 7; Loc. 9992 / 9; Loc. 9992 / 12; Loc. 9993 / 1; Loc. 9993 / 2; Loc. 10144 / 16; Loc. 10531 / 6; Loc. 10539 / 3; Loc. 10539 / 4.
2. Verzeichnis der ungedruckten Quellen339
SächsHStA Dresden, 10026 (Geheimes Konsilium), Loc. 576 / 04; Loc. 696 / 7; Loc. 686 / 5; Loc. 1404 / 1-5; Loc. 1405 / 1-4; Loc. 2445 / 8; Loc. 2456 / 3; Loc. 2548 / 05; Loc. 3424 / 4. SächsHStA Dresden, 10026 (Geheimes Konsilium), Militärdepartement, Nr. 220; Nr. 242 Die Arrestanten der Festung Königstein betreffend 1780–1802; Militärdepartement, Nr. 245 Die Arrestanten der Festung Königstein betreffend 1800– 1801. SächsHStA Dresden, 11237 (Geheimes Kriegsratskollegium), Loc. 10910 / 8. SächsHStA Dresden, 13749 (Stadtgericht Freiberg), Nr. 97. Staatsfilialarchiv Bautzen (StFiA Bautzen) StFiA Bautzen, 50009, Nr. 158; Nr. 484; Nr. 690; Nr. 691. Stadtarchiv Leipzig (StA Leipzig) StA Leipzig, 1.2.1.7.2.3. (Richterstube Strafakten), Nr. 559 (vorläufige Sign.); Nr. 603 (vorläufige Sign.); Nr. 608 (vorläufige Sign.); Nr. 611 (vorläufige Sign.); Nr. 613 (vorläufige Sign.); Nr. 615 (vorläufige Sign.); Nr. 625 (vorläufige Sign.); Nr. 636 (vorläufige Sign.); Nr. 641 (vorläufige Sign.); Nr. 645 (vorläufige Sign.); Nr. 672 (vorläufige Sign.); Nr. 689 (vorläufige Sign.); Nr. 776 / b (vorläufige Sign.); Nr. 785 (vorläufige Sign.); Nr. 790 (vorläufige Sign.); Nr. 791 (vorläufige Sign.); Nr. 793 (vorläufige Sign.); Nr. 799 (vorläufige Sign.). StA Leipzig, Inn Chir. A3, Art. 29; Inn. Chir, A4, Tit V; Inn. Chir. A4, Tit XIX; Inn. Chir. C1,1. Stadtarchiv Stralsund (StA Stralsund) StA Stralsund, Rep 3, Bd. 1340, Familie von Osten. StA Stralsund, Rep 3, 603; 1371; 6700. StA Stralsund, Rep 13, Bd. 351; Bd. 357. StA Stralsund, Rep. 33, 416c. Stadtarchiv Wismar (SAW) SAW, Prozeßakten des Magistratsgerichts 1690–1750, Nr. 4322. SAW, Prozeßakten des Magistratsgerichts, Nr. 3867. SAW, Prozeßakten des Tribunals, Nr. 826; Nr. 827; Nr. 878; Nr. 911; Nr. 913; Nr. 1594; Nr. 2828. Universitätsarchiv Greifswald (UAG) UAG, Altes Rektorat, Hbg. Nr. 411. UAG, Med. Fak 8. UAG, R 730.
340
VIII. Anhänge
Universitätsarchiv Halle-Wittenberg (UAH) UAH, Rep. 1, Nr. 172; Nr. 1912; Nr. 1924. Universitätsarchiv Rostock (UAR) UAR, Uniarchiv Rostock, Akademisches Gericht, 8; Nr. 10; Nr. 13; Nr. 14; Nr. 18; Nr. 19; Nr. 27; Nr. 36; Nr. 39; Nr. 44; Nr. 44a; Nr. 46; Nr. 71; Nr. 79; Nr. 81; Nr. 82; Nr. 83; Nr. 89; Nr. 94; Nr. 102; Nr. 113; Nr. 117; Nr. 118; Nr. 120; Nr. 128; Nr. 144; Nr. 149; Nr. 151; Nr. 156; Nr. 171; Nr. 196; Nr. 202; Nr. 203; Nr. 211; Nr. 214; Nr. 232; Nr. 236; Nr. 278 C; Nr. 326; Nr. 329; Nr. 331; Nr. 335; Nr. 342; Nr. 346; Nr. 359; Nr. 369; Nr. 374; Nr. 376 / 377; Nr. 390; Nr. 473; Nr. 477; Nr. 481; Nr. 495; Nr. 496; Nr. 498; Nr. 505; Nr. 514; Nr. 517; Nr. 518; Nr. 532; Nr. 559; Nr. 561; Nr. 572; Nr. 579; Nr. 593; Nr. 610; Nr. 632; Nr. 639; Nr. 641; Nr. 651; Nr. 679; Nr. 682; Nr. 684; Nr. 686 / 687; Nr. 698; Nr. 705; Nr. 712; Nr. 741; Nr. 742; Nr. 750; Nr. 757; Nr. 758; Nr. 759; Nr. 767; Nr. 777; Nr. 835; Nr. 842; Nr. 848; Nr. 859; Nr. 860 A; Nr. 863; Nr. 865; Nr. 873; Nr. 878; Nr. 881; Nr. 888; Nr. 909; Nr. 913; Nr. 925; Nr. 926; Nr. 931; Nr. 932; Nr. 936; Nr. 938; Nr. 946; Nr. 952; Nr. 956; Nr. 961; Nr. 972; Nr. 984; Nr. 985; Nr. 986; Nr. 989; Nr. 996; Nr. 997; Nr. 1001; Nr. 1012; Nr. 1016; Nr. 1020; Nr. 1032; Nr. 1046; Nr. 1048; Nr. 1052; Nr. 1068; Nr. 1075; Nr. 1076; Nr. 1087; Nr. 1089; Nr. 1091; Nr. 1106; Nr. 1122; Nr. 1134; Nr. 1161; Nr. 1162; Nr. 1167; Nr. 1171; Nr. 1195; Nr. 1236; Nr. 1237; Nr. 1243; Nr. 1250; Nr. 1253; Nr. 1266; Nr. 1269; Nr. 1296; Nr. 1298; Nr. 1308; Nr. 1313; Nr. 1325; Nr. 1330; Nr. 1334; Nr. 1349; Nr. 1378; Nr. 1387; Nr. 1396; Nr. 1409; Nr. 1416; Nr. 1421; Nr. 1430 / 1432; Nr. 1433; Nr. 1451; Nr. 1456; Nr. 1458; Nr. 1460; Nr. 1476; Nr. 1477; Nr. 1478; Nr. 1482; Nr. 1485; Nr. 1495; Nr. 1508; Nr. 1529; Nr. 1531; Nr. 1535; Nr. 1546; Nr. 1547; Nr. 1450; Nr. 1557; Nr. 1559; Nr. 1562; Nr. 1568; Nr. 1569; Nr. 1570; Nr. 1573; Nr. 1574; Nr. 1575; Nr. 1576; Nr. 1582; Nr. 1583; Nr. 1585; Nr. 1592; Nr. 1597; Nr. 1613; Nr. 1615 D; Nr. 1622; Nr. 1624; Nr. 1626a, c, d-h; Nr. 1661; Nr. 1662; Nr. 1663; Nr. 1691; Nr. 1702; Nr. 1718; Nr. 1728; Nr. 1746; Nr. 1760; Nr. 1761; Nr. 1778; Nr. 1787 A; Nr. 1839; Nr. 1841; Nr. 1848; Nr. 1850; Nr. 1851; Nr. 1852; Nr. 1853; Nr. 1860; Nr. 1872; Nr. 1876; Nr. 1879; Nr. 1885; Nr. 1787; Nr. 1898; Nr. 1900; Nr. 1901; Nr. 1903; Nr. 1909; Nr. 1915; Nr. 1924; Nr. 1949; Nr. 1950; Nr. 1969; Nr. 1991; Nr. 1992; Nr. 1994; Nr. 2003; Nr. 2016; Nr. 2019; Nr. 2074; Nr. 2076; Nr. 2079; Nr. 2087; Nr. 2088; Nr. 2089; Nr. 2090; Nr. 2091; Nr. 2142; Nr. 2143; Nr. 2145; Nr. 2149; Nr. 2150; Nr. 2158; Nr. 2159; Nr. 2164; Nr. 2169; Nr. 2170; Nr. 2172; Nr. 2189; Nr. 2193; Nr. 2200; Nr. 2206; Nr. 2207; Nr. 2208; Nr. 2214; Nr. 2226; Nr. 2229 D; Nr. 2272 C; Nr. 2282; Nr. 2300; Nr. 2305; Nr. 2315; Nr. 2334; Nr. 2340; Nr. 2341; Nr. 2342; Nr. 2348; Nr. 2353; Nr. 2358; Nr. 2374; Nr. 2387; Nr. 2391; Nr. 2424 D; Nr. 2430; Nr. 2449; Nr. 2451; Nr. 2454; Nr. 2464; Nr. 2472; Nr. 2476; Nr. 2479; Nr. 2480; Nr. 2484; Nr. 2507; Nr. 2517; Nr. 2521 E; Nr. 2525; Nr. 2528; Nr. 2530; Nr. 2531; Nr. 2532; Nr. 2533; Nr. 2538; Nr. 2544; Nr. 2566; Nr. 2575; Nr. 2577; Nr. 2578; Nr. 2579; Nr. 2580; Nr. 2581; Nr. 2582; Nr. 2586; Nr. 2587; Nr. 2589; Nr. 2624; Nr. 2642; Nr. 2652; Nr. 2653; Nr. 2665; Nr. 2690; Nr. 2705; Nr. 2706; Nr. 2721; Nr. 2734; Nr. 2735; Nr. 2741; Nr. 2749; Nr. 2750; Nr. 2751; Nr. 2752; Nr. 2754; Nr. 2755; Nr. 2756; Nr. 2759; Nr. 2760; Nr. 2766; Nr. 2793; Nr. 2799; Nr. 2800; Nr. 2803; Nr. 2823; Nr. 2847; Nr. 2873; Nr. 2879; Nr. 2881; Nr. 2882; Nr. 2883; Nr. 2885; Nr. 2890; Nr. 2893;
2. Verzeichnis der ungedruckten Quellen
341
Nr. 2897; Nr. 2901; Nr. 2902; Nr. 2907; Nr. 2908; Nr. 2915; Nr. 2948; Nr. 2949 B; Nr. 2949 C; Nr. 2949 C; Nr. 2969; Nr. 2994; Nr. 3001; Nr. 3014; Nr. 3042 D; Nr. 3042 E; Nr. 3050; Nr. 3078; Nr. 3079; Nr. 3080; Nr. 3085; Nr. 3062; Nr. 3094; Nr. 3096; Nr. 3100; Nr. 3101; Nr. 3109; Nr. 3110; Nr. 3129; Nr. 3138; Nr. 3151; Nr. 3152; Nr. 3152 A; Nr. 3153; Nr. 3171; Nr. 3172; Nr. 3183; Nr. 3184; Nr. 3185; Nr. 3205; Nr. 3113; Nr. 3214; Nr. 3221; Nr. 3221 B; Nr. 3222; Nr. 3250; Nr. 3257 B; Nr. 3273; Nr. 3305; Nr. 3314; Nr. 3317; Nr. 3319; Nr. 3319; Nr. 3335; Nr. 3364; Nr. 3365; Nr. 3412; Nr. 3417; Nr. 3439; Nr. 3440; Nr. 3441; Nr. 3444; Nr. 3457; Nr. 3473; Nr. 3488; Nr. 3489; Nr. 3490; Nr. 3501; Nr. 3508; Nr. 3580; Nr. 3594; Nr. 3597; Nr. 3623; Nr. 3627; Nr. 3636; Nr. 3637; Nr. 3641; Nr. 3684; Nr. 3705; Nr. 3731; Nr. 3732; Nr. 3740. UAR, S 1241; S 1411; S 1531; S 1541; S 1601; S 1681; S 1891; S 2131; S 2993 UAR, SA 1241.1; SA 1411.2; SA 1531; SA 1541.2; SA 1601.1; SA 1681; SA 2131; SA 6441.3. UAR, SAB 8121. UAR, SB 8121. UAR, SU 0034.
3. Verzeichnis der gedruckten Quellen Abelinus, Johann Philipp u. a.: Theatrum Europaeum, oder außführliche und warhafftige Beschreibung aller und jeder denckwürdiger Geschichten, so sich hin und wieder in der Welt, fürnemblich aber in Europa und Teutschlanden, sowol im Religion- als Prophan-Wesen,[…] sich zugetragen, Bd. 4 (1639–1642), Frankfurt a. M. 1692; Bd. 7 (1651–1657), Frankfurt a. M. 1685; Bd. 8 (1657–1660), Frankfurt a. M. 1693; Bd. 12 (1679–1686), Frankfurt a. M. 1691; Bd. 13 (1687–1690), Frankfurt a. M. 1698; Bd. 14 (1691–1695), Frankfurt a. M. 1702; Bd. 17 (1704– 1706), Frankfurt a. M. 1718. Åberg, Alf (Ed.): Fältmarskalken Rutger von Aschebergs Journal och Korrespondens till år 1680, Stockholm 1951. [Art.] Duell, in: Pierer’s Universal-Lexikon der Vergangenheit und Gegenwart oder Neuestes encyklopädisches Wörterbuch der Wissenschaften, Künste und Gewerbe, 4. Aufl., Bd. 5, Altenburg 1858, S. 379–384. [Art.] Zweykampf, in: Conversationslexikon mit vorzüglicher Rücksicht auf die gegenwärtigen Zeiten, Theil 6, Leipzig 1808, S. 489–494. Bacmeister, Lucas: Leichpredigt / Bey der Volckreichen vnd ansehnlichen Begrebnuß des Weiland Edlen / Gestrengen vnd Ehrenuesten Tessen von Parsow / Fürstlichen Mecklenburgischen bestalten Obristen vnd geheimen Rath / auff Parsow vnd Vpall Erbgesessen. Den 27. Septembris dieses 1614. Jahrs zu Güstrow in der Thumbkirchen gehalten, Rostock [Joachim Fueß] 1614. Balduin, Fiedrich: Christlicher Unterricht / Vom Balgen / Auß Heiliger Göttlicher Schrifft genommen / Vnd Bey Adelichem Leichbegräbnüß des weiland Edlen gestrengen und Ehrenvesten Junckern Henrich Platen / Welcher im Jahr Christi 1620. den 29. Augusti tödlich verwundet worden / vnd den 3. Septemb. selig vnd im HERRN verschieden ist. Zuvörderst jungen Leuten zur Nachrichtung / vnd den Betrübten zum Trost in der Pfarrkirchen zu Wittenberg den 7. Septemb. 1620 gethan. Barbasetti, L.: Ehren-Kodex. 3. Aufl. nach der 2. Aufl. des italienischen Originals vollständig umgearbeitet von Bernhard Dimand. Braumüller, Wien u. a. 1908 (Nachdruck: WJK-Verlag, Hilden 2008). Bauer, Erich (Hrsg.): 14 der ältesten SV-Komments vor 1820, Einst und Jetzt, Sonderheft 1967 des Jahrbuches des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, Lemgo 1967. Below, Georg von: Das Ausheischen, in: Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft 16 (1896), S. 720–750. Below, Georg von: Das Duell in Deutschland. Geschichte und Gegenwart, Kassel 1896.
3. Verzeichnis der gedruckten Quellen343
Bodenheimer, Siegfried: Die geschichtliche Genesis der strafrechtlichen Bedrohung der Vorbereitungshandlungen zum Zweikampf im Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, Würzburg 1891. Bolgár, Franz von (Hg.): Die Regeln des Duells, 8. Aufl., Wien 1908 [ND Hilden 2008]. Brandenburg, Arnold: Geschichte des Magistrates der Stadt Stralsund, besonders in früherer Zeit: nebst einem Verzeichnisse der Mitglieder desselben, mit Ansicht des Rathauses vom Jahre 1316, Stralsund 1837. Budczies, [?] (Ed.): Aus dem Tagebuche des Obersten Vitzthum von Eickstädt (sic), in: Geschichts-Blätter für Stadt und Land Magdeburg 10 (1875), S. 280–285. Camerer, Johann Friedrich: Gedanken vom Duelle, [Leipzig 1756]. Carpzov, Benedikt: Practica nova Saxonica rerum criminalium, Wittenberg 1635, [ND Goldbach 1996]. Casa, Giovanni della: Der Gelateo. Traktat über die guten Sitten, hrsg. u. übers. v. Michael Rumpf, Heidelberg 1988. Casanova, Giacomo Girolamo: Das Duell oder Versuch über das Leben des Venezianers G. C., hrsg. v. Harmut Scheible, München 1988. Cellini, Benvenuto: Mein Leben. Die Autobiograie eines Künstlers aus der Renaissance, Übersetzung und mit einem Nachwort v. Jacques Laager, Zürich 2000. Chatauvillard, Alfred Comte de: Duell-Codex. Geiger, Lahr 1864 (zuerst franz. 1836) [ND Hilden 2007]. Collection derer den Statvm des Marggrafthums Ober-Lausitz, in Justiz- PoliceyLehns- […] und andern die Landes-Verfassung betreffenden Sachen, bestehende in Kayserlichen, Königlichen und Churfürstlichen Concessionen, Privilegien, Befreyungen […] und andern Ordnungen, Bd. 1, Budißin 1770. Dähnert, Johann Carl: Sammlung gemeiner und besonderer Pommerscher und Rügischer Landesurkunden, Bd. 3, Stralsund 1769. Dammhouder, Jost von: Dammhauder. Praxis Rervm Criminalium […] Frankfurt a. M. 1565. Denckwürdiges Mandat Römischer Kayserlicher Majestät Matthias […] wieder das Außfodern und Balgen, itzo […] nach gedruckt, 1664. Dreyer, Johann Carl Heinrich: Anmerckung von den ehemahligen gerichtlichen Duellgesetzen, und von einen seltenen und unbekannten Codice worinnen das Tallhöfers Kamp-Recht befindlich, in: Johann Carl Heinrich Dreyer, Sammlung vermischter Abhandlungen zur Erläuterung der teutschen Rechte und Alterthümer, wie auch der Critic und Historie, Teil 1, Rostock / Wismar 1754, S. 142– 172. Dreyer, Johann Carl Heinrich: Versuch einer Abhandlung von den Wirkungen der Genossenschafft, Corporität, Ebenbürtigkleit, oder Stades= und Geburts=Gleichheit nach Teutschen Rechten, in: Johann Carl Heinrich Dreyer, Sammlung vermischter Abhandlungen zur Erläuterung der teutschen Rechte und Alterthümer, wie auch der Critic und Historie, Teil 3, Rostock / Wismar 1663, S. 1131–1324.
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VIII. Anhänge
Ebel, Wilhelm (Ed.): Göttinger Studenten-Stammbuch aus dem Jahre 1786 [Stammbuch des stud. iur. Alexander Baron von Podmaniczky aus Ungarn], Göttingen 1966. Eggenstorff, Johann Joseph Pachner von (Hrsg.): Vollständige Sammlung aller von Anfang des noch fürwährenden Teutschen Reichs-Tags de Anno 1663 biß anhero abgefaßten Reichs-Schlüsse, Teil 1: 1663 bis 1675, ND Hildesheim u. a. 1996. Eschenbach, Philipp: Duellum Amoris inter parentes Coelestes & naturales de liberis, Oder Abgebildeter Liebskampff der Himlischen und Naturlichen Eltern / umb die Kinder / Das ist / eine Christliche Predigt ex Marc. 10: Bey Leichbestattung / Mariae Catharinae, Des […] Herrn / Michael Schöns […] Phil. et Med. Doct. […] zu Coburgk […] Döchterleins / Welches den 26. Ianuarii […], Coburg 1625. Faber, Zachaeus: Antimonomachia, Das ist: Was von dem Mörderischen provociren, Außfordern / Balgen / Stechen vnd Kugelwechseln der heutigen verblendeten vnd verstockten Welt-Belials- vnd Mordkinder zu halten? Ob die jenigen / die sich in ein solch Duellum begeben / recht thun / vnd für Christen zu halten seyn? […], Leipzig 1625. Fleming, Hannß Friedrich: Der Vollkommene Teutsche Soldat […], Leipzig 1726. Freud, Michael: Antimonomachia, oder Gewissens-Fragen / Was von Duellen, Ausforderungen / Kugel-Wechseln / Balgen / Rauffen / Schlagen / und dergleichen nach Gottes Heil. Wort zu halten / […] Item Schrifft-mäßiges Bedencken / Was von Gesundheit-Trincken / und Sielen zu halten, Wismar 1687 (zuvor bereits: Franckfurt am Mayn 1. und 2. Edit. 1682, 3. Edit. 1687). Freyberg, Maximilian Prokop von: Pragmatische Geschichte der bayerischen Gesetzgebung und Staatsverwaltung seit den Zeiten Maximilian I., Bd. 2, Leipzig 1836. Freydal, Des Kaisers Maximilian I. Turniere und Mummereien, hrsg. v. Q. v. Leitner, 1880–1882. Friedlieb Pomeranus, Irenaeus [Pseud.]: Duell-Tragaedi Duell-Tragaedi / was von Ausfodern und Balgen zu halten sey: Ein Gespräch / Darinnen Von zugelassenen und verbottenen Duellen discurriret wird / mit Gründen / Gleichnissen und Exempeln illustriret / nützlich zu lesen, Leipzig 1670. Fus, Adam: Des gerechten Habels jämmerliche Entleibung / Gen. 4. v. 8. Sampt einer kurtzen und Schrifftmässigen Abmahnung von dem jetziger Zeit leider allzugemeinen Balgen.: Bey dem […] Leichbegängniß Des […] Herrn Johann Apels / Kreytzischen MusterSchreibers. Welcher den 18. Aug. Anno 1627. zu Froburgk / in einem duello, tödtlich verwundet worden / und folgenden 21. Augusti […] verschieden, Leipzig 1628. Geffcken, J.: Der Streit über die Sittlichkeit des Schauspiels im Jahre 1769, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 3 (1851), S. 56–77. Gotter, Friedrich Wilhelm: Das Duell oder der Weise in der That. Ein Schauspiel in fünf Aufzügen, Wien 1768.
3. Verzeichnis der gedruckten Quellen345
Guarient, Frantz Anton von (Ed.): Codicis Austriaci ordine alphabetico compilati pars prima. Das ist: Eigentlicher Begriff und Innhalt Aller Unter deß Durchleuchtigisten Ertz-Hauses zu Oesterreich; Fürnemblich aber Der Allerglorwürdigisten Regierung Ihro Röm. Kayserl. auch zu Hungarn und Böheimb Königl. Majestät Leopoldi I, Ertz-Hertzogens zu Oesterreich etc. etc. Außgangenen und publicirten […] Generalien, Patenten, Ordnungen, Rescripten, Resolutionen […] Wie auch In Publicis, Politicis, Civilibus & Criminalibus emanierten Statuten […], Wien 1704. Gwalther, Rudolf: Monomachia Davidis et Goliae, & Allegorica eiusdem expositio, Heroico carmine descripta, unà cum alijs quibusdam, quorum catalogum sequens pagella exhibet omnia, Tigurum (Zürich) 1541. Häberlin, Carl F.: Aufruf an den Kaiser und an den Reichstag zu Regensburg, um die Anordnung eines Gottesgerichts oder Gottesurtheils, in: Carl F. Häberlin, Staats-Archiv, Bd. 12, Helmstedt / Leipzig 1804, S. 87–96. Hafenreffer, Matthias: Fried Bott / das ist / Ernstliche Erinnerung auß Gottes Wort / daß wir Christen vnd Kinder Gottes / friedlich vnd einig miteinander leben / vnd keiner den andern mit Worten oder Waffen freventlichen verletzen solle / Publ. und gepredigt […], Tübingen 1613. Hafenreffer, Matthias: Fried Bott / Das ist: Ernstliche Erinnerung auß Gottes Wort / daß wir Christen und Kinder Gottes / friedlich und einig miteinander leben […] / Publicirt und gepredigt / auff den Newen Jahrs Tag Anno 1613. in der Stifftskirch zu Tübingen. Durch Matthiam Hafenreffern […] Neben beygefügten Edict König licher Maj. in Franckreich und Navarren / [et]c. Den Hochschädlichen / Unchrist lichen Mißbrauch des Kämpffens und Balgens / Mann gegen Mann / betreffend: So bey dem Parlement zu Pariß / den 27. Junij Annno 1609. eröffnet und publicirt worden, Stettin 1615. Hammer, Martin: Threni threnorum, Sehnliche Klag und trewhertzige Warnung aus den 13.14.15. Verss. des 16. cap. des Büchlins der Weissheit: angestellt bey […] Leichbegengniß des […] Otto Wilhelms, Herrn von Schönburg […], Leipzig 1618. Harrach, Ernst Adalbert: Die Diarien und Tagzettel des Kardinals Ernst Adalbert von Harrach (1598–1667), hrsg. v. Keller, Katrin / Catalano, Alessandro, Bde. 1–7, Wien 2010. Hartmann, J. D. (Hrsg.): D. Joachim Hartmanns Geschichte seines Lebens, seines Charakters, seiner Meinungen und Schriften, Hamburg 1798. Hartnack, Daniel: Theologische Curiositäten, Darinnen beschrieben und gehandelt wird Von Geistlosen Geistlichen / Regenten-Pflicht / Haus- und Kinder-Zucht / Freche Hurentracht der Fontangen, Klage der religirten Mäntel / Tantzen / Frantzösischen Teutschlande / unverschämten Damen mit blossen Brüsten / Gesundheit trincken / Geld-Mandel / Goldmachen / Kunstreich zu werden / betrüglichen Alchimisten, Alten und ietzigen Müntzwesen / der von Teuffel besessenen Müntzmeister / Besserung des Geistlichen / Weltlichen und Hauß-Wesens / Abgöttischen Neutralisten / Magischen Zauber-Künsten / Duellen / Bärten / Parüquen / Ursprung des Alten und Neuen Adels / sampt einen Anhange von Zigeunern / und endlichen
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VIII. Anhänge
Betrachtungen der Curiositäten. Dem Geistlichen / Weltlichen und Haus-Stande zum besten zusammen getragen von D. H. M., Wedel 1690. Heiden, Georg Melchior: Duellum Jacobeum. Das ist: Des heiligen Patriarchen Jacobs gefährlicher Kampff und herrlicher Triumph. Aus dem 1. Buch Mosis am 32. Capit. Bey ansehlicher […] Leichbegängniß Des […] Herrn M. Johannis Götzii gewesene[n] trewen Pfarrherrn GeneralSuperintendenten und des löblichen Consistorii zu Eisennach Assessoris, Welcher […] den 14. Februarii dieses noch lauffenden 1636 Jahrs […] entschlaffen […], Coburg 1636. Heinzmann, Johann Georg: Kleine Chronick für Schweizer, Bd. 1, Bern 1795. Henry IV.: An edict or statute lately set foorth by the French King, concerning the prohibition and punishment of single and priuate combats. Hofmann, H. K.: Zweikampf und Ehrengerichte, in: Zeitschrift für deutsches Recht und deutsche Rechtswissenschaft 9 (1845), S. 229–257. Hofmann, Johannes (Ed.): Stammbuch aus vier Jahrhunderten, Leipzig 1926. Hohenemser, Paul (Ed.): Flugschriftensammlung Gustav Freytag, Hildesheim 1966 [ND d. Ausg. Frankfurt a. M. 1925]. Jester, Friedrich Ernst: Das Duell, oder das junge Ehepaar. Ein Lustspiel in einem Aufzug, Frankfurt / Leipzig 1771. K., C. v.: Ein Duell im 16. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Altertumsvereins zu Plauen i. V. 4 (1884), S. 22–25. Kaiser Maximilians I. Theuerdank, hrsg. v. Heinrich Th. Musper u. a., Plochingen u. a. 1968. Kleinschmidt, Christoph Ludwig: Sammlung Fürstlich Hessischer Landes-Ordnungen und Ausschreibungen […], erster Theil, Cassel 1767. Kohfeldt, Gustav: Kleine Züge aus dem Rostocker Universitätsleben, in: Beiträge zur Geschichte der Stadt Rostock 11 (1919), S. 64–81. Kohfeldt, Gustav / Ahrens, W. (Hrsg.): Ein Rostocker Studenten-Stammbuch von 1736 / 37, Rostock 1919. Krägelius, Matthäus: Duellum & Bellum von Kampff und Krieg: Darinnen I. Viel und lustige Exempel der Duellen aus den Historien erzehlet werden. II. Wird die Frag gehandelt: Ob solche Duellen zugelassen sein? III. Ob ein Christ mit gutem Gewissen im Krieg dienen könne? Dazu ist kommen ein Alexipharmacum oder GegenArtzney wider das Gifft / das ist / die nichtige exceptiones, unverschämbte Lügen und Lästerung / welche Iustus Wilhelmus Leurel M.U.D. Wider dieses Büchlein / in seinem Tractat / dessen Titul Bellum minime bellum ausgespeyet […], Bremen 1644. Kufahl, Hans / Schmied-Kowarzik, Josef: Duellbuch. Geschichte des Zweikampfes. Nebst einem Anhang enthaltend Duellregeln und Paukcomment. Weber, Leipzig 1896 [ND Hilden 2006, unter dem Titel: Der Zweikampf auf den Hochschulen: Geschichte des Zweikampfes nebst einem Anhang enthaltend Duellgesetze und Paukcomment]. Lamberg, Abraham: Comoedia von David und Goliath, Leipzig 1606.
3. Verzeichnis der gedruckten Quellen347
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VIII. Anhänge
Lünig, Johann Christian: Corpus juris militaris Des Heil. Röm. Reichs, Anderer Theil, oder Pars Specialis, vom Reichs=Kriegs=Rechte insonderheit, Leipzig 1723. Majer, Friedrich: Geschichte der Ordalien, insbesondere der gerichtlichen Zweikäpfe in Deutschland: Ein Bruchstück aus der Geschichte und den Alterthümern der deutschen Gerichsverfassung, Jena 1795. Massa, Antonio: Civis Romanus, Contra Usum Duelli / Nunc primum in Germania editus, Curante Christophoro Besoldo, Tübingen 1620. Mayer, Alexander: Der Zweikampf ehedem und heute, Wien 1866. Mayer, Friedrich: Der Zweikampf. Ein sittengeschichtlicher Beitrag, Erlangen 1843. Meinardus, Otto: Protokolle und Relationen des Brandenburgischen Geheimen Rates aus der Zeit des Kurfürsten Friedrich Wilhelm, Bd. 3 (Jan. 1645–Aug. 1647), Leipzig 1893. Meiners, Christoph: Kurze Untersuchung der Ursachen, um welcher Willen der Zweykampf fast allein unter denen Germanischen Nationen herrschende Sitte war, in: Neues Göttingisches historisches Magazin 3 (1794), S. 361–384. Melissantes [= Gregorii, Johann Gottfried]: Gemüths vergnügendes historisches Hand-Buch für Bürger und Bauern in welchem in Form eines kurtz gefassten Historischen Lexici von allerley Ständen, Künsten, Handwercken und Wissenschafften, deren Urhebern und Erfindungen kurtze Nachricht ertheilet wird, Frankfurt a. M. / Leipzig 1744. Meteren, Emanuel von: Niederländische Historien oder Geschichten Aller deren Händel / so sich zugetragen von Anfangs deß Niederländischen Kriegs / biß auf das Jahr 1611, in Niederländischer Sprach beschrieben / vnd in 28. Büchern verfast. Jetzo aber vom Autore selbst vbersehen / gemehret vnd gebessert / vnd in Hochteutsch vbersetzt / also / daß es für ein new Werck mag gehalten werden, 1612. Meyer-Camberg, Ernst (Hrsg.): 21 der ältesten Consitutionen der Corps und ihre Vorläufer bis zum Jahre 1810, Einst und Jetzt, Sonderheft 1981 des Jahrbuches des Vereins für corpsstudentische Geschichtsforschung, München / Stamsried Opf. 1981. Meyfart, Johann Matthaeus: Christliche Erinnerung von der auf den Evangelischen Hohen Schulen in Teutschland an manchem ort entwichenen ordnungen und Erbaren Sitten & bey dißen Elenden Zeiten eingeschlichenen barbareyen, Schleißingen 1636. Meyr, Georg Karl (Ed.): Sammlung der Kurpfalz-Baierischen allgemeinen und besonderen Landesverordnungen von Justitz-, Finanz-, Landschafts-, Maut-, Accis-, Kommerzien-, manufaktur- oder Fabriquen-Sachen, Bd. 1, München 1784. Müller, Johann Christian: Meines Lebens Vorfälle und Lebensumstände, Teil 1: Kindheit und Studienjahre (1720–1746), hrsg. v. Katrin Löffler, Nadine Sobirai, Leipzig 2007.
3. Verzeichnis der gedruckten Quellen349
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Hohen-Schulen verübet wirdt / wie es sey eine schwere grausame Himmelschreyende Sünde / die […] zu straffen, Rostock 1644. Schöttgen, Christian: Historie der ehedem auf Universitäten gebräuchlich gewesenen Pennal-Wesens, Dresden / Leipzig 1747. Schreck, Joachim: Klag-Trawr und Trost-Predigt / Auß dem Propheten Esaia c. 57 / v. 1 / & 2.: Uber Den Klag-erbarm-und unvermuthlichen Todesfall / Des […] Jünglings Victors von Bülowen / Des […] Churt von Bülowen […] einigen Sohns. Welcher zu Rehn den 28. Decembris ist gestochen / unnd den 3. Januarii darauff todes verblichen / unnd den 13. Februarii zu Gadebusch […] ist beygesetzet worden […], Lübeck 1646. Schröder, Dieterich: Kurtze Beschreibung der Stadt und Herrschafft Wismar, Was betrifft Die Weltliche Historie Derselben; Mehrentheils aus allerhand schrifft lichen Uhrkunden, Zur Erläuterung Der Mecklenburg. Weltlichen Historie, dem Liebhaber mitgetheilet, Wismar (1743). Schröder, Joachim: Mordspiegel / Oder Bericht von unschüldig Blutvergiessen / Morden und Beleidigungen: Das Wie sonst / also frewentlich Mit Balgen und andern Mördlichen und Rachgierigen Schlegen hin und wider / Sonderlich aber Auff Hohen-Schulen verübet wirdt / wie es sey eine […] Sünde / die […] zu straffen / Wie H. D: Johannes Schmit […] solches in eine absönderliche Predigt verfasset […] Nebenst einen Mandat / welches der Hochlöblicher Römischer Kayser Matthias deßfals bey seiner zeit publiciret / Unnd einer Vorrede wegen der abschaffungen der Barbareyen / sonderlich aber Deß Verfluchten Pennalismi unnd deß Balgens; in Druck gegeben Durch M. Ioachimumum Schroderum, Pastoren zu St. Georg in Rostock, Rostock 1644. Seckendorf, Christian Adolph von: Von den in Deutschland gewöhnlichen Duellen und über die Mittel die Duelle abzustellen, Leipzig 1804. Sircks, Michael: Warnungs Predigt / Darinnen / wie durch eine Göttliche Kette und Donnerstrael / alle Todtschläger / Duellanten, unnd Balger von ihren unmenschlichen Mordthaten abgezogen und abgeschrecket werden: Sampt Römischer Käyserl: Mayest: Königs in Franckreich / König in Dennemarck Mayest: auch F.G. von Holstein unnd der Käyserl: Frey Stadt Lübeck Mandaten und Edicten, Lübeck 1645. Sr. Königl. Majestät in Preussen / und Churf. Durchleuchtigkeit zu Brandenburg Erklärtes und erneuertes Mandat Wider die Selbst-Rache / Injurien / Friedensstörungen und Duelle, 28. Juni 1713, Halle (bei Christoph Salfeld) 1713. Stralius, Johannes: Miles Christianus, das ist / Einfältige beschreibung eines Christ liche Ritters / oder frommen Christen […] in unterschiedlichen predigten angeführet, Halle 1646. Strimesius, Samuel: Die Unchristligkeit und Unvernunfft des Duellirens / Nebst entgegen gesetzeten Vernunfft und Christigkeit Der Liebe der Feinde / Jn sechs Predigten vorgestellet von Samuel Strimesio, V. D. M. Theol. und Philos. Professore, wie auch itziger Zeit Rectore der Churfürstl. Univers. zu Franckfurt, 2. Aufl., Franckfurt an der Oder 1689. The Memorial of M. Bestuchef His Czarish Majesties Resident in London, 1721.
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Personenregister Das Register umfasst die im Text und in den Anmerkungen genannten historischen Personen. Angegeben werden Name und Vorname, bei bürgerlichen Protagonisten auch die Tätigkeit, die der Betreffende zum Zeitpunkt der Erwähnung in den Quellen ausgeübt hat. Es wurden nur Personen für das Register berücksichtigt, bei denen vollständige Namensangaben vorlagen. Bei Autoren und Druckern zeitgenössischer Schriften (v. a. über das Duell) und bei Herrschern wurden, soweit diese zur Verfügung standen, die Lebensdaten ergänzt. Folgende Abkürzungen finden im Register Verwendung: fläm. (flämisch), franz. (französisch), HRR (Heiliges Römisches Reich deutscher Nation), Hzg. (Herzog), Kg. (König), Ks. (Kaiser), Kurf. (Kurfürst), Lgrf. (Landgraf), luth. (lutherisch). Adelmann, Martin (Kürschnergeselle) 229 f. Adolf Friedrich II., Hzg. v. Mecklenburg-Strelitz (1658–1708) 195–199 Adolf Friedrich, Kg. v. Schweden (1710–1771) 187 Adolph Friedrich, Hzg. v. Mecklenburg (1588–1658) 86, 199 Aeppenheyn, Ulrich (Kapitän) 84 Althann, Franz Johann Richard (?) von 177 Amalie Christiane, Gräfin zu Solms 125 Arnim, Jean von 220 Ascheberg, Rutger von 190, 271 August II., Hzg. v. Braunschweig-Lüneburg-Wolfenbüttel (1579–1666) 75, 88 August II., Kg. v. Polen u. Kurf. v. Sachsen (1670–1733) 104, 107, 106 f., 119, 127, 177, 247 Bacmeister, Lucas (luth. Theologe, 1570–1638) 66–69 Balak, Ludewich Mensius (Korporal) 268 Balduin, Friedrich (luth. Theologe, 1575–1627) 67 f.
Bandemer, Christian von 251 Bandemer, Werner von 171, 251 Bärenstein, Georg Heinrich von 97 Bartsch, Matthaes (Korporal) 134 Beaufurt, Francois di 177 Below, Claus Ludwig von 174 Below, Georg von (Historiker, 1858– 1927) 69, 78, 84 Below, Michel von 172 f., 175 Bernewitz, Carl Gotthardt von 261 Bestuchef (auch: Bestuzhev, Bestuschew), Peter (russischer Adliger) 218 f. Bickholz, Gottfried Leopold von 282 Bieberstein, Hans Dietrich Marschall von 179 Blumenthal, Heinrich Albert von 289–292 Böck, Rüdiger von 171 Bose, Carl Erdmann von 171 Bose, Carl Gottlob von 171 Bose, Friedrich Carl von 304 Bose, Wilhelm von 275–277 Brandenstein, Christoph Heinrich von 13 Breitenbauch, Christoph Adam von 12 f., 15, 17
Personenregister381 Brenz, Johannes (luth. Theologe, 1499–1570) 63 Brömbsen, Christian von 218 f. Brömbsen, Friedrich August von 30 Brömbsen, Otto Heinrich von 30 Buben, Alfred Gottlieb (Premier leutnant) 135, 149 f. Bülau, Erwin Gotthard von 275–277 Bülow, Victor von 86 Bülow in Rehna, Augustus von 86 Callenberg, Kurt Reinicke Reichsgraf von 112 Camerer, Johann Friedrich (Dramatiker u. Jurist, 1720–1792) 313–315 Caprara, Ludovico 177 Carpzov, Benedikt (Jurist, 1595–1666) 153 Casanova, Giacomo Girolamo 23 Cellini, Benvenuto (Goldschmied u. Bildhauer, 1500–1571) 40 Christian IV., Kg. von Dänemark (1577–1648) 75, 308 Christian Louis I., Hzg. v. MecklenburgSchwerin (1623–1692) 195 Cibo, Gaston 306 Cochenhausen, Christof Gottfried von 202 Colloredo, Ludovico 176 f. Colloredo, Rodolfo 177 Colomba, Giancarlo de 177 Croll, Sigismund (Rittmeister) 84 Defferre, Gaston (franz. Politiker, 1910–1986) 11 Dietrichstein, Sigmund von 177 Dißkau zu Füben, Geißler von 260 Dohna, Abraham Burggraf von 112 Dölau zu Tieffenau, Adam Friedrich von 275–277 Dünewald, Heinrich Johann von 272 f. Eberstein, Carl Friedrich Baron von 179–181, 230
Einsiedel, Heinrich August von 97 Einsiedel zu Syrah, Hans Haubold von 110 Ernst I., Hzg. v. Sachsen-Gotha-Altenburg (1601–1675) 75 Ernst II., Hzg. v. Sachsen-Gotha-Altenburg (1745–1806) 319 f. Faber, Zachaeus (luth. Theologe, 1583–1632) 61, 68, 79, 85, 304, 308 f. Ferdinand II., Ks. d. HRR (1578–1637) 176 Ferdinand III., Ks. d. HRR (1608–1657) 76 Feuerbach, Paul Johann Anselm (Jurist u. Strafrechtstheoretiker, 1775–1833) 128 Fischer, Johann (Student) 220 Flemming, Jacob Heinrich Graf von 105, 178 Flemming, Joachim Friedrich Graf von 177–179 Fock, Hermann (Kaufmann) 192, 195–199, 264 Franz I., Kg. v. Frankreich (1494–1547) 73, 308 f. Freud, Michael (luth. Theologe, 1620–1692) 76–78, 309 Friedrich, Kg. v. Schweden (1676–1751) 187 Friedrich III., Hzg. von Schleswig-Holstein-Gottorf (1597–1659) 75 Friedrich-August I., Kurf. v. Sachsen, siehe August II., Kg. v. Polen Friedrich August III., Kurf. v. Sachsen, ab 1806 Friedrich August I., Kg. v Sachsen (1750–1827) 181, 319 f. Friedrich Wilhelm, Kurf. v. Brandenburg (1620–1688) 77 Gautier, Pierre (de) 138 f. Geier, Martin (luth. Theologe, 1614–1680) 74, 82, 305 Geist, Adolph von 97
382 Personenregister Gersdorf, Joachim Siegmund von 134 Gersdorff, Carl Gotthard von 119, 194 Gersdorff, Gottlob Ehrenreich von 116 f., 125 Gersdorff, Hans Georg von 119, 260 Gersdorff, Heinrich Adolph von 119 Gersdorff, Otto Ernst von 260 Gersdorff zu Kittlitz, Siegmund von 83 Grape, Adam Friedrich von 246 Grumbkow von Sellin, Ernst von 174 Guise, Charles de Lorraine, der vierte Duc de (1571–1640) 306 Guise, François Alexandre, de Lorraine, Chevalier de (1589–1614) 306 Gustav Adolf (auch Adolph) , Hzg. v. Mecklenburg-Güstrow (1633–1695) 94 f., 106, 108 Häberlin, Karl Friedrich (Jurist, 1756–1808) 317–319 Hafenreffer, Matthias (luth. Theologe, 1561–1619) 63–66, 93 Hahn, Otto Conrad von 125, 162 Hartnack, Daniel (luth. Theologe, 1642–1708) 108, 208 f. Haugwitz, Friedrich Adolph von 179, 248 f. Heiland, Enoch (Jurist) 310 f. Heister, Gottfried von 177 Helmhod, Christian August Gotthold von 261 Herberstein, Johann von 177 Hirschfeld, Johann Carl (Kaufmann) 103 Hollen, Johann Christoph (Kammer jäger) 247–250 Hollenhagen, siehe Koskull Holzen, Christian (Musketier) 133 Hoyqueslot, Jobst Burckhardt von 119, 260 Jarnac, Guy Chabot de 306 Johann Adolf, Hzg. v. Schleswig-Holstein-Plön (1634–1704) 177
Johann Ernst II., Hzg. v. SachsenWeimar (1627–1683) 94 f., 106 Johann Friedrich, Kurf. (bis 1547) von Sachsen (1503–1554) 14 Johann Georg I., Kurf. v. Sachsen (1685–1656) 77, 83 f. Johann Georg II., Kurf. v. Sachsen (1613–1680) 113, 115–117, 119, 125 Kalkreuter, Hans Christoph von 83 Kamcke, Henning von 289–292 Karl V., Ks. d. HRR (1500–1558) 73, 308, 312 Karl IX., Kg. v. Schweden (1550–1611) 309, 312 Karl XII., Kg. v. Schweden (1682–1718) 127 Karl Leopold, Hzg. v. MecklenburgSchwerin (1678–1747) 133 Kinsky von Wdinitz, Franz Ulrich Graf 177 Kleist, Joachim Ewald von 246, 252–255 Köhler, Magnus G. von 193 Köhler, Wenzel (Kürschnergeselle) 229 f. Königsegg, Leopold Wilhelm von 177 Königsmarck, Conrad Christoffer von 177 Koskull, Baron, eigentlich: Hollenhagen (Student u. Hochstapler) 294–298 Kottitz, Georg Ernst von 83 Lacken, Carl Ludwig von der 171 Legorski, Franz Karl (Kadett) 124 Lemberg, Johanna von 125 f. Leopold I., Ks. d. HRR (1640–1705) 92 Lettow, Christian von 252–255 Leuber, Benjamin (Jurist) 85 Leune, Johann Gottfried (Barbiergeselle) 230 Lichtenstain, Hartmann von 177 Ligotski, Hans Georg von 124, 271
Personenregister383 Linsingen, Ludwig Carl von 316–322 Linsingen, Ludwig Eitel von 318 Löben, Ernst Abraham von 134 f. Lomberg, (Elias) Andreas (Fähnrich) 193, 295–298 Losenstein, Franz Adam von 176 f. Löser, Carl August Graf von 179–181, 230 Lothsch, Johann Christoph (Advokat) 266 Löwendal, Ulrik Frederik Volckmar Freiherr von 123 f. Ludwig XIV., Kg. v. Frankreich (1638–1715) 94 Lühe, Volrath Augustin von 202 Lüttichau, Christian von 194 Malain, Charles de, Baron de Lux 306 Malain, Edmé de, Baron de Lux 306 Matthias, Ks. d. HRR (1557–1619) 76 f., 83 Maximilian I., Ks. d. HRR (1459–1519) 42 Meiners, Christoph (Philosoph, 1747– 1810) 315 f. Merode, Graf Ernest de 177 Meteren, Emmanuel van (fläm. Historiograf, 1535–1612) 68, 306 Meyer Friedrich Wilhelm von 191 Moritz, Lgrf. v. Hessen-Kassel (1572–1632) 79 Moritz Wilhelm, Hzg. v. SachsenMerseburg (1688–1731) 127 Mühlstroh, Arnold Olmis von 261 Muschwitz, Wolff Gottlob von 119 Natzmer, Elisabeth von 172–174 Natzmer, Ernst Bogislaff von 172–175 Nemour, Henri de 177 Nogaret de la Valette, Bernhard de 71 Nöller, Magnus Johann Georg (Quartiermeister) 227 Nostiz, Christian Gottlob Adolph von 119
Oertzen, Friedrich von (Jurist) 161 Oker, Johan (Altermann u. Mitglied des städtischen Rates in Stralsund) 286–288 Ölschnitz, Christoph von 273 f., 293 f. Osse, Melchior (Jurist, 1506–1557) 14 Osten genannt Sacken, Ernst von der 272 Parsow, Tessen von 66–69 Pecker, Georg Samuel (Student) 206 Peine, Curt Christoph von 266 Peralta-Renaud, Graf Franciscus Cyprianus de 264 f. Pflueg, Ernst Friedrich (Student) 202 Pfuhl, Rudolph Otto von 220 Philipp II., Hzg. v. Pommern-Stettin (1573–1618) 61–65 Pinßbach, Paul (Barbiergeselle) 227 f., 271 Pistoris, Adolph Wolfen von 282 Platen, Heinrich von 67 Plötz, Bernd Friedrich von 171 Plötz, Bertram von 171 Polentz, Hans Georg von 171 Polentz, Wolff Adolph von 171 Pöppelmann, Christian Wilhelm (Oberpostmeister) 251 Praun, Mattheus (Student) 206 f. Prehn, Johann Jacob (Jurist) 161 Priort, Johan Christoph von 290 f. Prohinques, Pierre de 123 Promnitz, Ermann von 177 Pulkow, Wenzel von 193 Putlitz, Albrecht Friedrich Baron von 177–179 Raab, Erdmann Friedrich (Offizier) 171, 193 Raschau, August Christian Carl von 180 Rath, Wilhelm Heinrich von 260 Rehberg, Andres (Offizier) 193 Reichardt, Heinrich Adolph von 124
384 Personenregister Reimar, Joachim (Freischuster) 224 Reuter, Wilhelm Albrecht von 237, 293 f. Ribière, René (franz. Politiker, 1922– 1998) 11 Riemer, Johannes (Schriftsteller u. luth. Theologe, 1648–1714) 305 f., 309, 313 Rosenhahn, Wolf Heinrich von 251 Sachs, Moritz (Drucker, 1617 bis 1622 in Güstrow) 77 Schlieben, Christoph Albrecht von 125 Schlosser, Johann Ludwig (luth. Theologe u. Schriftsteller, 1738–1815) 277 Schmidt, Johannes (luth. Theologe, 1594–1658) 77 Schomberg, Henri de 71 Schönberg, Caspar Rudolph von 135, 149–151 Schönborn, Christoph Gottlob (Student) 220 Schreck, Joachim (luth. Theologe, 17. Jh.) 86 Schröder, Heinrich (Freischlachter) 224 Schröder, Joachim (luth. Theologe, 1613–1677) 69, 77, 85 Schröer, Benjamin von 193 Segebade, Detholff von 286–288 Seyffertitz, August Gottlob Baron von 220 f. Sircks, Michael (luth. Theologe, um 1588–1648) 68 f., 77 f., 81–83, 85, 305 f. Starhemberg, Gotthardt von 177 Starschedel, Adam Heinrich von 193 Sternberg, Vratislaw von 176 Sternberger, Johann Bernhard Wilhelm (Student) 215, 217 f. Strauß, Gottfried (Jurist, 1641–1706) 207 Streithorst, Johann Christian von 286 Strozzi, Graf Pietro 177 Stuart, James (Sir) 306
Stuttenheim, Johann Heinrich von 119 Sydow, Jürgen Wilhelm (Fähnrich) 190, 299–301 Thou, Jacques Auguste de (franz. Historiograf u. Staatsmann, 1553–1617) 68, 306 Tiesenhausen, Gustav Baron von 220 Toze, Eobald (Historiker, Jurist u. Ökonom, 1715–1789) 204 Trautmannsdorf, Adam Matthias Graf von 176 Troyff, Hans Friedrich Wilhelm von 264 f. Trützschler zu Ellenfeld, Georg 13–15, 125–127 Vitzthum von Eckstädt, Christoph 23, 71 f. Vivonne de la Châtaigneraie, François de 306 Wagner, David Friedrich (Koch) 227 Waldenstein, Franz Adam Graf von 177 Waldenstein, Massimiliano von 177 Wallstein, Franz Adam von 177 Warnsdorff, Gottlob Friedrich von 119 Wehle, Johann Friedrich von 276 f. Weiske, Julius (Jurist, 1801–1877) 316 Wendenhausen, Philipp Ludwig Probst von 309 Werthern von Vitzhum, Johann Georg Ludwig Freiherr von 191 Wetzhausen, Erhard Truchseß von 177 Wharton, George (Sir) 306 Widmarckter, Caspar von 23, 71 Wiegert, Friedrich (Feldscher) 226 f. Wilhelm I., Kurf. v. Hessen-Kassel (1743–1821) 317 Wilhelm Ernst, Hzg. v. Sachsen Weimar (1662–1728) 107 Willebrandt, Hinrich (auch Friedrich) (Leutnant) 192, 195–198, 264 Windischgrätz, Gottlieb Graf von 177 Wolff, Johann Heinrich von 260 f.
Personenregister385 Yxhall Gryllenbrand, Helfried von 193 Zachariä, Justus Friedrich Wilhelm (Schriftsteller, 1726–1777) 211 Zapf, Johann Ernst (Student) 251 Zastrow auf Wusterhausen, Friedrich Wilhelm von 172–174
Zedtwitz, Thomas Joachim von 13–15 Zickel, Dietrich Rudolph (Barbier geselle) 227 f., 271 Zinzendorf, Otto Christian Graf zu 98 Zitzewitz, Ernst Carl von 171 Zitzewitz, Georg Casimir von 171
Ortsregister Das Register umfasst die im Text und in den Anmerkungen genannten Orte, Städte und Regionen bzw. Länder. Die adjektivischen Formen der Begriffe wurden immer dann berücksichtigt, wenn damit die Herkunft einer Person oder einer Sache (etwa eines Gesetzes) bezeichnet wurde. Nicht erfasst wurden Nennungen von Städten, wenn sie als Bestandteil einer Archivsignatur angeführt sind (etwa bei: SächsHStA Dresden). Anklam 237, 293 Bautzen (auch: Budissin) 85, 113 f., 119, 149 Bayern (auch: bayrisch) 25, 76, 89, 99, 128, 131, 136, 185 Böhmen (auch: böhmisch) 112, 116 Brandenburg (auch brandenburgisch) 25, 75, 77, 80, 83–85, 92, 98, 104–106, 122, 136 Braunschweig 75, 81–83, 88, 90 f., 133, 154, 261, 305, 309 Burgwalde im Eichsfeld 321 Bützow (Stadt) 108, 200–204 Crivitz 84 Dänemark (auch: dänisch) 30, 59 f., 69, 75, 83, 125, 190, 197, 271 f., 308, 313 Dresden (auch: Altendresden, Dresdner) 18, 84, 103, 105, 113, 115 f., 119 f., 123, 126, 138 f., 149, 175, 178–181, 252, 260, 264, 269, 320 England (auch: englisch) 39, 50, 59 f., 64, 70, 73, 111, 184, 234, 305, 316 Erfurt 180 f. Feld 13, 169, 171, 255, 290–292 Frankreich (auch: französisch) 39, 50, 58, 63 f., 66 f., 69 f., 72 f., 79, 94, 111, 139, 163, 183, 189, 313, 305–308, 318, 323 Friedhof 134 f., 270
Garten 173, 254, 272 Gasse (auch: Straße) 72, 122, 220, 239, 262 Gasthof 12, 89, 115, 191, 210, 297 Gautzsch 194 Genf 138 Greifswald 28 f., 106, 108, 167, 200 f., 203, 287–289 Grenze 29 f., 181, 293 Grevesmühlen 131, 297 Güstrow (Stadt) 66, 77 f., 108, 115 Halle 25, 105 f., 200 f., 203, 216 Hamburg (auch: Hamburger) 211, 277 f. Hauptwache 244 Heide, Dresdner 269 f., 276 Herrnburg 30 Hessen-Kassel 71, 79, 317, 319 Hof (fürstlicher) 24 f., 30, 39–41, 57, 67, 76, 106, 113, 115, 119, 127, 169, 175–178, 199, 265, 319 Holstein 83, 190, 271 Italien (auch: italienisch) 32 f., 35–39, 58 f., 66, 70, 73, 184, 234, 305, 313, 323 Jena 105–107, 216–218, 277 Jesberg 316–318 Kaffeehaus 220, 263 f., 286 Kirche 173, 190, 299, 301
Ortsregister387 Königstein, Festung 180, 320 Krolow (Królewo) 174 Langensalza 181 Leipzig 27 f., 106–110, 138 f., 180 f., 200–202, 204, 206, 216, 218–221, 225, 227 f., 251, 261 f., 266, 271, 306, 313, 316, 320 London 18, 218 Lübeck 25, 30, 68 f., 75, 77, 83, 86, 192, 195–197, 218, 264 Manhagen 195 Markt (auch: Marktplatz) 67, 114, 229 Mecklenburg (auch: Mecklenburger) 24 f., 27, 29 f., 66, 74–76, 80 f., 84–87, 90, 93–95, 99, 105–107, 111, 115, 128, 131, 133, 135 f., 161 f., 168, 195–200, 202 f., 223 f., 264, 284, 294, 297 f. Merseburg 127, 230, 305 Neustadt an der Orla 181 Niederlande (auch: niederländisch) 59, 68, 305–307 Nordamerika 59 Nossen 248 Oberlausitz (auch: Oberlausitzer) 83, 85, 89, 92, 111–119, 125, 194 Panten 197 Paris 11, 70 f., 306 f. Plauen 13 f., 181 Polen (auch: polnisch) 127, 143, 149, 177 f., 247, 258, 260, 293 Pommern-Stettin 61, 63, 65, 74, 87, 111 Pößneck 12 Preußen (auch: preußisch) 99, 104– 106, 111, 119, 121 f., 129, 131, 155, 162, 177 f., 184 f., 226, 255, 261 Preußisch-Pommern 10, 25, 27, 29, 102, 168, 170, 182, 186 f., 201, 246, 284, 289 f. Pustamin (Postomino) 172, 174
Ratzeburg 195, 197 Rehna 86 Rostock (auch: Rostocker) 23, 29, 76 f., 106–108, 200–203, 211–214, 216, 250, 273 Russland (auch: russisch) 59 f., 130, 218, 305 Sangerhausen 191 Schlesien 75 f. Schleswig und Holstein 75, 80 f., 87 f., 91 Schweden (auch: schwedisch) 24 f., 27–29, 59, 84 f., 100 f., 105, 127, 136, 141, 186 f., 200 f., 221, 272, 282–289, 294 f., 298, 301, 307–309, 312, 328 Schwedisch-Pommern 24 f., 27–29, 100 f., 105, 168, 171, 184–187, 191, 200, 208, 224, 284, 289, 295, 298, 328 Schwerin (Stadt) 84, 125, 161, 224 Seidenberg (Zawidów) 119 Sellin 174 Sonderburg 84, 190, 271 f. Spanien (auch: spanisch) 39, 50, 58 f., 70, 305, 307 Stettin (Stadt) 64, 190, 289, 299, 301 Stockholm 29, 201, 218, 288, 307 Stralsund 248, 285–289 Straßburg 67, 70, 77 Stube 123, 174, 207, 209–211, 218, 220, 253 f., 272 Südamerika 59 Tennstedt 181 Valencia 306 Wall 245 Warschau 178, 247 Weißenfels (Amt) 179 f. Wismar 192, 288, 294–298 Wittenberg 27, 67, 106–108, 150, 181, 200 f., 203–207, 216, 220, 228, 273 Zebelin 255 Zwickau 181
Sachregister Begriffe, die über die inhaltliche Gliederung des Bandes erschlossen werden können (z. B. Wettkampfspiel) und in den entsprechenden Abschnitten umfassend behandelt sind, wurden nicht in das Sachregister aufgenommen. Ebenso unberücksichtigt bleiben omnipräsente Begriffe wie z. B. Duell, Norm, Kampf oder Adel. Agon (auch: agonal) 38, 49, 267 Alkohol (auch: alkoholisch, alkoholisiert, betrunken, Trunkenheit) 13, 121, 145, 229, 244 f., 272, 287 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten (ALR) 104, 129, 147 Altranstedter Frieden 127 Barbier (auch: Chirurg, Feldscher) 193, 219, 225–227, 230, 271, 248 Bauer (auch: bäuerlich) 47, 49, 109 f., 118, 120, 125, 166 f., 193 f., 206, 210 Burschenschaft 131, 165, 167, 200, 222, 268 Bußpredigt 65 f., 74, 76, 78 f. 81–83, 85, 88, 155 Büttelknecht 300 Canaille 248, 262, 287 Ehrengericht 131, 156, 204, 316 Ehrlicher (auch: unehrlicher) Kampf 31, 43–45, 57, 229, 299, 301 Eigengruppe 48 f., 144, 147 f., 160, 241 Fechten 39, 80, 273, 316, 319 Fehde (auch: fehdeähnlich) 17, 21, 31, 42–45, 50, 88, 125, 153, 170, 194, 230, 314 f., 331 Fehltritt 234 f., 274 f., 279 Feld, siehe: Ortsregister Frau (auch: Ehefrau) 54, 86, 119, 125 f., 153, 172–174, 194, 208, 218,
226, 253, 257–261, 280, 295, 307, 309, 315 Freimaurer 295 f. Friedhof, siehe: Ortsregister Garten, siehe: Ortsregister Gasse (auch: Straße), siehe: Ortsregister Gassenrecht (auch: Gossenrecht) 220 Gasthof, siehe: Ortsregister Gastwirt 123, 232, 327 f. Gerücht 108, 173, 176, 195, 262, 295 Gottesurteil 36, 317 Grenze, siehe: Ortsregister Hamburger Theaterstreit, zweiter 278 Handwerker 220, 223–232, siehe auch die Angaben im Personenregister Handwerkergeselle (auch: Geselle) 47, 167, 223–231, 233, 268, 271, 327, siehe auch die Angaben im Personenregister Hauptwache, siehe: Ortsregister Hausfriedensbruch 81, 126, 196 Herold 37, 114 f. Herrscherzweikampf 73, 308 f., 311, 330 Hochstapler, siehe: Baron Koskull im Personenregister Hochzeit (auch: Hochzeitfeier) 13, 80, 83, 169, 172 f., 175, 207, 306 Hof (fürstlicher), siehe: Ortsregister Homosoziale Gruppe 234, 267 f., 270
Sachregister389 Hundsfott (auch: Hundsvott, Hundsvoit, Hunßfott) 13, 205–207, 219, 236, 240–242, 245 f., 248–251, 264 f., 287 Inquisitionsprozess 14, 34 Italienische Kriege 58 Justiznutzung 281, 285, 301, 328 Kadett 124, 134, 271, 286, siehe auch die Angaben im Personenregister Kaffeehaus, siehe: Ortsregister Karbatsche (auch: Peitsche) 121, 126, 172, 204, 254, 290 Kartell 31, 80, 84, 258, 306, 324 Kaufmann (auch Kaufleute) 47, 98, 103, 192, 195–198, 232, 264, 283 f., 286, siehe auch die Angaben im Personenregister Kavalier 242, 248 Kirche 69, 74, 144, 260, siehe auch: Ortsregister Komment 130 f., 167, 222 Kommunikative Gattung 238–241, 243 f. Landtag 61–65, 72, 74, 86, 107, 111, 114, 116–118, 169, 176, 179–181, 230 Magische Praktiken 304 Markt (auch: Marktplatz), siehe: Orts register Mensur 102, 222 Messer (auch: Hirschfänger) 17, 223, 229, 240, 248, 307 Nordischer Krieg 127 Notwehr 15, 88, 91, 96, 118, 152, 158, 224 Ohrfeige (auch: auf die Ohren) 178, 250 f., 265, 296 Pasquill 207 Policey (auch: Policeyordnung) 62, 99, 110, 284, 328
Rache 44, 55, 88, 91, 113, 150, 154, 246, 254, 278, 281, 329 Regensburger Reichsgutachten 108 Reichskammergericht 318, 320 Reichskreis 105 Reichstag 92, 106–108, 146, 316 f. Renkontre (auch: Rencontre) 122–124, 176, 201, 205, 221 Ritterroman 37–39 Römisches Recht (auch: römischrechtlich) 97, 303, 310 Sächsische Frist 118 Satisfaktion (auch: Satisfaktionsfähigkeit) 31, 49, 98–105, 111, 118, 129, 132, 156, 163, 180, 231, 245 f., 275 f., 283–286, 327 Scherz 124, 131, 184, 207, 245 f., 269, 271 f., 276 f., 326 Schiedsrichter 14, 272 f. Schimpfwort (siehe auch: Hundsfott) 13, 237, 241 f., 244, 246–252, 264 Schulden (auch: Spielschulden) 210 f., 218, 257, 261, 263–266, 290 Sekundant (auch: sekundieren) 11, 121, 165, 197 f., 200, 252 f. Selbstrache 91, 94, 96, 120, 126, 152, 154, 156, 158, 162 Spiel, Glücksspiel 208 (Kartenspiel), 210, 219, 258, 261, 263 f., 295 f. Stammbuch 210–218 Stereotyp 194, 241, 280 Stock (auch: Spazierstock, S tockschläge) 172, 198, 204, 207, 219, 221, 250 f., 254, 265 f., 296, 300 Strafe Gottes 83 Strafgesetzbuch 128 Strafrechtskodifikation 128 Stube, siehe: Ortsregister Theater (auch: Schauspiel, Lustspiel, Komödie, Tragödie) 130, 277–280, 303 f., 331 Turnier 17, 21, 31, 36, 41, 44 f., 314 f., 331
390 Sachregister Unehrlichkeit (auch: unehrlich) 82, 196, 230, 254, 292, 299–301, 315 Verkehrskreis 188, 192, 199, 327 Wache (auch: Stadtwache, Torwache) 42, 139, 196, 207 Wall, siehe: Ortsregister Wegelagerei 122
Zweikampf, gerichtlich 17, 32–38, 41, 44 f., 66, 309 f., 311 f., 316 f., 319, 322, 331 Zweikampf, Herrscher- 73, 308 f., 311 f., 330 Zweikampf, ritterlich 21, 31, 33, 45, 314