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German Pages 237 Year 2000
TOBlAS REINHARDT
Das BuchE der Aristotelischen Topik Untersuchungen zur Echtheitsfrage
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
Verantwortliche Herausgeberin: Gisela Striker
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme
Reinhardt, Tobias: Das BuchE der Aristotelischen Topik: Untersuchungen zur Echtheitsfrage /Tobias Reinhardt. (Verantw. Hrsg.: Giseta StrikerJ.Göttingen : Vandenhoeck und Ruprecht, 2000 (Hypomnemata; 131) ISBN 3-525-25228-5
© 2000, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen. Internet: http://www.vandenhoeck-ruprecht.de Printed in Germany. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen
Inhalt
I. Einleitungsteil 1.1. Vorbemerkung . 1.2. Forschungsgeschichte . 1.3. Die Aristotelische Topik 1.4. Die Kriterienfrage 1.5. Das System der Prädikationsklassen. 1.6. Inklusive Auffassung des 'löwv I. 7. Das 'LÖLOV in seiner Umgebung 1.8. 'löwv und -r6xoc; . 1.9. Der Begriff des KaA.roc; 1.10. Die dialektische Terminologie 1.11. Formgeschichte des fiinften Buches 1.12. Anticipatio 1.13. Die Beispiele und Anweisungen der dem Bearbeiter zugewiesenen -r6xoc;-Teile . 1.14. Bearbeitung und Verarbeitung 1.15. Formverwandtes im Corpus Aristotelicum 1.16. Die Sprache des fiinften Buches 1.1 7. Die Topik nach Aristoteles . 1.18. Zusammenfassung und Ergebnis
11 13 17 23 25 29 31 37 47 61 68 80 88 94 99 I 02 I 06 112
2. Einzelbetrachtungen 2.1. Einleitende Bemerkung
117
2.2. Textabschnitte zum Wirken des Bearbeiters 2.2.1. -r6xoc; I 2.2.2. -r6xoc; 9
120 132
6
Inhalt
2.2.3. 'tOXO~ 18 2.2.4. 'tOXO~ 12 2.2.5. 'tOXO~ 17 2.2.6. 'tOXO~ 37 2.2.7. 'tOXOt40 und 41 2.2.8. 'tOXO~ 49
136 145 152 157 166 172
2.3. Textabschnitte zum aristotelischen Kern 2.3.1. 'tOXO~ 14 2.3.2. 'tOXO~ 15 2.3.3. 'tOXOL21 und 23 2.3.4. 'tOXO~ 28
176 183 189 204
3. Literaturverzeichnis
209
4. Stellenverzeichnis
229
Vorwort
Diese Untersuchung wurde am Institut für Klassische Philologie der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt am Main begonnen. Dort erfuhr ich von Professor Gustav Adolf Seeck freundliche Förderung. Professor Oliver Primavesi wies mich auf das filnfte Buch der Topik als möglichen Untersuchungsgegenstand hin. Eva-Maria und Lutz Lenz gaben mir Rat und Unterstützung. Professor Giseta Striker danke ich dafür, das Buch gelesen, mit mir diskutiert und zur Aufnahme in die Hypomnemata vorgeschlagen zu haben. Professor Michael Frede erklärte sich bereit, als tv T( f.on ausgesagt wird"4 und daß diese Definition filr alle anderen Äußerungen zum Thema innerhalb der Topik der Bezugspunkt ist. Es ist sinnvoll, das 'löwv noch einmal gesondert zu betrachten; in AS heißt es über das 'LÖLOV ( 102a18-30):
Vgl. jedoch EBERT ( 1998) zu den verschiedenen Definitionen des Akzidens, die Aristoteles gibt, und zu der Frage, ob die erste und die zweite Definition (AS, I02b6f.) des Akzidens als äquivalent gelten können. 2 Vgl. SMtrn ( 1997) 67f. zu A6. 3 Vgl. SMirn ( 1997) 73f., außerdem die Abschnitte 1.7. und 2.2.5. unten. 4 AS, I 02a31-35 (mit Erklärung des Ausdrucks "To Ti ton"): rtvo~ o' tov ist, dann muß "von Natur aus sinnliche Wahrnehmung besitzen" auch den E'lÖll von ~cpov (etwa ,,Hund, Katze, Vogel") zukommen, nur eben nicht als '(öLov. Wir bemerken dies hier, da es im ftlnften Buch Passagen gibt, in denen dieses selbstverständliche Implikat des Begriffs "'löwv" nicht gesehen und stattdessen das Gebot des Alleinzukommens als "schlechthin keinem anderen Subjekt zukommen" gedeutet wird, d. h. auch keinem döoc; des Subjektsbegriffs. 1 Daneben gibt es im fünften Buch einen sinnvollen -r6:n:oc;, der gerade zur Prüfung der E'Lö11 des Subjektsbegriff im angedeuteten Sinn auffordert (-r6:n:oc; 14). Indem nämlich gezeigt wird, daß ein als 'löLov des Subjekts "Wissenschaftler" angegebener Ausdruck nicht wahr von "Geometer" (einem döoc; von "Wissenschaftler") prädizierbar ist, ist die These aufzuheben, daß das fragliche Prädikat 'lÖLOV von "Wissenschaftler" sei. Einen weiteren Berührungspunkt zwischen beiden Prädikationsklassen stellen die sogenannten Quasi-'löta dar. Am Ende der Behandlung des Akzidens in AS spricht Aristoteles davon, daß ein Akzidens unter bestimmten Umständen zu einem temporären '(OLOV ((bwv :JtOTE) oder zu einem relativen 'lÖLov ((ÖLOV :JtQ6c; Tl) werden könne. So sei das Prädikat "sitzen" an sich ein Akzidens, das jedoch zu einem temporären '(öLov werde, wenn eine bestimmte Person allein sitze, während es eine relatives 'lÖLov in dem Falle sei, daß eine bestimmte Person zusammen mit anderen Personen sitze, dabei aber von stehenden Personen abgesetzt werden könne. Es ist intuitiv und im Sinne des normalen Sprachgebrauchs verständlich, warum Aristoteles in beiden Fällen das Prädikat "sitzen" 'lÖLov nennen kann, wenn auch im eingeschränkten Sinn (er stellt solche Prädikate ja zu den Akzidentien und setzt sie klar von 'lÖLa im Vollsinn ab: ci:JtA.roc; b' 'lÖLov oÜK eo-rm, 102b25f.). Die beiden - nicht vollständig ausgefilhrten - Beispielsätze unterscheiden sich von 'löwv-Prädikationen im eigentlichen Sinn darin, daß die zwei in ihnen verwendeten Termini nicht zwei Klassen bezeichnen. Stattdessen ist in beiden Fällen der nicht eigens genannte Subjektsterminus ein Individualname oder eine Klassenbezeichnung, die zur Bezeichnung eines Die Lösung an der fraglichen Stelle, die freilich das "Problem" nur zum Teil beheben kann, besteht im Fordern einer abgrenzenden Zusatzangabe (ES. 134b 18-22).
Das 'LÖLOV in seiner Umgebung
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Individuums verwendet wird. Aristoteles' Prüfung auf wechselseitige Prädizierbarkeit der Termini einer '(öLov-Prädikation von einem beliebigen Subjekt x ist in solchen Fällen eigentlich nicht auszufilhren, weil der Subjektsausdruck nicht als Prädikat konstruiert werden kann. 1 Außer in A5 werden diese 'LÖLa auch in E 1 behandelt. In unserer Untersuchung spielen sie eine untergeordnete Rolle, weil die TOXOL des filnften Buches entweder auf eine der beiden eigentlichen Fassungen hin entworfen sind oder, wo sie auf Quasi-'LÖLa bezogen sind, alternative Klassifikationen einführen, 2 so daß E 1 ohne erkennbaren Bezug vor dem Rest des Buches steht und nicht als Einheit mit diesem entworfen worden zu sein scheint.
i'btov und yivoc; Niemals kann ein '(öwv ein einzelner ytvo~-Begriff sein, weil zwischen einem Subjekt und seinem ytvo~ in der klassenlogischen Auffassung immer ein Inklusionsverhältnis bestehen muß, während ein '(öLov und sein Subjekt ja coextensiv sein sollen. 3 Es ist aber möglich, daß ein 'LÖLov-Ausdruck einen ytvo~-Ausdruck enthält, und zwar bei inklusiver wie bei exklusiver Auffassung. An einer Stelle wird diese Eigenschaft von einem "schön" bestimmten 'LÖLOV gefordert (T6xo~ 13 ); die Mehrzahl der Beispielsätze im filnften Buch erfilllt diese Anforderung jedoch nicht, und außerhalb von E gibt es diese Art von '(öLov an keiner Stelle.
i'bwv und btarpopa Über das konzeptionelle Verhältnis von '(ÖLOV und ÖLacpoga gibt es kaum einschlägige Arbeiten und auch keine communis opinio. 4 Die Texte bieten prima facie ein widersprüchliches Bild. So wird etwa in -r6xo~ 17 des Allgemein gilt, daß die Topik als eine Tennlogik im weiteren Sinn nur funktionieren kann, wenn die Ausdrücke, die in dialektischen Sätzen als Subjekte und Prädikate figurieren, Klassen und nicht Elemente von Klassen bezeichnen. 2 Vgl. das vüv-LOLOV in T6n:o~ I 0. 3 "Ibtov-Ausdrücke sind fast nie Substantive, weil es nur in Fällen von Synonymie möglich ist, ein Substantiv mit einem anderen durch die Kopula "ist" zu verbinden, ohne daß die beiden Ausdrücke einander einschließende Klassen bezeichnen ("Die Katze ist ein Lebewesen") oder daß eine singuläre Aussage vorliegt ("Das Lebewesen ist eine Katze" wird man in der Regel mit Bezug auf ein bestimmtes Tier sagen). Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß es unter den Beispielen des ftlnften Buchs als Ausnahmetalle einige singuläre Aussagen gibt. Auch eignen sich Substantive selten zur Angabe einer Eigenschaft. 4 URBANAS ( 1988) 78-80 bietet eine Gegenüberstellung nach Eigenschaften.
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Abschnitt 1. 7.
filnften Buches verboten, daß eine btacpoga als '(btov angegeben werde, weil btacpogai wesensangebend seien. Andererseits wird jedoch dieselbe btacpoga im filnften Buch mehrfach als '(btov verwendet. 1 Zunächst ist eine gewisse Nähe beider Begriffe festzustellen. Eine btacpoga hat die Funktion, innerhalb der Aufgliederung eines ytvo~ in seine E'LOT) (btaiQEOL~) ein dbo~ von den anderen E'LOT) dieses ytvo~ abzuheben; dies geschieht aufgrund bestimmter Eigenschaften, die eben nur gerade dieses doo~ aufweist. Wenn es sich dann um eine E:e,.....schaft handelt, die nur ein einziges dbo~ aus der Gesamtheit aller E'LÖT) in allen yEVT) aufweist, dann entspricht diese Eigenschaft einem mit dem fraglichen dbo~ wechselseitig prädizierbares Prädikat. Eine btacpoga kann daher ein '(btov sein, wenn in bestimmten Fällen ein Ausdruck tenninologisch nach seiner Funktion innerhalb einer Klassifikation nach Gattungen und Arten als btacpoga oder innerhalb der Einteilung prädizierter Prädikate als '(btov eines Subjekts beschrieben (und sc. dementsprechend verwendet) werden kann. 2 Im Zusammenhang mit dem oben skizzierten, venneintlich widersprüchliche Textbefund müssen nun Differenzierungen zur Wesensangabe durch Prädikate gemacht werden. Aristoteles hat die wesensangebende Kraft von Definitionen einerseits und Definitionsbestandteilen andererseits nicht ftir gleichwertig gehalten; denn die Wesensangabe durch das ytvo~ und m. E. auch durch die btacpoga bezeichnet er als tv -rq> ti ta-rt KUl'T)YOQEtaßw, während die Wesensangabe durch die Definition -ro -r( iiv dvw. OT)J.lULVELV heißt. 3 Damit ist offenbar eine partielle und eine vollständige Essenzangabe durch das Prädikat gemeint; allein die Definition gibt vollständig das Wesen ihres Subjektes an, und jedes Subjekt hat nur eine Definition. 4 Nach den in A8 gegebenen Bestimmungen darf innerhalb des Systems der Prädikationsklassen in exklusiver Auffassung eine btacpoga nicht als 'lbtov angegeben werden, da sie Definitionsbestandteil ist und, so kann man I Oe~ov &:n:ouv, spezifische Differenz von Mensch, etwa in E4, 133b7-9; E7. 136b20-22. 2 Die von SLOMKOWSKI (1997) 75 n. 24 vorgeschlagene Lösung, &aogogvuJ.la und nicht OJ.lcOVUJ.la im Sinne von Cat. 1 sein müssen, liefert im Buch ll den Stoff filr zwei sehr ähnliche -r6xm, die zur Prüfung des Antworterzielsatzes G(A, B) daraufhin anleiten, ob A und B OJ.lcOVUJ.la sind (was nicht der Fall sein darf) oder cruvcl>vuJ.la sind (was der Fall sein muß). 1 Ferner zeigt die Handschrift C im Anschluß an den -r6xoc; 113a20-23 (T) einen in den übrigen Handschriften (sc. soweit sie nicht von C abhängen) nicht vorfmdlichen zweiten -r6xoc; (T'), der sich von T in der Formulierung recht klar abhebt, mit ihm jedoch inhaltlich identisch ist. In der Mehrheit unserer Handschriften steht nur T. ALEXANDER VON APHRODISIAS kommentiert jedoch allein T' und merkt dabei an, daß in anderen Handschriften als den von ihm fiir seine Kommentierung unmittelbar zugrundegelegten vor dem kommentierten noch ein anderer, nur der Formulierung nach verschiedener -r6xoc; gestanden habe (wohl der in der Mehrheit unserer Handschriften stehende T). Deshalb hat BRUNSCHWIG geschlossen, 2 daß der Archetypus beide Fassungen enthielt, daß in den von ALEXANDER nicht unmittelbar herangezogenen Handschriften und in C dieser Zustand erhalten ist, während die eigentliche Kommentarvorlage ALEXANDERs nur T', die Mehrheit unserer Handschriften nur T bietet, so daß die direkte KommentarvorJage und die Mehrheit unserer Handschriften von Handschriften abhängen müssen, in denen jeweils einer der beiden -r6xoL ausgefallen ist. Die ursprüngliche -r6xoc;-Sammlung enthielt also höchstwahrscheinlich T und T' direkt hintereinander, was fiir eine spätere HinzufUgung einer Version durch Aristoteles selbst spricht, 3 da Ergänzung durch einen anderen als Aristoteles unwahrscheinlich ist (vgl. auch unsere Bemerkungen zum Zusatz nach -r6xoc; 14 ). Im ftlnften Buch gibt es nun sowohl den Fall der Korrektur als auch der Doppelung. In -r6xoc; 20, einem regelmäßigen Typ 3--r6xoc;, lautet die Anweisung an den Frager, er solle Termini A' und B' ermitteln, die "der Art nach dasselbe" (-rairrov -r4) EYötL) 4 sind wie die Termini A und B seines I t\3, 123a27-29 und t\6, 127b5-7. 2 In BRUNSCHWIG (1968) 11-15. Die Bezeichnungen T und T' stammen von BRUNSCHWIG. 3 So einleuchtend PRIMAVESI ( 1996) 208. 4 Die Kommentatoren seit ALEXANDER bemerken, daß vor dem Hintergrund der Erklärung des TaÜT6v-Begriffs in Top. A 7 die Bezeichnung von Vogel und Mensch als mÜTov TQ> dÖEt anormal sei, da Aristoteles sonst Einzelindividuen, die unter dasselbe döoc; fallen, so nenne, während dÖT) eines ytvoc; als tamov n.ö ytvn bezeichnet werden. Hier scheint uns unterminologische Verwendung von tcp dÖEt die einzige Lösung
Bearbeitung und Verarbeitung
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Zielsatzes. Im Beispiel werden Mensch und Vogel als e'LÖT) des ytvo~ ,.Lebewesen" als Subjekte, und ihre jeweiligen Öta~- (Typ I), -r6xo~ 18 als vollwertiger -r6xo~ (Typ 3) ausgefilhrt. Wenn diese Zuweisung von Aristoteles stammte, wäre die Distinktion von KaA.~- und vollwertigen TOXOL ad absurdum gefilhrt. Zum Vergleich die beiden A- und 8-Teile:
-r6xoc; 9: "ExEtT' avamcEOO~Ovta f.lEV Ei lltl TO aEi JtQQEJt6f.lEVOV '(bt.ov UOOEÖC.OICEV, aA.I•.d TOÜTO Ö "(lVETQl JtOTE f.ltl '(Öt.ov· OÜ ydQ EOTQLICQ~ ICElf.lEVOV TO 'lÖtOV. -r6xoc;
18 (mit zum Sinnverständnis notwendigen Ergänzungen): ''ExetT'
avaOJCEOO~Ovta f.LEV
Ei tvÖEXETQl f.ltl äf.la TW Övopart UxclQXElV TÖ 'lÖt.ov einem aA.A.' i1 Ü KaTaAaiJßavoJ.lEV im:ciQxov airt6, KaTa TOtrtOU Kal TOÜVOJ.1a E~ clWyK'lc; aATIÖEUUW, oÜT' EKA.ta rovo,.ul.~ETo, bt.d To t-ylCUliliroc; airroUc; ~eaihlJJtvouc; tmxEtQdv Eie; To JtQOTEßtv· i1 bt.d To tv 1CU1cAC!) JtEQlECTTci>Tac; ciKQOäoßw. Vgl. MORAUX ( 1951) 119. 4 FLASHAR (1983) 341-346 untersucht die Form der JtQoßÄ.flJ.laTa.
Formverwandtes im Corpus Aristotelicum
101
ein Grundmuster zurückfUhrbaren Untertypen feststellen. Die ursprünglich durch konkrete Unterrichtssituationen bedingte Form erstarrte dann zum literarischen Gattungsstil ("Handbuch-Stil.. ). Dabei ist die Feststellung wichtig, daß bereits naturwissenschaftliche Werke des Aristoteles das Probl.-Formular in einer literarisierten Verwendung zeigen. 1 Schematisierung allein scheint uns daher kein Einwand gegen die Echtheit des filnften Buches zu sein, sondern allenfalls ein Hinweis darauf, daß das zugrundeliegende Material z.T. relativ jünger ist als die anderen T6Jtm-Bücher. Es gibt nun in den Prob/. Abschnitte, die offensichtlich in das Formular umgesetzte Traktate sind; eine Verwandtschaft zu unserer Bearbeitung des fiinften Buchs besteht genau dort, wo die unvollständige Ausfiihrung des Formulars zeigt, daß man es mit einer "unlebendigen Umsetzung in das Schema.. (FLASHAR (1983) 345) zu tun hat, die vom formgebenden Hintergrund einer Schuldiskussion nichts wußte. So wird in der langen Abhandlung über die Melancholie (Buch 30, 1) die wichtigste Behauptung am Anfang als Frage formuliert, ohne daß dem eine Antwort gegenüberstände. FLASHAR (1983) 345 erklärt einleuchtend, daß hier lediglich die Ausgangsbehauptung einer längeren Abhandlung in die Frageform umgesetzt wurde. 2 Nun mag man einwenden, daß gedankenlose Materialanpassung von eigenmächtiger Erweiterung allein durch den Umfang des Eingriffs verschieden ist; denn im Falle der Prob/. ist ja offensichtlich etwa in Form von Abhandlungen vorliegendes Material lediglich in den Problemstil übertragen worden, so daß sich dieser Umsetzungsvorgang auf wenige punktuelle Eingriffe beschränkt, während wir filr das filnfte Buch davon ausgehen, daß ein bestimmter Bestand von Material in weitgehenderem Umfang ausgedehnt, erweitert und ergänzt worden ist. Der mechanische Umgang mit dem Formular scheint uns jedoch vergleichbar; wir kommen darauf in der Schlußfolgerung zurück.
Vgl. etwa Degen. anim. 771al7ff.; dazu FLASHAR (1983) 346. Dasselbe bei Theophrast, De caus. plant. passim. 2 ln 15.3 wird ein thematischer Zusammenhang- eine Abhandlung Speusipps Ober die Zahl zehn - in eine Frage und fünf Antworten geteilt. Weitere Fälle bei FLASHAR a.a.O.
102
Abschnitt 1.16.
1.16. Die Sprache des fünften Buches Eine Untersuchung der Sprache eines Textes stellt normalerweise ein wesentliches Instrument philologischer Echtheitsprüfung dar, und prinzipiell gehören ja auch die oben filr die Typ 1- und Typ 2-TOJtOl festgestellten Unregelmäßigkeiten in der Verwendung übungsgesprächsspezifischer Terminologie hierher. Die - als solche unverdächtige - Standardisierung, die lediglich an manchen der Leerstellen, an denen etwas dem jeweiligen -r6xo~ Eigentümliches eingesetzt ist, Wortfolgen freier Struktur und damit so etwas wie Prosastil kennt, schließt es fast völlig aus, das filnfte Buch mit den anderen Texten aus dem Corpus in syntaktischer Hinsicht zu vergleichen. Man wird stark verkUrzende Ausdrucksweise in einem Anweisungsteil (A-Teil) wie etwa in -r6xo~ 18 nicht filr ein signifikantes Stilmerkmal halten. Zu suchen wäre deshalb nach Wortformen, die erst lange Zeit nach der vermutlichen Abfassung des Gesamtwerks in Gebrauch kamen, oder nach terminologisch verwendeten Ausdrücken, die in BuchE in klar anderer Bedeutung als in anderen Büchern oder Werken des Aristoteles verwandt werden. Doch auch filr diesen zweiten Fall ist von vorneherein eine Einschränkung zu machen; wenn etwa in einem A-Teil eine Anweisung zur Prüfung eines vom Antworter gewählten bejahenden Satzes gegeben wird (z.B. 136b3-5/T6Jto~ 33: V