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German Pages 253 Year 2011
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 302
Das Amt des Betriebsrats nach Umstrukturierungen Das Substrat betriebsverfassungsrechtlicher Repräsentation und die Lehre von der betrieblichen Identität
Von
Lena Stöckel
Duncker & Humblot · Berlin
LENA STÖCKEL
Das Amt des Betriebsrats nach Umstrukturierungen
Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 302
Das Amt des Betriebsrats nach Umstrukturierungen Das Substrat betriebsverfassungsrechtlicher Repräsentation und die Lehre von der betrieblichen Identität
Von
Lena Stöckel
Duncker & Humblot · Berlin
Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung
Die Bucerius Law School – Hochschule für Rechtswissenschaft Hamburg hat diese Arbeit im Jahre 2010 als Dissertation angenommen.
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Fremddatenübernahme: Process Media Consult GmbH, Darmstadt Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-13593-6 (Print) ISBN 978-3-428-53593-4 (E-Book) ISBN 978-3-428-83593-5 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Bucerius Law School im Sommertrimester 2010 als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 1. Juli 2010 statt. Rechtsprechung und Literatur sind bis zum Sommertrimester 2009 berücksichtigt. Auf nachfolgende Änderungen wird nur noch in den Fußnoten Bezug genommen, die auf den Stand März 2011 gebracht wurden. Meinen herzlichen Dank richte ich an meinen Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Matthias Jacobs, für die Anregung des Themas und die Betreuung dieser Arbeit. Herrn Prof. em. Dr. Kreutz danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Der Johanna und Fritz Buch Gedächtnis-Stiftung danke ich für die großzügige Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Mein besonderer Dank gilt meiner Familie und meinem Freund, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Ihnen ist diese Arbeit gewidmet. Hamburg, im März 2011
Lena Stöckel
Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 A. Umstrukturierung und Betriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Problemstellung: die Lehre von der betrieblichen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Möglichkeit der Bestimmung des Begriffs der betrieblichen Identität? . . . . . . . . . 20 II. Möglichkeit der Einordnung der Lehre von der Betriebsidentität in das aktuelle Betriebsverfassungsrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 C. Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 1. Teil Bestandsaufnahme
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A. Lehre von der betrieblichen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 I. Wahrung der Betriebsidentität als Voraussetzung für den Fortbestand der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 II. Grundsatz der Betriebsbezogenheit des Betriebsverfassungsgesetzes als Ausgangspunkt der Lehre von der Betriebsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Spezifischer Identitätsbegriff der Lehre von der Betriebsidentität . . . . . . . . . . . . . 27 1. „Identität“ im Sinne der Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 2. „Identität“ im Sinne der Lehre von der Betriebsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 IV. Lösungsansatz der herrschenden Meinung: Bewertung der Betriebsidentität anhand von Einzelkriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 1. Ausgangspunkt: die Kriterien des Betriebsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 2. Gesamtbetrachtung zur Feststellung der Betriebsidentität ohne feststehenden Kreis oder abstrakte Rangfolge der Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
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Inhaltsverzeichnis V. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Fortbestand des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 b) Betriebliche Umstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Normative Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 a) Betriebliche Identität als Voraussetzung für die normative Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 b) Einheitlicher Identitätsbegriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
B. Betriebsidentität als Tatbestandsmerkmal des § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 I. Frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 III. Neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 2. Teil Bestimmung der betrieblichen Identität
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A. Historischer Ursprung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 I. Keine Abhängigkeit der Betriebsvertretung von der betrieblichen Identität vor Einführung des Betriebsrätegesetzes von 1920 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 II. Selbstständigkeit des Betriebs als Voraussetzung für den Fortbestand des Betriebsrats unter der Geltung des Betriebsrätegesetzes von 1920 . . . . . . . . . . . . . 42 1. Herrschende Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 2. Reichsarbeitsminister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 4. Zwischenergebnis: Keine inhaltliche Übereinstimmung zwischen der „Selbstständigkeit“ eines Betriebs und der „betrieblichen Identität“ . . . . . . . . . 45 III. Betriebsidentität als Voraussetzung für individualrechtlichen Kündigungsschutz unter der Geltung des Gesetzes über die Fristen für die Kündigung von Angestellten von 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 1. Begriff der Rechtsnachfolge i.S.d. § 2 KSchG 1926 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46 2. Kriterium der Betriebsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47
Inhaltsverzeichnis
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3. Betriebsidentität als Voraussetzung der Betriebsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . 48 4. Übernahme des Kriteriums in das Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . 49 IV. Keine dogmatische Entwicklung der Lehre von der betrieblichen Identität . . . . . . 49 B. Dogmatische Grundlagen für die Konkretisierung der betrieblichen Identität . . . . . . . 51 I. Bestimmung der einzelnen Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 1. Maßgeblicher Betriebsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Anknüpfung an „den“ Betriebsbegriff? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Einheit der Rechtsordnung und Relativität der Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . 54 c) „Richtiger“ Betriebsbegriff – Übertragbarkeit der Kriterien des § 613a BG auf die Lehre von der Betriebsidentität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Normativität des Betriebsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Funktion des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs . . . . . . . . 57 cc) Funktion des Betriebsbegriffs im Rahmen von § 613a BGB . . . . . . . . . . 58 (1) Europarechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 (2) Normzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 (3) Funktion des Betriebsbegriffs im Betriebsübergangsrecht: Abgrenzung einer wirtschaftlichen Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 dd) Zwischenergebnis: Maßgeblichkeit des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 2. Begriffsmerkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs . . . . . . . 62 II. Hierarchie der einzelnen Begriffsmerkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 1. Normativität des Ausdrucks „Betriebsidentität“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Das Substrat betriebsverfassungsrechtlicher Repräsentation als Gegenstand einer Wertungsfrage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Bewertungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Maßgebliche Wertungskriterien der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Belegschaftsnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 aa) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Gesetzliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Entscheidungsnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 aa) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 bb) Gesetzliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71
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Inhaltsverzeichnis c) Umfassende Belegschaftsrepräsentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 bb) Gesetzliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 d) Klare Funktionsabgrenzung zwischen den Repräsentationsorganen . . . . . . . 74 aa) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 bb) Gesetzliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 e) Effektive Aufgabenwahrnehmung durch Freistellung und Spezialisierung . . 75 aa) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 bb) Gesetzliche Verankerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3. Merkmale der betrieblichen Identität im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Betriebszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 aa) Praktikabilität des Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (1) Wesentliche Zweckänderung bei nicht „bereits angelegtem Betriebszweck“? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (2) Wesentliche Zweckänderung bei „grundlegender Änderung“ i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (3) Wesentliche Zweckänderung bei Gattungswechsel? . . . . . . . . . . . . . 83 (4) Wesentliche Zweckänderung bei Auswirkungen auf die Organisation des Betriebs? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (5) Zwischenergebnis: Fehlende Bestimmbarkeit der Wesentlichkeitsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 bb) Abstrakte Bedeutung für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der Belegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 b) Materielle Betriebsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 aa) Praktikabilität des Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 bb) Abstrakte Bedeutung für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der Belegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (1) Bedeutung des § 111 S. 3 Nr. 4 und 5 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 (2) Bedeutung der mangelnden mitbestimmungsrechtlichen Relevanz der materiellen Betriebsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 (3) Bedeutungslosigkeit der Betriebsmittel für die Repräsentierbarkeit der betrieblichen Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 c) Immaterielle Betriebsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 aa) Know How . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 bb) Weiterführen der Firma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 cc) Eintritt in bestehende Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
Inhaltsverzeichnis
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dd) Übernahme gewerblicher Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 ee) Übernahme des Kundenstamms . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 ff) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 d) Betriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 aa) Innerbetriebliche Organisationseinheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 bb) Arbeitstechnische Betriebsorganisation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 (1) Praktikabilität des Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 (2) Abstrakte Bedeutung für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der Belegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 cc) Institutionell einheitliche Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (1) Entscheidendes Merkmal des Betriebsbegriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (a) Zuständigkeit in personellen und sozialen Angelegenheiten . . . . 105 (b) Zuständigkeit im Kernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (c) Zentrale Zuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (2) Abstrakte Bedeutung für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der Belegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (a) Fehlende Praktikabilität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (b) Rechtspolitische Implikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (c) Verkörperung der Entscheidungsnähe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 (d) Zwischenergebnis: Besondere Bedeutung im Rahmen der Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 e) Unternehmensstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 aa) Organisatorische Selbstständigkeit der betrieblichen Einheit im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 bb) Gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 cc) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 f) Belegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Praktikabilität des Merkmals . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 (1) Fortbestand der Betriebsgemeinschaft? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (2) Zahl der betroffenen Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (a) Anknüpfung an die Rechtsprechung zu § 613a BGB . . . . . . . . . 119 (b) Anknüpfung an die Rechtsprechung zu §§ 111, 112a BetrVG . . 120 (c) Anknüpfung an die materiell-funktionalen Möglichkeiten und Befugnisse des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (d) Anknüpfung an die Schwellenwerte des § 13 Abs. 2 BetrVG . . . 123
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Inhaltsverzeichnis bb) Abstrakte Bedeutung für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der Belegschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 g) Geographische Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 aa) Räumliche Lage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 bb) Räumliche Verbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 h) Äußeres Erscheinungsbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 4. Hierarchie der einzelnen Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 a) Zweistufigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Dreistufigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 aa) Zielkonflikt zwischen Belegschaftsnähe und Entscheidungsnähe . . . . . . 132 bb) Abwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (1) Ausgangspunkt: Notwendigkeit von Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 (2) Systematische Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 (3) Teleologische Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 (4) Abwägungsergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 cc) Zwischenergebnis: Leitungsapparat in personellen und sozialen Angelegenheiten als wichtigstes Kennzeichen der betrieblichen Identität 139
C. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 3. Teil Einordnung der Lehre von der Betriebsidentität in die Systematik des Betriebsverfassungsrechts
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A. Die Lehre von der Betriebsidentität und das Übergangsmandat gem. § 21a BetrVG . . 141 I. Prinzipien des § 21a BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 1. Änderung der Anzahl der betrieblichen Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Regelmandat vor Übergangsmandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 a) Übergangsmandat als brückenschlagendes Mandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 b) Subsidiarität oder teleologische Reduktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 3. Übergangsmandat als zeitlich befristetes, betriebsbezogenes Vollmandat . . . . . 146 4. Besetzungskontinuität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147
Inhaltsverzeichnis
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II. Betriebliche Identität und Übergangsmandat im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 1. Bedeutung der betrieblichen Identität bei der Spaltung von Betrieben . . . . . . . 149 a) Vorrang des Regelmandats bei der Spaltung von Betrieben . . . . . . . . . . . . . . 150 aa) Begriffsbildung der herrschenden Meinung: Unterscheidung zwischen Auf- und Abspaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Schwächen dieser Begriffsbildung – die Kritik von Kreutz . . . . . . . . . . 151 cc) Eignung der Begriffe Auf- und Abspaltung zur Unterscheidung zwischen identitätswahrender und identitätsverändernder Umstrukturierung . . . . . 152 b) Kein Übergangsmandat nach § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG bei Eingliederung . 154 2. Bedeutung der betrieblichen Identität bei der Zusammenfassung von Betrieben 154 a) Der Vorrang des Regelmandats bei der Zusammenfassung von Betrieben . . 155 aa) Begriffsbildung der herrschenden Meinung: Unterscheidung zwischen Zusammenfassung und Eingliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 bb) Schwächen dieser Begriffsbildung – die Kritik von Kreutz . . . . . . . . . . 155 cc) Eignung der Begriffe Zusammenfassung und Eingliederung zur Unterscheidung zwischen identitätswahrender und identitätsverändernder Umstrukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 dd) Teleologische Reduktion oder analoge Anwendung des § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 (1) Wesen der Analogie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 (2) § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG als Tatbestands- oder Rechtsfolgenverweisung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 b) Übergangsmandat bei Beteiligung betriebsratsloser Einheiten . . . . . . . . . . . 159 aa) Zusammenfassung mit einer betriebsratslosen Einheit . . . . . . . . . . . . . . 160 bb) Betriebsratslosigkeit der größten Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 cc) Eingliederung in eine betriebsratslose Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Mehrfaches Übergangsmandat bei mehrfachem Identitätsverlust . . . . . . . . . . . 165 4. Übergangsmandat und Gemeinschaftsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 1. Verhältnis von § 21a BetrVG zur Lehre von der Betriebsidentität . . . . . . . . . . . 168 a) Wegfall der Betriebsidentität als notwendige Bedingung für ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168
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Inhaltsverzeichnis b) Wegfall der Betriebsidentität als hinreichende Bedingung für ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 2. Unmöglichkeit von Rückschlüssen auf die Begriffsmerkmale der betrieblichen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171
B. Die Lehre von der Betriebsidentität und der Grundsatz der Betriebsratskontinuität . . . 171 I. Vorrang der Betriebsratskontinuität als Normzweckdes § 613a BGB . . . . . . . . . . 172 1. Fortbestand des Betriebsrats in seiner konkreten Zusammensetzung als Normzweck des § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 2. Fortbestand des Organs „Betriebsrat“ als Normzweck des § 613a BGB? . . . . . 175 a) Wille des Normgebers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 b) Kontinuität des Betriebsrats als betriebsverfassungsrechtliches Problem . . . 176 c) Unmöglichkeit betriebsverfassungsrechtlicher Veränderungen durch den Übergang eines Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Zwischenergebnis: Kontinuität des Betriebsrats kein Normzweck des § 613a BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 II. Vorrang der Betriebsratskontinuität als Gebot des Gemeinschaftsrechts (Art. 6 RL 2001/23/EG)? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 1. Eröffnung des Anwendungsbereichs von Art. 6 Abs. 1 RL 2001/23/EG? . . . . . 179 2. „Wahrung der Selbstständigkeit“ i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 RL 2001/23/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 a) „Wahrung der Selbstständigkeit“ i.S.d. Richtlinie als Wahrung der Betriebsidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 b) „Wahrung der Selbstständigkeit“ i.S.d. Richtlinie als Wahrung des Wahlbezirks . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 3. Zwischenergebnis: Vorrang der Kontinuität des Betriebsrats keine Folge des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 III. Vorrang der Betriebsratskontinuität zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen? 183 1. Bloße Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl bei fehlerhafter Betriebsabgrenzung 184 2. Wertungswiderspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Lösung durch die Anerkennung des Vorrangs der Betriebsratskontinuität . . . . . 186 4. Lösung des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 5. Zwischenergebnis: Kein Vorrang der Betriebsratskontinuität zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 IV. Fazit: Betriebsratskontinuität setzt Betriebsbezogenheit voraus . . . . . . . . . . . . . . . 188
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C. Die Lehre von der Betriebsidentität und die gewillkürte Betriebsverfassung nach § 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. „Betriebliche Identität“ vor dem Hintergrund der durch § 3 BetrVG gewährten Freiheit bei der Gestaltung der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Gestaltungsmöglichkeiten nach § 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 a) Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats, § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 aa) Aufhebung der Unterscheidung zwischen Betrieb und Unternehmen . . . 192 bb) Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten durch das Erfordernis der Dienlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 b) Bildung eines betriebsübergreifenden Betriebsrats, § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 aa) Aufhebung der Betriebsgrenzen innerhalb eines Unternehmens . . . . . . . 193 bb) Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten durch das Erfordernis der Dienlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 c) Bildung von Spartenbetriebsräten, § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG . . . . . . . . . . . . . 195 aa) Produkt- und Projektgruppen als Abgrenzungsmerkmale für den betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationsbereich . . . . . . . . . . . . . 195 bb) Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten durch die Anknüpfung an Leitungsbefugnisse bei der Abgrenzung der Sparten sowie das Erfordernis der Dienlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 d) Schaffung anderer Arbeitnehmervertretungsstrukturen, § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 aa) Lösung von bestehenden Strukturen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 bb) Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten durch das Erfordernis der Dienlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 e) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 2. Gesetzestechnik: Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 a) Bedeutung des § 3 BetrVG für die Bindung einer Arbeitnehmervertretung an die ihr zugrunde liegende Einheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 b) Bedeutung des § 3 BetrVG für den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 3. Zwischenergebnis: Vereinbarkeit der Lehre von der betrieblichen Identität mit § 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203
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Inhaltsverzeichnis II. Betriebsidentität als Voraussetzung für den Fortbestand der gewillkürten Betriebsvertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Ausgangspunkt: Keine besondere Regelung der Amtszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 2. Gewillkürte Betriebsvertretung und Betriebsübergang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 a) Besonderheiten bei tariflicher Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 b) Besonderheiten bei der Regelung durch Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . 207 c) Zwischenergebnis: Keine Abhängigkeit der gewillkürten Betriebsvertretung vom Bestand des ihr zu Grunde liegenden Kollektivvertrags . . . . . . . . . . . . 208 3. Gewillkürte Betriebsvertretung und betriebliche Umstrukturierungen . . . . . . . . 208 a) „Betriebliche“ Identität einer gewillkürten Organisationseinheit . . . . . . . . . 209 aa) Bestimmung der maßgeblichen Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Hierarchie der einzelnen Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Übergangsmandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212
D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 4. Teil Konsequenzen für Gesamt- und Konzernbetriebsrat
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A. Gesamtbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 I. Auswirkungen des Hinzukommens oder Wegfallens einzelner Betriebe . . . . . . . . 215 1. Abhängigkeit des Gesamtbetriebsrats vom Fortbestand seiner Errichtungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 2. Untergang des Gesamtbetriebsrats bei Verlust der Unternehmensidentität? . . . 217 a) „Austauschbarkeit“ von Einzel- und Gesamtbetriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . 217 b) Gesamtbetriebsrat als Dauereinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 c) Zwischenergebnis: Keine Übertragbarkeit des Begriffs „Betriebsidentität“ . 218 II. Auswirkungen der Übertragung sämtlicher Betriebe auf eine Vorratsgesellschaft – der Beschluss des BAG vom 5. 6. 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 1. Ausgangspunkt: Bindung des Gesamtbetriebsrats an das Unternehmen, in dem er errichtet wurde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 2. Ausnahme bei Wahrung der Unternehmensidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 a) Unternehmensidentität als Kontinuitätsmerkmal? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221
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b) Zweckmäßigkeit als Legitimationsgrund für den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 c) Zwischenergebnis: Unternehmensidentität kein Kontinuitätsmerkmal . . . . . 223 3. Definition der Unternehmensidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 4. Zwischenergebnis: Funktioneller Unterschied zwischen Betriebs- und Unternehmensidentität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 B. Konzernbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 I. Auswirkungen des Hinzukommens oder Wegfallens einzelner Unternehmen . . . . 228 1. Abhängigkeit des Konzernbetriebsrats vom Fortbestand seiner Errichtungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Eingliederung des Konzerns in einen anderen Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 aa) Konzern im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 bb) Einheitliche Leitung als Voraussetzung eines Konzerns? . . . . . . . . . . . . 230 cc) Zwischenergebnis: Fortbestand beider Konzernbetriebsräte bei Vorliegen eines Konzerns im Konzern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Unterschreiten des Quorums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 2. Zwischenergebnis: Keine Übertragbarkeit des Begriffs Betriebsidentität . . . . . 232 II. Auswirkungen der Übertragung sämtlicher Unternehmen auf eine Vorratsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Zusammenfassung der Ergebnisse und Schluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 A. Kein Abschied von der Betriebsidentitätslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 I. Möglichkeit der Bestimmung des Begriffs der betrieblichen Identität . . . . . . . . . . 234 II. Möglichkeit der Einordnung der Lehre von der Betriebsidentität in das aktuelle Betriebsverfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 III. Gesamt- und Konzernbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität . . 236 B. Abschied von alten Begrifflichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
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Inhaltsverzeichnis
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251
Einleitung A. Umstrukturierung und Betriebsrat Die Voraussetzungen eines Betriebsübergangs und seine individualarbeitsrechtlichen Folgen sind seit Inkrafttreten des § 613a BGB im Jahr 19721, seine Folgen für Betriebsvereinbarungen seit dessen Erweiterung im Jahr 19802 gesetzlich geregelt. Zweifelsfragen des Betriebsübergangs gehören seitdem zu den Dauerbrennern des Arbeitsrechts. Seit Einführung des § 613a BGB sind knapp 900 höchstrichterliche Entscheidungen zu dieser Norm ergangen3, und unter dem Stichwort „Betriebsübergang“ ist eine nahezu unüberschaubare Fülle an Fachliteratur erschienen. Dabei konzentriert sich die wissenschaftliche Diskussion – insbesondere seit der ChristelSchmidt-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs4 – auf die Tatbestandsvoraussetzungen des Betriebsübergangs.5 Seine betriebsverfassungsrechtlichen Folgen, vor allem aber seine Auswirkungen auf das Amt des Betriebsrats, werden dagegen weniger beachtet. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, welche Folgen ein Betriebsübergang für das Amt des Betriebsrats hat, ist indes dringend geboten, da sich weder das Bürgerliche Gesetzbuch noch das Betriebsverfassungsgesetz zu diesem Problem verhalten. Auch die Folgen innerbetrieblicher Neuerungen, also solcher Veränderungen, die nicht mit einem Rechtsträgerwechsel einhergehen, sind nicht abschließend geregelt. Zwar sind Teilaspekte dieser Frage seit Kurzem gesetzlich erfasst, soweit mit der Neuerung eine Änderung der Betriebsstruktur einhergeht. So bestimmen §§ 21a, 21b BetrVG seit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001, welche Folgen die Spaltung oder Zusammenlegung von Betrieben auf Amt und Mandat des Betriebsrats haben.6 Eine allgemeine Regel über die Auswirkungen innerbetrieblicher Veränderungen fehlt gleichwohl nach wie vor.
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BGBl. 1972, I-13. BGBl. 1980, I-1308. 3 886 eingetragene Urteile in der Online-Datenbank Juris am 30. 3. 2011. 4 EuGH Urt. v. 14. 4. 1994, C-392/92 – Christel Schmidt – Slg. I-01311 = AP Nr. 106 zu § 613a BGB. 5 Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 39; vgl. auch die jüngste (diesbezüglich ebenfalls Verwirrung stiftende) Entscheidung des EuGH, Urt. v. 12. 02. 2009, C-466/07 – Klarenberg/Ferrotron – NZA 2009, 251 = NJW 2009, 2029. 6 Kreft, FS Wißmann, S. 347. 2
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Einleitung
Eine umfassende gesetzliche Regelung der Frage, welche Auswirkungen betriebliche Änderungen – seien sie mit einem Betriebsübergang verbunden oder nicht – auf das Amt des Betriebsrats haben, ist nach Ansicht der herrschenden Meinung allerdings auch nicht erforderlich. Man greift zu ihrer Beantwortung auf die von der Rechtsprechung entwickelte Lehre von der Betriebsidentität zurück7, nach der Änderungen in der betrieblichen Organisation (nur) dann Auswirkungen auf die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung haben, wenn sie die „betriebliche Identität“ berühren.8
B. Problemstellung: die Lehre von der betrieblichen Identität I. Möglichkeit der Bestimmung des Begriffs der betrieblichen Identität? Was unter dem Begriff „Betriebsidentität“ zu verstehen ist, ist allerdings „dunkel“9. Das Gesetz regelt nicht, auf welche Kriterien es für die Wahrung der betrieblichen Identität ankommt10, und die Ausführungen der Rechtsprechung zum Begriff der „nach wie vor nur umrissartig beschriebenen“11 Betriebsidentität werden mit Recht als „zuweilen missverständlich“12 bezeichnet. Auch in der einschlägigen Lite7 St. Rspr. seit BAG Beschl. v. 28. 9. 1988, 1 ABR 37/87, BAGE 59, 371 = AP Nr. 55 zu § 99 BetrVG 1972, unter I 2 a der Gründe; vgl. aus neuerer Zeit BAG Urt. v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/03, BAGE 109, 1 = AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter I 2 a der Gründe; vgl. auch Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 17, 48; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 50; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 139, § 21 Rn. 34; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 1; Giesen, SAE 2003, 217, 218; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 22; Hauck, FS ARGE Arbeitsrecht, S. 621, 623; ders., FS Richardi, S. 537, 538; Hromadka/ Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 16 Rn. 186; Joost, MünchArbR, § 217 Rn. 13; Koch, ErfK, BetrVG, § 21 Rn. 5; Krause, NZA 1998, 1201, 1202; Kreutz, GK-BetrVG, § 21 Rn. 39; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 21 Rn. 12; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 280; Rieble, NZA 2002, 233, 234; Schiefer, NJW 1998, 1817, 1822; Schlochauer, HSWG, BetrVG, § 21 Rn. 28; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 28; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 21 Rn. 16; kritisch Kreutz, FS Wiese, S. 235, 241. 8 Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 18; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 38 f.; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 68; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 279 f. 9 Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 88, Fn. 182; vgl. zur Kritik an der unklaren Begriffslage auch LAG Köln Urt. v. 23. 1. 2004, 12 TaBV 64/03 (juris), unter II 2 a der Gründe („unklar“); B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 12; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 927; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100 („kaum zu unterschätzende Schwierigkeiten bei der Beurteilung der Frage, ob die Identität eines Betriebs gewahrt ist“); Vogelsang, DB 1990, 1329, 1332. 10 U. Fischer, RdA 2005, 39, 41; Hauck, FS Richardi, S. 537; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 4. 11 Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 223. 12 Thüsing, DB 2004, 2474; ders., Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5.
B. Problemstellung: die Lehre von der betrieblichen Identität
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ratur finden sich trotz der verbreiteten Anerkennung der Lehre von der Betriebsidentität nur selten Versuche einer näheren Konkretisierung.13 Zum Hauptgegenstand juristischer Untersuchungen wurde sie bisher kaum gemacht.14 Vereinzelt wird sogar davon ausgegangen, es sei angesichts des noch immer nicht abschließend geklärten Betriebsbegriffs und der Vielgestaltigkeit betrieblicher Erscheinungsformen gar nicht möglich, abstrakt zu bestimmen, ab welchem Grad der Veränderung eines Betriebs von einem Verlust seiner Identität gesprochen werden könne.15 Dass diese unklare Begriffslage Zweifel an der Tauglichkeit der Lehre von der Betriebsidentität nach sich zieht, kann kaum verwundern. Schon vor zwanzig Jahren wurde die Zweckmäßigkeit des zur Abgrenzung verwandten Begriffs der „Betriebsidentität“ angesichts der Uneinheitlichkeit seiner näheren Konkretisierung bestritten.16 Da die Begriffsmerkmale der betrieblichen Identität nicht geklärt seien, so lautet auch heute noch die verbreitete Kritik, könnten mit der Lehre von der Betriebsidentität keine vorhersagbaren Ergebnisse erzielt werden. Dann aber sei sie als einheitlicher und praxistauglicher Prüfstein zur Bestimmung der Auswirkungen betrieblicher Veränderungen auf das Mandat des Betriebsrats ungeeignet. Bracker bezeichnet das Kriterium aus diesem Grund gar als „nicht verwendbar zur umfassenden Klärung betriebsverfassungsrechtlicher Folgen einer Betriebsänderung“.17 Die vorgebrachten Bedenken sind nicht von der Hand zu weisen, denn eine Lehre, deren Anwendung keine vorhersagbaren Ergebnisse hervorbringt, verursacht erhebliche Rechtsunsicherheit. Einem Unternehmer, der eine Umstrukturierung plant, ist es bei einer solchen Ausgangslage kaum möglich, die betriebsverfassungsrechtlichen Folgen angedachter Maßnahmen abzusehen. Dabei wird den möglicherweise eintretenden Veränderungen auf der Ebene der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation häufig besondere Beachtung geschenkt, wenn es um die Planung und Durchführung von Änderungen der Unternehmensstruktur beispielsweise im Zuge eines Unternehmensverkaufs geht.18 Der Erhalt oder, im Gegenteil, die Vernichtung bestimmter betriebsverfassungsrechtlicher Gremien ist aus unternehmerischer Sicht mitunter derart bedeutsam, dass sich Betriebsinhaber nur ihretwegen zur Durchführung von Umstrukturierungsmaßnahmen entschließen oder von ihnen absehen.19 Auch die Veränderung der räumlichen Zuständigkeit des Betriebsrats kann Ziel von Umstrukturierungen sein. Angesichts des diffusen Begriffs der betrieblichen Identität wird es indes 13
Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 88. Vgl. aber Kreutz, FS Wiese, S. 235 ff.; ders., GS Sonnenschein, S. 829 ff. 15 Vgl. T. Müller, RdA 1996, 287, 289. 16 Vgl. Schwanda, Betriebsübergang, S. 20. 17 Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 110; ähnlich Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, 833 ff.; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 167, äußert „erhebliche Bedenken gegen den Gebrauch des Identitätsbegriffes“. 18 Hauck, FS ARGE Arbeitsrecht, S. 621, 622; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 1; Willemsen, WHSS, Rz. A 5. 19 Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 2; Hauck, FS ARGE Arbeitsrecht, S. 621, 622; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 1; vgl. auch Vogelsang, DB 1990, 1329 Fn. 6. 14
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Einleitung
selbst einem arbeitsrechtlich geschulten Berater schwer fallen, verlässlich zu prognostizieren, ob ein Gericht im Zweifelsfall von einem Fortbestand der betrieblichen Identität und damit vom Fortbestand des Betriebsrats, oder aber von einem Identitätsverlust mit der Folge erforderlicher Neuwahlen ausgehen wird. Die Geltungsberechtigung der Lehre von der Betriebsidentität zur Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Folgen betrieblicher Veränderungen hängt folglich maßgeblich davon ab, ob es tatsächlich unmöglich ist, die Voraussetzungen der betrieblichen Identität abstrakt zu bestimmen. Damit sind zahlreiche Fragen aufgeworfen: Was macht die betriebliche Identität aus? Auf welchen der verschiedenen Betriebsbegriffe von Betriebsverfassungsgesetz, Bürgerlichem Gesetzbuch und der europäischen Betriebsübergangsrichtlinie kommt es bei ihrer Bestimmung an? Gibt es einen Unterschied zwischen der betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsidentität und der Betriebsidentität des Betriebsübergangsrechts?
II. Möglichkeit der Einordnung der Lehre von der Betriebsidentität in das aktuelle Betriebsverfassungsrecht? Aber nicht nur die begriffliche Konkretisierung der betrieblichen Identität ist erforderlich, soll die Lehre von der Betriebsidentität als Prüfstein für den Fortbestand des Betriebsrats nach einer Veränderung des Betriebs dienen. Allgemeine Geltung kann die Lehre von der Betriebsidentität nur beanspruchen, wenn sie sich darüber hinaus in die Systematik des Betriebsverfassungsrechts einfügt. Sie muss mit den überkommenen Grundsätzen des Betriebsverfassungsrechts ebenso in Einklang zu bringen sein wie mit den – möglicherweise aufgrund neuerer europarechtlicher Entwicklungen veränderten – Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes. Auch hier bestehen indes Zweifel: Widerspricht der Fortfall des Betriebsrats bei einem Verlust der betrieblichen Identität nicht dem Grundsatz der Betriebsratskontinuität? Folgt aus dem gesetzlich angeordneten Eintritt des Betriebserwerbers in die Rechtsstellung des Veräußerers tatsächlich, dass die Betriebsidentität bei jedem Betriebsübergang gewahrt bleibt? Oder folgt der Fortbestand des Betriebsrats nach einem Betriebsübergang möglicherweise aus der europäischen Betriebsübergangsrichtlinie, die den Erhalt der Arbeitnehmervertretung beim Betriebsübergang vorschreibt? Wie verhält sich die Lehre von der betrieblichen Identität zu § 21a BetrVG, der neuerdings regelt, welche Folgen eine betriebliche Umstrukturierung auf den Betriebsrat hat? Und führt nicht schließlich der ebenfalls neu gefasste § 3 BetrVG die Lehre von der Betriebsidentität ad absurdum, indem er es den Tarif- und Betriebspartnern ermöglicht, bei der Schaffung betriebsratsfähiger Organisationseinheiten vom Betrieb als Organisationsbasis abzuweichen?
D. Gang der Untersuchung
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C. Ziel der Arbeit Im Folgenden soll der Versuch unternommen werden, die aufgeworfenen Fragen zu beantworten. Ziel dieser Arbeit ist es, die Lehre von der Betriebsidentität auf den Prüfstand zu stellen und zu untersuchen, ob sie trotz aller (nur scheinbarer?) Ungereimtheiten als einheitliche und praxistaugliche Regel zu Recht Gültigkeit beansprucht20, oder ob sie, möglicherweise aufgrund jüngerer Gesetzesänderungen oder ihres unklaren Inhalts, überholt ist und verworfen oder zumindest inhaltlich angepasst werden muss. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht die Frage nach Inhalt und Bedeutung der Betriebsidentität als Kontinuitätsmerkmal des Einzelbetriebsrats. Die Bedeutung, die der Lehre von der Betriebsidentität für die kollektive Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen zukommt, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht ergründet werden. Wie noch zu zeigen sein wird, spielen für die Bestimmung der betrieblichen Identität diejenigen Wertungskriterien eine entscheidende Rolle, die prägend für den konkreten Regelungsbereich sind. Die genaue Analyse der Wertentscheidungen, die das Betriebsverfassungsgesetz dem Bereich der Betriebsvereinbarungen zugrunde legt21, muss einer gesonderten Studie vorbehalten bleiben.
D. Gang der Untersuchung Die Untersuchung beginnt im ersten Teil mit einer kurzen Bestandsaufnahme zum Begriff der Betriebsidentität, in der sowohl Inhalt und Anwendungsbereich der Lehre von der Betriebsidentität erläutert, als auch Wesen und Bedeutung der Betriebsidentität als Tatbestandsmerkmal des § 613a BGB beleuchtet werden. Der folgende zweite Teil widmet sich der Frage, ob die Konkretisierung der betrieblichen Identität tatsächlich unmöglich ist. Hierzu wird zunächst die Entstehungsgeschichte der Lehre von der Betriebsidentität auf Hinweise zu dogmatischen Vorga20 Zweifelnd: Kreutz, FS Wiese, S. 235 ff.; ders., GS Sonnenschein, S. 829 ff.; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 99. 21 Vgl. hierzu BAG Beschl. v. 27. 7. 1994, 7 ABR 37/93, AP Nr. 118 zu § 613a BGB = NZA 1995, 222, unter B II der Gründe; Urt. v. 24. 7. 2001, 3 AZR 660/00, BAGE 98, 224 = AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, unter II 1 der Gründe; Urt. v. 1. 8. 2001, 4 AZR 82/00, BAGE 98, 314 = AP Nr. 225 zu § 613a BGB, unter 4 d aa der Gründe; Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 197 ff., 232; Bachner, Kittner/Zwanziger, § 97 Rn. 2; ders., NJW 2003, 1861, 2862; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 77 Rn. 168; Hanau/Vossen, FS Hilger/Stumpf, S. 271, 274; Hattesen, Kasseler Handbuch, Bd. 2, 6.7 Rn. 209; Hohenstatt, WHSS, Rz. E 6 ff.; Jacobs, FS Konzen, S. 346, 348; Kreft, FS Wißmann, S. 347, 351; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betriebsübergang Rn. 60; Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rn. 390; ders., FS Kraft, S. 323, 333; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 111 ff.; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 927; Preis/Steffan, FS Kraft, S. 477,481, Richardi, Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 213, 216; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Thüsing, DB 2004, 2474, 2477; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14, 15.
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Einleitung
ben über den Begriffsinhalt der betrieblichen Identität untersucht. Im Anschluss daran ist zu klären, welche Aussagen über Kreis und Rangfolge ihrer Merkmale sich der aktuellen Systematik des Betriebsverfassungsrechts entnehmen lassen. Ist der Begriff der betrieblichen Identität konkretisiert, ist im dritten Teil zu überprüfen, ob sich die Lehre von der Betriebsidentität in die Systematik des Betriebsverfassungsrechts einfügen lässt, oder ob sie in – möglicherweise unauflösbarem – Widerspruch zu einzelnen Vorschriften oder Grundsätzen des Betriebsverfassungsgesetzes steht. Der vierte Teil der Untersuchung behandelt schließlich die Frage, wie sich die gefundenen Ergebnisse auf Gesamt- und Konzernbetriebsrat auswirken.
1. Teil
Bestandsaufnahme A. Lehre von der betrieblichen Identität I. Wahrung der Betriebsidentität als Voraussetzung für den Fortbestand der Betriebsverfassung Die Lehre von der Betriebsidentität besagt, dass Änderungen in der betrieblichen Organisation nur dann Auswirkungen auf die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung haben, wenn sie die betriebliche Identität berühren.1 Neben der kollektiven Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen2 wird insbesondere der Fortbestand des Betriebsrats3 von der Wahrung der Betriebsidentität abhängig gemacht. Nach nahezu einhelliger Ansicht soll das Mandat des Betriebsrats also nicht nur in den gesetzlich ausdrücklich geregelten Fällen4 enden, sondern auch, wenn der Betrieb, von dessen Belegschaft er gewählt wurde, seine Identität verliert. 1
BAG Urt. v. 23. 11. 1988, 7 AZR 121/88, BAGE 60, 191 = AP Nr. 77 zu § 613a BGB, unter 2 a aa der Gründe; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 50; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 38 f.; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 68; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 279 f. 2 Vgl. BAG Beschl. v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = AP Nr. 7 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung, unter B III 2 a bb der Gründe; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 19 Rn. 114. 3 St. Rspr. seit BAG Beschl. v. 28. 9. 1988, 1 ABR 37/87, BAGE 59, 371 = AP Nr. 55 zu § 99 BetrVG 1972, unter I 2 a der Gründe; vgl. aus neuerer Zeit BAG Urt. v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/03, BAGE 109, 1 = AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter I 2 a der Gründe; Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 17, 48; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 50; Hauck, FS ARGE Arbeitsrecht, S. 621, 623; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 140, § 21 Rn. 34; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 1; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 16 Rn. 186; Koch, ErfK, BetrVG, § 21 Rn. 6; Kreutz, GK-BetrVG, § 21 Rn. 39; Löwisch/ Kaiser, BetrVG, § 21 Rn. 12; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 280; Rieble, NZA 2002, 233, 234; Schiefer, NJW 1998, 1817, 1822; Schlochauer, HSWG, BetrVG, § 21 Rn. 28; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 28; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 21 Rn. 13, 16. 4 Dies sind insbesondere der regelmäßige Ablauf der Amtszeit gemäß § 21 S. 3 BetrVG, das vorzeitige Ende der Amtszeit gemäß § 21 S. 5 BetrVG in den Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG, der Rücktritt des Betriebsrats nach § 13 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG, die Anfechtung der Betriebsratswahl nach § 19 BetrVG und die arbeitsgerichtliche Auflösung wegen grober Verletzung seiner Pflichten gemäß § 23 BetrVG.
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1. Teil: Bestandsaufnahme
II. Grundsatz der Betriebsbezogenheit des Betriebsverfassungsgesetzes als Ausgangspunkt der Lehre von der Betriebsidentität Die herrschende Meinung begründet die Bedeutung der Betriebsidentität für den Fortbestand der betrieblichen Ordnung mit dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit des Betriebsverfassungsgesetzes, den dieses, wie Joost es formuliert, „schon in seiner eigenen Bezeichnung geradezu programmatisch zum Ausdruck bringt.“5 Aus § 1 BetrVG ergebe sich, dass der Betrieb Dreh- und Angelpunkt der Betriebsverfassung sei.6 Das Betriebsverfassungsgesetz regele das Zusammenleben von Arbeitnehmern, den Betriebsräten und den Gewerkschaften als Repräsentanten der Arbeitnehmer, den Arbeitgebern und den diese vertretenden Verbänden7, und gehe damit von einer ausschließlich betriebsbezogenen Repräsentation der Arbeitnehmer aus.8 Vor dem Hintergrund der Betriebsbezogenheit des Betriebsverfassungsgesetzes wird der Verlust der Betriebsidentität als quasi-natürlicher Beendigungsgrund9 für das Amt des Betriebsrats angesehen.10 In der Diktion des Bundesarbeitsgerichts liest sich dies seit dem Grundsatzurteil zum Fortbestand des Betriebsrats bei Erhalt der Betriebsidentität vom 23. 11. 198811 wie folgt: „Das Betriebsverfassungsgesetz beruht auf der Annahme einer ausschließlich betriebsbezogenen Interessenvertretung durch die gewählten Repräsentanten der betriebsangehörigen Arbeitnehmer. Dazu knüpft es die Zuständigkeit eines Betriebsrats an die Identität desjenigen Betriebs, für den er gewählt worden ist. Solange die 5 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 1; vgl. auch Hauck, FS ARGE Arbeitsrecht, S. 621, 623; ders., FS Richardi, S. 537, 538. 6 Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 2; vgl. auch BAG Urt. v. 23. 11. 1988, 7 AZR 121/88, BAGE 60, 191 = AP Nr. 77 zu § 613a BGB, unter I 2 a aa der Gründe; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 2 f.; Kort, AG 2003, 13, 14; Plander, NZA 2002, 483; Rieble, NZA 2002, 234; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 1; Salamon, NZA 2009, 74, 77; Schiefer, NJW 1998, 1817, 1822; Wiese, GK-BetrVG, Einleitung Rn. 108. 7 Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 1; vgl. auch Wiese, GK-BetrVG, Einleitung Rn. 100. 8 BAG Urt. v. 23. 11. 1988, 7 AZR 121/88, BAGE 60, 191 = AP Nr. 77 zu § 613a BGB, unter 2 a aa der Gründe; Beschl. v. 31. 5. 2000, 7 ABR 78/98, BAGE 95, 15 = AP Nr. 4 zu § 22 BetrVG 1972, unter B IV 2 a aa der Gründe; Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 3; Rieble, NZA 2002, 233, 234; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 85; vgl. auch Engels, FS Wlotzke, S. 279, 286. 9 Ähnlich Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, im Hinblick auf das Ende der normativen Geltung von Betriebsvereinbarungen. 10 BAG Urt. v. 6. 11. 1959, 1 AZR 329/58, BAGE 8, 207 = AP Nr. 15 zu § 13 KSchG, unter II 1 der Gründe; Beschl. v. 28. 9. 1988, 1 ABR 37/87, BAGE 59, 371 = AP Nr. 55 zu § 99 BetrVG 1972, unter B 2 a und b der Gründe; Beschl. v. 31. 5. 2000, 7 ABR 78/98, BAGE 95, 15 = AP Nr. 4 zu § 22 BetrVG 1972, unter B IV 2 b der Gründe; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 4, bezeichnet den Verlust der Betriebsidentität als Wegfall der „Geschäftsgrundlage des Betriebsratsmandats“. 11 BAG Urt. v. 23. 11. 1988, 7 AZR 121/88, BAGE 60, 191 = AP Nr. 77 zu § 613a BGB, unter I 2 b bb der Gründe.
A. Lehre von der betrieblichen Identität
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Identität des Betriebs fortbesteht, behält der Betriebsrat das ihm durch die Wahl übertragene Mandat zur Vertretung der Belegschaftsinteressen und zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben.“12 Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts handelt es sich bei dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit um ein zwingendes betriebsverfassungsrechtliches Prinzip13, dessen Anwendung dazu führt, „dass bei einer betrieblichen Umorganisation, die eine Änderung der bisherigen Betriebsidentität zur Folge hat, das Amt des Betriebsrats endet oder er für einen Teil der bisher von ihm vertretenen Arbeitnehmer die Zuständigkeit verliert“.14 In der Tat: § 1 BetrVG geht von der Wahl des Betriebsrats im Betrieb und für den Betrieb aus.15 Der Betriebsrat besteht damit nicht für irgendeinen Betrieb, sondern ist an den Betrieb gebunden, für den er errichtet wurde.16 Endet dieser Betrieb, verliert der Betriebsrat die Grundlage seiner Existenz und das Substrat seiner Arbeit.17 Sein Mandat, jedenfalls sein Regelmandat18, kann nicht fortbestehen, denn ein Betriebsrat ohne Betrieb ist undenkbar. Folglich kann der Betriebsrat das ihm durch die Wahl übertragene Mandat zur Vertretung der Belegschaftsinteressen und zur Wahrnehmung betriebsverfassungsrechtlicher Aufgaben nur so lange innehaben, wie die Identität des Betriebs fortbesteht.19
III. Spezifischer Identitätsbegriff der Lehre von der Betriebsidentität Die Frage, wann ein Betrieb seine Identität verliert, ist allerdings nicht leicht zu beantworten und der Begriff der betrieblichen Identität, wie eingangs beschrieben, hoch umstritten. Die Unsicherheit bei der Bestimmung des Ausdrucks „Betriebsidentität“ beruht darauf, dass er nicht mit Hilfe des allgemein-sprachlichen Identitätsbegriffs definiert werden kann.
12 St. Rspr., vgl. BAG Beschl. v. 31. 5. 2000, 7 ABR 78/98, BAGE 95, 15 = AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B IV 2 a aa der Gründe; Urt. v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/2003, BAGE 109, 1 = AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972, unter I 2 a der Gründe. 13 BAG Urt. v. 23. 11. 1988, 7 AZR 121/88, BAGE 60, 191 = AP Nr. 77 zu § 613a BGB, unter I 2 b bb der Gründe. 14 BAG Beschl. v. 31. 5. 2000, 7 ABR 78/98, BAGE 95, 15 = AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B IV 2 b der Gründe; zustimmend Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a Rn. 6. 15 Kloppenburg, Düwell, BetrVG-HaKo, § 1 Rn. 2. 16 Rieble, NZA 2002, 233, 234. 17 Rieble, NZA 2002, 233, 234. 18 Zu den Voraussetzungen eines Übergangsmandats vgl. unten 3. Teil. 19 BAG Urt. v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/2003, BAGE 109, 1 = AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972, unter I 2 a der Gründe.
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1. Teil: Bestandsaufnahme
1. „Identität“ im Sinne der Logik Die allgemeine Definition des Begriffs „Identität“ ist denkbar eng. Sie beschreibt „die völlige Übereinstimmung einer Person oder Sache mit dem, was sie ist oder als was sie bezeichnet wird“.20 Nach dieser Definition kann etwas „nur mit sich und nie mit etwas Anderem identisch“ sein21, so dass jede Veränderung eines Gegenstands zu dem Verlust seiner Identität führt. Wollte man diese Definition zur Bestimmung der betrieblichen Identität heranziehen, wäre die absurde Folge, dass jede noch so kleine Veränderung im Betrieb, die Anschaffung eines neuen Werkzeugs ebenso wie die Einstellung oder Entlassung eines Mitarbeiters, einen Identitätsverlust nach sich ziehen und Neuwahlen erforderlich machen würde. Das würde nicht nur beträchtliche Kosten, sondern auch eine erhebliche Unruhe im Betrieb verursachen, ohne dass damit ein erkennbarer Nutzen verbunden wäre. 2. „Identität“ im Sinne der Lehre von der Betriebsidentität Die Bedeutung, die dem Ausdruck „Identität“ im Rahmen der Lehre von der Betriebsidentität beigemessen wird, weicht daher von der allgemeinen Bedeutung des Begriffs ab. Die betriebliche Identität wird von der herrschenden Meinung eher umfassend verstanden.22 Eine Identitätswahrung im eigentlichen, engen Sinne fordert niemand.23 Mit Hilfe der Lehre von der Betriebsidentität soll vielmehr bestimmt werden, ob „das Substrat, auf das sich das Betriebsratsamt bisher bezog“, noch weitgehend besteht.24 Sie soll also die Frage beantworten, wie sehr sich ein Betrieb verändern darf, ohne dass diese Veränderung Folgen für die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung hat.25 Nicht jede Veränderung eines Betriebs führt danach zum Verlust seiner Identität, sondern nur eine Veränderung von gewisser Schwere und Bedeutung.26 So hat die 20
Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 13, Stichwort: „Identität“. Brockhaus, Enzyklopädie, Bd. 13, Stichwort: „Identität“. 22 Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 89; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100. 23 D. Gaul, Betriebsinhaberwechsel, S. 37; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 51; Kreft, FS Wißmann, S. 347, 353; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100. 24 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 51. 25 BAG Urt. v. 29. 10. 1975, 5 AZR 444/74, BAGE 27, 291 = AP Nr. 2 zu § 613a BGB, unter 1 a der Gründe; U. Fischer, RdA 2005, 39, 41; Giesen, SAE 2003, 217, 218; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 51, 68; Kreft, FS Wißmann, S. 347, 353; Müller-Bonanni, Betriebsinhaberwechsel im Rahmen des Umwandlungsgesetzes, S. 67; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100. 26 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 9a; ein Anhaltspunkt für die Richtigkeit dieser weiten Auslegung des Begriffs der Betriebsidentität wird dem vorgesetzlichen Meinungsstand entnommen, vgl. Schwanda, Betriebsübergang, S. 154: Bereits 21
A. Lehre von der betrieblichen Identität
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Rechtsprechung beispielsweise weder in dem Ausscheiden eines Unternehmens aus einem Gemeinschaftsbetrieb27 noch in einem vollständigen Austausch der Belegschaft28 eine Veränderung gesehen, die zum Verlust der Identität des Betriebs geführt hätte.
IV. Lösungsansatz der herrschenden Meinung: Bewertung der Betriebsidentität anhand von Einzelkriterien 1. Ausgangspunkt: die Kriterien des Betriebsbegriffs Für die Beantwortung der Frage, ab welchem Grad betriebliche Änderungen so schwerwiegend sind, dass sie das Substrat, auf das sich die Betriebsratsarbeit bisher bezog, beeinträchtigen, orientiert sich die herrschende Meinung an den Merkmalen des Betriebsbegriffs.29 Die Rechtsprechung legt dabei den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff zu Grunde. Nach herrschender Meinung bezeichnet dieser die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder gemeinsam mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.30 Anhand derjenigen Kriterien, die nach dieser Definition für die Existenz eines Betriebs maßgeblich sind, soll auch die Wahrung seiner Identität gemessen werden. Zwar sei allein mit der Feststellung, dass ein Betrieb vorliegt, für die Frage, ob dieser als Fortsetzung der ursprünglichen betrieblichen Einheit erscheint, noch nichts gewonnen.31 Immerhin lasse sich aber, wenn auch keine völlige Klarheit, so doch ein höheres Maß an Nachvollziehbarkeit damals setzte man keine „völlige Kongruenz“ voraus, sondern ließ es genügen, dass „im Wesentlichen“ dieselben sächlichen Betriebsmittel übernommen wurden, vgl. RAG Urt. v. 28. 2. 1928, Bensh.Slg. Bd. 2, Abt. 1, S. 72, 75; Urt. v. 30. 11. 1929, Bensh.Slg. Bd. 7, Abt. 1, S. 397, 399. 27 BAG Urt v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/03, BAGE 109, 1 = AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter I 2 b der Gründe. 28 Vgl. LAG Frankfurt a.M. Urt. v. 23. 8. 1956, III LA 578/55, DB 1956, 1135. 29 Vgl. Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 76; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 83; U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 13; Henssler, NZA 1994, 913, 914; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 69; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 167. 30 St. Rspr., vgl. BAG Beschl. v. 31. 5. 2000, 7 ABR 78/98, BAGE 95, 15 = AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B II 1 a der Gründe; Beschl. v. 19. 2. 2002, AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972 = NZA 2002, 1300, unter B II 1 a der Gründe; Beschl. v. 11. 2. 2004, 7 ABR 27/03, BAGE 109, 332 = AP Nr. 22 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B I 1 der Gründe; Beschl. v. 22. 6. 2005, 7 ABR 57/04, AP Nr. 23 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B II 1 der Gründe; Beschl. v. 7. 5. 2008, 7 ABR 17/07, NZA 2009, 328, unter B I 3 a der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 63; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 28; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 6; Haase, Sonderbeilage zu NZA Heft 18/1988, 11, 12; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 25; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 10; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 8; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 16. 31 Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 38.
30
1. Teil: Bestandsaufnahme
herbeiführen, wenn die Betriebsidentität anhand derjenigen Kriterien gemessen werde, auf die es auch für die Bestimmung des Betriebsbegriffs ankomme.32 Zu berücksichtigen sind daher nach herrschender Meinung insbesondere Veränderungen des Betriebszwecks, der materiellen und immateriellen Betriebsmittel, der Betriebsorganisation, der Unternehmensstruktur, der Belegschaft und der geographischen Lage des Betriebs. In der Literatur wird darüber hinaus häufig auf diejenigen Kriterien zurückgegriffen, die auf der Tatbestandsseite des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB zur Entscheidung darüber herangezogen werden, ob ein Betrieb im Sinne einer wirtschaftlichen Einheit auf einen neuen Inhaber übergegangen ist.33 Zusätzlich zu den genannten Merkmalen werden damit von einigen Autoren der eventuelle Übergang der Kundschaft, die Ähnlichkeit der verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeiten bei der Bestimmung der betrieblichen Identität berücksichtigt. 2. Gesamtbetrachtung zur Feststellung der Betriebsidentität ohne feststehenden Kreis oder abstrakte Rangfolge der Kriterien Über den genauen Kreis der maßgeblichen Kriterien besteht allerdings ebenso wenig Einigkeit wie über ihre Gewichtung. Im Gegenteil: Man geht davon aus, dass es sich angesichts der Vielfalt der betrieblichen Konstellationen verbiete, einen zwingenden Kreis der maßgeblichen Kriterien oder gar eine Hierarchie der einzelnen Merkmale vorzugeben.34 Kreis und Gewicht der einzelnen Kriterien ergebe sich aus den konkreten Umständen des jeweiligen Sachverhalts und könne mithin von Fall zu Fall variieren.35 Die herrschende Meinung überprüft im Rahmen der Lehre von der Betriebsidentität also nicht jedes einzelne Betriebselement und schließt auf einen Verlust der Betriebsidentität, wenn sich zumindest eines dieser Merkmale wesentlich verändert hat. Vielmehr nimmt sie eine Gesamtbetrachtung vor und über-
32
Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 40 ff.; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 69. 33 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a Rn. 7; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 17; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 15; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 70; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5; ders., DB 2002, 738, 739; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 21a Rn. 13. 34 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 13; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 42; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 72; Thüsing, DB 2004, 2474; vgl. zur Notwendigkeit der typologischen Bestimmung des Betriebsbegriffs selbst Fromen, FS D. Gaul, S. 151, 173 ff. 35 U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5; ders., DB 2004, 2474; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 21a Rn. 13; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 8.
A. Lehre von der betrieblichen Identität
31
prüft die Wahrung der Betriebsidentität anhand einer Typologie.36 Dabei soll den zu berücksichtigenden Kriterien je nach den Merkmalen des Einzelfalls unterschiedliche Bedeutung zukommen, ohne dass ein Kriterium auszumachen wäre, das abstrakt die anderen überwöge.37
V. Anwendungsbereich 1. Fortbestand des Betriebsrats a) Betriebsübergang Die Lehre von der Betriebsidentität dient der Feststellung, ob sich Veränderungen in der betrieblichen Organisation auf die Betriebsverfassung auswirken. Damit erlangt sie zunächst Bedeutung für die Frage, ob ein Betriebsübergang als solcher das Amt des Betriebsrats beeinflusst.38 Diesbezüglich beschränkt sich die herrschende Meinung auf die Feststellung, dass der reine Betriebsinhaberwechsel die Identität des Betriebs nicht berühre, und ein Betriebsübergang daher keine Auswirkungen auf die Amtsdauer des Betriebsrats habe.39 b) Betriebliche Umstrukturierung Größere Beachtung wird der Lehre von der Betriebsidentität neuerdings im Zusammenhang mit § 21a BetrVG zuteil. Diese Vorschrift, mit der die Richtlinie 2001/23/EG umgesetzt wird, regelt seit ihrem Inkrafttreten im Jahr 2002 als allgemei36 U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 42; Thüsing, DB 2004, 2474. 37 U. Fischer, RdA 2005, 39, 42 ff.; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 40 ff.; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 68 ff.; Thüsing, DB 2004, 2474. 38 Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 4; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 6; Rieble, NZA 2002, 234. 39 Vgl. BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B II 1 der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21 Rn. 34; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 22; Henssler, NZA 1994, 913, 921; Hauck, FS Richardi, S. 537, 539; Koch, ErfK, BetrVG, § 21 Rn. 6; ders., Schaub, ArbR-Hdb., § 219 Rn. 16; Kreft, FS Wißmann, S. 347, 349; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betriebsübergang Rn. 55; Kreutz, GK-BetrVG, § 21 Rn. 39; Reichold, HWK, BetrVG, § 21 Rn. 13; Schlochauer, HSWG, BetrVG, § 21 Rn. 28; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 28; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 21 Rn. 16; Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 767; zweifelnd: Schwanda, Betriebsübergang, S. 131 f.; nach allg. M. endet das Amt des Betriebsrats unabhängig vom Fortbestand der Betriebsidentität, wenn der Betriebserwerber nicht unter den Geltungsbereich des Betriebsverfassungsgesetzes fällt, vgl. BAG Urt. v. 9. 2. 1982, 1 ABR 36/80, BAGE 41, 5 = AP Nr. 24 zu § 118 BetrVG 1972, unter II 3 der Gründe; Kreutz, GK-BetrVG, § 21 Rn. 40; Reichold, HWK, BetrVG, § 21 Rn. 13; Schlochauer, HSWG, BetrVG, § 21 Rn. 28; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 30; zweifelnd, Schwanda, Betriebsübergang, S. 131 f.; zu den Besonderheiten bei einer gewillkürten Betriebsverfassung vgl. Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 75 ff.
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1. Teil: Bestandsaufnahme
ne Nachfolgeregelung zu dem aufgehobenen § 321 UmwG das Übergangsmandat des Betriebsrats in Fällen betrieblicher Umstrukturierungen. Ihr Anwendungsbereich erfasst dabei nicht nur Strukturänderungen auf Unternehmensebene, sondern auch Fälle unternehmensinterner Betriebsumstrukturierungen.40 Da mit der gesetzlichen Anordnung eines Übergangsmandats Schutzlücken gefüllt werden sollen, die bei betrieblichen Organisationsänderungen in der Übergangsphase entstehen können41, besteht weitgehende Einigkeit darüber, dass § 21a BetrVG nur anzuwenden ist, wenn der Betriebsrat nicht schon nach „allgemeinen Regeln“ fortbesteht.42 Zu diesen allgemeinen Regeln gehört nach herrschender Meinung auch die Lehre von der Betriebsidentität.43 Ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG kommt nach ganz herrschender Meinung daher nicht in Betracht, wenn der Betriebsrat aufgrund der Wahrung der betrieblichen Identität fortbesteht.44 2. Normative Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen a) Betriebliche Identität als Voraussetzung für die normative Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen Auch die Frage, ob Betriebsvereinbarungen nach einer betrieblichen Umstrukturierung normativ fortgelten, wird von der ganz herrschenden Meinung mit Hilfe der Lehre von der Betriebsidentität beantwortet: Bewahrt der Betrieb trotz der Umstrukturierung seine Identität, sollen die in ihm bestehenden Betriebsvereinbarungen normativ fortgelten.45 Zur Begründung wird auch hier auf die Betriebsbezogenheit des 40
Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 4. BT-Drucks. 14/5741, S. 39. 42 “Regelmandat vor Übergangsmandat”, vgl. Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, 833; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Rieble, NZA 2003, Sonderbeilage zu Heft 16, 62, 63; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 2; ders., DB 2004, 2474. 43 Vgl. LAG Köln Beschl. v. 23. 1. 2004, 12 TaBV 64/03 unter II 2 der Gründe; Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 8 f.; Feudner, DB 2003, 882; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 158; Hanau, NJW 2001, 2513, 2515; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 3; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 4; ders., DB 2004, 2474. 44 Ausführlich hierzu s. unten 3. Teil. 45 Vgl. BAG Beschl. v. 27. 7. 1994, 7 ABR 37/93, AP Nr. 118 zu § 613a BGB = NZA 1995, 222, unter B II der Gründe; Urt. v. 24. 7. 2001, 3 AZR 660/00, BAGE 98, 224 = AP Nr. 18 zu § 1 BetrAVG Betriebsveräußerung, unter II 1 der Gründe; Urt. v. 1. 8. 2001, 4 AZR 82/00, BAGE 98, 314 = AP Nr. 225 zu § 613a BGB, unter 4 d aa der Gründe; Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 197 ff., 232; Bachner, Kittner/Zwanziger, § 97 Rn. 2; ders., NJW 2003, 1861, 2862; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 77 Rn. 168; Grobys, BB 2003, 1391; Hanau/Vossen, FS Hilger/Stumpf, S. 271, 274; Hattesen, Kasseler Handbuch, Bd. 2, 6.7 Rn. 209; Hohenstatt, WHSS, Rz. E 6 ff.; Jacobs, FS Konzen, S. 346, 348; Kreft, FS Wißmann, S. 347, 351; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betriebsübergang Rn. 60; Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rn. 391; ders., FS Kraft, S. 323, 333; Mues, DB 2003, 1273, 1274; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 149; Niklas/Mückl, DB 2008, 2250; Preis, ErfK, BGB, 41
A. Lehre von der betrieblichen Identität
33
Betriebsverfassungsgesetzes verwiesen. Mit dem Fortbestand des Betriebs als organisatorische Einheit „bleib[e] die entscheidende Grundlage für die Fortgeltung der Betriebsvereinbarung aufrechterhalten“.46 Kreutz konkretisiert dies dahingehend, dass mit der Wahrung der Betriebsidentität die Gestaltungsaufgabe der Betriebsvereinbarungen bestehen bleibe, was ihre Fortgeltung ebenso legitimiere wie erforderlich mache.47 Ein weiteres – auch vom Bundesarbeitsgericht in den Vordergrund gerücktes – Argument knüpft an die Kontinuität des Betriebsrats an. Dessen Rechtsstellung und Funktion wären erheblich beeinträchtigt, wenn die von ihm geschlossenen Betriebsvereinbarungen infolge betrieblicher Umstrukturierungen ihre kollektivrechtliche Geltung verlieren würden, während er selbst im Amt bleibe.48 Die normative Fortgeltung von Betriebvereinbarungen soll auch dann von der Wahrung der betrieblichen Identität abhängen, wenn die betriebliche Umstrukturierung mit dem Übergang des Betriebs auf einen neuen Inhaber einhergeht. § 613a Abs. 1 S. 2 BGB steht dem nach herrschender Meinung nicht entgegen. Diese Vorschrift wird vielmehr lediglich als Auffanglösung verstanden, die nicht zur Anwendung kommen soll, wenn Betriebsvereinbarungen aufgrund der Wahrung der Betriebsidentität ohnehin fortbestehen.49 b) Einheitlicher Identitätsbegriff? Ob der Begriff der betrieblichen Identität dabei inhaltlich mit dem Begriff der betrieblichen Identität, wie er als Voraussetzung für den Fortbestand des Betriebsrats verstanden wird, übereinstimmt, ist noch nicht abschließend geklärt. Die für beide Fälle bisher einheitliche Verwendung des Begriffs der Betriebsidentität in Rechtsprechung und Literatur lässt dies zwar vermuten. Ob das Bundesarbeitsgericht dem Begriff in beiden Zusammenhängen auch zukünftig die gleiche Bedeutung beimessen wird, ist seit seinem Beschluss vom 18. 9. 2002 jedoch zweifelhaft geworden. In diesem Beschluss hatte es darüber zu entscheiden, ob eine Gesamtbetriebsvereinbarung auch in einem vom Ursprungsbetrieb abgespaltenen und als selbstständiger Betrieb fortgeführten Betriebsteil normativ fortgilt. Das Bundesarbeitsgericht be§ 613a Rn. 114; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 927; Preis/Steffan, FS Kraft, S. 477,481, Richardi, Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 213, 216; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Röder/ Haußmann, DB 1999, 1754; Thüsing, DB 2004, 2474, 2477; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14, 15. 46 Vgl. BAG Beschl. v. 27. 07. 1994, 7 ABR 37/93, AP Nr. 118 zu § 613a BGB = NZA 1995, 222, unter B II der Gründe; Urt. v. 15. 01. 2002, 1 AZR 58/01, BAGE 100, 166 = AP Nr. 1 zu § 2 SozplKonkG, unter I 2 der Gründe; Hohenstatt, WHSS, Rz. E 8; Kreft, FS Wißmann, S. 347, 351; Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rn. 399. 47 Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rn. 391; ders. FS Kraft S. 323, 334. 48 BAG Beschl. v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = AP Nr. 7 zu § 77 BetrVG 1972, unter B III 2 b der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 77 Rn. 174; Gussen, FS Leinemann, S. 207. 49 Kreft, FS Wißmann, S. 347.
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1. Teil: Bestandsaufnahme
jahte dies unter Verweis auf die Lehre von der betrieblichen Identität. Da ein abgespaltener Betriebsteil nach herkömmlichem Verständnis jedoch nicht mit dem Ursprungsbetrieb identisch ist50, wurde diese Entscheidung von einigen Autoren als Beleg für ein neues Verständnis des Bundesarbeitsgerichts vom Begriff der betrieblichen Identität gesehen, und teilweise sogar als Abkehr von der Betriebsidentitätslehre gewertet.51 Dass das Bundesarbeitsgericht mit dieser Entscheidung tatsächlich von der Betriebsidentitätslehre Abschied nehmen wollte, ist zwar zu bezweifeln52 und wird beispielsweise auch von Kreft, der als Mitglied des Ersten Senats an der Entscheidung mitgewirkt hat, bestritten53. Die durch das Bundesarbeitsgericht vorgenommene Erweiterung des Begriffs der betrieblichen Identität als Voraussetzung für den normativen Fortbestand von Betriebsvereinbarungen ist jedoch nicht zu leugnen. Diese Erweiterung scheint nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts indes nicht für die Betriebsidentität als Voraussetzung für den Fortbestand des Betriebsrats zu gelten. Denn das Gericht begründet den normativen Fortbestand der Betriebsvereinbarung nicht allein mit der Wahrung der (weiter als bisher verstandenen) betrieblichen Identität, sondern hebt darüber hinaus hervor, dass der Betriebsrat in dem abgespaltenen Betriebsteil aufgrund eines Übergangsmandats gem. § 21a Abs. 1 BetrVG im Amt bleibe.54 Das Übergangsmandat nach § 21a BetrVG kommt jedoch nur zum Tragen, wenn das Regelmandat des Betriebsrats wegen des Verlusts der betrieblichen Identität endet. Die betriebliche Identität, wie sie als Kontinuitätsmerkmal des Betriebsrats zu verstehen ist, hatte der abgespaltene Betrieb nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts folglich verloren, sonst hätte es des Rückgriffs auf § 21a Abs. 1 BetrVG nicht bedurft. Das zwingt zu dem Schluss, dass das Bundesarbeitsgericht dem für die normative Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen maßgeblichen Begriff der betrieblichen Identität nicht die gleiche Bedeutung zumisst wie dem für den Fortbestand des Betriebsrats maßgeblichen Begriff der betrieblichen Identität. Ob der Begriff der Betriebsidentität zukünftig weiterhin in beiden Fällen einheitlich zu verstehen sein wird, ist vor diesem Hintergrund offen. Es ist durchaus denkbar, dass bei der Bestimmung der betrieblichen Identität als Voraussetzung für den kollektiven Fortbestand von Betriebsvereinbarungen wegen deren Zwitterstellung als vertragliche und nor-
50
Aufsführlich hierzu s. unten 3. Teil. Vgl. Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 769; kritisch auch Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 237, Rieble, NZA 2003 Sonderbeilage zu Heft 16, 62, 70; von einer Fortentwicklung der Betriebsidentität sprechen dagegen: Jacobs, FS Konzen, S. 346, 349 f.; Kreft, FS Wißmann, S. 347, 353; Kreutz, GK-BetrVG, § 50 Rn. 83 „bemerkenswerte Klarstellung zur Identitätslehre“; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 928 f.; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14, 16. 52 So auch Jacobs, FS Konzen, S. 346, 349 f.; Kreutz, GK-BetrVG, § 50 Rn. 83 f. 53 Kreft, FS Wißmann, S. 347, 353. 54 BAG Beschl. v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = AP Nr. 7 zu § 77 BetrVG 1972, unter B III 2 b der Gründe. 51
B. Betriebsidentität als Tatbestandsmerkmal des § 613a BGB
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mative Regelung zugleich möglicherweise andere Wertungsgesichtspunkte zum Tragen kommen als bei der Entscheidung über die Kontinuität des Betriebsrats.
B. Betriebsidentität als Tatbestandsmerkmal des § 613a BGB Eine ebenfalls wichtige Rolle spielt das Kriterium der Betriebsidentität in einem ganz anderen Zusammenhang, nämlich als Tatbestandsmerkmal des § 613a BGB, der die individual- und kollektivrechtlichen Folgen eines rechtsgeschäftlichen Betriebsübergangs regelt. Ein Betriebsübergang nach dieser Vorschrift setzt voraus, dass ein Betrieb unter Wahrung seiner Identität auf einen neuen Inhaber übertragen wird. Auch in diesem Kontext gestaltet sich die Bestimmung der betrieblichen Identität keineswegs einfach.
I. Frühere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Ähnlich wie im Rahmen der Lehre von der Betriebsidentität orientierte sich die herrschende Meinung auch im Betriebsübergangsrecht bei der Bestimmung der Betriebsidentität zunächst an den Merkmalen des Betriebsbegriffs. Dabei legte das Bundesarbeitsgericht der rein nationalen „Urfassung“ des im Jahr 1972 eingeführten § 613a BGB im Ausgangspunkt den auf Jacobi55 zurückgeführten „allgemeinen Betriebsbegriff““ zugrunde, nach dem ein Betrieb diejenige organisatorische Einheit ist, innerhalb derer ein Unternehmer allein oder in Gemeinschaft mit seinen Mitarbeitern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.56 Diesen schränkte es für das Betriebsübergangsrecht jedoch insoweit ein, als die im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer für die Bestimmung der Betriebsidentität ohne Beachtung bleiben sollten. Da der Übergang der mit ihnen bestehenden Arbeitsverhältnisse zur Rechtsfolgenseite des § 613a BGB gehört, konnten die Arbeitnehmer nach damaliger Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nicht gleichzeitig auf Tatbestandsseite berücksichtigt werden (sog. Konfusionsargument).57 Für den insoweit „eingeschränkten Betriebsbegriff“ des § 613a BGB sollte vielmehr nur auf die materiellen und immateriellen Betriebsmittel abzustellen sein.58 Später erblickte das Bundesarbeitsgericht in der Übernahme
55
Vgl. Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, S. 286. Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 46. 57 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 46; vgl. BAG Urt. v. 25. 2. 1981, 5 AZR 991/78, BAGE 35, 104 = AP Nr. 24 zu § 613a BGB, unter 1 der Gründe; Urt. v. 27. 9. 1984, 2 AZR 309/ 83, BAGE 47, 13 = AP Nr. 39 zu § 613a BGB, unter B II 2 b der Gründe. 58 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 46. 56
36
1. Teil: Bestandsaufnahme
von Arbeitnehmern dann immerhin ein Anzeichen für die Wahrung der betrieblichen Identität.59
II. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs Auch nachdem der Vorschrift im Jahr 1977 die Betriebsübergangsrichtlinie 77/ 187/EWG – quasi nachträglich60 – zugrunde gelegt wurde, blieb das Bundesarbeitsgericht zunächst bei der von deutschen Begrifflichkeiten geprägten Rechtsprechung. Letztlich musste es sich aber dem Grundsatz der europarechtskonformen Auslegung beugen und sich bei der Anwendung des § 613a BGB an der diesem nunmehr zugrunde liegenden Richtlinie und deren Auslegung durch den hierfür zuständigen Europäischen Gerichtshof orientieren. Dieser betonte aufgrund teleologischer Betrachtung schon frühzeitig das Merkmal der wirtschaftlichen Einheit und maß dem Betriebsbegriffs i.S.d. Art. 1 Abs. 1 RL 77/178/EWG damit eine von der deutschen Rechtspraxis deutlich abweichende Bedeutung bei61: Von Anfang an sah der Europäische Gerichtshof den Übergang einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit als entscheidend für den Übergang eines Betriebs im Sinne der Richtlinie an.62 An dieser Rechtsprechung hält er bis heute fest.63 Anders als die überkommene deutsche Rechtsprechungspraxis trennt der Europäische Gerichtshof bei der Prüfung eines Betriebsübergangs nicht zwischen den Tatbestandsmerkmalen der „wirtschaftlichen Einheit“ und deren „Übergang“. Vielmehr prüft er den „Übergang einer ihre Identität wahrenden wirtschaftlichen Einheit“ anhand einer Gesamtbetrachtung, deren Basis eine Sieben-Punkte-Prüfung bildet. Von Bedeutung sind danach namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung
59 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 46; vgl. BAG Urt. v. 22. 5. 1997, 8 AZR 101/96, BAGE 86, 20 = AP Nr. 154 zu § 613a BGB m. Anm. Franzen, unter B II 2 c bb der Gründe; Urt. v. 9. 2. 1999, 2 AZR 781/93, BAGE 75, 367 = AP Nr. 104 zu § 613a BGB, unter III 1 b der Gründe. 60 Vgl. H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 17. 61 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 46; vgl. EuGH Urt. v. 18. 3. 1986, 24/85 – Spijkers – Slg. 1986, 1124, unter Rz. 11 f.; Urt. v. 25. 7. 1991, C-362/89 – dÌUrso – Slg. I/4139 = AP Nr. 1 zu EWG-Richtlinie Nr. 77/187, unter Rz. 9. 62 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 46; vgl. EuGH Urt. v. 18. 3. 1986, 24/85 – Spijkers – Slg. 1986, 1124, unter Rz. 11 f.; Urt. v. 19. 5. 1992, C-29/91 – Redmond Stichting – Slg. I/3212 = NZA 1994, 207, unter Rz. 23. 63 Vgl. EuGH Urt. v. 12. 2. 2009, C-466/07 – Klarenberg/Ferrotron – NZA 2009, 251 = NJW 2009, 2029, unter Rz. 45.
B. Betriebsidentität als Tatbestandsmerkmal des § 613a BGB
37
dieser Tätigkeiten.64 Auf Grundlage dieser Teilaspekte ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs eine umfassende Gesamtbewertung vorzunehmen, bei der „sämtliche für den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen“ berücksichtigt werden müssen. Ähnlich wie im Rahmen der Lehre von der Betriebsidentität kann den verschiedenen Kriterien bei dieser Gesamtbewertung „je nach der ausgeübten Tätigkeit und auch nach den Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil angewendet werden, unterschiedliches Gewicht“ zukommen.65
III. Neuere Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Das Bundesarbeitsgericht hat seine Rechtsprechung in der Folge des Ayse-SüzenUrteils aus dem Jahr 1997 an die Terminologie des Europäischen Gerichtshofs angepasst und den Begriff des Betriebs i.S.d. § 613a BGB wie dieser als wirtschaftliche Einheit definiert.66 Als Betrieb i.S.d. § 613a BGB definiert das Bundesarbeitsgericht seitdem jede organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung.67 Deren Identität wird nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts durch jene Betriebsmittel bestimmt, die bei wertender Betrachtung eine im Wesentlichen unveränderte Fortführung des bisherigen Betriebs tatsächlich ermöglichen. Dabei geht auch das Bundesarbeitsgericht davon aus, dass es sich nicht für alle Fälle einheitlich beantworten lasse, welche betrieblichen Merkmale in diesem Sinne identitätsbildend seien.68 Die herrschende Meinung in der Literatur stimmt mit dieser Rechtsprechung überein.69 Erforderlich ist damit 64
Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 48; vgl. EuGH Urt. v. 18. 3. 1986, 24/85 – Spijkers – Slg. 1986, 1124, unter Rz. 11 f.; Urt. v. 19. 5. 1992, C-29/91 – Redmond Stichting – Slg. I/3212, unter Rz. 23; Urt. v. 11. 3. 1997, C-13/95 – Süzen – Slg. I/1268 = AP Nr. 14 zu EWG-RL Nr. 77/187, unter Rz. 14; vgl. auch Hattesen, Kasseler Handbuch, Bd. 2, 6.7 Rn. 39; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 10; ders., Individualarbeitsrecht, S. 887 f.; Sieg/Maschmann, Unternehmensumstrukturierung, S. 16; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 94; ders., FS Richardi, S. 475. 65 EuGH Urt. v. 11. 3. 1997, C-13/95 – Süzen – Slg. I/1268 = AP Nr. 14 zu EWG-RL Nr. 77/ 187, unter Rz. 14, 18; Urt. v. 20. 11. 2003, C-340/01 – Abler – Slg. I/14046 = AP Nr. 34 zu EWG-RL Nr. 77/187, unter Rz. 33, 35; vgl. auch Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 48. 66 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 50; vgl. erstmals unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EuGH: BAG Urt. v. 22. 5. 1997, 8 AZR 101/96, BAGE 86, 20 = AP Nr. 154 zu § 613a BGB, unter B II 2 a der Gründe; vgl. hierzu auch Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 12. 67 Vgl. BAG Urt. v. 26. 6. 1997, 8 AZR 426/95, BAGE 86, 148 = AP Nr. 165 zu § 613a BGB, unter I 3 a der Gründe; Urt. v. 22. 7. 2004, 8 AZR 350/03, BAGE 111, 283 = AP Nr. 274 zu § 613a BGB, unter B II 1 der Gründe; vgl. hierzu auch Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 50; Willemsen, FS Richardi, S. 475, 476. 68 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 51 f. 69 Vgl. Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 49; Bachner, Kittner/Zwanziger, § 95 Rn. 9; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 6, 11; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 12.
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1. Teil: Bestandsaufnahme
auch im Rahmen des § 613a BGB eine auf den jeweiligen Einzelfall bezogene umfassende Gesamtbetrachtung, welche die Eigenheiten des konkreten Sachverhalts zu berücksichtigen hat.70
C. Zusammenfassung Ausgangspunkt der Lehre von der Betriebsidentität, die im Rahmen dieser Arbeit überprüft werden soll, ist die zutreffende Erkenntnis, dass der Betriebsrat in seinem Bestand an den Betrieb gebunden ist, für den er gebildet wurde. Sein Mandat soll daher enden, wenn der Betrieb seine Identität verliert. Wann das der Fall ist, ist nach herrschender Meinung im Wege einer Gesamtbetrachtung anhand der Merkmale des Betriebsbegriffs zu ermitteln. Der Kreis der in die Gesamtbetrachtung einzubeziehenden Kriterien ist dabei allerdings nicht abschließend bestimmt. Auch können die einzelnen Merkmale im Rahmen der Gesamtbetrachtung je nach den Besonderheiten des Einzelfalls unterschiedlich gewichtet werden, da abstrakte Vorgaben hinsichtlich der Gewichtung der einzelnen Merkmale fehlen. Ein Betriebsübergang nach § 613a BGB setzt ebenfalls voraus, dass die Betriebsidentität gewahrt wird. Wie im Rahmen der Betriebsidentitätslehre ist die betriebliche Identität i.S.d. § 613a BGB im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung zu bestimmen. Teilweise wird davon ausgegangen, der Begriff der Betriebsidentität habe in beiden Zusammenhängen die gleiche Bedeutung.71
70 BAG Urt. v. 26. 6. 1997, 8 AZR 426/95, BAGE 86, 148 = AP Nr. 165 zu § 613a BGB, unter I 3 a der Gründe; Urt. v. 11. 9. 1997, 8 AZR 555/95, BAGE 86, 271 = AP Nr. 16 zu EWGRL Nr. 77/187, unter B 1 der Gründe. 71 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a Rn. 7; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 17; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 15; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 70; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5; ders., DB 2002, 738, 739; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 21a Rn. 13.
2. Teil
Bestimmung der betrieblichen Identität Nachdem der Hauptkritikpunkt an der Lehre von der Betriebsidentität die Unschärfe ihres Abgrenzungsmerkmals ist, setzt die Anerkennung ihrer Geltungsberechtigung zunächst die Konkretisierung des Begriffs der betrieblichen Identität voraus. Die Herangehensweise der herrschenden Meinung ist dabei jedenfalls im Grundsatz überzeugend. Die Anknüpfung an die Begriffsmerkmale eines Objekts zur Bestimmung seiner Identität ist nicht nur plausibel, sondern logisch geradezu zwingend. Auch eine Gesamtbewertung der Einzelmerkmale ist bei einem Begriff, der in der Lebenswirklichkeit derartig unterschiedliche Ausformungen erfahren hat wie der Betriebsbegriff, angebrachter als eine Anknüpfung an fest umrissene Tatbestandsmerkmale mit strengem Rangverhältnis. In der Unternehmenswirklichkeit finden sich sehr unterschiedliche – vornehmlich an betriebswirtschaftlichen Erkenntnissen ausgerichtete – Organisationskonzepte, die funktional, produktorientiert oder marktorientiert sein können und sich nicht ohne weiteres in eine starre Begriffsdefinition zwängen lassen.1 Durch eine variable Bewertung der Einzelmerkmale im Rahmen einer Gesamtbetrachtung wird eine fallorientierte und flexible Konkretisierung der Betriebsidentität und damit letztlich eine gerechte Problemlösung ermöglicht2, da die Frage, ob „derselbe“ Betrieb fortbesteht, gerade an die Merkmale anknüpft, durch die sich der fragliche Betrieb von anderen Betrieben unterscheidet3. Dennoch ist es ebendiese Herangehensweise, mit der die herrschende Meinung der Rechtsunsicherheit Vorschub leistet und sich der eingangs beschriebenen Kritik aussetzt.4 Die Ungewissheit darüber, welche der Merkmale eines Betriebs überhaupt in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind, sowie das Fehlen klarer Vorgaben bezüglich ihrer Gewichtung führen dazu, dass die Betriebsidentität kein subsumtionsfähi1
Vgl. Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 48 ff. Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 42; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 72; Fischer, RdA 2005, 39, 42. 3 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 108. 4 Vgl. LAG Köln Beschl. v. 23. 1. 2004, 12 TaBV 64/03 (juris), unter II 2 a der Gründe; Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 110; Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, 833 ff.; ders., GK-BetrVG, § 21a Rn. 25, 62; Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 88, Fn. 182; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 12; T. Müller, RdA 1996, 287, 289; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 927; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100; Schwanda, Betriebsübergang, S. 20; Thüsing, DB 2004, 2474; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 167; Vogelsang, DB 1990, 1329, 1332. 2
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
ger Begriff ist, dessen Anwendung zu vorhersehbaren Ergebnissen führt. Indem man bald dieses und bald jenes Kriterium in den Vordergrund rückt, ist es möglich, je nach gewünschtem Ergebnis die Wahrung oder den Fortfall der Betriebsidentität zu begründen. Da die Lehre von der Betriebsidentität keine Vorgabe hinsichtlich der bei der Gesamtbetrachtung zu beachtenden Wertungskriterien bereithält, kann jeder Richter, der mit der Bestimmung der Betriebsidentität befasst wird, die unterschiedlichen Kriterien nach seinen eigenen Wertungen gewichten. Eine belastbare Indizwirkung kann dem Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Merkmals damit nicht mehr beigemessen werden. Fast zwingende Folge dieser Ausgangslage ist es, dass im Zusammenhang mit der Betriebsidentität ganz unbefangen an völlig verschiedene Dinge gedacht, und der Begriff der Betriebsidentität auf diese Weise bis zur Unkenntlichkeit verzerrt wird. Diese definitorische Unsicherheit wird auch nicht – wie Haag annimmt – dadurch beseitigt, dass den beteiligten Parteien die Möglichkeit des § 18 Abs. 2 BetrVG offen steht.5 Zwar ermöglicht es diese Vorschrift, auch außerhalb einer Betriebsratswahl eine gerichtliche Entscheidung über die betriebsverfassungsrechtliche Selbstständigkeit von betrieblichen Organisationseinheiten einzuholen.6 Die Feststellung über die Betriebsratsfähigkeit einer Organisationseinheit enthält jedoch keine Aussage darüber, ob sich die betriebsverfassungsrechtliche Identität der fraglichen Einheit verändert hat. Zudem folgt aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut der Vorschrift („vorliegt“), dass sich der Antrag nach § 18 Abs. 2 BetrVG nur auf bestehende Strukturen beziehen kann. Einem Unternehmer, der eine Umstrukturierung seines Betriebs ins Auge fasst und sich während der Planungsphase über die betriebsverfassungsrechtlichen Folgen möglicher Veränderungen informieren will, ist damit nicht geholfen. Die Anwendbarkeit der Lehre von der betrieblichen Identität erfordert folglich sowohl die abschließende Benennung der im Rahmen der Gesamtbetrachtung maßgeblichen Kriterien als auch die Bestimmung der abstrakten Rangfolge dieser Kriterien. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob die Vielgestaltigkeit der betrieblichen Erscheinungsformen der Bestimmung der betrieblichen Identität tatsächlich entgegen steht oder ob sich dem Betriebsverfassungsrecht nicht vielmehr allgemeingültige Aussagen über Kreis und Rangfolge ihrer Merkmale entnehmen lassen, die unabhängig von der jeweiligen Erscheinungsform der betrieblichen Einheit Beachtung verlangen.
A. Historischer Ursprung Die Bestimmung der Einzelmerkmale der betrieblichen Identität kann nur auf der Basis einer Untersuchung der dogmatischen Grundlagen der Lehre von der Betriebsidentität erfolgen. An deren Anfang steht die Frage nach ihrem historischen Ur5 Vgl. Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 38 f., leider ohne nähere Begründung. 6 Kreutz, GK-BetrVG, § 18 Rn. 55; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 18 Rn. 22.
A. Historischer Ursprung
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sprung. Da sich „für Theorie und Praxis […] Klarheit nur mit Hilfe der geschichtlichen Methode gewinnen [lässt], indem wir das Rechtsinstitut in seinem Entstehen und in allen Phasen seiner Entwicklung zu erfassen suchen“7, sind die gesetzlichen Grundlagen, vor allem aber Literatur und Rechtsprechung entlang der Entwicklung der Betriebsvertretungen in Deutschland, auf Hinweise zur Herkunft des Begriffs der betrieblichen Identität zu untersuchen. Möglicherweise gibt die Erkenntnis wann, von wem und vor allem mit welcher Begründung das Merkmal der Betriebsidentität entwickelt wurde, Aufschluss darüber, auf welche Kriterien es zu seiner Bestimmung ankommt. Gegebenenfalls lässt sich den Gründen, die einmal zur Einführung der Lehre von der Betriebsidentität geführt haben, auch entnehmen, in welchem Verhältnis die einzelnen Begriffsmerkmale zueinander stehen und ob unter ihnen eine abstrakte Rangfolge auszumachen ist.
I. Keine Abhängigkeit der Betriebsvertretung von der betrieblichen Identität vor Einführung des Betriebsrätegesetzes von 1920 Frühe Formen der Arbeitnehmervertretung gab es in Deutschland schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der wohl erste Arbeiterausschuss, dessen Errichtung dokumentiert ist, wurde im Jahr 1850 durch den sächsischen Kattundruckereibesitzer Carl Degenkolb errichtet.8 Die verfassungsgebende Reichsversammlung in der Paulskirche zu Frankfurt am Main gestaltete 1848/1849 in ihrem volkswirtschaftlichen Ausschuss den Entwurf einer Gewerbeordnung9, der unter anderem die obligatorische Wahl eines Fabrikausschusses in jeder Fabrik vorsah10. Regelungen über die Amtsdauer des Fabrikausschusses und seiner Mitglieder oder das Schicksal des Fabrikausschusses im Falle eines Inhaberwechsels enthielt der Entwurf dagegen nicht.11 In den folgenden Jahren wurde eine Reihe von Gesetzen erlassen, welche die Errichtung von Betriebsvertretungen regelten und ihre Befugnisse absteckten: Durch das so genannte Arbeiterschutzgesetz von 189112 wurde die Gewerbeordnung neu gefasst13. Ihm folgten die Preußischen Berggesetze von 190514 und 190915, das Hilfs7
Koehne, Arbeitsordnungen, S. 2. Teuteberg, Geschichte der Mitbestimmung, S. 212 ff.; Wiese, GK-BetrVG, Einleitung Rn. 5; anders dagegen Kaskel/Dersch, Arbeitsrecht, S. 312 Fn. 6, die meinen, der erste Arbeiterausschuss in Deutschland sei 1861 gebildet worden; so auch Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 1, S. 12 f. („Arbeiterausschüsse seit den sechziger Jahren“). 9 Entwurf einer Gewerbeordnung für das deutsche Reich, abgedruckt in: Hassler, Verhandlungen der verfassungsgebenden Reichsversammlung, Bd. 2, S. 921 – 927. 10 Vgl. § 42 des Entwurfs. 11 Vgl. §§ 42, 43 des Entwurfs. 12 RGBl. 1891, S. 261. 13 Vgl. Art. 3 Arbeiterschutzgesetz; Stier-Somlo, BRG, S. XII. 14 Gesetzsammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1905, S. 307. 8
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
dienstgesetz von 191616 und schließlich die Verordnung über Arbeiter- und Angestelltenausschüsse von 191817. Mit Ausnahme des Preußischen Berggesetzes von 1905 enthielt indes keines dieser Gesetze eine Regelung über die Amtsdauer der Arbeitnehmervertretungen und ihrer Mitglieder, ganz zu schweigen von einer Vorschrift über das Schicksal bestehender Arbeiterausschüsse bei einem Wechsel des Betriebsinhabers.18 Die Regelung von Amtsdauer und Beendigungsgründen der Arbeiterausschüsse sollte den Arbeitgebern vorbehalten bleiben.19 Nicht nur der Gesetzgeber hielt sich bei der Regelung dieser Fragen zurück. Auch Literatur und Rechtsprechung darüber, wie die damalige Praxis mit Betriebsvertretungen im Fall eines Inhaberwechsels umging, fehlt. In den amtlichen Entscheidungssammlungen aus dieser Zeit ist kein Fall der Übertragung eines Betriebs dokumentiert, in dem eine betriebliche Vertretung der Arbeitnehmer bestand. Die Frage, wie in solchen Fällen mit bestehenden Arbeiterausschüssen verfahren und von welchen Voraussetzungen ihr Fortbestand abhängig gemacht wurde, lässt sich daher nicht klären. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die Lehre von der Betriebsidentität noch nicht existierte.
II. Selbstständigkeit des Betriebs als Voraussetzung für den Fortbestand des Betriebsrats unter der Geltung des Betriebsrätegesetzes von 1920 Das Betriebsrätegesetz von 192020 (BRG) war das erste Gesetz, das die Amtsdauer der Betriebsräte und ihrer Mitglieder ausführlich regelte. § 18 BRG beschränkte die Amtsdauer des Betriebsrats auf ein Jahr. Vor Ablauf des Wahljahres endete das Amt der Betriebsvertretung nur in besonderen, gesetzlich ausdrücklich geregelten Ausnahmefällen. War eine Neuwahl des gesamten Betriebsrats notwendig, blieben nach der Übergangsregelung des § 43 BRG die Mitglieder des alten Betriebsrats so lange im Amt, bis der neue gebildet war. 1. Herrschende Literatur Wenn auch die Regelungen über die Amtsdauer des Betriebsrats und seiner Mitglieder im Betriebsrätegesetz detaillierter waren als jemals zuvor, war die Frage, wovon Wegfall oder Fortbestand der Betriebsvertretung im Falle eines Betriebsübergangs oder unternehmensinterner Umstrukturierungen abhängen sollte, auch im Be15
Gesetzsammlung für die Königlich Preußischen Staaten 1909, S. 675. RGBl. 1916, S. 1333. 17 RGBl. 1918, S. 1456. 18 Nach § 80 Abs. 4 Preußisches Berggesetz 1905 hatten die Arbeiterausschüsse eine Amtsdauer von fünf Jahren. 19 Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 8. 20 RGBl. 1920, S. 147. 16
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triebsrätegesetz nicht geregelt. Dennoch waren es die zum Betriebsrätegesetz verfassten Kommentare, die sich erstmals mit dieser Frage auseinander setzten. Zwar ließen einzelne Kommentare weiterhin Hinweise auf den Umgang mit Betriebsräten nach einem Betriebsübergang vermissen.21 In den meisten Kommentaren wurde nun aber erstmals der Fortbestand des Betriebsrats angesprochen, wenn er auch allgemein als nicht problematisch angesehen wurde. Feig/Sitzler waren 1921 soweit ersichtlich die ersten, die den Bestand der Betriebsvertretungen nach einem Arbeitgeberwechsel in ihrem Kommentar thematisierten. Ihre Kommentierung zu § 9 BRG, der den Betriebsbegriff definierte, enthält folgenden Hinweis: „Der Betrieb ist unabhängig von der Person des Arbeitgebers. Besitzwechsel ist daher ohne Einfluss auf Bestehen und Tätigkeit der Betriebsvertretung“.22 Im Falle einer Verschmelzung sollte es dagegen darauf ankommen, ob der Betrieb „auch künftig selbstständig bleibt oder nicht mehr als besonderer Betrieb zu gelten hatte“23, denn nach ihrer Ansicht bildete „jeder selbstständige Teil des Unternehmens ein[en] Betrieb“24. Ihnen folgend machte auch Flatow den Bestand der Betriebsvertretung von dem selbstständigen Bestand des Betriebs abhängig. Auch er wies in seinem Kommentar zum Betriebsrätegesetz darauf hin, dass der Wechsel des Arbeitgebers für den Bestand der Betriebsvertretung unerheblich sei.25 Der Betrieb beginne mit der Aufnahme des technischen Zwecks, der sein Merkmal bilde, also mit seiner „Errichtung“, und ende mit der dauernden Einstellung jenes Zwecks, ohne dass eine kurze Unterbrechung z. B. durch eine vorübergehende Stilllegung aus wirtschaftlichen Gründen oder infolge technischer Störungen oder von Naturereignissen ein Betriebsende bedeute. Zwischenzeitliche Änderungen in der Zusammensetzung der Belegschaft hätten auf seinen Bestand ebenso wenig Einfluss wie ein Wechsel in der Person des Arbeitgebers. Da die Betriebsvertretungen an den Betrieb geknüpft seien, überdauerten auch sie vorübergehende Stilllegungen und personelle Änderungen.26 Daher seien die „heute häufigen Fusionierungs-, Verschmelzungs- und Vertrustungsvorgänge auf den Bestand der einzelnen Betriebe, ihrer Betriebsvertretungen und Betriebsvereinbarungen grundsätzlich ohne Einfluss, solange sie nicht zur dauernden Einstellung der Einzelbetriebe führen oder ihnen ihre Selbstständigkeit nehmen“.27
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Vgl. etwa Kleeis, Der Betriebsrat, Sambale, BRG, Stier-Somlo, BRG, Warneyer, BRG, Warnke, Das Betriebsrätegesetz, von denen keiner den Fortbestand des Betriebsrats nach dem Übergang des Betriebs problematisiert. 22 Feig/Sitzler, BRG, § 9 Anm. 1. 23 Feig/Sitzler, BRG, § 9Anm. 1. 24 Feig/Sitzler, BRG, § 9 Anm. 6. 25 Flatow, BRG, § 9 Rn. 8. 26 Vgl. auch Flatow, Betriebsvereinbarung, S. 53, wo auf diese Weise auch der Fortbestand von Betriebsvereinbarungen nach einem Arbeitgeberwechsel begründet wird. 27 Flatow, BRG, § 9 Rn. 8.
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Ebenso erachtete Mansfeld die Frage nach dem Schicksal des Betriebsrats nach einem Betriebsübergang als unproblematisch. Rechtliche Zweifel, so schrieb er in seinem Kommentar zum Betriebsrätegesetz, könnten nur bei der Verschmelzung zweier bisher selbstständiger Betriebe entstehen, während der Wechsel in der Person des Arbeitgebers für den Bestand des Betriebes und damit für das Schicksal der Betriebsvertretung bedeutungslos sei.28 Auch Hueck/Nipperdey vertraten in ihrem Lehrbuch des Arbeitsrechts die Ansicht, für den Fortbestand des Betriebsrats komme es auf den Bestand des Betriebs an, der wiederum im Falle von Veränderungen der Betriebsstrukturen von der Wahrung seiner Selbstständigkeit abhängen sollte.29 2. Reichsarbeitsminister Nicht nur in der Literatur war man sich diesbezüglich einig. Der Reichsarbeitsminister teilte „die (…) Auffassung, dass ein Besitzwechsel ohne jeden Einfluss auf das Bestehen und die Tätigkeit der Betriebsvertretung ist, da der Betrieb als solcher fortbesteht und nur der Arbeitgeber wechselt, während es im Falle einer Verschmelzung darauf ankommt, ob der Betrieb auch künftig ein selbstständiger Betrieb bleibt oder nach § 9 des Betriebsrätegesetzes nicht mehr als besonderer Betrieb zu gelten hat. Weder der Besitzwechsel noch die Verschmelzung kann als Betriebsstilllegung angesehen werden.“30 3. Rechtsprechung Der gleichen Meinung war schließlich auch die Rechtsprechung. So machte das Reichsarbeitsgericht in seinem Urteil vom 15. 2. 1928, in dem es darüber zu entscheiden hatte, welchen Einfluss der Zusammenschluss zweier Betriebe auf den Bestand ihrer Betriebsvertretungen habe, im Gleichklang mit der Literatur den Fortbestand der Betriebsvertretung von dem selbstständigen Bestand des Betriebs abhängig.31 Ein Betrieb i.S.d. § 9 BRG, urteilte das Reichsarbeitsgericht, stelle eine Einheit dar, die sich aus gewissen Einrichtungen zusammensetze. Solange diese Einrichtungen nicht vollständig aufgelöst seien, könne man immer noch von einem – allerdings nur bis zu dieser Auflösung möglichen und daher zeitlich beschränkten – Fortbestehen des Betriebs sprechen. Wenn aber der Betrieb noch nicht ganz untergegangen sei, könne seine bloße Umwandlung in einen der Betriebe oder in einen Nebenbetrieb (Abteilung) eines neuen Unternehmens sich nicht dahin auswirken, dass das Amt des bisherigen Betriebsrats erlösche und an seine Stelle der Betriebsrat des neuen Unternehmens trete.32 28 29 30 31 32
Mansfeld, BRG, vor § 39 unter lit. c, § 39 unter 2 lit. c. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Bd. 2, S. 516. Bescheid des Reichsarbeitsministers vom 6. 10. 1920, Az. I A 3427, RABl. I S. 330. RAG Beschl. v. 15. 2. 1928, RB 13/27, Bensh.Slg. Bd. 2, Abt. 1, S. 76, 77 f. RAG Beschl. v. 15. 2. 1928, RB 13/27, Bensh.Slg. Bd. 2, Abt. 1, S. 76, 78.
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Soweit diese Entscheidung in der Literatur kritisiert wurde galt die Kritik nicht der – auch vom Reichsarbeitsgericht befürworteten – Verknüpfung des Betriebsrats mit der Selbstständigkeit des Betriebs. Beanstandet wurde vielmehr, dass das Reichsarbeitsgericht den Fortbestand des Betriebsrats zusätzlich auf das Übergangsmandat nach § 43 BRG stützte. Da das Betriebsrätegesetz die Fusion zweier Betriebe, in denen Betriebsräte bestehen, nicht ausdrücklich regelte, so das Reichsarbeitsgericht, sei § 43 BRG analog anzuwenden. Die Mitglieder des bisherigen Betriebsrats des zusammengeschlossenen Einzelbetriebs seien daher so lange im Amt zu belassen, bis die durch den Zusammenschluss der beiden Betriebe notwendige Neuwahl des gesamten Betriebsrats durchgeführt sei.33 Gegen diese Argumentation wandte sich Flatow mit dem Hinweis, dass für das Übergangsmandat kein Raum sei, nachdem das Gericht – im Einklang mit der herrschenden Meinung – festgestellt hatte, dass der Betrieb trotz der Durchmischung der Belegschaften seine Selbstständigkeit gewahrt hatte und der Betriebsrat sein Regelmandat behielt. Die Kritik, die an diesem Urteil geübt wurde, richtete sich somit allein gegen den Rückgriff auf das Übergangsmandat, wohingegen die Feststellung, dass der Betriebsrat im Amt bleibe, wenn der Betrieb seine Selbstständigkeit bewahre, der herrschenden Meinung entsprach und begrüßt wurde.34 4. Zwischenergebnis: Keine inhaltliche Übereinstimmung zwischen der „Selbstständigkeit“ eines Betriebs und der „betrieblichen Identität“ Die ganz herrschende Meinung zum Betriebsrätegesetz knüpfte den Fortbestand des Betriebsrats an den Fortbestand des Betriebs, der wiederum von der Wahrung seiner Selbstständigkeit abhängen sollte. Das Kriterium der „betrieblichen Identität“ wurde dagegen auch unter Geltung des Betriebsrätegesetzes von 1920 zunächst noch nicht als Voraussetzung für den Fortbestand der Arbeitnehmervertretung nach einem Wechsel des Betriebsinhabers verwendet. Auch inhaltlich wurde dem Begriff der Selbstständigkeit nicht die gleiche Bedeutung beigemessen wie dem später entwickelten Begriff der betrieblichen Identität. Zweifelhaft war der Fortbestand eines Betriebs nach damaliger Auffassung nämlich nur bei der Fusion zweier Betriebe. Innerbetriebliche Veränderungen konnten den Fortbestand des Betriebsrats dagegen nach damaliger Ansicht nicht in Zweifel ziehen. Zum Tragen kam das Kriterium der Selbstständigkeit folglich nur, wenn ein Betrieb, in dem ein Betriebsrat bestand, mit einem anderen Betrieb zusammengeschlossen wurde.35 Für die Fälle bloßer Betriebsinhaberwechsel oder innerbetrieblicher Veränderungen musste das Merkmal der Selbstständigkeit dagegen keine Handhabe bieten. Gegenüber der Betriebsidentität war die Wahrung der Selbstständigkeit somit das engere Kriterium. 33
RAG Beschl. v. 15. 2. 1928, RB 13/27, Bensh.Slg. Bd. 2, Abt. 1, S. 76, 78. Vgl. Flatow, Anm. zu RAG Beschl. v. 15. 2. 1928, RB 13/27, Bensh.Slg. Bd. 2, Abt. 1, S. 78 f. 35 Flatow/Kahn-Freund, BRG, § 9 unter I. 34
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III. Betriebsidentität als Voraussetzung für individualrechtlichen Kündigungsschutz unter der Geltung des Gesetzes über die Fristen für die Kündigung von Angestellten von 1926 Es war vielmehr ein Gesetz, das mit der Betriebsverfassung im Allgemeinen oder den Arbeitnehmervertretungen im Besonderen überhaupt nichts zu tun hatte, dessen Anwendung schließlich das Kriterium der „betrieblichen Identität“ hervorbrachte. Am 9. 7. 1926 wurde das Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten36 (KSchG 1926) erlassen, das für die Kündigung von Angestellten erstmals die Einhaltung von Kündigungsfristen vorschrieb. Die Länge der einzuhaltenden Kündigungsfrist richtete sich gem. § 2 KSchG 1926 nach der Dauer der Beschäftigung, wobei „im Falle einer Rechtsnachfolge“ auch die Beschäftigungsdauer beim „Rechtsvorgänger“ des Arbeitgebers für die Berechnung der Kündigungsfrist zu berücksichtigen war. 1. Begriff der Rechtsnachfolge i.S.d. § 2 KSchG 1926 Diesen Begriff der Rechtsnachfolge galt es einzuordnen. Grundsätzlich fasste man unter den Begriff der Rechtsnachfolge den abgeleiteten Erwerb von Rechten im Wege der Einzel-, Gesamt- oder Sonderrechtsnachfolge.37 Dabei führte damals wie heute die Einzelrechtsnachfolge zur Übertragung eines einzelnen Rechtes oder einer einzelnen Rechtsstellung38, während die Gesamtrechtsnachfolge kraft Gesetzes – etwa durch Erbfolge (§ 1922 BGB) – die Übertragung der gesamten Rechtsstellung des Vorgängers zur Folge hatte39. Eine Sonderrechtsnachfolge lag beispielsweise auch 1926 schon bei der Übernahme eines Handelsgeschäftes mit Firma (§ 25 HGB40) vor. So verstanden hätte die Erweiterung des § 2 KSchG 1926 auf Fälle der Rechtsnachfolge jedoch nicht viel bewirkt: Der Schutz des neuen Gesetzes wäre all jenen Angestellten versagt geblieben, die zwar längere Zeit in einem Betrieb beschäftigt waren und mit dem Betrieb von einem neuen Unternehmer übernommen wurden, je-
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RGBl. 1926, I-399. Vgl. Felling, Kündigungsschutzgesetz, S. 36; I. Fischer, Judikatur zum Kündigungsschutzgesetz, S. 28. 38 Beispielsweise durch eine Novation, eine befreiende Schuldübernahme nach § 414 BGB oder eine Forderungsübertragung bzw. die Übertragung eines sonstigen Rechts (§§ 398, 413 BGB); vgl. Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 6. 39 Beispielsweise gem. § 1922 BGB im Erbfall oder gem. §§ 738 Abs. 1 S. 1 BGB, 142 HGB im Falle der Anwachsung bei einer Personengesellschaft; vgl. Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 6. 40 Das Handelsgesetzbuch ist am 10. 5. 1897 in Kraft getreten, RGBl. 1897, S. 219; § 25 HGB ist seither unverändert geblieben. 37
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doch nicht im Wege der Rechtsnachfolge.41 Nach dem Gesetzeszweck bestand daher die Notwendigkeit, all diejenigen als „Rechtsvorgänger“ anzusehen, in deren Rechte und Pflichten aus einem Arbeitsverhältnis der neue Arbeitgeber ausdrücklich oder stillschweigend „eingetreten“ war, um so auch diejenigen Angestellten in den Genuss des Kündigungsschutzes kommen zu lassen, deren Arbeitsverhältnis nicht im Wege einer Rechtsnachfolge im eigentlichen Sinne übergegangen war.42 Das galt insbesondere für die häufigen Fälle einer vertraglichen Betriebsübernahme außerhalb der § 419 BGB a.F. (Vermögensübernahme durch Vertrag) und § 25 HGB (Weiterführen der Firma), wie zum Beispiel dem Verkauf oder der Verpachtung eines Betriebs.43 Das Bedürfnis, den Begriff der Rechtsnachfolge erweiternd auszulegen, bestand zudem in den Fällen, in denen ein Rechtsverhältnis zwischen dem Betriebsnachfolger und seinem Vorgänger überhaupt nicht vorhanden war, etwa bei der Fortführung des Betriebs durch Konkurs-, Zwangs-, oder Nachlassverwalter, ferner bei Testamentsvollstreckern und gesetzlichen Treuhänderschaften.44 2. Kriterium der Betriebsnachfolge Über die Notwendigkeit einer erweiterten Auslegung des Begriffs der Rechtsnachfolge war man sich daher schnell einig.45 Um den zu engen Anwendungsbereich des § 2 KSchG 1926 auszudehnen, wurde in Erweiterung des Begriffs der Rechtsnachfolge der Begriff der Betriebsnachfolge geprägt.46 Allein ausschlaggebend für die Bejahung einer Betriebsnachfolge sollte sein, dass der Nachfolger das Geschäft faktisch fortführte.47 Eine Rechtsnachfolge i.S.d. § 2 KSchG 1926 sollte daher auch bei der Verschmelzung zweier Geschäfte durch Fusion oder in anderer Form, bei der zwei 41 Bobrowski/Gaul, Arbeitsrecht im Betrieb, K I 2; Denecke, BB 1950, 679; F. Goldschmit, KSchG 1926, Anm. 12. 42 OLG Braunschweig Beschl. v. 21. 12. 1926, 1 W 202/26 15, JW 1927, S. 279 f.; LAG Hamburg, Urt. v. 9. 8. 1927, Bensh.Slg. Bd. 1, Abt. 2, S. 16, 18; Anthes, KSchG 1926 in der Rechtsprechung, S. 12; Felling, Kündigungsschutzgesetz, S. 36; I. Fischer, Judikatur zum Kündigungsschutzgesetz, S. 28; Galperin, DB 1962, 1078, 1079; Oßwald, KSchG 1926, § 2 Anm. III 2 a; Schneider/Stehr, KSchG 1926, § 2 Anm. H. 43 Bobrowski/Gaul, Arbeitsrecht im Betrieb, K I 2; Felling, Kündigungsschutzgesetz, S. 36; Oßwald, KSchG 1926, § 2 Anm. III 2 a. 44 Anthes, KSchG 1926 in der Rechtsprechung, S. 12; Bobrowski/Gaul, Arbeitsrecht im Betrieb, K I 2; F. Goldschmit, KSchG 1926, Anm. 12. 45 Vgl. Felling, Kündigungsschutzgesetz, S. 36 f.; I. Fischer, Judikatur zum Kündigungsschutzgesetz, S. 28. 46 Galperin, DB 1962, 1078, 1079; vgl. auch Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 16 f.; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, A I 2. 47 Vgl. RAG Urt. v. 26. 10. 1927, Bensh.Slg. Bd. 1, Abt. 1, S. 14, 17, mit zust. Anm. Hueck; LAG Hamburg, Urt. v. 9. 8. 1927, Bensh.Slg. Bd. 1, Abt. 2, S. 16, 18, mit zust. Anm. Hueck; Baum, KSchG 1926, § 2 Abs. 1 Anm. 3; Felling, Kündigungsschutzgesetz, S. 36; F. Goldschmit, KSchG 1926, Anm. 12; Oßwald, KSchG 1926, § 2 Anm. III 2 a; Schneider/Stehr, KSchG 1926, § 2 Anm. H; Sitzler/H. Goldschmit, Der Kündigungsschutz für Angestellte, § 2 Anm. 4.
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ursprünglich selbstständige Firmen in einer aufgehen, vorliegen.48 Unerheblich sollte dagegen sein, ob bei oder nach dem Übergang des Betriebs die frühere Geschäftsbezeichnung oder Firma ergänzt oder verändert wurde.49 Die Richtigkeit dieser erweiterten Auslegung war bald allgemein anerkannt.50 Obwohl das Angestelltenkündigungsschutzgesetz nur drei Paragraphen umfasste, von denen einer lediglich das Inkrafttreten des Gesetzes regelte, hatte es aufgrund seiner enormen Ungenauigkeit und Lückenhaftigkeit51 schnell das Erscheinen zahlreicher ausführlicher Kommentare provoziert, in denen sich die Rechtswissenschaft unter anderem mit der Auslegung des neuen Begriffs der Betriebsnachfolge auseinander setzte. Auch die Arbeitsgerichte hatten bald über den Anwendungsbereich der Rechtsnachfolge i.S.d. § 2 KSchG 1926 zu entscheiden. So dauerte es nicht lange, bis das Reichsarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 9. 8. 192752 bestätigte, und sich mit diesem Urteil der herrschenden Lehre zur Auslegung des Begriffs der Rechtsnachfolge im Sinne einer Betriebsnachfolge anschloss: Eine Betriebsnachfolge, so entschied es am 26. 10. 1927, setze voraus, dass der Betrieb trotz des Inhaberwechsels in seinen wesentlichen Strukturbestandteilen erhalten werde, also die betriebliche Organisation und arbeitstechnische Zweckbestimmung erhalten bleibe und die Betriebsgemeinschaft fortgesetzt werde.53 3. Betriebsidentität als Voraussetzung der Betriebsnachfolge Das war die Geburtsstunde des Kriteriums der betrieblichen Identität: Gegenüber den rechtlichen Möglichkeiten des Bürgerlichen Gesetzbuchs bedeutete die Betriebsnachfolge eine Erweiterung.54 Sie wurde von der Rechtsgrundlage des Betriebsinhaberwechsels gelöst und damit unabhängig von der vertraglichen Mitwirkung des früheren Betriebsinhabers. Diese wurde ersetzt durch den einseitigen Akt des Eintritts des neuen Betriebsinhabers in die alte „Betriebs- und Produktionsgemeinschaft“. Erstes und entscheidendes Kriterium der Betriebsnachfolge wurde damit die „Identität des alten und des neuen Betriebes“55, die neben der Verfügung über die sächlichen 48 Vgl. Felling, Kündigungsschutzgesetz, S. 37; Oßwald, KSchG 1926, § 2 Anm. III 2 d; Schneider/Stehr, KSchG 1926, § 2 Anm. H. 49 Vgl. Felling, Kündigungsschutzgesetz, S. 36; Oßwald, KSchG 1926, § 2 Anm. III 2 b. 50 Vgl. RAG Urt. v. 26. 10. 1927, Bensh.Slg. Bd. 1, Abt. 1, S. 14, 17, mit zust. Anm. Hueck; Baum, KSchG 1926, § 2 Abs. 1 Anm. 3; F. Goldschmit, KSchG 1926, Anm. 12; Schneider/ Stehr, KSchG 1926, § 2 Anm. H. 51 Vgl. hierzu Baum, KSchG 1926, Vorwort S. 5; Oßwald, KSchG 1926, Einleitung S. 5; Schneider/Stehr, KSchG 1926, Einleitung S. 7; Sitzler/H. Goldschmit, Der Kündigungsschutz für Angestellte, S. 12. 52 LAG Hamburg, Urt. v. 9. 8. 1927, Bensh.Slg. Bd. 1, Abt. 2, S. 16, 18. 53 Vgl. RAG Urt. v. 26. 10. 1927, Bensh.Slg. Bd. 1, Abt. 1, S. 14, 17. 54 Denecke, BB 1950, 679; Galperin, DB 1962, 1078, 1079. 55 Vgl. RAG Urt. v. 28. 11. 1932, Bensh.Slg. Bd. 16, Abt. 1, S. 112, 113; Bobrowski/Gaul, Arbeitsrecht im Betrieb, K I Rn. 3; Sitzler/H. Goldschmit, Der Kündigungsschutz für Ange-
A. Historischer Ursprung
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Betriebsmittel, die Fortführung der bisher verfolgten arbeitstechnischen Zwecke ohne wesentliche Änderung sowie die Weiterbeschäftigung der bisherigen Belegschaft voraussetzte.56 Die Betriebsnachfolge wurde damit zu einer Art „Rechtsnachfolge im wirtschaftlichen Sinne“.57 4. Übernahme des Kriteriums in das Betriebsverfassungsrecht Wie selbstverständlich wurde dieses neue Kriterium, das eigentlich als Voraussetzung für die Geltung des Kündigungsschutzes für Angestellte nach einem Betriebsinhaberwechsel entwickelt worden war, schnell allgemein zur Voraussetzung für den „Fortbestand“ von Rechten nach einem Betriebsinhaberwechsel. Nicht nur der Kündigungsschutz, sondern auch Fragen der betrieblichen Ordnung, wie beispielsweise die Fortgeltung von Vereinbarungen nach § 78 BRG und Arbeitsordnungen, sollten von der Wahrung der betrieblichen Identität abhängen.58 Auf diese Weise wurde die „Wahrung der Selbstständigkeit“, von welcher der Fortbestand der betrieblichen Ordnung zuvor abhängig gemacht worden war, stillschweigend und ohne legislatorischen Anlass durch die „Wahrung der betrieblichen Identität“ ersetzt. Wenn Lerch feststellt, die Lehre von der Betriebsidentität sei „unter der Geltung des BRG 1920“ entwickelt worden59, ist dies also in zeitlicher Hinsicht zwar richtig. Dennoch ist es ungenau, weil es suggeriert, die Lehre von der Betriebsidentität stütze sich auf Normen oder zumindest Rechtsgedanken dieses Gesetzes, was den Ursprung der Betriebsidentität als Voraussetzung für die Gewährung individualrechtlichen Kündigungsschutzes nach § 2 KSchG 1926 verkennt oder jedenfalls nicht zum Ausdruck bringt.
IV. Keine dogmatische Entwicklung der Lehre von der betrieblichen Identität Die Entwicklung hin zur Einführung des Kriteriums der betrieblichen Identität als Voraussetzung für die Gewährung von Kündigungsschutz nach § 2 KSchG 1926 ist ohne weiteres nachvollziehbar. Das trifft zunächst auf die Erweiterung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift durch die erweiterte Auslegung des Merkmals der Rechtsnachfolge zu, die vor dem Hintergrund des Schutzzwecks der Norm zweifellos geboten war. Aber auch die Anknüpfung an die Wahrung der Betriebsidentität zur Ausweitung des Anwendungsbereichs der Norm überzeugt. Für die Gewährung instellte, S. 12; vgl. Anthes, KSchG 1926 in der Rechtsprechung, S. 11 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen; vgl. auch Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 16 f.; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, A I 2. 56 Galperin, DB 1962, 1078, 1079. 57 Denecke, BB 1950, 875. 58 Denecke, BB 1950, 875; vgl. RAG Urt. v. 1. 11. 1930, Bensh.Slg. Bd. 10, Abt. 1, S. 407, 408. 59 Vgl. Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 89.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
dividualrechtlichen Kündigungsschutzes nach einem Betriebsinhaberwechsel auf den Fortbestand des identischen Betriebs abzustellen, ist sinnvoll, weil es dabei um die Gewährung von Bestandsschutz durch die Anerkennung von Anwartschaften geht. Im Prinzip lag dieser Auslegung des § 2 KSchG 1926 der gleiche Gedanke zugrunde wie dem heutigen § 613a BGB: Wer einen laufenden Betrieb übernimmt und auf diese Weise von bestehenden Strukturen profitiert, soll im Gegenzug die Lasten des Bestandsschutzes für diejenigen Arbeitnehmer tragen, die Teil dieser profitablen Einheit sind.60 Da die Vorteile der erschaffenen Strukturen nach dem Betriebsinhaberwechsel weiterhin genutzt werden können, soll auch der Besitzstand der Arbeitnehmer, die zur Schaffung dieser Strukturen beigetragen haben, nicht verloren gehen.61 Dieser Gedanke kommt in der Rechtsprechung des Reichsarbeitsgerichts zu § 2 KSchG 1926 deutlich zum Ausdruck. So betonte das Gericht, dass es für die Betriebsnachfolge entscheidend auf „die Fortführung des Betriebs ohne wesentliche Änderung des Geschäftszwecks unter wesentlicher Übernahme der Betriebseinrichtungen“ ankommen sollte. Dabei sei der Betrieb „in seiner besonderen technisch-wirtschaftlichen Zielsetzung“ ins Auge zu fassen.62 Noch deutlicher rückte das Reichsarbeitsgericht das Kriterium der Fortführung einer wirtschaftlichen Einheit in seiner Entscheidung vom 28. 11. 1932 in den Vordergrund, in der es für entscheidend hielt, dass „die Beklagte nicht nur einzelne Maschinen, eine Summe von Einzelgegenständen erworben [habe], sondern einen organisch zusammengewachsenen, in sich geschlossenen Teil einer Werftanlage“.63 Die Übernahme des Kriteriums der betrieblichen Identität in den Bereich der Betriebsverfassung durch seine Heranziehung bei der Entscheidung über den Fortbestand der betrieblichen Ordnung ist demgegenüber nicht gleichermaßen einleuchtend. Denn der Bestand des Betriebsrats ist nicht wie eine wohl erworbene Anwartschaft zu behandeln. Während die Gewährung von Kündigungsschutz eine Frage des Bestandsschutzes ist, und ihre Berechtigung vor allem dadurch erhält, dass der betreffende Arbeitnehmer eine bestimmte Zeit lang seine Arbeitskraft in den Dienst des Betriebs gestellt und so einen Beitrag zum Gelingen des Unternehmens geleistet hat, der sich auch nach einem Inhaberwechsel noch im Betriebsergebnis niederschlägt, kommt es für den Fortbestand eines kollektiven Vertretungsgremiums allein auf die Zweckmäßigkeit der existierenden Vertretungsstruktur an. Diese richtet sich aber nicht danach, ob der Betriebsrat dem konkreten Betrieb schon vor dem Inhaberwechsel „gedient“ hat, so dass auch der Betriebsnachfolger von seiner Arbeit profitiert. Anders als die Gewährung von Kündigungsschutz kann der Fortbestand des Be60 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 76; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 19 Rn. 6; Wißmann/Cieslak, Anm. zu BAG Urt. v. 14. 8. 2007, 8 AZR 1043/06, EWiR § 613a BGB 3/08, 199, 200. 61 Felling, Kündigungsschutzgesetz, S. 36 f. 62 RAG, zitiert nach Anthes, KSchG 1926 in der Rechtsprechung, S. 12 f. mit Rechtsprechungsnachweisen; zustimmend auch auf den „wirtschaftlichen Gesamtorganismus“ abstellend, F. Goldschmit, KSchG 1926, Anm. 12. 63 RAG Urt. v. 28. 11. 1932, Bensh.Slg. Bd. 16, Abt. 1, S. 112, 113, mit zust. Anm. Hueck.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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triebsrats folglich nicht davon abhängen, ob der Betrieb unter wirtschaftlicher Betrachtungsweise weiterhin als derselbe Betrieb anzusehen ist. Gerade für die Beantwortung dieser Frage ist das Kriterium der betrieblichen Identität im Rahmen des § 2 KSchG 1926 – wie soeben gesehen – aber entwickelt worden. Der einzige Berührungspunkt zwischen der Frage nach der Auslegung des § 2 KSchG 1926 und der Frage nach dem Fortbestand des Betriebsrats nach einem Betriebsinhaberwechsel war also, dass sie sich in der gleichen Situation stellten, nämlich nach einem Wechsel des Betriebsinhabers. Inhaltliche Überschneidungen gab es dagegen nicht. Dass trotz der unterschiedlichen Funktionszusammenhänge auf dasselbe Merkmal abgestellt und das Kriterium der betrieblichen Identität für die Entscheidung über den Fortbestand des Betriebsrats herangezogen wurde, obwohl es für die Gewährung individualrechtlichen Kündigungsschutzes entwickelt worden war, erscheint vor diesem Hintergrund nahezu beliebig. Insbesondere die Tatsache, dass die Übernahme des neuen Kriteriums in das Betriebsverfassungsrecht weder ausdrücklich als solche bezeichnet noch begründet wurde, legt die Vermutung nahe, dass die Rechtswissenschaft das Kriterium der Betriebsidentität seinerzeit unkritisch herangezogen hat, ohne sich dieser Ungereimtheit bewusst zu sein. Das Kriterium wurde zur Klärung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen herangezogen, obwohl es als Voraussetzung für die Gewährung individualarbeitsrechtlichen Kündigungsschutzes entwickelt worden war, wobei seine zentrale Bedeutung für den Fortbestand der Betriebsorganisation nicht normorientiert hergeleitet wurde. Die Lehre von der Betriebsidentität ist folglich nicht die zwingende Folge eines dogmatischen Konzepts, sondern stellt sich als das Ergebnis eines Rückgriffs auf ein für einen anderen normativen Sinnzusammenhang entwickeltes Kriterium dar. Für die hier zu klärende Frage ist die Untersuchung der Entstehungsgeschichte der Lehre von der Betriebsidentität mithin wenig ergiebig. Da offen bleibt, welche Gründe letztlich zu ihrer Einführung geführt haben, liefert sie keine Anhaltspunkte für die Bestimmung der betrieblichen Identität. Weder lassen sich ihr Hinweise über den Kreis der maßgeblichen Kriterien entnehmen, noch über die Rangfolge, in der die einzelnen Begriffsmerkmale zueinander stehen.
B. Dogmatische Grundlagen für die Konkretisierung der betrieblichen Identität Da der Rückgriff auf eine historische Erklärung als Richtschnur für die Bestimmung der betrieblichen Identität ausscheidet, ist nunmehr zu prüfen, welche Vorgaben sich der aktuellen Systematik des Betriebsverfassungsrechts in Bezug auf Kreis und Rangfolge ihrer Merkmale entnehmen lassen. Dabei ist zunächst der Kreis derjenigen Kriterien zu bestimmen, welche die betriebliche Identität charakterisieren,
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
bevor in einem zweiten Schritt zu untersuchen ist, ob unter ihnen eine bestimmte Rangfolge festzustellen ist.
I. Bestimmung der einzelnen Begriffsmerkmale Mit der Frage nach dem Kreis der die betriebliche Identität kennzeichnenden Kriterien ist die Frage nach dem für den vorliegenden Zusammenhang „richtigen“ Betriebsbegriff angesprochen: Welcher der verschiedenen Betriebsbegriffe beschreibt das Substrat der Betriebsratsarbeit und ist damit ausschlaggebend für die Bestimmung der betrieblichen Identität? Während die Betriebsbegriffe des Gewerbe-, Handels- und Steuerrechts ebenso wie der Betriebsbegriff des § 23 KSchG wegen ihrer fehlenden Ausrichtung am Zweck der Mitbestimmungsorganisation von vornherein als Anknüpfungspunkt für die Bestimmung der betrieblichen Identität ausscheiden64, liegt ein Rückgriff auf die Merkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs nahe. Aber auch eine Anlehnung an die im Rahmen des § 613a BGB entwickelten Kriterien, für die verbreitet plädiert wird, ist nicht prinzipiell ausgeschlossen. 1. Maßgeblicher Betriebsbegriff a) Anknüpfung an „den“ Betriebsbegriff? Obwohl grundsätzlich wohl Einigkeit darüber herrscht, dass bei der Bestimmung der betrieblichen Identität an den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff anzuknüpfen ist65, will die überwiegende Ansicht in der Literatur gleichzeitig auf diejenigen Kriterien zurückgreifen, die im Betriebsübergangsrecht für die Bestimmung der betrieblichen Identität herangezogen werden.66 So will beispielsweise Haag wenigstens für einzelne Kriterien an die Feststellungen des Europäischen Gerichtshofs zu § 613a BGB „anknüpfen“.67 Hohenstatt sieht bei der Bestimmung der betrieblichen Identität „zweifellos eine Parallele zu denjenigen Wertungsfragen, die sich bei der Eingrenzung des Tatbestandes des Betriebs(teil)übergangs i.S.v. § 613a
64 Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 10; vgl. zu den zahlreichen Verankerungen des Betriebsbegriff im deutschen Recht Preis, RdA 2000, 257, 265 f. 65 Vgl. Henssler, NZA 1994, 913, 914; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 69; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100. 66 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a Rn. 7; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 17; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 15; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 70; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5; ders., DB 2002, 738, 739; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 21a Rn. 13; unklar: Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 109, der von einer „gesteigerten Relevanz der Kriterien des § 613a BGB“ ausgeht, aber wohl lediglich eine Relevanz im Sinne häufig zu beobachtender tatsächlicher Übereinstimmungen meint. 67 Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 15.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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Abs. 1 S. 1 BGB bzw. der zugrunde liegenden EG-Richtlinie stellen“68, und auch Fischer will sich an den vom Europäischen Gerichtshof aufgestellten Kriterien „orientieren“69. Engels, Schmidt, Trebinger und Linsenmaier sowie Wlotzke wollen auf die im Betriebsübergangsrecht entwickelten Kriterien „zurückgreifen“70, und auch Thüsing ist der Ansicht, dass die „dort genannten Kriterien mutatis mutandis übernommen werden“ könnten.71 Diese Vorgehensweise mag sich aufgrund der gleichen Begrifflichkeiten aufdrängen, da auch im Rahmen des § 613a BGB an die „Wahrung der Betriebsidentität“ angeknüpft wird.72 Indem die überwiegende Ansicht den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff einerseits und den durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs geprägten Betriebsbegriff des § 613a BGB andererseits bei der Bestimmung der betrieblichen Identität als austauschbar nebeneinander setzt, suggeriert sie jedoch, dass zwischen beiden kein nennenswerter Unterschied bestünde. Ein „allgemeiner Betriebsbegriff“ existiert indes nicht, da der Gesetzgeber von einer (gar für alle Bereiche gültigen) Legaldefinition des Betriebsbegriffs abgesehen und dessen Bestimmung Rechtsprechung und Wissenschaft überlassen hat.73 Zwar wird den Stellungnahmen zum Begriff des Betriebs in Rechtsprechung und Literatur vielfach die auf Jacobi zurückgeführte Definition vorangestellt74, so dass der „trügerische Eindruck“75 entsteht, es gebe einen einheitlichen oder zumindest arbeitsrechtlichen Betriebsbegriff.76 Zu Recht hat sich jedoch – angestoßen durch die grundlegende Studie Joosts zu den Begriffen von Betrieb und Unternehmen – inzwischen die Erkenntnis durchgesetzt, dass ein für alle Bereiche deckungsgleicher Betriebsbegriff nicht existiert.77 Dass sich gerade der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff von dem 68
Hohenstatt, WHSS, Rz. D 70. U. Fischer, RdA 2005, 39, 42. 70 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a Rn. 7; Wlotzke, Wlotzke/Preis/ Kreft, BetrVG, § 21a Rn. 13. 71 Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5; ders., DB 2002, 738, 739; ähnlich auch Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 4, der die betriebsverfassungsrechtliche Betriebsidentität bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB gewahrt sieht. 72 s. oben 1. Teil; vgl. auch Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 76; S. Edenfeld, Erman, BGB, § 613a Rn. 13; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 120; Fuchs, Bamberger/Roth, BGB, § 613a Rn. 15; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 311; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 88; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 21a Rn. 13. 73 Vgl. BT-Drucks. I/3585, S. 3. 74 Vgl. Däubler, FS Dieterich, S. 63, 67; Hauck, FS ARGE Arbeitsrecht, S. 621, 622; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 63; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 28; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 6; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 16; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 7; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 35. 75 Gamillscheg, ZfA 1975, 357, 373. 76 Preis, RdA 2000, 257, 258; vgl. auch Haase, Sonderbeilage zu NZA Heft 18/1988, 11. 77 Vgl. Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, passim.; zustimmend ; Berkowsky, MünchArbR, § 109 Rn. 43; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 62; Haase, Sonderbeilage zu NZA Heft 18/1988, 11, 12; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 26; Fromen, FS D. Gaul, S. 151, 161; Konzen, RdA 2001, 76, 80; Preis, RdA 2000, 257, 69
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des Betriebsübergangsrechts unterscheidet, entspricht allgemeiner Auffassung.78 Dann aber können der Bestimmung der betrieblichen Identität nicht beide Begriffe gleichermaßen zugrunde gelegt werden. b) Einheit der Rechtsordnung und Relativität der Rechtsbegriffe Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung. Denn dieser bezieht sich als Axiom oder Ziel juristischer Arbeit auf die Überwindung des Dualismus zwischen abstrakten Rechts- beziehungsweise Sollenssätzen und den auf ihnen beruhenden konkreten richterlichen Entscheidungen79, die daraus folgt, dass die individuellen und konkreten Sollenssätze ihre Gültigkeit von den abstrakten Normen ableiten80. Wenn an zwei verschiedenen Stellen der Rechtsordnung zwei verschiedene Definitionen desselben Terminus auftauchen oder dieselbe Definition desselben Terminus an verschiedenen Stellen doch nicht dasselbe bedeutet, liegt darin folglich ein lediglich technischer Widerspruch81, nicht aber eine Verletzung der Einheit der Rechtsordnung82. Vielmehr ist es eine „bekannte und auch rechtlich anerkannte Erscheinung, dass ein Rechtsbegriff in verschiedenen Zusammenhängen unterschiedliche Bedeutung haben kann“.83 Diese Möglichkeit folgt aus der Relativität der Rechtsbegriffe84. Unterschiedliche Normenzusammenhänge können eine unterschiedliche Begriffsauslegung geradezu aufdrängen, und zwar unter Umständen sogar innerhalb des gleichen Gesetzes.85 Ein Begriffsmerkmal, das in der einen Vor259; Richardi, NZA 2001, 344, 348; ders., Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 19; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 8; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 31, 43; Vogelsang, Schaub, ArbR-Hdb., § 18 Rn. 1. 78 Vgl. Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 44; Bachner, Kittner/Zwanziger, § 95 Rn. 18; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 23; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/ Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 62, 118; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 26; Haase, Sonderbeilage zu NZA Heft 18/1988, 11, 12; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Schwanda, Betriebsübergang, S. 85; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 96.; a.A. Rose, HSWGN, BetrVG § 1 Rn. 11, der darauf abhebt, sowohl der „arbeitsrechtliche“ Betriebsbegriff, als auch der Betriebsbegriff des § 613a BGB verfolgten den Schutz der im Betrieb tätigen Arbeitnehmer, so dass im Ergebnis aufgrund desselben Zwecks der Regelungsbereiche kein begrifflicher Unterschied bestehe; in diese Richtung auch Sieg/Maschmann, Unternehmensumstrukturierung, S. 10. 79 Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 9. 80 Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 10. 81 Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 43. 82 Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 45, 84. 83 Demko, Zur „Relativität der Rechtsbegriffe“, S. 64; Kothe, AcP 185 (1985), 105, 156. 84 Demko, Zur „Relativität der Rechtsbegriffe“, S. 64; Engisch, Die Einheit der Rechtsordnung, S. 72; ders., Einführung in das juristische Denken, S. 95; Kothe, AcP 185 (1985), 105, 156. 85 Demko, Zur „Relativität der Rechtsbegriffe“, S. 153; Schwanda, Betriebsübergang, S. 86.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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schrift von maßgeblicher Bedeutung ist, kann in der anderen mithin völlig unbeachtlich sein.86 Eine im Betriebsübergangsrecht und im Rahmen der Lehre von der Betriebsidentität einheitliche Begriffsdeutung der „betrieblichen Identität“ wird also nicht etwa durch die Kongruenz des Ausdrucks bedingt. c) „Richtiger“ Betriebsbegriff – Übertragbarkeit der Kriterien des § 613a BG auf die Lehre von der Betriebsidentität? Die Übertragbarkeit der Kriterien des § 613a BGB auf die Lehre von der Betriebsidentität folgt mithin weder aus der Einheit der Rechtsordnung, noch ist es möglich, bei der Bestimmung der betrieblichen Identität an beide Betriebsbegriffe gleichermaßen anzuknüpfen. Die Benennung der für die betriebliche Identität maßgeblichen Kriterien setzt folglich eine Entscheidung darüber voraus, welcher der beiden Betriebsbegriffe der Lehre von der Betriebsidentität zugrunde zu legen ist. Denn nur wenn der Bezugspunkt – der maßgebliche Betriebsbegriff – einheitlich gewählt ist, kann die Lehre von der Betriebsidentität prognostizierbare Ergebnisse hervorbringen. Da Ausgangspunkt der Lehre von der Betriebsidentität der Grundsatz der Betriebsbezogenheit ist, hängt die Frage, ob die Kriterien des § 613a BGB für die Bestimmung der betrieblichen Identität im Rahmen der Lehre von der Betriebsidentität tatsächlich sinngleich übernommen werden können oder ob vielmehr allein die Merkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs die Basis ihrer Bestimmung bilden muss, entscheidend davon ab, welcher der beiden Betriebsbegriffe das beschreibt, was Substrat der Betriebsratsarbeit und Grundlage der Existenz des Betriebsrats ist. aa) Normativität des Betriebsbegriffs Um diese Frage beantworten zu können, ist es notwendig, sich die Natur des Betriebsbegriffs vor Augen führen. Indem die Vertreter der wohl herrschenden Meinung nicht zwischen den verschiedenen Betriebsbegriffen differenzieren, erliegen sie der Vorstellung, dass sich das Arbeitsrecht als Recht, das die Arbeit regelt, auf „Etwas“ im Sinne eines Grundbegriffs beziehen müsse, in dem sich Arbeit materialisiert – den Betrieb. Zwar liegt dieser Gedankengang nahe.87 Wie Joost nachgewiesen hat, existiert dieser Anknüpfungspunkt, dieses „Etwas“, aber nicht als in der Seinswirklichkeit vorhandene, objektiv bestimmbare Gegebenheit. Arbeit materialisiert sich in den unterschiedlichsten Gebilden, „Betriebe“ bestehen in den unterschiedlichsten Formen. Als das Ergebnis von Unternehmens- und Betriebsaufspaltungen, von Ausgliederungen und Betriebsänderungen, als zergliederte Dienstleistungseinheiten, als geschäftsfeldbezogene Unternehmens- oder Konzernteile oder virtualisierte Betriebe von online-Diensten lassen sie sich nicht mehr ohne weiteres in die traditionellen Strukturen
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Schwanda, Betriebsübergang, S. 87. Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 1.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
der Arbeitswelt einordnen.88 Die rechtliche Beurteilung einer für ein Bürogebäude zuständigen Putzkolonne oder einer fremdbetriebenen Krankenhauskantine ist inzwischen ebenso notwendig geworden, wie die des Betreibers einer Tauschbörse im Internet oder eines Start-up Unternehmens, das für sämtliche Mitarbeiter Heimarbeitsplätze eingerichtet hat. Ein „Betrieb im objektiven Sinn“, wie ihn Jacobi 1926 als arbeitsrechtlichen Begriff dem aus dem allgemeinen Sprachgebrauch abgeleiteten Betriebsbegriff gegenüberstellte89, existiert nicht (mehr)90. Da sich der Betrieb nicht als in der Tatsachenwelt existente Erscheinung begreifen lässt, die aus ihrer Tatsächlichkeit heraus definierbar wäre, ist eine abstrakte Aussage über seinen Inhalt nicht möglich.91 Er kann verschiedene Gegebenheiten bedeuten: einen Gegenstand, einen Tätigkeitsbereich, ein Subjekt, einen sozialen Verband, einen Vermögenswert.92 Der Betriebsbegriff bezieht sich also nicht auf eindeutig feststellbare Gegebenheiten, sodass er, je nach Regelungszusammenhang, einen unterschiedlichen Bedeutungsinhalt haben kann. Bei dem Betriebsbegriff handelt es sich folglich nicht um einen ontischen, sondern um einen normativen, funktionalen Begriff.93 Als solcher hat er den Zweck „eine normative Aussage auf einen gedanklichen Zusammenhang, der mit dem Begriff ausgedrückt wird, zu beziehen“.94 Da er nur in diesem Zusammenhang verständlich und verwendbar ist95, kann die inhaltliche Bestimmung des Betriebsbegriffs nur aus seiner konkreten Funktion heraus erfolgen.96 Welcher der beiden Betriebsbegriffe die Grundlage der Existenz des Betriebsrats und das Substrat seiner Arbeit beschreibt, ergibt sich folglich aus der Funktion, die ihnen in ihrem jeweiligen Regelungszusammenhang zukommt.
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Preis, RdA 2000, 257, 258. Vgl. Jacobi, Betrieb und Unternehmen als Rechtsbegriffe, S. 9. 90 Preis, RdA 2000, 257, 259; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 19 f.; Schwanda, Betriebsübergang, S. 84 f. 91 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 4; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 43. 92 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 4. 93 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 4. 94 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 11. 95 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 12. 96 BVerfG Urt. v. 27. 1. 1998, 1 BvL 15/87, BVerfGE 97, 169 = AP Nr. 17 zu § 23 KSchG, unter B II 4 b bb der Gründe; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 26; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 6; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 12; Konzen, RdA 2001, 76, 80; Preis, RdA 2000, 257, 260; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 19; ders., NZA 2001, 346, 348; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 8; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 43; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 102. 89
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bb) Funktion des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs Das Betriebsverfassungsgesetz verfolgt die Realisierung einer sinnvollen Ordnung der Betriebsverfassung.97 Sein Grundanliegen ist die Beteiligung der Arbeitnehmer an denjenigen Entscheidungen der Betriebsleitung, die ihr tägliches Arbeiten gestalten.98 Denn während im Betrieb zunächst allein der Arbeitgeber entscheidungsbefugt ist, da er kraft Eigentums über die Produktionsmittel verfügen und aufgrund seines Weisungsrechts über die Arbeitskraft der Arbeitnehmer disponieren kann99, widerspricht diese tatsächliche, einseitige Machtstellung des Arbeitgebers wesentlichen Prinzipien des Grundgesetzes, das die Würde des Menschen und den Grundsatz der Selbstbestimmung in den Vordergrund stellt100. Die Durchsetzung dieser verfassungsrechtlichen Gebote im Arbeitsleben soll daher unterstützt werden, indem die strukturelle Ungleichheit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer durch die Gewährung von Mitbestimmungsrechten abgebaut wird.101 Nach der Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes soll hierzu allerdings nicht jedem einzelnen Arbeitnehmer ein unmittelbares Mitspracherecht an den ihn betreffenden Entscheidungen eingeräumt werden.102 Vielmehr institutionalisiert das Gesetz die Teilhabe zur Wahrnehmung solidarischer Interessen, indem es die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen bei Entscheidungen der Betriebsleitung dem Betriebsrat überträgt.103 Dem Betriebsbegriff kommt dabei die Funktion zu, diejenigen Arbeitnehmer zu bestimmen, die eine gemeinsame Repräsentation erhalten.104 Der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff dient somit der Abgrenzung einer Gruppe von Arbeitnehmern (im Unternehmen), die eine repräsentationsfähige Einheit bilden und daher gemeinsam durch den Betriebsrat bei der Wahrnehmung ihrer Interessen vertreten werden.105 Mit der Anknüpfung an den Betrieb bezweckt das Betriebsverfas97 Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 35; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 417; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 20; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 102. 98 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 61; v. HoyningenHuene, Betriebsverfassungsrecht, S. 6; Löwisch, Arbeitsrecht, § 10 Rn. 407; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 416; Richardi, Richardi, Einleitung Rn. 1. 99 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 1; B. Gaul, HWK, BetrVG, Vorbemerkung Rn. 1; Richardi, Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 84 f. 100 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 1; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 414. 101 Bericht der Mitbestimmungskommission, BT-Drucks. VI/344, S. 65; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 2; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 1; Lieb/ Jacobs, Arbeitsrecht, S. 262; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 412, 416; Richardi, Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 84. 102 Kraft/Fanzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 61; Richardi, Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 85. 103 B. Gaul, HWK, BetrVG, Vorbemerkung Rn. 1; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 2, 6; Kraft/Fanzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 61; Löwisch, Arbeitsrecht, § 10 Rn. 407; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 416 f.; Richardi, Richardi, Einleitung Rn. 1. 104 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 67. 105 Gamillscheg, AuR 1989, 33 f.; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 6; Joost, Berieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 112 ff.; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 279;
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
sungsgesetz die Bildung einer Arbeitnehmervertretung, die zu einer effektiven und sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer in der Lage ist.106 Nach herrschender Meinung kommt es für die Betriebsabgrenzung als Repräsentationseinheit deshalb maßgebend darauf an, dass die Arbeitnehmer durch die räumliche Zusammenarbeit eine Gemeinschaft bilden, die sich als einheitliche Belegschaft darstellt107 und die sich einem institutionell abgesicherten einheitlichen Leitungsapparat gegenüber sieht, der den Kern der Arbeitgeberfunktionen im Bereich der personellen und sozialen Angelegenheiten wahrnimmt108. cc) Funktion des Betriebsbegriffs im Rahmen von § 613a BGB (1) Europarechtliche Vorgaben § 613a BGB ist demgegenüber keine betriebsverfassungsrechtliche Organisationsnorm, sondern eine individualrechtliche Schutzvorschrift zu Gunsten der Arbeitnehmer.109 Sie regelt die arbeitsrechtlichen Folgen eines Betriebsübergangs. Ihre heutige Fassung beruht auf der im Jahr 2001 neu bekannt gemachten Betriebsübergangsrichtlinie.110 Damit findet der Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung innerstaatlichen Rechts Anwendung111, der es gebietet, nationale Gesetze, die auf EG-Recht beruhen, so auszulegen, dass sie dessen Anforderungen gerecht werden.112 Funktion und Tatbestandmerkmale der Vorschrift können daher nicht lediglich aus sich selbst heraus bestimmt werden. Vielmehr sind sowohl die zugrunde liegende Richtlinie, als auch die diese konkretisierende Rechtsprechung des Europäi-
H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 67; Preis, RdA 2000, 257, 268; Richardi, Richardi, § 1 Rn. 3, 5; ders., NZA 2001, 346, 348; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 85; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 102. 106 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 62; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 8; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 11, 20; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 102. 107 Gamillscheg, AuR 2001, 411, 415; vgl. auch BAG Beschl. v. 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = NJW 1963, 1325, unter II 2 der Gründe; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 20. 108 Vgl. Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 36. 109 Preis, RdA 2000, 257, 277; vgl. auch Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 19 ff.; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 19 Rn. 6; Preis, Individualarbeitsrecht, S. 972. 110 RL 2001/23/EG vom 12. 3. 2001, ABl. EG Nr. L 82/16. 111 Fuchs, Bamberger/Roth, BGB, § 613a Rn. 6; Hattesen, Kasseler Handbuch, Bd. 2, 6.7 Rn. 10; Preis, Individualarbeitsrecht, S. 975; Steffan, APS, BGB, § 613a Rn. 7. 112 EuGH Urt. v. 10. 4. 1984, Rs. C-14/83 – von Colson – Slg. 1984, 1891, unter Rz. 26; BAG Urt. v. 15. 10. 1992, 2 AZR 227/92, BAGE 71, 252 = AP Nr. 8 zu § 613a BGB, unter II 2 a der Gründe; Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, S. 259; Fuchs, Bamberger/Roth, BGB, § 613a Rn. 6; Hattesen, Kasseler Handbuch, Bd. 2, 6.7 Rn. 10; Hirsch, NJW 2000, 1817, 1820; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 100; Steffan, APS, BGB, § 613a Rn. 7.
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schen Gerichtshofs zu Reichweite und Ziel der Richtlinie bei der Auslegung der Norm zu berücksichtigen.113 (2) Normzweck Die Betriebsübergangsrichtlinie verfolgt das Ziel, die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel zu schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche zu gewährleisten.114 Um diese europäische Zielvorgabe zu erreichen, ist es Hauptanliegen des § 613a BGB, die Lücke im deutschen Kündigungsschutz zu schließen, die dadurch entsteht, dass ein Arbeitgeber, der seinen Betrieb verkauft hat, seinen Arbeitnehmern betriebsbedingt kündigen kann.115 Ohne den Schutz des § 613a BGB würde der Arbeitnehmer bei einem Betriebsübergang seinen Arbeitsplatz verlieren, obwohl dieser bei einem anderen Arbeitgeber fortbesteht.116 Solange der Arbeitsplatz, d. h. die konkrete Arbeitsaufgabe innerhalb der vom alten Arbeitgeber geschaffenen Arbeitsorganisation, nicht verloren geht (wie es bei einer Betriebsstilllegung der Fall ist), soll der Arbeitnehmer davor bewahrt werden, mit dem Verlust des bisherigen Arbeitgebers auch seinen Arbeitsplatz zu verlieren (Gleichlauf von Arbeitsplatz und Arbeitsverhältnis).117 Dieses Ziel erreicht § 613a BGB, indem er den Eintritt des Betriebserwerbers in die Rechte und Pflichten der bestehenden Arbeitsverhältnisse anordnet (§ 613a Abs. 1 S. 1 BGB) und es sowohl dem bisherigen Arbeitgeber als auch dem Betriebserwerber verbietet, Arbeitnehmern wegen des Betriebsübergangs zu kündigen (§ 613a Abs. 4 S. 1 BGB).
113 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 39; Brechmann, Die richtlinienkonforme Auslegung, S. 259; Hattesen, Kasseler Handbuch, Bd. 2, 6.7 Rn. 10; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 19 Rn. 10; Sieg/Maschmann, Unternehmensumstrukturierung, S. 16. 114 EuGH Urt. v. 18. 3. 1986, 24/85 – Spijkers – Slg. 1986, 1124, unter Rz. 11; Urt. v. 20. 11. 2003, C-340/01 – Abler – Slg. I/14046 = AP Nr. 34 zu EWG-RL Nr. 77/187, unter Rz. 29; Urt. v. 12. 2. 2009, C-466/07 – Klarenberg/Ferrotron – NZA 2009, 251, unter Rz. 40; Fuchs, Bamberger/Roth, BGB, § 613a Rn. 5; Hattesen, Kasseler Handbuch, Bd. 2, 6.7 Rn. 11; Kreft, FS Wißmann, S 347, 348; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 22; Steffan, APS, BGB, § 613a Rn. 1. 115 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 9, 44; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 25; Fuchs, Bamberger/Roth, BGB, § 613a Rn. 5; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 5; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 8. 116 Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 5; ders., Individualarbeitsrecht, S. 886; ders., RdA 2000, 257, 277; vgl. auch H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 22. 117 Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 19 Rn. 6; Lieb/Jacobs, Arbeitsrecht, S. 102; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 73; Preis, Individualarbeitsrecht, S. 976; ders., RdA 2000, 257, 277; Sieg/Maschmann, Unternehmensumstrukturierung, S. 8 f.; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 8; vgl. auch EuGH Urt. v. 12. 2. 2009, C-466/07 – Klarenberg/Ferrotron – NZA 2009, 251, unter Rz. 40.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
(3) Funktion des Betriebsbegriffs im Betriebsübergangsrecht: Abgrenzung einer wirtschaftlichen Einheit Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass derjenige, der sich „in ein gemachtes Bett legt“118, der also einen laufenden Betrieb übernimmt und von den bereits bestehenden Strukturen profitiert, mit der Verantwortung für den Arbeitnehmerschutz belastet werden darf.119 Die vom Europäischen Gerichtshof verwandten Kriterien führen daher zu einer wirtschaftlichen Betrachtung der Frage, ob ein Betrieb unter Wahrung seiner Identität übergegangen ist.120 Der neue Betriebsinhaber soll nur mit dem Bestandsschutz der Arbeitnehmer belastet werden, wenn er durch die Übernahme eines laufenden Betriebs in die Lage versetzt wird, auf von anderen geschaffene Strukturen zurückzugreifen, so dass er einen wirtschaftlichen Vorteil gegenüber demjenigen hat, der für die Erreichung der gleichen Zwecke nur auf bislang unverbunden nebeneinander existierende Betriebsmittel zurückgreifen kann.121 Auf diese Weise konkretisiert § 613a BGB die Sozialpflichtigkeit der Betriebsinhaberschaft.122 Den letztlich entscheidenden Bezugspunkt der Prüfung des § 613a BGB bildet daher stets die Frage danach, worin die Koordinierungsleistung des bisherigen Betriebsinhabers liegt, die es gestattet, von einer wirtschaftlich nutzbaren Einheit zu sprechen.123 Im Betriebsübergangsrecht dient der Betriebsbegriff folglich der Abgrenzung einer wirtschaftlichen Einheit. Dieses Normverständnis spiegelt sich beispielsweise in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Auftragsnachfolge wider, nach der eine reine Auftrags118
Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 5; ders., Individualarbeitsrecht, S. 883. BAG Urt. v. 18. 3. 1999, 8 AZR 159/98, BAGE 91, 121 = AP Nr. 189 zu § 613a BGB, unter II 4 der Gründe; Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 76; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 19 Rn. 6; Jochums, NJW 2005, 2580, 2585; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 73; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 35; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 5; ders., RdA 2000, 257, 277; Schwanda, Betriebsübergang, S. 126; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 9; ders., FS Richardi, S. 475; Wißmann/Cieslak, Anm. zu BAG Urt. v. 14. 8. 2007, 8 AZR 1043/06, EWiR § 613a BGB 3/08, 199, 200. 120 Fuchs, Bamberger/Roth, BGB, § 613a Rn. 15; Hattesen, Kasseler Handbuch, Bd. 2, 6.7 Rn. 37. 121 Düwell, Düwell, BetrVG-HaKo, § 21a Rn. 13; Fuchs, Bamberger/Roth, BGB, § 613a Rn. 18; Steffan, APS, BGB, § 613a Rn. 14; ausführlich zum Wertschöpfungsgedanken BAG Urt. v. 2. 3. 2006, 8 AZR 147/05, AP Nr. 302 zu § 613a BGB = NZA 2006, 1105, unter II 2 c cc der Gründe; Urt. v. 6. 4. 2006, 8 AZR 222/04, BAGE 117, 349 = AP Nr. 299 zu § 613a BGB, unter B I 3 b bb der Gründe; Urt. v. 13. 6. 2006, 8 AZR 271/05, AP Nr. 305 zu § 613a BGB = NZA 2006, 1917, unter II 1 b bb (1) der Gründe; jeweils im Zusammenhang mit der Frage nach Bedeutung und Gewicht der materiellen Betriebsmittel; das Gericht hat in allen drei Fällen darauf abgestellt, ob der Einsatz der jeweils in Rede stehenden Betriebsmittel bei „wertender Betrachtungsweise (…) den eigentlichen Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs ausmacht“; vgl. auch EuGH Urt. v. 12. 2. 2009, C-466/07 – Klarenberg/ Ferrotron – NZA 2009, 251, unter Rz. 48. 122 Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 21; vgl. auch Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 17. 123 Fuchs, Bamberger/Roth, BGB, § 613a Rn. 18. 119
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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nachfolge nicht vom Anwendungsbereich des § 613a BGB erfasst wird, wenn der neue Auftragnehmer die Arbeitsabläufe neu organisiert – sich die bestehenden Strukturen also gerade nicht zu Nutze macht.124 Auch die Abkehr von der Theorie der Fortführungsmöglichkeit beruht auf diesem durch das Europarecht vorgegebenen Verständnis: Die bloße Möglichkeit zur Übernahme eines Betriebs ist nicht mit einem Betriebsübergang gleichzusetzen, da der Erwerber, der den Betrieb nicht tatsächlich fortführt, sich die vom Veräußerer geschaffenen Strukturen nicht zu Nutze macht.125 dd) Zwischenergebnis: Maßgeblichkeit des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs Der Betriebsbegriff des § 613a BGB dient der Abgrenzung einer wirtschaftlichen Einheit, bei deren Übergang den in ihr beschäftigten Arbeitnehmern Bestandsschutz hinsichtlich ihrer individuellen und kollektiven Rechte gewährt wird. Mit Hilfe des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs wird dagegen eine Gruppe von Arbeitnehmern zu einer Repräsentationseinheit zusammengefasst. Die Arbeitnehmer dieser Einheit werden gemeinsam über den Betriebsrat als ihren Repräsentanten an den sie betreffenden Entscheidungen beteiligt. Hierfür gewährt das Betriebsverfassungsrecht dem Betriebsrat bestimmte Mitbestimmungsrechte.126 Die Wahrnehmung dieser Rechte für gerade „seine Arbeitnehmer“, also die durch den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff abgegrenzte Gruppe von Arbeitnehmern, bildet den Kern der Betriebsratsarbeit. Der Betriebsbegriff, der diese Gruppe beschreibt, beschreibt folglich die Grundlage der Existenz des Betriebsrats und das Substrat seiner Arbeit. Er kennzeichnet die Einheit, für die der Betriebsrat gewählt wird und deren Arbeitnehmer er gegenüber dem Arbeitgeber vertritt, und bildet damit den Anknüpfungspunkt für die Mitbestimmung des Betriebsrats.127 Wirtschaftliche Aspekte, die für die Abgrenzung der betrieblichen Einheit nach § 613a BGB entscheidend sind, sind für die Kennzeichnung des Fundaments der Betriebsratsarbeit und die Beschreibung seines Wirkungskreises dagegen unerheblich. Denn das Betriebsverfassungsgesetz gewährleistet die sachgerechte Repräsentation der Arbeitnehmer und die Arbeit
124 Vgl. BAG Urt. v. 10. 12. 1998, 8 AZR 676/97, AP Nr. 187 zu § 613a BGB = NJW 1999, 1884, unter II 1 a und b bb; das gilt auch, wenn es sich um den einzigen Auftrag eines Dienstleistungsunternehmens handelt, vgl. BAG Urt. v. 14. 8. 2007, 8 AZR 1043/06, AP Nr. 325 zu § 613a BGB = NZA 2007, 1431, unter B II 2 der Gründe; zust. Wißmann/Cieslak, BAG EwiR § 613a BGB 3/08, 199. 125 Vgl. BAG Urt. v. 18. 3. 1999, 8 AZR 159/98, BAGE 91, 121 = AP Nr. 189 zu § 613a BGB unter II 4 der Gründe; vgl. auch BAG Urt. v. 18. 3. 1999, 8 AZR 196/98, BAGE 91, 121 = AP Nr. 190 zu § 613a BGB. 126 v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 6; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 66 („gewichtiger Unterschied“ zu § 613a BGB); Richardi, Richardi, Einleitung Rn. 1. 127 Haase, Sonderbeilage zu NZA Heft 18/1988, 11, 12 f.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
des Betriebsrats unabhängig von wirtschaftlichen Erwägungen.128 Anders als die Gewährung von Bestandsschutz kann der Fortbestand einer Arbeitnehmervertretung daher nicht davon abhängen, ob es auf Grund einer Gesamtbetrachtung aller Umstände „angemessen“ ist, den Arbeitgeber mit ihr „zu belasten“.129 Bei der Bestimmung der betrieblichen Identität als Grundlage für den Fortbestand des Betriebsrats ist folglich an die Merkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs anzuknüpfen. Ein pauschaler Rückgriff auf die zur Bestimmung einer ihre Identität wahrenden wirtschaftlichen Einheit maßgeblichen Kriterien scheidet im Rahmen der Lehre von der Betriebsidentität dagegen aus.130 2. Begriffsmerkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs Steht nun fest, dass bei der Bestimmung der betrieblichen Identität an den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff anzuknüpfen ist, ist die erste Voraussetzung für die Konkretisierung des Begriffs der betrieblichen Identität erfüllt, da sich die im Rahmen der Gesamtbetrachtung maßgeblichen Merkmale nun abschließend benennen lassen: Es sind die Merkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs. Dieser bezeichnet, wie bereits erwähnt, nach ganz herrschender Meinung die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Arbeitgeber allein oder gemeinsam mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von technischen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.131 Dazu müssen die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für den oder die verfolgten arbeitstechnischen Zwecke zusammengefasst, geordnet, gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden.132 Abweichend von der herrschenden Meinung halten insbesondere Gamillscheg und Joost die Merkmale der organisatorischen Einheit, der Arbeitsmittel und des arbeitstechnischen Zwecks nicht für „konstitutiv für den Betrieb“. Ihrer Ansicht nach bezeichnet der Betriebsbegriff vielmehr eine Gruppe von Arbeitnehmern, „die eine arbeitnehmernahe gemeinsame Repräsentation“ erhalten. Gamillscheg und Joost begründen ihre Auffassung damit, dass der Betrieb als Arbeitsstätte die räumliche Grundlage der Zusammenarbeit der Arbeitnehmer und damit der Verbindung ihrer 128 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 62; Franzen, GKBetrVG, § 3 Rn. 8. 129 Düwell, Düwell, BetrVG-HaKo, § 21a Rn. 13. 130 So i.E. auch Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 82; 916; Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 66; Niklas/Mückl, DB 2008, 2250; Preis, RdA 2000, 257, 277. 131 s. oben Teil 1. 132 BAG Beschl. v. 29. 5. 1991, 7 ABR 54/90, BAGE 68, 67 = AP Nr. 5 zu § 4 BetrVG 1972, unter B II 1 der Gründe; Beschl. v. 14. 5. 1997, 7 ABR 26/96, BAGE 85, 370 = AP Nr. 6 zu § 8 BetrVG 1972, unter B I 2 der Gründe; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 8.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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Interessen bilde. Das wichtigste Kriterium liege folglich in der räumlichen Verbundenheit der Tätigkeit der Arbeitnehmer.133 Joost definiert den Betrieb demzufolge als einen „auf Dauer angelegte[n] Tätigkeitsbereich eines Arbeitgebers, in dem er Arbeitnehmer in räumlicher Verbundenheit beschäftigt“.134 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit der vorgebrachten Kritik und die erneute Untersuchung des Betriebsbegriffs würden den Rahmen dieser Arbeit angesichts der Grundsätzlichkeit der Einwände sprengen. Trotz der teilweise sehr grundsätzlichen Kritik am Betriebsbegriff der herrschenden Meinung135 ist dieser der Bestimmung der betrieblichen Identität daher zugrunde zu legen. Auf der Grundlage des herrschenden betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs gehören somit folgende Merkmale zum Kreis der für die betriebliche Identität maßgeblichen Kriterien: der Betriebszweck, die materiellen und immateriellen Betriebsmittel, die Betriebsorganisation, die Unternehmensstruktur, die Belegschaft sowie die geographische Lage des Betriebs.136 Keine Berücksichtigung können dagegen die vom Europäischen Gerichtshof im Rahmen der Sieben-Punkte-Prüfung darüber hinaus herangezogenen Gesichtspunkte finden, namentlich der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Tätigkeiten.
II. Hierarchie der einzelnen Begriffsmerkmale Auf den ersten Blick könnte man annehmen, dass die Bestimmung der betrieblichen Identität mit der teleologischen Auslegung des Betriebsbegriffs vollbracht sei. Denn da nun feststeht, dass es der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff ist, welcher der Bestimmung der betrieblichen Identität zugrunde zu legen ist, scheint es, als könnte die Wahrung der betrieblichen Identität anhand eines Vergleichs der so herausgearbeiteten Begriffsmerkmale gemessen werden. Das würde allerdings voraussetzen, dass der Ausdruck der betrieblichen Identität im Sinne der Logik verwandt wird, so dass von einem Verlust der Betriebsidentität mit der Folge erforderlicher Neuwahlen auszugehen wäre, sobald auch nur eines seiner Merkmale verändert wird. Wie bereits dargelegt wurde, ist das jedoch nicht der Fall.137 Um unnötigen finanziellen und organisatorischen Aufwand durch Neuwahlen, die sachlich nicht gerechtfertigt sind, zu vermeiden, misst die herrschende Ansicht dem Begriff der „betrieblichen Identität“ vielmehr eine fachsprachlich-defini133 Gamillscheg, ZfA 1975, 357, 399; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 112 ff., 166 f., 248, 265, 333 f. 134 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 265. 135 Vgl. auch Konzen, RdA 2001, 76, 79 f.; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 35 ff.; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 98 ff. 136 Hohenstatt, WHSS, Rz. 69 ff.; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 8 ff.; Kreft, FS Wißmann, S. 347, 353. 137 Vgl. oben 1. Teil.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
torische Funktion bei.138 Mit seiner Hilfe soll geklärt werden, „welcher Grad an Veränderung in einem Betrieb hinnehmbar ist, ohne dass dieser als anderer Betrieb angesehen werden müsse“.139 Diese Frage soll durch eine typologische Bestimmung des Identitätsbegriffs anhand einer Gesamtbetrachtung der organisatorischen Einheit vorher und nachher beantwortet werden, wobei den einzelnen Begriffsmerkmalen nach herrschender Meinung je nach den Besonderheiten des konkreten Falls unterschiedliches Gewicht zukommen kann.140 Die Ablehnung verbindlicher Vorgaben zur Gewichtung der einzelnen Merkmale wird damit begründet, dass eine starre Rangfolge der Vielgestaltigkeit der tatsächlichen betrieblichen Erscheinungsformen nicht gerecht werde, und sich vor diesem Hintergrund verbiete. Wie eingangs beschrieben setzt hier der zweite Kritikpunkt an der Lehre von der Betriebsidentität an. Da die unterschiedlichen Merkmale nach herrschender Meinung nicht in einer abstrakten Rangfolge zueinander stehen, sind die Ergebnisse, welche die Lehre von der Betriebsidentität hervorbringt, selbst dann nicht vorhersagbar, wenn der Kreis der für die Bestimmung der betrieblichen Identität maßgeblichen Merkmale feststeht.141 Solang unter den einzelnen Kriterien keine feststehende Hierarchie existiert, kann bei der Anwendung der Lehre von der Betriebsidentität jeweils dasjenige Merkmal in den Vordergrund gerückt werden, mit dem sich das gewünschte Ergebnis (Wahrung oder Fortfall der betrieblichen Identität) begründen lässt. Angesichts fehlender Vorgaben zur Gewichtung der einzelnen Merkmale bringt die Lehre von der betrieblichen Identität nach bisherigem Verständnis also selbst dann keine ausreichend prognostizierbaren Ergebnisse hervor, wenn zur Bestimmung der betrieblichen Identität an einen einheitlichen Betriebsbegriff angeknüpft wird. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, welche Bedeutung den einzelnen Merkmalen des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs für die betriebliche Identität zukommt und ob nicht doch zumindest ein Kriterium ausgemacht werden kann, das abstrakt die anderen überwiegt. 1. Normativität des Ausdrucks „Betriebsidentität“ Entscheidend ist dabei die Erkenntnis, dass zwar die fragliche Veränderung selbst eine in der Seinswirklichkeit vorhandene und als solche durchaus messbare Erschei138
Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 24; Kreft, FS Wißmann, S. 347, 353; ausführlich hierzu s. oben 1. Teil. 139 Kreft, FS Wißmann, S. 347, 353. 140 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 13; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 42; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 72; Thüsing, DB 2004, 2474; ders., DB 2002, 738, 739; zur Notwendigkeit der typologischen Bestimmung des Betriebsbegriffs vgl. Fromen, FS D. Gaul, S. 151, 174 ff.; ausführlich hierzu s. oben S. 29 ff. 141 Vgl. insbesondere die Kritik von Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 25, 62; vgl. auch Lelley, DB 2008, 1433, 1434 („großer Ermessensspielraum“, „erhebliche Unsicherheiten“, „Rechtsunsicherheit“).
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nung ist, es sich bei ihrer Wesentlichkeit für die Betriebsidentität im Rahmen der Gesamtbetrachtung dagegen um eine Wertungsfrage handelt. Durch wertende Betrachtung soll entschieden werden, wann eine Veränderung im Betrieb so wesentlich ist, dass die bisher bestehende Vertretungsstruktur an die neuen Gegebenheiten angepasst werden muss, weil der Fortbestand des Betriebsrats unter den veränderten Bedingungen nicht mehr gerechtfertigt ist. Ob eine Veränderung im Betrieb seine betriebliche Identität berührt, hängt also davon ab, wie die Bedeutung einer Veränderung mit Blick auf den Fortbestand des Betriebsrats zu beurteilen ist.142 Ist die Bestimmung der betrieblichen Identität mithin ein Normenproblem, kann das abstrakte Gewicht, das den einzelnen Kriterien des Betriebsbegriffs im Rahmen der Gesamtbetrachtung zukommt, aber nicht von Fall zu Fall variieren.143 Denn welche Wertungen der Beurteilung betrieblicher Veränderungen zugrunde zu legen sind, gibt das Betriebsverfassungsgesetz unabhängig von den Besonderheiten des konkreten Falls abstrakt vor. a) Das Substrat betriebsverfassungsrechtlicher Repräsentation als Gegenstand einer Wertungsfrage Das ergibt sich aus folgender Überlegung: Die Lehre von der betrieblichen Identität beruht auf dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit. Dieser bindet die Arbeitnehmervertretung an den Betrieb, weil das Gesetz davon ausgeht, dass durch die Verknüpfung des Repräsentationsorgans mit dem Betrieb eine sinnvolle und effektive Vertretung der Arbeitnehmer erreicht wird. Führt die Veränderung des Betriebs dazu, dass eine sinnvolle Repräsentation der Belegschaft durch die Verknüpfung der Arbeitnehmervertretung mit dieser Einheit nicht mehr gewährleistet ist, ist die Bindung des Betriebsrats an den Betrieb nicht mehr gerechtfertigt. Die Vertretungsstruktur ist dann durch Neuwahlen an die veränderten Gegebenheiten im Betrieb anzupassen, damit eine sinnvolle Arbeitnehmervertretung in Zukunft wieder gewährleistet ist. Ein Betrieb verliert folglich seine Identität im Sinne der Identitätslehre, wenn die sinnvolle Vertretung der Arbeitnehmer durch den bisherigen Betriebsrat aufgrund einer Veränderung der Betriebsstrukturen nicht mehr gewährleistet ist. Gegenstand der Wertungsfrage, die mit Hilfe des Begriffs der betrieblichen Identität geklärt werden soll, ist somit der Fortbestand des Substrats betriebsverfassungsrechtlicher Repräsentation. Besteht dieses nach der Veränderung fort, ist der Fortbestand des Betriebsrats sowohl erforderlich als auch gerechtfertigt. b) Bewertungsmaßstab Entscheidend für die Frage, welches Gewicht den einzelnen Merkmalen im Rahmen der Gesamtbetrachtung zukommt, sind folglich die Wertungskriterien, die das 142 143
Gamillscheg, AuR 2001, 411, 413. Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 25, 62.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
Betriebsverfassungsgesetz als entscheidend für die sinnvolle Arbeitnehmervertretung und damit kennzeichnend für das Substrat betriebsverfassungsrechtlicher Repräsentation ansieht. Damit hängt die abstrakte Bedeutung, die den einzelnen Kriterien im Rahmen der Gesamtbetrachtung zukommt, nicht von den Besonderheiten des Einzelfalls ab, sondern davon, ob sie eines der für die bestmögliche Belegschaftsrepräsentation maßgeblichen Wertungskriterien verkörpern. Für die Frage, ob eine Veränderung im Betrieb so wesentlich ist, dass sie die betriebliche Identität berührt, ist dann entscheidend, ob diejenigen Merkmale des Betriebs, welche ein solches Wertungskriterium verkörpern, durch die betriebliche Änderung berührt werden. Für die Beantwortung der Frage, ob es unter den Merkmalen der Betriebsidentität eine Rangfolge gibt, sind folglich neben allgemeinen Gesichtspunkten wie insbesondere der Praktikabilität eines Merkmals vor allem die maßgeblichen Wertungskriterien der Betriebsverfassung zu berücksichtigen. Im Folgenden ist daher zunächst herauszuarbeiten, welche Wertungskriterien nach den Vorgaben der Betriebsverfassung die optimale Repräsentierbarkeit der Arbeitnehmer einer betrieblichen Einheit ausmachen und folglich das Substrat betriebsverfassungsrechtlicher Repräsentation aller Betriebe unabhängig von ihrer konkreten Erscheinungsform prägen. In einem zweiten Schritt sind die einzelnen Merkmale dann darauf hin zu untersuchen, ob sie als Abgrenzungsmerkmal praktikabel sind und gleichzeitig eines oder mehrere dieser Wertungskriterien verkörpern. Möglicherweise ergibt sich aus den Ergebnissen dieser Untersuchung eine Hierarchie der einzelnen Merkmale. 2. Maßgebliche Wertungskriterien der Betriebsverfassung Für die Betriebsverfassung ist der Betrieb kein Funktionsbereich, sondern einen Repräsentationsbereich.144 Die Bindung der Arbeitnehmervertretung an diesen Repräsentationsbereich dient, wie bereits gesehen, der Ermöglichung einer sinnvollen Interessenvertretung der Arbeitnehmer.145 Welche Wertungskriterien die optimale Arbeitnehmervertretung ausmachen, ergibt sich daher vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, aus dem Zweck derjenigen Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes, die sich mit der Abgrenzung der betrieblichen Einheiten innerhalb eines Unternehmens befassen, insbesondere aus den §§ 1, 3, 4, 50 BetrVG.146 Dabei werden
144
So Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 8; vgl. auch B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 5, 9; vgl. auch Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 62; Franzen, GKBetrVG, § 1 Rn. 35 f.; Gamillscheg, AuR 2001, 411, 413; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 238 f.; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 8; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 20; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 132; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 102. 145 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 62; Friese, RdA 2003, 92, 100; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 41, 44. 146 Friese, RdA 2003, 92, 100; dies., ZfA 2003, 237, 258; vgl. auch Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 35 f.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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mit den vom Gesetz vorgegebenen Regeln über Einrichtung und Bestand der Arbeitnehmervertretung unterschiedliche, zum Teil auch gegenläufige Ziele verfolgt.147 a) Belegschaftsnähe aa) Bedeutung Der Betriebsrat ist das wichtigste Repräsentationsorgan der Belegschaft.148 Als ihr berufener „Vertreter“ nimmt er die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber wahr. Das dazu notwendige Vertrauen erfordert eine möglichst enge Bindung zwischen dem Betriebsrat und der durch ihn betreuten Belegschaft.149 Für die Akzeptanz der Entscheidungen des Betriebsrats bei der Belegschaft ist es wichtig, dass die Arbeitnehmer das Gefühl haben, dass die von ihnen gewählten Vertreter mit ihren Sorgen und Anliegen vertraut sind, weil sie auch die ihren sind.150 Die Arbeitnehmer sollen die gewählten Vertreter als ihre Fürsprecher anerkennen, bei ihnen Rat suchen, ihnen von Missständen erzählen und sie bei Beschwerden an ihrer Seite wissen wollen.151 Das erfordert zum einen, dass die Arbeitnehmer die Kandidaten, die zur Wahl gestellt sind, möglichst kennen.152 Zum anderen muss der Betriebsrat in der Lage sein, über die mit den Betriebs- und Arbeitsbedingungen zusammenhängenden Fragen aus eigener Anschauung und Sachkunde zu urteilen.153 All dies verlangt einen möglichst engen Kontakt zwischen Belegschaft und Betriebsrat.154
147
Teusch, NZA 2007, 124, 127. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 186; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 4; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 17; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 279; vgl. auch Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 61. 149 BAG Beschl. v. 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = NJW 1963, 1325, unter II 2 f der Gründe; Gamillscheg, AuR 2001, 411, 413. 150 BAG Beschl. v. 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = NJW 1963, 1325, unter II 2 i der Gründe; Däubler, FS Dieterich, S. 63, 69; Gamillscheg, AuR 2001, 411. 151 Gamillscheg, AuR 2001, 411, 413. 152 BAG Beschl. v. 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = NJW 1963, 1325, unter II 2 i der Gründe; Beschl. v. 5. 6. 1964, 1 ABR 11/63, AP Nr. 7 zu § 3 BetrVG = SAE 1966, 69, unter II 3 c der Gründe; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 93. 153 BAG Beschl. v. 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = NJW 1963, 1325, unter II 2 i der Gründe; Däubler, FS Dieterich, S. 63, 69; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 93; Oehmann, DB 1964, 587, 588; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 88. 154 BAG Beschl. v. 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = NJW 1963, 1325, unter II 2 i der Gründe; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 93; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 8; Oehmann, DB 1964, 587, 588; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 86, 88. 148
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
bb) Gesetzliche Verankerung Das Betriebsverfassungsgesetz verfolgt das Ziel der Belegschaftsnähe, indem es für die Bildung des Betriebsrats nicht an das Unternehmen, sondern an den Betrieb anknüpft155, und so die Bildung des Repräsentationsorgans an der untersten organisatorischen Einheit innerhalb eines Unternehmens vorschreibt (vgl. § 1 Abs. 1 S. 1 BetrVG).156 Auch § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BetrVG dient der Herstellung von Nähe zwischen dem Betriebsrat und den von ihm vertretenen Arbeitnehmern.157 Diese Vorschrift, die die gesetzliche Zuordnung von Betrieben, Betriebsteilen und Nebenbetrieben regelt, lässt Arbeitsstätten in weiter räumlicher Entfernung grundsätzlich als selbstständige Betriebe gelten, so dass in ihnen eigene Betriebsräte zu wählen sind. Auf diese Weise stellt sie die für eine effektive Vertretung notwendige Nähe zwischen der Belegschaft und dem Betriebsrat auch in solchen Einheiten her, die ansonsten als Betriebsteile von dem Betriebsrat des weit entfernten „Hauptbetriebs“ mitvertreten würden.158 Die Steigerung der Effektivität der Betriebsratsarbeit durch die Herstellung größerer Belegschaftsnähe war auch eines der Reformziele der Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes von 2001. Durch die Neuerungen sollte die Arbeitnehmerrepräsentation an die Realitäten in den Betrieben angepasst werden, in denen – so die Regierungsbegründung – generell eine Entwicklung „weg von zentralen Entscheidungen hin zu Dezentralisierung, weg von großen Arbeitseinheiten mit standardisierten Vorgaben hin zu Arbeitsgruppen und Arbeitsteams mit weitgehenden Entscheidungsbefugnissen und weg von strengen Hierarchien hin zur Nutzung von Kreativität und Eigeninitiative“ stattgefunden habe.159 Diesem Zweck diente insbesondere die Einführung des § 28a BetrVG, der es dem Betriebsrat in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern ermöglicht, bestimmte Aufgaben nach Maßgabe einer mit dem Arbeit-
155 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 59, 62; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 239; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 11; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 8; Preis, RdA 2000, 257, 278; Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 12, 20; ders., NZA 2001, 346, 348; ders., ArbRGegw Bd. 13 (Dokumentation 1975), S. 19, 46. 156 Konzen, RdA 2001, 77, 79; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 1, 80; kritisch zu dieser Annahme: Richardi, NZA 2001, 346, 351. 157 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 4 Rn. 14; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 93; Plander, NZA 2002, 483; Richardi, NZA 2001, 346, 348; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 88. 158 Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 29, 36; Gamillscheg, ZfA 1975, 357, 399; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 88; Oehmann, DB 1964, 587, 588 zu § 3 BetrVG 1952. 159 BT-Drucks. 14/5741, S. 23; vgl. auch Richardi, NZA 2001, 346, 347; sowie Konzen, RdA 2001, 77, 78: Ein großer Teil der Regelungen diene der Anpassung der Betriebsverfassung an eine veränderte Unternehmensorganisation.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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geber abzuschließenden Rahmenvereinbarung auf Arbeitsgruppen zu übertragen.160 Anders als ein Ausschuss, auf den der Betriebsrat nach § 28 BetrVG quasi organintern Aufgaben delegieren kann, kann die Arbeitsgruppe nach § 28a BetrVG auch aus nicht dem Betriebsrat angehörenden Arbeitnehmern gebildet werden.161 Sie hat das Recht, im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben mit dem Arbeitgeber Vereinbarungen zu schließen, für die § 77 BetrVG entsprechend gilt.162 Diese neue „direkt-demokratische“163 Gruppenvertretung tritt zwischen die Interessenwahrnehmung durch die einzelnen Arbeitnehmer einerseits und durch den Betriebsrat andererseits164, wodurch „den Bedürfnissen der Praxis und dem Wunsch der Arbeitnehmer nach mehr unmittelbarer Beteiligung Rechnung“ getragen werden soll165. Dem Ziel größerer Belegschaftsnähe der Arbeitnehmervertretung dient schließlich der im Jahr 2001 ebenfalls neu eingefügte § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG, der die Einrichtung betriebsverfassungsrechtlicher Vertretungen der Arbeitnehmer unterhalb der Ebene des Betriebsrats ermöglicht.166 b) Entscheidungsnähe aa) Bedeutung Die Rolle des Betriebsrats wird aber nicht allein durch sein Verhältnis zu den von ihm vertretenen Arbeitnehmern charakterisiert. Gleichermaßen kennzeichnend ist seine Stellung als Gegenpol zum Arbeitgeber, dem gegenüber die Beteiligungsrechte auszuüben sind und mit dem verhandelt werden muss.167 Denn die Betriebsverfassung ist „nicht arbeitgeberunabhängig, was schon daraus folgt, dass sie sich innerhalb der Strukturen privatrechtlich organisierter Unternehmen entfaltet“.168 Auch das Arbeits-
160 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 28a Rn. 5; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 93; Raab, GK-BetrVG, § 28a Rn. 2; Reichold, HWK, BetrVG, § 28a Rn. 1. 161 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 28a Rn. 19; Koch, ErfK, BetrVG, § 28a Rn. 1; Raab, GK-BetrVG, § 28a Rn. 8; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 28a Rn. 8; Wedde, DKKW, BetrVG, § 28a Rn. 1. 162 Richardi, NZA 2001, 346, 351. 163 Kappenhagen, Jaeger/Röder/Heckelmann, Kap. 5 Rn. 130; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 28a Rn. 2. 164 Blanke, RdA 2003, 140, 141. 165 BT-Drucks. 14/5741, S. 40; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 28a Rn. 1; Wedde, DKKW, BetrVG, § 28a Rn. 1. 166 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 61; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 97. 167 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 86. 168 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 205; Richardi, NZA 2001, 346, 348.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
verhältnis besteht nicht mit dem Betrieb, sondern mit dem Arbeitgeber.169 Dieser ist der einzige Adressat der betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte, da es allein seine Entscheidungsmacht ist, die durch das Betriebsverfassungsrecht begrenzt werden soll.170 Die Arbeit des Betriebsrats besteht folglich maßgeblich darin, sich mit dem Arbeitgeber auseinander zu setzen, mit ihm zu verhandeln und ihm gegenüber seine Beteiligungsrechte geltend zu machen und auszuüben.171 Um diese Verhandlungen möglichst nutzbringend zu gestalten, ist es unerlässlich, dass der Betriebsrat dort gebildet wird, wo er auf der Seite des Arbeitgebers der Person oder Abteilung gegenübertritt, die sachlich und instanziell zuständig ist.172 Er kann die ihm zugewiesenen Rechte und Aufgaben nur wahrnehmen, wenn er einen Verhandlungspartner zum Gegenüber hat, dessen Kompetenz seiner eigenen betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenz spiegelbildlich entspricht173, denn wo kompetente Verhandlungspartner fehlen, „läuft die Arbeit der Betriebsräte ins Leere“174. Die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten kann der Betriebsrat beispielsweise nur dort wirksam ausüben, wo sein Ansprechpartner mit der entsprechenden Entscheidungsbefugnis über Einstellung, Versetzung und Kündigung ausgestattet ist.175 Aus diesem Grund verfolgt das Betriebsverfassungsgesetz das Ziel, die betriebliche Repräsentationseinheit so zu fassen, dass der Betriebsrat entscheidungsnah gebildet wird.176
169
Richardi, NZA 2001, 346, 348. v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 6; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238; Richardi, NZA 2001, 346, 348; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 86. 171 BAG Beschl. v. 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = NJW 1963, 1325, unter II 2 g der Gründe. 172 BAG Beschl. v. 21. 10. 1980, 6 ABR 41/78, BAGE 34, 230 = AP Nr. 1 zu § 54 BetrVG 1972, unter III 2 c bb der Gründe; Beschl. v. 30. 10. 1986, 6 ABR 19/85, BAGE 53, 287 = AP Nr. 1 zu § 55 BetrVG 1972, unter B II 1 c der Gründe; Beschl. v. 24. 1. 2001, 4 ABR 4/00, BAGE 97, 31 = AP Nr. 1 zu § 3 BetrVG 1972, unter B III 2 b der Gründe; Beschl. v. 7. 5. 2008, 7 ABR 17/07, NZA 2009, 328, unter B I 3 a der Gründe; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 8; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 86. 173 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 86; vgl. auch Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 92. 174 BT-Drucks. 14/5741, S. 23. 175 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 78. 176 BAG Beschl. v. 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = NJW 1963, 1325, unter II 2 g der Gründe; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 36; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 91; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 8; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238; Richardi, NZA 2001, 346, 348; Trappehl/Zimmer, BB 2008, 778; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 88; vgl. auch Teusch, NZA 2007, 124, 127. 170
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bb) Gesetzliche Verankerung Dass das Betriebsverfassungsgesetz eine entscheidungsnahe Arbeitnehmervertretung anstrebt, zeigt sich zunächst darin, dass es nicht eine einheitliche, für alle Arbeitnehmer und in allen Belangen zuständige Interessenvertretung der Arbeitnehmer vorgibt, sondern entlang der unternehmerischen Entscheidungs- und Leitungsstruktur (Betrieb, Unternehmen, Konzern) nebeneinander mehrere bereichsgebundene Institutionen der betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmung vorsieht.177 So ordnet das Gesetz den Betriebsrat dem Betrieb (§ 1 BetrVG), den Gesamtbetriebsrat dem Unternehmen (§ 47 Abs. 1 BetrVG) und den Konzernbetriebsrat dem Konzern (§ 54 Abs. 1 BetrVG) zu.178 Auch der Wirtschaftsausschuss ist beim Unternehmen und nicht beim Betrieb angesiedelt, da die in § 106 Abs. 3 BetrVG aufgezählten Angelegenheiten üblicherweise auf Unternehmensebene entschieden werden. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass das Recht des Ausschusses auf Unterrichtung leer läuft, weil die erforderliche Kompetenz nur bei Entscheidungsträgern des Arbeitgebers vorhanden ist, die in der Hierarchie an anderer Stelle angesiedelt sind als der Ausschuss.179 Eine Bestätigung des Prinzips der Entscheidungsnähe durch den Gesetzgeber ist zudem in der Erweiterung des Fallkatalogs des § 3 Abs. 1 BetrVG im Rahmen der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001 zu sehen.180 Die seitdem nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mögliche Einrichtung von Arbeitnehmervertretungen bei der Spartenorganisation und die nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mögliche unternehmensübergreifende Kooperation durch Netzwerke dienen der Herstellung von Nähe zwischen dem Betriebsrat und den jeweiligen Entscheidungsebenen.181 Auch die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BetrVG soll sich nach der Regierungsbegründung „insbesondere anbieten, wenn die Entscheidungskompetenzen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten zentral auf Unternehmensebene angesiedelt sind.“182 177 Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 91; Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 767; Hromadka/ Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 16 Rn. 69; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 86. 178 Teusch, NZA 2007, 124, 127; Wendeling-Schröder, NZA 1999, 1065; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 86, 93. 179 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 86 f. 180 Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 92, 94; Konzen, RdA 2001, 79, 80; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 24; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 111, 128, 135; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 124, 130. 181 Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 134; Konzen, RdA 2001, 79, 80; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 128; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 130. 182 BT-Drucks. 14/5741, S. 34; vgl. auch Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 16, 22.
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c) Umfassende Belegschaftsrepräsentation aa) Bedeutung Neben der optimalen Verortung des Betriebsrats auf vertikaler Ebene ist für die Effektivität der Arbeitnehmervertretung die Reichweite der Betriebsratsarbeit auf horizontaler Ebene entscheidend. Der einzelne Arbeitnehmer ist aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung gehalten, sich in den Betrieb des Unternehmens zu integrieren und die ihm vom Arbeitgeber übertragenen Aufgaben weisungsabhängig durchzuführen.183 Hinsichtlich der im Arbeitsvertrag regelmäßig nur abstrakt umschriebenen Tätigkeiten und deren Eingliederung in die betrieblichen Abläufe steht dem Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechts anerkanntermaßen die Planungs-, Organisations- und Leitungskompetenz zu184, an der die Arbeitnehmer durch das System der Mitbestimmung beteiligt werden sollen185. Da die betriebliche Mitbestimmung aber primär im Betrieb stattfindet und daher von den organisatorischen Vorgaben des Unternehmers abhängt, verfolgt die Betriebsverfassung mit unterschiedlichen Mitteln das Ziel, die betriebliche Mitbestimmung ungeachtet der Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers für möglichst alle Arbeitnehmer eines Unternehmens durchzusetzen.186 bb) Gesetzliche Verankerung Das Ziel der umfassenden Belegschaftsrepräsentation liegt beispielsweise der 2001 neu gefassten Regelung des § 4 S. 2 BetrVG zugrunde.187 Dieser soll es der Belegschaft unter anderem ermöglichen, die alten Vertretungsstrukturen durch Mehrheitsbeschluss aufrechtzuerhalten, wenn der Arbeitgeber auf Grund seiner Organisationsherrschaft die betrieblichen Strukturen innerhalb des Unternehmens neu ordnet.188 Dazu erlaubt § 4 S. 2 BetrVG den Arbeitnehmern, die in einem zum Unternehmen gehörenden Betriebsteil selbst keinen Betriebsrat gebildet haben, mit Stimmenmehrheit formlos zu beschließen, (weiterhin) an der Wahl des Betriebsrats im Haupt183
Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 5. Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 86 f.; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 2, 5. 185 v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 6; Richardi, Richardi, BetrVG, Einleitung Rn. 84 f.; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 2; Teusch, NZA 2007, 124, 127; Wiese, GK-BetrVG, Einleitung Rn. 78 ff.; vgl. hierzu bereits S. 57 f. 186 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 61; Franzen, GKBetrVG, § 3 Rn. 8, 11; Friese, RdA 2003, 92, 100; dies., ZfA 2003, 237, 258; Kania/Klemm, RdA 2006, 22, 23; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 128; ders., NZA 2007, 124, 127. 187 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 4 Rn. 12; Konzen, RdA 2001, 76, 82; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 128; Trümner, DKKW, BetrVG, § 4 Rn. 2; vgl. auch Richardi, Richardi, BetrVG, § 4 Rn. 48. 188 Richardi, Richardi, BetrVG, § 4 Rn. 34. 184
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betrieb teilzunehmen. Dieser vertritt dann ihre Interessen und nimmt die Mitwirkungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz für sie wahr.189 Dass der Reformgesetzgeber das Ziel einer umfassenden Belegschaftsrepräsentation verfolgt hat, zeigt zudem die Einführung des § 50 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BetrVG, der die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats auf Betriebe ohne Betriebsrat erstreckt.190 Vor der Neuregelung war umstritten, ob der Gesamtbetriebsrat auch für betriebsratslose Betriebe des Unternehmens zuständig sein soll. Die damals herrschende Meinung lehnte eine derart weit reichende Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats ab.191 Begründet wurde diese Ansicht mit der für die betriebsratslosen Betriebe fehlenden demokratischen Legitimation des Gesamtbetriebsrats: Der Gesetzgeber zwinge die Belegschaft nicht zur Wahl von Betriebsräten, sondern lasse es zu, dass eine organisierte kollektive betriebliche Interessenvertretung der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber nicht stattfinde. Habe sich die Belegschaft eines Betriebs entsprechend dieser Möglichkeit gegen die Wahl eines Betriebsrats entschieden, stehe dieser Betrieb aber außerhalb der Betriebsverfassung und unterliege deswegen auch nicht der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats.192 Die gesetzliche Entscheidung der Streitfrage entgegen der damals herrschenden Meinung betont die Bedeutung, die der Gesetzgeber der umfassenden Belegschaftsrepräsentation zumisst. Gleiches gilt für § 58 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BetrVG, der der Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Gesamtbetriebsrat und Einzelbetriebsräten gem. § 50 BetrVG nachgebildet ist.193 Auch die originäre Zuständigkeit des Konzernbetriebsrats erstreckt sich nunmehr „auf Unternehmen, die einen Gesamtbetriebsrat nicht gebildet haben, sowie auf Betriebe der Konzernunternehmen ohne Betriebsrat“. Das Ziel einer möglichst umfassenden Belegschaftsrepräsentation lag ferner der ebenfalls 2001 neu gefassten Regelung des § 3 Abs. 1 BetrVG zugrunde, insbesondere dessen Nummern 1 und 3. So lässt § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG die Einrichtung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats (lit. a) oder die Zusammenfassung mehrerer Betriebe (lit. b) zu, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert, wenn also andernfalls die Gefahr besteht, dass gar kein Betriebsrat besteht.194 § 3 Abs. 1 189
Trümner, DKK, BetrVG, § 4 Rn. 2; Richardi, Richardi, BetrVG, § 4 Rn. 4. Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 128; vgl. auch ders., NZA 2007, 124, 126; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 102. 191 Vgl. BAG Urt. v. 16. 8. 1983, 1 AZR 544/81, BAGE 44, 86 = AP Nr. 5 zu § 50 BetrVG; Urt. v. 25. 4. 1995, 9 AZR 690/93, BAGE 80, 10 = AP Nr. 130 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, unter I 2 d der Gründe; Behrens/Schande, DB 1991, 278, 279; Blohmeyer, DB 1967, 2221, 2225; Glaubitz, HSG, BetrVG, § 50 Rn. 8; Kreutz, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 50 Rn. 41. 192 Vgl. BAG Urt. v. 16. 8. 1983, 1 AZR 544/81, BAGE 44, 86 = AP Nr. 5 zu § 50 BetrVG; Urt. v. 25. 4. 1995, 9 AZR 690/93, BAGE 80, 10 = AP Nr. 130 zu § 242 BGB Gleichbehandlung, unter I 2 d der Gründe; Behrens/Schande, DB 1991, 278, 279. 193 Teusch, NZA 2007, 124, 127. 194 BT-Drucks. 14/5741, S. 23; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 29; Teusch, NZA 2007, 124, 127; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 123. 190
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
Nr. 3 BetrVG soll die Schaffung abweichender Vertretungsstrukturen nach der Gesetzesbegründung insbesondere dort eröffnen, wo die zweckmäßige Interessenvertretung „auf Grund von Sonderformen der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder der Zusammenarbeit von Unternehmen in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht generell mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist“.195 Dem Zweck einer möglichst umfassenden Repräsentation der Arbeitnehmer durch einen Betriebsrat dient schließlich auch das Optionsrecht der Arbeitnehmer eines tariflosen und betriebsratslosen Unternehmens, die gem. § 3 Abs. 3 BetrVG die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen können, „statt den mühsameren Weg über Betriebsversammlungen zur Bestellung von Wahlvorständen (§ 17 Abs. 2 BetrVG) in allen unternehmenszugehörigen Betrieben und Betriebsteilen gehen zu müssen“.196 d) Klare Funktionsabgrenzung zwischen den Repräsentationsorganen aa) Bedeutung Ebenso wie „zu wenig“ an betriebsverfassungsrechtlicher Vertretung der Durchsetzung der betrieblichen Mitbestimmung im Weg steht, kann jedoch auch „zu viel“ Repräsentation die Effektivität der Interessenvertretung gefährden, wenn es dadurch zu Kompetenzüberschneidungen kommt. Mit Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat sieht das Betriebsverfassungsgesetz drei Repräsentationsgremien auf unterschiedlichen Ebenen innerhalb eines Unternehmens vor. Würden diese Gremien in sich überschneidenden Aufgabenbereichen nebeneinander herarbeiten, wäre das nicht nur unfruchtbar, sondern könnte darüber hinaus zu „unerquicklichen Rivalitäten“ zwischen den verschiedenen Organen führen.197 Um dies zu verhindern verfolgt das Betriebsverfassungsgesetz das Ziel der klaren Funktionsabgrenzung zwischen den verschiedenen Repräsentationsorganen.198 bb) Gesetzliche Verankerung Mittel zur Erreichung dieses Ziels ist der Grundsatz der Zuständigkeitstrennung, der für das Verhältnis von Betriebsrat, Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat gilt 195
BT-Drucks. 14/5741, S. 34. Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 1. 197 BAG Beschl. v. 24. 2. 1976, 1 ABR 62/75, AP Nr. 2 zu § 4 BetrVG 1972 = DB 1976, 1579, unter III 1 der Gründe. 198 BAG Beschl. v. 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = NJW 1963, 1325, unter II 2 3 der Gründe; Beschl. v. 5. 6. 1964, 1 ABR 11/63, AP Nr. 7 zu § 3 BetrVG = ArbuR 1965, 63, unter II 3 c der Gründe; Beschl. v. 24. 2. 1976, 1 ABR 62/75, AP Nr. 2 zu § 4 BetrVG 1972 = DB 1976, 1579, unter III 1 der Gründe; Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 8; Friese, RdA 2003, 92, 100; dies., ZfA 2003, 237, 258; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 237; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 128; ders., NZA 2007, 124, 127. 196
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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(vgl. §§ 50, 58 BetrVG).199 Danach schließen sich die Zuständigkeiten der unterschiedlichen Gremien gegenseitig aus200, so dass originär immer nur entweder der Betriebsrat oder der Gesamtbetriebsrat oder der Konzernbetriebsrat zuständig sein kann201. Auch besteht keine Rahmenkompetenz des Gesamtbetriebsrats oder des Konzernbetriebsrats.202 Die klare Zuständigkeitsabgrenzung zwischen Gesamtbetriebsrat und Einzelbetriebsräten ist in § 50 BetrVG zwingend geregelt.203 e) Effektive Aufgabenwahrnehmung durch Freistellung und Spezialisierung aa) Bedeutung Neben der klaren Abgrenzbarkeit der Aufgaben der verschiedenen Repräsentationsorgane ist für die Wirksamkeit der Betriebsratsarbeit schließlich die effektive Wahrnehmung der unterschiedlichen Aufgaben innerhalb des Betriebsrats entscheidend.204 Dass eine solche insbesondere in großen Betrieben nicht immer leicht zu realisieren ist, liegt unter anderem daran, dass die Betriebsräte mit der Größe ihres Betriebs wachsen (vgl. § 9 BetrVG). So besteht beispielsweise der Betriebsrat in Betrieben mit in der Regel mehr als 400 Arbeitnehmern aus 11 Mitgliedern, bei in der Regel mehr als 2000 Arbeitnehmern sogar aus 19 Mitgliedern (vgl. § 9 S. 1 BetrVG). Eine Grenze nach oben sieht das Gesetz nicht vor.205 Gleichzeitig werden aber die dem Betriebsrat obliegenden Aufgaben – unabhängig von der Größe des Betriebs – immer 199 BAG Beschl. v. 8. 6. 2004, 1 ABR 4/03, BAGE 111, 48 = AP Nr. 20 zu § 76 BetrVG Einigungsstelle, unter B III 3 a der Gründe; Beschl. v. 14. 11. 2006, 1 ABR 4/06, BAGE 120, 146 = AP Nr. 43 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, unter B I 2 b cc (1) (a) der Gründe; Urt. v. 19. 6. 2007, 1 AZR 454/06, AP Nr. 4 zu § 58 BetrVG 1972 = NZA 2007, 1184, unter II 2 a aa der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 50 Rn. 9; Friese, RdA 2003, 92, 100; dies., ZfA 2003, 237, 258; Glock, HWSGN, BetrVG, § 50 Rn. 5; Koch, ErfK, BetrVG, § 50 Rn. 2; Kreutz, GK-BetrVG, § 50 Rn. 17 ff.; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 128; ders., NZA 2007, 124, 127. 200 BAG Beschl. v. 6. 4. 1976, 1 ABR 27/74, AP Nr. 2 zu § 50 BetrVG 1972 = DB 1976, 1290, unter II 2 der Gründe; Beschl. v. 20. 12. 1995, 7 ABR 8/95, BAGE 82, 36 = AP Nr. 1 zu § 58 BetrVG 1972 unter B I der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 50 Rn. 9; Schmitt-Rolfes, FS 50 Jahre BAG, S. 1081, 1084. 201 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 50 Rn. 9. 202 BAG Beschl. v. 14. 11. 2006, 1 ABR 4/06, BAGE 120, 146 = AP Nr. 43 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, unter B I 2 b cc (1) (b) der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/ Linsenmaier, BetrVG, § 50 Rn. 9. 203 BAG Beschl. v. 14. 11. 2006, 1 ABR 4/06, BAGE 120, 146 = AP Nr. 43 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, unter B I 1 c bb (1) der Gründe; Beschl. v. 30. 8. 1995, 1 ABR 4/95, BAGE 80, 366 = AP Nr. 29 zu § 87 BetrVG 1972 Überwachung, unter B I 2 b der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 50 Rn. 10; Kreutz, GK-BetrVG, § 50 Rn. 6. 204 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 8; Friese, RdA 2003, 92, 100; dies., ZfA 2003, 237, 258. 205 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 9 Rn. 47; Kreutz, GK-BetrVG, § 9 Rn. 1; Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 9 Rn. 5.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
vielfältiger und diffiziler.206 Der Betriebsrat hat folglich als unter Umständen relativ großes Gremium eine Vielzahl verschiedener Aufgaben zu erledigen und dabei teilweise sehr komplizierte Gesetzesregelungen zu befolgen.207 Das führt – geht man zunächst von der Erledigung der Aufgaben durch das Plenum aus – zu einer gewissen Schwerfälligkeit der Betriebsratsarbeit.208 Diese Schwäche gleicht das Gesetz aus, indem es die Möglichkeit eröffnet, die Betriebsratsarbeit durch Freistellung und Spezialisierung zu intensivieren. bb) Gesetzliche Verankerung § 28 BetrVG erlaubt hierfür in Betrieben mit mehr als 100 Arbeitnehmern die Bildung von Fachausschüssen durch den Betriebsrat.209 Hierdurch erhalten die Betriebsräte die Möglichkeit, „die Betriebsratsarbeit besser und effektiver zu strukturieren und zu erledigen, indem sie für bestimmte Angelegenheiten Fachausschüsse bilden können, die für fachspezifische Themen zuständig sind und diese für eine sachgerechte Beschlussfassung im Betriebsrat vorbereiten“.210 Auf diese Weise wird erreicht, dass nicht alle Angelegenheiten gemeinsam behandelt werden müssen, sondern einzelne Fragen an spezialisierte Ausschüsse verwiesen werden können.211 Der Schwerfälligkeit des Betriebsratgremiums wird damit ein Instrument zur Arbeitsteilung und Spezialisierung entgegengesetzt.212 Der effektiveren Aufgabenwahrnehmung durch den Betriebsrat dient auch § 38 BetrVG, der im Gegensatz zu der Arbeitsbefreiung der Betriebsratsmitglieder für die Betriebsratstätigkeit aus einem bestimmten Anlass (vgl. § 37 Abs. 2 BetrVG) die ständige Freistellung von Betriebsratsmitgliedern regelt.213 Danach hat der Arbeitgeber in Abhängigkeit von der Betriebsgröße eine bestimmte Anzahl der Betriebsratsmitglieder freizustellen, so dass diese sich ausschließlich auf die Betriebsratsarbeit konzentrieren können, ohne gleichzeitig ihrer beruflichen Tätigkeit nach206
BT-Drucks. 14/5741, S. 39; vgl. auch Reichold, HWK, BetrVG, § 9 Rn. 1. Raab, GK-BetrVG, § 28 Rn. 11. 208 Thüsing, Richardi, BetrVG, § 9 Rn. 1; Raab, GK-BetrVG, § 28 Rn. 4. 209 Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 537; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 28 Rn. 6; Glock, HSWGN, BetrVG, § 28 Rn. 1; Raab, GK-BetrVG, § 28 Rn. 11; Reichold, HWK, BetrVG, § 28 Rn. 1; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 128; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 28 Rn. 1; Wedde, DKKW, BetrVG, § 28 Rn. 1. 210 BT-Drucks. 14/5741, S. 39, 40. 211 BT-Drucks. 14/5741, S. 26, 28, 39 f.; Raab, GK-BetrVG, § 28 Rn. 4. 212 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 28 Rn. 5; vgl. auch Koch, ErfK, BetrVG, § 28 Rn. 1; Raab, GK-BetrVG, § 28 Rn. 11. 213 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 38 Rn. 1; Friese, ZfA 2003, 237, 258; Koch, ErfK, BetrVG, § 38 Rn. 1; Reichold, HWK, BetrVG, § 38 Rn. 1; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 128; ders., NZA 2007, 124, 127; Weber, GK-BetrVG, § 38 Rn. 1; vgl. auch Thüsing, Richardi, BetrVG, § 38 Rn. 5. 207
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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gehen zu müssen.214 Die für die Zahl der freizustellenden Betriebsratsmitglieder maßgeblichen Schwellenwerte hat der Reformgesetzgeber 2001 abgesenkt. Auch damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass die Anforderungen an die Betriebsratsarbeit stetig zunehmen, und in Betrieben von einer bestimmten Größe an ohne die Freistellung einzelner Betriebsratsmitglieder nicht ordnungsgemäß erfüllt werden können.215 3. Merkmale der betrieblichen Identität im Einzelnen Nachdem der Kreis derjenigen Wertungskriterien feststeht, anhand derer zu beurteilen ist, welche Bedeutung der Veränderung eines die betriebliche Identität kennzeichnenden Merkmals im Rahmen der Gesamtbetrachtung zukommt, ist nun zu untersuchen, ob sich die Merkmale der betrieblichen Identität auf dieser Grundlage in eine allgemeingültige Rangfolge ordnen lassen oder ob zumindest ein Charakteristikum des Betriebs so bedeutsam für die optimale Arbeitnehmerrepräsentation ist, dass es im Rahmen der Gesamtbetrachtung abstrakt die anderen überwiegt. Dabei ist zu beachten, dass die Bedeutung der einzelnen Begriffsmerkmale im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht allein davon abhängt, ob sie eines der maßgeblichen Wertungskriterien der Betriebsverfassung verkörpern. Mitentscheidend für das Gewicht eines Merkmals ist seine Praktikabilität. Denn Grundvoraussetzung für die hervorgehobene Stellung eines Merkmals im Rahmen der Gesamtbetrachtung ist, dass es eine Abgrenzung leistet, wobei zu bedenken ist, dass überhaupt nur wesentliche Veränderungen eines Merkmals im Rahmen der Gesamtbetrachtung besonders berücksichtigt werden. Um die Frage zu klären, in welchem Verhältnis die einzelnen Merkmale der betrieblichen Identität zueinander stehen, sind sie im Folgenden zunächst einzeln auf ihre Praktikabilität und ihre abstrakte Bedeutung für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der betrieblichen Einheit hin zu untersuchen. Dabei werden nicht nur die Merkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs in die Prüfung einbezogen, sondern auch jene, welche die bislang herrschende Meinung durch einen Rückgriff auf die im Betriebsübergangsrecht entwickelten Kriterien darüber hinaus zur Bestimmung der betrieblichen Identität heranzieht. So kann überprüft werden, ob das zuvor bei der Bestimmung der maßgeblichen Kriterien gewonnene Ergebnis, dass nämlich die im Rahmen des Betriebsübergangsrechts entwickelten Kriterien und Maßstäbe für die Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsidentität irrelevant sind, einer konkreten Betrachtung der jeweiligen Merkmale standhält. Steht die abstrakte Bedeutung der einzelnen Merkmale für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der betrieblichen Einheit fest, lässt sich hieraus in einem zweiten Schritt möglicherweise eine konkrete Rangfolge der Kriterien ableiten. 214 Koch, ErfK, BetrVG, § 38 Rn. 1; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betriebsratsfreistellung Rn. 14; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 38 Rn. 5. 215 BT-Drucks. 14/5741 S. 28, 36; Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 536; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 9 Rn. 2; Weber, GK-BetrVG, § 38 Rn. 1, 2; Reichold, HWK, BetrVG, § 9 Rn. 1 sieht darin lediglich eine „Unterstellung“.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
a) Betriebszweck Der Betriebszweck ist der arbeitstechnische Zweck, der in einem Betrieb verfolgt wird.216 Er grenzt den Betrieb vom Unternehmen ab, das in der Regel wirtschaftliche Zwecke verfolgt.217 Nach ganz herrschender Meinung gehört er daher zu den Merkmalen, die einen Betrieb konstituieren und deshalb seine Identität mitbestimmen.218 Dabei ist in Rechtsprechung219 und Literatur220 anerkannt, dass auch in einem einheitlichen Betrieb verschiedene arbeitstechnische Zwecke verfolgt werden können, wie beispielsweise Produktion und Vertrieb. Für eine Änderung des Betriebszwecks kommen grundsätzlich drei Fallgestaltungen in Betracht: Der bisherige Betriebszweck kann durch einen anderen ersetzt221 oder durch einen weiteren ergänzt werden222,
216
BAG Beschl. v. 11. 2. 2004, 7 ABR 27/03, BAGE 109, 332 = AP Nr. 22 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B I 1 der Gründe; Beschl. v. 22. 6. 2005, 7 ABR 57/04, AP Nr. 23 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B II 1 der Gründe; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 69; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 38; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 4; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 24; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 9; Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 100; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 22. 217 BAG Beschl. v. 24. 2. 1976, 1 ABR 62/75, AP Nr. 2 zu § 4 BetrVG 1972 = SAE 1977, 52, unter III 2 der Gründe; Gamillscheg, ZfA 1975, 357, 359 f.; Kloppenburg, Düwell, HaKoBetrVG, § 1 Rn. 10; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 9; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 18; Vogelsang, Schaub, ArbR-Hdb., § 18 Rn. 1. 218 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 43; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 9a; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 69; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 9; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 22; Rieble, NZA 2002, 233, 234; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5; ders., DB 2004, 2474; ders., DB 2002, 738, 739; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14, 15; Willemsen, FS Richardi, S. 475, 479; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 21a Rn. 13; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 8. 219 Vgl. BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 a der Gründe; Urt. v. 23. 3. 1984, 7 AZR 515/82, BAGE 45, 259 = AP Nr. 4 zu § 23 KSchG 1969, unter I 2 a der Gründe; Beschl. v. 25. 9. 1986, 6 ABR 68/84, BAGE 53, 119 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972, unter 3 der Gründe; Beschl. v. 14. 09. 1988, 7 ABR 10/87, BAGE 59, 319 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, unter B 2 der Gründe. 220 Vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 69; Franzen, GKBetrVG, § 1 Rn. 38; Gamillscheg, ZfA 1975, 357, 373 f.; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 10; Haase, Sonderbeilage zu NZA Heft 18/1988, 11, 13; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 25; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 9; ders., Schaub, ArbR-Hdb., § 214 Rn. 3; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betrieb (Begriff) Rn. 3; Kreutz, FS Richardi, S. 637, 642; Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 100; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 24. 221 BAG Urt. v. 17. 12. 1985, 1 ABR 78/83, BAGE 50, 307 = AP Nr. 15 zu § 111 BetrVG 1972, unter II 1 a der Gründe; Oetker, GK-BetrVG, § 111 Rn. 142; Schwanecke, Die „grundlegende Änderung des Betriebszwecks“, S. 47 f. 222 BAG Urt. v. 17. 12. 1985, 1 ABR 78/83, BAGE 50, 307 = AP Nr. 15 zu § 111 BetrVG 1972, unter II 1 a der Gründe; Urt. v. 16. 6. 1987, 1 ABR 41/85, BAGE 55, 356 = AP Nr. 19 zu § 111 BetrVG 1972, unter II 2 b der Gründe; Oetker, GK-BetrVG, § 111 Rn. 142; Schwanecke, Die „grundlegende Änderung des Betriebszwecks“, S. 47 f.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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oder von mehreren bislang verfolgten arbeitstechnischen Zwecken werden einer oder mehrere aufgegeben223. aa) Praktikabilität des Merkmals Einigkeit besteht darüber, dass nicht jeder Betriebszweck wesentlich für den Betrieb ist und folglich nicht jede Zweckänderung einen Identitätsverlust nach sich zieht.224 Schon zum Betriebsrätegesetz wurde die Ansicht vertreten, ein neuer Betrieb, der einer neuen Vertretung bedürfe, entstehe erst, wenn der Betrieb „vollkommen umgestellt, aus einem Konfektionsgeschäft beispielsweise ein Restaurant“ würde. Eine nur geringfügige Zweckänderung reiche dagegen nicht aus, um die Identität eines Betriebs zu verändern.225 Wo die Grenze zwischen für die Betriebsidentität wesentlichen und unwesentlichen Änderungen des Betriebszwecks zu ziehen ist, ist jedoch streitig.226 (1) Wesentliche Zweckänderung bei nicht „bereits angelegtem Betriebszweck“? Für das Betriebsübergangsrecht schlägt Annuß vor, wesentliche und unwesentliche Änderungen des Betriebszwecks anhand der Frage voneinander abzugrenzen, ob der neue Betriebszweck bereits in dem alten Betrieb „angelegt“ war. Werde ein in der ursprünglichen organisatorischen Einheit ohnehin als möglich angelegter Betriebszweck realisiert, handele es sich lediglich um eine für die Betriebsidentität unwesentliche Zweckänderung. Verwirkliche der Betriebsinhaber hingegen einen neuen Zweck, dessen Verfolgung nicht bereits im Ursprungsbetrieb angelegt war, handele es sich um eine wesentliche Zweckänderung.227 Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass dieses Kriterium für die Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Zweckänderungen wenig hilfreich ist, da mit der Frage danach, ob der geänderte Betriebszweck in dem Betrieb bereits angelegt war, das Problem lediglich verschoben, nicht aber gelöst wird. Denn die Frage, wann ein Betriebszweck in einem Betrieb „angelegt“ ist und wann nicht, ist nicht weniger schwer zu beantworten als die Frage, ob eine Betriebsänderung „wesentlich“ ist. Annuß ersetzt lediglich einen auslegungsbedürftigen Begriff durch 223
BAG Urt. v. 16. 6. 1987, 1 ABR 41/85, BAGE 55, 356 = AP Nr. 19 zu § 111 BetrVG 1972, unter II 2 b der Gründe; Oetker, GK-BetrVG, § 111 Rn. 142; Schwanecke, Die „grundlegende Änderung des Betriebszwecks“, S. 47 f. 224 Vgl. BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 b der Gründe; LAG Frankfurt a.M. Urt. v. 12. 4. 1950, II LA 37/50, BB 1950, 479; Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 76; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 18; D. Gaul, Betriebsinhaberwechsel, S. 37; U. Fischer, RdA 2005, 39, 43; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 26. 225 Vgl. Flatow/Kahn-Freund, BRG, § 9 Anm. III. 226 Vgl. Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 76; Flatow, BRG, § 9 Rn. 8; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100. 227 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 76; ders., NZA 1998, 70, 74.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
einen anderen. So betrachtet stellt sich die von ihm vorgeschlagene Lösung als bloße Umformulierung des Problems dar. Dies mag durch folgendes Beispiel verdeutlicht werden: Ein zu Zeiten der DDR vom FDGB betriebenes Ferienzentrum mit Vollpension wird nach der Wende von einem privaten Investor gekauft und als Hotel und Restaurant fortgeführt. Für die Beurteilung der betrieblichen Identität müsste nach Ansicht AnnußÌ danach gefragt werden, ob in dem Ferienzentrum des FDGB auch die Führung der Einrichtung als Hotel und Restaurant „angelegt“ war. Tatsächlich kommt es aber letztlich auch nach dieser Formulierung darauf an, ob sich ein gewerkschaftlich geführtes Ferienzentrum mit Vollpension „sehr“ von einem Hotel und Restaurant unterscheidet. Denn wenn das der Fall ist, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Betrieb „Hotel und Restaurant“ in dem Betrieb „Ferienzentrum“ bereits angelegt war.228 Für die Frage, ob ein neuer Zweck in einem Betrieb bereits angelegt war, würde es also wieder auf die Wesentlichkeit seiner Veränderung ankommen. Die Frage, wovon die Wesentlichkeit einer Zweckänderung abhängen soll, wird durch die Formel von Annuß folglich nicht beantwortet. (2) Wesentliche Zweckänderung bei „grundlegender Änderung“ i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG? Fischer sieht die betriebliche Identität durch solche Zweckänderungen verletzt, die sich als eine Änderung des Betriebszwecks i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG darstellen, da das Gesetz diese als Betriebsänderung definiere.229 Bei einer Betriebsänderung verliere aber ein Betrieb in aller Regel seine Identität.230 Vordergründig betrachtet leuchtet die Argumentation Fischers ein: Wird ein Tatbestand erfüllt, der vom Gesetz als Betriebsänderung definiert wird, scheint es paradox anzunehmen, dass gleichzeitig die Identität des Betriebs gewahrt bleibt. Wie aber bereits festgestellt wurde, geht es bei der Bestimmung der betrieblichen Identität nicht um eine Identitätswahrung im eigentlichen Sinn.231 Vielmehr geht es gerade darum, zu bestimmen, wie sehr sich ein Betrieb ändern kann, ohne dass dies betriebsverfassungsrechtliche Konsequenzen hat.232 Allein die (wenn auch gesetzliche) Feststellung, dass eine Betriebsänderung vorliegt, sagt damit noch nichts darüber aus, ob
228
Das Bundesarbeitsgericht ist in diesem Fall von einem Verlust der Betriebsidentität ausgegangen, u. a. weil das Hotel „anderen Zwecken diente“ als das Ferienzentrum, BAG Urt. v. 16. 7. 1998, 8 AZR 81/97, NZA 1998, 1233, 1234. 229 U. Fischer, RdA 2005, 39, 43. 230 U. Fischer, RdA 2005, 39, 43. 231 D. Gaul, Betriebsübergang, S. 39; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 51; Kreft, FS Wißmann, S. 347, 353; Müller-Bonanni, Betriebsinhaberwechsel im Rahmen des Umwandlungsgesetzes, S. 67; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100; ausführlich hierzu s. o. S. 27 ff. 232 Vgl. Willemsen, HWK, 2. Aufl., BGB, § 613a Rn. 105, der insofern zwischen “schädlichen“ und „unschädlichen“ Änderungen unterschied.
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diese Änderung wesentlich im Sinne der Identitätslehre ist. Die rein wort-logische Argumentation Fischers greift daher zu kurz. Auch Thüsing knüpft für die Frage der Wesentlichkeit einer Betriebsänderung an die Vorschrift des § 111 BetrVG an. Er schlägt vor, den unveränderten Fortbestand des Betriebszwecks in Abgrenzung zur „grundlegenden Änderung des Betriebszwecks“ i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG einerseits und zur „Stilllegung des Betriebs“ i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG andererseits zu bestimmen.233 Der bei § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG geltende Maßstab müsse als Mindesthürde angesetzt werden. Eine Änderung des Betriebszwecks könne also nur wesentlich im Sinne der Betriebsidentitätslehre sein, wenn sie mindestens „grundlegend“ im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG sei. Andererseits soll der Maßstab für eine im Sinne der Identitätslehre wesentliche Zweckänderung nach Ansicht Thüsings aber weniger streng sein als derjenige, an dem die Stilllegung des Betriebs festmacht. Denn in diesem Fall sei § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG einschlägig. Würde man auch solche Zweckänderungen, welche die Stilllegung des Betriebs zur Folge hätten, als wesentlich im Sinne der Identitätslehre qualifizieren, verbliebe für die Regelung des § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG kein Anwendungsbereich.234 Anders als Fischer argumentiert Thüsing nicht formal logisch, sondern versucht den Begriff der Wesentlichkeit mit Hilfe des § 111 BetrVG materiell auszufüllen. Dennoch ist zweifelhaft, ob aus der Regelung des § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG Schlussfolgerungen für die Bestimmung der Betriebsidentität gezogen werden können. Eine Änderung des Betriebszwecks löst die Beteiligungsrechte des § 111 BetrVG aus, wenn sie „grundlegend“ ist, wie sich aus § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG ergibt. Das Adjektiv „grundlegend“ soll hervorheben, dass nur solche Änderungen des Betriebszwecks als Betriebsänderung in Betracht kommen, die mit dem Eintritt „wesentlicher Nachteile“ für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft verbunden sein können.235 Das ergibt sich aus dem Relativsatz des § 111 S. 1 BetrVG. Dieser ausnahmsweise gesetzlich bestimmte Normzweck ist als Interpretationsmaßstab für das Adjektiv „grundlegend“ heranzuziehen.236 So hat das Bundesarbeitsgericht beispielsweise entschieden, dass durch das Aufstellen von Glücksspielautomaten in einem Casino, in dem bisher nur das herkömmliche Spiel an Tischen möglich war, der Betriebszweck 233
Thüsing, DB 2004, 2474. Thüsing, DB 2004, 2474. 235 BT-Drucks. zu VI/2729, S. 8 Nr. 2; BT-Drucks. VI/1786, S. 54; BAG Urt. v. 26. 10. 1982, 1 ABR 11/81, BAGE 41, 92 = AP Nr. 10 zu § 111 BetrVG 1972, unter II 2 c der Gründe; Urt. v. 17. 12. 1985, 1 ABR 78/83, BAGE 50, 307 = AP Nr. 15 zu § 111 BetrVG 1972, unter II 1 b der Gründe; Annuß, Richardi, BetrVG, § 111 Rn. 118; Hohenstatt/Willemsen, HWK, BetrVG, § 111 Rn. 50; Oetker, GK-BetrVG, § 111 Rn. 150; Schwanecke, Die „grundlegende Änderung des Betriebszwecks, S. 50, 54 f., 59. 236 BAG Urt. v. 26. 10. 1982, 1 ABR 11/81, BAGE 41, 92 = AP Nr. 10 zu § 111 BetrVG 1972, unter II 2 c der Gründe; Urt. v. 28. 4. 1993, 10 AZR 38/92, AP Nr. 32 zu § 111 BetrVG 1972 = NZA 1993, 1142, unter 3 der Gründe; Annuß, Richardi, BetrVG, § 111 Rn. 47, 118; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 111 Rn. 95; Hess, HSWGN, BetrVG, § 111 Rn. 149; Hohenstatt/Willemsen, HWK, BetrVG, § 111 Rn. 50; Oetker, GKBetrVG, § 111 Rn. 150. 234
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„grundlegend“ geändert werde, weil diese Änderung dadurch, dass die Angestellten beim Automatenspiel im Gegensatz zum herkömmlichen Spiel kein Trinkgeld erhielten, wesentliche Nachteile für die Belegschaft zur Folge haben könne.237 Durch die Beschränkung des Tatbestands des § 111 S. 3 Nr. 4 BetrVG auf in diesem Sinne grundlegende Änderungen des Betriebszwecks wird der Arbeitgeber davor geschützt, den Betriebsrat auch bei solchen Betriebsänderungen beteiligen zu müssen, die für die Arbeitnehmer keine Nachteile mit sich bringen können.238 Denn die Belegschaft bedarf des Schutzes durch die Beteiligung ihrer Repräsentanten nur, wenn eine Maßnahme geeignet ist, erhebliche Nachteile für sie nach sich zu ziehen. Für den Fortbestand des Betriebsratsmandats ist es jedoch unerheblich, ob eine konkrete Veränderung potentiell positive oder negative Folgen für die Belegschaft hat. Daraus, wie die Folgen, die eine Zweckänderung für die Belegschaft hat, qualitativ zu bewerten sind, können keine Rückschlüsse darauf gezogen werden, ob sich die betriebliche Einheit als Repräsentationsbereich so verändert hat, dass die Vertretungsstruktur durch Neuwahlen an die neuen Gegebenheiten angepasst werden muss. Der Rückgriff auf die „grundlegende Änderung“ i.S.d. § 111 S. 3 Nr. 3 BetrVG als „Mindesthürde“239 für die Wesentlichkeit einer Zweckänderung kann daher nicht überzeugen.240 Unklar an der Abgrenzung Thüsings bleibt außerdem, warum der Maßstab für die Wesentlichkeit einer Zweckänderung weniger streng sein soll, als derjenige, der zu einer Stilllegung des Betriebs führt. Dass in diesem Fall „schon“ § 111 S. 1 Nr. 1 BetrVG greife, wie Thüsing argumentiert, mag für die Abgrenzung der unterschiedlichen Tatbestände innerhalb des § 111 BetrVG bedeutsam sein241, ist aber für die Lehre von der Betriebsidentität ohne Belang. Denn eine Zweckänderung kann nicht „so wesentlich“ sein, dass die Identität eines Betriebs „doch wieder“ gewahrt wird. Für Änderungen, die zum Verlust der Betriebsidentität führen, muss es eine Mindestgrenze geben, soll nicht jede minimale Änderung des Betriebs Neuwahlen auslösen. Hinsichtlich der Bedeutung einer Zweckänderung eine „Obergrenze“ zu ziehen, ist dagegen widersinnig. Wenn eine Zweckänderung so grundlegend ist, dass in ihr die Stilllegung eines Betriebs zu sehen ist, ist darin vielmehr gerade der deutlichste Fall eines Identitätsverlusts zu sehen. Zwar hängt beispielsweise auch die Frage, ob nach einer Umstrukturierung ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG oder ein Restmandat nach § 21b BetrVG entsteht, davon ab, ob eine Veränderung im Betrieb nicht nur den Verlust seiner Identität zur Folge hat, sondern sogar zu seiner Stilllegung führt. Für die Bestimmung der betrieblichen Identität, deren Verlust sowohl 237
Vgl. BAG Urt. v. 26. 10. 1982, 1 ABR 11/81, BAGE 41, 92 = AP Nr. 10 zu § 111 BetrVG 1972, unter II 2 c der Gründe. 238 Annuß, Richardi, BetrVG, § 111 Rn. 39; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 111 Rn. 1. 239 Thüsing, DB 2004, 2474. 240 Ebenso Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100. 241 Zweifelnd: Schwanecke, Die grundlegende Änderung des Betriebszwecks, S. 50 ff.
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§ 21a BetrVG als auch § 21b BetrVG voraussetzen242, ist diese Unterscheidung jedoch ohne Belang. Die Regelung des § 111 BetrVG kann damit zur Beantwortung der Frage, wann eine Zweckänderung so wesentlich ist, dass sie sich auf die Betriebsidentität auswirkt, weder als „Mindesthürde“ noch als „Obergrenze“ herangezogen werden.243 (3) Wesentliche Zweckänderung bei Gattungswechsel? Als weiteres Abgrenzungsmerkmal schlägt Fischer den Wechsel der „Gattung“ des Betriebszwecks vor: Eine wesentliche Änderung des Betriebszwecks liege in der Regel bei einem Wechsel des Betriebszwecks zwischen Produktion und Dienstleistung vor.244 Auch das Kriterium des Gattungswechsels ist jedoch für die Bewertung der Wesentlichkeit einer Zweckänderung untauglich. Denn auch innerhalb ein und derselben Gattung können sich wesentlich voneinander unterscheidende Betriebszwecke verfolgt werden.245 Andererseits kann trotz Wahrung der Gattung der Zweck eines Betriebs wesentlich geändert werden. So nimmt die Rechtsprechung beispielsweise eine Änderung des Betriebszwecks trotz Wahrung der Gattung an, wenn in einem Dienstleistungsbetrieb nunmehr andere Dienstleistungen als bisher angeboten werden.246 Sogar wenn die angebotene Dienstleistung dieselbe bleibt und lediglich der Vertrieb so umorganisiert wird, dass er nicht mehr von Arbeitnehmern, sondern von selbstständigen Handelsvertretern ausgeführt wird, kann nach Ansicht der Rechtsprechung eine Änderung des Betriebszwecks gegeben sein.247 Auch das Kriterium des Gattungswechsels ist für die Bestimmung der Wesentlichkeit einer Zweckänderung mithin nicht hilfreich.
242 Freudner, DB 2003, 882, 885; Hanau, NJW 2001, 2513, 2515; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 3, § 21b Rn. 1, 2; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163, 2164; Thüsing, DB 2002, 738, 741; ders., Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 4, § 21b Rn. 5; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 8, § 21b Rn. 3. 243 B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 19; D. Gaul, Betriebsübergang, S. 39 f.; in diese Richtung im Ergebnis auch: Annuß, Richardi, BetrVG, § 111 Rn. 65, 101; Oetker, GK-BetrVG, § 111 Rn. 127; a.A. Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100 f. 244 U. Fischer, RdA 2005, 39, 43; im Ergebnis ähnlich Willemsen, HWK, BGB, § 613a BGB Rn. 108. 245 Vgl. zu Zweckänderungen innerhalb eines Produktionsbetriebs Annuß, Richardi, BetrVG, § 111 Rn. 111; zu Zweckänderungen innerhalb eines Dienstleistungsbetriebs Annuß, Richardi, BetrVG, § 111 Rn. 112. 246 Vgl. BAG Urt. v. 17. 12. 1985, 1 ABR 78/83, BAGE 50, 307 = AP Nr. 15 zu § 111 BetrVG 1972, unter II 1 a der Gründe. 247 Vgl. BAG Urt. v. 8. 6. 1999, 1 AZR 831/98, BAGE 92, 11 = AP Nr. 47 zu § 111 BetrVG 1972, unter III 1 der Gründe; Urt. v. 23. 9. 2003, 1 AZR 576/02, BAGE 107, 347 = AP Nr. 43 zu § 113 BetrVG 1972, unter I 1 der Gründe.
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(4) Wesentliche Zweckänderung bei Auswirkungen auf die Organisation des Betriebs? B. Gaul vertritt schließlich die Ansicht, eine Zweckänderung erlange dann Bedeutung für die Identität eines Betriebs, wenn die Organisation des Betriebs durch sie eine wesentliche Änderung erfahre.248 Das folge aus § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG, der für die Fiktion der Selbstständigkeit von Betriebsteilen daran anknüpft, dass diese durch „Aufgabenbereich und Organisation“ eigenständig ist. Diese Auslegung des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG stützt B. Gaul vor allem auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 5. 5. 1964249, in welchem das Gericht darauf verweist, dass es bei der Kennzeichnung des Betriebs auf die Einheit der Organisation, weniger dagegen auf die Einheit der arbeitstechnischen Zweckbestimmung ankomme. Dass § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG beide Merkmale „in einem Atemzug“ nenne, lässt vor diesem Hintergrund nach Ansicht B. Gauls darauf schließen, dass der Aufgabenbereich (also der arbeitstechnische Zweck) und die Organisation des Betriebs nicht eigenständig bewertet werden könnten. Zwar ist B. Gaul darin zuzustimmen, dass die Verknüpfung von Aufgabenbereich und Organisation in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG zeigt, dass der arbeitstechnische Betriebszweck allein nicht genügt, um einen Betrieb in seiner Identität zu kennzeichnen. Aus der unbestritten hohen Bedeutung der Betriebsorganisation für die betriebliche Identität kann aber nicht geschlossen werden, dass eine Änderung des Betriebszwecks erst dann bedeutsam für die Identität eines Betriebs sein kann, wenn sie die Organisation des Betriebs berührt. Denn dann wäre – nach der Argumentation B. Gauls – die Nennung des „Aufgabenbereichs“ in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG überflüssig. Der Betriebszweck hätte keine eigenständige Bedeutung. Gerade das Nebeneinander der beiden Begriffe in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BetrVG müsste nach dieser Argumentation aber so gewertet werden, dass beiden Kriterien eine eigenständige Bedeutung zukommt.250 Dann aber kann die Wesentlichkeit einer Zweckänderung nicht an ihren Folgen für die betriebliche Organisation gemessen werden. So handelt es sich bei der Betriebsorganisation nach herrschender Meinung denn auch um ein eigenständiges Merkmal der betrieblichen Identität.251 (5) Zwischenergebnis: Fehlende Bestimmbarkeit der Wesentlichkeitsgrenze Es gelingt nicht, abstrakt zu bestimmen, ab welchem Grad die Änderung des Betriebszwecks Auswirkungen auf die betriebliche Identität haben kann. Die abstrakte Bestimmung einer „Wesentlichkeitsgrenze“ für Zweckänderungen ist insbesondere auch deshalb problematisch, weil ein Betrieb nach herrschender Meinung mehrere 248
B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 19. Vgl. BAG Beschl. v. 5. 6. 1964, 1 ABR 11/63, AP Nr. 7 zu § 3 BetrVG = SAE 1966, 69, unter II 3 c der Gründe. 250 Dietz, Anmerkung zu BAG Beschl. v. 5. 6. 1964, 1 ABR 11/63, SAE 1966, 71, 72. 251 Ausführlich hierzu s. unten S. 100 ff. 249
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Betriebszwecke verfolgen kann.252 Hinzu kommt, dass sich jeder Betriebszweck wiederum in Teilfunktionen beliebig zergliedern lässt.253 Abstrakt lässt sich aber nicht klären, ob die Wahrung der Betriebsidentität von dem Fortbestand aller Zwecke, der qualitativ wesentlichen oder der quantitativ meisten Zwecksetzungen abhängen soll254, zumal – wie soeben gesehen – vollkommen ungeklärt ist, nach welchen Kriterien die qualitativ wesentlichen von den qualitativ unwesentlichen Zwecksetzungen abzugrenzen sind.255 bb) Abstrakte Bedeutung für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der Belegschaft Schon wegen der Unklarheit darüber, wann ein Betriebszweck wesentlich für die betriebliche Identität und damit überhaupt in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen ist, ist der Betriebszweck nicht geeignet, als maßgebliches Kriterium eine hervorgehobene Stellung im Rahmen der Gesamtbetrachtung einzunehmen.256 Mehr noch als die praktischen Abgrenzungsschwierigkeiten spricht gegen eine hervorgehobene Stellung des Betriebszwecks im Rahmen der Gesamtbetrachtung aber, dass sich eine besondere Bedeutung des Betriebszwecks für die optimale Repräsentierbarkeit der Belegschaft dem Betriebsverfassungsgesetz nicht entnehmen lässt. Keines der für die optimale Arbeitnehmerrepräsentation maßgeblichen Wertungskriterien wird durch den Betriebszweck verkörpert. Zwar können unterschiedliche Betriebszwecke zu jeweils verschiedenen sozialen Belangen der Arbeitnehmer führen, wenn beispielsweise unterschiedliche Auftragslagen dazu führen, dass zur Verfolgung eines Zwecks Sonderschichten gefahren werden müssen, während sich bei der Verfolgung eines anderen Zwecks die Frage nach der Einführung von Kurzarbeit stellen würde.257 Eine Zweckänderung kann also 252 BAG Urt. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972; Urt. v. 5. 3. 1987, 2 AZR 623/85, BAGE 55, 117 = AP Nr. 30 zu § 15 KSchG 1969; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 84; U. Fischer, RdA 2005, 39, 43; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 1 Rn. 69, Rn. 91; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 18; D. Gaul, Betriebsinhaberwechsel, S. 24; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 100. 253 Gamillscheg, ZfA 1975, 357, 373 f.; Konzen, RdA 2001, 76, 79; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 100, spricht in diesem Zusammenhang von der „Atomisierung“ an sich betriebsratsfähiger Einheiten; in diese Richtung auch Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 54. 254 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100; vgl. zu dieser Schwierigkeit auch Kreutz, FS Wiese, S. 235, 237; D. Gaul, Betriebsinhaberwechsel, S. 38, hält für entscheidend, „welcher von den mehreren nebeneinander verfolgten Zwecken schwerpunktmäßig überwiegend betrieben wird“. 255 Gamillscheg, ZfA 1975, 357, 373 f.; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100. 256 Teilweise wird dem Betriebszweck aus diesem Grund generell eine Bedeutung für die betriebliche Identität abgesprochen, vgl. B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 19; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 101. 257 Vgl. BAG Beschl. v. 17. 1. 1978, 1 ABR 71/76, BAGE 30, 12 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972, unter II 3 a der Gründe.
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durchaus dazu führen, dass der Betriebsrat sich neuen oder anderen Mitbestimmungstatbeständen ausgesetzt sieht. Wie Salamon zutreffend hervorhebt, bestehen betriebsverfassungsrechtliche Arbeitnehmervertretungen jedoch zur „Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer schlechthin, nicht aber zur Interessenwahrung bei der Verfolgung eines bestimmten Zwecks“.258 So wird auch das Bestehen besonderer Fachkenntnisse im Allgemeinen nicht zur Voraussetzung für das Betriebsratsamt erhoben.259 Die Änderung des in einem Betrieb verfolgten arbeitstechnischen Zwecks hat folglich keine Auswirkungen auf die Repräsentierbarkeit der in ihm zusammengefassten Arbeitnehmergruppe260, mag auch der konkrete Gegenstand der Mitbestimmung durch sie verändert werden. Da die Änderung des Betriebszwecks eine Anpassung der Vertretungsstrukturen mithin nicht erforderlich macht, kann dem Betriebszweck im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine lediglich untergeordnete Stellung zukommen. Die Qualifikation des Betriebszwecks als untergeordnetes Kriterium im Rahmen der Gesamtbetrachtung steht auch im Einklang mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur, die den Betriebszweck für die betriebsverfassungsrechtliche Betriebsabgrenzung nicht als maßgebliches Kriterium ansieht261 und den Bestand des Betriebs durch einen Wechsel oder eine Ergänzung der arbeitstechnischen Zielsetzung nicht berührt sieht, sofern die betriebliche Organisationseinheit erhalten bleibt.262 b) Materielle Betriebsmittel Die materiellen Betriebsmittel stellen nach herrschender Meinung das wesentliche Substrat eines Betriebs dar und bilden damit ebenfalls einen wesentlichen Bestandteil der betrieblichen Identität.263 Der hohe Einfluss, den die materiellen Be258
Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 101. Vgl. BAG Beschl. v. 16. 2. 1973, 1 ABR 18/72, BAGE 25, 60 = AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG 1972, unter II 3 der Gründe; Gamillscheg, ZfA 1975, 357, 382. 260 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 101. 261 Vgl. BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 a der Gründe; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 179; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 100. 262 Vgl. BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 a der Gründe; Beschl. v. 25. 9. 1986, 6 ABR 68/84, BAGE 53, 119 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972, unter 3 der Gründe; vgl. auch LAG Frankfurt a.M. Urt. v. 12. 4. 1950, II LA 37/50, BB 1950, 479; zustimmend Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21 Rn. 33; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 57; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 12; Kreutz, FS Richardi, S. 637, 642; Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 100; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 26. 263 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 44; D. Gaul, Betriebsübergang, S. 39; Henssler, NZA 1994, 913, 914; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 69; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 103; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 30; Oberhofer, AuR 1989, 293, 294; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 17; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 307; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 110; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 21a Rn. 13; a.A.: Glaperin, BetrVG, § 1 Rn. 37. 259
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triebsmittel auf die betriebliche Identität haben, wird insbesondere im Betriebsübergangsrecht hervorgehoben264, von der wohl überwiegenden Meinung aber dadurch in das Betriebsverfassungsrecht hineingetragen, dass diese auf die dort maßgeblichen Kriterien auch im Rahmen der Lehre von der Betriebsidentität zurückgreift265. Zu den materiellen Betriebsmitteln gehören alle betrieblichen Anlagen, also beispielsweise Grundstücke, Gebäude, Maschinen, Produktionsanlagen und Produktionsmittel, Werkzeuge, Rohstoffe, Hilfsstoffe, Halb- und Fertigfabrikate, Fahrzeuge, Transportgeräte, Computerhardware und Büroeinrichtungen.266 Die besondere Bedeutung der betrieblichen Anlagen für die Betriebsidentität wird damit begründet, dass sie den Betriebszweck bestimmen267, dem Betrieb dadurch erst seine besondere Prägung geben268 und somit den Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs bilden269. Nur bei sog. „betriebsmittelarmen und dienstleistungsorientierten“270 Handelsund Dienstleistungsbetrieben sollen die sächlichen Betriebsmittel nach herrschender Meinung eine lediglich untergeordnete Rolle spielen.271 Deren Identität soll vielmehr entscheidend durch die immateriellen Betriebsmittel, also das Know-how, Markennamen, eventuell Firmennamen, und insbesondere durch die bisherigen Geschäftsbeziehungen zu Lieferanten und Kunden geprägt werden.272 264 Vgl. BAG Urt. v. 6. 4. 2006, 8 AZR 222/04, BAGE 117, 349 = AP Nr. 299 zu § 613a BGB, unter B I 3 a cc der Gründe; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 17 („Schlüsselfunktion“); Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 307; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 111. 265 U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a Rn. 7; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 17; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 15; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 70; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5; ders., DB 2002, 738, 739. 266 BAG Urt. v. 6. 4. 2006, 8 AZR 222/04, BAGE 117, 349 = AP Nr. 299 zu § 613a BGB, unter B I 3 a cc der Gründe oder Preis; D. Gaul, Betriebsinhaberwechsel, S. 19; ders., Betriebsübergang, S. 34, 50; Henssler, NZA 1994, 913, 914; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 103; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 104; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 35; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 18; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 307; Schwanda, Betriebsübergang, S. 96; Vogelsang, Schaub, ArbR-Hdb., § 18 Rn. 1. 267 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 43; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 69; Thüsing, Richardi, § 21a Rn. 5; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 111. 268 Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 110. 269 Vgl. Hohenstatt, WHSS, Rz. D 69; Oberhofer, AuR 1989, 293, 294. 270 B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 16; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 97. 271 Vgl. EuGH Urt. v. 11. 3. 1997, C-13/95 – Süzen – Slg. I/1268 = AP Nr. 14 zu EWGRL Nr. 77/187, unter Rz. 21; Bachner, Kittner/Zwanziger, § 114 Rn. 11; Hergenröder, AR-Blattei, SD 500.1, Rn. 168, 171; Oberhofer, AuR 1989, 293, 294; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 31; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 12 f., 19; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 98, 119; Schwanda, Betriebsübergang, S. 28, weist allerdings zutreffend darauf hin, dass es auch Dienstleistungsbetriebe gibt, bei denen die Übertragung von sächlichen Betriebsmitteln unerlässlich ist. 272 Vgl. BAG Urt. v. 27. 10. 2005, 8 AZR 568/04, AP Nr. 292 zu § 613a BGB = NZA 2006, 668, unter II 1 b aa der Gründe; Urt. v. 14. 8. 2007, 8 AZR 1043/06, AP Nr. 325 zu § 613a BGB
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
aa) Praktikabilität des Merkmals Auch bei diesem Merkmal führt nicht jede Veränderung zu einem Verlust der Betriebsidentität. Vielmehr ist für die Wahrung der betrieblichen Identität nach ganz herrschender Meinung lediglich der Erhalt der wesentlichen Betriebsmittel erforderlich.273 Die Abgrenzung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Betriebsmitteln soll davon abhängen, ob sie notwendig sind, um den Betrieb im Großen und Ganzen unverändert fortführen zu können.274 Das wird bejaht, wenn sie zum Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs gehören275, wenn also die Verwirklichung des Betriebszwecks im Wesentlichen durch das zur Verfügungstellen dieser Betriebsmittel geprägt ist276. Danach wird die betriebliche Identität beispielsweise nicht berührt, wenn alle Maschinen und Einrichtungsgegenstände übernommen werden, nicht aber das Grundstück, so lange die Produktion mit den übernommenen Produktionsmitteln auch an einem anderen Ort fortgeführt werden kann.277 Weitgehend einig ist man sich darüber, dass die Betriebsmittel für sich allein genommen nicht entscheidend für die betriebliche Identität sein können, sondern es maßgeblich auf ihre Einbettung in den organisatorischen Zusammenhang des Betriebs ankommt.278 = NZA 2007, 1431, unter B II 2 der Gründe; Oberhofer, AuR 1989, 293, 294; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 31; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 13; zu den immateriellen Betriebsmitteln s. unten S. 91 ff. 273 Vgl. EuGH Urt. v. 18. 3. 1986, 24/85 – Spijkers – Slg. 1986, 1124, unter Rz. 12; BAG Urt. v. 2. 3. 2006, 8 AZR 147/05, AP Nr. 302 zu § 613a BGB = NZA 2006, 1105, unter II 2 c der Gründe; Urt. v. 6. 4. 2006, 8 AZR 222/04, BAGE 117, 349 = AP Nr. 299 zu § 613a BGB, unter B I 3 b bb der Gründe; Urt v. 13. 6. 2006, 8 AZR 271/05, AP Nr. 305 zu § 613a BGB = NZA 2006, 1101, unter II 1 b bb (1) der Gründe; Hergenröder, AR-Blattei, SD 500.1, Rn. 170; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 104 ff.; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 315; Schwanda, Betriebsübergang, S. 27, 96; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 111. 274 Vgl. BAG Urt. v. 25. 5. 2000, 8 AZR 335/99 (juris), unter B II 2 a der Gründe; Urt. v. 2. 3. 2006, 8 AZR 147/05, AP Nr. 302 zu § 613a BGB = NZA 2006, 1105, unter II 2 c der Gründe; Urt. v. 6. 4. 2006, 8 AZR 222/04, BAGE 117, 349 = AP Nr. 299 zu § 613a BGB, unter B I 3 b bb der Gründe; Hergenröder, AR-Blattei, SD 500.1, Rn. 177; Oberhofer, AuR 1989, 293, 294; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 36; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 315; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 111; Schwanda, Betriebsübergang, S. 27, 96, kritisiert hingegen, dass eine generalisierende Aussage dazu, welche Betriebsmittel im Sinne von § 613a BGB als „wesentlich“ anzusehen sind, fehle, obwohl dies die „alles entscheidende Frage“ sei, S. 96. 275 Vgl. BAG Urt v. 13. 6. 2006, 8 AZR 271/05, AP Nr. 305 zu § 613a BGB = NZA 2006, 1101, unter II 1 b bb (1) der Gründe; Willemsen/Müntefering, NZA 2006, 1185; 1189; Willemsen, FS Richardi, S. 475, 478. 276 Vgl. Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 308. 277 Vgl. BAG Urt. v. 2. 12. 1999, 8 AZR 796/98, AP Nr. 188 zu § 613a BGB = NZA 2000, 369, unter II 2 b der Gründe; D. Gaul, Betriebsübergang, S. 38 f.; Hohenstatt, WHSS, D Rz. 69; vgl. auch Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 30; Oberhofer, AuR 1989, 293, 294. 278 Vgl. Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarung, S. 103; Schwanda, Betriebsübergang, S. 80; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 110; ähnlich auch Hohenstatt, WHSS, der die Bedeutung der „Gesamtheit der Betriebsmittel“ für den arbeitstechnischen Zweck betont (Rz. D 69, 71), und diesen für ausschlaggebend erachtet (Rz. D 69).
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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bb) Abstrakte Bedeutung für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der Belegschaft Darüber, was materielle Betriebsmittel sind, besteht also ebenso Einigkeit wie über die Frage, wann sie so wesentlich sind, dass sich ihre Veränderung auf die betriebliche Identität auswirken kann. Abgrenzungsschwierigkeiten sprechen damit nicht gegen eine besondere Beachtung der materiellen Betriebsmittel im Rahmen der Gesamtbetrachtung. (1) Bedeutung des § 111 S. 3 Nr. 4 und 5 BetrVG Namentlich Salamon schließt jedoch aus der Regelung des § 111 S. 3 Nr. 4 und 5 BetrVG auf die Bedeutungslosigkeit der betrieblichen Anlagen für die Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsidentität.279 Aus der Erwähnung der Betriebsanlagen in Nr. 4 und der Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren in Nr. 5 neben der gesonderten Erwähnung der Betriebsstilllegung in Nr. 1 folge, dass selbst grundlegende Änderungen von Betriebsorganisation, -anlagen, Arbeitsmethoden oder Fertigungsverfahren noch keine Stilllegung bedeuten, die einen Verlust der Betriebsidentität mit sich brächten. Für die betriebliche Identität seien die Betriebsanlagen folglich bedeutungslos. Die dieser Interpretation des § 111 S. 3 BetrVG letztlich zugrunde liegende Gleichstellung von Betriebsstilllegung und Identitätsverlust beruht indes auf einem aussagelogischen Missverständnis. Zwar ist dem Ausgangspunkt Salamons, ein Betrieb verliere mit seiner Stilllegung stets seine Identität, zuzustimmen. Daraus folgt jedoch nicht, dass ein Betrieb nur bei Stilllegung seine Identität verliert. Mit anderen Worten: Wenn auch jede Stilllegung den Verlust der betrieblichen Identität nach sich zieht, führt andersherum nicht jede Veränderung der betrieblichen Identität zu einer Stilllegung des Betriebs. Bei der Stilllegung eines Betriebs handelt es sich lediglich um eine hinreichende, nicht aber um eine notwendige Bedingung für den Verlust der betrieblichen Identität.280 Das folgt systematisch aus dem Zusammenspiel von § 21a und § 21b BetrVG. Beide Vorschriften setzen einen Identitätsverlust des Betriebs voraus.281 Während § 21b BetrVG dem Betriebsrat ein Restmandat gewährt, wenn ein Betrieb durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung untergeht, gewährt § 21a BetrVG dem Betriebsrat ein Übergangsmandat für die Fälle, in denen der Betrieb durch Spaltung oder Zusammenlegung seine Identität verliert, aber nicht stillgelegt, sondern als veränderter Betrieb fortgeführt wird. Wäre der Identitätsverlust mit der Stilllegung eines Betriebs gleichzusetzen, wäre die Regelung des § 21a BetrVG überflüssig. Dieser geht gerade davon aus, dass ein Betrieb (als neuer Betrieb) 279
Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 104. Zur Terminologie vgl. Joerden, Logik im Recht, S. 19 ff. 281 Freudner, DB 2003, 882, 885; Hanau, NJW 2001, 2513, 2515; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163, 2164; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 3, § 21b Rn. 1, 2; Thüsing, DB 2002, 738, 741; ders., Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 4, § 21b Rn. 5; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 8, § 21b Rn. 3. 280
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
fortgeführt werden kann, obwohl er seine Identität verloren hat. Der Verlust der betrieblichen Identität ist daher nicht mit der Stilllegung des Betriebs gleichzusetzen. Folglich kann aus der Regelung des § 111 S. 3 Nr. 4 und 5 BetrVG nicht auf die Bedeutungslosigkeit der betrieblichen Anlagen für die Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsidentität geschlossen werden. (2) Bedeutung der mangelnden mitbestimmungsrechtlichen Relevanz der materiellen Betriebsmittel Die lediglich geringe Bedeutung, die den materiellen Betriebsmitteln bei der Bestimmung der betrieblichen Identität zukommen soll, begründet Salamon darüber hinaus mit deren mangelnder Relevanz für die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats. Den Kernbereich der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats stelle die Mitbestimmung in sozialen Angelegenheiten gem. §§ 87 ff. BetrVG dar, durch welche die Beteiligung der Arbeitnehmer an der Gestaltung der wichtigsten Arbeitsbedingungen sichergestellt werde.282 Auch die Mitbestimmung in personellen Angelegenheiten schütze in erster Linie die Belange der Arbeitnehmer im Betrieb.283 Selbst in wirtschaftlichen Angelegenheiten finde eine Anknüpfung betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte an die Organisation der Betriebsmittel und Arbeitsabläufe nur ausnahmsweise statt, da nach § 111 Satz 3 Nr. 4 und 5 BetrVG nur grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation, der Betriebsanlagen oder die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren als Betriebsänderungen gelte.284 Die betriebliche Mitbestimmung stelle folglich die Belange der Arbeitnehmer in den Mittelpunkt, was die geringe Bedeutung der Betriebsmittel für die Betriebsidentität unterstreiche.285 Unter betriebsverfassungsrechtlichen Gesichtspunkten ändere sich durch eine Umstellung der Betriebsmittel für die repräsentationsfähige Einheit des Betriebs daher nichts.286 Dieser Argumentation Salamons liegt erkennbar die Hypothese zugrunde, die mitbestimmungsrechtliche Relevanz eines Merkmals lasse Rückschlüsse auf dessen Bedeutung für die betriebliche Identität zu. Wie bereits festgestellt wurde, kommt es für die Betriebsidentität als Voraussetzung für den Fortbestand des Betriebsrats indes nicht auf eine Veränderung des Verhandlungsgegenstands an, sondern auf eine Veränderung der Repräsentierbarkeit der zusammengefassten Arbeitnehmer.287 Die fehlende mitbestimmungsrechtliche Relevanz der materiellen Betriebsmittel, spricht damit weder dafür noch dagegen, den materiellen Betriebsmitteln im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine nur untergeordnete Bedeutung zukommen zu lassen.
282 283 284 285 286 287
Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 103. Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 103. Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 104. Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 103, 104. Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 104. s. oben S. 64 ff.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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(3) Bedeutungslosigkeit der Betriebsmittel für die Repräsentierbarkeit der betrieblichen Einheit Gegen eine hervorgehobene Stellung der materiellen Betriebsmittel im Rahmen der Gesamtbetrachtung spricht jedoch, dass sie keines der für die optimale Repräsentierbarkeit der Arbeitnehmer maßgeblichen Wertungskriterien verkörpern. Während ihre besondere Bedeutung im Betriebsübergangsrecht daraus folgt, dass sie als sachliches Substrat zum Kern des zur Wertschöpfung erforderlichen Funktionszusammenhangs gehören288, ihr Fortbestand also maßgeblich für die Erreichung des Normzwecks des § 613a BGB ist289, kommt es für die Abgrenzung einer repräsentierbaren Einheit auf die Möglichkeit der fortgesetzten Wertschöpfung nicht an. Für die Arbeit des Betriebsrats ist es unerheblich, ob der Betrieb mit den Betriebsmitteln im Wesentlichen unverändert fortgeführt werden kann. Eine Veränderung der materiellen Betriebsmittel macht eine Anpassung der Vertretungsstrukturen durch Neuwahlen nicht erforderlich. Der stark betriebsmittelbezogene Ansatz bei der Bestimmung der betrieblichen Identität im Rahmen des § 613a BGB kann daher nicht in das Betriebsverfassungsrecht übernommen werden.290 Im Rahmen der Gesamtbetrachtung kann folglich auch den materiellen Betriebsmitteln eine lediglich untergeordnete Bedeutung zukommen. Damit handelt es sich bei den materiellen Betriebsmitteln um eines der Kriterien, für das die im Rahmen des § 613a BGB entwickelten Wertungsmaßstäbe entgegen der herrschenden Meinung nicht übernommen werden können. c) Immaterielle Betriebsmittel Auch die so genannten immateriellen Betriebsmittel werden zur Bestimmung der Betriebsidentität herangezogen.291 Besondere Bedeutung für die Betriebsidentität kommt ihnen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei Handels288
BAG Urt. v. 2. 12. 1999, 8 AZR 796/98, AP Nr. 188 zu § 613a BGB = NZA 2000, 369, unter II 2 b der Gründe; Urt. v. 6. 4. 2006, 8 AZR 222/04, BAGE 117, 349 = AP Nr. 299 zu § 613a BGB, unter B I 3 a cc der Gründe; Urt. v.13. 6. 2006, 8 AZR 551/05, AP Nr. 305 zu § 613a BGB = NZA 2006, 1101, unter II 2 a der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/ Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 122; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 30; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 17 f.; ders., RdA 2000, 257, 277; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 307; Schwanda, Betriebsübergang, S. 95 f.; Willemsen/Müntefering, NZA 2006, 1185, 1189; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 111; ders., FS Richardi, S. 475. 289 Vgl. hierzu oben S. 58 ff. 290 Preis, RdA 2000, 257, 277. 291 Vgl. BAG Urt. v. 29. 10. 1975, 5 AZR 444/74, BAGE 27, 291 = AP Nr. 2 zu § 613a BGB, unter 1 a der Gründe; BAG Urt. v. 25. 6. 1985, 3 AZR 254/83, BAGE 49, 102 = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, unter I 1 b der Gründe; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 6 Rn. 22; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 69; Kraft, Anm. zu BAG Urt. v. 25. 6. 1985, 3 AZR 254/83, AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 114; MüllerGlöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 36; Oberhofer, AuR 1989, 293, 294; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 31; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 13; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 309; Schwanda, Betriebsübergang, S. 179; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 130; a.A. D. Gaul, Betriebsübergang, S. 36.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
und Dienstleistungsbetrieben zu.292 Der große Einfluss, den die immateriellen Betriebsmittel auf die betriebliche Identität haben, wird – wie derjenige der materiellen Betriebsmittel – insbesondere im Betriebsübergangsrecht hervorgehoben293, und erst durch den von der überwiegenden Meinung befürworteten Rückgriff auf die dort entwickelten Kriterien für die Lehre von der Betriebsidentität relevant294. Mit dem Oberbegriff der immateriellen Betriebsmittel wird der sog. Goodwill, also der Geschäfts- oder Firmenwert, bezeichnet. Das ist der Ertragswert eines Unternehmens abzüglich seines Substanzwertes.295 Danach gehören zu den immateriellen Betriebsmitteln insbesondere der Kundenstamm, Kundenlisten, Geschäftsbeziehungen zu Dritten, die Position des Unternehmens am Markt, Formeln, Rezepte, Verfahrenstechniken, Computersoftware und das Know How.296 Ihre Wesentlichkeit für die betriebliche Identität wird wie die der materiellen Betriebsmittel an ihrer Bedeutung für die Erreichung des Betriebszwecks festgemacht. Aufgrund der teilweise sehr unterschiedlichen tatsächlichen und rechtlichen Hintergründe der verschiedenen immateriellen Betriebsmittel, sollen die wichtigsten im Folgenden einzeln auf ihre Bedeutung für die betriebsverfassungsrechtliche Betriebsidentität hin untersucht werden. aa) Know How Know How ist das nicht durch Schutzrechte gesicherte betriebliche Erfahrungswissen über prozedurale Vorgänge, das gegenüber Dritten einen Vorteil gewährt.297 Dabei kann es sich beispielsweise um Spezialwissen über die Herstellung und den
292 Vgl. BAG Urt. v. 27. 10. 2005, 8 AZR 568/04, AP Nr. 292 zu § 613a BGB = NZA 2006, 668, unter II 1 b aa der Gründe; Urt. v. 14. 8. 2007, 8 AZR 1043/06, AP Nr. 325 zu § 613a BGB = NZA 2007, 1431, unter B II 2 der Gründe. 293 Vgl. BAG Urt. v. 6. 4. 2006, 8 AZR 222/04, BAGE 117, 349 = AP Nr. 299 zu § 613a BGB, unter B I 3 a cc der Gründe; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 114; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 36; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 17; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 307; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 130. 294 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a Rn. 7; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 17; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 15; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 70; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5; ders., DB 2002, 738, 739. 295 Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 103. 296 Vgl. BAG Urt. v. 25. 6. 1985, 3 AZR 254/83, BAGE 49, 102 = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, unter I 1 b der Gründe; Urt. v. 22. 9. 1994, 2 AZR 54/94, AP Nr. 117 zu § 613a BGB = NZA 1995, 165, unter II 1 der Gründe; Urt. v. 27. 10. 2005, 8 AZR 568/04, AP Nr. 292 zu § 613a BGB = NZA 2006, 668, unter II 1 b aa der Gründe; Urt. v. 14. 8. 2007, 8 AZR 1043/06, AP Nr. 325 zu § 613a BGB = NZA 2007, 1431, unter B II 2 der Gründe; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 6 Rn. 22; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 103; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 114; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 40; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 13; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 309; Vogelsang, Schaub, ArbR-Hdb., § 18 Rn. 1; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 132. 297 Schwanda, Betriebsübergang, S. 99 f.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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Einsatz von Erzeugnissen oder über die Entwicklung, Bedienung und Prozessführung bestimmter Anlagen handeln.298 Verkörpert wird es durch die Arbeitnehmer.299 Unstreitig ist, dass es sich bei dem Know How um einen Wert handelt, der für ein Unternehmen aus ökonomischer Sicht in aller Regel von entscheidender Bedeutung ist.300 Die große Bedeutung, die dem Know How für die Erreichung des Unternehmenszwecks zukommt, kennzeichnet es jedoch in erster Linie als ein Kriterium, das den Betrieb als wirtschaftliche Einheit301, nicht aber als Repräsentationsbereich beschreibt. Zwar ist der betriebliche Bezug dieses Merkmals deutlich gegeben, weil es sich bei dem Know How um spezielles arbeitstechnisches Erfahrungswissen handelt, das eine unabdingbare Voraussetzung für die Verwirklichung der arbeitstechnischen Zielsetzung ist.302 Daraus folgt aber nicht, dass dem Know How als immateriellem Betriebsmittel eine Bedeutung für die Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsidentität beizumessen wäre. Denn trotz des vorhandenen Bezugs zum Betrieb, wirkt sich sein Vorhandensein im Betrieb nicht auf die Repräsentationsfähigkeit einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern aus. Hinzu kommt, dass das Know How als Gesamtheit von Spezialkenntnissen und Erfahrungen hauptsächlich durch die Arbeitnehmer verkörpert wird.303 So hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass durch die Übernahme eines bestimmten Know-How-Trägers ein durch diesen repräsentiertes immaterielles Betriebsmittel übergegangen sein kann.304 Je mehr Arbeitnehmer übergehen, desto größer ist nach herrschender Ansicht das repräsentierte Know How.305 Die Belegschaft eines Betriebs ist aber ein selbstständiger Bestandteil seiner Identität.306 Das Know How geht in diesem eigenständigen Merkmal auf.307 Das Erfahrungswissen der Arbeitneh298
Meyers Neues Lexikon, Bd. 7, Stichwort: “Know How”. D. Gaul, GRUR 1987, 590, 592; Hergenröder, AR-Blattei, SD 500.1, Rn. 193; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 23; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 132. 300 Schwanda, Betriebsübergang, S. 32,100. 301 D. Gaul, Betriebsübergang, S. 36; Schwanda, Betriebsübergang, S. 100; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 132. 302 Schwanda, Betriebsübergang, S. 100. 303 D. Gaul, GRUR 1987, 590, 592; Hergenröder, AR-Blattei, SD 500.1, Rn. 193; MüllerGlöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 36; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 42; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 23; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 132. 304 Vgl. BAG Urt. v. 9. 2. 1994, 2 AZR 781/93, BAGE 75, 367 = AP Nr. 104 zu § 613a BGB, unter III 1 b der Gründe; Urt. v. 22. 5. 1997, 8 AZR 101/96, BAGE 86, 20 = AP Nr. 154 zu § 613a BGB, unter B II 2 c bb der Gründe; Urt. v. 14. 5. 1998, 8 AZR 418/96, NZA 1999, 483, unter II 3 b der Gründe; zustimmend Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 132. 305 Vgl. BAG Urt. v. 9. 2. 1994, 2 AZR 781/93, BAGE 75, 367 = AP Nr. 104 zu § 613a BGB, unter III 1 b der Gründe; Hergenröder, AR-Blattei, SD 500.1, Rn. 193; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 36; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 43; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 23. 306 Ausführlich hierzu s. unten S. 117 ff. 307 Hergenröder, AR-Blattei, SD 500.1, Rn. 193; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 36; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 23. 299
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
mer wäre mithin doppelt in Ansatz gebracht, wollte man das Know How im Rahmen der Gesamtbetrachtung berücksichtigen. Für die Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsidentität hat es folglich keine Relevanz.308 bb) Weiterführen der Firma Auch die Firma eines Unternehmens ist nach herrschender Meinung ein Teil des Goodwills.309 Demzufolge wird ihr Fortführen als Indiz für die Wahrung der Betriebsidentität gewertet.310 Die Firma eines Kaufmanns ist der Name, unter dem er im Handel seine Geschäfte betreibt und die Unterschrift abgibt (§ 17 Abs. 1 HGB). Wegen ihrer mittelbaren Funktion als Unternehmenskennzeichnung wird die Firma, anders als der bürgerlichrechtliche Name (§ 12 BGB), nicht nur als Persönlichkeitsrecht, sondern auch als Immaterialgüterrecht verstanden, weil eine rein persönlichkeitsrechtliche Lesart der vermögensrechtlichen Bedeutung der Firma nicht hinreichend Rechnung tragen würde.311 Berechtigt zur Firmenführung sind Einzelkaufleute, Handelsgesellschaften, eingetragene Genossenschaften und Versicherungsvereinigungen auf Gegenseitigkeit.312 Der Unternehmensträger hat an der Firma ein absolutes subjektives Recht.313 Selbst für das Betriebsübergangsrecht, aus dem auch dieses Merkmal übernommen wird, ist jedoch zweifelhaft, ob dem Fortführen der Firma eine erhebliche Bedeutung für die Kennzeichnung der betrieblichen Identität zukommen kann. Zutreffend weist Schwanda darauf hin, dass § 23 HGB zum Schutz des Publikums nur die sog. Leerübertragung der Firma verbietet, zu der es beim Auseinanderfallen eines Unternehmens einerseits und der entsprechenden Kennzeichnung andererseits kommen würde.314 Er erlaubt es aber durchaus, einen Betrieb ohne Firma zu veräußern. Daraus 308
I.E. ebenso D. Gaul, GRUR 1987, 590, 592. Vgl. BAG Urt. v. 16. 2. 2006, 8 AZR 204/05, AP Nr. 300 zu § 613a BGB = NZA 2006, 794, unter II 2 a; Urt. v. 21. 8. 2008, 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29 = NJW 2009, 391, unter B II 1 b der Gründe; Canaris, Handelsrecht, § 10 Rn. 7; Heidinger, MüKo, HGB, § 22 Rn. 1; Steitz, Ensthaler, GK-HGB, vor §§ 17 – 24 Rn. 7. 310 Vgl. BAG Urt. v. 25. 6. 1985, 3 AZR 254/83, BAGE 49, 102 = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, unter I 1 b der Gründe; Urt. v. 16. 2. 2006, 8 AZR 204/05, AP Nr. 300 zu § 613a BGB = NZA 2006, 794, unter II 2 a; Urt. v. 21. 8. 2008, 8 AZR 201/07, NZA 2009, 29 = NJW 2009, 391, unter B II 1 b der Gründe; Hess, HSWG, BetrVG, vor § 1 Rn. 149; a.A. Schwanda, Betriebsübergang, S. 99. 311 Vgl. BGH Urt. v. 27. 9. 1982, II ZR 51/82, BGHZ 85, 221 = MDR 1983, 379, unter 1 der Gründe; Canaris, Handelsrecht, § 10 Rn. 7; Heidinger, MüKo, HGB, § 17 Rn. 20; Hopt, Baumbach/Hopt, HGB, § 17 Rn. 5; K. Schmidt, Handelsrecht, § 4 IV 3 a, § 12 I 3 a; Steitz, Ensthaler, GK-HGB, vor §§ 17 – 24 Rn. 6. 312 Steitz, Ensthaler, GK-HGB, vor §§ 17 – 24 Rn. 5; vgl. auch Hopt, Baumbach/Hopt, HGB, § 17 Rn. 4. 313 Canaris, Handelsrecht, § 10 Rn. 7; Heidinger, MüKo, HGB, § 17 Rn. 20. 314 Schwanda, Betriebsübergang, S. 99; vgl. Heidinger, MüKo, HGB, § 23 Rn. 1; Hopt, Baumbach/Hopt, HGB, § 23 Rn. 2; K. Schmidt, Handelsrecht, § 12 II 1 a, b. 309
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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ergibt sich im Umkehrschluss, dass die Firma nicht gleichzeitig ein notwendiges Betriebsmittel darstellen kann, so dass das Abstellen auf ihre Fortführung für die Betriebsidentität zumindest in den Fällen zweifelhaft ist315, in denen die Firma keinen spezifischen wirtschaftlichen Wert verkörpert, den sich der Betriebserwerber durch ihr Fortführen zu Nutze macht. Jedenfalls für die betriebsverfassungsrechtliche Betriebsidentität kann dem Weiterführen der Firma keine besondere Bedeutung im Rahmen der Gesamtbetrachtung beigemessen werden. Denn der Firma eines Unternehmens fehlt jeglicher betriebsverfassungsrechtliche Bezug. Sie verkörpert keins der für eine sinnvolle Betriebsabgrenzung maßgeblichen Wertungskriterien und ist daher ohne Bedeutung für die optimale Vertretung der Arbeitnehmer. Als der Handelsname des Kaufmanns ist sie ein handelsrechtlicher Begriff, der mehr mit dem Unternehmen als mit dem Betrieb verbunden ist316 und einen bestimmten wirtschaftlichen Wert verkörpert317. Mag sie auch bei Unternehmen mit nur einem Betrieb gleichzeitig der Name des Betriebs sein, in dem die betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der Belegschaft stattfindet, sagt sie jedenfalls bei Unternehmen mit mehreren Betrieben nichts über die unternehmensinterne Abgrenzung betrieblicher Repräsentationseinheiten aus. cc) Eintritt in bestehende Verträge Ferner wird der Eintritt in bestehende Verträge als Teil des Goodwill und damit als Indiz für die Wahrung der betrieblichen Identität gewertet.318 Auch hier ist es allerdings selbst im Betriebsübergangsrecht problematisch, dem Eintritt in bestehende Verträge erhebliches Gewicht beizumessen.319 Die Zweifel ergeben sich daraus, dass derartige Lieferbeziehungen, Bezugsquellen etc. bei neu eröffneten Betrieben erst im Laufe der Zeit ausgebaut werden müssen.320 Sie bestehen nicht von Anfang an, was dazu zwingt, bei der Bestimmung der Betriebsidentität nach dem Alter des Betriebs zu differenzieren und mit zweierlei Maß zu messen. Jedenfalls für die Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsidentität kommt dem Eintritt in bestehende Verträge keine besondere Bedeutung zu. Das bereits zur Bedeutung der Firmenfortführung Gesagte gilt hier entsprechend: 315
Schwanda, Betriebsübergang, S. 99. Schwanda, Betriebsübergang, S. 33. 317 Heidinger, MüKo, HGB, § 17 Rn. 20; Hopt, Baumbach/Hopt, HGB, § 17 Rn. 5; K. Schmidt, Handelsrecht, § 4 IV 3 a; Schwanda, Betriebsübergang, S. 99. 318 Vgl. BAG Urt. v. 29. 10. 1975, 5 AZR 444/74, BAGE 27, 291 = AP Nr. 2 zu § 613a BGB, unter 1 a (a.E.) der Gründe; Urt. v. 27. 9. 1984, 2 AZR 309/83, AP Nr. 39 zu § 613a BGB = NZA 1985, 493, unter B II 2 b der Gründe; Urt. v. 26. 4. 2007, 8 AZR 695/05, AP Nr. 4 zu § 125 InsO = ZIP 2007, 2136, unter B III 2 der Gründe; Urt. v. 14. 8. 2007, 8 AZR 803/06, AP Nr. 326 zu § 613a BGB = NZA 2007, 1428, unter II 2 b dd der Gründe; Hess, HSWG, BetrVG, vor § 1 Rn. 149; Schwanda, Betriebsübergang, S. 28. 319 Schwanda, Betriebsübergang, S. 104. 320 Schwanda, Betriebsübergang, S. 104. 316
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
Zwar hat gerade bei Dienstleistungsbetrieben der Eintritt in Lieferbeziehungen, Bezugsquellen etc. für den Betriebserwerber eine große wirtschaftliche Bedeutung.321 Eine Zuordnung zum Betrieb lässt sich jedoch auch hier nicht ohne weiteres vornehmen.322 Die Belegschaft wird oftmals von der Beendigung bestehender Lieferverträge nicht einmal Kenntnis erlangen, da die ausgelaufenen oder gekündigten Verträge in der Regel durch andere ersetzt werden. Jedenfalls aber verkörpern die bestehenden Verträge eines Betriebs keines der für die optimale Arbeitnehmervertretung maßgeblichen Wertungskriterien, so dass sich die Beendigung bestehender Verträge nicht auf die Repräsentierbarkeit der Arbeitnehmer auswirkt. dd) Übernahme gewerblicher Schutzrechte Stärker als bei den übrigen immateriellen Betriebsmitteln wird in der Literatur die Bedeutung der Übernahme gewerblicher Schutzrechte, wie beispielsweise Patentund Gebrauchsmusterrechte und Lizenzen, als Indiz für einen identitätswahrenden Betriebsübergang betont.323 Auch die Rechtsprechung geht im Rahmen des § 613a BGB davon aus, dass die Übertragung von Patent- und Gebrauchsmusterrechten als Indiz für einen Betriebsübergang zu werten sei324, während die Nichtübernahme dagegen spreche325. Gegen die besondere Berücksichtigung gewerblicher Schutzrechte bei der Bestimmung der betrieblichen Identität spricht jedoch, wie D. Gaul zutreffend herausstreicht, dass es für die Abgrenzung des Betriebs ohne Belang ist, ob die Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks rechtlich statthaft ist oder – etwa wegen des bestehenden Patentrechts eines Dritten – als Verstoß gegen §§ 9 bis 13 PatG Unterlassungs- und darüber hinaus bei schuldhaftem Handeln Schadensersatzpflichten 321 Vgl. LAG Frankfurt a.M. Urt. v. 2. 3. 1984, 13 Sa 975/83, ARST 1984, 115; LAG BadenWürttemberg Urt. v. 19. 6. 1984, 12 Sa 39/84, BB 1985, 123, unter 2 a der Gründe; BAG Urt. v. 15. 5. 1985, 5 AZR 276/84, BAGE 48, 345 = AP Nr. 41 zu § 613a BGB, unter II 1 der Gründe, Urt. v. 30. 10. 1986, 2 AZR 696/85, BAGE 53, 267 = AP Nr. 58 zu § 613a BGB, unter B II 3 b bb der Gründe; Urt. v. 26. 2. 1987, 2 AZR 321/86, AP Nr. 63 zu § 613a BGB = NZA 1987, 589, unter B II 4b aa der Gründe; Schwanda, Betriebsübergang, S. 32 f. 322 Schwanda, Betriebsübergang, S. 103. 323 Hergenröder, AR-Blattei, SD 500.1, Rn. 190; Hess, HSWG, BetrVG, vor § 1 Rn. 149; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 37; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 23; Schwanda, Betriebsübergang, S. 102; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 129; a.A. D. Gaul, GRUR 1987, 590, 592; ders. Betriebsübergang, S. 36. 324 Vgl. BAG Urt. v. 22. 2. 1978, 5 AZR 800/76, AP Nr. 11 zu § 613a BGB = BB 1978, 914, unter 3 a der Gründe; Urt. v. 15. 5. 1985, 5 AZR 276/84, BAGE 48, 345 = AP Nr. 41 zu § 613a BGB, unter II 1 der Gründe; Urt. v. 28. 4. 1988, 2 AZR 623/87, AP Nr. 74 zu § 613a BGB = NZA 1989, 265, unter III 2 c bb der Gründe; Urt. v. 25. 5. 2000, 8 AZR 335/99 (juris), unter B II 2 a der Gründe; Urt. v. 21. 5. 2008, 8 AZR 84/07, NZA 2008, 753 = ZInsO 2008, 1153, unter B II 2 der Gründe. 325 Vgl. BAG Urt. v. 13. 11. 1997, 8 AZR 375/96, BAGE 87, 120 = AP Nr. 170 zu § 613a BGB, unter II 2 b der Gründe.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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auslöst (vgl. § 139 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 PatG).326 Durch das entgegengerichtete Schutzrecht eines Dritten wird die Erfüllung des arbeitstechnischen Zwecks zwar rechtswidrig. Sie bleibt aber möglich. Die Nichtübernahme von gewerblichen Schutzrechten bleibt damit ohne unmittelbare Auswirkungen auf den Betrieb als Werk.327 Etwas anderes folgt auch nicht aus § 12 PatG, der das Recht des Vorbenutzers regelt. Zwar entsteht die Befugnis, auch eine patentierte Erfindung weiterzubenutzen, sofern zur Zeit der Patentanmeldung die Erfindung im Inland bereits in Benutzung genommen oder die Veranstaltungen hierzu bereits getroffen wurden, gerade im Betrieb des Vorbenutzers (§ 12 Abs. 1 S. 2 PatG) und kann auch nur mit dem Betrieb zusammen veräußert oder vererbt werden (§ 12 Abs. 1 S. 3 PatG). Trotz dieser deutlich vom Gesetzgeber gewollten Betriebsbezogenheit des Vorbenutzungsrechts328 bleibt es jedoch dabei, dass der technische Arbeitsablauf auch ohne das Vorbenutzungsrecht verwirklicht werden kann.329 Die Übernahme von gewerblichen Schutzrechten ist danach lediglich von wirtschaftlicher Bedeutung für das Unternehmen. Unmittelbare Auswirkungen auf den Betriebsablauf hat die Nichtübernahme gewerblicher Schutzrechte dagegen nicht. Auch sie verkörpern keins der für die optimale Repräsentierbarkeit der Belegschaft maßgeblichen Wertungskriterien und können daher bei der Bestimmung der betrieblichen Identität eine allenfalls untergeordnete Bedeutung erlangen. ee) Übernahme des Kundenstamms Nach herrschender Meinung soll ferner der Kundenstamm zum Goodwill gehören und dessen Übernahme als die eines immateriellen Betriebsmittels330 für die Wahrung der Betriebsidentität sprechen.331 Erreicht wird die Erhaltung des Kundenkreises nach herrschender Meinung regelmäßig durch die Übernahme des Ladenlokals mit Beibe326 D. Gaul, Betriebsinhaberwechsel, S. 21; grundsätzlich zustimmend Schwanda, Betriebsübergang, S. 103. 327 D. Gaul, Betriebsinhaberwechsel, S. 21; grundsätzlich zustimmend Schwanda, Betriebsübergang, S. 103. 328 Vgl. Rogge, Benkard, PatG, § 12 Rn. 25. 329 So noch zu § 7 PatG a.F.: D. Gaul, Betriebsinhaberwechsel, S. 21; ablehnend: Schwanda, Betriebsübergang, S. 194. 330 Vgl. BAG Urt. v. 30. 10. 1986, 2 AZR 696/85, BAGE 53, 267 = AP Nr. 58 zu § 613a BGB, unter B II 3 b cc der Gründe; Urt. v. 26. 2. 1987, 2 AZR 321/86, AP Nr. 63 zu § 613a BGB = NZA 1987, 589; Hergenröder, AR-Blattei, SD 500.1, Rn. 190; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 45; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 13; zweifelnd Schwanda, Betriebsübergang, S. 104 f. 331 Vgl. BAG Urt. v. 25. 6. 1985, 3 AZR 254/83, BAGE 49, 102 = AP Nr. 23 zu § 7 BetrAVG, unter I 1 b der Gründe; Urt. v. 30. 10. 1986, 2 AZR 696/85, BAGE 53, 267 = AP Nr. 58 zu § 613a BGB, unter B II 3 b dd der Gründe; Urt. v. 22. 5. 1997, 8 AZR 101/96, BAGE 86, 20 = AP Nr. 154 zu § 613a BGB, unter B II 2 c ee der Gründe; Urt. v. 2. 12. 1999, 8 AZR 796/98, AP Nr. 188 zu § 613a BGB = NZA 2000, 369, unter II 2 b der Gründe; Hess, HSWG, BetrVG, vor § 1 Rn. 149; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 45; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 309, Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 157 ff.; zweifelnd Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 31.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
haltung der Verkaufsorganisation sowie durch die Fortführung des annähernd gleichen Warenangebots332, teilweise aber auch durch die direkte Übernahme der Kunden- beziehungsweise Interessentenkartei oder den Übergang einer Vertriebsberechtigung in einem bestimmten Gebiet333. Auch hinsichtlich dieses Kriteriums bestehen jedoch Bedenken, was seine Bedeutung für die betriebliche Identität angeht. Gegen eine hervorgehobene Stellung des fortbestehenden Kundenstamms im Rahmen der Gesamtbetrachtung spricht zunächst, dass die Beweisführung über eine etwaige Veränderung des Kundenstamms erheblichen praktischen Schwierigkeiten begegnet.334 Allein aus einer neuen Angebotspalette und unterschiedlichen Eßgewohnheiten oder Verweilzeiten im Lokal auf eine Veränderung des Kundenstamms zu schließen335, ist gewagt und gerade bei Laufkundschaft, die einer ständigen Veränderung unterliegt, jedenfalls nicht zwingend.336 Dies gilt umso mehr hinsichtlich solcher Betriebe, die aufgrund ihrer Lage ohnehin einen sich stetig wechselnden Kundenkreis und keinen festen Kundenstamm haben, wie etwa Museumshops oder Gastronomiebetriebe auf Flughäfen oder Bahnhöfen.337 Schwerer als praktische Beweisschwierigkeiten wiegen jedoch die folgenden Bedenken: Zwar stellen bestehende Kundenbeziehungen als Absatzoptionen einen wesentlichen wirtschaftlichen Bestandteil eines Unternehmens dar.338 In einer Marktwirtschaft kann eine Kundschaft als solche aber nicht übertragen beziehungsweise übernommen werden339, erst recht nicht, wenn es sich im Wesentlichen um Laufkundschaft handelt340. So prüft auch die herrschende Meinung bei genauer Betrachtung nicht, ob tatsächlich die Kundschaft als solche übernommen wurde, sondern hält für entscheidend, ob durch eine Übernahme des Ladenlokals oder durch die Beibehaltung von Verkaufsorganisation und Warensortiment die Übernahme des Kundenstamms ermöglicht wird.341 Im Grunde geht es also gar nicht um die Übernahme des 332 Vgl. BAG Urt. v. 21. 1. 1988, 2 AZR 480/87, AP Nr. 72 zu § 613a BGB = NZA 1988, 838, unter C I 2 b aa der Gründe; Urt. v. 2. 12. 1999, 8 AZR 796/98, AP Nr. 188 zu § 613a BGB = NZA 2000, 369, unter II 2 b der Gründe; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 48; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 13, 31; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 156. 333 Vgl. BAG Urt. v. 21. 1. 1988, 2 AZR 480/87, AP Nr. 72 zu § 613a BGB = NZA 1988, 838, unter C I 2 b aa der Gründe; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 48; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 31; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 156. 334 Schwanda, Betriebsübergang, S. 106. 335 So geschehen in BAG Urt. v. 26. 2. 1987, 2 AZR 321/86, AP Nr. 63 zu § 613a BGB = NZA 1987, 589, unter B II 5 der Gründe. 336 Schwanda, Betriebsübergang, S. 106. 337 Ähnliche Bedenken äußert Hanau, FS D. Gaul, S. 287, 288. 338 Schwanda, Betriebsübergang, S. 41 f, 105. 339 Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 31; ebenso Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 48; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 156 ff. 340 Schwanda, Betriebsübergang, S. 39, 41 f. 341 Vgl. BAG Urt. v. 26. 2. 1987, 2 AZR 321/86, AP Nr. 63 zu § 613a BGB = NZA 1987, 589, unter B II 5 der Gründe; Urt. v. 21. 1. 1988, 2 AZR 480/87, AP Nr. 72 zu § 613a BGB = NZA 1988, 838, unter C I 2 b aa der Gründe; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 31.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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Kundenstamms, sondern um die Übernahme der für den Zugang zu einem bestimmten Kundenkreis erforderlichen Hilfsmittel.342 Der Charakter eines (und zwar: materiellen) Betriebsmittels kommt damit den „sächlich gegenständlichen Voraussetzungen zu, die erforderlich sind, um überhaupt Zugang zu dem bisherigen Kundenkreis des früheren Betriebsinhabers zu erlangen“343, nicht aber dem Kundenstamm selbst. Entgegen anders lautender Auffassung stellen Kundenbeziehungen daher keine immateriellen Betriebsmittel, sondern nur das Ergebnis einer mehr oder minder erfolgreichen Betriebstätigkeit dar.344 Auf die fortgesetzte Repräsentierbarkeit einer Gruppe von Arbeitnehmern hat eine Veränderung des Kundenstamms keine Auswirkungen. Er verkörpert keins derjenigen Wertungskriterien, auf die es für die sinnvolle und effektive Arbeitnehmervertretung ankommt. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung kommt daher auch dem Fortbestand des Kundenstamms eine höchstens untergeordnete Bedeutung zu. ff) Zusammenfassung Bei den immateriellen Betriebsmitteln handelt es sich ebenso wie bei den materiellen Betriebsmitteln um ein Kriterium, das für die Bestimmung der Betriebsidentität im Betriebsübergangsrecht entwickelt wurde.345 Auch hier offenbart sich jedoch, dass die dort maßgeblichen Wertungen entgegen der überwiegenden Ansicht346 nicht zur Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsidentität herangezogen werden können. Denn zwar stellen sämtliche immaterielle Betriebsmittel einen wirtschaftlichen Wert für das Unternehmen dar, so dass sie nach dem Normzweck des § 613a BGB bei der Bestimmung der Wirtschaftseinheit Betrieb zu berücksichtigen sind. Da es für die betriebsverfassungsrechtliche Betriebsidentität auf die Wirtschaftlichkeit des Betriebs aber nicht ankommt347, und andererseits keines der von der herrschenden Meinung zu den immateriellen Betriebsmitteln gezählten Merkmale ein für die optimale Arbeitnehmervertretung maßgebliches Wertungskriterien verkörpert, können die Auswirkungen, die eine Veränderung der immateriellen Betriebsmittel auf die Repräsentierbarkeit der Belegschaft haben, allenfalls mittelbar sein. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung können sie daher eine höchstens untergeordnete Rolle spielen. 342
Schwanda, Betriebsübergang, S. 39, 41 f.; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 157. Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 156. 344 Schwanda, Betriebsübergang, S. 195. 345 Vgl. BAG Urt. v. 6. 4. 2006, 8 AZR 222/04, BAGE 117, 349 = AP Nr. 299 zu § 613a BGB, unter B I 3 a cc der Gründe; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 114; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 36; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 13, 17; Rose, HSWGN, BetrVG, Einleitung Rn. 307; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 129. 346 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, § 21a Rn. 7; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 17; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 15; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 70; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5; ders., DB 2002, 738, 739. 347 Vgl. oben S. 57 f. 343
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d) Betriebsorganisation Da der Betriebsbegriff nach herrschender Meinung eine organisatorische Einheit bezeichnet348, liegt es nahe, das Merkmal der Betriebsorganisation als weiteres Kriterium in die Gesamtbetrachtung zur Bestimmung der Betriebsidentität einzubeziehen.349 Unter dem Merkmal der Betriebsorganisation werden dabei gleich mehrere Aspekte zusammengefasst.350 aa) Innerbetriebliche Organisationseinheiten Einen Aspekt der Betriebsorganisation stellen die innerbetrieblichen Organisationseinheiten dar. Hierzu gehören alle organisatorischen Untergliederungen innerhalb eines Betriebs, wie beispielsweise unselbstständige Betriebsabteilungen (Einkauf, Verkauf, Versand etc.) und unselbstständige Kleinstbetriebe, in denen kein eigener Betriebsrat gewählt werden kann (vgl. § 4 Abs. 2 BetrVG), Arbeitsgruppen und Betriebsabteilungen, sowie andere in § 3 BetrVG vorgesehene betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten wie zum Beispiel Betriebsabteilungen innerhalb einer Sparte oder auch innerhalb eines Betriebs, wenn ein unternehmenseinheitlicher oder regionaler Betriebsrat nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vereinbart wurde.351 Verän-
348 St. Rspr., vgl. BAG Beschl. v. 31. 5. 2000, 7 ABR 78/98, BAGE 95, 15 = AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B II 1 a der Gründe; Beschl. v. 19. 2. 2002, AP Nr. 13 zu § 4 BetrVG 1972 = NZA 2002, 1300, unter B II 1 a der Gründe; Beschl. v. 11. 2. 2004, 7 ABR 27/03, BAGE 109, 332 = AP Nr. 22 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B I 1 der Gründe; Beschl. v. 22. 6. 2005, 7 ABR 57/04, AP Nr. 23 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B II 1 der Gründe; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, S. 3; Fitting/ Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 63; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 28; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 6; v. Hoyningen-Huene, Betriebsverfassungsrecht, S. 25; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Preis, RdA 2000, 257, 268; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 16; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14. 349 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 103, 106; vgl. BAG Urt. v. 13. 5. 2004, 8 AZR 331/03, AP Nr. 273 zu § 613a BGB, unter II 1 der Gründe; Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 77; Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21 Rn. 31; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 84; U. Fischer, RdA 2005, 39, 44; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/ Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 9a; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 6 f.; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 43; Hess, HSWG, BetrVG, § 1 Rn. 22; Hohenstatt, WHSS, Rz. D. 71; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 14; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 2 i.V.m. Rn. 3; T. Müller, RdA 1996, 287, 289; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 18; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 4; Rieble, NZA 2002, 233, 234; Schwanda, Betriebsübergang, S. 125; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14, 15; Willemsen, FS Richardi, 475, 477; a.A. Galperin, BetrVG, § 1 Rn. 37. 350 Vgl. Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21 Rn. 31; Kreutz, FS Richardi, S. 637, 642; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 103; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 139. 351 Vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 37; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 15 Rn. 7; Koch, ErfK, BetrVG, § 15 Rn. 1; Kreutz, GK-BetrVG, § 15 Rn. 11; Nicolai, HSWGN, BetrVG, § 15 Rn. 7; Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 15 Rn. 2; Thüsing,
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dern sich diese, indem neue Einheiten eingerichtet werden oder frühere entfallen, kann sich das auf die betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der Arbeitnehmer auswirken.352 Das folgt aus § 15 Abs. 1 BetrVG, der anordnet, dass sich der Betriebsrat möglichst aus Arbeitnehmern der einzelnen Organisationsbereiche und der verschiedenen Beschäftigungsarten im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zusammensetzen soll.353 In der Literatur wird dies zum Teil bestritten. Namentlich Salamon vertritt die Ansicht, eine Veränderung der betrieblichen Organisationseinheiten bleibe ohne Auswirkungen auf die betriebliche Identität. Diese Auffassung begründet er damit, dass § 15 Abs. 1 BetrVG anders als § 15 Abs. 2 BetrVG keine zwingende Wahlvorschriftenthalte, weshalb der Wertung des § 15 Abs. 1 BetrVG nicht zu entnehmen sei, dass Änderungen der innerbetrieblichen Organisationsbereiche zu einem Verlust der Betriebsidentität führten354. Da Verletzungen des § 15 Abs. 1 BetrVG nicht als ein Verstoß gegen wesentliche Wahlvorschriften gem. § 19 Abs. 1 BetrVG anzusehen seien, berechtigten sie nicht zur Anfechtung der Betriebsratswahl.355 Dies folge schon aus dem Wortlaut der Vorschrift und ergebe sich zudem daraus, dass es in der Praxis häufig unmöglich ist, jede Organisationseinheit durch ein Mitglied im Betriebsrat zu repräsentieren, insbesondere wenn mehr Organisationseinheiten bestehen als Mitglieder in den Betriebsrat zu wählen sind.356 Wenn aber die fehlende Repräsentation sämtlicher innerbetrieblicher Organisationseinheiten nicht einmal die Anfechtbarkeit einer Betriebsratswahl zur Folge habe, könne der Regelung des § 15 Abs. 1 BetrVG erst recht nicht entnommen werden, dass spätere Veränderungen dieser Organisationseinheiten den Verlust der Betriebsidentität nach sich ziehen und damit zum Untergang des Betriebsrats führen.357 Eine Veränderung der Organisationseinheiten im Betrieb könne sich daher auf die betriebsverfassungsrechtliche Betriebsidentität nicht auswirken.358 Der Argumentation Salamons kann nicht gefolgt werden. Zwar trifft es zu, dass § 15 Abs. 1 BetrVG keine zwingende Wahlvorschrift ist, deren Verletzung zur Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl führen würde.359 Daraus folgt aber nicht, dass Richardi, BetrVG, § 15 Rn. 1; vgl. zu den Gestaltungsmöglichkeiten nach § 3 ausführlich unter S. 190 ff. 352 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 105. 353 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 106. 354 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 106. 355 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 106. 356 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 106. 357 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 106. 358 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 106. 359 BT-Drucks. 14/5741, S. 37; BAG Beschl. v. 16. 2. 1973, 1 ABR 18/72, BAGE 25, 60 = AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG 1972, unter II 3 der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 15 Rn. 2; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 16 Rn. 139; Koch, ErfK, BetrVG, § 15 Rn. 1; Kreutz, GK-BetrVG, § 15 Rn. 14; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 15 Rn. 1; Nicolai, HSWGN, BetrVG, § 15 Rn. 4; Reichold, HWK, BetrVG, § 15 Rn. 2;
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die innerbetriebliche Organisation für die Bestimmung der Betriebsidentität ohne Bedeutung sei. Das Gegenteil ist der Fall: Durch die Beteiligung der verschiedenen innerbetrieblichen Organisationseinheiten werden die Besonderheiten der jeweiligen Arbeitsstätte bei der Bildung der Arbeitnehmervertretung berücksichtigt.360 Damit soll eine gewisse Sachnähe der Arbeitnehmervertretung gewährleistet werden.361 Indem § 15 Abs. 1 BetrVG die Zusammensetzung des Betriebsrats nach Organisationsbereichen vorsieht, soll erreicht werden, dass durch die Repräsentanten der einzelnen Organisationseinheiten die Belange der in diesen beschäftigten Arbeitnehmer besonders berücksichtigt werden können.362 Die Regelung strebt damit einen Betriebsrat an, der sich aus Mitgliedern zusammensetzt, die mit den unterschiedlichen Belangen der Arbeitnehmer vertraut sind.363 Durch die Zusammensetzung des Betriebsrats nach innerbetrieblichen Organisationseinheiten soll also das die optimale Vertretung der Arbeitnehmer verfolgende Wertungskriterium der Belegschaftsnähe verwirklicht werden. Wird die innerbetriebliche Organisation verändert, kann dies dazu führen, dass die Repräsentation der einzelnen Organisationsbereiche im Betriebsrat nicht mehr gewährleistet ist und die Belegschaftsnähe der Arbeitnehmervertretung in der Folge weniger gut verwirklicht wird. Der bisherige Betriebsrat ist dann nicht mehr in der Lage, seine Aufgaben effizient und sinnvoll wahrzunehmen, so dass das Bedürfnis entsteht, die Vertretungsstrukturen durch Neuwahlen an die veränderten Gegebenheiten anzupassen. Folglich muss der Veränderung der innerbetrieblichen Organisationseinheiten im Rahmen der Gesamtbetrachtung durchaus besondere Beachtung geschenkt werden. Dass die Verletzung des § 15 Abs. 1 BetrVG nicht zur Anfechtung der Wahl führt, die Veränderung der innerbetrieblichen Organisationseinheiten allein also nicht zum Wegfall der Betriebsidentität führen kann, steht der Beachtung des Merkmals im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht entgegen. bb) Arbeitstechnische Betriebsorganisation Einen weiteren Bestandteil der Betriebsorganisation bildet die arbeitstechnische Betriebsstruktur, die durch die spezifische organisatorische Zusammenfassung der Betriebsmittel unter einer einheitlichen arbeitstechnischen Leitung und die daraus re-
Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 15 Rn. 3; Sieg/Maschmann, AuA 2002, Heft 1, 22, 23; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 15 Rn. 20; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 15 Rn. 1. 360 Gamillscheg, ZfA 1975, 357, 362 f. 361 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 15 Rn. 7; Kreutz, GK-BetrVG, § 15 Rn. 10; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 106; Schlochauer, HWSG, BetrVG, § 15 Rn. 4; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 15 Rn. 1. 362 BT-Drucks. 14/5741, S. 37; Kreutz, GK-BetrVG, § 15 Rn. 10; Nicolai, HSWGN, BetrVG, § 15 Rn. 1; Reichold, HWK, BetrVG, § 15 Rn. 2 („authentische Repräsentation“); Thüsing, Richardi, BetrVG, § 15 Rn. 6. 363 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 15 Rn. 7; Kreutz, GK-BetrVG, § 15 Rn. 10; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 15 Rn. 1.
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sultierenden Betriebsabläufe charakterisiert wird.364 Auch sie soll die betriebliche Identität kennzeichnen. So soll es beispielsweise bei einem Wechsel zwischen Massenanfertigung und einer mehr handwerklich ausgerichteten Einzelanfertigung an der Fortführung der arbeitstechnischen Betriebsorganisation und damit an der betrieblichen Identität fehlen.365 Dagegen wird es als Indiz für die Wahrung der Betriebsidentität gewertet, wenn Fertigungsprogramm und -ablauf unverändert beibehalten werden.366 (1) Praktikabilität des Merkmals Schon angesichts der Tatsache, dass in einem Betrieb oft mehrere arbeitstechnische Zwecke gleichzeitig verfolgt werden, ist es jedoch problematisch, der arbeitstechnischen Leitung im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine hervorgehobene Stellung einzuräumen. Denn jedenfalls dort, wo dies der Fall ist, ist eine einheitliche technische Leitung zwar möglicherweise sinnvoll, aber keineswegs notwendig für die Abgrenzung des Betriebs als einheitlichen Organisationsbereich.367 Oft wird in Betrieben, die mehrere Betriebszwecke verfolgen, eine einheitliche arbeitstechnische Leitung auch nicht möglich sein, da in der Regel unterschiedliche Technologien für die unterschiedlichen Zwecke anzuwenden sind, für die zunehmend eine fachliche Spezialisierung notwendig ist, so dass mit der einheitlichen Leitung eine umfassende Sachkenntnis einhergehen müsste.368 Damit stellt sich in diesen Fällen die gleiche Abgrenzungsproblematik wie beim dem eng verwandten Kriterium des arbeitstechnischen Zwecks369 : Es ist völlig offen, ob die Wahrung der Betriebsidentität solcher Be364 BAG Beschl. v. 31. 5. 2000, 7 ABR 78/98, BAGE 95, 15 = AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B III 1 der Gründe; Beschl. v. 11. 2. 2004, 7 ABR 27/03, BAGE 109, 332 = AP Nr. 22 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B I 1 der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 71; Franzen, GKBetrVG, § 1 Rn. 39; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 20; ders., HWK, BetrVG, § 1 Rn. 14; D. Gaul, Betriebsübergang, S. 39; Kittner, ArbuR 1995, 385, 394; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 9; Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 101; MüllerGlöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 41 f.; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 28, 32; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 27; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 22; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 105; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 21a Rn. 13; a.A. Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 100. 365 Vgl. BAG Urt. v. 13. 5. 2004, 8 AZR 331/03, AP Nr. 273 zu § 613a BGB = NZA 2004, 1295, unter II 2 der Gründe; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 18. 366 Vgl. BAG Urt. v. 16. 5. 2002, 8 AZR 319/01, AP Nr. 237 zu § 613a BGB = NZA 2003, 93, unter B III 1 b cc (3) der Gründe; D. Gaul, Betriebsübergang, S. 39; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 18. 367 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 72; Franzen, GKBetrVG, § 1 Rn. 39; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 21; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 23; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 107; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 100. 368 Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 39. 369 B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 21; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 107; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 100.
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triebe von dem Fortbestand aller arbeitstechnischen Leitungen, der qualitativ wesentlichen oder der quantitativ meisten technischen Leitungen abhängen soll.370 Aus diesem Grund gehen einige Stimmen in der Literatur sogar davon aus, die arbeitstechnische Leitung scheide als Kriterium des Betriebsbegriffs gänzlich aus.371 Hinzu kommt, dass insbesondere bei Dienstleistungs- und Einzelhandelsbetrieben Abgrenzungsschwierigkeiten auch deshalb bestehen, weil bei ihnen der Fortbestand der arbeitstechnischen Betriebsorganisation nicht wie bei Produktionsbetrieben schon aus der Dominanz der materiellen Produktionsmittel folgt.372 (2) Abstrakte Bedeutung für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der Belegschaft Nachdrücklicher als die nur geringe Praktikabilität dieses Merkmals spricht gegen eine besondere Berücksichtigung der arbeitstechnischen Leitung im Rahmen der Gesamtbetrachtung, dass sie keines der für die optimale Repräsentierbarkeit der Belegschaft wesentlichen Wertungskriterien verkörpert. Vielmehr handelt es sich auch hier um ein Kriterium, dem in erster Linie im Betriebsübergangsrecht eine hohe Bedeutung zukommt, was wiederum aus seiner engen Verknüpfung mit dem arbeitstechnischen Zweck des Betriebs folgt.373 Im Rahmen des § 613a BGB verlangt die Wahrung der betrieblichen Identität mehr als nur den Übergang einer bloßen Ansammlung einzelner Wirtschaftsgüter, da es dessen Normzweck verlangt, dass sich der Betriebserwerber die vom Vorgänger geschaffenen Strukturen zu Nutze macht.374 Dort geht es also gerade um das vom Unternehmer geschaffene Ordnungsgefüge für die Verbindung von Betriebszweck, im Betrieb arbeitenden Menschen und Betriebsanlagen, das der Verwirklichung der Betriebsaufgaben dient.375 Es ist kaum vorstellbar, dass der Betriebserwerber von diesem Ordnungsgefüge profitiert, ohne die vom Vorgänger geschaffene Arbeitsorganisation zu nutzen.376 Für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer ist es dagegen gleichgültig, ob sich die 370
Kritisch auch Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 39; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 21; Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 101; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 100; Wedde, DKKW, BetrVG, Einleitung Rn. 100. 371 Vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 73; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10; in diese Richtung auch LAG Hamburg Beschl. v. 1. 11. 1982, 2 TaBV 8/82, BB 1983, 1095, unter II 1 a der Gründe. 372 Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 33. 373 Willemsen, FS Richardi, S. 475, 477. 374 BAG Urt. v. 18. 3. 1999, 8 AZR 159/98, BAGE 91, 121 = AP Nr. 189 zu § 613a BGB, unter II 4 der Gründe; Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 76; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 19 Rn. 6; Jochums, NJW 2005, 2580, 2585; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 73; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 35; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 5; ders., RdA 2000, 257, 277 f.; Schwanda, Betriebsübergang, S. 126; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 9; ders., FS Richardi, S. 475, 477; Wißmann/Cieslak, Anm. zu BAG Urt. v. 14. 8. 2007, 8 AZR 1043/06, EWiR § 613a BGB 3/08, 199, 200. 375 Schwanda, Betriebsübergang, S. 126. 376 Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 22.
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arbeitstechnische Betriebsorganisation verändert, da die arbeitstechnische Leitung nicht Adressat der wesentlichen Mitbestimmungsrechte ist377. Da sich eine Veränderung der arbeitstechnischen Strukturen folglich nicht auf die Repräsentation der Belegschaft auswirkt378, erfordert sie keine Anpassung der Vertretungsstrukturen an die neuen Gegebenheiten. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung kann der arbeitstechnischen Organisation folglich keine besondere Bedeutung zukommen. Damit bestätigt sich auch bei diesem Merkmal, dass für die Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsidentität nicht ohne weiteres auf die im Betriebsübergangsrecht für die Bestimmung der betrieblichen Identität herangezogenen Merkmale zurückgegriffen werden kann, weil beiden Bereichen unterschiedliche Wertungsgesichtspunkte zugrunde liegen. cc) Institutionell einheitliche Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten (1) Entscheidendes Merkmal des Betriebsbegriffs Als weiterer Aspekt der Betriebsorganisation und entscheidend für die Betriebsabgrenzung wird von der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur seit langem die Existenz eines einheitlichen Leitungsapparats angesehen.379 Was darunter zu verstehen ist, ist durch Rechtsprechung und Literatur inzwischen weitgehend konkretisiert worden. (a) Zuständigkeit in personellen und sozialen Angelegenheiten So ist man sich einig, dass die Annahme eines einheitlichen Leitungsapparats nicht die Existenz eines Gremiums voraussetzt, das sämtliche die Betriebsführung betreffenden Leitungskompetenzen in sich vereint, da andernfalls eine Unterscheidung 377 BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 b der Gründe; Löwisch, Arbeitsrecht, § 10 Rn. 416. 378 I.E. ebenso Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 101. 379 Vgl. BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 c der Gründe; Beschl. v. 25. 9. 1986, 6 ABR 68/84, BAGE 53, 119 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972, unter II 3 der Gründe; Beschl. v. 22. 10. 2003, 7 ABR 18/03, AP Nr. 21 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb = BAGReport 2004, 165, unter C I der Gründe; Beschl. v. 7. 5. 2008, 7 ABR 17/07, NZA 2009, 328, unter B I 3 a der Gründe; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, S. 3; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 71; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 43; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 42; Haas/Salamon, NZA 2009, 299, 301; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 99; Hohenstatt, WHSS, D Rz. 71; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 14; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10; ders., Schaub, ArbR-Hdb., § 214 Rn. 3; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betrieb (Begriff) Rn. 3; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238; ders., FS Richardi, S. 638, 462, 644; Löwisch, Arbeitsrecht, § 10 Rn. 416; Preis, RdA 2000, 257, 278 f.; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 27; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 22; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 104; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 67; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 111 ff., 154; Worzalla, HSWG, BetrVG, § 21a Rn. 13.
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zwischen Betrieb und Unternehmen nicht möglich wäre. Bei der Anknüpfung an Entscheidungskompetenzen für die Abgrenzung des Betriebs als Repräsentationsbereich können vielmehr nur solche Leitungsbefugnisse maßgeblich sein, die Materien betreffen, welche Gegenstand der betrieblichen Mitbestimmung sind.380 Entscheidend für die Betriebsabgrenzung ist daher die Existenz einer institutionell einheitlichen Leitung im Personal- und Sozialwesen.381 Die arbeitstechnische Organisation sowie die Organisation der rein administrativen Aufgaben im Personalbereich, insbesondere der Lohnbuchhaltung, sind für die Bestimmung des Leitungsapparats dagegen unerheblich, da sie mitbestimmungsrechtlich nicht relevant sind.382 Nach Ansicht der Rechtsprechung soll Letzteres allerdings nicht auf die „eigentliche“ Personalabteilung, also insbesondere die Führung der Personalakten und der arbeitsrechtlichen Korrespondenz mit den Arbeitnehmern, zutreffen.383 Dieser Einschränkung hält Hohenstatt entgegen, dass durch die eher administrativen Teile der Personalarbeit nicht die Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten verkörpert werde.384 Demzufolge ist es nach seiner Ansicht für die Betriebsabgrenzung unschädlich, wenn die Betreuung der Arbeitnehmer in der Personalabteilung beispielsweise betriebsübergreifend alphabetisch und nicht nach Betriebszugehörigkeit auf der Betriebsebene organisiert ist.385 Einig ist man sich darüber, dass die Organisation der Entscheidungsfindung in wirtschaftlichen Angelegenheiten für die Bestimmung des Leitungsapparats unerheblich ist386, da der Betriebsrat in diesen Angelegenheiten nicht der Betriebsleitung, sondern der Unternehmensleitung gegenübertritt387. 380
BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 c der Gründe; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 43; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238; ders., FS Richardi, S. 637, 643; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 139. 381 BAG Beschl. v. 25. 9. 1986, 6 ABR 68/84, BAGE 53, 119 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972, unter II 3 der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 71; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 19; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238; ders., FS Richardi, S. 637, 643; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 28; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 22; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 68. 382 BAG Beschl. v. 9. 2. 2000, 7 ABR 21/98, DB 2000, 384 = FA 2000, 131, unter B III 2 der Gründe; Beschl. v. 11. 2. 2004, 7 ABR 27/03, BAGE 109, 332 = AP Nr. 22 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B II 2 b bb der Gründe; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 39; Rieble, FS Wiese, S. 453, 460; vgl. auch Rieble/Gistel, NZA 2005, 242, 244. 383 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 39; vgl. BAG Beschl. v. 11. 2. 2004, 7 ABR 27/03, BAGE 109, 332 = AP Nr. 22 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter II 2 b bb der Gründe. 384 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 39. 385 Zweifelnd: Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 139. 386 Vgl. BAG Beschl. v. 25. 9. 1986, 6 ABR 68/84, BAGE 53, 119 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972, unter II 3 der Gründe; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 8; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 19; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 68; ausführlich zu der Frage, welche Aufgaben die einheitliche Leitung zu einem betriebskonstituierenden Merkmal machen Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung und Unternehmerautonomie, S. 139 ff.
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(b) Zuständigkeit im Kernbereich Da die betriebswirtschaftliche Organisation der Entscheidungsprozesse in der Praxis häufig nicht mit der Organisation der Entscheidungskompetenzen in personellen und sozialen Angelegenheiten übereinstimmt388, wird sich unterhalb der Unternehmensleitung kaum eine Leitungsstelle finden lassen, die Kompetenzen in sämtlichen sozialen und personellen Angelegenheiten nach dem Betriebsverfassungsgesetz hat und ausübt.389 Für die Annahme eines institutionell einheitlichen Leitungsapparats ist es daher ausreichend, wenn dieser den Kern der Leitungsbefugnisse in sozialen und personellen Angelegenheiten ausübt.390 Die einheitliche Leitung muss also nicht die Kompetenz in allen betriebsverfassungsrechtlich relevanten Maßnahmen haben, sondern lediglich für die deutliche Mehrheit der Arbeitgeberfunktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten zuständig sein.391 Unschädlich ist es, wenn sie dabei gewissen internen Bindungen unterliegt.392 (c) Zentrale Zuständigkeit Gerade in größeren Unternehmen können aber selbst die Kompetenzen für diesen Kernbereich infolge von Arbeitsteilung und Spezialisierung noch bei verschiedenen
387
Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238. Vgl. LAG Hamburg Beschl. v. 22. 10. 1997, 4 TaBV 9/95, LAGE § 1 BetrVG 1972, Nr. 4, unter II B 2 b aa der Gründe. 389 B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung und Unternehmerautonomie, S. 139 f.; zur Kritik am Kriterium der einheitlichen Leitung wegen der kaum mehr erfassbaren unterschiedlichen Unternehmensstrukturen vgl. Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 20; vgl. auch LAG Hamburg Beschl. v. 22. 10. 1997, 4 TaBV 9/95, LAGE § 1 BetrVG 1972, Nr. 4, unter II B 2 b aa der Gründe. 390 BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 b der Gründe; Beschl. v. 17. 2. 1983, 6 ABR 64/81, BAGE 41, 403 = AP Nr. 4 zu § 4 BetrVG 1972, unter II 1 der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 71; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 16; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 28; Rieble/Gistel, NZA 2005, 242, 243 f.; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 22; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 154. 391 BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 c der Gründe; Beschl. v. 17. 2. 1983, 6 ABR 64/81, BAGE 41, 403 = AP Nr. 4 zu § 4 BetrVG 1972, unter II 1 der Gründe; vgl. auch LAG Hamburg Beschl. v. 22. 10. 1997, 4 TaBV 9/95, LAGE § 1 BetrVG 1972, Nr. 4, unter II B 2 b aa der Gründe; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 16; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238; ders., FS Richardi, S. 638, 643, 644; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 27. 392 BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 b der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 71; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 43; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10; Kreutz, FS Richardi, S. 637, 642; Richardi, Richardi, § 1 Rn. 30. 388
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Stellen liegen.393 Dabei kann es vorkommen, dass sich eine deutliche Mehrheit der Zuständigkeiten bei einer dieser Stellen nicht mehr feststellen lässt, sich diese Stellen aber andererseits wegen der zwischen ihnen fehlenden Verbindung nicht zu einem einheitlichen Leitungsgremium zusammenfassen lassen. Denkbar ist es auch, dass mehrere Stellen an derselben Entscheidung mitzuwirken haben oder die in einer Norm enthaltenen Mitbestimmungsmaterien auf verschiedene Stellen verteilt sind. Dennoch ist auch in solchen Fällen die Annahme eines einheitlichen Betriebs nicht ausgeschlossen394, da die Koordination der Entscheidungsbefugnisse dann in der Regel durch eine übergeordnete zentrale Leitungsinstanz erfolgt, von der sich die Kompetenzen der einzelnen Stellen ableiten und die auch bestimmte Angelegenheiten an sich ziehen und selbst regeln kann.395 Diese übergeordnete Leitungsstelle ist dann die Instanz, die als institutionell einheitlicher Leitungsapparat zu charakterisieren ist.396 Es ist also nicht erforderlich, dass der Leitungsapparat selbst die maßgeblichen Entscheidungen trifft, so lange sich die Entscheidungsbefugnisse der untergeordneten Abteilung von einem einheitlichen Leitungsapparat ableiten und die Gesamtheit der für die Erreichung der arbeitstechnischen Zwecke eingesetzten personellen, technischen und immateriellen Mittel von diesem einheitlichen Leitungsapparat gelenkt wird397, was nicht die Entscheidung jeder Einzelfrage, sondern lediglich eine zentrale Steuerung des Einsatzes der personellen, technischen und immateriellen Mittel voraussetzt. (2) Abstrakte Bedeutung für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der Belegschaft Entsprechend der herausragenden Bedeutung, die den Entscheidungskompetenzen der Leitungsstelle für die Bestimmung der Betriebseinheit zugemessen wird, macht die herrschende Meinung auch die Wahrung der betrieblichen Identität von dem Fortbestand der institutionell einheitlichen Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten abhängig.398 Da diese vor allem durch die unterschiedlichen Orga393
LAG Hamburg Beschl. v. 22. 10. 1997, 4 TaBV 9/95, LAGE § 1 BetrVG 1972, Nr. 4, unter II B 2 b aa der Gründe; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 69. 394 B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 69. 395 LAG Hamburg Beschl. v. 22. 10. 1997, 4 TaBV 9/95, LAGE § 1 BetrVG 1972, Nr. 4, unter II B 2 b aa der Gründe. 396 LAG Hamburg Beschl. v. 22. 10. 1997, 4 TaBV 9/95, LAGE § 1 BetrVG 1972, Nr. 4, unter II B 2 b aa der Gründe. 397 LAG Hamm Beschl. v. 21. 8. 1953, 2 TaBV 55/53, BB 1953, 886; LAG Hamburg Beschl. v. 22. 10. 1997, 4 TaBV 9/95, LAGE § 1 BetrVG 1972, Nr. 4, unter II B 2 b aa der Gründe; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 7; ders., Betriebs- und Unternehmensspaltungen, § 25 Rn. 36; Rieble/Gistel, NZA 2005, 242, 244 f. 398 LAG Köln Beschl. vom 23. 1. 2004, 12 TaBV 64/03, unter II 2 c der Gründe (juris); Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 4 Rn. 25, § 21a Rn. 10; B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltungen, § 25 Rn. 159; Hohenstatt, WHSS, D Rz. 62, 71; Kreutz, FS Wiese, S. 234, 239; Preis/Richter, ZIP 2004, 925, 927; Reichold, HWK, BetrVG,
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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nisationsebenen und Leitungswege charakterisiert wird399, führt nach herrschender Meinung also beispielsweise ein Wechsel zwischen flachen und tief gestaffelten Hierarchieebenen zu einem Verlust der Betriebsidentität400. (a) Fehlende Praktikabilität? Vereinzelt wird die Bedeutung der institutionell einheitlichen Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten für die Betriebsidentität jedoch auch bestritten. So hält Salamon das Kriterium für unbrauchbar zur Bestimmung der betrieblichen Identität, da nicht ersichtlich sei, wie eine Veränderung des Betriebs eine Veränderung der Struktur der bisherigen Leitungsmacht innerhalb des Betriebs bewirken sollte.401 Denn durch das Hinzufügen von Hierarchieebenen unterhalb des bisherigen Leitungsapparats entstünden nicht etwa Betriebe im Betrieb, sondern allenfalls zusätzliche innerbetriebliche Organisationseinheiten wie Betriebsabteilungen. Für den Leitungsapparat in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten bedeute dies aber keine qualitative Veränderung, da die Entstehung von Betriebsabteilungen eine Frage der arbeitstechnischen Leitung sei.402 Werde der Zuständigkeitsbereich des bisherigen Leitungsapparats dagegen auf eine hierarchisch andere Ebene verlagert, handele es sich um eine Betriebsspaltung oder Zusammenfassung von Betrieben oder Betriebsteilen. Auch diese bewirke aber für den bisherigen Leitungsapparat keine qualitativen Veränderungen, sondern habe allenfalls quantitative Auswirkungen, wenn dem Leitungsapparat im neuen (abgespaltenen oder zusammengefassten) Zuständigkeitsbereich eine geringere oder größere Zahl von Arbeitnehmern zuzuordnen sei. Nach Ansicht Salamons bringt es also gerade die Anknüpfung der Betriebsabgrenzung an den Leitungsapparat, der in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten zu entscheiden hat, mit sich, dass sich die Leitungsstrukturen innerhalb eines Betriebs gar nicht verändern können.403 Denn da dieser stets an der Spitze des Betriebs angesiedelt sei, könne die innerbetriebliche Umorganisation für diesen Leitungsapparat ausschließlich quantitative Veränderungen nach sich ziehen. Die Betriebsleitung in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten sei damit kein geeignetes Kriterium, die betriebliche Identität einer Einheit zu kennzeichnen.404 Bei dieser Argumentation geht Salamon von der unzutreffenden Grundannahme aus, der einheitliche Leitungsapparat sei immer an der Spitze des Betriebs anzusiedeln. Das ist jedoch nicht der Fall.405 Für die Betriebsabgrenzung kommt es vielmehr § 21a Rn. 5; Thüsing, DB 2004, 2474; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 8; vgl. auch Richardi, Richardi, BetrVG, § 4 Rn. 27. 399 Konzen, RdA 2001, 76, 80. 400 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 44. 401 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 105. 402 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 105. 403 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 105. 404 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 105. 405 Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 29 f.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
lediglich darauf an, dass in der organisatorischen Einheit ein institutionell einheitlicher Leitungsapparat existiert, der für den ganzen Betrieb zuständig ist. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, auf welcher Hierarchieebene er anzusiedeln ist. Aus dem Erfordernis der Einheitlichkeit wird zwar regelmäßig folgen, dass er nicht auf der untersten Entscheidungsebene im Betrieb angesiedelt werden kann. Er muss sich aber andererseits nicht an der Spitze des Betriebs befinden. Das folgt schon daraus, dass es sich bei den Entscheidungskompetenzen nach herrschender Meinung durchaus um abgeleitete Zuständigkeiten handeln kann406, wobei es nicht einmal schadet, wenn der Leitungsapparat gewissen internen Bindungen unterliegt407. Das Hinzufügen oder Einebnen von Hierarchieebenen kann damit durchaus qualitative Veränderungen für die Betriebsleitung mit sich bringen, zumal von einer Hierarchieebene im eigentlichen Sinn nur gesprochen werden kann, wenn diese Ebene eigene Kompetenzen hat. Durch das Hinzufügen einer Hierarchieebene werden also immer Kompetenzen verschoben. Betreffen diese Kompetenzen den Kern der Entscheidungszuständigkeit in personellen und sozialen Angelegenheiten, führt das zu einer qualitativen Veränderung des bis dahin bestehenden einheitlichen Leitungsapparats. Das gilt erst recht, wenn die hierarchische Verlagerung der Leitungskompetenz zu einer Betriebsspaltung oder Zusammenfassung führt. Dass derartige Veränderungen qualitativer Art sind und sich als solche durchaus auf die Betriebsidentität auswirken können, zeigt schon § 21a BetrVG.408 Der Einwand Salamons kann folglich nicht überzeugen. (b) Rechtspolitische Implikationen Gegen die Berücksichtigung der Leitungsmacht bei der Beurteilung der betrieblichen Identität werden darüber hinaus rechtspolitische Argumente vorgebracht: Wer auf die Leitungsmacht abstelle, so die Kritik, gebe es dem Arbeitgeber „in die Hand, durch von keiner Arbeitnehmer-Vertretung kontrollierte Verlegung der Leitungsmacht (Weisungsgewalt) in die Struktur der Betriebsverfassung einzugreifen und damit bestehenden Betriebsräten den Boden unter den Füßen wegzuziehen“.409 Damit aber werde die zwingende Natur des Gesetzes in Frage gestellt, was der Un-
406
s. oben S. 107. BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 b der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 71; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 43; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 43; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10; Kreutz, FS Richardi, S. 637, 642; Richardi, Richardi, § 1 Rn. 30. 408 Ausführlich hierzu s. unten 3. Teil S. 143 f. 409 Gamillscheg, AuR 1989, 33; ders., ZfA 1975, 357, 377; ders., AuR 2001, 411, 413; so auch Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 118 f., 126; Kittner, ArbuR 1995, 385, 394; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 46, 56, 67 ff.; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 115; vgl. auch Däubler, FS Dieterich, S. 63, 69. 407
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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abhängigkeit der betrieblichen Vertretung nicht gerecht werde.410 Dass ein solches Begriffsverständnis nicht richtig sein könne, liege auf der Hand.411 Auch dieser Einwand entpuppt sich bei genauerer Betrachtung jedoch als nicht durchschlagend. Zwar ist es in der Tat so, dass die Wahrung der betrieblichen Identität mit der Anknüpfung an die vom Arbeitgeber geschaffene Leitungsstruktur entscheidend von den organisatorischen Dispositionen des Arbeitgebers abhängt.412 So erhalten mehrere Arbeitsstätten einen einheitlichen Betriebsrat, wenn dieser sich für eine zentrale Unternehmensorganisation entscheidet, wogegen es bei dezentraler Organisation mehrere örtliche Betriebsräte geben kann.413 Dass es der Arbeitgeber in der Hand hat, durch Veränderungen im Betrieb in die Struktur der Betriebsverfassung einzugreifen und so auf den Bestand von Betriebsräten Einfluss zu nehmen, trifft jedoch nicht nur auf das Merkmal der institutionell einheitlichen Leitung zu, sondern gilt für jedes einzelne der den Betrieb konstituierenden Merkmale. Auch durch die Veränderung von anderen, den Betrieb prägenden Merkmalen kann der Betriebsinhaber den Verlust der Betriebsidentität herbeiführen, ohne dabei der Kontrolle des Betriebsrats zu unterliegen. Das gilt insbesondere auch für Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG. Denn dieser unterwirft nicht alle Veränderungen eines Betriebs dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, sondern beschränkt dieses auf solche Veränderungen, die sich nachteilig auf die Belegschaft oder Teile der Belegschaft auswirken können. Wie bereits festgestellt wurde, können aber auch für die Belegschaft neutrale oder positive Veränderungen zu einem Verlust der betrieblichen Identität führen. Auch die Veränderung anderer den Betrieb kennzeichnender Merkmale unterliegt damit nicht zwangsläufig einer Kontrolle durch die Vertreter der Belegschaft. Entgegen der anders lautenden Auffassung ist das aber kein unsachliches Ergebnis414, sondern folgt letztlich aus der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers415. Ein gewisses Korrektiv der Gestaltungsmacht des Arbeitgebers bietet zudem immerhin die Figur des Gemeinschaftsbetriebs, der die grundsätzliche Freiheit des Arbeitgebers, durch Umstrukturierungen die betriebsverfassungsrechtliche Struktur zu verändern, zwar nicht einschränkt, die betriebsverfassungsrechtlichen Auswirkungen von Umstrukturierungen aber verringert. So werden Betriebsspaltungen, die zum Fortfall des Betriebsrats führen könnten, betriebsverfassungsrechtlich „neutralisiert“, wenn der Arbeitgeber das Vorliegen mehrerer eigenständiger Betriebe nicht belegen kann. Dann liegt entsprechend der gesetzlichen Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG trotz der vom Arbeitnehmer vorgenommenen Organisationsverände410
Gamillscheg, AuR 2001, 411, 413. Gamillscheg, ZfA 1975, 357, 377; auf Missbrauchsmöglichkeiten weist auch Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 23 hin; kritisch insoweit auch Kothe, RdA 1992, 302, 310. 412 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 72. 413 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 72; Gamillscheg, AuR 2001, 411, 413. 414 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 72. 415 Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 43; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 30. 411
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
rung ein gemeinsamer Betrieb vor, für den der gewählte Betriebsrat weiterhin zuständig bleibt.416 Ein weiteres Gegengewicht bilden § 4 Abs. 1 S. 2 bis 4 BetrVG, der der Belegschaft eines Betriebsteils, in dem kein eigener Betriebsrat besteht, die Möglichkeit einräumt, sich an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb zu beteiligen.417 Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber der Belegschaft ein Instrument an die Hand gegeben, mit dem sie das kritisierte Kräfteungleichgewicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern verringern kann.418 Ordnet der Betriebsinhaber kraft seiner Organisationsherrschaft die Betriebstrukturen in einer Weise neu, dass die gewachsenen einheitlichen Strukturen auseinander gebrochen werden und mehrere eigenständige Betriebsteile entstehen, ermöglichen es § 4 Abs. 1 S. 2 bis 4 BetrVG der Belegschaft der neu entstandenen Betriebsteile, an der Wahl des Betriebsrats im Hauptbetrieb teilzunehmen und so „die alten Vertretungsstrukturen durch Mehrheitsbeschluss aufrechtzuerhalten“.419 Der beliebigen Veränderung der Vertretungsstrukturen durch den Arbeitgeber sind schließlich und vor allem auch insofern Grenzen gesetzt, als ökonomische Erwägungen einer willkürlichen Veränderung der Leitungsorganisation entgegenstehen.420 Denn der Arbeitgeber muss nicht nur den durch Planung und Umsetzung der Umstrukturierung entstehenden finanziellen Aufwand tragen. Das Gesetz bürdet ihm darüber hinaus die Kosten der durch derartige Umorganisationen erforderlich werdenden Neuwahlen und gegebenenfalls damit verbundenen arbeitsgerichtlichen Verfahren sowie notwendiger Interessenausgleiche oder Sozialpläne auf.421 Dass durch die Berücksichtigung der institutionell einheitlichen Leitung im Rahmen der Gesamtbetrachtung dem Arbeitgeber grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet wird, durch Veränderungen der Betriebsorganisation den Bestand von Arbeitnehmervertretungen zu beeinflussen, spricht folglich nicht gegen die Berücksichtigung dieses Kriteriums bei der Bestimmung der betrieblichen Identität.422 (c) Verkörperung der Entscheidungsnähe Für eine sogar hervorgehobene Stellung dieses Merkmals im Rahmen der Gesamtbetrachtung spricht demgegenüber der große Einfluss, den die Existenz eines einheit416 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 17; Rieble, FS Wiese, S. 453 f.; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 66. 417 Konzen, RdA 2001, 77, 81. 418 Konzen, RdA 2001, 77, 81. 419 Konzen, RdA 2001, 77, 81. 420 Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 17; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 155. 421 Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 17; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 155. 422 Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rn. 376; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 111 ff., 154.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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lichen Leitungsapparats auf die Qualität der Arbeitnehmerrepräsentation hat. Mit der institutionell einheitlichen Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten steht dem Betriebsrat ein einheitliches Gremium gegenüber, in welchem die gemeinsam ausgeübte Leitungsmacht institutionalisiert und gebündelt wird, und welches zu einer einheitlichen Willensbildung fähig ist.423 Durch das Anknüpfen an diesen Leitungsapparat bei der Bestimmung des Repräsentationsbereichs wird sichergestellt, dass die Interessenvertretung der Arbeitnehmer dort gebildet wird, wo im Wesentlichen die mitbestimmungspflichtigen Entscheidungen des Arbeitgebers, insbesondere in den wichtigen Angelegenheiten nach §§ 87, 99 ff. und 111 ff. BetrVG, getroffen werden.424 Auf diese Weise gewährleistet das Merkmal der institutionell einheitlichen Leitung eine verlässliche betriebsverfassungsrechtliche Ordnung im Betrieb und verkörpert das der optimalen Repräsentierbarkeit der Belegschaft dienende Wertungskriterium der Entscheidungsnähe, so dass ihre Veränderung die Anpassung der Vertretungsstrukturen erforderlich machen kann.425 (d) Zwischenergebnis: Besondere Bedeutung im Rahmen der Gesamtbetrachtung Weder die nur vermeintlich fehlende Praktikabilität des Merkmals noch überzeugende rechtspolitische Erwägungen können eine lediglich geringe Bedeutung der institutionell einheitlichen Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten bei der Bestimmung der betrieblichen Identität begründen. Die große abstrakte Bedeutung, die dem Merkmal der institutionell einheitlichen Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten für eine sinnvolle und effektive Arbeitnehmervertretung zukommt, erfordert vielmehr die besondere Berücksichtigung dieses Merkmals im Rahmen der Gesamtbetrachtung.426 e) Unternehmensstruktur Auch die Unternehmensstruktur, in die ein Betrieb eingebettet ist, wird zum Teil als Merkmal seiner Identität angesehen.427 Dabei sollen sowohl unternehmensinterne 423 BAG Beschl. v. 7. 8. 1986, 6 ABR 57/85, BAGE 52, 325 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972, unter B II 3 e der Gründe; Beschl. v. 14. 9. 1988, 7 ABR 10/87, BAGE 59, 319 = AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, unter B 2 der Gründe; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 22; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10; Kreutz, FS Richardi, S. 637, 643; Reuter, Anm. zu BAG Beschl. v. 14. 9. 1988, 7 ABR 10/87, AP Nr. 9 zu § 1 BetrVG 1972, betont, es gehe nicht an, den Betriebsrat mit der Obliegenheit zu belasten, eine Mehrzahl von Ansprechpartnern auf der Arbeitgeberseite unter einen Hut zu bringen. 424 BAG Beschl. v. 7. 8. 1986, 6 ABR 57/85, BAGE 52, 325 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972, unter B II 3 e der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 72; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 22. 425 Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10. 426 Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, 832. 427 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 44.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
als auch unternehmensübergreifende Veränderungen einen Verlust der betrieblichen Identität indizieren können. aa) Organisatorische Selbstständigkeit der betrieblichen Einheit im Unternehmen Fischer geht davon aus, die organisatorische Selbstständigkeit von Betrieben innerhalb eines Unternehmens bilde einen Teil ihrer betrieblichen Identität, so dass von einem Verlust der Betriebsidentität auszugehen sei, wenn diese organisatorische Selbstständigkeit aufgegeben werde. Würden beispielsweise zwei nahe beieinander liegende Betriebe desselben Unternehmens, etwa in Potsdam und Berlin-Zehlendorf, organisatorisch vereinigt, sei selbst dann von einem Identitätsverlust auszugehen, wenn sie räumlich getrennt gelassen werden.428 Den Verlust der betrieblichen Identität und die damit verbundene Notwendigkeit der Neuwahl des Betriebsrats bei einem Wegfall der organisatorischen Selbstständigkeit des Betriebs begründet Fischer mit der durch die Umorganisation bedingten Veränderung der Aufgaben des Betriebsrats. Der Betriebsrat eines mehrgliedrigen Betriebs werde vor ganz andere Aufgaben gestellt als der Betriebsrat eines eingliedrigen Betriebs.429 Daher sei andererseits von einer Wahrung der Betriebsidentität auszugehen, wenn zwei Betriebe innerhalb eines Unternehmens zusammengeschlossen würden, die jeweils eine Personalabteilung, eine Rechtsabteilung, eine Finanzabteilung, einen Produktionsbereich, einen Versandbereich und einen Vertriebsbereich aufweisen, und die jeweiligen Abteilungen lediglich „aneinander gelegt“ werden.430 Dass organisatorische Veränderungen zu einem Verlust der Betriebsidentität führen können, wurde bereits festgestellt. Wie sich herausgestellt hat, kommt es dabei auf die Veränderung des Aufgabenbereichs des Betriebsrats aufgrund einer Veränderung der arbeitstechnischen Betriebsorganisation jedoch nicht an. Dass der Betriebsrat eines mehrgliedrigen Betriebs vor andere Aufgaben gestellt wird als der Betriebsrat eines eingliedrigen Betriebs, ist daher jedenfalls insofern unerheblich, als die Veränderung der Betriebsratsaufgaben auf einer Veränderung der arbeitstechnischen Betriebsorganisation beruht. Auch soweit sich die Aufgaben des Betriebsrats eines mehrgliedrigen Betriebs von den Aufgaben des Betriebsrats eines eingliedrigen Betriebs wegen der andersartigen innerbetrieblichen Organisation oder den andersartigen Leitungsstrukturen in personellen und sozialen Angelegenheiten unterscheiden, kann dies jedoch eine besondere Berücksichtigung der organisatorischen Selbstständigkeit der betrieblichen Einheit innerhalb des Unternehmens im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht rechtfertigen. Denn zwar können derartige Veränderungen den Verlust der betrieblichen Identität nach sich ziehen. Da sie aber in dem Kriterium der Betriebsorganisation aufgehen, würden sie bei der Bestimmung der Betriebsiden428 429 430
U. Fischer, RdA 2005, 39, 42. U. Fischer, RdA 2005, 39, 42. U. Fischer, RdA 2005, 39, 44.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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tität doppelt berücksichtigt, wollte man dem Kriterium der organisatorischen Selbstständigkeit einer Betriebseinheit innerhalb des Unternehmens ein eigenständiges Gewicht im Rahmen der Gesamtbetrachtung einräumen.431 Darauf, ob derartige Veränderungen innerhalb eines Unternehmens auftreten oder nicht, kommt es folglich nicht an. bb) Gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen Teilweise wird auch vertreten, die Unternehmensstruktur sei für die Betriebsidentität insofern von Bedeutung, als die Bildung eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen zum Verlust der Betriebsidentität führe.432 Bestünden zwei Betriebe unterschiedlicher Unternehmen in räumlicher und auch sonstiger Hinsicht zunächst nebeneinander und würden dann derart vereinigt, dass es zu einer gemeinsamen Leitungsvereinbarung der beiden Unternehmen für beide Betriebe und somit zu einem Gemeinschaftsbetrieb komme, gehe die Betriebsidentität beider Betriebe verloren. Grund für den Verlust der Betriebsidentität soll die „deutlich andere Konstellation“ eines Gemeinschaftsbetriebs gegenüber einem Betrieb, der nur von einem einzigen Arbeitgeber geführt wird, sein.433 Denn bei einem Gemeinschaftsbetrieb komme es zusätzlich zu der Frage der Inhaberschaft auch noch darauf an, dass eine einheitliche Leitungsvereinbarung abgeschlossen werde. Diese aber könne jederzeit aufgelöst werden und beispielsweise im Insolvenzfall bei der Aufstellung von Sozialplänen und deren Durchsetzung zu besonderen Komplikationen führen.434 Ebenso soll die Auflösung eines von zwei Unternehmen geführten Gemeinschaftsbetriebs zum Verlust der betrieblichen Identität führen, wenn die Betriebe nach der Auflösung getrennt fortgeführt werden.435 Auch dies wird mit dem Fortfall der Führungsvereinbarung begründet, die für den gemeinsamen Betrieb konstituierend sei.436 Sowohl bei der Einrichtung als auch bei der Auflösung eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen soll es also die Führungsvereinbarung sein, die zum Verlust der betrieblichen Identität führt – einmal durch ihren Abschluss, das andere Mal durch ihre Auflösung. Allein durch eine Veränderung in der Betriebsführung wird die betriebliche Organisationseinheit, für die der Betriebsrat gewählt ist, jedoch nicht berührt, da sich die betrieblichen Strukturen durch einen bloßen Übergang der einheitlichen Leitung nicht verändern.437 Abschluss oder Aufhebung einer Führungs431
I.E. ebenso Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 25. Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 44; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 9a. 433 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 44. 434 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 44. 435 Vgl. Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5. 436 Vgl. U. Fischer, RdA 2005, 39, 44; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 5. 437 BAG Beschl. v. 28. 9. 1988, 1 ABR 37/87, BAGE 59, 371 = AP Nr. 55 zu § 99 BetrVG 1972, unter B I 2 a der Gründe; Urt. v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/03, BAGE 109, 1 = AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter I 2 a und b der Gründe; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 49; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 50. 432
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
vereinbarung können folglich nur dann zu einem Verlust der Betriebsidentität führen, wenn sie sich auf die betriebliche Organisationseinheit auswirken, was nur denkbar ist, wenn die Führungsvereinbarung die Veränderung der Leitungsstruktur zum Gegenstand hat. Nicht jede Errichtung oder Auflösung eines gemeinsamen Betriebs zieht aber eine Veränderung der Leitungsstrukturen nach sich.438 Wird beispielsweise eine Unternehmensspaltung auf betrieblicher Ebene nicht nachvollzogen, liegt darin häufig die Errichtung eines gemeinsamen Betriebs – ohne, dass sich an den tatsächlichen Strukturen des Betriebs etwas geändert hätte.439 An diesen Tatbestand knüpft auch § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG an, der die Vermutung aufstellt, dass der Betrieb von den an der Spaltung beteiligten Rechtsträgern gemeinsam geführt wird, sofern durch die Spaltung die Organisation des gespaltenen Betriebs nicht wesentlich geändert wird.440 Die Errichtung oder Beendigung eines gemeinsamen Betriebs kann die betriebliche Identität also nur berühren, wenn sie eine Veränderung der Leitungsstrukturen nach sich zieht. Die Veränderung des institutionell einheitlichen Leitungsapparats ist aber ein eigenständiges Merkmal im Rahmen der Gesamtbetrachtung. Sie wäre also wiederum doppelt berücksichtigt, wollte man die Unternehmensstruktur bei einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen insofern als kennzeichnend für die betriebliche Identität ansehen, als der Errichtung oder Auflösung eines gemeinsamen Betriebs im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine eigenständige Bedeutung zuzumessen sei. Auch die Schaffung oder Auflösung eines gemeinsamen Betriebs mehrerer Unternehmen wirkt sich auf die betriebliche Identität der beteiligten Betriebe daher nicht aus.441 cc) Zusammenfassung Soweit sich Veränderungen der Unternehmensstruktur auf die betriebliche Organisationseinheit auswirken können, sind sie durch das Merkmal der Betriebsorganisation im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Darüber hinaus haben sie keine Bedeutung für die betriebliche Identität. 438 BAG Urt v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/03, BAGE 109, 1 = AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter I 2 b der Gründe; Annuß/Hohenstatt, NZA 2004, 420, 421; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 19; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 15; Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 95; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 50; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 47. 439 BAG Beschl. v. 7. 8. 1986, 6 ABR 57/85, BAGE 52, 325 = AP Nr. 5 zu § 1 BetrVG 1972, Sachverhalt und unter B III der Gründe; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 16, 18; Fitting/ Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 92; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 50; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 47. 440 Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 26; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 19; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 31; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 92; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 15; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 55; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 47; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 116. 441 Vgl. BAG Urt v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/03, BAGE 109, 1 = AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter I 2 b der Gründe.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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f) Belegschaft Die Anwendung des Betriebsverfassungsgesetzes ist nur möglich und von seiner Zielsetzung her sinnvoll, wenn der Unternehmer in seinem Betrieb Arbeitnehmer beschäftigt.442 Für den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff reicht es daher nicht aus, wenn der Arbeitgeber allein mit Hilfe von materiellen und immateriellen Betriebsmitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Erforderlich ist darüber hinaus das Vorhandensein von Arbeitnehmern im Betrieb.443 Da es allein diese Arbeitnehmer sind, die der Betriebsrat repräsentiert, wird die Belegschaft in Rechtsprechung und Literatur als wesentliches444, zum Teil sogar als das entscheidende445 Charakteristikum der betriebsverfassungsrechtlichen Identität eines Betriebs angesehen. Die große Bedeutung dieses Merkmals für den Fortbestand des Betriebsrats wird damit begründet, dass der Betriebsrat sein Mandat von der Belegschaft herleite und folglich nur im Amt bleiben könne, solange diese fortbestehe.446 aa) Praktikabilität des Merkmals Andererseits besteht Einigkeit darüber, dass nicht jede Veränderung in der Belegschaft eine Anpassung der betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentation erfordert. In die Gesamtbetrachtung einzubeziehen sind vielmehr nach herrschender Meinung von vornherein nur Belegschaftsänderungen von gewisser Schwere und Bedeutung. Unklarheit besteht allerdings über die Frage, auf welche Maßstäbe zurückgegriffen werden kann, um zu bestimmen, wann eine Veränderung der Belegschaft so wesentlich ist, dass sie die Legitimationsgrundlage des Betriebsrats beseitigen kann.
442 BAG Urt. v. 6. 11. 1959, 1 AZR 329/58, BAGE 8, 207 = AP Nr. 15 zu § 13 KSchG, unter II 1 der Gründe; Däubler, FS Dieterich, S. 63, 67; B. Gaul, Betriebs- u. Unternehmensspaltung, § 25 Rn. 22; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 232 ff.; Rose, HSWG, BetrVG, § 1 Rn. 8. 443 BAG Urt. v. 22. 5. 1979, 1 AZR 46/76, DB 1979, 1751 = BetrR 1979, 356, unter I 1 b aa der Gründe; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 14; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 49; Vogelsang, DB 1990, 1329, 1332. 444 Vgl. BAG Urt. v. 6. 11. 1959, 1 AZR 329/58, BAGE 8, 207 = AP Nr. 15 zu § 13 KSchG, unter II 3 der Gründe; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 49; U. Fischer, RdA 2005, 39, 43; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 9a; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 42; Hergenröder, AR-Blattei, SD 500.1, Rn. 206; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 70; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 101; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14, 15. 445 Vgl. Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 66; Galperin, BetrVG, § 1 Rn. 56; D. Gaul, Betriebsinhaberwechsel, S. 37; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 25, 62; Thüsing, DB 2004, 2474. 446 Vgl. BAG Urt. v. 6. 11. 1959, 1 AZR 329/58, BAGE 8, 207 = AP Nr. 15 zu § 13 KSchG, unter II 3 der Gründe; vgl. auch LAG Düsseldorf Urt. v. 28. 6. 1957, 4 Sa 127/57, DB 1957, 984; Urt. v. 20. 9. 1974, 16 Sa 24/74, DB 1975, 454.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
(1) Fortbestand der Betriebsgemeinschaft? In der Literatur wird für die Feststellung, dass ein Betrieb besteht, teilweise das Bestehen einer einheitlichen Betriebsgemeinschaft verlangt.447 Eine solche liege vor, wenn unter der Belegschaft ein Zusammengehörigkeitsgefühl festgestellt werden könne448, da in diesem Fall regelmäßig auch von einer Gemeinsamkeit der Belange auszugehen sei449. Dem entsprechend wird in der Literatur zur Feststellung der Auswirkungen einer Belegschaftsänderung auf die betriebliche Identität gelegentlich eine qualitative Arbeitnehmerbetrachtung unter subjektiven Kategorien vorgenommen.450 Wollte man aber die betriebliche Identität an dem Zusammengehörigkeitsgefühl aller in einem Betrieb Beschäftigten messen, würde die Rechtsfrage, ob das Mandat des Betriebsrats nach einer betrieblichen Veränderung endet oder nicht, von der subjektiven Einstellung der Arbeitnehmer und damit von Zufälligkeiten abhängen.451 Da die subjektiv-emotionalen Befindlichkeiten der Belegschaft zudem kaum verlässlich feststellbar sind, ist das Fortbestehen einer einheitlichen Betriebsgemeinschaft kein aussagekräftiges Kriterium für die Wesentlichkeit von Belegschaftsveränderungen.452 Seine Verwendung ist mit der erforderlichen Rechtssicherheit nicht vereinbar.453 (2) Zahl der betroffenen Arbeitnehmer Die herrschende Meinung zieht es daher vor, die Wesentlichkeit einer Belegschaftsänderung an einem objektiv feststellbaren Kriterium festzumachen, und stellt 447
Vgl. Gamillscheg, AuR 2001, 211, 214; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 14; Kothe, RdA 1992, 302, 310; vgl. auch Hohenstatt, WHSS, Rz. D 70; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 32 (räumliche Verbundenheit); BAG 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = AP Nr. 5 zu § 3 BetrVG, unter II 2 der Gründe; Beschl. v. 5. 6. 1964, 1 ABR 11/63, AP Nr. 7 zu § 3 BetrVG = SAE 1966, 69, unter II 3 c der Gründe; später allerdings „lediglich Orientierungshilfe“, Urt. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, II 2 e der Gründe. 448 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 76; Gamillscheg, AuR 2001, 211, 214; Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 100. 449 Gamillscheg, AuR 2001, 211, 214. 450 Vgl. Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 14; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 70; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14, 15. 451 BAG Beschl. v. 9. 2. 2000, 7 ABR 21/98, DB 2000, 384 = FA 2000, 131, unter B II der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 76; Franzen, GKBetrVG, § 1 Rn. 41; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 101. 452 U. Fischer, RdA 2005, 39, 43; vgl. auch BAG Beschl. v. 9. 2. 2000, 7 ABR 21/98, DB 2000, 384 = FA 2000, 131, unter B II der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 76. 453 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 76; Franzen, GKBetrVG, § 1 Rn. 41; Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 99; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 101; a.A. Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 14.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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maßgeblich auf die Zahl der von der Veränderung betroffenen Arbeitnehmer ab.454 Danach soll die betriebsverfassungsrechtliche Identität des Betriebs trotz einer Veränderung der Belegschaft bewahrt sein, wenn der wesentlich größere Teil der Belegschaft erhalten bleibt.455 Zweifellos ist dieses Kriterium indes noch viel zu vage456, weshalb sich die Literatur um Konkretisierung bemüht. Während hierzu nur vereinzelt wohl willkürlich gegriffene Zahlenverhältnisse vorgeschlagen werden457, ist es nach herrschender Meinung geboten, die Abgrenzung anhand gesetzlicher Wertungen vorzunehmen. Hierfür kommen unterschiedliche Anknüpfungspunkte in Betracht. (a) Anknüpfung an die Rechtsprechung zu § 613a BGB Von vornherein ausscheiden muss dabei allerdings auch in diesem Zusammenhang ein Rückgriff auf die im Betriebsübergangsrecht geltenden und durch die Rechtsprechung konkretisierten Wertungen. Zwar hat sich dort – angestoßen durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache „Spijkers“458– die Auffassung durchgesetzt, dass die Übernahme oder Nichtübernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber bei der Beantwortung der Frage, ob ein Betriebsübergang vorliegt, zu berücksichtigen ist459, so dass inzwischen eine relativ umfangreiche Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu der Frage besteht, wie die „Hauptbelegschaft“ quantitativ von dem Rest der Belegschaft abzugrenzen ist.460 Allerdings werden bei dieser Abgrenzung auch qualitative Aspekte berücksichtigt, da es für die Wahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit im Rahmen des § 613a BGB, wie schon gesehen, letztlich auf den Fortbestand von Wertschöpfungsmöglich-
454
Vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 9a. Vgl. Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 62. 456 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 62. 457 Vgl. Rieble, NZA 2002, 233, 237, nach dem „bei Zahlenverhältnissen ab von 5 zu 1“ regelmäßig von der Wahrung der betrieblichen Identität auszugehen sei; vgl. auch LAG Berlin Urt. v. 27. 7. 2006, 18 TaBV 145/06, ArbuR 2006, 454, das unter II 1 b der Gründe ohne nähere Begründung dieser Prozentzahl konstatiert, aufgrund der fortbestehenden Zuordnung von 60 % der Verkaufsstellen zum Betrieb, sei davon auszugehen, dass die Betriebsidentität nicht durch einen Wechsel der dem Betriebsrat unterfallenden Arbeitnehmer wesentlich beeinträchtigt worden sei. 458 Vgl. EuGH Urt. v. 18. 3. 1986, 24/85 – Spijkers – Slg. 1986, 1124, unter Rz. 11 f. 459 Vgl. EuGH Urt. v. 11. 3. 1997, C-13/95 – Süzen – Slg. I/1268 = AP Nr. 14 zu EWG-RL Nr. 77/187, unter Rz. 20; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 116; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 24 ff. 460 So hat das Bundesarbeitsgericht beispielsweise die Übernahme von 75 von ursprünglich 87 Reinigungskräften (85 %) als ausreichend für die Annahme eines Übergangs angesehen (BAG Urt. v. 13. 11. 1997, 8 AZR 295/95, BAGE 87, 115 = AP Nr. 169 zu § 613a BGB; Urt. v. 11. 12. 1997, 8 AZR 729/96, BAGE 87, 303 = AP Nr. 172 zu § 613a BGB), wogegen die Weiterbeschäftigung von sechs der ehemals acht Arbeitnehmer (75 %) eines Hol- und Bringdienstes eines Krankenhauses nicht genügten (BAG Urt. v. 10. 12. 1998, 8 AZR 676/97, AP Nr. 187 zu § 613a BGB = NJW 1999, 1884). 455
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
keiten ankommt.461 Bei der quantitativen Arbeitnehmerbetrachtung im Rahmen des § 613a BGB zählen die Arbeitnehmer deshalb nicht lediglich „pro Kopf“, sondern werden umso stärker berücksichtigt, je bedeutsamer sie aufgrund der Struktur des Betriebs und ihrer jeweiligen Sachkunde für den konkreten Wertschöpfungsprozess sind.462 Bei Arbeitnehmern mit geringem Qualifikationsgrad erfordert die Wahrung der betrieblichen Identität daher die Weiterbeschäftigung einer hohen Zahl von ihnen, ist ein Betrieb dagegen stärker durch Spezialwissen und einen hohen Ausbildungsgrad der Arbeitnehmer geprägt, kann es ausreichen, wenn die wegen ihrer Sachkunde für die Zweckerreichung wesentlichen Arbeitnehmer übernommen werden.463 Im Betriebsübergangsrecht sind damit nicht die Arbeitskräfte als solche, sondern die aus ihrer organisatorischen Verbundenheit erwachsenden Wertschöpfungsmöglichkeiten ausschlaggebend für die Wahrung der betrieblichen Identität.464 Da der Fortbestand des Betriebsratsmandats demgegenüber nicht von der jeweiligen Qualifikation und Sachkunde der von der Belegschaftsveränderung betroffenen Arbeitnehmer abhängen kann, kommt ein Rückgriff auf die von der Rechtsprechung im Rahmen des § 613a BGB entwickelten Größenverhältnisse nicht in Betracht. (b) Anknüpfung an die Rechtsprechung zu §§ 111, 112a BetrVG Fischer hält eine Anknüpfung an §§ 111, 112a BetrVG zur Bestimmung des wesentlichen Teils der Belegschaft für möglich.465 Seiner Ansicht nach können wesentliche Veränderungen der betrieblichen Arbeitnehmerzahl, die eine Betriebsänderung im Sinne dieser Vorschriften darstellen, als Identitätsveränderung qualifiziert werden. Dass der rein wort-logische Rückschluss auf einen Identitätsverlust bei Vorliegen einer Betriebsänderung zu kurz greift, wurde bereits nachgewiesen.466 Ob dem Vorschlag Fischers gefolgt werden kann, hängt also davon ab, ob den §§ 111, 112a BetrVG eine materielle Wertung hinsichtlich der Bedeutung einer Belegschaftsänderung für die betriebliche Identität zu entnehmen ist.
461 BAG Urt. v. 11. 12. 1997, 8 AZR 729/96, BAGE 87, 303 = AP Nr. 172 zu § 613a BGB, unter B I 2 b der Gründe; BAG Urt. v. 22. 5. 1997, 8 AZR 101/96, BAGE 86, 20 = AP Nr. 154 zu § 613a BGB m. Anm. Franzen, unter B II 2 c bb der Gründe; Urt. v. 10. 12. 1998, 8 AZR 676/97, AP Nr. 187 zu § 613a BGB = NZA 1999, 420, unter II 1 a der Gründe; Urt. v. 18. 2. 1999, 8 AZR 485/97, BAGE 91, 41 = AP Nr. 5 zu § 325 ZPO, unter B I, IV der Gründe; vgl. auch EuGH Urt. v. 11. 3. 1997, C-13/95 – Süzen – Slg. I/1268 = AP Nr. 14 zu EWG-RL Nr. 77/187, unter Rz. 21; Hess, HSWG, BetrVG, vor § 1 Rn. 153. 462 Hattesen, Kasseler Handbuch, Bd. 2, 6.7 Rn. 62; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 26. 463 BAG Urt. v. 11. 12. 1997, 8 AZR 729/96, BAGE 87, 303 = AP Nr. 172 zu § 613a BGB, unter B I 2 b der Gründe; Hess, HSWG, BetrVG, vor § 1 Rn. 153. 464 Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 44. 465 U. Fischer, RdA 2005, 39, 43, ohne Begründung. 466 s. oben S. 80 f.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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Reine Veränderungen in der Belegschaft erfasst § 111 BetrVG durch die Fallgruppe der Betriebseinschränkung.467 Eine Betriebseinschränkung durch Personalabbau im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG liegt vor, wenn erhebliche Teile der Belegschaft von Entlassungen betroffen sind.468 Für die Feststellung, ob der Personalabbau „erhebliche Teile der Belegschaft“ erfasst, orientiert sich die ständige Rechtsprechung469 unter Zustimmung des Schrifttums470 an den Zahlen und Prozentangaben des § 17 Abs. 1 KSchG. Werden diese Schwellenwerte erreicht, liegt eine Betriebseinschränkung im Sinne des § 111 S. 3 Nr. 1 BetrVG vor, so dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach Satz 1 der Vorschrift entsteht, das darauf zielt, mit dem Personalabbau einhergehende Nachteile für die Belegschaft möglichst abzufedern.471 Die Wertung, dass sich das Erreichen dieser Schwellenwerte in irgendeiner Weise auf die Repräsentationsfähigkeit der Arbeitnehmer auswirke, ist § 111 BetrVG dagegen nicht zu entnehmen. Eine solche Wertung folgt auch nicht aus der zusätzlichen Anknüpfung Fischers an die Schwellenwerte des § 112a BetrVG. Dieser befreit den Arbeitgeber von der Sozialplanpflicht, wenn die betriebsbezogenen Schwellenwerte des Abs. 1 S. 1 bei „reinem Personalabbau“ nicht erreicht werden. Die in § 112a Abs. 1 S. 1 BetrVG genannten Zahlen und Prozentsätze liegen über den Zahlengrenzen des § 17 Abs. 1 KSchG. Die Bestimmung begrenzt folglich nicht das Beteiligungsrecht des Betriebsrats, sondern hebt nur die durch § 112 Abs. 4 BetrVG begründete Rechtsmacht der Einigungsstelle auf, eine Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Sozialplan durch einen Spruch zu ersetzen.472 Auch mit dieser Vorschrift, mit 467 Däubler, DKKW, BetrVG, § 111 Rn. 47; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 111 Rn. 73; Hess, HSWGN, BetrVG, § 111 Rn. 103; Hohenstatt/Willemsen, HWK, BetrVG, § 111 Rn. 27; Kania, ErfK, BetrVG, § 111 Rn. 9; Oetker, GK-BetrVG, § 111 Rn. 83; Richardi, Richardi, BetrVG, § 111 Rn. 70. 468 Däubler, DKKW, BetrVG, § 111 Rn. 48; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 111 Rn. 74; Hess, HSWGN, BetrVG, § 111 Rn. 103; Hohenstatt/Willemsen, HWK, BetrVG, § 111 Rn. 28; Kania, ErfK, BetrVG, § 111 Rn. 9; Oetker, GK-BetrVG, § 111 Rn. 87; Richardi, Richardi, BetrVG, § 111 Rn. 72. 469 St. Rspr., vgl. BAG Urt. v. 6. 6. 1978, 1 AZR 495/75, AP Nr. 2 zu § 111 BetrVG 1972 = DB 1978, 1650; Urt. v. 7. 8. 1990, 1 AZR 445/89, AP Nr. 34 zu § 111 BetrVG 1972 = DB 1991, 760, unter III 1 der Gründe; Beschl. 6. 5. 2003, 1 ABR 11/02, BAGE 106, 95 = AP Nr. 161 zu § 112 BetrVG 1972, unter B II 1 der Gründe; Urt. v. 22. 1. 2004, 2 AZR 111/02, EzA Nr. 11 zu § 1 KSchG Interessenausgleich = AP Nr. 1 zu § 112 BetrVG 1972 Namensliste, unter B III 1 a der Gründe; Beschl. v. 28. 3. 2006, 1 ABR 5/05, BAGE 117, 296 = AP Nr. 12 zu § 112a BetrVG 1972, unter B II 1 a aa der Gründe. 470 Vgl. Däubler, DKKW, BetrVG, § 111 Rn. 48; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 111 Rn. 74; Hess, HSWGN, BetrVG, § 111 Rn. 105 ff.; Hohenstatt/Willemsen, HWK, BetrVG, § 111 Rn. 28 f.; Kania, ErfK, BetrVG, § 111 Rn. 9; Oetker, GKBetrVG, § 111, Rn. 88; Richardi, Richardi, BetrVG, § 111 Rn. 73. 471 Däubler, DKKW, BetrVG, § 111 Rn. 3; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 111 Rn. 1; Kania, ErfK, BetrVG, § 112a Rn. 1; Richardi, Richardi, BetrVG, § 111 Rn. 2. 472 Däubler, DKKW, BetrVG, § 112a Rn. 38; Hess, HSWGN, BetrVG, § 112a Rn. 5, 8; Hohenstatt/Willemsen, HWK, BetrVG, § 112a Rn. 2; Kania, ErfK, BetrVG, § 112a Rn. 16; Richardi, Richardi, BetrVG, § 112a Rn. 2; Oetker, GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn. 299.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
der ein Anreiz zur Schaffung neuer Arbeitsplätze gesetzt werden sollte473, hat der Gesetzgeber folglich keine Aussage über die Repräsentierbarkeit der Belegschaft verbunden. Damit fehlt es auch den Schwellenwerten zum nichtsozialplanpflichtigen Stellenabbau an einem Bezug zur Frage der fortgesetzten Repräsentierbarkeit der Arbeitnehmer. Wäre eine Anknüpfung an die §§ 111, 112a BetrVG zur Bestimmung der für die betriebliche Identität wesentlichen Arbeitnehmerzahl auch mit größerer Rechtssicherheit verbunden als der bloße Verweis auf den „wesentlich größeren Teil“ der Belegschaft, bliebe sie doch letztlich willkürlich. Sie ist daher abzulehnen. (c) Anknüpfung an die materiell-funktionalen Möglichkeiten und Befugnisse des Betriebsrats Auch Fischers zweiter Vorschlag zur Konkretisierung der quantitativen Arbeitnehmerbetrachtung kann letztlich nicht überzeugen. Danach soll eine Veränderung der Arbeitnehmerzahl immer dann „wesentlich“ sein, wenn sie eine „materiell-funktionale“ Veränderung der Möglichkeiten und Befugnisse des Betriebsrats nach sich zieht.474 Denn in diesen Fällen handele es sich nicht um rein numerische Veränderungen. Vielmehr finde eine „quantitativ wesentliche Gewichtsverlagerung“ statt, die zwangsläufig „auf das betriebsverfassungsrechtliche Gegenüber ausstrahle“.475 Zu einer derartigen Veränderung der betriebsverfassungsrechtlichen Stellung des Betriebsrats führt nach Ansicht Fischers insbesondere das Erreichen der Schwellenwerte 20 (wegen §§ 99, 111 ff. BetrVG), 100 (wegen §§ 106 ff. und 92a Abs. 2 BetrVG), 300 (wegen §§ 38, 27 und 111 Abs. 1 S. 2 BetrVG), 500 (wegen § 95 Abs. 2 BetrVG) und 1000 (wegen § 110 BetrVG).476 Zwar ist zuzugeben, dass ein Betriebsrat, der eine große Zahl von Arbeitnehmern vertritt und dabei einen weiten Aufgabenbereich hat, in Verhandlungen mit dem Arbeitgeber regelmäßig eine stärkere Stellung hat als ein Betriebsrat, der nur wenige Arbeitnehmer vertritt und dabei auf die „Kernaufgaben“ beschränkt ist. Das folgt schon aus dem größeren Verhandlungspotential, das ein Betriebsrat hat, der dem Arbeitgeber in einer ihm weniger wichtigen Angelegenheit entgegenkommen kann, wenn dieser im Gegenzug eine Forderung in einer anderen, dem Betriebsrat wichtigeren Angelegenheit erfüllt, da sich dieses Verhandlungspotential naturgemäß mit dem Aufgabenkreis des Betriebsrats vergrößert. Dennoch erfordert eine Veränderung des Aufgabenbereichs des Betriebsrats keine Neuwahlen zur Anpassung der betrieblichen Vertretungsstrukturen. Denn die sinnvolle Vertretung der Belegschaft hängt nicht von den dem Repräsentationsorgan jeweils zugewiesenen Aufgaben ab. Das zeigt sich daran, dass die Betriebsabgrenzung nicht anhand der dem Betriebsrat zugeteilten Aufgaben erfolgt, sondern die Aufgabenzuteilung die Gruppenabgrenzung 473 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, §§ 112, 112a Rn. 100; Oetker, GK-BetrVG, §§ 112, 112a Rn. 298; Richardi, Richardi, BetrVG, § 112a Rn. 1. 474 U. Fischer, RdA 2005, 39, 43. 475 U. Fischer, RdA 2005, 39, 43. 476 U. Fischer, RdA 2005, 39, 43.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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vielmehr voraussetzt. Dass die Repräsentierbarkeit der Belegschaft nicht von den Aufgaben abhängt, die dem Vertretungsorgan aufgrund der jeweiligen Betriebsgröße zugewiesenen sind, gilt umso mehr für die Anknüpfung Fischers an Schwellenwerte, die nicht auf den Betrieb, sondern auf das Unternehmen abstellen und dem Betriebsrat daher nicht den Arbeitgeber, sondern den Unternehmer als Verhandlungspartner anbieten (vgl. §§ 106 ff., 110 BetrVG). Da die Wertungskriterien, die der Effektivität der Arbeitnehmervertretung dienen, mithin nicht durch die konkreten Aufgaben und Kompetenzen des Betriebsrats verkörpert werden, scheidet auch die Anknüpfung an eine Veränderung der Befugnisse des Betriebsrats aufgrund des Erreichens bestimmter Schwellenwerte für die quantitative Arbeitnehmerbetrachtung aus. (d) Anknüpfung an die Schwellenwerte des § 13 Abs. 2 BetrVG Schließlich wird § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG für die quantitative Arbeitnehmerbetrachtung herangezogen, der eine Neuwahl des Betriebsrats außerhalb der regelmäßigen Betriebsratswahlen anordnet, wenn die Zahl der Arbeitnehmer mit Ablauf von 24 Monaten nach der letzten Betriebsratswahl um die Hälfte, mindestens aber um fünfzig gestiegen oder gesunken ist. Indem das Gesetz die Notwendigkeit einer Neuwahl unter diesen Voraussetzungen anerkenne, so die wohl herrschende Meinung, enthalte es eine unmittelbare Wertung über die Bedeutung von Belegschaftsveränderungen für die betriebliche Identität. Offensichtlich sei der Gesetzgeber ab einer solchen Größenänderung von einem automatischen Identitätsverlust ausgegangen, so dass sie als wesentlich für die Repräsentierbarkeit der Belegschaft zu qualifizieren sei.477 Vereinzelt wird den gesetzlichen Regelungen dagegen das genaue Gegenteil entnommen. Wäre der Gesetzgeber in den Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG tatsächlich von einem automatischen Identitätsverlust ausgegangen, so die Gegenansicht, müsste der Betriebsrat sein Amt in diesen Fällen automatisch verlieren. Gem. §§ 21 S. 5, 22 BetrVG bleibe der Betriebsrat jedoch bis zur Durchführung der Neuwahlen im Amt. Das belege, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen von der Wahrung der betrieblichen Identität ausgegangen sei. Dann aber könne die Wesentlichkeit einer Belegschaftsänderung nicht an den Zahlenverhältnissen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG gemessen werden.478 Dieser Einwand kann nicht überzeugen. Wenn das Gesetz den Betriebsrat in den Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG bis zur Wahl eines neuen Betriebsrats im Amt lässt, kann daraus nicht geschlossen werden, dass es eine Anpassung der Vertretungsstruktur an die neuen Gegebenheiten nicht für notwendig erachte. Im Gegenteil: Wie 477
Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234; vgl. auch Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 49; Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 66; Kreutz, GKBetrVG, § 21a Rn. 25, 62; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 13; vgl. auch Hohenstatt, WHSS, Rz. D 68. 478 Richardi/Kortstock, Anm. zu BAG Beschl. v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, RdA 2004, 173, 175; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 101.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
die Regelungen der §§ 21a, 21b BetrVG sollen die §§ 21 S. 5, 22 BetrVG die Belegschaft vor betriebsratslosen Zeiten schützen. Das aber ist nur notwendig, weil die Durchführung von Neuwahlen nach den Wertungen des Gesetzes gerade erforderlich ist. Aus den §§ 21 S. 5, 22 BetrVG folgt also keineswegs, dass der Gesetzgeber in den Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG von der Wahrung der betrieblichen Identität ausgegangen ist. Bezweifelt wird der Aussagewert des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG für die Bestimmung der Betriebsidentität zudem, weil dieser nur Schwankungen der Arbeitnehmerzahl erfasst, den Betriebsrat aber selbst bei einem weitgehenden Austausch der Belegschaft im Amt belässt, sofern sich nicht gleichzeitig die Zahl der Arbeitnehmer den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG entsprechend ändert.479 Dies und die Tatsache, dass selbst eine erhebliche Veränderung der Arbeitnehmerzahl nur relevant ist, wenn sie an einem bestimmten Stichtag vorliegt, lasse darauf schließen, dass das Betriebsverfassungsgesetz die Belegschaft nicht als Merkmal der Betriebsidentität anerkenne. Jedenfalls aber bewerte das Gesetz die Kontinuität des Betriebsrats höher als die in § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG beschriebene fehlende demokratische Legitimation.480 Die Anknüpfung an die Zahlenvorgaben dieser Vorschrift zur Bestimmung der Wesentlichkeit einer Belegschaftsänderung komme vor diesem Hintergrund nicht in Betracht.481 Auch dieser Einwand kann aber letztlich nicht durchschlagen, denn es ist zu bedenken, dass § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG das Bedürfnis nach Neuwahlen normiert, das sich allein aufgrund einer Veränderung in der Belegschaft ergibt. Nur insofern trifft er die Feststellung, dass selbst eine umfangreiche Verringerung der Belegschaft als solche die Identität des Betriebs unberührt lässt, wenn sie nicht an einem bestimmten Stichtag vorliegt, und dass die Kontinuität des Betriebsrats ansonsten höher zu bewerten ist, als dessen fehlende demokratische Legitimation.482 Daraus folgt jedoch nicht, dass eine Belegschaftsänderung im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht als eines von mehreren Merkmalen zu berücksichtigen sei. Es spricht daher nichts dagegen, die Veränderung der Belegschaft im Rahmen der Gesamtbetrachtung auch vor oder nach dem Stichtag zu berücksichtigen, und der quantitativen Arbeitnehmerbetrachtung die Schwellenwerte des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG zugrunde zu legen. Im Gegenteil: Da § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG die einzige Norm des Betriebsverfassungsgesetzes ist, die sich dazu verhält, wann sich eine Veränderung der Belegschaft auf den Fortbestand des Betriebsrats auswirkt, wird vielmehr nur so der erforderliche Bezug zu der Frage nach der fortgesetzten Repräsentationsfähigkeit der betrieblichen Einheit gewahrt, der bei einer Anknüpfung an andere Schwellenwerte des Betriebsverfassungsgesetzes verloren ginge.
479 480 481 482
U. Fischer, RdA 2005, 39, 43; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 101. Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 101. So i.E. U. Fischer, RdA 2005, 39, 43. Annuß/Hohenstatt, NZA 2004, 420, 421.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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bb) Abstrakte Bedeutung für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der Belegschaft Die Abgrenzungsschwierigkeiten hinsichtlich der Bestimmung der Wesentlichkeit einer Belegschaftsänderung lassen sich lösen. Gegen die besondere Beachtung der Belegschaft im Rahmen der Gesamtbetrachtung kann folglich nicht eingewandt werden, es fehle an der Praktikabilität des Merkmals. Für die besondere Berücksichtigung der Belegschaft bei der Bestimmung der betrieblichen Identität spricht zudem die hohe Bedeutung, die dem Merkmal für die fortgesetzte Repräsentierbarkeit der Belegschaft zukommt. So kann es schon wegen des Grundsatzes der demokratischen Legitimation keineswegs unwichtig sein, ob der nach einer Belegschaftsänderung verbliebene Anteil der Arbeitnehmer noch eine ausreichende Legitimationsgrundlage für den bestehenden Betriebsrat bildet.483 Da der Betriebsrat seine Legitimation allein durch die Wahl der in seinem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer bezieht, können Veränderungen im Betrieb zu einer Verkürzung seiner Amtszeit führen, wenn sie Auswirkungen auf die Belegschaft und damit auf die Legitimationsgrundlage des Betriebsrats haben.484 Neben dem Grundsatz der demokratischen Legitimation spricht entscheidend für die besondere Berücksichtigung der Belegschaft im Rahmen der Gesamtbetrachtung, dass durch die Bindung des Betriebsrats an die Arbeitnehmer, die ihn gewählt haben, das für die optimale Repräsentation der Arbeitnehmer wichtige Kriterium der Belegschaftsnähe verkörpert wird. So bringen die Arbeitnehmer dem Betriebsrat das für eine wirksame Arbeitnehmervertretung erforderliche Vertrauen um so eher entgegen, je besser sie ihre(n) Repräsentanten kennen. Auch werden die Arbeitnehmer die Entscheidungen des Betriebsrats eher akzeptieren, wenn sie ihn selbst gewählt haben, als wenn es sich um ein Gremium handelt, dass von inzwischen nicht mehr zum Betrieb gehörenden Arbeitnehmern gewählt wurde. Eine Veränderung in der Belegschaft kann Neuwahlen daher erforderlich machen, um die verloren gegangene Belegschaftsnähe der Arbeitnehmervertretung durch Neuwahlen wiederherzustellen. Diese Wertung lässt auch § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG erkennen, der Neuwahlen vorschreibt, sobald die Zahl der Arbeitnehmer in gewisser Zeit in bestimmtem Umfang steigt oder sinkt.485 Für den Fortbestand des Betriebsratsmandats ist es daher keines Falls unerheblich, ob die Zusammensetzung der Belegschaft, in der sie durch die Be-
483 Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 49; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 70; vgl. auch Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 174. 484 Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 66; U. Fischer, RdA 2005, 39, 43; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 101. 485 LAG Düsseldorf Urt. v. 28. 6. 1957, 4 Sa 127/57, DB 1957, 984; Urt. v. 20. 9. 1974, 16 Sa 24/74, DB 1975, 454; ArbG Hamburg Beschl. v. 13. 6. 2006, 19 BV 16/06, NZARR 2006, 645, 646, unter II 2 a aa der Gründe; Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 66; a.A. U. Fischer, RdA 2005, 39, 43.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
triebsratswahl ihren Willen bekundet hat, im Wesentlichen dieselbe geblieben ist.486 Da durch die Bindung des Betriebsrats an die Arbeitnehmer, die ihn gewählt haben, sowohl der Grundsatz der demokratischen Legitimation als auch das Wertungskriterium der Belegschaftsnähe verkörpert wird, ist die abstrakte Bedeutung einer nach den Wertungen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG als wesentlich zu qualifizierenden Belegschaftsänderung im Rahmen der Gesamtbetrachtung vielmehr hoch. g) Geographische Lage aa) Räumliche Lage Nach herrschender Meinung bildet ferner die geographische Lage eines Betriebs einen Teil seiner betrieblichen Identität.487 Denn obwohl sich der Betriebsbegriff in räumlicher Hinsicht zunehmend auflöst488, ist in der Regel doch die Betriebsstätte der Angelpunkt des Betriebs.489 Beispielsweise bei einem Zusammenschluss von Betrieben kommt daher der Frage, wo dieser betrieben wird, eine „ganz entscheidende, häufig sogar ausschlaggebende Bedeutung“ zu.490 Dennoch geht die herrschende Ansicht davon aus, dass die reine Verlegung eines Betriebs keine Auswirkungen auf seine betriebliche Identität habe.491 Dem ist zuzustimmen. Zwar kann die Verlegung eines Betriebs für die Arbeitnehmer, die gegebenenfalls fortan längere Arbeitswege zurückzulegen haben, Nachteile mit sich bringen, die ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 111 S. 3 Nr. 2 BetrVG auslösen.492 Auf die Repräsentierbarkeit der Belegschaft hat die bloße Veränderung des Betriebsortes dagegen keine Auswirkungen.493 Das folgt schon daraus, dass es auch Betriebe gibt, die nichtstandortgebundene Dienstleistungen erbringen, in denen aber dennoch ohne weiteres ein Betriebsrat gebildet werden kann. Neben dem Schulbeispiel einer reisenden Schaustellergruppe betrifft dies etwa Eisenbahn, Fluggesellschaften und Transportunternehmen.494 Ebenfalls nicht standortgebunden tätig
486 LAG Düsseldorf Urt. v. 28. 6. 1957, 4 Sa 127/57, DB 1957, 984; Urt. v. 20. 9. 1974, 16 Sa 24/74, DB 1975, 454; Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 111. 487 Vgl. Galperin, BetrVG, § 1 Rn. 37; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14, 15. 488 U. Fischer, RdA 2005, 39, 42; vgl. auch BT-Drucks. 14/5741, S. 24. 489 U. Fischer, RdA 2005, 39, 42. 490 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 69. 491 Vgl. BAG Urt. v. 6. 11. 1958, 1 AZR 329/58, BAGE 8, 207 = AP Nr. 15 zu § 13 KSchG; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 57; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 69; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 1; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 108. 492 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 107; vgl. BAG Beschl. v. 17. 8. 1982, 1 ABR 40/80, BAGE 40, 36 = AP Nr. 11 zu § 111 BetrVG 1972, unter B II 3 der Gründe. 493 Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 107. 494 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 233 f.; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 107.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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sind die im Außendienst eines Betriebs beschäftigten Arbeitnehmer.495 Auch neue Informations- und Kommunikationstechniken machen die Anwesenheit der Arbeitnehmer im Betrieb überflüssig.496 So zitiert die Regierungsbegründung zum Betriebsverfassungsreformgesetz von 2001 eine Studie des Fraunhofer Instituts, nach der in der Bundesrepublik schon im Jahr 1997 rund 900.000 Beschäftigte ganz oder teilweise nicht im Betrieb ihres Arbeitgebers tätig waren.497 Nach Einschätzung der Bundesregierung ist davon auszugehen, dass sich die Ansiedlung von Beschäftigten außerhalb der eigentlichen Betriebsstandorte in externen Servicestellen, Home-Offices, Nachbarschaftsbüros oder im Außendienst seitdem noch verstärkt hat.498 Sowohl die Mitarbeiter nicht standortgebundener Betriebe, als auch die Mitarbeiter, die von standortgebundenen Betrieben im Außendienst oder Home-Offices beschäftigt werden, werden aber grundsätzlich unabhängig von ihrem jeweiligen Einsatzort durch den betriebseinheitlichen Betriebsrat vertreten.499 Da die räumliche Lage des Betriebs für die Repräsentierbarkeit der (möglicherweise ohnehin andernorts beschäftigten) Arbeitnehmer mithin irrelevant ist und sie auch keines der für die optimale Arbeitnehmervertretung maßgeblichen Wertungskriterien verkörpert, kann der bloßen Veränderung der geographischen Lage eines Betriebs im Rahmen der Gesamtbetrachtung keine maßgebliche Bedeutung zugemessen werden. bb) Räumliche Verbindung Ähnliches gilt nach herrschender Ansicht für die räumliche Verbindung der Belegschaft. Da eine wirksame Interessenvertretung der Arbeitnehmer durch den persönlichen Kontakt zu den von ihnen gewählten Betriebsräten erheblich gefördert wird, wird der Fortbestand der räumlichen Verbindung zwar als ein wichtiges Indiz für die Betriebsabgrenzung angesehen. Voraussetzung für die Wahrung der betrieblichen Identität ist sie nach ganz herrschender Meinung indes nicht.500 Dagegen sehen insbesondere Joost und Gamillscheg in der räumlichen Verbundenheit der Arbeitnehmer das „wichtigste, meist ausschlaggebende Kriterium“ für
495
Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 37. BT-Drucks. 14/5741, S. 24; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 18. 497 Vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 24. 498 Vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 24. 499 Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 11; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 33. 500 Vgl. BAG Beschl. v. 24. 2. 1976, 1 ABR 62/75, AP Nr. 2 zu § 4 BetrVG 1972 = DB 1976, 1579, unter III 4 der Gründe; Beschl. v. 25. 9. 1986, 6 ABR 68/84, BAGE 53, 119 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972, unter II 3 der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 74; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 40; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 43; Haase, Sonderbeilage zu NZA Heft 18/1988, 11, 13; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 18, 23; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 11; Konzen, RdA 2000, 76, 80; Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 97; Löwisch, Galperin/Löwisch, BetrVG, § 1 Rn. 6; Preis, RdA 2000, 257, 269; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 38. 496
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
die Repräsentierbarkeit der Belegschaft.501 Grund für die besondere Bedeutung der räumlichen Verbundenheit für die Abgrenzung einer repräsentationsfähigen Einheit sei die Gleichlagerung der Interessen, von der bei einer räumlichen Verbindung der Arbeitnehmer auszugehen sei.502 Während Arbeitnehmer an weit entfernten Standorten in der Regel selbst dann wenig gemeinsame Interessen hätten, wenn sich „ihre allgemeinen Interessen (als Maurer, Verwaltungsangestellte usw.)“ glichen, seien die betrieblichen Interessen wie Arbeitszeit und Urlaub bei räumlich zu einer Einheit verbundenen Arbeitnehmern zumeist ähnlich.503 Die räumliche Verbindung schließe die Arbeitnehmer also zu einer Interessengemeinschaft zusammen, die sie zu einer „homogenen Wählerschaft“ und damit erst zu einer repräsentationsfähigen Einheit mache.504 Für eine besondere Bedeutung der räumlichen Verbundenheit spreche zudem, dass nur durch sie das für eine effektive Interessenvertretung erforderliche Vertrauen der Belegschaft in die von ihr gewählten Betriebsräte entstehen könne.505 Schließlich sei die räumliche Verbundenheit Voraussetzung für die Bodenhaftung des Betriebsrats.506 Nach dieser Ansicht folgt die besondere Bedeutung der räumlichen Verbindung für die Repräsentierbarkeit der Belegschaft also aus zwei Aspekten: der durch sie bedingten Interessengleichheit einerseits und der durch sie verwirklichten Belegschaftsnähe andererseits. Den dogmatischen Beweis dafür, dass das Bestehen räumlicher Verbindung für einen auf die Ziele des Gesetzes hin ausgerichteten Betriebsbegriff und damit auch für die Konkretisierung seiner Identität wesentlich sei, sieht Gamillscheg in der Anerkennung des Gemeinschaftsbetriebs zweier Unternehmen.507 Dort habe sich „die Arbeits- und Lebenseinheit gegen die Abhängigkeit von den Organisationsmustern und den gesellschaftsrechtlichen Strukturen endgültig durchgesetzt“.508 Dass allein die räumliche Nähe als solche nicht zur Unselbstständigkeit eines Betriebs führt, ergibt sich indes aus § 4 BetrVG.509 Dieser regelt die gesetzliche Zuordnung von Betrieben, Betriebsteilen und Nebenbetrieben, und beantwortet die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Betriebsteile und Nebenbetriebe als selbstständige Betriebe anzusehen sind, so dass in ihnen ein eigener Betriebsrat gewählt werden 501 So Gamillscheg, AuR 1989, 33 f.; ders., AuR 2001, 411, 414 („wohl wesentlichster Umstand“); ebenso Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 400. 502 Gamillscheg, AuR 2001, 411, 414; ders., AuR 1989, 34; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 400; in diese Richtung auch Hohenstatt, WHSS Rz. D 69; Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 97; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 8. 503 Gamillscheg, AuR 2001, 411, 414. 504 Gamillscheg, AuR 1989, 33. 505 Gamillscheg, AuR 2001, 411, 414; ders., AuR 1989, 34. 506 Gamillscheg, AuR 2001, 411, 414. 507 Gamillscheg, AuR 2001, 411, 415. 508 Gamillscheg, AuR 2001, 411, 415. 509 Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 40; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 19; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 33.
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kann.510 § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG geht davon aus, dass trotz enger räumlicher Nähe zwei Betriebe unabhängig voneinander existieren können511, und bejaht die selbstständige Repräsentationsfähigkeit einer Gruppe von Arbeitnehmern ungeachtet ihrer räumlicher Nähe zu einer anderen, sofern sie als Betriebsteil organisatorisch selbstständig ist.512 Auch die Gleichheit der Interessen der Vertretenen, die nach Ansicht Gamillschegs vor allem durch die räumliche Verbundenheit einer Gruppe entsteht und ihre einheitliche Vertretbarkeit ausmacht, ist nach den Wertungen des Betriebsverfassungsgesetzes keineswegs Voraussetzung für die Repräsentierbarkeit einer Gruppe von Arbeitnehmern. Indem das Gesetz in § 15 BetrVG die Zusammensetzung des Betriebsrats nach Beschäftigungsarten und Geschlechtern vorsieht, geht es vielmehr davon aus, dass der Betriebsrat einen Ausgleich zwischen unterschiedlichen, möglicherweise sogar gegensätzlichen Interessen der einzelnen Arbeitnehmer schaffen muss, die im Übrigen nicht etwa aufgrund einer räumlichen Trennung, sondern aufgrund anderer Faktoren wie dem Geschlecht und den unterschiedlichen, in der Betriebsorganisation zusammengefassten Beschäftigungsarten bestehen. Andererseits ist jedoch nicht von der Hand zu weisen, dass die räumliche Verbindung der Arbeitnehmer die Kommunikation zwischen den Arbeitnehmern und ihrem Betriebsrat erleichtert. Wird die Belegschaft in einer Betriebsstätte gemeinsam beschäftigt, können die Arbeitnehmer jederzeit persönlich Kontakt zu ihren Vertretern aufnehmen, ohne darauf warten zu müssen, dass der Betriebsrat sie in ihrer Betriebsstätte besucht oder eine Betriebsversammlung einberuft. Umgekehrt ist es bei einer räumlich zu einer Einheit verbundenen Belegschaft auch für den Betriebsrat leichter, mit den Arbeitnehmern zu sprechen und sich über das Betriebsklima und die Bedürfnisse der Arbeitnehmer zu informieren. Die räumliche Verbindung der Arbeitnehmer fördert damit das für die optimale Arbeitnehmervertretung wichtige Kriterium der Belegschaftsnähe513, so dass ihr im Rahmen der Gesamtbetrachtung durchaus einiges Gewicht beizumessen ist.514 Gleichwohl kann die räumliche Verbindung der Arbeitnehmer im Rahmen der Gesamtbetrachtung nicht den Ausschlag geben. Das folgt wiederum daraus, dass eine räumliche Verbundenheit der Arbeitnehmer bei Betrieben, die nicht standortgebundene Dienstleistungen anbieten, von vornherein ausscheidet.515 Auch grundsätzlich standortgebundene Betriebe werden nicht notwendi510
BAG Beschl. v. 7. 4. 2004, 7 ABR 42/03, AP Nr. 3 zu § 94 SGB IX = NZA 2004, 745, unter B II 2 der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 4 Rn. 1; Rose, HSWGN, BetrVG, § 4 Rn. 1; Trümner, DKKW, BetrVG, § 4 Rn. 1. 511 BAG Beschl. v. 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = AP Nr. 5 zu § 3 BetrVG, unter III der Gründe; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 40; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 33; Rose, HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 32. 512 Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 19. 513 Däubler, FS Dieterich, S. 63, 69. 514 I.E. ebenso Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 97; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 38. 515 Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 18.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
gerweise durch die räumliche Verbundenheit der Arbeitnehmer charakterisiert, weil betriebliche Tätigkeit durch Mitarbeiter im Außendienst oder Home-Offices häufig auch außerhalb der Betriebsstätte erfolgt.516 Da eine räumliche Verbundenheit der Arbeitnehmer im Betrieb also oftmals von vornherein nicht besteht, kann ihr bei der Bestimmung der betrieblichen Identität nicht die entscheidende Bedeutung zukommen.517 h) Äußeres Erscheinungsbild Namentlich Thüsing sieht schließlich in dem äußeren Erscheinungsbild eines Betriebs eins der Merkmale, die seine betriebliche Identität ausmachen.518 Mangels näherer Konkretisierung oder Begründung seines Vorschlags519, bleibt jedoch offen, was unter dem „äußeren Erscheinungsbild“ eines Betriebs zu verstehen ist. Möglich sind zwei Varianten. Zunächst kommt ein enges, rein wörtliches Begriffsverständnis in Betracht. Danach wäre das Erscheinungsbild eines Betriebs von solchen Merkmalen geprägt, die visuell wahrnehmbar sind, wie beispielsweise die Ladenfassade und die Einrichtung eines Geschäfts. Wollte man das Kriterium des äußeren Erscheinungsbildes aber in diesem Sinne verstehen, hätte es nach dieser Auffassung betriebsverfassungsrechtliche Auswirkungen, wenn der Betriebsinhaber seinem Geschäft einen neuen Anstrich gibt, ein neues Ladenschild aufhängt oder das Geschäft neu einrichtet. An der Repräsentationsfähigkeit einer Gruppe von Arbeitnehmern ändert sich jedoch durch rein „äußerliche“ Veränderungen am Betrieb nichts, so dass es jedenfalls auf das in diesem Sinne verstandene äußere Erscheinungsbild des Betriebs für die betriebliche Identität nicht ankommen kann. Auch bei einem offeneren Begriffsverständnis eignet sich das Kriterium des äußeren Erscheinungsbilds jedoch nicht für die Bestimmung der betrieblichen Identität. Bei einer weniger engen Auslegung des Begriffs könnte es nämlich nur darauf ankommen, ob der Betrieb nach außen den Eindruck vermittelt, seine Identität gewahrt zu haben. Entscheidend wäre also, ob ein die innere Organisation und den inneren Aufbau des Betriebs nicht kennender Dritter, aufgrund einer Veränderung des äußeren Gesamteindrucks von einem Fortfall der Betriebsidentität ausgehen würde. Für 516 Vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 24; Däubler, FS Dieterich, S. 63, 68; Haase, Sonderbeilage zu NZA Heft 18/1988, 11, 13; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 18; s. zu diesem Aspekt bereits oben S. 126 f. 517 BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 d der Gründe; Beschl. v. 25. 9. 1986, 6 ABR 68/84, BAGE 53, 119 = AP Nr. 7 zu § 1 BetrVG 1972, unter II 3 der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 74; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 40; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 11; Lerch, Auswirkungen von Betriebsübergängen, S. 97; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 1 Rn. 6; Preis, RdA 2000, 257, 269; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 38. 518 Thüsing, DB 2002, 738, 739; ders., DB 2004, 2474; zustimmend Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 8. 519 Thüsing, DB 2002, 738, 739; ders., DB 2004, 2474.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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die Bestimmung der betrieblichen Identität können dagegen nur die wahren Strukturen des Betriebs entscheidend sein. Auf einen – möglicherweise unzutreffenden – äußeren Gesamteindruck kann es nicht ankommen. Das äußere Erscheinungsbild eines Betriebs ist daher nicht geeignet, seine Identität zu bestimmen. Weder leistet es eine eindeutige Abgrenzung, noch verkörpert es eines derjenigen Merkmale, die für die optimale Arbeitnehmervertretung maßgeblich sind. Bei der Bestimmung der betrieblichen Identität kann dem äußeren Erscheinungsbild eines Betriebs im Rahmen der Gesamtbetrachtung daher eine lediglich untergeordnete Stellung zukommen. 4. Hierarchie der einzelnen Merkmale a) Zweistufigkeit Die Untersuchung der einzelnen zur Bestimmung der betrieblichen Identität herangezogenen Merkmale hat bestätigt, dass ein Rückgriff auf die im Betriebsübergangsrecht entwickelten Kriterien und Maßstäbe für die Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsidentität ausscheidet, da beide Regelungszusammenhänge unterschiedliche Ziele verfolgen. Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass die einzelnen Merkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs im Rahmen der Gesamtbetrachtung abstrakt unterschiedlich zu gewichten sind. Nicht jedes von ihnen eignet sich zur Abgrenzung und verkörpert gleichzeitig eines der Kriterien, die nach den Wertungen des Betriebsverfassungsgesetzes die optimale Vertretung der Arbeitnehmer ausmachen. Die Veränderung derjenigen Merkmale, die für eine effektive und sinnvolle Repräsentation der Belegschaft bedeutungslos sind, kann die Grundlage der Existenz des Betriebsrats und das Substrat seiner Arbeit nicht berühren. Diesen Merkmalen kann im Rahmen der Gesamtbetrachtung folglich eine allenfalls untergeordnete Stellung zukommen. Das betrifft den Betriebszweck, die materiellen und immateriellen Betriebsmittel, die arbeitstechnische Betriebsorganisation, die Unternehmensstruktur, die räumliche Lage sowie das äußere Erscheinungsbild des Betriebs. Die übrigen Merkmale leisten nicht nur eine klare Abgrenzung, sondern verkörpern auch jeweils eines der für die optimale Arbeitnehmervertretung maßgeblichen Wertungskriterien. So wirken sich Veränderungen der Belegschaft, der innerbetrieblichen Organisationseinheiten sowie der räumlichen Verbundenheit auf die Belegschaftsnähe des Betriebsrats aus, während die Umstrukturierung des einheitlichen Leitungsapparats in personellen und sozialen Angelegenheiten die Entscheidungsnähe der Arbeitnehmervertretung berührt. Da derartige Veränderungen mithin die Repräsentierbarkeit der Arbeitnehmer beeinflussen, können sie eine Anpassung des Vertretungsorgans an die neuen Strukturen erforderlich machen. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung muss diesen Merkmalen folglich eine hervorgehobene Stellung zukommen.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
Was ihre Bedeutung für die betriebliche Identität angeht, lassen sich die Merkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs also in zwei Gruppen aufteilen, in die Gruppe der im Rahmen der Gesamtbetrachtung lediglich untergeordneten Merkmale einerseits, und die der durchaus bedeutsamen Merkmale andererseits. Schon die Erkenntnis dieser Zweistufigkeit hinsichtlich der abstrakten Bedeutung der einzelnen Merkmale schränkt die Beliebigkeit bei ihrer Gewichtung im Rahmen der Gesamtbetrachtung ein und bringt damit gegenüber der bisher herrschenden Meinung einen Zuwachs an Rechtssicherheit. b) Dreistufigkeit? Zusätzlich gesteigert wäre die Prognostizierbarkeit der Ergebnisse der Betriebsidentitätslehre, wenn unter den Merkmalen der zweiten Gruppe eine weitere Differenzierung möglich wäre. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob unter ihnen ein Merkmal auszumachen ist, das die anderen im Rahmen der Gesamtbetrachtung noch überwiegt. Da das Gewicht, welches den einzelnen Merkmalen des Betriebsbegriffs bei der Bestimmung der betrieblichen Identität zukommt, aus ihrer Bedeutung für eine wirkungsvolle Arbeitnehmervertretung folgt, hängt die Beantwortung der Frage nach dem für die betriebliche Identität „wichtigsten“ der Begriffsmerkmale davon ab, ob unter den durch sie verkörperten Wertungskriterien ihrerseits eines besteht, das für die Verwirklichung einer sinnvollen und effektiven Arbeitnehmervertretung von besonderer Bedeutung ist und daher den Vorrang genießt. Hier kommt das dritte durch die Einzelbetrachtung der Betriebsmerkmale gewonnene Ergebnis ins Spiel. Diese hat nämlich weiterhin offenbart, dass nicht jedes der für die optimale Arbeitnehmervertretung maßgeblichen Wertungskriterien durch eines der Merkmale des Betriebsbegriffs verkörpert wird. Weder die umfassende Belegschaftsrepräsentation noch die klare Funktionsabgrenzung noch die effektive Aufgabenwahrnehmung durch Freistellung und Spezialisierung können durch die Betriebsabgrenzung verwirklicht werden. Allein die Belegschaftsnähe und die Entscheidungsnähe des Betriebsrats lassen sich durch eine Veränderung der Merkmale des Betriebsbegriffs beeinflussen. Die Frage nach dem im Rahmen der Gesamtbetrachtung vorherrschenden Wertungskriterium verengt sich daher auf die Frage, ob eines dieser beiden Wertungskriterien für die Verwirklichung einer sinnvollen und effektiven Repräsentation der Arbeitnehmer wichtiger ist als das andere. aa) Zielkonflikt zwischen Belegschaftsnähe und Entscheidungsnähe Für die wirkungsvolle Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer haben die Betriebsräte sowohl auf den Arbeitgeber bezogene Aufgaben (z. B. bei der Wahrnehmung ihrer Mitbestimmungsfunktionen durch Verhandlungen, Beratungen, Gespräche etc.) als auch auf die Arbeitnehmer bezogene Aufgaben (z. B. Betriebsversammlungen durchführen, Sprechstunden einrichten, erreichbar sein, Aufsuchen der Ar-
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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beitnehmer an den Arbeitsplätzen etc.).520 Sucht man nach einer Vertretungsstruktur, die der Belegschaftsnähe und der Entscheidungsnähe gleichermaßen Rechnung trägt, muss man allerdings feststellen, dass es eine Betriebsabgrenzung, bei der beide Aspekte gleichzeitig voll verwirklicht werden, nicht gibt.521 Vielmehr zeigt sich bei dem Versuch einer solchen Begriffsbestimmung, dass beide Prinzipien miteinander nicht vollständig vereinbar sind. Das eine kann nur auf Kosten des anderen verwirklicht werden – und umgekehrt: Orientiert man sich bei der Betriebsabgrenzung im Sinne des Prinzips der Entscheidungsnähe an den beim Arbeitgeber vorhandenen Leitungsstrukturen, führt dies vor allem bei Betrieben großer Unternehmen dazu, dass die Interessenvertretung nicht dort angesiedelt ist, wo sich die einheitliche und überschaubare Belegschaftsgemeinschaft befindet.522 Fasst man dagegen möglichst kleine Belegschaftsgruppen als Repräsentationseinheiten zusammen, hat dies zwangsläufig eine Entfernung des Betriebsrats vom Arbeitgeber zur Folge.523 Dieser Zielkonflikt ist in der Betriebsverfassung angelegt.524 Denn beide Kriterien ergeben sich nur mittelbar aus den Zielsetzungen des Gesetzes.525 Das Betriebsverfassungsgesetz nennt weder das Wertungskriterium der Belegschaftsnähe noch das der Entscheidungsnähe explizit und vermeidet auf diese Weise auch eine Aussage über ihr Verhältnis zueinander.526 Die Frage, ob einem der beiden Prinzipien letztlich der Vorrang einzuräumen ist, muss daher im Wege der Abwägung entschieden werden, wobei im Ergebnis dem Kriterium mehr Gewicht beizumessen ist, durch dessen Verwirklichung bei der Betriebsabgrenzung die effektive Vertretung der Arbeitnehmer durch den Betriebsrat am ehesten realisiert wird.527
520 So Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 46; vgl. auch Birk, AuR 78, 226, 230; Oehmann, DB 1964, 587, 588; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 89 f. 521 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 239; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 91. 522 Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 239; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 94 f.; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 91. 523 Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 94 f.; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 91. 524 Gamillscheg, ZfA 1974, 357, 380; vgl. auch Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 36; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 135; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 91; Preis sieht in den entgegengesetzten Zielvorgaben zwischen Belegschaftsnähe einerseits und Entscheidungsnähe andererseits sogar den Grund für die Krise des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs, RdA 2000, 256, 267 f. 525 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 89. 526 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 89. 527 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 92.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
bb) Abwägung Der Betriebsrat ist das Vertretungsorgan der Arbeitnehmer. Durch sie, nicht durch den Arbeitgeber, wird sein Mandat legitimiert. Das legt es auf den ersten Blick nahe, der Belegschaftnähe des Betriebsrats eine größere Bedeutung für die optimale Arbeitnehmervertretung beizumessen als seiner Entscheidungsnähe. Auch bei genauerer Betrachtung sprechen gute Gründe für eine möglichst arbeitnehmernahe Verortung des Betriebsrats. (1) Ausgangspunkt: Notwendigkeit von Vertrauen Das wohl offensichtlichste Argument ist die Notwendigkeit von Vertrauen zwischen dem Betriebsrat und seiner Belegschaft. Gelingt es dem Betriebsrat nicht, das Vertrauen seiner Belegschaft zu gewinnen, ist eine effektive Vertretung der Arbeitnehmer durch ihn kaum möglich. Vertrauen zwischen den Arbeitnehmern und dem Betriebsrat kann aber leichter entstehen, wenn beide in engem, möglichst persönlichem Kontakt zueinander stehen. Das beginnt schon bei der Wahl selbst. Je besser die Arbeitnehmer die zur Wahl stehenden Kollegen kennen, um so eher werden sie ihnen das für die Wahl erforderliche Vertrauen entgegenbringen.528 Auch über die Wahl hinaus erfordert eine effektive und wirkungsvolle Arbeitnehmervertretung ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen dem Betriebsrat und der Belegschaft, da sich die Arbeitnehmer mit ihren Sorgen und Nöten nicht an eine Betriebsvertretung wenden werden, deren ernstgemeinter Fürsorge sie sich nicht sicher sind. Ein durch Vertrauen geprägtes Verhältnis zwischen Betriebsrat und Belegschaft ist zudem auch aus Sicht des Arbeitgebers wünschenswert, da der Betriebsrat im Idealfall auch für ihn eine Vermittlerrolle einnimmt, indem er beispielsweise der Belegschaft unpopuläre aber notwendige Entscheidungen der Betriebsleitung nahe bringt, womit er bei den Arbeitnehmern um so eher auf Akzeptanz stoßen wird, je geringer deren Zweifel an der Loyalität ihres Betriebsrats sind. Für eine effektive Repräsentation der Arbeitnehmer sorgt eine belegschaftsnahe Vertretungsstruktur zudem, weil eine interessenorientierte Repräsentation je unverfälschter ist, desto näher sie dem einzelnen Arbeitnehmer steht. Jede Vergrößerung einer Repräsentationsgruppe birgt die Gefahr einer „Interessenverdünnung“, weil die Homogenität der Interessen in der Regel mit der Größe der betrieblichen Einheit abnimmt, gleichzeitig aber nicht mehr gewährleistet ist, dass der Betriebsrat sich im persönlichen Kontakt über die Bedürfnisse der einzelnen Arbeitnehmer informieren kann.529
528 BAG Beschl. v. 1. 2. 1963, 1 ABR 1/62, BAGE 14, 82 = NJW 1963, 1325, unter II 2 i der Gründe; Beschl. v. 5. 6. 1964, 1 ABR 11/63, AP Nr. 7 zu § 3 BetrVG = SAE 1966, 69, unter II 3 c der Gründe; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 93. 529 So zutreffend Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 240.
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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Schließlich wird eine möglichst große Belegschaftsnähe der Betriebsvertretung als erstrebenswert angesehen, weil die Anliegen der Arbeitnehmer vielfach durch die Gegebenheiten des konkreten Arbeitsplatzes bestimmt werden, weshalb es häufig differenzierender Regelungen bedarf, was ebenfalls die Repräsentationsfähigkeit kleiner Gruppen und die arbeitnehmernahe Verortung des Betriebsrats nahe legt.530 Obwohl damit gute Gründe für die Verwirklichung einer möglichst arbeitnehmernahen Vertretungsstruktur sprechen, kann doch nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die Belegschaftsnähe des Betriebsrats für eine sinnvolle und effektive Arbeitnehmervertretung wichtiger sei als seine Entscheidungsnähe. (2) Systematische Argumente Ein Vorrang der Belegschaftsnähe ist insbesondere nicht §§ 3 Abs. 1 Nr. 5 und § 28a BetrVG zu entnehmen. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall. Indem der Gesetzgeber mit diesen Vorschriften die Einrichtung von Vertretungsstrukturen auf der Ebene unterhalb des Betriebsrats zulässt, erkennt er an, dass bei der Abgrenzung der Repräsentationseinheit „Betrieb“ die Belegschaftsnähe gerade nicht der letztlich ausschlaggebende Aspekt ist. Denn wenn die Belegschaftsnähe schon durch die Abgrenzung des Betriebs voll zu verwirklichen wäre, bedürfte es nicht der Schaffung von Zwischenebenen, die das Fehlen von Belegschaftsnähe kompensieren, indem sie die Kommunikation zwischen Betriebsrat und Belegschaft erleichtern (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) oder für eine größere Sachnähe der Arbeitnehmervertretung in bestimmten Bereichen sorgen (§ 28a BetrVG). Ein solches Bedürfnis entsteht vielmehr nur, wenn der Entscheidungsnähe bei der Betriebsabgrenzung der Vorrang eingeräumt wird. Die Existenz der §§ 3 Abs. 1 Nr. 5 und § 28a BetrVG belegt daher, dass der Gesetzgeber von einem Vorrang der Entscheidungsnähe bei der Betriebsabgrenzung ausgeht, da die genannten Vorschriften andernfalls keinen Anwendungsbereich hätten. Auch § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG ist mittelbar zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die Belegschaftsnähe des Betriebsrats nicht als unabdingbar für eine wirkungsvolle Arbeitnehmervertretung erachtet. Das ergibt sich aus folgender Überlegung: Wollte man der Belegschaftsnähe bei der Abgrenzung der Repräsentationseinheit Priorität einräumen, müsste man für die Feststellung der Betriebsidentität primär auf die Kontinuität der Belegschaft abstellen. Wie schon gesehen ordnet § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG Neuwahlen ohne das Hinzutreten weiterer Veränderungen jedoch nur in Betrieben an, in denen „mit Ablauf von 24 Monaten, vom Tage der Wahl an gerechnet, die Zahl der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer um die Hälfte, mindestens aber um fünfzig, gestiegen oder gesunken ist“. Das Betriebsverfassungsgesetz erkennt die Abhängigkeit des Betriebsrats von der Belegschaft damit nicht generell, sondern nur in engen Grenzen an. Nur wenn die Veränderung der Gesamtzahl der Arbeitnehmer an diesem Stichtag die Hälfte der regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer betrifft, ist 530
Vgl. Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 240.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
dies – sofern nicht gleichzeitig weitere der den Betrieb kennzeichnenden Merkmale verändert werden – ein Grund für Neuwahlen, und das auch nur, wenn die Veränderung (gleichzeitig) mindestens fünfzig regelmäßig beschäftigte Arbeitnehmer betrifft. Eine Veränderung der Zusammensetzung der Belegschaft – egal von welchem Ausmaß – erkennt das Gesetz dagegen nicht als Grund für Neuwahlen an.531 Selbst eine „weitgehende Auswechslung“ der Belegschaft rechtfertigt keine Neuwahlen, wenn sich mit ihr nicht gleichzeitig die Anzahl der Arbeitnehmer um die Hälfte, mindestens aber um fünfzig, verändert.532 Indem das Betriebsverfassungsgesetz auf diese Weise eine strikte Abhängigkeit des Betriebsrats von der Belegschaft ablehnt, trifft es gleichzeitig die Aussage, dass der Belegschaftsnähe nicht die letztlich ausschlaggebende Bedeutung für die optimale Arbeitnehmervertretung zukommt. Dass dem gültig gewählten Betriebsrat nach der Vorstellung des Gesetzes selbst bei maßgeblicher Veränderung der Belegschaftsstärke nicht die aktuelle Legitimation fehlt, folgt zudem aus § 21 S. 5 BetrVG, der anordnet, dass der alte Betriebsrat bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses der Neuwahlen mit allen Rechten und Pflichten im Amt bleibt.533 Mit §§ 13 Abs. 2 Nr. 1, 21 S. 5 BetrVG räumt das Gesetz folglich der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden den Vorrang gegenüber der unmittelbaren demokratischen Legitimation ein und stellt damit auch den Aspekt der Belegschaftsnähe in den Hintergrund. Die systematischen Argumente sprechen damit für einen Vorrang der Entscheidungsnähe bei der Betriebsabgrenzung. (3) Teleologische Argumente Noch eindeutiger sprechen teleologische Argumente für dieses Ergebnis. Die große Bedeutung, die der Entscheidungsnähe für die optimale Vertretung der Arbeitnehmer zukommt, folgt zunächst daraus, dass durch die Betonung der Entscheidungsnähe bei der Abgrenzung von Repräsentationseinheiten in der Regel größere betriebliche Einheiten entstehen als bei einer Betriebsabgrenzung, mit der primär die arbeitnehmernahe Verortung des Betriebsrats verfolgt wird. Für die Bildung größerer Repräsentationseinheiten spricht wiederum aus Arbeitnehmersicht, dass Gewicht und Durchsetzungsvermögen des Betriebsrats mit der Zahl der vertretenen Arbeitnehmer steigen534, da der Betriebsrat seine Legitimation von den Arbeitnehmern ableitet535. Eine arbeitgebernahe Verortung des Betriebsrats stärkt also aufgrund der höheren Zahl der von ihm vertretenen Arbeitnehmer seine Stellung bei Verhandlungen mit 531
Salamon, NZA 2009, 74, 75. Kreutz, GK-BetrVG, § 13 Rn. 44; Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 13 Rn. 10; vgl. auch Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 13 Rn. 28. 533 Kreutz, GK-BetrVG, § 13 Rn. 36. 534 BAG Urt. v. 24. 2. 1976, 1 ABR 62/75, AP Nr. 2 zu § 4 BetrVG 1972 = DB 1976, 1579, unter III 1 der Gründe; Gamillscheg, ZfA 1975 , 357, 380; Preis, RdA 2000, 257, 267 f. 535 Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 174; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 240. 532
B. Die Konkretisierung der betrieblichen Identität
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dem Arbeitgeber, was wiederum die Effektivität der Arbeitnehmervertretung steigert. Auch aus Sicht des Arbeitgebers ist die Bildung größerer Repräsentationseinheiten durch die Verwirklichung entscheidungsnaher Vertretungsstrukturen vorteilhaft, weil sich sein häufig vorhandenes Bedürfnis nach übergreifenden einheitlichen Regelungen am ehesten befriedigen lässt, wenn er sich statt mit mehreren Betriebsräten nur mit einem Betriebsrat einigen muss.536 Hinzu kommt, dass die Bildung größerer Repräsentationseinheiten auf Grund der Degression der §§ 9, 38 BetrVG für den Arbeitgeber verhältnismäßig kostengünstiger ist. So verursacht beispielsweise ein Betriebsrat für 1300 Mitarbeiter (15 Mitglieder mit drei freigestellten Mitgliedern) weniger Kosten als vier Betriebsräte für je 325 Arbeitnehmer (36 Mitglieder mit vier freigestellten Betriebsräten vgl. §§ 9, 38 BetrVG).537 Die Schaffung größerer betrieblicher Einheiten durch die Verwirklichung entscheidungsnaher Vertretungsstrukturen erhöht damit in vielerlei Hinsicht die Effektivität der Arbeitnehmervertretung. Schon das spricht dafür, der Entscheidungsnähe des Betriebsrats eine größere Bedeutung für die sinnvolle und wirksame Arbeitnehmervertretung beizumessen, als seiner Belegschaftsnähe. Viel wichtiger und letztlich ausschlaggebend bei der Abwägung ist jedoch die Erkenntnis, dass die Realisierung entscheidungsnaher Vertretungsstrukturen nicht nur die Effektivität der Belegschaftsrepräsentation steigert, sondern vielmehr Grundvoraussetzung für die wirksame und seinem Aufgabenbereich entsprechende Arbeit des Betriebsrats ist. Das Ziel einer sinnvollen und effektiven Interessenvertretung, kann nur erreicht werden, wenn der Betriebsrat dort angesiedelt wird, wo die mitbestimmungspflichtigen Tatbestände entstehen. Und das ist dort, wo die Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten ausgeübt wird.538 Es hilft den Arbeitnehmern nichts, wenn durch die Einrichtung einer Vielzahl von betriebsverfassungsrechtlichen Vertretungen größtmögliche Belegschaftsnähe hergestellt wird, diese Vertretungen aber die Interessen der Arbeitnehmer nicht durchsetzen können, weil sie auf einer Ebene angesiedelt sind, auf der es nichts zu entscheiden gibt.539 Nur dort, wo Entscheidungen fallen, können die Arbeitnehmer an ihnen beteiligt werden.540 Nur mit einem Verhandlungspartner, der aufgrund eigener Sachkompetenz und der ihm gewährten Handlungsspielräume selbst in der Lage ist, in betriebsverfassungsrechtlichen Angelegenheiten Entscheidungen zu treffen, kann der Betriebsrat 536
Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 240; Preis, RdA 2000, 257, 267 f. Beispiel nach Preis, RdA 2000, 257, 267 f.; vgl. zu ähnlichen Rechnungen auch Gamillscheg, ZfA 1975, 357, 380. 538 BT-Drucks. 14/5741, S. 26; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 95 f.; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 278; Preis, RdA 2000, 257, 278 f. 539 Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 95; Preis, RdA 2000, 257, 278; Wendeling-Schröder, NZA 1999, 1065, 1069; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 92; a.A. Oehmann, DB 1964, 587, 588. 540 Preis, RdA 2000, 257, 278 f.; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 96. 537
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
effektiv Verhandlungen führen.541 Und nur durch eine arbeitgebernahe Verortung des Betriebsrats ist gewährleistet, dass auf Seiten der Interessenvertretung kein Informationsdefizit entsteht.542 Um Einfluss und Durchsetzungsvermögen des Betriebsrats zu gewährleisten, ist es daher unerlässlich, dass er dem arbeitgeberseitigen Entscheidungszentrum nahe steht.543 Ausschlaggebend für die Wirksamkeit der Arbeitnehmervertretung ist folglich die Entscheidungsnähe des Betriebsrats.544 Diesem Ergebnis steht nicht entgegen, dass auch das Vorhandensein von Vertrauen zwischen Belegschaft und Betriebsrat Grundvoraussetzung für eine wirksame Arbeitnehmervertretung ist. Denn für das Entstehen von Vertrauen zwischen den Arbeitnehmern und ihrer Vertretung ist die Verwirklichung einer belegschaftsnahen Vertretungsstruktur zwar förderlich, nicht aber notwendig. So erleichtert der persönliche Kontakt zwischen Betriebsrat und Belegschaft zwar zweifellos die Bildung von Vertrauen. Andererseits sind aber neue Kommunikationstechnologien, insbesondere EMails, in immer größerem Umfang in der Lage, räumliche Trennungen zu überbrücken.545 Durch die Einrichtung von Informations- und Kommunikationsportalen im Inter- oder Intranet kann der Betriebsrat für die Belegschaft auch dann erreichbar sein, wenn es an dem „täglichen Gang durch den Betrieb“ fehlt. Um sich über die Sorgen und Bedürfnisse der Belegschaft zu informieren, ist ein enger persönlicher Kontakt zwischen dem Betriebsrat und seiner Belegschaft daher nicht zwingend erforderlich. Die Mitwirkung an Entscheidungen des Arbeitgebers ist demgegenüber ohne die Verwirklichung entscheidungsnaher Vertretungsstrukturen undenkbar. (4) Abwägungsergebnis Da die Entscheidungsnähe Grundvoraussetzung für die effektive Arbeit des Betriebsrats ist, kommt ihr eine gegenüber dem Aspekt der Belegschaftsnähe gewichtigere Bedeutung zu.546 Dies entspricht der herrschenden Meinung in Rechtspre-
541
Kittner, ArbuR 1995, 385, 394; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 92. 542 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 93. 543 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 92. 544 BAG Beschl. v. 9. 2. 2000, 7 ABR 21/98, DB 2000, 384 = FA 2000, 131, unter B II der Gründe; Haase, Sonderbeilage zu NZA Heft 18/1988, 13. 545 Däubler, FS Dieterich, S. 63, 69; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 18; vgl. auch BT-Drucks. 14/5741, S. 24. 546 BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 b, c der Gründe; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 29; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 96; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238 Fn. 14; Preis, RdA 2000, 257, 278 f.; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 93; a.A. Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 46.
C. Zusammenfassung
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chung547 und Literatur548, nach der die Abgrenzung selbstständiger Betriebe maßgeblich von dem Vorliegen eines einheitlichen Leitungsapparats abhängt, der den Kern der Arbeitgeberfunktionen im Bereich der personellen und sozialen Angelegenheiten wahrnimmt. cc) Zwischenergebnis: Leitungsapparat in personellen und sozialen Angelegenheiten als wichtigstes Kennzeichen der betrieblichen Identität Die Wertungskriterien, die durch die für die betriebliche Identität maßgeblichen Merkmale verkörpert werden, sind nicht gleichbedeutend für die Effektivität der Arbeitnehmervertretung. Vielmehr kommt der Entscheidungsnähe des Betriebsrats für die Verwirklichung einer sinnvollen und wirksamen Belegschaftsrepräsentation und damit für die Kennzeichnung des Substrats der Betriebsratsarbeit eine gewichtigere Bedeutung zu als seiner Belegschaftsnähe. Damit ist innerhalb der zweiten Gruppe der für die betriebliche Identität maßgeblichen Merkmale eine weitere Differenzierung möglich. Unter den Merkmalen, die im Rahmen der Gesamtbetrachtung eine hervorgehobene Stellung einnehmen, hat dasjenige das abstrakt größte Gewicht, welches das Wertungskriterium der Entscheidungsnähe verkörpert. Das wichtigste Kennzeichen der betrieblichen Identität ist daher der Leitungsapparat in personellen und sozialen Angelegenheiten.
C. Zusammenfassung Da der Grundsatz der Betriebsbezogenheit die Zuständigkeit des Betriebsrats an die Identität desjenigen Betriebs bindet, für den er gewählt wurde, hängt der Fortbestand des Betriebsrats von der Wahrung der betrieblichen Identität ab. Diese ist anhand einer wertenden Gesamtbetrachtung der einzelnen Merkmale des Betriebsbegriffs zu bestimmen, da sich angesichts der sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen betrieblicher Einheiten die Anknüpfung an fest umrissene Tatbestandsmerkmale für die Bestimmung der betrieblichen Identität verbietet. Dabei geht es um die Beantwortung der Frage, ob die betriebliche Veränderung eine Anpassung der Vertretungsstrukturen erforderlich macht. Ausgangspunkt der Gesamtbetrachtung sind daher die Merkmale des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs, da dieser das Substrat der Betriebsratsarbeit und die Grundlage der Existenz des Betriebsrats beschreibt. Ein Rückgriff auf die für das Betriebsübergangsrecht entwickelten Kriterien
547 St. Rspr. vgl. BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 1 der Gründe; Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 64/81, BAGE 41, 403 = AP Nr. 4 zu § 4 BetrVG 1972, unter II 1 der Gründe; Urt. v. 22. 6. 2005, 7 ABR 57/04, AP Nr. 23 § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb = DB 2005, 2643, unter II 1 der Gründe. 548 Vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 72; Franzen, GKBetrVG, § 1 Rn. 29; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10; Mengel, Umwandlungen im Arbeitsrecht, S. 278; Wendeling-Schröder, NZA 1999, 1065, 1067.
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2. Teil: Bestimmung der betrieblichen Identität
der betrieblichen Identität ist entgegen der überwiegenden Ansicht in der Literatur nicht möglich. Anders als die herrschende Meinung annimmt, steht die Vielfalt der betrieblichen Konstellationen einer abstrakten Hierarchie der einzelnen Merkmale des Betriebsbegriffs nicht entgegen, da deren Bedeutung für die betriebliche Identität nicht von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt, sondern aus den Wertungen des Betriebsverfassungsgesetzes folgt. Danach setzt die optimale Repräsentation der Arbeitnehmer die Verwirklichung einer sowohl belegschaftsnahen als auch entscheidungsnahen Vertretungsstruktur voraus, wobei letzterer die größere Bedeutung für die Wirksamkeit der Arbeitnehmervertretung zukommt. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung nehmen daher diejenigen Merkmale eine hervorgehobene Stellung ein, die die Belegschaftsnähe verkörpern, wobei das wichtigste Kennzeichen der betrieblichen Identität das ist, welches das Wertungskriterium der Entscheidungsnähe verkörpert. Daraus folgt eine dreistufige Hierarchie der einzelnen Merkmale im Rahmen der Gesamtbetrachtung: Auf der untersten Stufe stehen die Merkmale des Betriebsbegriffs, die für die Wirksamkeit der Arbeitnehmervertretung unwesentlich sind und daher eine allenfalls untergeordnete Bedeutung für die Bestimmung der betrieblichen Identität haben. Dabei handelt es sich um den Betriebszweck, die materiellen und immateriellen Betriebsmittel, die arbeitstechnische Betriebsorganisation, die Unternehmensstruktur, die räumliche Lage sowie das äußere Erscheinungsbild des Betriebs. Auf der zweiten Stufe stehen die Merkmale, die die Belegschaftsnähe verwirklichen, also die Belegschaft selbst, die innerbetrieblichen Organisationseinheiten und die räumliche Verbundenheit der Arbeitnehmer. Sie nehmen eine gegenüber den Merkmalen der ersten Stufe hervorgehobene Stellung ein. Auf höchster Stufe steht das Merkmal des einheitlichen Leitungsapparats in personellen und sozialen Angelegenheiten, dem die zentrale Bedeutung für die Bestimmung der betrieblichen Identität zukommt, weil es die Entscheidungsnähe des Betriebsrats als leitenden Wertungsgesichtspunkt für die optimale Repräsentation der Arbeitnehmer verkörpert. Mit der Bestimmung der abstrakten Rangfolge der einzelnen Merkmale ist die erste Voraussetzung für die Geltungsberechtigung der Lehre von der Betriebsidentität erfüllt. Wenn am Ende der vorstehend angestellten Überlegungen auch kein subsumtionsfähiger Tatbestand steht, können mit der Lehre von der Betriebsidentität dennoch vorhersagbare Ergebnisse erzielt werden, da Kreis und Rangfolge der Merkmale der Betriebsidentität nun feststehen.
3. Teil
Einordnung der Lehre von der Betriebsidentität in die Systematik des Betriebsverfassungsrechts Mit der Konkretisierung des Begriffs der betrieblichen Identität ist die erste Voraussetzung für die Verwendbarkeit der Lehre von der Betriebsidentität erfüllt. Die begriffliche Klarheit allein legitimiert jedoch nicht ihre Geltung als einheitliche Regel zur Bestimmung der Auswirkungen betrieblicher Änderungen auf das Mandat des Betriebsrats. Allgemeine Geltung kann sie nur beanspruchen, wenn sie sich zudem so in die Systematik des Betriebsverfassungsrechts einfügt, dass sie für die Beantwortung der Frage nach dem Fortbestand des Betriebsrats uneingeschränkt herangezogen werden kann, sie also nicht etwa aufgrund neu in das Betriebsverfassungsgesetz eingefügter Vorschriften entbehrlich geworden ist oder in unauflösbarem Widerspruch zu überkommenen Grundsätzen des Betriebsverfassungsgesetzes steht. Zweifel bestehen insoweit insbesondere im Hinblick auf die Einführung des allgemeinen Übergangsmandats gem. § 21a BetrVG (hierzu unter A.), den Grundsatz der Betriebsratskontinuität (hierzu unter B.) und die Erweiterung des § 3 BetrVG (hierzu unter C.). Diesen Bedenken ist im Folgenden nachzugehen.
A. Die Lehre von der Betriebsidentität und das Übergangsmandat gem. § 21a BetrVG Wie schon festgestellt wurde, werden Teilaspekte der Frage, welche Auswirkungen betriebliche Veränderungen auf den Fortbestand des Betriebsrats haben, seit seiner Novellierung im Jahr 2001 durch das Betriebsverfassungsgesetz beantwortet: Für Fälle der Spaltung oder Zusammenfassung von Betrieben, ordnet § 21a BetrVG nunmehr ein Übergangsmandat des Betriebsrats an. Den Übergang eines Betriebs setzt § 21a BetrVG wohlgemerkt nicht voraus. Da die Auswirkungen, die eine betriebliche Umstrukturierung auf die Betriebsverfassung hat, nicht davon abhängen sollen, ob die Umstrukturierung des Betriebs mit einer Veränderung auf Rechtsträgerebene einhergeht1, hat der Gesetzgeber mit § 21a BetrVG ein allgemeines Übergangsmandat des Betriebsrats geschaffen, das gerade auch in Fällen unternehmensinterner Um1 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 6; Rieble, NZA 2002, 233; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
strukturierungen zum Tragen kommen soll.2 Damit hat sich der Gesetzgeber für die jedenfalls zeitweise Sicherung der Kontinuität betriebsverfassungsrechtlicher Interessenvertretung entschieden3:Wird ein Betrieb gespalten, besteht für die aus dieser Spaltung hervorgehenden neuen betriebsratsfähigen Einheiten ein Übergangsmandat des alten Betriebsrats (§ 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG). Werden mehrere Betriebe zu einem zusammengefasst, besteht für den aus der Zusammenfassung hervorgehenden neuen Betrieb ein Übergangsmandat des Betriebsrats des größten der zusammengefassten Betriebe (§ 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG). Das wirft die Frage auf, ob die Lehre von der betrieblichen Identität durch die Normierung des allgemeinen Übergangsmandats des Betriebsrats in Fällen betrieblicher Umstrukturierungen ihres Geltungsbereichs beraubt wurde und somit überflüssig geworden ist. Um diese Frage zu beantworten, sind im Folgenden Anwendungsbereich und Prinzipien des § 21a BetrVG zu untersuchen. Es ist zu klären, in welchem Verhältnis § 21a BetrVG zu der Lehre von der Betriebsidentität steht, inwiefern sich ihre Anwendungsbereiche überschneiden und ob beziehungsweise welche Rückschlüsse man aus ihrem Zusammenspiel für die Geltungsberechtigung und den Inhalt der Lehre von der Betriebsidentität ziehen kann. Dazu sind zunächst die dem § 21a BetrVG zugrunde liegenden Prinzipien zu beleuchten, bevor dann zu untersuchen ist, wie diese Prinzipien durch die beiden Varianten möglicher Umstrukturierungen im Einzelnen verwirklicht werden.
I. Prinzipien des § 21a BetrVG 1. Änderung der Anzahl der betrieblichen Einheiten § 21a Abs. 1 BetrVG gewährt den neu entstandenen betrieblichen Einheiten ein Übergangsmandat des alten Betriebsrats, wenn ein Betrieb in mehrere Betriebsteile gespalten wird. § 21a Abs. 2 BetrVG sieht ein Übergangsmandat vor, wenn mehrere Betriebe oder Betriebsteile zu einem neuen Betrieb zusammengefasst werden. Sowohl das Übergangsmandat bei Betriebsspaltung als auch das Übergangsmandat bei der Zusammenfassung von Betrieben setzen damit voraus, dass sich die Anzahl der Betriebe durch die Umstrukturierung verändert.4 In Fällen rein qualitativer Veränderungen innerhalb eines Betriebs, die nach der Lehre von der betrieblichen Iden2
Bachner, Kittner/Zwanziger, § 97 Rn. 41; Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 10; U. Fischer, RdA 2005, 39, 41; Hanau, NJW 2001, 2513, 2514; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 75; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 2; ders., Schaub, ArbR-Hdb., § 219 Rn. 17; Kreutz, GKBetrVG, § 21a Rn. 1; Löwisch, Arbeitsrecht, § 10 Rn. 483; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 4; Rieble, NZA 2002, 233; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63; Steffan, APS, BGB, § 613a Rn. 149; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 21a Rn. 3; Thüsing, DB 2002, 738; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 16. 3 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 3 f. 4 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 59; Rieble, NZA 2002, 233; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63.
A. Das Übergangsmandat
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tität zum Fortfall der Betriebsidentität und damit zum Untergang des Betriebsrats führen5, kommt ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm mangels Veränderung der Anzahl der betrieblichen Einheiten folglich nicht in Betracht.6 Damit ist bereits ein wichtiger Unterschied zwischen dem Anwendungsbereich des § 21a BetrVG und dem der Lehre von der betrieblichen Identität genannt: Nicht immer, wenn ein Betriebsrat untergeht, weil der Betrieb, für den er gewählt wurde, seine Identität verliert, wird die Belegschaft durch ein Übergangsmandat des Betriebsrats nach § 21a BetrVG geschützt. Da der Anwendungsbereich der Vorschrift nicht eröffnet ist, wenn rein qualitative Veränderungen eines Betriebs zum Untergang des Betriebsrats führen, verbleibt der Lehre von der Betriebsidentität ein eigener Anwendungsbereich. 2. Regelmandat vor Übergangsmandat a) Übergangsmandat als brückenschlagendes Mandat Das zweite dem § 21a BetrVG zugrunde liegende Prinzip ist der Vorrang des Regelmandats vor dem Übergangsmandat. Dieser Vorrang folgt aus dem Gesetzeszweck: Das Übergangsmandat soll „die Arbeitnehmer in der für sie besonders kritischen Phase im Anschluss an eine betriebliche Umstrukturierung vor dem Verlust der Beteiligungsrechte […] schützen. [Es …] stellt sicher, dass bei betrieblichen Organisationsänderungen in der Übergangsphase keine betriebsratslosen Zeiten mehr entstehen.“7 § 21a BetrVG kommt danach eine Überbrückungsfunktion zu.8 Wo aber ein Betriebsrat regulär im Amt ist, gibt es nichts zu überbrücken und damit keinen Raum für ein Übergangsmandat.9 Mithin ist § 21a BetrVG als Auffangregel zu begreifen, die nur zum Tragen kommt, wenn das Betriebsratsmandat nicht ohnehin fortbesteht.10 Bei der Beantwortung der Frage, wann das der Fall ist, ist zu beachten, dass der gesetzgeberische Zweck des § 21a BetrVG durch eine Übernahme der für die Rechtslage vor Inkrafttreten des § 21a BetrVG geltenden herrschenden Meinung erreicht werden sollte.11 Diese ging aber nicht in allen Fällen der Betriebsspaltung oder Zu5
Rieble, NZA 2002, 233, 234; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63. Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63. 7 BT-Drucks. 14/5741, S. 39; Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 4. 8 Feudner, DB 2003, 882; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 78; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 7; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 522; Rieble, NZA 2002, 233, 234; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 2; ders., DB 2002, 378, 379; ders., DB 2004, 2474. 9 Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 41; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 7, 19; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 833; Rieble, NZA 2002, 233, 234; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63; Thüsing, DB 2002, 738, 739; ders., DB 2004, 2474; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 12. 10 Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, 833; Thüsing, DB 2004, 2474. 11 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 19; vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 39; U. Fischer, RdA 2005, 39, 40 f.; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 19 Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 1. 6
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
sammenlegung von einem Ende des Betriebsratsmandats aus, sondern nur, wenn es durch die Umstrukturierung zu einem Verlust der Betriebsidentität kam.12 Aus dem Vorrang des Regelmandats vor dem Übergangsmandat folgt also, dass ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG nicht in Betracht kommt, wo die Betriebsidentität von betrieblichen Veränderungen unberührt bleibt.13 Auch quantitative Veränderungen betrieblicher Strukturen lösen das Übergangsmandat mithin nur aus, wenn sie gleichzeitig zu einem Verlust der betrieblichen Identität führen. b) Subsidiarität oder teleologische Reduktion? Einigkeit besteht darüber, dass der Vorrang des Regelmandats vor dem Übergangsmandat in Fällen der Betriebsidentität vom Gesetzgeber zwar gewollt war, es ihm aber nicht gelungen ist, dies durch den Wortlaut des § 21a BetrVG angemessen zum Ausdruck zu bringen.14 Mangels einer eindeutigen gesetzlichen Vorgabe ist umstritten, wie die Einschränkung des Tatbestands methodisch zu verwirklichen ist.15 Namentlich Thüsing geht von einer Subsidiarität des § 21a BetrVG aus, wenn der Fortbestand des Betriebsratsmandats sich aus allgemeinen Regeln – wie beispielsweise der Lehre der Betriebsidentität – ergibt.16 Mit Subsidiarität bezeichnet man das Zurücktreten einer bestimmten, meist allgemeinen Regel, gegenüber einer anderen, meist spezielleren Regel.17 Die Subsidiarität schließt die Anwendbarkeit einer Regel aus, wenn eine andere – vorrangige – Regel greift. Danach wäre der Vorrang des Regelmandats vor dem Übergangsmandat also in der Weise zu verwirklichen, dass als Vorfrage über die Wahrung oder Nichtwahrung der Betriebsidentität zu entscheiden wäre und der Anwendungsbereich des § 21a BetrVG nicht eröffnet wäre, wenn die Betriebsidentität trotz der Umstrukturierung gewahrt bliebe.18 Diese Lösung würde aber zu unsachgemäßen Ergebnissen in den Fällen führen, in denen 12 Vgl. BAG Urt. v. 23. 11. 1988, 7 AZR 121/88, BAGE 60, 191 = AP Nr. 77 zu § 613a BGB, unter 2 a aa der Gründe; Eisemann, ErfK, BetrVG, 2. Aufl., § 21 Rn. 9; Fitting/Kaiser/ Heither/Engels/Schmidt, BetrVG, 20. Aufl., § 21 Rn. 40. 13 LAG Köln Beschl. v. 23. 1. 2004, 12 TaBV 64/03 (juris), unter II 2 der Gründe; Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 8; Feudner, DB 2003, 882; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 158; Hanau, NJW 2001, 2513, 2515; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, S. 95; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 3; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 4; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 21a Rn. 5; Thüsing, DB 2004, 2474. 14 Vgl. Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 19; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 4; ders., DB 2004, 2474. 15 Insoweit undifferenziert jedoch bspw. LAG Köln Beschl. v. 23. 1. 2004, 12 TaBV 64/03 (juris), unter II 2 der Gründe. 16 Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 4; ders., DB 2002, 378, 379; ders., DB 2004, 2474; ebenso Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 3. 17 Rechts-Lexikon, Bd. 3, Stichwort: „Subsidiarität“, vgl. ausführlich Larenz, Methodenlehre, S. 266 ff. 18 Thüsing, DB 2002, 738, 739 („erste Weichenstellung“).
A. Das Übergangsmandat
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eine der aus einer Spaltung hervorgehenden Einheiten ihre Identität wahrt, während ein anderes Spaltungsprodukt seine Identität verliert. Nach dem Postulat der nur subsidiären Anwendung des § 21a BetrVG bestünde in diesem Fall auch für den seine Identität verlierenden Teil kein Übergangsmandat, weil § 21a BetrVG aufgrund der Identitätswahrung des anderen Teils nicht anwendbar wäre.19 Vorzugswürdig ist daher die Lösung von Kreutz, der dafür plädiert, den Vorrang des Regelmandats vor dem Übergangsmandat durch eine teleologische Reduktion des § 21a BetrVG zu verwirklichen. Als teleologische Reduktion bezeichnet man die Einschränkung einer gesetzlichen Regel „entgegen ihrem Wortlaut, aber gemäß der immanenten Teleologie des Gesetzes“.20 Seinem Wortlaut nach steht § 21a BetrVG dem Regelmandat entgegen, wenn ein Betrieb gespalten oder mit einem anderen zusammengeschlossen wird, weil allein dadurch das Übergangsmandat ausgelöst wird. Die Entstehung eines zeitlich befristeten Übergangsmandats ist indes nicht sachgemäß, wenn ein Regelmandat besteht. Sie liefe den Interessen der vertretenen Arbeitnehmer und dem gesetzgeberischen Zweck des § 21a BetrVG sogar zuwider. Denn der Zweck des § 21a BetrVG besteht – wie bereits dargelegt wurde – darin, die Arbeitnehmer vor vertretungslosen Zeiten zu schützen. Dieser Schutz würde durch ein Übergangsmandat aber weniger wirksam realisiert, da dieses im Gegensatz zum Regelmandat auf sechs Monate begrenzt ist.21 Da die teleologische Reduktion das methodische Mittel ist, eine solchermaßen im Gesetz enthaltene, zu weit gefasste Regel auf den ihr nach dem Regelungszweck oder dem Sinnzusammenhang des Gesetzes zukommenden Anwendungsbereich zurückzuführen22, ist sie das geeignete Mittel, den vom Gesetzgeber gewollten Vorrang des Regelmandats vor dem Übergangsmandat zu verwirklichen.23 Nicht nur methodisch ist die teleologische Reduktion des § 21a BetrVG überzeugender. Sie hat gegenüber dem Vorschlag Thüsings auch den Vorteil, dass sie den Anwendungsbereich des § 21a BetrVG nicht generell ausschließt, wenn die Betriebsidentität in einem der Betriebsteile gewahrt bleibt. Eine „Korrektur“ des Grundsatzes „Regelmandat vor Übergangsmandat“, wie Rieble sie für den Fall der durch Abspaltung verselbstständigten, unwesentlichen Einheit vornehmen will, um die Unanwendbarkeit des § 21a BetrVG zu vermeiden24, wird dann entbehrlich.
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So in der Tat zunächst, Thüsing DB 2002, 738, 739; kritisch hierzu Rieble, NZA 2002, 233, 234 f.; vgl. auch U. Fischer, RdA 2005, 39, 40; zur Berichtigung dieses Ergebnisses vgl. Thüsing, DB 2004, 2474; allerdings geht auch Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63 f., davon aus, das Prinzip „Regelmandat vor Übergangsmandat“ führe im Fall der durch Abspaltung verselbstständigten kleinen „unwesentlichen“ Einheit dazu, dass diese – weil die Betriebsidentität der großen Einheit gewahrt ist – ohne Übergangsmandat bleibe. 20 Larenz, Methodenlehre, S. 391. 21 Zum Ganzen Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 19. 22 Larenz, Methodenlehre, S. 391. 23 I.E. ebenso U. Fischer, RdA 2005, 39, 40. 24 Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63 f.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
c) Zwischenergebnis Das Prinzip „Regelmandat vor Übergangsmandat“ ist das Gelenk zwischen § 21a BetrVG und der Lehre von der Betriebsidentität. Es begrenzt den Anwendungsbereich des § 21a BetrVG auf Fälle, in denen ein Betrieb seine betriebliche Identität verliert. Die Lehre von der Betriebsidentität wird durch die Normierung des allgemeinen Übergangsmandats folglich nicht nur nicht verdrängt, sondern ist der Regelung des § 21a BetrVG vom Gesetzgeber vielmehr zugrunde gelegt worden und bildet damit einen integralen Bestandteil ihrer Prüfung. Nach vorzugswürdiger Ansicht ist der Vorrang des Regelmandats durch eine teleologische Reduktion zu verwirklichen. Bleibt die Identität eines Betriebs(-teils) trotz Umstrukturierung erhalten, kommt ein Übergangsmandat für diese Einheit nach § 21a BetrVG auf Grund des fortbestehenden vorrangigen Regelmandats nicht in Betracht. Für die ihre Identität verlierenden Teile ist es andererseits unerheblich, ob der das Übergangsmandat wahrnehmende Betriebsrat für einen der ursprünglichen Teile noch ein Regelmandat wahrnimmt. Ein Übergangsmandat nach § 21a Abs. 1 BetrVG kann sowohl entstehen, wenn im Ursprungsbetrieb noch ein Regelmandat wahrgenommen wird, als auch in Fällen, in denen der ursprüngliche Betrieb durch zahlreiche Aufspaltungen (Atomisierung) seine Identität einbüßt und hierdurch der bisherige Betriebsrat sein auf den Ausgangsbetrieb bezogenes Mandat verliert.25 3. Übergangsmandat als zeitlich befristetes, betriebsbezogenes Vollmandat Das Übergangsmandat ist ein zeitlich befristetes, auf die neuen betrieblichen Strukturen bezogenes Vollmandat. Der alte Betriebsrat vertritt den (oder die) neu entstandenen Betrieb(e) in seiner (oder ihrer) aktuellen Form.26 Größenabhängige Mitbestimmungsrechte hängen folglich von der aktuellen Unternehmensgröße (§§ 99, 111 BetrVG) oder der aktuellen Betriebsgröße (§ 95 Abs. 2 BetrVG) ab. Auf die alten Unternehmens- oder Betriebsstrukturen kommt es insoweit nicht mehr an.27 Das Übergangsmandat als Vollmandat verleiht dem Betriebsrat alle Rechte, die auch einem regulär amtierenden Betriebsrat in dem konkreten Betrieb zustehen würden.28 Die einzige Einschränkung besteht darin, dass der Betriebsrat gem. § 21a Abs. 1 S. 2 BetrVG unverzüglich Neuwahlen einzuleiten hat.29 25
Hohenstatt, WHSS, Rz. D 77. Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Rieble, NZA 2002, 233, 235; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64. 27 Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 10; Rieble, NZA 2002, 233, 235; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64; a.A. Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 7. 28 Feudner, DB 2003, 882, 883; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 5; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 38; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 522; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 10; Steffan, APS, BGB, § 613a Rn. 150; Thüsing, 26
A. Das Übergangsmandat
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Das Übergangsmandat ist zeitlich befristet. Es endet, sobald ein neuer Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekannt gegeben ist, spätestens jedoch sechs Monate nach Wirksamwerden der Umstrukturierung (§ 21a Abs. 1 S. 3 BetrVG). Durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung kann das Übergangsmandat um weitere sechs Monate verlängert werden (§ 21a Abs. 1 S. 4 BetrVG). Diese zeitliche Befristung des Übergangsmandats ist einer der Gründe für den grundsätzlichen Vorrang des Regelmandats.30 So wie das Regelmandat ist auch das Übergangsmandat betriebsbezogen. Zwar folgt aus § 21a Abs. 3 BetrVG, der klarstellt, dass die Absätze 1 und 2 der Vorschrift auch auf Spaltungen oder Zusammenlegungen im Zusammenhang mit einer Betriebsveräußerung oder Umwandlung anzuwenden sind, dass ein Übergangsmandat auch betriebsübergreifend sein kann.31 Dennoch muss ein Betriebsrat, der kraft seines (Spaltungs-)Übergangsmandats mehrere, verschiedenen Arbeitgebern zuzurechnende betriebliche Einheiten vertritt, mit jedem Arbeitgeber einzeln verhandeln.32 Etwas anderes kann nur gelten, wenn sich die Arbeitgeber durch Schaffung eines Gemeinschaftsbetriebes zu einer betriebsverfassungsrechtlichen Einheit verbunden haben.33 Betriebsvereinbarungen, die in den unterschiedlichen betrieblichen Einheiten identisch gelten sollen, muss der das Übergangsmandat wahrnehmende Betriebsrat daher mit jedem Arbeitgeber gesondert abschließen.34 4. Besetzungskontinuität Der Betriebsrat nimmt das Übergangsmandat in seiner ursprünglichen Besetzung wahr.35 Hat sich der Betrieb durch die Umstrukturierung vergrößert oder verkleinert, wirkt sich dies grundsätzlich nicht auf die Größe des Übergangsbetriebsrats aus. Betriebsratsmitglieder bleiben selbst dann Mitglieder der Übergangsvertretung, wenn sie nach einer Unternehmensspaltung einem anderen Betrieb angehören und ArbeitDB 2002, 738, 740; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 30; a.A. Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 21a Rn. 10. 29 Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 5; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 11; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64; Thüsing, DB 2002, 738, 740; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 522; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 37. 30 s. oben S. 143 ff. 31 Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 3; Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, 833; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 521. 32 Rieble, NZA 2002, 233, 235; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64. 33 Rieble, NZA 2002, 233, 235; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64. 34 Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64. 35 Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 7; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 522; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 14; Rieble, NZA 2002, 233, 236; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 21a Rn. 13; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 22.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
nehmer eines anderen Arbeitgebers geworden sind.36 Zwar ist die Mitbestimmung durch betriebsfremde und damit nicht mehr wählbare Arbeitnehmer (§§ 24 Nr. 4, 8 BetrVG) alles andere als unproblematisch.37 Die sich hieraus ergebenden dogmatischen und praktischen Schwierigkeiten sind aber in Kauf zu nehmen, da das Bestehen eines funktionsfähigen Betriebsrats in Spaltungsfällen andernfalls oft nicht gewährleistet wäre38, und § 21a BetrVG die Besetzungskontinuität des Betriebsrats daher gerade verfolgt39. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Besetzungskontinuität ist nach Ansicht Riebles zu machen, wenn Regelmandat und Übergangsmandat zusammentreffen, namentlich im Fall des „abgespaltenen unwesentlichen Betriebsteils“: Wenn ein Betriebsrat im regulären Mandat für einen in seiner Identität unveränderten Betrieb fortbesteht, gleichzeitig aber auch einen abgespaltenen unwesentlichen Betriebsteil im Übergangsmandat vertritt, soll der Betriebsrat des identisch gebliebenen Stammbetriebs das Übergangsmandat in seiner aktuellen ordentlichen Besetzung wahrnehmen – also unter Ausscheiden der Mitglieder des abgespaltenen Betriebsteils, soweit diese nicht durch Widerspruch den Übergang ihres Arbeitsverhältnisses und damit den Verlust der Wählbarkeit aufgehalten haben.40 Rieble begründet seine Auffassung mit der besseren Praktikabilität der Besetzungsgleichheit. Es schaffe nur Verwirrung, wenn derselbe Betriebsrat in unterschiedlicher Besetzung tagte – einmal in der ordentlichen Besetzung des identischen Betriebs und zum anderen per Übergangsmandat in der alten Besetzung.41 Zwar hat die Auffassung Riebles tatsächlich das Argument der höheren Praktikabilität auf ihrer Seite. Dennoch kann ihr nicht gefolgt werden. Denn für die Besetzungskontinuität der Übergangsvertretung auch in den Fällen, in denen gleichzeitig das Regelmandat wahrzunehmen ist, spricht entscheidend, dass der Übergangsvertretung im Falle einer unternehmensübergreifenden Umstrukturierung andernfalls kein Arbeitnehmer der durch das Übergangsmandat vertretenen Belegschaft angehören würde, deren Schutz das Übergangsmandat aber gerade dient. Dieser Eingriff in die Rechte der übergegangenen Belegschaft ist zu gravierend, um allein aus Gründen
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Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 34; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 14; Rieble, NZA 2002, 233, 235; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 23. 37 Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 23. 38 Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 23; vgl. auch Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 7. 39 Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 7; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 34; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 23; a.A. Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 24. 40 Rieble, NZA 2002, 233, 234 f.; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64. 41 Rieble, NZA 2002, 233, 235.
A. Das Übergangsmandat
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der Vereinfachung eine Ausnahme von dem Grundsatz der Besetzungskontinuität zu machen.42 Mit dem Grundsatz der Besetzungskontinuität offenbart sich ein weiterer Unterschied zwischen dem Fortbestand eines Betriebsrats kraft Betriebsidentität und der übergangsweisen Vertretung eines Betriebs bei Verlust der Betriebsidentität. Denn § 21a BetrVG garantiert die Besetzungskontinuität nur für das Übergangsmandat. Wird ein Betrieb so gespalten, dass ein Teil seine betriebliche Identität wahrt, bleibt der Betriebsrat für diesen Teil im Regelmandat zuständig. Gehen im Zuge der Teilung Betriebsratsmitglieder auf einen neuen Arbeitgeber über, verlieren sie gem. § 24 Nr. 3 oder 4 BetrVG ihr Amt. An ihre Stelle rücken Ersatzmitglieder.43 Da dies wegen des Vorrangs des Regelmandats trotz der Betriebsspaltung kein Fall von § 21a BetrVG ist, gelten die allgemeinen Regeln.44
II. Betriebliche Identität und Übergangsmandat im Einzelnen 1. Bedeutung der betrieblichen Identität bei der Spaltung von Betrieben Das Übergangsmandat bei Betriebsspaltungen richtet sich nach § 21a Abs. 1 BetrVG. Eine Betriebsspaltung liegt immer dann vor, wenn aus einem Betrieb zwei oder mehr selbstständige Einheiten i.S.d. § 1 BetrVG geschaffen werden.45 Für die Beantwortung der Frage, wann eine neue selbstständige Einheit entsteht, ist am betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff anzusetzen.46 Nach herrschender Meinung setzt dieser insbesondere eine institutionell einheitliche Leitung in sozialen und personellen Beteiligungsangelegenheiten voraus.47 Danach liegt eine Betriebsspaltung 42 So zutreffend Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 23a; im Ergebnis ebenso Löwisch/ Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163. 43 Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 7; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 22. 44 Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 7; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 22. 45 Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 4. 46 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 20; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Rieble, NZA 2002, 233. 47 Vgl. BAG Beschl. v. 23. 9. 1982, 6 ABR 42/81, BAGE 40, 163 = AP Nr. 3 zu § 4 BetrVG 1972, unter III 2 c der Gründe; Beschl. v. 7. 5. 2008, 7 ABR 17/07, NZA 2009, 328, unter B I 3 a der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 71; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 43; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 1 Rn. 7; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 42; Haas/Salamon, NZA 2009, 299, 301; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 99; Hohenstatt, WHSS, D Rz. 71; Kloppenburg, Düwell, HaKo-BetrVG, § 1 Rn. 16; Koch, ErfK, BetrVG, § 1 Rn. 10; ders., Schaub, ArbR-Hdb., § 214 Rn. 3; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betrieb (Begriff) Rn. 3; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 238; ders., FS Richardi, S. 638, 462, 644; Preis, RdA 2000, 257, 278 f.; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 27; Rose,
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
vor, wenn mindestens ein Betriebsteil einer eigenständigen Leitung in sozialen und personellen Angelegenheiten unterstellt wird.48 Die Spaltung eines Betriebs setzt folglich immer die Aufteilung seiner bisherigen Belegschaft voraus.49 Teilweise wird angenommen, daneben könne auch eine Änderung der arbeitstechnischen Strukturen zur Spaltung von Betrieben führen.50 Diese Ansicht ist jedoch abzulehnen, weil durch eine bloße Änderung der arbeitstechnischen Strukturen keine selbstständigen Organisationseinheiten entstehen können.51 Gehen aus einer Betriebsspaltung zwei oder mehrere verselbstständigte betriebsratsfähige Einheiten hervor, bleibt der alte Betriebsrat für alle neuen Einheiten im Übergangsmandat im Amt. Der „klassische Fall“ der Betriebsspaltung ist die räumlich-organisatorische Ausgliederung eines Betriebsteils und dessen selbstständige Fortführung.52 a) Vorrang des Regelmandats bei der Spaltung von Betrieben aa) Begriffsbildung der herrschenden Meinung: Unterscheidung zwischen Auf- und Abspaltung Die herrschende Meinung unterscheidet grundsätzlich zwischen Umstrukturierungsmaßnahmen „zur Aufnahme“ in einen bereits bestehenden Betrieb und Umstrukturierungsmaßnahmen „zur Neubildung“ eines neuen oder mehrerer neuer Betriebe und folgt damit terminologisch dem Vorbild des Umwandlungsgesetzes.53 Während eine Umstrukturierungsmaßnahme „zur Aufnahme“ angenommen wird, wenn die Betriebsidentität des aufnehmenden Betriebs gewahrt bleibt, soll eine Umstrukturierungsmaßnahme „zur Neubildung“ vorliegen, wenn die Betriebsidentität der beteiligten Einheiten verloren geht.54 Für die Abgrenzung, ob der Ursprungsbetrieb trotz Spaltung fortbesteht und damit seinen Betriebsrat im regulären Mandat behält oder durch die Betriebsspaltung seine Identität verliert und untergeht, so dass auch für ihn ein Übergangsmandat entsteht, wird im Rahmen der Betriebsspaltung
HSWGN, BetrVG, § 1 Rn. 22; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 104; Trümner, DKKW, BetrVG, § 1 Rn. 67; Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 111 ff., 154; Worzalla, HSWG, BetrVG, § 21a Rn. 13; ausführlich hierzu s. o. S. 105 ff. 48 BAG Urt. v. 10. 12. 1996, 1 ABR 32/96, BAGE 85, 1 = NZA 1997, 898, unter B II 1 b der Gründe (zu § 111 S. 2 Nr. 3 BetrVG a.F.); Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 21; Rieble, NZA 2002, 233. 49 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 21. 50 Vgl. Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63. 51 So zutreffend Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 21; vgl. ausführlich oben S. 108 ff. 52 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 75. 53 Vgl. Rieble, NZA 2002, 233, 237; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63. 54 Vgl. Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63.
A. Das Übergangsmandat
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– terminologisch zum Teil uneinheitlich55 – zwischen der Abspaltung und der Aufspaltung differenziert. Von der Abspaltung eines Betriebsteils geht die herrschende Meinung aus, wenn einer der aus der Spaltung hervorgehenden Teile seine Identität wahrt.56 Dagegen soll eine Betriebsaufspaltung vorliegen, wenn alle aus der Umstrukturierung hervorgehenden Einheiten ihre Identität verlieren.57 Während bei der Abspaltung in dem seine Identität wahrenden Ursprungsbetrieb keine betriebsverfassungsrechtlichen Veränderungen stattfinden und das Übergangsmandat wegen des Vorrangs des Regelmandats nur für den abgespaltenen, seine Identität verlierenden Teil zum Tragen kommen soll, sollen alle aus einer Betriebsaufspaltung neu entstandenen betrieblichen Einheiten vom Anwendungsbereich des § 21a Abs. 1 BetrVG erfasst werden.58 Auch das Bundesarbeitsgericht bedient sich dieser Terminologie. Zwar gelten die Betriebsvereinbarungen des Ursprungsbetriebs nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts auch im abgespaltenen Betriebsteil normativ fort, was das Bundesarbeitsgericht damit begründet, dass auch der in diesem Betrieb gewählte Betriebsrat im Amt bleibe.59 Trotz der insoweit irreführenden Formulierung ist daraus jedoch nicht zu schließen, dass die Betriebsidentität nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts auch im abgespaltenen Betriebsteil gewahrt werde. Vielmehr stützt das Gericht den Fortbestand des Betriebsrats im abgespaltenen Betriebsteil gerade auf § 21a BetrVG, dessen Anwendung den Verlust der Betriebsidentität gerade voraussetzt.60 bb) Schwächen dieser Begriffsbildung – die Kritik von Kreutz An dieser Konzeption, die sich an Wahrung beziehungsweise Verlust der Betriebsidentität orientiert, kritisiert Kreutz, sie gründe weithin auf „bloß theoretischer Begrifflichkeit“ und sei zur stimmigen Abgrenzung untauglich, weil bei Lichte betrach-
55 Vgl. Hohenstatt, WHSS, Rz. D 77: Obwohl Hohenstatt von einem Identitätsverlust aller Einheiten bei der „Atomisierung“ eines Betriebs ausgeht, verwendet er den Terminus „Abspaltungen“. 56 Vgl. Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 22; Feudner, DB 2003, 882; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 2; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Stege/Weinspach/ Schiefer, BetrVG, § 21a Rn. 6; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 4;vgl. auch Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 5. 57 Vgl. Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 22; Feudner, DB 2003, 882; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 2; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 21a Rn. 6; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 4; vgl. auch Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 5. 58 Feudner, DB 2003, 882; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 3. 59 BAG Beschl. v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = AP Nr. 93 zu § 77 BetrVG 1972, unter B III 2 b cc (3) (dd) der Gründe. 60 Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 158 f.; Rieble, Sonderbeilage zu NZA 2003 Heft 16, 62, 63, 71.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
tet jede Betriebsspaltung zu einem Identitätsverlust führe.61 Mit den neu geordneten Leitungsstrukturen entfalle zwangsläufig die bisherige Identitätsstruktur.62 Mithin sei „mit Hilfe des Identitätsbegriffs allein keine Differenzierung möglich“.63 Zudem sei die Parallelbetrachtung zu Umwandlungen auf der Rechtsträgerebene nach dem Umwandlungsgesetz nicht tragfähig, da sich dieses auf die Übertragung von Vermögensteilen beziehe und aus diesem Grund danach unterscheide, ob der Rechtsträger sein Vermögen insgesamt aufspalte und selbst erlösche oder nur einen Teil von seinem Vermögen abspalte, aber selbst bestehen bleibe.64 Bei einer Betriebsteilung sei hingegen immer eine der aus der Spaltung hervorgehenden Einheiten als diejenige zu bezeichnen, die bestehen bleibe. Eine Aufspaltung wie bei der Rechtsträgeraufspaltung, die zum Untergang aller Betriebsteile führe, könne es nicht geben.65 cc) Eignung der Begriffe Auf- und Abspaltung zur Unterscheidung zwischen identitätswahrender und identitätsverändernder Umstrukturierung KreutzÌ erstem Argument ist entgegenzuhalten, dass eine Betriebsspaltung keineswegs zwangsläufig zu einem Verlust der Betriebsidentität führt. Denn entgegen seiner Prämisse muss eine Betriebsspaltung nicht mit einer Neuordnung der Leitungsstrukturen in beiden beziehungsweise allen aus der Spaltung hervorgehenden Einheiten einhergehen. Wird etwa ein in sich geschlossener Betriebsteil (wie beispielsweise die Kantine eines Betriebs oder eine ganze Produktionslinie) von einem Betrieb abgetrennt und als eigenständiger Betrieb fortgeführt, lässt das die Leitungsstrukturen im Ursprungsbetrieb unberührt. Nur in dem abgespaltenen Betriebsteil muss eine neue Personalführung etabliert werden. Nur dieser Betriebsteil büßt zwangsläufig seine Identität ein. Die Leitungsstrukturen im Ursprungsbetrieb werden allein durch die Ausgliederung eines Betriebsteils dagegen nicht berührt. Sie können, müssen aber nicht im Zuge der Umstrukturierung verändert werden. Kreutz selbst verweist an anderer Stelle66 auf den von Rieble67 als Beispiel für diese Konstellation angeführten BASF-Betrieb in Ludwigshafen mit seinen rund 38.000 Arbeitnehmern, bei dem das Herauslösen einer Produktionslinie mit 1.500 Arbeitnehmern die Identität des Restbetriebs mit 36.500 Arbeitnehmern nicht beseitigt.
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Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 24, 61; ders., FS Wiese, S. 235, 239 f.; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 831. 62 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 24, 61; ders., FS Wiese, S. 235, 239 f.; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 832. 63 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 24, 61; ders., FS Wiese, S. 235, 239 f.; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 832. 64 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 24, 61.; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 832 f. 65 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 24, 61.; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 833. 66 Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, 833. 67 Vgl. Rieble, NZA 2002, 233, 234.
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Auch das zweite Argument, die Parallelbetrachtung zu Umwandlungen auf Rechtsträgerebene sei nicht tragfähig, kann letztlich nicht durchschlagen. Denn die von Kreutz vorgebrachte Kritik an der Konzeption der herrschenden Meinung richtet sich bei genauer Betrachtung nicht gegen die Verwendung der Begriffe „Aufspaltung“ und „Abspaltung“ zur terminologischen Unterscheidung zwischen den Fällen, in denen die betriebliche Identität gewahrt wird, und jenen, in denen sie untergeht, sondern gegen die Unschärfe des von der herrschenden Meinung gebrauchten Identitätsbegriffs. Diesem Problem kann durch die Verwendung der im zweiten Teil dieser Arbeit vorgeschlagenen Begriffsbestimmung begegnet werden. Zuzustimmen ist Kreutz darin, dass es dabei auf die Vermögensverteilung nicht ankommen kann68, weshalb ein inhaltlicher Rückgriff auf die im Umwandlungsrecht gebrauchten Begriffe von Auf- und Abspaltung ausscheidet. Dies spricht jedoch nicht dagegen, sich für die terminologische Abgrenzung zwischen solchen Spaltungen, die zu zwei oder mehr neuen Betrieben führen, und solchen Spaltungen, bei denen einer der aus der Spaltung hervorgehenden Betriebe mit dem Ausgangsbetrieb identisch ist, an die Begrifflichkeiten des Umwandlungsgesetzes anzulehnen. Denn auch aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht ist nicht „immer eine der neuen Einheiten als diejenige zu bezeichnen […], die bestehen bleibt“.69 Wird beispielsweise ein Betrieb derartig „atomisiert“, dass in allen neu entstandenen Einheiten neue Leitungsstrukturen etabliert werden müssen, ist keine der Einheiten mehr als der ursprüngliche Betrieb anzusehen. Zutreffend ist die Einschätzung von Kreutz insofern, als die Begriffe „Aufspaltung“ und „Abspaltung“ zur Klärung des Begriffs der betrieblichen Identität nichts beitragen. Vielmehr sind sie gerade über das Vorliegen beziehungsweise Nichtvorliegen betrieblicher Identität zu definieren. Daraus folgt aber nicht, dass die Abgrenzung zwischen identitätswahrender und identitätsverändernder Umstrukturierung nicht im Rahmen des Tatbestandsmerkmals der Betriebsspaltung erfolgen könne, sondern nur, dass die Bestimmung des Identitätsbegriffs notwendig ist, will man mit Hilfe der Unterscheidung zwischen Auf- und Abspaltung den Anwendungsbereich des § 21a Abs. 1 BetrVG abgrenzen. Die Unterscheidung zwischen identitätswahrender und identitätsvernichtender Spaltung wäre jedenfalls auch ohne die Anknüpfung an diese Begriffe notwendig, da – wie bereits dargelegt wurde – die Erforderlichkeit einer teleologischen Reduktion des Tatbestands zur Durchsetzung des Vorrangs des Regelmandats nach dem Willen des Gesetzgebers von Wahrung oder Fortfall der betrieblichen Identität abhängt.70 Welche Begriffe man für die Abgrenzung der identitätswahrenden von der identitätsvernichtenden Spaltung verwendet, ist letztlich unerheblich. Nach hier vertretener Ansicht spricht nichts gegen die Begriffsbildung der herrschenden Meinung.
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Vgl. oben S. 61 f. So aber Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 24. So auch Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, 833.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
b) Kein Übergangsmandat nach § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG bei Eingliederung Unabhängig davon, ob sich die Umstrukturierung als Aufspaltung oder Abspaltung im Sinne der herrschenden Meinung darstellt, scheidet ein Übergangsmandat des ursprünglichen Betriebsrats gem. § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG aus, wenn ein aus einer Umstrukturierung neu hervorgegangener Betriebsteil in einen Betrieb eingegliedert wird, in dem bereits ein Betriebsrat besteht. Auch hier erlangt das Kriterium der betrieblichen Identität Bedeutung. Denn eine Eingliederung in diesem Sinne liegt nach herrschender Meinung vor, wenn ein Betrieb einen anderen Betrieb(-steil) aufnimmt und trotz der Aufnahme seine Identität wahrt.71 Dass in diesem Fall kein Raum für ein Übergangsmandat ist, folgt wiederum aus dem Vorrang des Regelmandats vor dem Übergangsmandat.72 Der regelmäßig im Amt bleibende Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs vertritt auch die neu hinzugekommenen Arbeitnehmer, so als wären sie einzeln zum Betrieb hinzugekommen.73 Insoweit ist die Einschränkung des § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG als gesetzliche Klarstellung anzusehen. 2. Bedeutung der betrieblichen Identität bei der Zusammenfassung von Betrieben § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG bestimmt, welcher Betriebsrat bei einer Zusammenfassung von Betrieben das Übergangsmandat wahrnimmt. Als Gegenteil der Betriebsspaltung erfordert die Zusammenfassung von Betrieben, dass die Belegschaften von mindestens zwei betrieblichen Einheiten zur Verfolgung arbeitstechnischer Zwecke zusammengefasst und unter eine einheitliche Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten gestellt werden.74 Über diese Auslegung besteht weitgehende Einigkeit75, obwohl der Gesetzgeber den Begriff der Zusammenfassung mit anderer Bedeutung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BetrVG verwendet und in § 21a Abs. 3 und § 21b BetrVG von „Zusammenlegung“ und in § 111 S. 3 Nr. 3 BetrVG von „Zusammenschluss“ spricht, den Begriffen aber gleichwohl dieselbe Bedeutung wie der „Zusam71 Vgl. Feudner, DB 2003, 882; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162; Rieble, NZA 2002, 233, 237; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 21a Rn. 6; Thüsing, DB 2002, 738, 739; ders., DB 2004, 2474, 2475; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 8; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 7, hält die Identitäswahrung für unerheblich. 72 Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 522; Rieble, NZA 2002, 233, 237. 73 Feudner, DB 2003, 882; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64; Stege/ Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 21a Rn. 6. 74 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 59; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2164; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 9; Rieble, NZA 2002, 233; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63; Stege/Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 21a Rn. 9; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 10. 75 Z.T. wird darüber hinaus allerdings die Vereinheitlichung der arbeitstechnischen Struktur gefordert; vgl. Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2164; dieses Erfordernis ist abzulehnen, vgl. hierzu die Argumentation S. 104 f.
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menfassung“ i.S.d. § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG beimisst.76 Miteinander zusammengefasst werden können mehrere Betriebe, mehrere Betriebsteile sowie Betriebe mit Betriebsteilen.77 a) Der Vorrang des Regelmandats bei der Zusammenfassung von Betrieben aa) Begriffsbildung der herrschenden Meinung: Unterscheidung zwischen Zusammenfassung und Eingliederung Nach dem Wortlaut des Gesetzes entsteht ein Übergangsmandat nach § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG auch, wenn der Betriebsrat einer der zusammengefassten betrieblichen Einheiten nach allgemeinen Regeln bestehen bleibt. Wie bereits dargelegt wurde, ist jedoch in Fällen, in denen ein Betriebsrat im Regelmandat besteht, für ein Übergangsmandat kein Raum, weshalb auch der Tatbestand des § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG einzuschränken ist.78 Für die terminologische Abgrenzung zwischen den Fällen, in denen ein Übergangsmandat nötig ist und denjenigen, in denen kein Raum für ein Übergangsmandat ist, verwendet die herrschende Meinung auch an dieser Stelle den Begriff der Eingliederung. Wenn die betriebliche Identität des oder der aufgenommenen Teile verloren gehe, während der aufnehmende Betrieb seine Identität wahre, liege eine Eingliederung vor, bei der ein Übergangsmandat wegen des fortbestehenden Regelmandats nicht in Betracht komme.79 bb) Schwächen dieser Begriffsbildung – die Kritik von Kreutz Auch in diesem Zusammenhang kritisiert Kreutz, der Identitätsbegriff eigne sich nicht zur inhaltlich präzisen, begriffsscharfen Abgrenzung der Eingliederungsfälle. So wie bei der Betriebsspaltung eine Unterscheidung nicht möglich sei, weil jede Spaltung mit dem Verlust der Betriebsidentität verbunden sei, entfalle auch bei jeder Zusammenfassung von Betrieben mit der neuen Leitungsstruktur die bisherige Identitätsstruktur.80 Da zwischen der Zusammenlegung und der Eingliederung von Betrieben folglich nicht mit Hilfe der betrieblichen Identität unterschieden werden könne, leiste der Begriff der Eingliederung keine Abgrenzung. Außerdem sei die Par76
Vgl. zur Kritik an diesem „Begriffswirrwarr“ Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 58; ebenso Feudner, DB 2003, 882, 884; U. Fischer, RdA 2005, 39, 40 („ärgerliche Ungenauigkeit“); Rieble, NZA 2002, 233, 237 („Regelungspfusch“); ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63. 77 Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 38; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 56; Rieble, NZA 2002, 233. 78 s. oben S. 144 ff. 79 Vgl. Feudner, DB 2003, 882, 884; U. Fischer, RdA 2005, 39, 40; Löwisch/SchmidtKessel, BB 2001, 2162, 2164; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 522; Rieble, NZA 2002, 233, 237; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 130 f.; Thüsing, DB 2002, 738, 739; ders., DB 2004, 2474, 2475. 80 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 61; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 831.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
allele zum Umwandlungsrecht auch in Fällen der Betriebszusammenfassung nicht tragfähig. Denn anders als die Verschmelzung von Rechtsträgern, die im Wege der Aufnahme und der Neugründung erfolgen kann, fänden bei der Zusammenlegung von Betrieben keine Vermögensübertragungen statt.81 cc) Eignung der Begriffe Zusammenfassung und Eingliederung zur Unterscheidung zwischen identitätswahrender und identitätsverändernder Umstrukturierung Den Argumenten von Kreutz ist das bereits im Rahmen der Betriebsspaltung Gesagte entsprechend entgegenzuhalten. So wenig wie eine Betriebsspaltung zwangsläufig zu einem Verlust der Betriebsidentität aller Spaltungsprodukte führt, muss eine Zusammenfassung von Betrieben den Verlust der Betriebsidentität aller beteiligten Einheiten nach sich ziehen. Von der Aufnahme eines in sich geschlossenen unbedeutenden Betriebsteils bleiben die Leitungsstrukturen des (in der Terminologie der herrschenden Meinung) aufnehmenden Betriebs beispielsweise unberührt. Auch hinsichtlich des zweiten Arguments von Kreutz, die Parallelbetrachtung zu Umwandlungen auf Rechtsträgerebene sei nicht tragfähig, gilt das bereits Gesagte. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll ein Übergangsmandat nicht entstehen, wenn die Betriebsidentität des aufnehmenden Betriebs gewahrt bleibt. Zwar ist Kreutz darin zuzustimmen, dass der Begriff der betrieblichen Identität nicht durch den Begriff der Eingliederung konkretisiert wird. Denn die inhaltliche Anlehnung an die Begrifflichkeiten des Umwandlungsrechts scheidet auch in diesem Zusammenhang aus, da die Vermögensverteilung für die Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Identität anders als für Umwandlungen auf Rechtsträgerebene irrelevant ist. Dennoch spricht nach hier vertretener Ansicht nichts gegen die Verwendung des Eingliederungsbegriffs zur terminologischen Unterscheidung zwischen den Fällen, in denen die Betriebsidentität des aufnehmenden Betriebs trotz der Zusammenfassung mit einem anderen Betrieb gewahrt bleibt, und jenen, in denen auch der Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs mangels Betriebsidentität untergeht, so dass es eines Übergangsmandats bedarf. dd) Teleologische Reduktion oder analoge Anwendung des § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG? Unabhängig von den aufgezeigten terminologischen Differenzen besteht über das Ergebnis Einigkeit: Ein Übergangsmandat soll nicht entstehen, wenn der Betriebsrat des nach der Zahl der wählbaren Arbeitnehmer größeren Betriebs auch nach der Zusammenfassung regelmäßig amtiert und dabei auch die Arbeitnehmer der neu hinzu-
81
Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 61.; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 833.
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gekommenen betrieblichen Einheit vertritt.82 Unklarheit herrscht jedoch über die methodische Konstruktion dieser Einschränkung. Während teilweise lediglich festgestellt wird, die Eingliederung eines Betriebs falle nicht unter § 21a Abs. 2 BetrVG83, bemühen sich andere um Klärung der methodischen Herleitung dieser Ausnahme. Dabei geht eine Ansicht davon aus, anders als in Spaltungsfällen sei eine teleologische Reduktion des § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG zur Verwirklichung des Grundsatzes „Regelmandat vor Übergangsmandat“ bei der Zusammenfassung von Betrieben nicht notwendig. Vielmehr seien die Eingliederungsfälle, in denen der Vorrang des Regelmandats zum Tragen komme, bei der Zusammenfassung von Betrieben gemäß der Anordnung des § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG über eine analoge Anwendung des „Soweit“-Satzes des § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG zu lösen, nach dem ein Übergangsmandat des alten Betriebsrats nur entsteht, „soweit [die Betriebsteile …] nicht in einen Betrieb eingegliedert werden, in dem ein Betriebsrat besteht“.84 Für die analoge Anwendung dieser Regel spricht zunächst der Wortlaut der Norm. Denn für die Fälle der Zusammenfassung von Betrieben ordnet § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG die entsprechende Geltung des § 21a Abs. 1 BetrVG an – ohne den „Soweit“-Satz von der Verweisung auszunehmen. Daraus lässt sich schließen, die Nicht-Eingliederung in einen Betrieb, in dem bereits ein Betriebsrat bestehe, sei kraft der Verweisung auch Voraussetzung für das Entstehen eines Übergangsmandats i.S.d. § 21a Abs. 2 BetrVG. Dem wird entgegengehalten, der „Soweit“-Satz beziehe sich ausschließlich auf Betriebsteile, die aus einer Betriebsspaltung hervorgegangen seien, weshalb die Lösung über § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG „nach Wortlaut und Systematik völlig verfehlt“ sei.85 Vielmehr sei der Vorrang des Regelmandats auch bei Eingliederungsfällen im Rahmen des § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG im Wege der teleologischen Reduktion zu verwirklichen.86 (1) Wesen der Analogie Nach hier vertretener Auffassung ist indes nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich die Anordnung der entsprechenden Geltung in § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG auch auf den „Soweit“-Satz des Absatz 1 Satz 1 der Vorschrift bezieht. Grundsätzlich erfordert es die entsprechende Anwendung einer Norm, „die einzelnen Elemente des durch die Verweisung geregelten und desjenigen Tatbestands, auf dessen Rechtsfol82 Vgl. BAG Beschl. v. 21. 1. 2003,1 ABR 9/02, AP Nr. 1 zu § 21a BetrVG 1972 = NZA 2003, 1097, unter B I der Gründe; Feudner, DB 2003, 882, 884; Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 14; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2164; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 63; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 9; Stege/Weinspach/ Schiefer, BetrVG, § 21a Rn. 9; Thüsing, DB 2004, 2474, 2475. 83 Vgl. Thüsing, Richardi, § 21a Rn. 10. 84 Vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 14; so wohl auch Feudner, DB 2003, 882, 884. 85 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 60. 86 U. Fischer, RdA 2005, 39, 40; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 60; i.E. ebenso Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 1, 9.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
gen verwiesen wird […], miteinander so in Beziehung zu setzen […], dass den jeweils nach ihrer Funktion […] im Sinnzusammenhang des Tatbestands gleich zu erachtenden Elementen die gleiche Rechtsfolge zugeordnet wird“.87 Dass der „Soweit“-Satz sich nach seinem Wortlaut ausschließlich auf solche Betriebsteile bezieht, die aus einer Betriebsspaltung hervorgegangen sind, schadet also entgegen der zweiten Ansicht nicht, wenn es möglich ist, ihn mit den Merkmalen des zweiten Absatzes der Vorschrift so in Beziehung zu setzen, dass er nach dem Sinn der Vorschrift auch auf die Zusammenfassung von Betrieben bezogen werden kann. (2) § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG als Tatbestandsoder Rechtsfolgenverweisung? Vergegenwärtigt man sich die Ausgangslage, dass nämlich ein Übergangsmandat nach dem Willen des Gesetzgebers nicht entstehen soll, wo ein Betriebsrat sein Regelmandat wegen der Wahrung der Betriebsidentität weiterhin wahrnehmen kann, entspricht es durchaus dem Sinn der Vorschrift, den „Soweit“-Satz auch auf die Zusammenfassung von Betrieben zu beziehen. Allerdings regelt der „Soweit“-Satz des § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht eine Rechtsfolge, sondern einen Teil des Tatbestands. Er wäre also methodisch nur dann zulässig, ihn auf Betriebszusammenschlüsse anzuwenden, wenn es sich bei der Verweisung des § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG nicht lediglich um eine Rechtsfolgen-, sondern darüber hinaus um eine Tatbestandsverweisung handelte. Der Wortlaut der Norm lässt beide Interpretationen zu. Er kann so ausgelegt werden, dass Absatz 1 nur für Inhalt und Umfang des Übergangsmandats maßgebend sein soll, aber auch so, dass die von ihm aufgestellten Voraussetzungen für das Entstehen eines Übergangsmandats auch bei der Zusammenfassung von Betrieben erfüllt sein müssen. Aus dem Zweck der Verweisung folgt dagegen, dass es sich bei der Anordnung der analogen Anwendung des § 21a Abs. 1 BetrVG um eine Tatbestandsverweisung handelt. Denn § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG regelt der Sache nach lediglich zweierlei: Erstens bestimmt er, dass ein Übergangsmandat auch bei Betriebszusammenfassungen entstehen kann, und zweitens legt er fest, welcher der Betriebsräte das Übergangsmandat wahrzunehmen hat.88 Dieser Festlegung bedarf es im Rahmen des § 21a Abs. 2 BetrVG, weil im Gegensatz zu den Spaltungsfällen mehr als nur ein Betriebsrat für das Übergangsmandat in Betracht kommt.89 Darüber hinaus enthält Absatz 2 aber keine Voraussetzungen für das Entstehen des Übergangsmandats. Wäre § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG als schlichte Rechtsfolgenverweisung anzusehen, gäbe es abgesehen von dem Merkmal der Zusammenfassung von Betrieben also keine weiteren Voraussetzungen für das Entstehen eines Übergangsmandats – auch nicht die, dass das Produkt der Umstrukturierung die Voraussetzungen des § 1 BetrVG erfüllt, wie § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG es für die Fälle der Betriebsspaltung fordert. Da das 87 88 89
Larenz, Methodenlehre, S. 261. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 11. Rieble, NZA 2002, 233, 236.
A. Das Übergangsmandat
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Übergangsmandat aber auf Neuwahlen ausgerichtet ist (vgl. § 21a Abs. 2 S. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 2 BetrVG), muss auch die durch Zusammenfassung neu entstandene betriebliche Einheit die Voraussetzungen des § 1 BetrVG erfüllen.90 Wo ein Betriebsrat nicht gewählt werden kann, wäre ein Übergangsmandat, das die unverzügliche Bestellung eines Wahlvorstands bezweckt, sinnlos.91 Da bei der Interpretation des § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG als Rechtsfolgenverweisung mithin eine Regelungslücke entstehen würde, ist § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG als Tatbestandsverweisung anzusehen. (3) Zwischenergebnis Die Eingliederungsfälle bei Betriebszusammenfassungen sind über den „Soweit“Satz des § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG lösbar. Dieser ist gem. § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG anzuwenden, so dass es einer teleologischen Reduktion in diesen Fällen nicht bedarf. Wird eine betriebliche Einheit mit einer anderen betrieblichen Einheit in der Weise zusammengefasst, dass eine der beiden Einheiten ihre betriebliche Identität verliert, während die andere ihre Identität wahrt, so dass ihr Betriebsrat die Arbeitnehmer des neuen Betriebs nach dem Zusammenschluss im Regelmandat vertritt, kommt ein Übergangsmandat gem. § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG i.V.m. § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG nicht in Betracht. b) Übergangsmandat bei Beteiligung betriebsratsloser Einheiten Das Prinzip „Ein Betrieb, ein Betriebsrat“ gilt auch für das Übergangsmandat bei der Zusammenfassung von Betrieben. Bei der Zusammenfassung mehrerer betrieblicher Einheiten entstehen also nicht etwa mehrere Übergangsmandate der ursprünglichen Betriebsräte für die jeweils bisher von ihnen vertretene Einheit nebeneinander. Vielmehr entsteht unabhängig von der Zahl der zusammengefassten betrieblichen Einheiten immer nur ein Übergangsbetriebsrat für den neu entstandenen Betrieb.92 Für die Bestimmung, welcher der in Betracht kommenden Betriebsräte die Arbeitnehmer der neu entstandenen Einheit vertreten soll, gilt nach § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG das „Prinzip der größeren Zahl“.93 Der Betriebsrat, „hinter dem mehr wahlberechtigte Arbeitnehmer stehen“, erhält das Übergangsmandat.94 Zweifelhaft ist, ob das Prinzip der größeren Zahl auch gilt, wenn bei der Zusammenfassung von Betrieben Einheiten beteiligt sind, in denen kein Betriebsrat be90
Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 13; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 4; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 72; Rieble, NZA 2002, 233, 235; Thüsing, DB 2002, 738, 740; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 10. 91 Thüsing, DB 2002, 738, 740; ders., DB 2004, 2474, 2475. 92 Bachner, Kittner/Zwanziger, § 97 Rn. 46; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 69; Löwisch/ Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2164; Rieble, NZA 2002, 233, 237. 93 Buschmann, DKKW, BetrVG, § 21a Rn. 40; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 4; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 69; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 833; Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 16; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 64. 94 Rieble, NZA 2002, 233, 237.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
steht.95 Wird ein Betrieb, in dem ein Betriebsrat besteht, mit einem Betrieb zusammengeschlossen, dessen Arbeitnehmer sich gegen eine betriebsverfassungsrechtliche Vertretung entschieden haben, stellt sich die Frage, ob nach der Zusammenfassung auch die bisher nicht vertretenen Arbeitnehmer von der Zuständigkeit der Übergangsvertretung erfasst werden sollen – obwohl für sie durch den Zusammenschluss keine betriebsverfassungsrechtliche Lücke entstanden ist.96 Komplizierter ist die Frage zu beantworten, wenn es sich bei der betriebsratslosen Einheit um die größte der an der Zusammenfassung beteiligten Einheiten handelt, also um diejenige, deren Betriebsrat nach der Kollisionsregel des § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG das Übergangsmandat für den Gesamtbetrieb wahrnehmen sollte.97 Besondere Probleme bereitet schließlich der Fall der Eingliederung einer betrieblichen Einheit in einen betriebsratslosen Betrieb.98 Gemein haben diese Konstellationen, dass jeweils der Schutz der Minderheit vor Mitbestimmungslosigkeit und der Schutz der Mehrheit vor Fremdbestimmung gegeneinander abzuwägen sind. Trotz dieser Gemeinsamkeit können die verschiedenen Fallgruppen nach herrschender Meinung jedoch nicht ohne weiteres gleich behandelt werden, da eine Lösung für jede einzelne der Konstellationen unter Berücksichtigung der Besonderheiten der jeweiligen Konstellation gefunden werden müsse, wobei teilweise auch mit der Wahrung beziehungsweise Nichtwahrung der betrieblichen Identität argumentiert wird. Ob beziehungsweise wie sich die Betriebsidentität auf das Entstehen eines Übergangsmandats bei Beteiligung betriebsratsloser Einheiten auswirkt, ist im Folgenden zu untersuchen. aa) Zusammenfassung mit einer betriebsratslosen Einheit Grundsätzlich gilt, dass ein Übergangsmandat nach § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG auch dann entsteht, wenn nicht alle bislang selbstständigen betrieblichen Einheiten betriebsverfassungsrechtlich vertreten waren.99 Zwar wird in der Literatur teilweise vertreten, der Wortlaut des § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG schließe das Entstehen eines Übergangsmandats bei Beteiligung betriebsratsloser Einheiten aus, indem er bestimme, dass der Betriebsrat des „nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betriebs oder Betriebsteils“ das Übergangsmandat wahrzunehmen habe.100 Diese Auslegung ist jedoch keineswegs zwingend. Selbst diejenigen, die annehmen, der Wortlaut des § 21a Abs. 2 S. 1 BetrVG stehe der Entstehung eines Übergangsmandats 95 Konzen, RdA 2001, 76, 85; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 66; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. 96 Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 83. 97 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 83; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. 98 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 83. 99 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 11; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 4; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163 f. 100 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 66; vgl. auch Feudner, DB 2003, 882, 884 f.; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 11; ders., DB 2002, 738, 739.
A. Das Übergangsmandat
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bei Beteiligung betriebsratsloser Einheiten entgegen, halten dieses Ergebnis mit dem Zweck des § 21a BetrVG für unvereinbar, und erachten daher den (nach hier vertretener Ansicht ohnehin nur scheinbar) entgegenstehenden Wortlaut der Vorschrift für nicht maßgeblich.101 Wenn damit auch Einigkeit darüber besteht, dass die Entstehung des Übergangsmandats nach § 21a Abs. 2 BetrVG nicht voraussetzt, dass in allen bislang selbstständigen betrieblichen Einheiten ein Betriebsrat gewählt war, wird doch diskutiert, ob sich in einem solchen Fall die Zuständigkeit der Übergangsvertretung auch auf die Arbeitnehmer erstrecke, die bislang nicht vertreten waren.102 Gegen die Einbeziehung bislang nicht vertretener Einheiten wird eingewandt, der betriebsverfassungsrechtliche Repräsentationsgedanke stehe einer Vertretung dieser Arbeitnehmer entgegen.103 Zudem sei für die bislang nicht vertretenen Arbeitnehmer durch die Umstrukturierung keine Lücke bei der betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung entstanden, die durch ein Übergangsmandat geschlossen werden müsste.104 Zweck des Übergangsmandats sei aber die Überbrückung betriebsratsloser Zeiten und nicht die Schaffung neuer Zuständigkeiten.105 Dem ist jedoch entgegen zu halten, dass der Gesetzgeber die Vertretung durch einen „fremden“ Betriebsrat mit der Kollisionsregel des § 21a Abs. 2 BetrVG als notwendige Folge des Prinzips „Ein Betrieb, ein Betriebsrat“ anerkannt hat. Die Aufteilung der Belegschaft lässt das Betriebsverfassungsgesetz nicht zu.106 Bei der Beteiligung betriebsratsloser Einheiten ist das Legitimationsdefizit zudem nicht größer, als wenn schon bisher vertretene Betriebe oder Betriebsteile dem Betriebsrat eines anderen Betriebs unterstellt werden.107 Das Betriebsverfassungsgesetz gewichtet den Schutz des „Freiwilligkeitsprinzips“ folglich geringer als das Prinzip der betriebseinheitlichen Arbeitnehmervertretung.108 Diese Alles-oder-Nichts-Lösung verfolgt gerade auch § 21a BetrVG, um den praktischen Problemen, die bei einer nur teilweisen Vertretung der Belegschaft unweigerlich auftauchen würden, vorzubeugen.109 Die Beteiligung betriebsratsloser 101 Vgl. Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 68; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 11; ders., DB 2002, 738, 740; a.A. Feudner, DB 2003, 882, 884. 102 Vgl. Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 67 f.; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65; Thüsing, DB 2002, 738, 739. 103 Feudner, BB 1996, 1934, 1936; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 67. 104 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 83; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 524. 105 Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 524 für den Fall, dass die betriebsratslose Einheit die größte der zusammengefassten Einheiten ist. 106 Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, 841; Rieble, NZA 2002, 233, 235; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 11; ders., DB 2002, 738, 740. 107 Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2164; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 11; a.A.: Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 67. 108 Rieble, NZA 2002, 233, 237. 109 Rieble, NZA 2002, 233, 237; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
Einheiten bei der Zusammenfassung von Betrieben steht folglich der Entstehung eines Übergangsmandats nicht entgegen. Es entspricht der Konzeption des § 21a Abs. 2 BetrVG, dass in diesem Fall ein Übergangsmandat entsteht, von dem alle Arbeitnehmer des neu entstandenen Betriebs erfasst werden.110 bb) Betriebsratslosigkeit der größten Einheit Sind in der betriebsratslosen Einheit mehr Arbeitnehmer beschäftigt als in der betriebsverfassungsrechtlich vertretenen Einheit, ist die Frage schwieriger zu beantworten. Denn hier geht es um die Frage, ob es zulässig ist, dass die betriebsverfassungsrechtlich vertretene Minderheit dem größeren Teil der Belegschaft des neu entstandenen Betriebs ihren Betriebsrat aufzwingen kann. Auch die Behandlung dieser Fallgruppe ist umstritten. Die wohl herrschende Meinung will die Fälle der Zusammenfassung mit einer größeren betriebsratslosen Einheit nicht anders behandeln als die Fälle, in denen die kleinere der zusammengefassten Einheiten ohne Betriebsrat war. Sie erkennt das Übergangsmandat des Betriebsrats der kleineren betrieblichen Einheit an und erstreckt seine Zuständigkeit auch auf die bislang nicht vertretenen Arbeitnehmer der größeren Einheit.111 Dafür, den Schutz der Minderheit vor Mitbestimmungslosigkeit dem Schutz der Mehrheit vor Fremdbestimmung vorgehen zu lassen, sprechen nach dieser Ansicht letztlich die gleichen Argumente wie für die Erstreckung des Übergangsmandats auf bisher nicht vertretene kleinere Einheiten.112 Da das Übergangsmandat nach der gesetzlichen Konzeption auf den gesamten Betrieb ausgelegt sei, gelte das Prinzip „Ein Betrieb, ein Betriebsrat“ – und zwar auch in den Fällen, in denen die größere der zusammengefassten Einheiten bislang betriebsratslos war.113 Träger des Übergangsmandats sei dann der Betriebsrat der „nächst größten Einheit“.114
110 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 11; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, S. 95; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 85; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 7; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 68, 72; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 840; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2164; Rieble, NZA 2002, 233, 237; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/ 2003, 62, 65; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 11; ders., DB 2002, 738, 740. 111 Vgl. Bachner, Kittner/Zwanziger, § 97 Rn. 46; U. Fischer, RdA 2005, 39, 40; Hanau, NJW 2001, 2513, 2515; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 73; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 840 f.; Thüsing, DB 2002, 738, 740. 112 U. Fischer, RdA 2005, 39, 40; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 19; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 73. 113 Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 11. 114 U. Fischer, RdA 2005, 39, 40; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 19; Hanau, NJW 2001, 2513, 2515; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 87; Koch, ErfK, BetrVG, § 21a Rn. 4; ders., Schaub, ArbR-Hdb., § 219 Rn. 17b; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 73; ders., GS Sonnenschein, S. 829, 841; Preis, Kollektivarbeitsrecht, S. 523; Stege/ Weinspach/Schiefer, BetrVG, § 21a Rn. 15; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 11; ders., DB 2002, 738, 740.
A. Das Übergangsmandat
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Dagegen sehen andere die Tatsache, dass es bei der Betriebsratslosigkeit der größeren Einheit die Minderheit ist, die der Mehrheit ihren Betriebsrat aufzwingt, als Grund für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Fallgestaltungen an.115 Zwar schreibe das Betriebsverfassungsgesetz für die Wahl eines Betriebsrats kein Quorum vor, so dass es auch bei einer regulären Betriebsratswahl möglich sei, dass eine Minderheit die Mehrheit majorisiere und die Einrichtung eines Betriebsrats durchsetze, obwohl die Mehrheit gegen die Bildung einer betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung sei. Bei einer Betriebsratswahl habe die Mehrheit aber immerhin die Möglichkeit, anstelle des von der Minderheit gewollten Betriebsrats eigene Kandidaten vorzuschlagen. Diese Abwehrmöglichkeit bestehe hingegen nicht, wenn das Übergangsmandat der kleineren Einheit kraft Gesetzes entstehe.116 Daher sei es durchaus entscheidend, ob die bislang nicht vertretene Einheit kleiner oder größer sei als diejenige, deren Betriebsrat für das Übergangsmandat in Betracht komme. Da diese Auslegung auch dem Wortlaut der Vorschrift entspreche, könne kein Übergangsmandat entstehen, wenn die größte der zusammengefassten Einheiten keinen Betriebsrat habe.117 Das Argument, dass es auch in Fällen der Eingliederung nicht auf Bedenken stoße, dass die eingegliederte Einheit keine Abwehrmöglichkeiten gegenüber dem bereits bestehenden Betriebsrat habe118, lässt diese Ansicht nicht gelten. Denn die Eingliederung eines Betriebs erfordere, dass die Identität des aufnehmenden Betriebs unberührt bleibe. Bei der einzugliedernden Einheit, die mit der Eingliederung auch gegen ihren Willen dem Betriebsrat des aufnehmenden Betriebs unterstellt werde, könne es sich daher immer nur um eine organisatorisch bedeutungslose, mithin unwesentliche betriebliche Einheit handeln – also die Minderheit. In Eingliederungsfällen sei es daher gerade nicht so, dass die Minderheit der Mehrheit ihren Betriebsrat aufzwinge, so dass es an einer Vergleichbarkeit der beiden Fallgestaltungen fehle.119 Dennoch sprechen bei der Abwägung zwischen dem Freiwilligkeitsprinzip und dem Schutz der Minderheit vor mitbestimmungslosen Zeiten letztlich die besseren Argumente für die Ansicht der herrschenden Meinung. Den entscheidenden Ausschlag gibt die Erkenntnis, dass mit der Zusammenfassung von Betrieben zu einem neuen Betrieb das Bedürfnis nach einem neu einsetzenden Meinungsbildungsprozess über die Bildung einer betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung besteht.120 Dieses Bedürfnis besteht unabhängig davon, welche der betrieblichen Einheiten bislang ohne betriebsverfassungsrechtliche Vertretung war. Da bei einer Zusammenfas115 Vgl. Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 9; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/ 2003, 62, 65. 116 Rieble, NZA 2002, 233, 237 f.; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. 117 Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 9; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. 118 Vgl. Hohenstatt, WHSS, Rz. D 86; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 73; Thüsing, DB 2002, 738, 740. 119 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 86. 120 Vgl. Hohenstatt, WHSS, Rz. D 87.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
sung von Betrieben alle Einheiten ihre Betriebsidentität verlieren (sonst wäre § 21a Abs. 2 BetrVG nicht anwendbar, s. o.), ist das Bestehen eines Übergangsmandats nicht nur gerechtfertigt, sondern nach dem Schutzzweck des § 21a BetrVG auch dann notwendig, wenn die größte der zusammengefassten Einheiten bisher betriebsratslos war.121 cc) Eingliederung in eine betriebsratslose Einheit Anders wird dies zum Teil in Eingliederungsfällen beurteilt. Besteht im aufnehmenden Betrieb bisher kein Betriebsrat, soll die neue Einheit nach einer Ansicht insgesamt betriebsratslos werden.122 Ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG komme nicht in Betracht, da dieser mangels Identitätsverlusts nicht einschlägig sei.123 Vielmehr sei bei der Eingliederung den betriebsverfassungsrechtlichen Dispositionen des aufnehmenden, seine Identität wahrenden Betriebs der Vorrang einzuräumen.124 Dies gelte, wenn im aufnehmenden Betrieb ein Betriebsrat bestand, da der Betrieb, für den er gewählt wurde, fortbestehe.125 Dementsprechend müsse aber umgekehrt der Fortbestand des Betriebsrats eines eingegliederten Betriebs ausscheiden, wenn der aufnehmende Betrieb keinen Betriebsrat habe.126 Da die Identität des aufnehmenden Betriebs gewahrt bleibe, bestehe keine betriebsverfassungsrechtlich relevante Vertretungslücke. Eine Zuständigkeit des Betriebsrats des einzugliedernden Betriebs für den gesamten Betrieb würde im Widerspruch zu der zuvor gefundenen Ausnahme der Eingliederungsfälle stehen127 und sei mithin systemfremd128. Diese Ansicht widerspricht indes dem eindeutigen Wortlaut des § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG, der kraft der Tatbestandsverweisung des § 21a Abs. 2 S. 2 BetrVG auch für die Zusammenfassung von Betrieben gilt.129 Danach scheidet ein Übergangsmandat des Betriebsrats aus, wenn Betriebsteile in einen Betrieb eingegliedert werden, „in dem ein Betriebsrat besteht“. Daraus ist im Umkehrschluss zu ziehen, dass das Übergangsmandat nicht ausgeschlossen sein soll, wenn in dem aufnehmenden Betrieb
121 U. Fischer, RdA 2005, 39, 40; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 73; Steffan, APS, BGB, § 613a Rn. 150; Thüsing, DB 2002, 738, 740; ders., DB 2004, 2474, 2475; vgl. auch Hanau/ Adomeit, Arbeitsrecht, S. 95. 122 Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 63; vgl. auch Feudner, DB 2003, 882, 883; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 86; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2164; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 10; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 3, 11. 123 Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 10. 124 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 87. 125 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 86; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 68. 126 Feudner, DB 2003, 882, 884; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 86; Thüsing, DB 2002, 738, 739. 127 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 83; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 63; Thüsing, DB 2002, 738, 739. 128 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 83; Thüsing, DB 2002, 738, 739. 129 Ausführlich hierzu s. oben S. 156 ff.
A. Das Übergangsmandat
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kein Betriebsrat besteht.130 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll der Schutz bisher vertretener Einheiten vor Mitbestimmungslosigkeit nicht davon abhängen, ob es sich um Eingliederungsfälle handelt oder nicht. In jedem Fall sollen bisher vertretene Einheiten auch nach einer Umstrukturierung einem Betriebsrat unterstehen – entweder dem eigenen oder dem Betriebsrat des Betriebs, in den sie eingegliedert wurden. Insofern geht der „Soweit“-Satz des § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG folglich über die bloße Klarstellung, dass ein Übergangsmandat (auch) in Eingliederungsfällen wegen des Vorrangs des Regelmandats nicht in Betracht komme, hinaus.131 dd) Zwischenergebnis Das bei der Zusammenfassung von Betrieben aufgrund des notwendigen Identitätsverlusts in allen beteiligten Einheiten bestehende Bedürfnis nach Neuwahlen spricht für die Entstehung eines Übergangsmandats auch bei Beteiligung betriebsratsloser Einheiten, da das Übergangsmandat gerade auf die Durchführung von Neuwahlen gerichtet ist. Aus dem Grundsatz „ein Betrieb, ein Betriebsrat“ folgt zwingend, dass von dem Übergangsmandat in diesen Fällen auch bislang nicht vertretene Arbeitnehmer erfasst werden. Obwohl den betriebsverfassungsrechtlichen Dispositionen eines seine Identität wahrenden Betriebes grundsätzlich der Vorrang einzuräumen ist, entsteht ein Übergangsmandat selbst bei der Eingliederung einer betriebsverfassungsrechtlich vertretenen Einheit in einen bis dahin betriebsratlosen Betrieb, da das Übergangsmandat nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes in Eingliederungsfällen nur ausscheiden soll, wenn Betriebsteile in einen Betrieb eingegliedert werden, in denen ein Betriebsrat besteht. 3. Mehrfaches Übergangsmandat bei mehrfachem Identitätsverlust Das Gesetz geht von der klaren Unterscheidbarkeit der verschiedenen Umstrukturierungsmaßnahmen aus.132 In Fällen der Betriebsspaltung soll § 21a Abs. 1 BetrVG einschlägig sein. Handelt es sich um eine Zusammenfassung von Betrieben, soll sich die Entstehung des Übergangsmandats hingegen nach § 21a Abs. 2 BetrVG richten. Tatsächlich können sich Umstrukturierungen jedoch durchaus komplizierter, nämlich als beliebig kombinierbare Verbindung von Spaltungen und Zusammenfassungen darstellen.133 So können beispielsweise nach der Spaltung zweier Betriebe durch die Zusammenfassung von zwei ursprünglich nicht zusammen gehörenden Hälften zwei neue Betriebe entstehen. Auf den ersten Blick ist in solchen Fällen unklar, ob ein Übergangsmandat nach Abs. 1 oder Abs. 2 entsteht. Hier hilft die Erkenntnis, dass Spaltung und Zusammenfassung nicht gleichzeitig stattfinden können, 130 131 132 133
Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 65; i.E. ebenso Reichold, HWK, BetrVG, § 21a Rn. 7. Bachner, Kittner/Zwanziger, § 97 Rn. 48. Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. Fischer, RdA 2005, 39, 41; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
sondern dass auch bei einer Kombination mehrerer Umstrukturierungsmaßnahmen, die einzelnen Vorgänge nacheinander stattfinden.134 Es ist daher immer möglich, die einzelnen Umstrukturierungsvorgänge der Reihe nach darauf zu prüfen, ob sie zu einem Übergangsmandat führen. In den Fällen, in denen eine aus einer Umstrukturierung hervorgegangene Einheit eine weitere Strukturänderung erfährt, stellt sich dann allerdings die Frage, ob es zu einem „zweiten Übergangsmandat“ kommen kann. Aus dem Wortlaut der Norm ergeben sich keine Bedenken dagegen, dass aus einem ersten Übergangsmandat bei weiteren Umstrukturierungen weitere Übergangsmandate folgen, sofern die zunächst entstandenen Einheiten wiederum ihre Identität verlieren und es sich auch bei den Produkten der weiteren Umstrukturierungen um Betriebe im Sinne des § 21a Abs. 1 S. 1 BetrVG handelt. Denn auch ein Betriebsrat im Übergangsmandat nimmt ein Vollmandat wahr. Diese Auslegung entspricht auch dem Regelungszweck der Vorschrift, in bisher betriebsverfassungsrechtlich vertretenen Einheiten keine Vertretungslücken aufgrund von Umstrukturierungen entstehen zu lassen.135 Bei zwei aufeinander folgenden Zusammenfassungen von Betrieben ergibt sich dann folgende Situation: Geht aus der ersten Zusammenfassung ein Übergangsbetriebsrat hervor und wird der Betrieb dann mit einem anderen Betrieb, in dem ebenfalls ein Betriebsrat besteht, zusammengefasst, nimmt der Betriebsrat, der im Zeitpunkt der zweiten Verschmelzung die größere Einheit vertritt, ein neues, zweites Übergangsmandat wahr, von dem alle Arbeitnehmer des neuen Betriebs erfasst werden.136 Handelt es sich bei der zweiten Zusammenfassung dagegen um eine Eingliederung, bei der die betriebliche Identität des Betriebs, dessen Betriebsrat das Übergangsmandat wahrnimmt, gewahrt wird, bleibt dieser auch nach der zweiten Strukturänderung im Amt.137 Entsprechendes gilt bei einer „doppelten“ Spaltung: Verlieren die Einheiten durch die Spaltung ihre Identität, werden (vorbehaltlich des SoweitSatzes des Abs. 1) auch die Spaltungsprodukte der zweiten Spaltung vom Betriebsrat des Ursprungsbetriebs vertreten. Nichts anderes gilt schließlich, wenn ein Betrieb erst gespalten wird, und die neu entstandenen Betriebsteile dann mit anderen Betriebsteilen zusammengefasst werden. Die Frage bleibt also beherrschbar, wenn man § 21a BetrVG – und damit den Fortbestand der betrieblichen Identität – für jede der aufeinander folgenden Maßnahmen neu prüft. Die uneingeschränkte Anwendung des § 21a BetrVG auf mehrere aufeinander folgende Umstrukturierungen würde allerdings dazu führen, dass dauerhaft ein nicht ausreichend demokratisch legitimierter Betriebsrat amtieren würde.138 Das gefundene Ergebnis ist daher so einzuschränken, dass die gesetzliche Frist von (eventuell 2x) 134 135 136 137 138
Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. Feudner, DB 2003, 882, 884. Rieble, NZA 2002, 233; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65.
A. Das Übergangsmandat
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6 Monaten nicht überschritten wird. Die Amtszeit des letzten aus den verschiedenen Umstrukturierungen hervorgegangenen Übergangsbetriebsrats endet also spätestens zwölf Monate nach dem Beginn des ersten Übergangsmandats.139 4. Übergangsmandat und Gemeinschaftsbetrieb Die Figur des Gemeinschaftsbetriebs steht in doppeltem Zusammenhang mit § 21a BetrVG, wobei sie das eine Mal zur Entstehung eines Übergangsmandats führt und sie ein anderes Mal verhindert. Grundsätzlich eröffnet die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs den Anwendungsbereich des § 21a Abs. 2 BetrVG. Werden die Betriebe zweier Unternehmen durch die Vereinbarung einer einheitlichen Führung zu einem gemeinsamen Betrieb zusammengeschlossen, wird aus den beteiligten Einheiten ein Betrieb im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Die Errichtung eines Gemeinschaftsbetriebs ist damit selbst ein Fall des § 21a Abs. 2 BetrVG.140 Wird durch die Führungsvereinbarung eine neue Leitungsstruktur in einem oder beiden der beteiligten Betrieben in einer Weise errichtet, dass diese ihre betriebliche Identität verlieren, gewährleistet § 21a Abs. 2 BetrVG eine Übergangsvertretung. Demgegenüber stellt sich die Beendigung eines Gemeinschaftsbetriebs regelmäßig als ein Fall der Betriebsspaltung dar.141 Wird die Führungsvereinbarung durch Aufhebung oder Kündigung beendigt und werden dadurch die bisherigen betriebsverfassungsrechtlichen Leitungsstrukturen beseitigt, kommt ein Übergangsmandat nach § 21a Abs. 1 BetrVG in Betracht.142 Andererseits kann die Bildung eines Gemeinschaftsbetriebs die Anwendbarkeit des § 21a Abs. 1 BetrVG aber auch ausschließen, wenn nämlich durch sie eine an sich erfolgte Betriebsspaltung kompensiert wird. Denn die betriebsverfassungsrechtlichen Folgen einer Betriebsspaltung können – unabhängig davon, ob sie nach dem Umwandlungsgesetz oder im Wege eines Teilbetriebsübergangs erfolgt ist – vermieden werden, wenn die an sich getrennten Einheiten durch die Einrichtung eines Gemeinschaftsbetriebs kraft Führungsvereinbarung doch wieder zusammengefasst werden.143 In diesem Fall wahrt der Betrieb seine Identität, so dass § 21a Abs. 1 BetrVG wegen des Vorrangs des Regelmandats teleologisch zu reduzieren ist und ein Übergangsmandat ausscheidet.144 Von dem Bestehen eines vorrangigen Regelmandats ist
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Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 80; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. Rieble, NZA 2002, 233, 238; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65; vgl. auch U. Fischer, RdA 2005, 39, 40; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2164. 141 Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/ 2003, 62, 66. 142 Rieble, NZA 2002, 233, 238; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. 143 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 76; Rieble, NZA 2002, 233, 238; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. 144 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 75; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 66. 140
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
wegen der Vermutung des § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG solange auszugehen, wie diese nicht durch eine Veränderung der Organisation widerlegt wird.145
III. Fazit 1. Verhältnis von § 21a BetrVG zur Lehre von der Betriebsidentität Die Untersuchung des § 21a BetrVG hat gezeigt, dass die Lehre von der betrieblichen Identität durch die Normierung des allgemeinen Übergangsmandats des Betriebsrats keineswegs ihres Anwendungsbereichs beraubt und überflüssig geworden ist. Im Gegenteil: Die Regelung des § 21a BetrVG ist in der Lehre von der Betriebsidentität tief verankert und auf vielfältige Weise mit ihr verknüpft. a) Wegfall der Betriebsidentität als notwendige Bedingung für ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG Das liegt vor allem daran, dass der Vorrang des Regelmandats vor dem Übergangsmandat nach dem Willen des Gesetzgebers durch eine Übernahme der vor Einführung des § 21a BetrVG herrschenden Meinung zum Fortbestand des Betriebsrats erfolgen sollte. Damit hat der Gesetzgeber zweierlei bestimmt: Er hat anerkannt, dass Betriebsumstrukturierungen das reguläre Betriebsratsamt vorzeitig beenden, wenn sie zum Verlust der betrieblichen Identität führen.146 Und er hat den Verlust der betrieblichen Identität zur Grundvoraussetzung für die Anwendbarkeit des § 21a BetrVG erklärt.147 Auf diese Weise ist die Vorschrift des § 21a BetrVG nach der Konzeption des Gesetzgebers untrennbar mit der Lehre von der betrieblichen Identität verwoben. Da ein Übergangsmandat des Betriebsrats nicht in Betracht kommt, wenn in der konkreten betrieblichen Einheit ein Betriebsrat im Regelmandat amtiert, sind Wahrung oder Verlust der betrieblichen Identität maßgeblich für die Bestimmung derjenigen Begriffe, mit Hilfe derer die herrschende Meinung Tatbestand und Reichweite des Übergangsmandats beschreibt. Das gilt für die Begriffe der Auf- und Abspaltung bei der Betriebsspaltung ebenso wie für den Begriff der Eingliederung bei der Zusammenfassung von Betrieben. Auch für die Bestimmung der Reichweite des Übergangsmandats bei der Beteiligung betriebratsloser Einheiten im Rahmen des § 21a Abs. 2 BetrVG spielt die betriebliche Identität eine entscheidende Rolle.
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Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 65. Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 3; Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, 833; ders., GK-BetrVG, § 21a Rn. 7. 147 Rieble, NZA 2002, 233, 234. 146
A. Das Übergangsmandat
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b) Wegfall der Betriebsidentität als hinreichende Bedingung für ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG Hinreichende Bedingung für die Entstehung eines Übergangsmandats gem. § 21a BetrVG ist der Fortfall der Betriebsidentität nach dem Wortlaut der Norm dagegen nicht. Denn dieser knüpft an einen Identitätsverlust an, der gerade auf der Spaltung oder Zusammenfassung von Betrieben beruht, und setzt damit eine Veränderung der Anzahl der betrieblichen Einheiten voraus.148 Rein qualitative Veränderungen innerhalb eines Betriebs, die zum Fortfall der Betriebsidentität führen, werden von § 21a BetrVG dagegen nicht erfasst.149 Da ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG in diesen Fällen folglich nicht entstehen kann, endet die betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der betroffenen Arbeitnehmer nach dem Wortlaut der Norm ohne weiteres, wenn der Verlust der Betriebsidentität nicht mit der Veränderung der Anzahl der betrieblichen Einheiten einhergeht. Sie verlieren bis zur Konstituierung eines neuen Betriebsrats den kollektiven Schutz des Betriebsverfassungsgesetzes. Es entsteht eine „Vertretungslücke“. In diesen Fällen drängt sich die Frage nach einer analogen Anwendung des § 21a BetrVG geradezu auf. Unter der analogen Anwendung einer Norm versteht man die Übertragung der für einen Tatbestand gegebenen Regel auf einen vom Gesetz nicht geregelten „ähnlichen“ Tatbestand.150 Sie setzt voraus, dass die Interessenlage in beiden Fällen vergleichbar ist, und dass es sich bei der Gesetzeslücke um eine solche handelt, die vom Gesetzgeber nicht bedacht wurde.151 Noch kurz vor Einführung des § 21a BetrVG hatte das Bundesarbeitsgericht im Wege der Rechtsfortbildung ein allgemeines betriebsverfassungsrechtliches Übergangsmandat des Betriebsrats anerkannt, das wegen des besonderen Schutzbedürfnisses der Arbeitnehmer auch in Fällen unternehmensinterner Betriebsumstrukturierungen in Betracht kommen sollte.152 Damit sollten die von einer Änderung der Betriebsorganisation betroffenen Arbeitnehmer „in allen sonstigen“ (also nicht spezialgesetzlich geregelten) Fällen vor den Folgen, „die sich aus dem betriebsverfassungsrechtlichen Grundsatz der betriebsgebundenen Zuständigkeit des Betriebsrats ergeben“, geschützt werden.153 Der Grundsatz der Betriebsbezogenheit führt aber gerade nicht nur dann zum Untergang des Betriebsrats, wenn eine Änderung der betrieblichen Organisation mit einer Umstrukturierung einhergeht. Wie im zweiten Teil dieser Arbeit gesehen, kann die betriebsverfassungsrechtliche Identität eines Betriebes auch durch rein qualitative Ver148 Rieble, NZA 2002, 233 f.; ders., Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63; vgl. auch Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2164 („neuer Betrieb“). 149 Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63. 150 Larenz, Methodenlehre, S. 381. 151 Larenz, Methodenlehre, S. 381. 152 Vgl. BAG Beschl. v. 31. 5. 2000, 7 ABR 78/98, BAGE 95, 15 = AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B IV 3 der Gründe. 153 Vgl. BAG Beschl. v. 31. 5. 2000, 7 ABR 78/98, BAGE 95, 15 = AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B IV 2 d und 3 der Gründe.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
änderungen innerhalb eines Betriebes verloren gehen. Das Bedürfnis der Arbeitnehmer nach lückenloser betriebsverfassungsrechtlicher Repräsentation besteht aber unabhängig davon, ob sich die Maßnahme, die den Verlust der betrieblichen Identität auslöst, auch auf die Anzahl der betrieblichen Einheiten auswirkt. Die für eine Analogie erforderliche Vergleichbarkeit der Interessenlage in allen Fällen betrieblichen Identitätsverlusts liegt damit vor. Die analoge Anwendung des § 21a BetrVG in Fällen, in denen der Identitätsverlust durch rein qualitative Veränderungen ausgelöst wird, scheitert allerdings daran, dass die Regelungslücke nicht als planwidrig bezeichnet werden kann. Gerade vor dem Hintergrund, dass es das Ziel des Gesetzgebers war, die Lehre von der betrieblichen Identität mit der Normierung des § 21a BetrVG gesetzlich zu verankern, kann nicht davon ausgegangen werden, dass er sich der Möglichkeit des Identitätsverlusts durch rein qualitative Veränderungen der Betriebsstruktur nicht bewusst war.154 Es ist vielmehr zu unterstellen, dass der Gesetzgeber ein allgemeines Übergangsmandat für den Fall des Verlusts der Betriebsidentität vorgeschrieben hätte, hätte ein solches auch für die Fälle eingeführt werden sollen, in denen der Verlust der Betriebsidentität auf andere Weise als durch die Spaltung oder Zusammenfassung von Betrieben hervorgerufen wird.155 Auf Grund des demgegenüber eindeutig einschränkenden Wortlauts des § 21a BetrVG, kann von einem solchen Willen des Gesetzgebers nicht ausgegangen werden, so dass die Ausnahme rein qualitativer Veränderungen aus dem Tatbestand des § 21a BetrVG nicht als planwidrig qualifiziert werden kann. Verliert ein Betrieb aufgrund qualitativer Veränderungen seine Identität, kommt daher nur ein Restmandat nach § 21b BetrVG in Betracht. Zutreffend weist Rieble darüber hinaus darauf hin, dass logisch und systematisch ohnehin eine Lösung über § 21 S. 5 BetrVG vorrangig wäre, der in Fällen des § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG die Amtszeit des Betriebsrats bis zur Verkündung des Wahlergebnisses des neu gewählten Betriebsrats verlängert.156 Auch eine analoge Anwendung des § 21 S. 5 BetrVG scheidet aber mangels planwidriger Gesetzeslücke aus. Mit der Beschränkung auf die Fälle des § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 BetrVG hat der Gesetzgeber das Ende der Betriebsidentität als Grund für eine Verlängerung der Amtszeit ausgeschlossen.157
154
Zur nicht feststellbaren Planwidrigkeit der Regelungslücke hinsichtlich des Fortbestands von Betriebsvereinbarungen bei der Wahrung betrieblicher Identität vgl. auch Rieble/ Gutzeit, NZA 2003, 233, 235. 155 So der de lege ferenda zu verwirklichende Vorschlag von Rieble, NZA 2002, 233, 234. 156 Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63. 157 Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63.
B. Der Grundsatz der Betriebsratskontinuität
171
2. Unmöglichkeit von Rückschlüssen auf die Begriffsmerkmale der betrieblichen Identität Rückschlüsse auf den Inhalt der Lehre von der betrieblichen Identität, ihre Begriffsmerkmale oder deren Rangfolge lässt § 21a BetrVG dagegen nicht zu. Das gilt insbesondere für die von der herrschenden Meinung geprägten Begriffe der Aufspaltung und Abspaltung sowie für den Begriff der Eingliederung, die ihrerseits erst durch die Wahrung beziehungsweise den Verlust der betrieblichen Identität definiert werden, und deren Bestimmtheit folglich voraussetzten.158
B. Die Lehre von der Betriebsidentität und der Grundsatz der Betriebsratskontinuität Ist die Lehre von der betrieblichen Identität durch die Vorschrift des § 21a BetrVG also nicht ihres Anwendungsbereichs beraubt und überflüssig geworden, bleibt zu prüfen, ob es Grundsätze oder Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes gibt, die ihrer Geltungsberechtigung entgegenstehen. Zu denken ist hier zunächst an den Grundsatz der Betriebsratskontinuität. Bereits kurz nach Inkrafttreten des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 1952 hatte das Bundesarbeitsgericht das Prinzip der „Stetigkeit der Betriebsratsarbeit“, wie es den Grundsatz der Betriebsratskontinuität damals nannte, als einen wesentlichen Grundsatz des Betriebsverfassungsrechts anerkannt.159 Wenn dieser wohl auch nicht als fundamentales Rechtsprinzip, das rechtliche Bindungswirkung entfaltet160, anzusehen ist161, so qualifiziert er angesichts seiner stetigen Anerkennung durch das Bundesarbeitsgericht162 gleichwohl als Richterrecht163. Dem Grundsatz der Betriebsratskontinuität kommt damit jedenfalls faktische Bindungswirkung zu.164 Er besagt, dass der Betriebsrat seine Aufgabe grundsätzlich stetig und ohne Unterbrechungen bis zum Ende seiner Amtszeit auszu158
U. Fischer, RdA 2005, 39, 41; vgl. auch Kreutz, GS Sonnenschein, S. 829, 832. Vgl. BAG Beschl. v. 20. 10. 1954, 1 ABR 11/54, BAGE 1, 114 = AP Nr. 1 zu § 25 BetrVG. 160 Vgl. zur dogmatischen Qualität sog. fundamentaler Rechtsprinzipien BAG Urt. v. 27. 5. 2004, 6 AZR 129/03, BAGE 111, 8 = AP Nr. 5 zu § 1 TVG Gleichbehandlung, unter B II 3 b der Gründe (im Hinblick auf den Gleichheitssatz); Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 79; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht, S. 247. 161 So aber Vogelsang, DB 1990, 1329, 1331. 162 Vgl. BAG Urt. v. 18. 10. 2000, 2 AZR 494/99, BAGE 96, 78 = AP Nr. 49 zu § 15 KSchG 1969, unter B I 1 b der Gründe; Beschl. v. 31. 5. 2000, 7 ABR 78/98, BAGE 95, 15 = AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B IV 2 der Gründe; Urt. v. 23. 11. 1988, 7 AZR 121/88, BAGE 60, 191 = AP Nr. 77 zu § 613a BGB, unter I 2 b aa der Gründe. 163 Zur Dogmatik des Richterrechts vgl. Dütz, Arbeitsrecht, S. 9; Junker, Arbeitsrecht, S. 32. 164 Vgl. Dütz, Arbeitsrecht, S. 36; Junker, Arbeitsrecht, S. 32. 159
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
üben hat.165 Nach der Lehre von der Betriebsidentität soll das Mandat des Betriebsrats dagegen vorzeitig enden, wenn der Betrieb vor Ende der Amtszeit des Betriebsrats seine Identität verliert. Die Lehre von der betrieblichen Identität und der Grundsatz der Betriebsratskontiunität stehen folglich im Widerspruch zueinander.166 Das wirft die Frage auf, ob es richtig ist, wie die herrschende Meinung annimmt, dass die Betriebsbezogenheit des Betriebsrats höher zu bewerten ist als seine Kontinuität.167 Wenn nämlich dem Grundsatz der Betriebsratskontinuität entgegen der herrschenden Meinung der unbedingte Vorrang bei der Entscheidung über Untergang oder Fortbestand des Betriebsrats nach betrieblichen Veränderungen einzuräumen wäre168, würde dies die Geltungsberechtigung der Lehre von der betrieblichen Identität in Frage stellen. Im Folgenden ist daher zu untersuchen, ob sich ein solcher Vorrang aus dem Gesetz ergibt oder ob die Lehre von der Betriebsidentität mit dem Grundsatz der lückenlosen Kontinuität der betriebsratlichen Tätigkeit in Einklang gebracht werden kann.
I. Vorrang der Betriebsratskontinuität als Normzweckdes § 613a BGB Ein Anknüpfungspunkt für den Grundsatz der Betriebsratskontinuität wird in § 613a Abs. 1 S. 1 BGB gesehen169, der nach Ansicht der ganz herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur den Fortbestand des Betriebsrats als einen von drei Normzwecken verfolgt170. Indem er den Betriebserwerber kraft Gesetzes sowohl in die im Betrieb bestehenden Arbeitsverhältnisse als auch in die betriebsverfassungsrechtliche Beziehung zum amtierenden Betriebsrat eintreten lasse, verhindere er, dass 165 Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 46 f.; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 28; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 242; Vogelsang, DB 1990, 1329; vgl. auch BAG Urt. v. 23. 11. 1988, 7 AZR 121/88, BAGE 60, 191 = AP Nr. 77 zu § 613a BGB, unter I 2 b aa der Gründe. 166 Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 46; U. Fischer, RdA 2005, 39, 41; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 166 f.; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 241 ff.; Vogelsang, DB 1990, 1329, 1931. 167 Vogelsang, DB 1990, 1329, 1931. 168 Vgl. hierzu insbesondere Kreutz, FS Kraft, S. 323, 338; ders., FS Wiese, S. 235, 241 ff.; Wiese/Kreutz, GK-BetrVG 1997, § 21 Rn. 43. 169 Vgl. Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 47; Klevemann, AuR 1989, 356, 357; Vogelsang, DB 1990, 1329. 170 Vgl. BAG Beschl. v. 28. 9. 1988, 1 ABR 37/87, BAGE 59, 371 = AP Nr. 55 zu § 99 BetrVG 1972, unter I 1 b der Gründe; Urt. v. 15. 1. 2002, 1 AZR 58/01, BAGE 100, 166 = NZA 2002, 3493, unter I 2 der Gründe; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 21; Hattesen, Kasseler Handbuch, Bd. 2, 6.7 Rn. 173; Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 769; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betriebsübergang Rn. 2; Preis, Individualarbeitsrecht, S. 973; Sieg/Maschmann, Unternehmensumstrukturierung, S. 8; Vogelsang, DB 1990, 1329; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 6.
B. Der Grundsatz der Betriebsratskontinuität
173
sich die Identität des Betriebs durch seinen Übergang auf einen neuen Inhaber verändere.171 Auf diese Weise gewährleiste § 613a Abs. 1 BGB neben dem Kündigungsschutz und der Aufrechterhaltung der kollektivvertraglich geregelten Arbeitsbedingungen auch die Kontinuität des Betriebsrats.172 Dass die Betriebsratskontinuität als Normzweck des § 613a BGB anzusehen sei, schließt die herrschende Meinung zudem aus der Gesetzesbegründung aus dem Jahr 1971173, welche die Gewährleistung der Kontinuität des amtierenden Betriebsrats ausdrücklich als eines der Ziele des § 613a BGB nenne.174 Sollte der Fortbestand des Betriebsrats nach einem Betriebsübergang tatsächlich einer der Normzwecke des § 613a BGB sein, könnte dies ein Indiz dafür sein, dass dem Grundsatz der Betriebsratskontinuität jedenfalls in den Fällen eines Betriebsübergangs nach dem gesetzgeberischen Willen der unbedingte Vorrang vor dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit gebührt. Ob die Wahrung der Betriebsratskontinuität als Normzweck des § 613a BGB in Betracht kommt, ist daher im Folgenden zu überprüfen. 1. Fortbestand des Betriebsrats in seiner konkreten Zusammensetzung als Normzweck des § 613a BGB Bei der Untersuchung dieser Frage ist zwischen dem Fortbestand des Betriebsrats als Organ und dem Fortbestand der einzelnen Betriebsratsämter – also dem Erhalt des Organs in seiner jeweiligen Zusammensetzung – zu unterscheiden. Der Erhalt des Betriebsrats in seinem jeweiligen Bestand folgt regelmäßig tatsächlich aus § 613a BGB. Da der Erwerber nach dieser Vorschrift kraft Gesetzes in die bestehenden Arbeitsverhältnisse eintritt, verhindert § 613a Abs. 1 S. 1 BGB, dass die Betriebsratsmitglieder von dem Übergang der Arbeitsverhältnisse ausgeschlossen werden.175 Auf diese 171
Kreutz, GK-BetrVG, § 21 Rn. 39; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 28. BAG Urt. v. 29. 10. 1975, 5 AZR 444/74, BAGE 27, 291 = AP Nr. 2 zu § 613a BGB, unter 1 b der Gründe; Urt. v. 17. 1. 1980, 3 AZR 160/79, BAGE 32, 326 = AP Nr. 18 zu § 613a BGB, unter II 3 b der Gründe; Ascheid, ArbR im BGB, § 613a BGB Rn. 3; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 21, 50; Edenfeld, Erman, BGB, § 613a Rn. 3; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 168; Franzen, Dauner-Lieb/Heidel/Ring, AnwKBGB, § 613a Rn. 2; Henssler, NZA 1994, 913; Hauck, FS Richardi, S. 537, 540; Hohenstatt/ Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 767; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 19 Rn. 8; Kreutz, GK-BetrVG, § 21 Rn. 39; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 7, 71; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 3; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 2; ders., RdA 2000, 257, 277; Steffan, APS, BGB, § 613a Rn. 1, 4; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 28; Vogelsang, DB 1990, 1329; Wiese, GK-BetrVG, 5. Aufl., § 21 Rn. 48. 173 Vgl. BT-Drucks. VI/1786, S. 59. 174 BAG Urt. v. 29. 10. 1975, 5 AZR 444/74, BAGE 27, 291 = AP Nr. 2 zu § 613a BGB unter 1 b der Gründe; Vogelsang, DB 1990, 1329; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 6. 175 Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 49; Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 24 Rn. 26; Hattesen, Kasseler Handbuch, Bd. 2, 6.7 Rn. 178; Koch, ErfK, § 24 Rn. 5; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 73; Oetker, GKBetrVG, § 24 Rn. 33; Reichold, HWK, BetrVG, § 24 Rn. 6. 172
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
Weise gewährleistet der gesetzliche Eintritt des Betriebserwerbers in die bestehenden Arbeitsverhältnisse, dass sich der Betriebsrat nach dem Betriebsübergang aus den gleichen Mitgliedern zusammensetzt wie vor dem Betriebsübergang. Zwar kann auch § 613a Abs. 1 S. 1 BGB die jeweilige Zusammensetzung des Betriebsrats nicht bewahren, wenn einzelne Betriebsratsmitglieder dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse nach § 613a Abs. 5 S. 1 BGB widersprechen. Selbst wenn der Widerspruch einzelner Betriebsratsmitglieder dazu führt, dass die Gesamtzahl der Betriebsratsmitglieder nach Eintreten sämtlicher Ersatzmitglieder unter die vorgeschriebene Zahl der Betriebsratsmitglieder sinkt und eine Neuwahl zulässig ist176, bleiben die übrigen Betriebsratsmitglieder gem. § 21 S. 5 BetrVG aber bis zur Bekanntgabe des Wahlergebnisses des neu gewählten Betriebsrats als „Rumpfbetriebsrat“ im Amt.177 Allerdings ist zweifelhaft, ob es sich bei dem Fortbestand des Betriebsrats in seiner jeweiligen Zusammensetzung um einen der Normzwecke des § 613a BGB oder lediglich um einen Rechtsreflex seiner Anwendung handelt. Mit dieser, namentlich im Verwaltungsrecht geläufigen Rechtsfigur wird die tatsächliche, meist vorteilhafte Auswirkung einer Regelung bezeichnet, die – anders als ein subjektives Recht – nicht gerichtlich durchsetzbar ist.178 Ein Rechtsreflex zieht also lediglich einen tatsächlichen Zustand nach sich, der zwar durch Befolgen der Norm erreicht werden kann, dessen Erreichung aber gerade nicht im Aufgabenbereich der Norm liegt.179 Wäre der Fortbestand des Betriebsrats in seiner jeweiligen Zusammensetzung lediglich ein Rechtsreflex des § 613a BGB, könnte er folglich nicht zugleich Normzweck des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB sein. Für die Frage nach dem Rangverhältnis zwischen dem Grundsatz der Betriebsratskontinuität und dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit kann dies aber letztlich offen bleiben. Denn selbst wenn die Wahrung der jeweiligen Besetzung des Betriebsrats Normzweck des § 613a BGB wäre, wäre damit noch nichts darüber gesagt, ob § 613a BGB auch den Fortbestand des Betriebsrats als Organ verfolgt. Es bleibt also zu prüfen, ob der Fortbestand des Organs „Betriebsrat“ als einer der Normzwecke des § 613a BGB in Betracht kommt.
176
Kreutz, GK-BetrVG, § 21 Rn. 31. BAG Urt. v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/03, BAGE 109, 1 = AP Nr. 12 zu § 13 BetrVG 1972, unter I 3 der Gründe; Kreutz, GK-BetrVG, § 21 Rn. 31. 178 Jacobs, Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz, S. 458 f.; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 165 f., 167; Wolff/Bachof/Stober/Kluth, Verwaltungsrecht, S. 461. Auch im Zivilrecht bewirkt ein Rechtsreflex keine Rechtsposition. So ist anerkannt, dass ein Gesetz nur Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB ist, wenn der Schutz individueller Interessen nicht bloßer Reflex der Regelung, sondern Zweck des Gesetzes ist, vgl. BGH Urt. v. 3. 2. 1987, VI ZR 32/86, BGHZ 100, 13 = NJW 1987, 1818, unter II 2 a der Gründe; Jacobs, Tarifeinheit und Tarifkonkurrenz, S. 459. 179 BGH Urt. v. 3. 2. 1987, VI ZR 32/86, BGHZ 100, 13 = NJW 1987, 1818, unter II 2 a der Gründe. 177
B. Der Grundsatz der Betriebsratskontinuität
175
2. Fortbestand des Organs „Betriebsrat“ als Normzweck des § 613a BGB? a) Wille des Normgebers? Soweit darauf verwiesen wird, die Anerkennung der Betriebsratskontinuität als Normzweck des § 613a BGB ergebe sich aus der Regierungsbegründung zu dieser Vorschrift180, ist dies nicht nachvollziehbar. In der relevanten Passage181, die als Beleg für einen derartigen Willen des Normgebers zitiert wird, wird die Kontinuität des Betriebsrats nicht erwähnt, geschweige denn ausdrücklich als Normzweck des § 613a BGB bezeichnet. Dort findet sich lediglich die Feststellung, die Regelung des Betriebsübergangs habe „betriebsverfassungsrechtliche Bedeutung, da sich das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auch gegen den neuen Arbeitgeber richtet, wenn dieser Maßnahmen beabsichtigt, die nachteilige Auswirkungen für die Arbeitnehmer haben könnten“182. Damit wird die betriebsverfassungsrechtliche Stellung des Betriebserwerbers beschrieben. Allein durch die Feststellung, dass dieser nach dem Übergang des Betriebs Adressat der betrieblichen Mitbestimmung ist, wird der Fortbestand des Betriebsrats aber nicht zum Normzweck des § 613a BGB erhoben. Denn es ist Voraussetzung (nicht Folge) der Stellung des Betriebserwerbers als Adressat der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats, dass der Betriebsrat nach dem Betriebsübergang noch besteht. Dass sein Fortbestand gerade aus § 613a BGB folgen soll, ist der Gesetzesbegründung indes nicht zu entnehmen. Selbst wenn entgegen hier vertretener Ansicht aus der Regierungsbegründung zu § 613a BGB der Wille des Normgebers herauszulesen wäre, die Betriebsratskontinuität als einen der Schutzzwecke der Vorschrift anzuerkennen, würde dies den Vorrang des Grundsatzes der Betriebsratskontinuität vor dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit aber nicht indizieren. Denn der Unterschied zwischen dem Betriebsbegriff des § 613a BGB und dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff war bei Einführung des § 613a BGB im Jahr 1972 noch nicht so gravierend wie heute. In Fällen eines Betriebsübergangs nach § 613a BGB war daher in der Regel ohnehin von der Wahrung der (auch betriebsverfassungsrechtlichen) Betriebsidentität auszugehen, so dass sich das Problem der miteinander in Widerspruch stehenden Grundsätze noch gar nicht stellte. Erst durch die inzwischen notwendig gewordene Berücksichtigung europarechtlicher Entwicklungen bei der Bestimmung des Betriebsbegriffs i.S.d. § 613a BGB und die daraus folgende Auseinanderentwicklung der beiden Betriebsbegriffe183, hat sich das geändert. Selbst wenn die Regierungsbegründung aus dem Jahr 1971 die Anerkennung der Betriebsratskontinuität als Normzweck des § 613a BGB enthielte, könnte dies folglich nur schwer als Entscheidung des Gesetzgebers 180 Vgl. BAG Urt. v. 29. 10. 1975, 5 AZR 444/74, BAGE 27, 291 = AP Nr. 2 zu § 613a BGB, unter 1 b der Gründe; Vogelsang, DB 1990, 1329; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 6. 181 BT-Drucks. VI/1786, S. 59. 182 Vgl. BT-Drucks. VI/1786, S. 59. 183 Vgl. hierzu oben 1. Teil B, S. 51 ff.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
über das Rangverhältnis von Betriebsratskontinuität und Betriebsbezogenheit gewertet werden. b) Kontinuität des Betriebsrats als betriebsverfassungsrechtliches Problem Gegen die Anerkennung der Betriebsratskontinuität als Normzweck des § 613a BGB spricht zudem, dass dieser Normzweck nur erreicht werden könnte, wenn die Anwendung des § 613a BGB die Wahrung der betriebsverfassungsrechtlichen Identität des Betriebs sicherstellen würde.184 Denn wie bereits erwähnt, sieht die herrschende Meinung die Kontinuität des Betriebsrats in Fällen des § 613a BGB dadurch gewahrt, dass dieser den Betriebserwerber in die Stellung des Betriebsveräußerers eintreten lässt, wodurch verhindert werde, dass sich die betriebliche Identität durch den Betriebsübergang verändere. Die Wahrung der betriebsverfassungsrechtlichen Identität des Betriebs ist also auch nach Auffassung derer Voraussetzung für die Betriebsratskontinuität, welche die Kontinuität des Betriebsrats durch die Anwendung des § 613a BGB gewährleistet sehen.185 Ob die Anwendung des § 613a BGB die Wahrung der betriebsverfassungsrechtlichen Identität des übergegangenen Betriebs tatsächlich sicherstellt, ist indes zweifelhaft.186 Denn der Übergang der Arbeitsverhältnisse auf den Betriebserwerber hätte nur dann die Wahrung der betrieblichen Identität zur Folge, wenn diese allein durch die Belegschaft bestimmt würde. Wie zuvor gesehen, wird die betriebsverfassungsrechtliche Betriebsidentität jedoch durch mehrere Einzelmerkmale bestimmt und hängt, wie auch § 13 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG beweist, nicht allein vom Fortbestand der Belegschaft ab.187 Zum Erhalt weiterer Merkmale wie insbesondere den bestehenden Leitungsstrukturen, innerbetrieblichen Organisationseinheiten und der räumlichen Verbundenheit der Arbeitnehmer zwingt § 613a BGB den Betriebserwerber aber nicht. Durch den gesetzlich angeordneten Übergang der im Betrieb bestehenden Arbeitsverhältnisse auf den neuen Inhaber nach § 613a Abs. 1 S. 1 BGB wird die betriebsverfassungsrechtliche Identität folg-
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Preis, RdA 2000, 257, 277. Vgl. BAG Urt. v. 29. 10. 1975, 5 AZR 44/74, BAGE 27, 291 = AP Nr. 2 zu § 613a BGB, unter 1 b der Gründe; Urt. v. 17. 1. 1980, 3 AZR 160/79, BAGE 32, 326 = AP Nr. 18 zu § 613a BGB, unter II 3 b der Gründe; Ascheid, ArbR im BGB, § 613a Rn. 3, Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 21, 50; Edenfeld, Erman, BGB, § 613a Rn. 3; Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 168; Franzen, Dauner-Lieb/Heidel/Ring, AnwKBGB, § 613a Rn. 2; Henssler, NZA 1994, 913; Hauck, FS Richardi, S. 537, 540; Hohenstatt/ Müller-Bonanni, NZA 2003, 76, 767; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 19 Rn. 8; Kreutz, GK-BetrVG, § 21 Rn. 39; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 7, 71; Pfeiffer, KR, BGB, § 613a Rn. 3; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 2; ders., RdA 2000, 257, 277; Reichold, HWK, BetrVG, § 21 Rn. 13; Steffan, APS, BGB, § 613a Rn. 1, 4; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 28; Vogelsang, DB 1990, 1329; Wiese, GK-BetrVG, 5. Aufl., § 21 Rn. 48; Willemsen, HWK, § 613a Rn. 6, 284. 186 Preis, RdA 2000, 257, 277. 187 Ausführlich hierzu s. oben S. 123 ff. 185
B. Der Grundsatz der Betriebsratskontinuität
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lich nicht gewahrt.188 Das Mittel, mit dem § 613a BGB angeblich die Kontinuität des Betriebsrats verfolgt, ist also gar nicht geeignet, diesen Zweck zu erreichen.189 c) Unmöglichkeit betriebsverfassungsrechtlicher Veränderungen durch den Übergang eines Betriebs Noch grundsätzlicher spricht folgende Erwägung gegen die Anerkennung der Betriebsratskontinuität als Normzweck des § 613a BGB: Da es rechtslogisch unmöglich ist, dass der Erwerber eines Betriebs etwas erhält, was der Veräußerter nicht gehabt hat190, erfasst der Betriebsübergang den Betrieb immer in der konkreten Gestalt, die er im Zeitpunkt des Übergangs hat.191 Betriebliche Umstrukturierungen können daher nur während der Inhaberschaft eines Betriebsinhabers eintreten, nicht aber während des Rechtsträgerwechsels. Eine Änderung der Betriebsorganisation, die allein Auswirkungen auf die Betriebsidentität und damit auf den Bestand des Betriebsrats haben kann192, kann mithin immer nur vor oder nach einem Rechtsträgerwechsel vorgenommen werden, nicht aber durch den Betriebsübergang als solchen erfolgen. Wenn der Erwerber den Betrieb in anderer Weise fortführt als der bisherige Inhaber, dann gestaltet er den von ihm übernommenen Betrieb während seiner Inhaberschaft um, indem er etwa die innerbetriebliche Organisation verändert. Wenn nur ein Betriebsteil übergeht, hat dagegen der Veräußerer den zu übertragenden Betrieb während seiner Inhaberschaft gespalten und einen Betriebsteil zurückgehalten. Mit anderen Worten: Mögen Umstrukturierungen, die sich auf die betriebliche Identität auswirken, auch häufig im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang vorgenommen werden, kann doch durch den Betriebsübergang selbst die Betriebsidentität nicht berührt werden, weil ein Betriebsübergang nur zu einer Veränderung auf Rechtsträgerebene führt.193 Der Fortbestand des Betriebsrats kann durch einen Betriebsübergang nach § 613a BGB also gar nicht beeinträchtigt werden und ist folglich unabhängig von der Regelung des § 613a BGB zu beurteilen. Dass der Fortbestand eines Betriebs unabhängig von Veränderungen auf Rechtsträgerebene zu beurteilen ist, bestätigt – wie Annuß zutreffend herausstellt – § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG.194 Danach wird ein gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen vermutet, wenn die Spaltung eines Unternehmens eine Betriebsspaltung zur 188
I.E. ebenso B. Gaul, BB 1999, 582, 585; Preis, RdA 2000, 257, 277. Preis, RdA 2000, 257, 277. 190 Schwanda, Betriebsübergang, S. 174 f. 191 Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 18. 192 Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 18. 193 So schon Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 18; vgl. auch Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 11; Bachner, Kittner/Zwanziger, § 97 Rn. 38; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 8; Wiese/Kreutz, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 21 Rn. 64; Willemsen/Annuß, NJW 1999, 2073, 2078; Schwanda, Betriebsübergang, S. 174; i.E. ebenso Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 1 Rn. 143 f. 194 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 11. 189
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Folge hat, die Organisation des betroffenen Betriebs aber trotz der Unternehmensspaltung nicht wesentlich geändert wird. Mit dieser Regelung, die § 322 Abs. 1 UmwG ersetzt195, dessen ehemaligen Anwendungsbereich aber erweitert und auch Spaltungen in Form der Einzelrechtsnachfolge erfasst196, erkennt der Gesetzgeber an, dass Betriebe in ihrem Bestand losgelöst von der (teilweisen) zivilrechtlichen Neuzuordnung zu einem anderen Rechtsträger sind, ihr Fortbestand – und damit auch der ihrer Betriebsvertretungen – sich vielmehr ausschließlich nach dem Betriebsverfassungsrecht richtet. Da das Schicksal des Betriebsrats mithin eine Frage des Betriebsverfassungsrechts ist, scheidet die Sicherung seiner Kontinuität als Normzweck des § 613a BGB aus.197 3. Zwischenergebnis: Kontinuität des Betriebsrats kein Normzweck des § 613a BGB Da ein Betriebsübergang als solcher die betriebliche Identität nicht berühren und damit auch nicht zum Untergang des Betriebsrats führen kann, die betriebsverfassungsrechtliche Identität des Betriebs andererseits aber auch nicht allein durch den Eintritt des Betriebserwerbers in die Rechtsstellung des Betriebsveräußerers gewahrt wird, ist die Regelung des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB für die Wahrung der Betriebsidentität bedeutungslos.198 Da es demzufolge auch nicht Normzweck des § 613a BGB sein kann, die Kontinuität des Betriebsrats zu gewährleisten, ist dieser Vorschrift nicht die gesetzliche Wertung zu entnehmen, dass dem Grundsatz der Betriebsratskontinuität in Fällen des Betriebsübergangs unbedingter Vorrang vor dem Prinzip der Betriebsbezogenheit gebühre.
II. Vorrang der Betriebsratskontinuität als Gebot des Gemeinschaftsrechts (Art. 6 RL 2001/23/EG)? Als weiterer Anknüpfungspunkt für den unbedingten Vorrang des Grundsatzes der Betriebsratskontinuität kommt Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 der RL 2001/23/EG vom 12. 3. 2001 (sog. Betriebsübergangsrichtlinie), die der aktuellen Fassung des § 613a BGB zugrunde liegt199, in Betracht200. Dieser schreibt den Fortbestand der Arbeitnehmervertretung nach „Rechtsstellung und Funktion“ über den Zeitpunkt des Betriebs195
Art. 3 Nr. 2 lit. a BetrVerf-ReformG 2001. BT-Drucks. 14/5741, S. 33; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 56; Richardi, Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 77. 197 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 11. 198 Willemsen/Annuß, NJW 1999, 2073, 2078. 199 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 39; Fuchs, Bamberger/Roth, BGB, § 613a Rn. 5; H. Meyer, Der Tatbestand des Betriebsübergangs, S. 27; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 1; Willemsen, HWK, BGB, § 613a Rn. 1. 200 Fuchs, Bamberger/Roth, BGB, § 613a Rn. 4; Kreutz, GK-BetrVG, § 21 Rn. 39. 196
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übergangs hinaus ausdrücklich vor, wenn der Betrieb seine Selbstständigkeit behält. Der Vorrang des Grundsatzes der Betriebsratskontinuität vor dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit könnte also in den Fällen des § 613a BGB ein Gebot des Gemeinschaftsrechts sein, dessen Regeln in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Geltungs- und Anwendungsvorrang vor den Vorschriften des nationalen Rechts zukommt.201 1. Eröffnung des Anwendungsbereichs von Art. 6 Abs. 1 RL 2001/23/EG? Wie zuvor festgestellt wurde, kann ein Betriebsübergang als solcher nicht unmittelbar zum Wegfall des Betriebsrats führen, weil er sich auf den Betrieb als betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit nicht auswirkt, der Fortbestand des Betriebsrats aber einzig davon abhängt, ob die Organisationsstrukturen der Repräsentationseinheit gewahrt werden.202 Da betriebliche Umstrukturierungen und ihre Auswirkungen auf den Bestand der Arbeitnehmervertretung folglich in keinem rechtlichen Zusammenhang mit der Regelung des § 613a BGB stehen, könnte man zunächst davon ausgehen, dass Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 RL 2001/23/EG in Deutschland leer liefe, weil „die Richtlinie nur die Vermeidung von solchen Nachteilen für die Arbeitnehmer bezweckt, die sich aus dem Betriebsinhaberwechsel ergeben“, sich ein Betriebsinhaberwechsel nach deutschem Recht aber nicht negativ auf Rechtsstellung und Funktion der Arbeitnehmervertretung auswirken kann.203 Dann würde Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 RL 2001/23/EG mangels Eröffnung seines Anwendungsbereichs selbst in den Fällen des § 613a BGB nicht den unbedingten Vorrang der Betriebsratskontinuität gebieten. Eine ihren Anwendungsbereich derart einschränkende Auslegung der Betriebsübergangsrichtlinie würde jedoch folgenden Aspekt ignorieren: Ein neuer Betriebsinhaber führt den von ihm übernommenen Betrieb selten unverändert fort, sondern nimmt regelmäßig tief greifende Veränderungen der Betriebsstrukturen vor, sei es durch die räumliche Trennung zuvor einheitlich organisierter Einheiten, die Änderung des Betriebszwecks oder den Zusammenschluss mit anderen Betrieben in seinem Unternehmen.204 Dass die Auswirkungen, die derartige Veränderungen auf die Betriebsvertretung haben, in Deutschland in keinem rechtlichen Zusammenhang mit dem Betriebsübergang als solchem stehen, liegt an den Eigenheiten des nationalen Rechts. Denn die Trennung zwischen Betrieb und Unternehmen und die Lehre von 201
Grundlegend EuGH Urt. v. 15. 07. 1964, 6/64 – Costa/E.N.E.L. – Slg. 1964, 1251 = NJW 1964, 2371, unter Rz. 3; Urt. v. 9. 3. 1978, Rs. 106/77 – Staatliche Finanzverwaltung/ S.p.A. Simmenthal – Slg. 629 = NJW 1978, 1741, unter Rz. 17, 18; BVerfG Beschl. v. 22. 10. 1986, 2 BvR 197/83, BVerfGE 73, 339 = NJW 1987, 577, unter B II 1 a der Gründe; Hirsch, NJW 2000, 1817, 1818. 202 s. oben S. 64 ff. 203 Willemsen/Annuß, NJW 1999, 2073, 2078. 204 Vgl. Bracker, Betriebsübergang und Betriebsverfassung, S. 13; Ausnahme: Betriebsübergang aus steuer- oder haftungsrechtlichen Gründen.
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der betrieblichen Identität sind Besonderheiten des deutschen Arbeitsrechts. Der Europäische Gesetzgeber wird bei der Regelung des Betriebsübergangs die Vermeidung von Nachteilen für die Arbeitnehmervertretung aber unabhängig von derartigen nationalen Besonderheiten bezweckt haben. Es ist mithin davon auszugehen, dass die Richtlinie den Fortbestand der Arbeitnehmervertretung für alle Fälle anordnen wollte, in denen die Arbeitnehmervertretung im Zuge des Betriebsübergangs untergehen könnte, obwohl der Betrieb seine Selbstständigkeit bewahrt. Der Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 RL 2001/23/EG umfasst nach dem Willen des Normgebers also auch jene Fälle betrieblicher Umstrukturierungen, die zunächst aufgrund der (hierzulande) fehlenden rechtlichen Beziehung zwischen Betriebsübergang und Erlöschen des Betriebsrats aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie herauszufallen scheinen.205 Da sich der Anwendungsbereich von Art. 6 Abs. 1 RL 2001/23/EG mithin auch auf die Fälle erstreckt, in denen eine betriebliche Umstrukturierung wenn auch nicht in einem rechtlichen, so doch in einem tatsächlichen Zusammenhang mit einem Betriebsübergang nach § 613a BGB steht, scheidet der Vorrang der Betriebsratskontinuität aufgrund Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 RL 2001/23/EG nicht schon mangels Eröffnung von dessen Anwendungsbereich aus. 2. „Wahrung der Selbstständigkeit“ i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 RL 2001/23/EG Den Erhalt von Rechtsstellung und Funktion der Arbeitnehmervertretung schreibt Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 RL 2001/23/EG allerdings nur für die Fälle zwingend vor, in denen der übergehende Betrieb oder Betriebsteil seine „Selbstständigkeit“ bewahrt. Nur für diese Fälle kommt mithin auch der Vorrang des Grundsatzes der Betriebsratskontinuität als Gebot des Gemeinschaftsrechts in Betracht. Welche dies sind, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln, da die Richtlinie selbst nicht definiert, wann ein Betrieb oder Betriebsteil seine Selbstständigkeit bewahrt.206 a) „Wahrung der Selbstständigkeit“ i.S.d. Richtlinie als Wahrung der Betriebsidentität Der Schlüssel zur Lösung dieser Frage liegt in der Untersuchung der verschiedenen Konstellationen, für die Art. 6 Abs. 1 RL 2001/23/EG im Hinblick auf die Sicherung der Arbeitnehmervertretung nach einem Betriebsinhaberwechsel unterschiedliche Regelungen vorsieht. Vor dem Hintergrund des Schutzzwecks dieser Vorschrift erschließt sich der Begriff der Selbstständigkeit durch einen Vergleich dieser Regelungen:
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Vgl. zum Ganzen zutreffend Willemsen/Annuß, NJW 1999, 2073, 2078. Willemsen/Annuß, NJW 1999, 2073, 2077 (noch zu dem wortgleichen Art. 5 Abs. 1 RL 77/187/EWG). 206
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Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 RL 2001/23/EG ordnet zunächst den Fortbestand der Arbeitnehmervertretung an, wenn die übertragene Einheit auch nach dem Betriebsinhaberwechsel ihre Selbstständigkeit bewahrt. Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 2 RL 2001/23/EG statuiert eine Ausnahme von dieser Anordnung, wenn die Selbstständigkeit der betrieblichen Einheit zwar gewahrt wird, gleichwohl aber die Bedingungen für die Neubestellung der Vertreter der Arbeitnehmer oder die Neubildung der Arbeitnehmervertretung erfüllt sind. In diesem Fall entfällt die Arbeitnehmervertretung und die Arbeitnehmer erhalten Gelegenheit zur Neuwahl. Verliert die neu geschaffene Einheit ihre Selbstständigkeit, sieht Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 4 RL 2001/23/EG die Bildung einer angemessenen Übergangsvertretung vor, „damit die vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer, die vor dem Übergang vertreten wurden, während des Zeitraums, der für die Neubildung oder Neubenennung der Arbeitnehmervertretung erforderlich ist, im Einklang mit dem Recht oder der Praxis der Mitgliedstaaten weiterhin angemessen vertreten werden“. Nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 4 RL 2001/23/EG ist eine angemessene Übergangsvertretung damit nur sicherzustellen, wenn die übergegangene Einheit ihre Selbstständigkeit verliert – also nicht in den Fällen des Unterabsatzes 2, in denen die Selbstständigkeit des Betriebs zwar gewahrt wird, die Arbeitnehmervertretung aber aus anderen Gründen untergeht. Dann stünden die Arbeitnehmer in diesen Fällen aber schlechter (nämlich ohne Übergangsvertretung), als wenn der Betrieb seine Selbstständigkeit verlieren würde und die übergangsweise Vertretung der Arbeitnehmer nach Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 4 RL 2001/23/EG bis zur Neubestellung oder Neubildung der Arbeitnehmervertretung sicherzustellen wäre.207 Dieses Auslegungsergebnis stünde dem Zweck des Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 4 RL 2010/23/EG entgegen, eine wenigstens übergangsweise angemessene Vertretung in all jenen Fällen zu gewährleisten, in denen die übertragene Einheit beim neuen Inhaber nicht schon aus anderen Gründen durch eine Arbeitnehmervertretung repräsentiert wird.208 Unterabsatz 2 ist daher lediglich als eine (rein deklaratorische) Ausnahme von der in Unterabsatz 1 angeordneten Mandatskontinuität für jene Fälle zu sehen, in denen nach nationalem Recht ohnehin neu gewählt werden kann, der Untergang der Arbeitnehmervertretung also nicht im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang steht.209 Daraus ergibt sich, dass die unterschiedlichen Bestimmungen des Art. 6 Abs. 1 RL 2001/23/EG unterstellen, dass die bisherige Arbeitnehmervertretung grundsätzlich fortbesteht, wenn die Selbstständigkeit des Betriebs oder Betriebsteils gewahrt bleibt, so dass für die Sicherung einer übergangsweisen Vertretung nach Unterab-
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Willemsen/Annuß, NJW 1999, 2073, 2077 (noch zu dem wortgleichen Art. 5 Abs. 1 RL 77/187/EWG). 208 Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 12; B. Gaul, BB 1999, 582, 584; v. Roetteken, NZA 2001, 414, 421; Widlak, ZIP 1998, 1328, 1329. 209 v. Roetteken, NZA 2001, 414, 421, 422.
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satz 4 kein Bedarf ist.210 Im Umkehrschluss folgt daraus, dass eine übergegangene Einheit immer dann ihre Selbstständigkeit i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 RL 2001/23/EG verliert, wenn sie die Voraussetzungen für den Fortbestand des bisherigen Betriebsrats nicht mehr erfüllt.211 Der Begriff der Selbstständigkeit erfasst folglich allein die für den Fortbestand des Betriebsrats wesentlichen Strukturmerkmale212 und entspricht damit dem in Deutschland für den Fortbestand des Betriebsrats maßgeblichen Begriff der Betriebsidentität.213 b) „Wahrung der Selbstständigkeit“ i.S.d. Richtlinie als Wahrung des Wahlbezirks Eine im Ergebnis andere Schlussfolgerung zieht Düwell. Zwar geht auch er davon aus, dass sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 RL 2001/23/EG ergebe, dass es für den Fortbestand der Arbeitnehmervertretung auf das Recht des Mitgliedstaats ankommen soll, die „Selbstständigkeit“ in Deutschland mithin als „Betriebsidentität“ zu verstehen sei.214 Allerdings weicht er in der Definition der „Betriebsidentität“ für den Anwendungsbereich der Richtlinie von der herrschenden Meinung ab. Entscheidend für den Fortbestand des Betriebsrats sei nicht der Erhalt der wesentlichen Strukturmerkmale des Betriebs. Vielmehr müsse es für die Wahrung der „Selbstständigkeit“ i.S.d. Richtlinie darauf ankommen, ob die nationalen Bedingungen für die Bildung der Arbeitnehmervertretung noch immer erfüllt werden.215 Da das deutsche Betriebsverfassungsgesetz in §§ 7, 8 i.V.m. § 24 Nr. 4 BetrVG davon ausgehe, der Wahl- und Vertretungsbezirk der Betriebsstätte müsse identisch bleiben, komme es für die Identitätswahrung folglich darauf an, ob der Wahl- und Repräsentationsbezirk, für den die Arbeitnehmervertretung gewählt worden ist, noch mit dem identisch sei, der gelten würde, wenn für die übergegangene Organisationseinheit sofort Neuwahlen anberaumt werden müssten.216 Düwell beschränkt die Identitätsprüfung damit „auf den Vergleich: Wie sah der Wahlbezirk Betrieb bei der letzten Wahl aus und wie wird er bei einer Neuwahl aussehen?“.217 Ergebe dieser Vergleich eine Abweichung, habe der 210 Willemsen/Annuß, NJW 1999, 2073, 2078 (noch zu dem wortgleichen Art. 5 Abs. 1 RL 77/187/EWG). 211 Willemsen/Annuß, NJW 1999, 2073, 2078 (noch zu dem wortgleichen Art. 5 Abs. 1 RL 77/187/EWG). 212 Willemsen/Annuß, NJW 1999, 2073, 2078 (noch zu dem wortgleichen Art. 5 Abs. 1 RL 77/187/EWG). 213 I.E. ebenso Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 12; B. Gaul, BB 1999, 582, 584; v. Roetteken, NZA 2001, 414, 421; Hanau/Vossen, FS Hilger/Stumpf, S. 271, 274 (noch zu dem wortgleichen Art. 5 Abs. 1 RL 77/187/EWG); Willemsen/Annuß, NJW 1999, 2073, 2078 (noch zu dem wortgleichen Art. 5 Abs. 1 RL 77/187/EWG). 214 Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 12. 215 Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 12. 216 Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 12. 217 Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 12.
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übergegangene Betrieb seine Selbstständigkeit im Sinne der Betriebsübergangsrichtlinie verloren. Das Argument, das entscheidend gegen diese Auslegung des Begriffs der „Selbstständigkeit“ spricht, folgt unmittelbar aus ihrer Begründung. Dass es für den Fortbestand des Betriebsrats auf die Identität des Wahl- und Vertretungsbezirks ankomme, folgert Düwell nämlich aus §§ 7, 8 i.V.m. § 24 Nr. 4 BetrVG.218 § 24 BetrVG regelt aber das Erlöschen der Mitgliedschaft der einzelnen Betriebsratsmitglieder, nicht aber das des Organs. Damit haben §§ 7, 8 i.V.m. § 24 Nr. 4 BetrVG keine Auswirkung auf die Identität des Betriebsrats als Organ, die Düwell aber selbst als entscheidend für die Wahrung der Selbstständigkeit i.S.d. Richtlinie anerkennt219. Die Ansicht Düwells kann aus diesem Grund nicht überzeugen. 3. Zwischenergebnis: Vorrang der Kontinuität des Betriebsrats keine Folge des Vorrangs des Gemeinschaftsrechts Der Begriff der „Selbstständigkeit“ im Sinne der Richtlinie entspricht dem in Deutschland für den Fortbestand des Betriebsrats maßgeblichen Begriff der Betriebsidentität.220 Damit folgt auch aus Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 RL 2001/23/EG nicht der Vorrang der Betriebsratskontinuität vor dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit, da dieser den Fortbestand des Betriebsrats nicht absolut anordnet, sondern den Fortbestand der Arbeitnehmervertretung von der Wahrung der Selbstständigkeit des übergegangenen Betriebs oder Betriebsteils abhängig macht. Das Gemeinschaftsrecht enthält demnach kein Gebot, nach welchem dem Grundsatz der Betriebsratskontinuität der unbedingte Vorrang vor dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit des Betriebsrats zukäme. Im Gegenteil: Auch nach der Richtlinie 2001/23/EG setzt die Kontinuität der Arbeitnehmervertretung in Deutschland die Wahrung der betrieblichen Identität voraus.
III. Vorrang der Betriebsratskontinuität zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen? Die Anerkennung des unbedingten Vorrangs der Betriebsratskontinuität könnte schließlich notwendig sein, um Wertungswidersprüche zu vermeiden, da die Betriebsbezogenheit des Betriebsratsamts nach herrschender Meinung nicht zwingend ist. Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit wird insbesondere 218
Vgl. Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 12. Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 12. 220 B. Gaul, BB 1999, 582, 584; v. Roetteken, NZA 2001, 414, 421; Hanau/Vossen, FS Hilger/Stumpf, S. 271, 274 (noch zu dem wortgleichen Art. 5 Abs. 1 RL 77/187/EWG); Willemsen/Annuß, NJW 1999, 2073, 2078 (noch zu dem wortgleichen Art. 5 Abs. 1 RL 77/187/ EWG). 219
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für den Fall gemacht, dass eine betriebliche Umstrukturierung vor einer Betriebsratswahl zu einer neuen Betriebsabgrenzung führt, der Wahlvorstand dies aber nicht erkennt und einen Betriebsrat für die alte Repräsentationseinheit wählen lässt. Eine solche Wahl ist – sofern die Verkennung des Betriebsbegriffs nicht offensichtlich war – nach einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar.221 Da von der herrschenden Meinung in diesem Fall über die wahren Betriebsstrukturen hinweggesehen wird, ist insbesondere Kreutz davon ausgegangen, es sei zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen notwendig, der Betriebsratskontinuität generell den Vorrang gegenüber der Betriebsbezogenheit einzuräumen.222 1. Bloße Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl bei fehlerhafter Betriebsabgrenzung Eine Wahl, die unter Verkennung des Betriebsbegriffs (§§ 1, 4 BetrVG) durchgeführt wird, verletzt die Vorschriften über das Wahlrecht, weil an ihr Arbeitnehmer beteiligt werden, die bei richtiger Betriebsabgrenzung nicht wahlberechtigt wären, oder aber Arbeitnehmer von ihr ausgeschlossen werden, die an sich zu beteiligen wären.223 Sie kann auch die Vorschriften über die Wählbarkeit verletzen, weil auf diese Weise Kandidaten zur Wahl stehen können, die bei richtiger Betriebsabgrenzung einem anderen Betrieb zuzuordnen wären, in dem betreffenden Betrieb also nicht kandidieren dürften, oder umgekehrt.224 Gleichzeitig führt eine solche Wahl zur Verletzung des Grundsatzes der Betriebsbezogenheit, weil der Betriebsrat für eine Einheit gewählt wird, die den tatsächlichen betrieblichen Strukturen nicht entspricht. Dennoch ist eine solche Wahl nicht nichtig, sondern nach ständiger Rechtsprechung und herr221
Vgl. BAG Beschl. v. 24. 1. 1964, 1 ABR 14/63, BAGE 15, 235 = AP Nr. 6 zu § 3 BetrVG 1952; Beschl. v. 17. 1. 1978, 1 ABR 71/76, BAGE 30, 12 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972, unter II 2 der Gründe; Urt. v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/03, BAGE 109, 1 = AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter I 1 der Gründe; Beschl. v. 19. 11. 2003, 7 ABR 25/03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972 = BAGReport 2004, 156, unter C I 2 der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 19 Rn. 5; Franzen, GKBetrVG, § 1 Rn. 45; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 164; Koch, ErfK, BetrVG, § 19 Rn. 4; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rn. 139; G. Müller, FS Schnorr v. Carolsfeld, S. 367, 395; Nicolai, HSWGN, BetrVG, § 21 Rn. 42; Nießen, Fehlerhafte Betriebsratswahlen, S. 39; Preis, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 1 Rn. 59; Reichold, HWK, BetrVG, § 19 Rn. 25; Rieble/Triskatis, NZA 2006, 233; Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 19 Rn. 10; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 73; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 19 Rn. 8. 222 Kreutz, FS Wiese, S. 241 f.; ders., FS Kraft, S. 323, 338; Kreutz/Wiese, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 21 Rn. 40 ff. 223 Hierzu Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 19 Rn. 11 f.; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rn. 22; Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 19 Rn. 5; Reichold, HWK, BetrVG, § 19 Rn. 6; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 6. 224 Hierzu BAG Beschl. v. 28. 11. 1977, 1 ABR 40/76, BAGE 29, 398 = AP Nr. 2 zu § 8 BetrVG 1972, unter II 2 a der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 19 Rn. 15 f.; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rn. 23; Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 19 Rn. 8; Reichold, HWK, BetrVG, § 19 Rn. 8; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 7.
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schender Literaturmeinung lediglich gem. § 19 Abs. 1 BetrVG anfechtbar.225 Nichtig ist damit insbesondere weder die Wahl aufgrund fehlerhafter Zuordnung oder Nichtzuordnung von Betriebsteilen zum Hauptbetrieb noch die Wahl eines gemeinsamen Betriebsrats durch zwei eigentlich selbstständige Betriebe oder (umgekehrt) die Wahl von mehreren Betriebsräten, wenn in Wirklichkeit ein einheitlicher Betrieb vorliegt.226 Wird die Wahl innerhalb der kurzen Zwei-Wochen-Frist erfolgreich angefochten, hat dies im Gegensatz zur Nichtigkeit ipso iure keine rückwirkende Kraft, sondern wirkt nur für die Zukunft.227 Die Handlungen, die der Betriebsrat bereits vorgenommen hat, sind rechtwirksam, so dass beispielsweise auch Betriebsvereinbarungen, die bis zum rechtskräftigen Abschluss des Anfechtungsverfahrens ergangen sind, gültig bleiben.228 Wird die Wahl dagegen nicht innerhalb der Frist des § 19 Abs. 2 S. 2 BetrVG wirksam angefochten, erstreckt sich das Mandat des Betriebsrats für die gesamte Amtsperiode auf den fehlerhaft abgegrenzten Betrieb. Vom Betriebsrat vertreten werden in diesem Fall folglich auch diejenigen Arbeitnehmer, die nach richtiger Abgrenzung nicht zum Betrieb gehören, während gleichzeitig Arbeitnehmer, die an sich dem Betrieb zuzuordnen wären, von der Vertretung durch den Betriebsrat für die gesamte Wahlperiode ausgeschlossen sind.229
225 BAG Beschl. v. 24. 1. 1964, 1 ABR 14/63, BAGE 15, 235 = AP Nr. 6 zu § 3 BetrVG 1952; Beschl. v. 17. 1. 1978, 1 ABR 71/76, BAGE 30, 12 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972, unter II 2 der Gründe; Urt. v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/03, BAGE 109, 1 = AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter I 1 der Gründe; Beschl. v. 19. 11. 2003, 7 ABR 25/ 03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972 = BAGReport 2004, 156, unter C I 2 der Gründe; Etzel, Betriebsverfassungsrecht, S. 76; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 19 Rn. 5; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 45; Hanau/Adomeit, Arbeitsrecht, S. 95; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 164; Koch, ErfK, BetrVG, § 19 Rn. 4; Kreutz, GKBetrVG, § 19 Rn. 138; G. Müller, FS Schnorr v. Carolsfeld, S. 367, 395; Nicolai, HSWGN, BetrVG, § 21 Rn. 42; Reichold, HWK, BetrVG, § 19 Rn. 25; Rieble/Triskatis, NZA 2006, 233; Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 19 Rn. 10; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 73; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 19 Rn. 8. 226 BAG Beschl. v. 11. 4. 1978, 6 ABR 22/77, AP Nr. 8 zu § 19 BetrVG 1972 = DB 1978, 1452, unter II 2 der Gründe; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rn. 139; Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 19 Rn. 11. 227 BAG Beschl. v. 13. 3. 1991, 7 ABR 5/90, BAGE 67, 316 = AP Nr. 20 zu § 19 BetrVG 1972; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 19 Rn. 49; Kreutz, GKBetrVG, § 19 Rn. 117; Nicolai, HSWGN, BetrVG, § 19 Rn. 35; Reichold, HWK, BetrVG, § 19 Rn. 21; Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 19 Rn. 34; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 62. 228 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 19 Rn. 50; Kreutz, GKBetrVG, § 19 Rn. 117; Nicolai, HSWGN, BetrVG, § 19 Rn. 35; Reichold, HWK, BetrVG, § 19 Rn. 21. 229 Kleveman, AuR 1989, 356, 358.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
2. Wertungswiderspruch Damit ergibt sich folgendes Bild: Wird eine betriebliche Umstrukturierung, die zum Verlust der Betriebsidentität führt, vor einer Betriebsratswahl durchgeführt, verkennt der Wahlvorstand aber den Identitätsverlust und lässt den Betriebsrat dennoch für die fehlerhaft abgegrenzte Einheit wählen, bleibt der Betriebsrat für die volle Amtsperiode für diese (fehlerhaft abgegrenzte) Einheit im Amt, sofern der Identitätsverlust nicht offensichtlich war und die Wahl nicht angefochten wird. Wird eine betriebliche Umstrukturierung, die zum Verlust der Betriebsidentität führt, dagegen nach einer Betriebsratswahl durchgeführt, endet das Amt des Betriebsrats, weil er sich nicht mehr auf den Betrieb bezieht, für den er gewählt wurde. Während also bei der „anfänglich“ fehlerhaften Betriebsabgrenzung aus Gründen der Rechtssicherheit „über die wahren betrieblichen Strukturen hinweggesehen“ und der Betriebsratskontinuität der Vorrang gegenüber der Betriebsbezogenheit eingeräumt wird230, soll das Amt des Betriebsrats bei der „nachträglich“ fehlerhaften Betriebszuordnung aufgrund des zwingenden Prinzips der Betriebsbezogenheit enden231. Die Frage, ob die Existenz des Betriebsrats an die tatsächlichen betrieblichen Strukturen gebunden ist oder nicht, wird damit je nach dem Zeitpunkt, in welchem die Veränderung der Betriebsstruktur eingetreten ist, unterschiedlich beantwortet. Das ist in der Tat schwer erklärbar.232 Warum die Rechtssicherheit zu betonen ist, wenn die Betriebsabgrenzung von Anfang an fehlerhaft war, die wahren betrieblichen Strukturen dagegen den Ausschlag geben sollen, wenn sie erst nachträglich fehlerhaft geworden ist, leuchtet nicht ein. Zumal sich auch gut (umgekehrt) argumentieren ließe, dass die Arbeitnehmer bei einer „anfänglich“ fehlerhaften Betriebsabgrenzung weniger schutzwürdig seien als bei einer solchen, die erst nach längerer Amtszeit des Betriebsrats eintritt, weil nur im letzten Fall der Gedanke des Bestandsschutzes tatsächlich zum Tragen kommt.233 3. Lösung durch die Anerkennung des Vorrangs der Betriebsratskontinuität Insbesondere Kreutz ist zum früheren Recht davon ausgegangen, dieser Wertungswiderspruch könne nur in der Weise aufgelöst werden, dass dem Grundsatz der Betriebsratskontinuität bei der Frage nach den Auswirkungen von Betriebsumstrukturierungen auf das Mandat des Betriebsrats stets der Vorrang vor dem Grundsatz
230
BT-Drucks. VI/2729, S. 21; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rn. 15; Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 19 Rn. 1; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 2. 231 s. oben S. 26 f. 232 Vgl. Kleveman, AuR 1989, 356, 358; Kreutz, FS Wiese, S. 241 f.; ders., FS Kraft, S. 323, 338; Kreutz/Wiese, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 21 Rn. 40 ff. 233 Kreutz, FS Wiese, S. 235, 242; Wiese/Kreutz, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 21 Rn. 43.
B. Der Grundsatz der Betriebsratskontinuität
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der Betriebsbezogenheit eingeräumt werde.234 Eine Auflösung des Wertungswiderspruchs in die andere Richtung, also durch die ausnahmslose Anerkennung des Vorrangs der Betriebsbezogenheit, komme nicht in Betracht, weil das Gesetz die Wahl des Betriebsrats für eine volle Amtsperiode vorschreibe und Neuwahlen nach Betriebsumstrukturierungen gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen seien.235 Damit habe sich der Gesetzgeber für den Vorrang der Betriebsratskontinuität entschieden.236 4. Lösung des Gesetzes Jedenfalls unter der Geltung des reformierten Betriebsverfassungsgesetzes ist diese Lösung – wie Kreutz selbst auch klargestellt hat – nicht mehr haltbar.237 Mit der Einführung des befristeten Übergangsmandats in § 21a BetrVG hat sich der Gesetzgeber der Problematik angenommen und eine gesetzliche Entscheidung gegen die vorrangige Sicherung der Amtskontinuität des Betriebsrates für eine volle Amtsperiode getroffen. Bei Betriebsumstrukturierungen, die zum Verlust der Betriebsidentität führen, bleibt der Betriebsrat nach neuer Rechtslage gem. § 21a BetrVG nur übergangsweise, nicht aber für eine volle Amtsperiode im Amt. Der das Übergangsmandat ausübende Betriebsrat hat nach § 21a Abs. 1 S. 2 BetrVG die vorrangige Aufgabe, unverzüglich Wahlvorstände zu bestellen, damit die Betriebsratsstrukturen möglichst schnell an die neuen Betriebsstrukturen angepasst werden können.238 Nach § 21a Abs. 1 S. 3 BetrVG endet das Übergangsmandat, sobald in den Betriebsteilen ein neuer Betriebsrat gewählt und das Wahlergebnis bekannt gegeben ist. Entscheidet sich die Belegschaft gegen Neuwahlen, endet das Übergangsmandat spätestens sechs Monate nach Wirksamwerden der Umstrukturierung (§ 21a Abs. 1 S. 3 BetrVG), wenn es nicht durch Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag (einmalig) um weitere sechs Monate verlängert wird (§ 21a Abs. 1 S. 4 BetrVG). Damit hat der Gesetzgeber anerkannt, dass betriebliche Umstrukturierungen die Betriebsidentität berühren und so zu einem vorzeitigen Ende des regulären Betriebsratsmandats führen können.239 Gleichzeitig ist die Betonung der Betriebsratskontinuität für eine volle Amtsperiode mit der Einführung des § 21a BetrVG aber auch nicht mehr notwendig, um sofortige Betriebsratslosigkeit bei unternehmensinternen Betriebsumstrukturierungen zu vermeiden, da nun das Übergangsmandat die Amtskontinuität für den Übergangszeitraum sichert.
234 Vgl. Kreutz, FS Kraft, S. 323, 338; ders., FS Wiese, S. 235, 241 ff.; Wiese/Kreutz, GKBetrVG, 6. Aufl., § 21 Rn. 43. 235 Wiese/Kreutz, GK-BetrVG, 6. Aufl., § 21 Rn. 43. 236 Kleveman, AuR 1989, 356, 358; Kreutz, FS Wiese, S. 235, 242. 237 Kreutz, GS Sonnenschein, S. 828, 836; ders., GK-BetrVG, § 21a Rn. 7, 16. 238 Kreutz, GS Sonnenschein, S. 828, 836; U. Fischer, RdA 2005, 39, 41. 239 Düwell, Düwell, HaKo-BetrVG, § 21a Rn. 3; Kreutz, GS Sonnenschein, S. 828, 836; ders., GK-BetrVG, § 21a Rn. 7.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
5. Zwischenergebnis: Kein Vorrang der Betriebsratskontinuität zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen Auch aus dem Wertungswiderspruch zur bloßen Anfechtbarkeit von Betriebsratswahlen bei fehlerhafter Betriebsabgrenzung folgt nicht der unbedingte Vorrang des Grundsatzes der Betriebsratskontinuität vor dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit. Vielmehr folgt auch hier das Gegenteil aus den gesetzlichen Wertungen: Die im Gesetz ausdrücklich hervorgehobene Verpflichtung der Übergangsvertretung, unverzüglich Wahlvorstände zu bestellen, belegt das Bestreben des Gesetzgebers, den wahren Betriebsstrukturen entsprechende Vertretungsstrukturen einzurichten und dadurch dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit gerecht zu werden.240 Wenn dieses Ergebnis auch im Widerspruch zur Annahme des Fortbestands eines Betriebsrats, der unter Verkennung des Betriebsbegriffs gewählt wurde, steht, so kann dieser Widerspruch doch nicht durch die Anerkennung des Vorrangs der Betriebsratskontinuität aufgelöst werden. Denn „dieser Entscheidung des Gesetzgebers schuldet der Rechtsanwender Gehorsam“.241
IV. Fazit: Betriebsratskontinuität setzt Betriebsbezogenheit voraus Der Grundsatz der Betriebsratskontinuität hat keinen Vorrang gegenüber dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit. Ein solcher Vorrang ist weder Normzweck der für die Betriebsidentität bedeutungslosen Vorschrift des § 613a BGB, noch folgt er aus dem Gemeinschaftsrecht. Schließlich kann auch der Wertungswiderspruch zwischen der Betriebsidentitätslehre und der Annahme der Betriebsratskontinuität bei fehlerhafter Betriebsabgrenzung jedenfalls seit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes nicht mehr durch die Anerkennung des generellen Vorrangs der Betriebsratskontinuität aufgelöst werden. Vielmehr verfolgt auch die Ausnahmeregelung des § 21a BetrVG das Ziel, durch die Sicherung einer Übergangsvertretung und die Anordnung der sofortigen Bestellung eines Wahlvorstands die unverzügliche Anpassung der Betriebsvertretung an die tatsächlichen Strukturen des Betriebs zu ermöglichen. Der Grundsatz der Betriebsratskontinuität steht der Geltungsberechtigung der Lehre von der Betriebsidentität folglich nicht entgegen. Der Erhalt der Betriebsidentität ist vielmehr Voraussetzung für die Kontinuität des Betriebsrats. Dieses Ergebnis stimmt mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts überein, nach der der „Grundgedanke der Kontinuität der betriebsverfassungsrechtlichen Interessenvertre-
240 241
Kreutz, GS Sonnenschein, S. 828, 836. Kreutz, GS Sonnenschein, S. 828, 836.
C. Die gewillkürte Betriebsverfassung
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tung besagt, dass der Betriebsrat […] in den Grenzen der Einheit des Betriebs […] die ihm zustehenden betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben wahrnehmen soll“.242
C. Die Lehre von der Betriebsidentität und die gewillkürte Betriebsverfassung nach § 3 BetrVG Schließlich stellt sich die Frage, ob die durch das Betriebsverfassungsreformgesetz neu gefasste Vorschrift des § 3 BetrVG der Geltungsberechtigung der Lehre von der betrieblichen Identität entgegensteht. Nach dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit des Betriebsverfassungsgesetzes ist der Betrieb die Basiseinheit der Betriebsverfassung und damit zugleich Angelpunkt der Arbeitnehmervertretung.243 Aus diesem Grund ist für die Bestimmung der betrieblichen Identität an den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff anzuknüpfen. Die strenge Anbindung des Betriebsrats an den Betrieb hat der Gesetzgeber in § 3 BetrVG allerdings aufgelöst. Dieser lässt es in bestimmten Grenzen zu, dass Arbeitnehmervertretungen in anderen, von den Tarif- oder Betriebsparteien geschaffenen Organisationseinheiten errichtet werden. Im Zuge der Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 2001 wurden die schon nach altem Recht bestehenden Möglichkeiten, eine gewillkürte Betriebsverfassung zu schaffen, noch erheblich erweitert.244 Insbesondere den Tarifparteien ist es nun möglich, die „betriebsratsfähige Einheit“ durch Tarifvertrag selbst und ohne Bindung an eine staatliche Genehmigung zu definieren.245 Mit der auf diese Weise möglichen Lösung der Arbeitnehmervertretung von der Basiseinheit Betrieb scheint die Geltungsberechtigung der Lehre von der betrieblichen Identität in Frage gestellt. Denn wenn selbst die Errichtung des Betriebsrats nicht mehr an den Betrieb als Existenzgrundlage gebunden ist, ist es jedenfalls auf den ersten Blick widersprüchlich, seinen Fortbestand von der Wahrung der betrieblichen Identität abhängig zu machen. Zudem stellt sich die Frage, ob die gesetzliche 242
BAG Urt. v. 23. 11. 1988, 7 AZR 121/88, BAGE 60, 191 = AP Nr. 77 zu § 613a BGB, unter I 2 b aa der Gründe; vgl. auch Beschl. v. 31. 5. 2000, 7 ABR 78/98, BAGE 95, 15 = AP Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter B IV 2 a bb der Gründe („betriebsbezogene Kontinuität betriebsverfassungsrechtlicher Interessenvertretung“); für den Vorrang des Grundsatzes der Betriebsbezogenheit i.E. auch Haag, Umstrukturierung und Betriebsverfassung, S. 166 f. 243 s. oben S. 26 f. 244 Däubler, DB 2005, 666; Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532; Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 1; Kania/Klemm, RdA 2006, 22; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 1 ff.; Teusch, NZA 2007, 124; Thüsing, ZIP 2003, 693; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 1. 245 Däubler, DB 2005, 666; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 3; Plander, NZA 2002, 483, 484; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 5; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 1.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
Ausnahme vom Grundsatz der Betriebsbezogenheit der Bestimmbarkeit der betrieblichen Identität entgegensteht, da die Möglichkeit der gewillkürten, von dem gesetzlichen Anknüpfungspunkt „Betrieb“ gerade unabhängigen Bestimmung der betriebsratsfähigen Einheit die Benennung jener Merkmale, nach denen Verlust oder Fortbestand der betrieblichen Identität zu beurteilen ist, unmöglich zu machen scheint. Vor diesem Hintergrund ist zu überprüfen, ob die Abhängigkeit des Mandats des Betriebsrats von der Identität des Betriebs trotz der Gestaltbarkeit der Betriebsverfassung gerechtfertigt ist und ob die im zweiten Teil dieser Arbeit vorgenommene Bestimmung von Kreis und Rangfolge der Merkmale der betrieblichen Identität vor der Regelung des § 3 BetrVG Bestand haben kann. Ist dies zu bejahen, stellt sich hinsichtlich der nach § 3 Abs. 1 BetrVG errichteten Arbeitnehmervertretungen außerdem die Frage, wie sich ein Betriebsübergang auf solchermaßen geschaffene Betriebsvertretungen auswirkt. Hängt die Kontinuität des Betriebsratsamts auch bei der Übernahme oder Umstrukturierung tarifvertraglich geschaffener betriebsratsfähiger Einheiten von der Wahrung der Betriebsidentität ab? Lässt sich die betriebliche Identität einer solchen Einheit überhaupt abstrakt definieren?
I. „Betriebliche Identität“ vor dem Hintergrund der durch § 3 BetrVG gewährten Freiheit bei der Gestaltung der Betriebsverfassung Ob die Abhängigkeit des Betriebsratsmandats vom Fortbestand der betrieblichen Identität gerechtfertigt ist, obwohl das Gesetz mit § 3 Abs. 1 BetrVG Ausnahmen vom Grundsatz der Betriebsbezogenheit zulässt, hängt ebenso wie die Frage, ob die im zweiten Teil dieser Arbeit vorgenommene Bestimmung der betrieblichen Identität vor dem Hintergrund der Gestaltbarkeit der Betriebsverfassung Bestand haben kann, von zwei Gesichtspunkten ab: einerseits davon, wie sehr die Tarif- und Betriebsparteien bei der Gestaltung der Betriebsverfassung von dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff abweichen dürfen, und andererseits von der Gesetzestechnik, mit welcher die kollektivvertragliche Ersetzung des Betriebs als Substrat des Betriebsrats methodisch verwirklicht wird. Beides ist im Folgenden zu untersuchen. 1. Gestaltungsmöglichkeiten nach § 3 BetrVG § 3 Abs. 1 BetrVG erlaubt es den Tarifparteien, den Betrieb als Organisationsbasis für die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung zu ersetzen. Besteht hierzu keine tarifliche Regelung und gilt auch kein anderer Tarifvertrag, können die Betriebsparteien von dieser Möglichkeit Gebrauch machen (§ 3 Abs. 2 BetrVG).246 Ist auch eine Regelung durch die Betriebsparteien nicht möglich, weil in dem Unter246 Nur die Schaffung anderer Arbeitnehmervertretungsstrukturen nach Nr. 3 bleibt ausschließlich einer Regelung durch Tarifvertrag vorbehalten.
C. Die gewillkürte Betriebsverfassung
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nehmen kein Betriebsrat besteht, können die Arbeitnehmer die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BetrVG beschließen (§ 3 Abs. 3 BetrVG). Die auf Grund eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung gebildete Organisationseinheit tritt an die Stelle des Betriebs (§ 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG), die in ihr gewählte Arbeitnehmervertretung hat die Rechte und Pflichten des Betriebsrats (§ 3 Abs. 5 S. 2 BetrVG). Die verschiedenen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG bestehenden Möglichkeiten der Betriebsersetzung sind darauf zu untersuchen, wie groß der Gestaltungsspielraum ist, den sie den Tarif- und Betriebsparteien bei der Abgrenzung des betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationsbereichs gewähren. Je stärker das Gesetz die Tarif- und Betriebsparteien an die Vorgaben des betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriffs bindet, desto eher wird auch die gewillkürte Betriebsverfassung dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit entsprechen. Je größer dagegen die Freiheiten sind, die das Gesetz den Tarif- und Betriebsparteien bei der Betriebsersetzung gewährt, desto beträchtlicher ist der Widerspruch zwischen der Vorschrift des § 3 BetrVG und dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit, durch den die Geltungsberechtigung der Lehre von der betrieblichen Identität in Frage gestellt wird. Neben der Befugnis, den Betrieb als Basis der Arbeitnehmerrepräsentation zu ersetzen, haben die Tarif- und Betriebsparteien die Möglichkeit, zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Gremien und Vertretungen der Arbeitnehmer einzurichten (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BetrVG). Bei diesen zusätzlichen Gremien handelt es sich im Gegensatz zu den nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG errichteten Arbeitnehmervertretungen jedoch nicht um echte Mitbestimmungsorgane.247 Das folgt daraus, dass § 3 Abs. 5 BetrVG, nach dem die vertraglich vereinbarte Organisationseinheit den Betrieb als Repräsentationsbereich ersetzt, auf die zusätzlichen Gremien nicht anzuwenden ist. Die zusätzlichen Gremien treten damit nicht an die Stelle des Betriebsrats, so dass die Mitbestimmung durch sie nicht verlagert, sondern lediglich der Erfahrungsaustausch der Arbeitnehmervertreter (untereinander oder mit der Belegschaft) verbessert wird.248 Da durch die Errichtung zusätzlicher Gremien mithin keine vom Gesetz abweichende Betriebsratsstruktur geschaffen wird, stehen sie von vornherein nicht im Widerspruch zum Grundsatz der Betriebsbezogenheit oder der Lehre von der betrieblichen Identität. Bei der Untersuchung der Frage, ob die Gestaltungsmöglichkeiten nach § 3 Abs. 1 BetrVG der Abhängigkeit des Betriebsrats von der Iden247
Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 533; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur und Umstrukturierung, S. 43; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 176 f.; Kort, AG 2003, 13, 17; Koch, ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 7; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 44; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 139; ders., NZA 2007, 124, 128; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 2; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 156. 248 Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 533; Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 24; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 43; Koch, Schaub, ArbR-Hdb., § 216 Rn. 12; ders., ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 7; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 139; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 156.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
tität des Betriebs und der Bestimmbarkeit der Betriebsidentität entgegenstehen, können die nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BetrVG zu bildenden Gremien daher außer Betracht bleiben. a) Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats, § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BetrVG aa) Aufhebung der Unterscheidung zwischen Betrieb und Unternehmen § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BetrVG ermöglicht die Schaffung eines einheitlichen Repräsentationsbereichs für sämtliche Betriebe eines Unternehmens. Machen die Tarifoder Betriebsparteien von dieser Möglichkeit Gebrauch, entsteht ein „Unternehmensrat“.249 Die Bildung eines Gesamtbetriebsrats entfällt, da nur noch ein Repräsentationsgremium im Unternehmen existiert.250 Der unternehmenseinheitliche Betriebsrat hat sämtliche Rechte und Pflichten, die sich Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat sonst nach Maßgabe des § 50 BetrVG teilen.251 Für die gewillkürte Betriebsverfassung wird die betriebsverfassungsrechtliche Unterscheidung zwischen Betrieb und Unternehmen dadurch irrelevant.252 bb) Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten durch das Erfordernis der Dienlichkeit Zulässig ist die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats nach dem Wortlaut des Gesetzes allerdings nur, wenn die neue Struktur „die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Erleichtert wird die Bildung von Betriebsräten durch eine einstufige Vertretungsstruktur insbesondere dann, wenn z. B. in Kleinbetrieben andernfalls die Gefahr besteht, dass kein Betriebsrat gebildet 249 Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 19; vgl. auch Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 533; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 126; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 105; ders., NZA 2007, 124, 126; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 119 f. 250 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 32; Franzen, GKBetrVG, § 3 Rn. 9; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 46; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 126, 137; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 153; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 32; Kort, AG 2003, 13, 18; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 19; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 105; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 23; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 120. 251 Vgl. Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 2. 252 Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 46; Kort, AG 2003, 13, 18; Teusch, NZA 2007, 124, 126.
C. Die gewillkürte Betriebsverfassung
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wird.253 Der sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen dient sie vor allem, wenn in dem Unternehmen eine zentrale Leitungsstelle existiert, die die Kernaufgaben in den sozialen und personellen Angelegenheiten wahrnimmt.254 Denn dann besteht regelmäßig das Bedürfnis, dort auch ein starkes Gremium der Arbeitnehmervertretung zu installieren, die für alle Arbeitnehmer zuständig ist. Dagegen dient eine neue Struktur nicht schon der sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer, wenn durch die Einrichtung eines einheitlichen Betriebsrats Kosten gespart werden oder die Arbeit der Betriebsratsmitglieder auf diese Weise erleichtert wird.255 b) Bildung eines betriebsübergreifenden Betriebsrats, § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BetrVG aa) Aufhebung der Betriebsgrenzen innerhalb eines Unternehmens § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BetrVG ermöglicht eine betriebsübergreifende Arbeitnehmervertretung im Unternehmen, indem er in Unternehmen, die über mehrere Betriebe verfügen, die Zusammenfassung einzelner Betriebe zu einer Organisationseinheit zulässt. Diese Gestaltungsmöglichkeit kann sich etwa anbieten, wenn auf lokaler oder regionaler Ebene angesiedelte Filialen oder Niederlassungen einheitlich vertreten werden sollen.256 Zusammengefasst werden können nicht nur selbstständige und un253 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 29; Franzen, GKBetrVG, § 3 Rn. 11; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 9; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 45; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 118; Kort, AG 2003, 13, 18; Plander, NZA 2002, 483, 485; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 22; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 40; Teusch, NZA 2007, 124, 126; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 29. 254 BT-Drucks. 14/5741, S. 34; Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 533; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 30; Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 11; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 45 f.; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 122 f., 134; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 154; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 33; Koch, ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 3; Kort, AG 2003, 13, 18; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 22; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 40; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 111; ders., NZA 2007, 124, 126; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 32; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 124. 255 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 31; Franzen, GKBetrVG, § 3 Rn. 8; Friese, RdA 2003, 92, 100; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 120; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 41; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 32. 256 BT-Drucks. 14/5741, S. 34; Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 533; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 34; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 155; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 36; Koch, Schaub, ArbR-Hdb., § 216 Rn. 3; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betrieb (Begriff) Rn. 5; Plander, NZA 2002, 483, 485; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 20; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 2, 25; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 121; zweifelnd unter Hinweis darauf, dass Filialen die im Vergleich zum Betrieb kleineren Einheiten seien, Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 47.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
selbstständige Betriebe, sondern auch Betriebsteile nach § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG.257 Die betrieblichen Grenzen innerhalb eines Unternehmens werden für die Bestimmung des betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationsbereichs damit irrelevant. Zu einer unternehmensübergreifenden Zusammenfassung von Betrieben kann es nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BetrVG dagegen nicht kommen. In der Literatur wird zwar teilweise für die Zulässigkeit der Zusammenfassung verschiedener Betriebe und Betriebsteile von Gemeinschaftsbetrieben zu einem einheitlichen Betriebsrat plädiert.258 Gegen diese Auffassung ist jedoch einzuwenden, dass § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ausdrücklich nur von einem Unternehmen mit mehreren Betrieben spricht.259 Zudem wird in diesen Fällen oftmals die Bildung von Spartenbetriebsräten gem. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG helfen können.260 § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erlaubt die Integration verschiedener Betriebe dagegen nur bis zur Unternehmensgrenze.261 Von § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BetrVG ebenfalls nicht erfasst ist die Möglichkeit der Zerlegung von Betrieben in rechtlich selbstständige Betriebsbestandteile.262 Die Möglichkeit dazu kann aber nach Nr. 2 oder 3 der Vorschrift bestehen.263 bb) Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten durch das Erfordernis der Dienlichkeit Auch bei der Errichtung eines betriebsübergreifenden Repräsentationsbereichs nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BetrVG verlangt das Gesetz, dass der Zusammenschluss 257 Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 131; Koch, ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 4; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 44; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 118. 258 Vgl. Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 121; in diese Richtung auch Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 26. 259 BAG Beschl. v. 10. 11. 2004, 7 ABR 17/04, AP Nr. 4 zu § 3 BetrVG 1972 = AiB 2005, 619, unter B I 3 b bb (1) der Gründe; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 109; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 153; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 44, 45; Kort, AG 2003, 13, 18; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 21. 260 BAG Beschl. v. 10. 11. 2004, 7 ABR 17/04, AP Nr. 4 zu § 3 BetrVG 1972 = AiB 2005, 619, unter B I 3 b bb (1) der Gründe; Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 10; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 26. 261 Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 21. 262 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 36; Franzen, GKBetrVG, § 3 Rn. 9; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 47; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 127; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 155; Koch, ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 4; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 21; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 90; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 122; a.A. Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 34 ff. 263 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 9; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 21; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 97.
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mehrerer Betriebe einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient oder erfolgt, um die Bildung von Betriebsräten zu erleichtern. Insofern gelten die gleichen Maßstäbe wie bei der Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a BetrVG. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BetrVG können zu diesem Zweck allerdings auch mehrere betriebsverfassungsrechtliche Einheiten gebildet werden, die jeweils aus mehreren Betrieben bestehen.264 Die Zusammenfassung der Betriebe muss also nicht zur Errichtung eines einheitlichen Betriebsrats führen, eine Vertretungsstruktur mit mehreren Betriebsräten bleibt möglich.265 c) Bildung von Spartenbetriebsräten, § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG aa) Produkt- und Projektgruppen als Abgrenzungsmerkmale für den betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationsbereich § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ermöglicht die Einrichtung sog. Spartenbetriebsräte für Unternehmen und Konzerne, wenn das Unternehmen oder der Konzern nach produktoder projektbezogenen Geschäftsbereichen, sog. Sparten, organisiert ist und die Leitung der Sparte auch Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten trifft. Für die der Sparte zugeordneten Arbeitnehmer tritt der Spartenbetriebsrat an die Stelle des im Betrieb gebildeten Betriebsrats.266 Die Möglichkeit der Bildung von Spartenbetriebsräten besteht „für Unternehmen und Konzerne“. Für den Fall, dass einer Sparte mehrere Unternehmen angehören, sollen nach der Gesetzesbegründung „auch unternehmensübergreifende Spartenbetriebsräte und Spartengesamtbetriebsräte“ gebildet werden können.267 Entsprechendes soll für einen nach Geschäftsbereichen organisierten Konzern gelten.268 Es kann mithin zu einem Spartenbetriebsrat kommen, der sich aus verschiedenen Betrieben mehrerer Konzernunternehmen zusammensetzt.269 Mit der Bezeichnung „Sparte“ nimmt das Gesetz Bezug auf einen Begriff, der ursprünglich aus der Betriebswirtschaft stammt.270 Er beschreibt eine rechtlich nicht 264
Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 43; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 106; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 25; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 121. 265 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 35; Franzen, GKBetrVG, § 3 Rn. 9; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 114; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 44. 266 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 15; Friese, RdA 2003, 92, 93; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 11; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 25. 267 BT-Drucks. 14/5741, S. 34. 268 Vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 34. 269 Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 533; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 45; Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 13; Koch, ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 5; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 51; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 37. 270 Friese, RdA 2003, 92, 93; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 49; Kort, AG 2003, 13, 16; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 26; Teusch, NZA 2007, 124, 127.
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verselbstständigte betriebs- und unternehmensübergreifende Organisationseinheit271, für die die Anknüpfung der Mitbestimmungsordnung an den Betriebsbegriff eine Erschwerung bei der Errichtung von Betriebsräten bedeutet.272 Diesen Schwierigkeiten soll § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG Abhilfe schaffen. Allerdings lässt das Gesetz die Bildung eines Spartenbetriebsrats nicht nur dort zu, wo eine Sparte in mehreren Betrieben vertreten ist und mit der Maßgabe, dass für alle Beteiligten dieser Sparte ein (betriebsübergreifender) Spartenbetriebsrat zu bilden ist. Vielmehr ermöglicht es § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG darüber hinaus, innerhalb eines Betriebs spartenbezogen mehrere Betriebsräte zu bilden, und zwar auch dort, wo Sparten überhaupt nur in einem Betrieb vertreten sind.273 Damit wird nicht nur die Möglichkeit eröffnet, die Belegschaften verschiedener Betriebe zu einer Repräsentationseinheit zusammenzufassen, sondern die Belegschaft eines Betriebs kann auch spartenmäßig zergliedert werden, mit der Konsequenz, dass mehrere Betriebsräte innerhalb eines Betriebs bestehen.274 Auch können nach dem Gesetzeswortlaut in verschiedenen Betrieben jeweils eigenständige Betriebsräte für die gleiche Sparte gebildet werden, ohne dass diese Einheiten zusammengefasst werden müssten.275 Ob darüber hinaus die Bildung von „Spartengesamtbetriebsräten“ möglich ist, wie es die Gesetzesbegründung vorsieht276, ist umstritten277. Während die Betriebs- und sogar die Unternehmenszugehörigkeit der Arbeitnehmer damit jegliche Bedeutung für ihre Zusammenfassung als Repräsentationseinheit verliert, rückt § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG durch die Anknüpfung an Produkt- und Projektgruppen Merkmale in den Vordergrund, denen nach dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff keine Bedeutung für die Abgrenzung der Repräsentationseinheit zukommt. Im Ergebnis wird der Spartenbetriebsrat den nach den sonstigen Vorschriften des Betriebsverfassungsrechts zu installierenden Betriebsrat daher häufig nicht vollständig ersetzen können, weil in der Regel nicht alle Arbeitnehmer einer
271
Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 127. 272 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 12; Friese, RdA 2003, 92, 93; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 26. 273 Friese, RdA 2003, 92, 95; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 52; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 112. 274 Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 533; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 42; Friese, RdA 2003, 92, 95; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 11; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 159; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 42; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 97. 275 Koch, ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 5. 276 BT-Drucks. 14/5741, S. 34. 277 Dafür: Friese, RdA 2003, 92, 95 f.; Kania/Klemm, RdA 2006, 22, 26; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betrieb (Begriff) Rn. 5; dagegen: Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn 45; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 51; Kort, AG 2003, 13, 20; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 52; Teusch, NZA 2007, 124, 126; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 52 f.
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Sparte zugeordnet werden können.278 Insbesondere die kaufmännischen Bereiche (Kalkulation, Vertrieb, Einkauf) und die verwaltenden Unternehmensbereiche (Personal, Planung, Organisation) lassen sich in der Regel weder einem produktbezogenen noch einem projektbezogenen Bereich zuordnen279, und unterfallen somit weiterhin dem allgemein gebildeten Betriebsrat, der all jene Mitarbeiter vertritt, die keiner Sparte zugeordnet werden können.280 bb) Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten durch die Anknüpfung an Leitungsbefugnisse bei der Abgrenzung der Sparten sowie das Erfordernis der Dienlichkeit Die Gestaltungsfreiheit bei der Bildung von Spartenbetriebsräten begrenzt das Gesetz durch die den Sparten, insbesondere deren Führungsmitarbeitern tatsächlich zugewiesenen Aufgaben.281 Denn nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG ist eine Sparte betriebsverfassungsrechtlich nur bedeutsam, wenn in ihr Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten getroffen werden. Die Bildung eines Spartenbetriebsrats kommt daher nicht in Betracht, wenn der Leitungsapparat einer im Unternehmen oder Konzern gebildeten Sparte nur ganz geringfügige Leitungsbefugnisse hat, da andernfalls die Ersetzung des gesetzlichen Betriebsrats nicht gerechtfertigt werden könnte.282 Andererseits spricht das Gesetz lediglich davon, dass die Spartenleitung „auch“ Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten trifft. Daraus ist zu schließen, dass die Spartenleitung nicht die gleichen Leitungsbefugnisse inne haben muss, wie dies nach der herrschenden Meinung für den betriebskonstituierenden einheitlichen Leitungsapparat erforderlich ist, der den wesentlichen Kern jener sozialen und personellen Angelegenheiten wahrnimmt, die der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegen.283 Nicht erforderlich ist zudem, 278
Kort, AG 2003, 13, 19 f.; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 49. Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 12. 280 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 15; Friese, RdA 2003, 92, 96 f.; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 166; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 160 f.; Kort, AG 2003, 13, 19 f.; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 34; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 118; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 38; a.A. Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 27; Teusch, NZA 2007, 124, 126; Thüsing, ZIP 2003, 693, 702; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 133 ff. 281 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 13; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 48; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 130. 282 Friese, RdA 2003, 92, 93 f.; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 51; Koch, ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 5; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 48; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 46, 49; a.A. Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 99. 283 Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 45; vgl. auch Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/ Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 40; Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 13; Friese, RdA 2003, 92, 93 f.; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 13; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 150; Teusch, Die Organisation 279
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dass die Spartenleitung Entscheidungen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten trifft, wie sich ebenfalls aus dem Wortlaut („beteiligungspflichtigen Angelegenheiten“) ergibt.284 Auf der anderen Seite muss aber auch die Bildung eines Spartenbetriebsrats nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG der sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen dienen. Die Frage, wann dies der Fall ist, ist ebenso zu beantworten wie im Rahmen der Nr. 1.285 Diese Voraussetzung ist folglich in der Regel nur dann erfüllt, wenn die Spartenleitung im Wesentlichen die Entscheidungsbefugnisse inne hat, die sonst der Betriebsleitung vorbehalten sind. Wenn die Spartenleitung also auch nicht über die gleichen Leitungsbefugnisse verfügen muss wie die Betriebsleitung, so dürfen ihre Kompetenzen doch nicht wesentlich unter denen der Betriebsleitung liegen286, da die Errichtung eines Spartenbetriebsrats andernfalls regelmäßig nicht der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dienen wird.287 d) Schaffung anderer Arbeitnehmervertretungsstrukturen, § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG aa) Lösung von bestehenden Strukturen Am deutlichsten löst § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG die Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifparteien von den gesetzlichen Mitbestimmungsstrukturen288, indem er die Schaffung „andere[r] Arbeitnehmervertretungsstrukturen“ erlaubt, soweit dies „insbesondere aufgrund der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder aufgrund anderer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen der zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient“. Durch den vollständigen Verzicht auf eine gesetzliche Anknüpfung an bestimmte, im Betrieb oder Unternehmen tatsächlich bestehende Strukturen hat der Gesetzgeber eine Generalklausel geschaffen,
der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 127; ders., NZA 2007, 124, 127; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 130. 284 B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 12; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 46. 285 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 37; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 16; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 49. 286 Ähnlich Friese, RdA 2003, 92, 93 f. 100; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 100; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 131. 287 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 40; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 51; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 158; Kort, AG 2003, 13, 21; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 106; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 46; vgl. auch Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 153 f. 288 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 168 ff.
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die den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit eines umfassenden Zugriffs auf den betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationsbereich der Arbeitnehmer eröffnet.289 bb) Begrenzung der Gestaltungsmöglichkeiten durch das Erfordernis der Dienlichkeit Eine Grenze ergibt sich wie auch in den anderen Fällen der Betriebsersetzung nach § 3 Abs. 1 BetrVG allerdings aus der Einschränkung, dass die neuen Strukturen „einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer“ dienen müssen.290 Aus der systematischen Zusammenschau mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BetrVG folgt, dass die Dienlichkeitsklausel im Fall der „anderen Arbeitnehmervertretungsstrukturen“ aufgrund der extremen Offenheit des Tatbestands des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG eng auszulegen ist.291 Voraussetzung muss sein, dass die gesetzliche Regelung auf Grund der besonderen im Tatbestand der Norm genannten Umstände den Erfordernissen einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer nicht genügt.292 Das entspricht auch der Gesetzesbegründung, die – insoweit enger als der Gesetzestext – den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG insbesondere dort eröffnet sieht, wo die Errichtung herkömmlicher Vertretungsgremien auf Grund von Sonderformen der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht generell mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist.293 In diesem Sinne kann die Schaffung „anderer Arbeitnehmervertretungsstrukturen“ insbesondere in einem Konzernverbund dienlich sein.294 So ermöglicht § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG beispielsweise im mittelständischen Konzern mit wenigen kleinen Konzernunternehmen die Errichtung einer zwei- oder gar einstufigen Interessenvertretung an Stelle der dreistufigen Struktur, die das Betriebsverfassungsgesetz vor-
289 Kritisch dazu Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 48 (“enge Auslegung geboten”); Richardi, Richardi, BetrVG § 3 Rn. 37 („Freibrief“, „der Beliebigkeit Tür und Tor geöffnet“); Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 57 („problematisch“); Thüsing, ZIP 2003, 693, 694 („recht unscharfe Kriterien“); Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 65 („generalklauselartige Offenheit“); Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 117 (teilweise fehlende „Stringenz“). 290 Teusch, NZA 2007, 124, 127 f.; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 139. 291 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 48; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 58. 292 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 48; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 61; Koch, ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 6; a.A. Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 178 f.; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation, S. 179 f. 293 Vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 34. 294 Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 36.
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sieht.295 Auf diese Weise kann ein einheitlicher Betriebsrat für mehrere Betriebe mehrerer Unternehmen errichtet werden.296 Darüber hinaus können etwa auch Arbeitnehmervertretungsstrukturen entlang der Produktionskette („just in time“) oder für andere moderne Erscheinungsformen von Produktion, Dienstleistung und Zusammenarbeit von Unternehmen wie die „fraktale Fabrik“ oder eine „shop in shop“-Organisation geschaffen werden.297 Dabei ist allerdings zu beachten, dass auch die Schaffung „anderer Arbeitnehmervertretungsstrukturen“ voraussetzt, dass gesichert ist, wer auf der Arbeitgeberseite betriebsverfassungsrechtlich als Ansprechpartner für die Arbeitnehmervertretung in Betracht kommt.298 Aufgrund der Betriebsorganisation wird die Schaffung neuer Organisationseinheiten dagegen nur in Ausnahmefällen der wirksameren und zweckmäßigeren Interessenvertretung dienen.299 In Betracht kommt dies beispielsweise, wenn der Anteil der kurzzeitig oder unregelmäßig Beschäftigten oder der Teilzeitbeschäftigten gegenüber der Stammbelegschaft besonders hoch ist300 oder Personal oder Betriebsstätte eines Betriebs kontinuierlich wechselt301. Gerade bei gewillkürten Strukturänderungen, die aufgrund der besonderen Unternehmensorganisation einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung zu dienen scheinen, ist allerdings zu beachten, dass die Einführung neuer Strukturen nicht der Grundkonzeption des Betriebsverfassungsgesetzes zuwider laufen darf, das mit der Anknüpfung an den Betrieb eine Aufgliederung in Sondervertretungen zur Durchführung von Sonderinteressen verbietet.302 e) Zusammenfassung Zwar ist der Katalog der Möglichkeiten der gewillkürten Betriebsersetzung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG abschließend, so dass keine Rechtsfreiheit der zu wählen295 Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 533; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 14; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 173; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 49; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betrieb (Begriff) Rn. 5; Kort, AG 2003, 13, 22. 296 Koch, ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 6; Richardi, Richardi, BetrVG § 3 Rn. 41. 297 BT-Drucks. 14/5741, S. 34; Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 533; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 49, 51; Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betrieb (Begriff) Rn. 5; Kort, AG 2003, 13, 22; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 137; a.A. Hohenstatt, WHSS, Rz. D 174. 298 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 174; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 85a; i.E. ebenso Friese, RdA 2003, 92, 100. 299 So Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 39. 300 Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 39; vgl. auch Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/ Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 50; Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 20; Kort, AG 2003, 13, 21; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 136. 301 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 50; Koch, ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 6; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 136; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 75. 302 Kania/Klemm, RdA 2006, 22, 23, 24; Plander, NZA 2002, 483, 485; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 40; Teusch, NZA 2007, 124, 128.
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den Form herrscht.303 Gleichwohl sind die Abweichungen vom Betriebsbegriff, die § 3 Abs. 1 BetrVG erlaubt, nicht etwa nur geringfügig: Durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG wird die Unterscheidung zwischen Betrieb und Unternehmen für die Abgrenzung der Repräsentationseinheit bedeutungslos. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG macht die Arbeitnehmervertretung mit der Anknüpfung an die Sparte von betriebsverfassungsrechtlich an sich irrelevanten Merkmalen, nämlich Produkt- und Projektgruppen, abhängig. Und § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG setzt schließlich der Phantasie bei der Abgrenzung des Repräsentationsbereichs so gut wie gar keine Grenzen mehr. Die zwingende Anknüpfung der Mitbestimmung an den Betrieb ist damit nicht nur gelockert, sondern vollständig aufgehoben. Auch die Dienlichkeitsklauseln binden die Tarif- und Betriebsparteien bei der Abgrenzung der Repräsentationseinheit nicht an den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff, da sie nur das Ziel, nämlich die gegenüber dem gesetzlich vorgesehenen Normalfall verbesserte Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen, vorgeben, nicht aber tatbestandliche Vorgaben hinsichtlich der Erreichung dieses Ziels machen. Selbst ohne näher auf Zweifelsfragen einzugehen (wie beispielsweise das Problem, ob Regelungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG nur für die Basiseinheit möglich oder auch für die höheren Ebenen erlaubt sind304), kann daher festgestellt werden, dass von einer Betriebsbezogenheit der nach § 3 Abs. 1 BetrVG möglichen Arbeitnehmervertretungen keine Rede sein kann.305 2. Gesetzestechnik: Fiktion Allein aus der nahezu uneingeschränkten Gestaltbarkeit der Betriebsverfassung durch die Tarif- und Betriebsparteien folgt jedoch nicht, dass die Abhängigkeit des Betriebsratsmandats von der Identität des Betriebs nach den Wertungen des Gesetzes nicht (mehr) gerechtfertigt wäre. Ob die durch § 3 Abs. 1 BetrVG ermöglichte Lösung des Betriebsrats vom Betrieb der Geltungsberechtigung der Lehre von der Betriebsidentität entgegensteht, hängt vielmehr entscheidend davon ab, ob § 3 BetrVG eine Aussage über die Bindung einer einmal errichteten Arbeitnehmervertretung an die Organisationseinheit, für die sie errichtet wurde, zu entnehmen ist. Auch der Bestimmung der betrieblichen Identität steht die freie Gestaltbarkeit der betriebsverfassungsrechtlich relevanten Einheit per se nicht entgegen. Ob sich die Gestaltungsfreiheit auf die Bestimmbarkeit der Betriebsidentität auswirkt, hängt vielmehr davon ab,
303 BAG Beschl. v. 10. 11. 2004, 7 ABR 17/04, AP Nr. 4 zu § 3 BetrVG 1972 = AiB 2005, 619, unter B I 3 b aa (2) der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 2; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 4; Koch, ErfK, BetrVG, § 3 Rn. 1; Teusch, Die Organisation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 104; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 2. 304 Vgl. hierzu Annuß, NZA 2002, 290, 292. 305 Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 175; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 24.
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welche Bedeutung § 3 BetrVG für den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff zukommt. a) Bedeutung des § 3 BetrVG für die Bindung einer Arbeitnehmervertretung an die ihr zugrunde liegende Einheit Darüber, wovon der Fortbestand einer Arbeitnehmervertretung abhängen oder nicht abhängen soll, ist § 3 BetrVG indes keine Aussage zu entnehmen. Mit der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG erlaubt es das Gesetz lediglich, bei der Errichtung der Arbeitnehmervertretung vom Grundsatz der Betriebsbezogenheit abzuweichen, so dass eine betriebsverfassungsrechtliche Vertretung der Arbeitnehmer auch in anderen Organisationseinheiten als der des Betriebs möglich ist.306 Allein daraus, dass das Gesetz die Arbeitnehmervertretung in ihrer Entstehung von der Repräsentationseinheit „Betrieb“ löst, folgt aber nicht ohne weiteres, dass der Fortbestand einer bereits bestehenden Arbeitnehmervertretung von dem Bestand der Einheit, für die sie errichtet wurde, unabhängig sei. Weder enthält § 3 BetrVG eine derartige ausdrückliche Regelung noch ist ihm die Wertung zu entnehmen, dass der Fortbestand der Arbeitnehmervertretung unabhängig von dem Bestand der ihr zugrunde liegenden organisatorischen Einheit zu bewerten sei. Auch wenn das Gesetz eine von der Organisationseinheit des Betriebs unabhängige Vertretungsstruktur unter Umständen als effektiver gegenüber einem an den Betrieb gebundenen Vertretungsorgan ansieht, bedeutet das also nicht, dass die Veränderung eines Betriebs, für den ein Betriebsrat gewählt wurde, die Anpassung der Betriebsvertretung an die veränderten Strukturen nicht erforderlich machen könne. Jedenfalls für den nach § 1 BetrVG errichteten Betriebsrat bleibt es daher bei der Erkenntnis, dass dieser nicht für irgendwelche Arbeitnehmer zuständig ist, sondern als Repräsentationsorgan gerade desjenigen Betriebs, für den er gebildet wurde, nur die Arbeitnehmer dieses Betriebs vertritt, weshalb sein Mandat von dem Bestand dieses Betriebs abhängt. b) Bedeutung des § 3 BetrVG für den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff Auch der Bestimmbarkeit der Betriebsidentität steht § 3 BetrVG nicht entgegen. Denn nach § 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG „gelten“ die auf Grund eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 der Vorschrift gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten als Betriebe im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes. Für eine solchermaßen vereinbarte Organisationseinheit fingiert das Gesetz also das Bestehen eines Betriebs.307 Auf die in diesen Organisa306
Kort, AG 2003, 13, 14. BAG Urt. v. 31. 5. 2007, 2 AZR 254/06, AP Nr. 65 zu § 111 BetrVG 1972 = NZA 2007, 1307, unter B I 7 c der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 76; Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 59; Friese, RdA 2003, 92, 101; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 31; Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 287; Rose, HSWGN, BetrVG, § 3 Rn. 97; Teusch, Die Organi307
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tionseinheiten gebildeten Arbeitnehmervertretungen sind nach § 3 Abs. 5 S. 2 BetrVG die Rechte und Pflichten des Betriebsrats anzuwenden. Da die Mitglieder dieser Arbeitnehmervertretungen mithin sämtliche Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats wahrnehmen, spielt es für die vertretenen Arbeitnehmer – jedenfalls was die Kompetenzen ihrer Vertretung angeht – keine Rolle, ob sie von einem herkömmlichen Betriebsrat oder von einer nach § 3 BetrVG errichteten Arbeitnehmervertretung repräsentiert werden.308 Für die Frage nach der Geltungsberechtigung der Lehre von der Betriebsidentität ist der gesetzestechnische Unterschied zwischen einem nach § 1 BetrVG errichteten Betriebsrat und einer nach § 3 BetrVG gewillkürten Vertretungsstruktur dagegen kaum zu unterschätzen. Denn indem der Gesetzgeber das Bestehen eines Betriebs in den Fällen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG lediglich fingiert, lässt er den Betriebsbegriff unangetastet.309 Obwohl die Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Grünen vom 20. 10. 1998 den Betriebsbegriff als Beispiel für die Notwendigkeit einer grundlegenden Novellierung des Betriebsverfassungsgesetzes bezeichnet hatte310, war es gerade „erklärtes Ziel“ des Reformgesetzgebers, den Betriebsbegriff des Betriebsverfassungsgesetzes nicht neu zu definieren311. Da § 3 BetrVG somit lediglich eine Ausnahme vom Grundsatz der Betriebsbezogenheit ist, mit der es der Gesetzgeber zulässt, dass die gesetzliche Mitbestimmungsordnung auch in einer anders abgegrenzten organisatorischen Einheit Geltung erlangt312, ist es nicht möglich, dem betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff durch eine kollektive Regelung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG andere Begriffsmerkmale zugrunde zu legen.313 Der Bestimmbarkeit der betrieblichen Identitätt steht § 3 BetrVG folglich nicht entgegen. 3. Zwischenergebnis: Vereinbarkeit der Lehre von der betrieblichen Identität mit § 3 BetrVG Dass die Tarif- und Betriebsparteien bei der Abgrenzung organisatorischer Einheiten, in denen Arbeitnehmervertretungen errichtet werden, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG vom betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff abweichen können, steht nicht im Widerspruch zur Lehre von der Betriebsidentität, da die Vorschrift sation der Betriebsverfassung durch Tarifvertrag, S. 104; ders., NZA 2007, 124, 126; Thüsing, ZIP 2003, 693, 701; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 146. 308 Salamon, NZA 2009, 74, 76. 309 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 76. 310 Vgl. Koalitionsvereinbarung zwischen der SPD und den Grünen vom 20. 10. 1998: Aufbruch und Erneuerung – Deutschlands Weg ins 21. Jahrhundert, AuR 1998, 467, 477. 311 Vgl. BT-Drucks. 14/5741, S. 26; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 147. 312 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 76; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 147. 313 Kort, AG 2003, 13, 14; diesbezüglich irreführend ist die Formulierung, § 3 BetrVG erlaube die „Ausgestaltung des Betriebsbegriffs“ bzw. die „Modifizierung des Betriebsbegriffs“, vgl. Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 101, 105.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
die Lösung vom Grundsatz der Betriebsbezogenheit nur für die Errichtung betriebsverfassungsrechtlicher Vertretungen zulässt. Eine allgemeine Wertung, dass bereits bestehende Arbeitnehmervertretungen in ihrem Bestand nicht an die Einheiten, in denen sie errichtet wurden, gebunden seien, ist ihr dagegen nicht zu entnehmen. Auch der Bestimmbarkeit der betrieblichen Identität steht die Regelung des § 3 BetrVG nicht entgegen. Da die Vorschrift das Bestehen von Betrieben in Fällen der gewillkürten Betriebsverfassung lediglich fingiert, haben die durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten keine Auswirkungen auf den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff und erweitern daher auch nicht den Kreis der für die Betriebsidentität maßgeblichen Kriterien. Auch vor dem Hintergrund des § 3 BetrVG kann daher an der im zweiten Teil dieser Arbeit vorgenommenen Bestimmung von Kreis und Rangfolge der Merkmale der betrieblichen Identität festgehalten werden.
II. Betriebsidentität als Voraussetzung für den Fortbestand der gewillkürten Betriebsvertretung Eine andere Frage ist es, ob die Lehre von der Betriebsidentität auf Betriebsvertretungen, die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG geschaffen wurden, anwendbar ist. Bleibt eine vertraglich errichtete Betriebsvertretung auch nach dem Übergang der Einheit, für die sie geschaffen wurde, im Amt, weil ihre Identität von einem Betriebsübergang unberührt bleibt? Lässt sich die „betriebliche“ Identität einer solchen Einheit überhaupt abstrakt definieren? 1. Ausgangspunkt: Keine besondere Regelung der Amtszeit Für die Amtszeit eines nach Maßgabe des § 3 Abs. 1 BetrVG gebildeten Betriebsrats enthält das Gesetz keine besondere Regelung. Damit greift § 3 Abs. 5 S. 2 BetrVG, nach dem auf kollektivvertraglich gebildete Arbeitnehmervertretungen die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder anzuwenden sind. Zu diesen Vorschriften gehören auch die Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes über die Amtszeit des Betriebsrats.314 Die §§ 21 ff. BetrVG und die hinsichtlich der Amtszeit des Betriebsrats bestehenden Rechtsgrundsätze gelten also für nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildete Arbeitnehmervertretungen zunächst ohne Modifikation.315
314
Thüsing, ZIP 2003, 693, 704. Thüsing, ZIP 2003, 693, 704; vgl. auch Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 82; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 64; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 76. 315
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2. Gewillkürte Betriebsvertretung und Betriebsübergang Auf die Amtszeit des in ihm nach § 1 BetrVG errichteten Betriebsrats hat der bloße Übergang eines Betriebs, wie bereits gesehen, keine Auswirkung.316 Fraglich ist, ob Gleiches für die Amtszeit einer nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildeten Arbeitnehmervertretung gilt, wenn die organisatorische Einheit, für die sie gebildet wurde, übertragen wird. Bleibt beispielsweise ein nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG geschaffener Spartenbetriebsrat im Amt, wenn die betreffende Sparte im Wege des Teilbetriebsübergangs nach § 613a BGB auf einen anderen Arbeitgeber übertragen wird? Vor dem Hintergrund der Regelung des § 3 Abs. 5 S. 2 BetrVG könnte ein Abweichen von der allgemeinen Lösung, nach der sich ein Betriebsübergang auf den Bestand des Betriebsrats nicht auswirkt, nur mit den Besonderheiten der gewillkürten Betriebsverfassung gerechtfertigt werden. a) Besonderheiten bei tariflicher Regelung Bei tarifvertraglich vereinbarten Vertretungsstrukturen wird eine solche Besonderheit zum Teil darin gesehen, dass die Errichtung eines Betriebsrats nach § 3 Abs. 1 BetrVG nur zulässig ist, wenn die Vereinbarung, auf deren Grundlage er konstituiert werden soll, volle zwingende normative Wirkung entfaltet.317 Daraus wird geschlossen, dass die Beendigung eines Tarifvertrags durch Befristung, Kündigung oder Aufhebung gleichzeitig ein Beendigungsgrund für die Amtszeit einer nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildeten Vertretung sei, da mit der Beendigung des Tarifvertrags die Rechtsgrundlage für die tarifvertraglich geschaffene Vertretung entfalle.318 Auch bei einem Betriebsübergang nach § 613a BGB ende die Amtszeit einer solchen Vertretung wegen des Wegfalls ihrer Rechtsgrundlage, da nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ein Betriebsübergang weder einen Firmentarifvertrag, noch einen Verbandstarifvertrag auf den Erwerber übergehen lasse.319 Etwas anderes könne nur in Betracht kommen, wenn Tarifverträgen nach § 3 Abs. 1 BetrVG eine Nachwirkung im Sinne des § 4 Abs. 5 TVG zukäme.320 Während die tarifrechtliche Literatur die Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen wohl mehr-
316
s. oben S. 177 f. Vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 83; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65; Thüsing, ZIP 2003, 693, 694; ausführlich zu dieser Fragestellung Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur. 318 Vgl. Plander, NZA 2002, 483, 489; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65; Rieble, NZA 2002, 233, 239; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 165; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 182, 196 ff.; ebenso wohl auch B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 41, 43; differenzierend Heinkel, Die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit als Gegenstand kollektiver Rechtssetzung, S. 339 f. 319 B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 41; Thüsing, ZIP 2003, 693, 705. 320 Thüsing, ZIP 2003, 693, 704, 705. 317
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
heitlich befürwortet321, wird eine solche nach überwiegender Ansicht des betriebsverfassungsrechtlichen Schrifttums allerdings bestritten.322 Die Ansicht, die den Fortbestand einer nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildeten Arbeitnehmervertretung von der Fortgeltung der ihr zugrunde liegenden Kollektivvereinbarung abhängig macht und die Amtszeit einer auf Tarifvertrag beruhenden Betriebsvertretung daher mangels Nachwirkung mit dem Tarifvertrag enden lässt, berücksichtigt jedoch nicht ausreichend, dass die normative Wirkung des Tarifvertrags nur Voraussetzung für die Errichtung einer solchen Arbeitnehmervertretung ist. Dem Fortbestand einer bereits bestehenden Arbeitnehmervertretung steht die Beendigung des ihr zugrunde liegenden Tarifvertrags dagegen nicht im Wege.323 Das ergibt sich aus folgender Erwägung: Endet der Tarifvertrag, bevor die Amtszeit der entsprechenden Arbeitnehmervertretung abgelaufen ist, besteht diese Arbeitnehmervertretung für eine Organisationseinheit, welche vom Gesetz nicht mehr als Betrieb angesehen wird, da die Fiktionswirkung des § 3 Abs. 5 BetrVG nicht mehr greift.324 Die Arbeitnehmervertretung vertritt dann eine Repräsentationseinheit, für die eine Betriebsratswahl nach dem Gesetz nicht in Betracht kommt. Diese Situation entspricht jener, in der ein Betriebsrat unter Verkennung des Betriebsbegriffs für eine Einheit gewählt wurde, für die ein Betriebsrat nach dem Gesetz nicht gewählt werden kann.325 Auch eine solche Wahl ist aber nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht nichtig, sondern führt lediglich zur Anfechtbarkeit der Wahl.326 Dann kann aber auch die Beendigung des Tarifvertrags, auf Grund dessen 321 Vgl. Bepler, Däubler, TVG, § 4 Rn. 863, 864; Kempen, Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 553; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 391. 322 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 35; vgl. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 84; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 44, Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 35 ff.; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 77; a.A. Teusch., NZA 2007, 124, 128 f. 323 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 84; Franzen, GKBetrVG, § 3 Rn. 36; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 181 f.; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 196 ff. 324 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 36. 325 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 36; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 17; so wohl auch Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 19 Rn. 11; vgl. auch Thüsing, ZIP 2003, 693, 700 f. einerseits, S. 704 andererseits. 326 BAG Beschl. v. 24. 1. 1964, 1 ABR 14/63, BAGE 15, 235 = AP Nr. 6 zu § 3 BetrVG 1952; Beschl. v. 17. 1. 1978, 1 ABR 71/76, BAGE 30, 12 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972, unter II 2 der Gründe; Urt. v. 19. 11. 2003, 7 AZR 11/03, BAGE 109, 1 = AP Nr. 19 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb, unter I 1 der Gründe; Beschl. v. 19. 11. 2003, 7 ABR 25/ 03, AP Nr. 55 zu § 19 BetrVG 1972 = BAGReport 2004, 156, unter C I 2 der Gründe; Fitting/ Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 19 Rn. 5; Franzen, GK-BetrVG, § 1 Rn. 45; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 164; Koch, ErfK, BetrVG, § 19 Rn. 4; Kreutz, GK-BetrVG, § 19 Rn. 139; G. Müller, FS Schnorr v. Carolsfeld, S. 367, 395; Nicolai, HSWGN, BetrVG, § 21 Rn. 42; Nießen, Fehlerhafte Betriebsratswahlen, S. 39; Preis, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 1 Rn. 59; Reichold, HWK, BetrVG, § 19 Rn. 25; Rieble/Triskatis, NZA 2006, 233; Schneider/Homburg, DKKW, BetrVG, § 19 Rn. 10; Thüsing, Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 73; Wlotzke, Wlotzke/Preis/Kreft, BetrVG, § 19 Rn. 8.
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eine Betriebsvertretung errichtet wurde, nur zur Anfechtbarkeit der Wahl führen, nicht aber dazu, dass das Mandat der Arbeitnehmervertretung ohne weiteres endet.327 Wird die Betriebsratswahl nach der Beendigung des Tarifvertrags nicht nach Maßgabe des § 19 BetrVG angefochten, behält die auf § 3 Abs. 1 bis 3 BetrVG beruhende Arbeitnehmervertretung ihr Mandat bis zum regulären Ende ihrer Amtszeit.328 Auf den ganz grundlegenden Streit über die Nachwirkung betriebsverfassungsrechtlicher Normen eines Tarifvertrags kommt es damit in diesem Zusammenhang nicht an.329 Die Bestimmung einer betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationseinheit durch Tarifvertrag ist mithin keine Besonderheit, die ein Abweichen von der allgemeinen Lösung bei der Beurteilung des Fortbestands einer nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildeten Arbeitnehmervertretung nach einem Betriebsübergang rechtfertigen würde. b) Besonderheiten bei der Regelung durch Betriebsvereinbarung Für Arbeitnehmervertretungen, die nicht auf einer tarifvertraglichen Regelung, sondern auf einer Betriebsvereinbarung beruhen, gilt nichts Anderes. Auch sie werden durch einen Betriebsübergang als solchen nicht beendet.330 Nach der Literaturansicht, die die Amtszeit einer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gebildeten Betriebsvertretung unmittelbar an die normative Wirkung des ihr zugrunde liegenden Kollektivvertrags knüpft, folgt dies daraus, dass Betriebsvereinbarungen nach ganz herrschender Ansicht auch nach einem Betriebsübergang im neuen Betrieb kollektiv fortgelten, weil die betriebliche Identität durch den Betriebsübergang nicht berührt wird.331 Nach hier vertretener Ansicht ergibt sich der Fortbestand derartiger Arbeitnehmervertretungen schon daraus, dass die Beendigung der Betriebsvereinbarung ohnehin keinen unmittelbaren Einfluss auf die regelmäßige Amtszeit der Betriebsvertretung hat, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit der Wahl führt. Wird die Betriebsratswahl nicht angefochten, behält die auf einer Betriebsvereinbarung beruhende Arbeitnehmervertretung ihr Mandat auch nach einem Betriebsübergang bis zum regu-
327 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 36; vgl. auch Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 154, 157. 328 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 36. 329 So auch mit ausführlicher Herleitung des Grundsatztes des Organisationserhalts, vgl. Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 152 ff. 330 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 43. 331 BAG Beschl. v. 18. 9. 2002, 1 ABR 54/01, BAGE 102, 356 = AP Nr. 7 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung, unter B III 2 a bb der Gründe; Urt. v. 28. 6. 2005, 1 AZR 213/ 04, AP Nr. 25 zu § 77 BetrVG 1972 Betriebsvereinbarung = EzA Nr. 12 zu§ 77 BetrVG 2001, unter II 4 der Gründe; Berg, DKKW, BetrVG, § 77 Rn. 50; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/ Linsenmaier, BetrVG, § 77 Rn. 167 f.; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 32, 124; Kreutz, GK-BetrVG, § 77 Rn. 385 ff.; Preis, ErfK, BGB, § 613a Rn. 113; Richardi, Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 213; Thüsing, DB 2004, 2474, 2477; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 77 Rn. 233.
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lären Ende ihrer Amtszeit unabhängig davon, ob die Betriebsvereinbarung beim Erwerber normativ fortgilt oder nicht.332 c) Zwischenergebnis: Keine Abhängigkeit der gewillkürten Betriebsvertretung vom Bestand des ihr zu Grunde liegenden Kollektivvertrags Obwohl die Errichtung einer Arbeitnehmervertretung in einer auf Grund eines Tarifvertrags oder einer Betriebsvereinbarung gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheit die Wirksamkeit der jeweiligen Kollektivvereinbarung voraussetzt, führt die Beendigung des Kollektivvertrags nicht zum automatischen Wegfall der Arbeitnehmervertretung. Das Ende der Kollektivvereinbarung zieht vielmehr lediglich ein Abweichen vom gesetzlichen Organisationsbegriff nach sich, was eine Betriebsratswahl jedoch nicht nichtig, sondern lediglich anfechtbar macht. Der Übergang einer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gebildeten organisatorischen Einheit wirkt sich daher selbst dann nicht auf die Amtszeit der in ihr errichteten Arbeitnehmervertretung aus, wenn er zur Beendigung des Kollektivvertrags und damit zum Fortfall der Rechtsgrundlage der vertraglich vereinbarten Vertretungsstruktur führt. 3. Gewillkürte Betriebsvertretung und betriebliche Umstrukturierungen Anders als ein bloßer Betriebsübergang kann die Umstrukturierung einer kollektivvertraglich vereinbarten Organisationseinheit dagegen das Ende der in ihr gebildeten Betriebsvertretung herbeiführen.333 Das folgt wiederum aus der Anordnung des § 3 Abs. 5 BetrVG, nach der ein nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung gebildeter Repräsentationsbereich als Betrieb im Sinne der Betriebsverfassung anzusehen ist und die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder auf die in ihm gebildete Arbeitnehmervertretung anzuwenden sind.334 Mit dieser Anordnung werden die durch Kollektivvertrag bestimmten Vertretungsstrukturen den Betrieben gleichgesetzt und die in ihnen gewählten Arbeitnehmervertretungen erhalten die gleichen Rechte und Pflichten, die das Betriebsverfassungsrecht für die gesetzliche Vertretung vorsieht.335 Auch für die nach § 3 Abs. 1 BetrVG gebildeten Arbeitnehmervertretungen gilt damit das grundlegende betriebsverfassungsrechtliche Prinzip, nach dem die Arbeitnehmervertretung auf eine konkrete Organisationsbasis bezogen ist. Lediglich der Bezugspunkt ist bei gewillkürter Betriebsverfassung ein anderer. Während im gesetzlich vorgesehenen Normalfall der Betrieb die Organisationsbasis der Arbeitneh332
43.
Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 181; Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn.
333 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 86; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 44. 334 Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 61. 335 Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 87.
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mervertretung ist, bildet bei der nach § 3 Abs. 1 BetrVG errichteten Arbeitnehmervertretung die durch Kollektivvereinbarung bestimmte Organisationseinheit das Substrat des Repräsentationsorgans.336 Auch die Zuständigkeit gewillkürter Arbeitnehmervertretungen beschränkt sich damit auf die organisatorische Einheit, für die sie gebildet wurde, so dass ihr Fortbestand an den Bestand dieser Einheit geknüpft ist. Verliert die gewillkürte Organisationseinheit aufgrund einer Umstrukturierung ihre Identität, entfällt das Substrat der in ihr gebildeten Arbeitnehmervertretung, so dass ihr Regelmandat endet337. a) „Betriebliche“ Identität einer gewillkürten Organisationseinheit Wie aber ist die „betriebliche“ Identität einer durch Kollektivvertrag abgegrenzten Organisationseinheit zu bestimmen? Die Schwierigkeit dieser Frage besteht darin, dass die Tarif- beziehungsweise Betriebsparteien durch die Vorschrift des § 3 BetrVG gerade in die Lage versetzt werden sollen, sich bei der Bestimmung der für die Arbeitnehmervertretung relevanten Organisationseinheit vom Grundsatz der Betriebsbezogenheit zu lösen. Wie zuvor gesehen, können die Kollektivparteien bei der Abgrenzung der maßgeblichen Repräsentationseinheit nahezu vollständig vom betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff abweichen, wenn dies die Mitbestimmung effektiviert. Die fast grenzenlose Gestaltungsfreiheit, die insbesondere die Tarifparteien bei der Bestimmung der betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationseinheit genießen, macht es aber unmöglich, den Kreis derjenigen Merkmale, die für die Bestimmung des betriebsverfassungsrechtlichen Substrats gewillkürter Einheiten maßgeblich sind, abstrakt zu bezeichnen. Ein pauschaler Rückgriff auf die im zweiten Teil dieser Arbeit herausgearbeiteten Kriterien der betrieblichen Identität zur Bestimmung der Identität gewillkürter Einheiten scheidet daher aus. Auf der anderen Seite geht es aber bei der Bestimmung des Substrats einer nach § 3 BetrVG errichteten Arbeitnehmervertretung im Kern um die gleiche Frage wie bei der Bestimmung der betrieblichen Identität, nämlich um die Festlegung derjenigen Kriterien, von denen der Fortbestand der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmervertretung abhängen soll. Auf die im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Vorgehensweise zur Bestimmung der betrieblichen Identität kann daher auch für die Bestimmung der „betrieblichen“ Identität gewillkürter Einheiten zurückgegriffen werden. aa) Bestimmung der maßgeblichen Kriterien In einem ersten Schritt ist damit auch für die Bestimmung des betriebsverfassungsrechtlichen Substrats einer gewillkürten Organisationseinheit der Kreis derjenigen 336 Däubler, FS Dieterich, S. 63, 67; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 174; vgl. auch Engels, FS Wlotzke, S. 279, 281. 337 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 86; B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 41, 44; Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 181 f.; Franzen, GK-BetrVG, § 3 Rn. 61.
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3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
Merkmale zu bestimmen, welche die betreffende Einheit kennzeichnen. Welche das sind, ergibt sich zunächst aus den jeweils einschlägigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG. Da diese jedoch noch kein konkretes Bild der möglichen Organisationsvarianten zeichnen, sondern lediglich die Grenzen der kollektivvertraglichen Gestaltbarkeit festlegen, kommt es für die Bestimmung des Kreises der maßgeblichen Kriterien entscheidend auf den Inhalt des Kollektivvertrags an, mit dem die betriebsratsfähige Einheit bestimmt wird. Aus diesem ergibt sich beispielsweise, welche Betriebe gem. § 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. b BetrVG zusammengefasst werden oder welche Produkt- oder Projektgruppe im konkreten Unternehmen oder Konzern eine Sparte i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG bildet, woraus sich wiederum ableiten lässt, welche Strukturen die gewillkürte Arbeitnehmervertretung charakterisieren. bb) Hierarchie der einzelnen Merkmale Auch bei der vertraglich vereinbarten Vertretungsstruktur soll jedoch nicht jede noch so kleine Umwandlung der Repräsentationseinheit Neuwahlen auslösen. Der Fortfall des betriebsverfassungsrechtlichen Substrats einer nach § 3 BetrVG errichteten Arbeitnehmervertretung kann daher nicht schon dann angenommen werden, wenn ein Vergleich der betreffenden Organisationseinheit vor und nach der Umstrukturierung ergibt, dass sich eines der diese kennzeichnenden Merkmale verändert hat. Ist der Kreis derjenigen Kriterien, welche die fragliche Einheit ausmachen, anhand des Tarifvertrags oder der Betriebsvereinbarung bestimmt, ist vielmehr in einem zweiten Schritt im Wege einer wertenden Gesamtbetrachtung zu untersuchen, ob die Veränderung so bedeutsam ist, dass sie die Grundlage der Existenz der Arbeitnehmervertretung berührt. Welches Gewicht den einzelnen Merkmalen im Rahmen dieser Gesamtbetrachtung zukommt, hängt davon ab, wie ihre Bedeutung für den Fortbestand der gewillkürten Vertretungsstruktur zu bewerten ist, was sich wiederum daraus ergibt, ob beziehungsweise welche der für den Fortbestand der Repräsentationseinheit maßgeblichen Wertungskriterien durch sie verkörpert werden. Anders als bei der Feststellung der Identität eines herkömmlichen Betriebs sind hierbei zunächst nicht diejenigen Wertungskriterien entscheidend, die nach den allgemeinen Wertungen des Betriebsverfassungsgesetzes für die optimale Repräsentation der Arbeitnehmer maßgeblich sind. Das Gewicht, das den verschiedenen, die gewillkürte Organisationseinheit kennzeichnenden Merkmalen im Rahmen der Gesamtbetrachtung zukommt, hängt vielmehr davon ab, wie wichtig die einzelnen Merkmale für die Realisierung des Ziels sind, das die Kollektivparteien mit der vom gesetzlichen Normalfall abweichenden Abgrenzung der betriebsratsfähigen Einheit verfolgen. Ausschlaggebend sind dennoch auch hier die Wertungskriterien, die das Betriebsverfassungsgesetz als entscheidend für eine sinnvolle und effektive Repräsentation der Arbeitnehmer einstuft. Denn den Hauptzweck, dem eine gewillkürte Betriebsabgrenzung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG zu dienen hat, hat der Gesetzgeber mit den Dienlichkeitsklauseln, die jede der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG möglichen
C. Die gewillkürte Betriebsverfassung
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Varianten der Betriebsersetzung enthält, verbindlich vorgegeben.338 Bei der Bewertung der Bedeutung der einzelnen Merkmale stehen diese folglich im Vordergrund. Unabhängig von den konkreten Zielen der Kollektivparteien lassen diese die Lösung der Arbeitnehmervertretung vom Betrieb als Organisationsbasis der Betriebsverfassung aber gerade nur zu, wenn die Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer durch die abweichende Repräsentationsstruktur verbessert wird (Optimierungsfunktion), was insbesondere durch eine Anpassung an die Entscheidungsstrukturen erreicht werden kann.339 Da also auch mit § 3 Abs. 1 BetrVG die Errichtung einer möglichst wirksamen Arbeitnehmervertretung verfolgt wird340, kann bei der Bestimmung der Rangfolge der einzelnen Kriterien auf die im zweiten Teil dieser Arbeit herausgearbeiteten Wertungskriterien zurückgegriffen werden. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung ist dasjenige Strukturmerkmal entscheidend, mit dessen Hilfe die Interessenvertretung der Arbeitnehmer nach der Kollektivvereinbarung im Einzelfall verbessert werden soll. Damit hängt auch der Fortbestand des betriebsverfassungsrechtlichen Substrats einer gewillkürten Arbeitnehmervertretung in erster Linie von der Wahrung der in der kollektivvertraglich abgegrenzten Einheit bestehenden Leitungsstrukturen ab. b) Übergangsmandat Endet das Regelmandat einer nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gebildeten Arbeitnehmervertretung wegen des Identitätsverlusts der ihr zugrunde liegenden Repräsentationseinheit, sind die gesetzlichen Vorschriften über das Übergangsmandat nach § 21a BetrVG anzuwenden, der mangels einer Sonderregelung in § 3 Abs. 5 S. 2 BetrVG ohne Modifikation gilt.341 Nach §§ 21a, 3 Abs. 5 S. 2 BetrVG bleibt die tarifvertraglich oder durch Betriebsvereinbarung gebildete Arbeitnehmervertretung im Übergangsmandat im Amt, bis eine neue Betriebsvertretung auf Grund einer (möglicherweise neuen) Kollektivvereinbarung oder nach § 1 BetrVG neu gewählt wird.342 Ein Übergangsmandat nach § 21a BetrVG kommt allerdings nur in Betracht, wenn neben dem Verlust der Betriebsidentität die anderen Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift erfüllt sind. Bei der Umstrukturierung muss es sich also insbesondere um die Spaltung oder die Zusammenfassung von Einheiten, die nach § 3 Abs. 5 S. 1 BetrVG als Betriebe gelten, handeln. Allein die Rückkehr zur gesetzlichen Ver338 Plander, NZA 2002, 483, 487; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 122 f. 339 Friese, RdA 2003, 92, 100; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 150. 340 Kreitner, Küttner, Personalbuch 2010, Betrieb (Begriff) Rn. 5. 341 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 82, 86; Franzen, GKBetrVG, § 3 Rn. 36; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 77; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65; Rieble, NZA 2002, 233, 240; Schmiege, Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen, S. 167; Thüsing, DB 2002, 738, 743; ders., ZIP 2003, 693, 704. 342 B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 40; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 77; Richardi, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65.
212
3. Teil: Einordnung in die Systematik der Betriebsverfassung
tretung kann das Übergangsmandat nach § 21a BetrVG folglich nicht auslösen, da § 21a BetrVG eine tatsächliche Strukturveränderung fordert.343 Entgegen der wohl herrschenden Meinung im Schrifttum344 kommt auch eine analoge Anwendung des § 21a BetrVG in diesen Fällen nicht in Betracht345, da sonst ein nicht zu erklärender Wertungswiderspruch zu den (anderen) Fällen rein qualitativer Umstrukturierungen entstünde, bei denen nach insoweit herrschender Ansicht eine analoge Anwendung wegen des ausdrücklichen Wortlauts der Norm ebenfalls ausscheidet346.
III. Fazit Die durch § 3 Abs. 1 BetrVG gewährte gesetzliche Ausnahme vom Grundsatz der Betriebsbezogenheit steht nicht im Widerspruch zur Lehre von der betrieblichen Identität, da dieser die Arbeitnehmervertretung nur für ihre Errichtung vom Betrieb als Basiseinheit löst, die Abhängigkeit einer einmal errichteten Arbeitnehmervertretung von dem Bestand der Einheit, für die sie errichtet wurde, dagegen nicht in Frage stellt. Auch der Bestimmbarkeit der betrieblichen Identität steht § 3 BetrVG nicht entgegen, da der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff durch die kollektivvertragliche Bestimmung der betriebsratsfähigen Einheit nicht modifiziert werden kann. Was den Bestand einer nach § 3 Abs. 1 BetrVG errichteten Arbeitnehmervertretung betrifft, gelten keine Besonderheiten. Der bloße Übergang einer kollektivvertraglich abgegrenzten Repräsentationseinheit kann das Mandat der in ihr gebildeten Arbeitnehmervertretung nicht beeinflussen. Das gilt selbst dann, wenn der Kollektivvertrag, auf dem die gewillkürte Betriebsverfassung beruht, durch den Übergang der Repräsentationseinheit beendet wird. Demgegenüber führt die tatsächliche Umstrukturierung einer nach § 3 Abs. 1 BetrVG abgegrenzten Einheit zum Ende des Regelmandats der in ihr gebildeten Arbeitnehmervertretung, wenn diese durch die Umstrukturierung ihr betriebsverfassungsrechtliches Substrat verliert. Bei der Bestimmung dieses Substrats kann nicht auf die im zweiten Teil dieser Arbeit vorgenommene Bestimmung der betrieblichen Identität zurückgegriffen werden. Die dort entwickelte Vorgehensweise zur Bestimmung des betriebsverfassungsrechtlichen Substrats lässt sich jedoch auch auf gewillkürte Einheiten übertragen.
343
Vgl. Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 40 f., 90 f.; Rieble, NZA 2002, 233, 239; vgl. auch Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 86. 344 Vgl. B. Gaul, HWK, BetrVG, § 3 Rn. 28; Kloppenburg, HaKo-BetrVG, § 3 Rn. 77; Richardi, Richardi, BetrVG § 3 Rn. 65; Trümner, DKKW, BetrVG, § 3 Rn. 167; Utermark, Die Organisation der Betriebsverfassung als Verhandlungsgegenstand, S. 100; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704. 345 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 3 Rn. 86; Franzen, GKBetrVG, § 3 Rn. 36; vgl. auch Gistel, Gewillkürte Betriebsverfassungsstruktur, S. 40 f. 346 Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 63.
D. Zusammenfassung
213
D. Zusammenfassung Weder überkommene Grundsätze des Betriebsverfassungsrechts noch neu in das Betriebsverfassungsgesetz eingefügte Vorschriften stehen der Geltungsberechtigung der Lehre von der betrieblichen Identität entgegen. Zunächst vermutete Widersprüche zur aktuellen Systematik des Betriebsverfassungsrechts bestehen nur auf den ersten Blick. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich dagegen, dass die Betriebsverfassung die Bindung der Arbeitnehmervertretung an die Einheit, für die sie errichtet wurde, durchgängig verfolgt. Der Grundsatz der Betriebsbezogenheit bildet die Grundlage der Wertentscheidungen, die das Betriebsverfassungsgesetz hinsichtlich des Fortbestands der Arbeitnehmervertretung trifft. Das gilt für die Regelung des § 21a BetrVG, der neben § 1 BetrVG eine weitere Vorschrift darstellt, die die Bindung der Arbeitnehmervertretung an diejenige Einheit, für die sie gebildet wurde, zum Ausdruck bringt ebenso wie für den Grundsatz der Betriebsratskontinuität, der die Betriebsbezogenheit des Betriebsrats ebenfalls voraussetzt. Auch § 3 BetrVG statuiert lediglich hinsichtlich der Errichtung von Arbeitnehmervertretungen eine Ausnahme vom Grundsatz der Betriebsbezogenheit, was der Abhängigkeit einer bereits bestehenden Arbeitnehmervertretung von der organisatorischen Einheit, für die sie gebildet wurde, nicht entgegensteht.
4. Teil
Konsequenzen für Gesamt- und Konzernbetriebsrat A. Gesamtbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität In Unternehmen mit mehreren Betrieben werden wichtige Entscheidungen häufig nicht auf Betriebs- sondern auf Unternehmensebene getroffen.1 Eine wirksame Interessenvertretung der Arbeitnehmer muss daher auch auf dieser Ebene gewährleistet sein.2 Bestehen innerhalb eines Unternehmens mehrere Betriebe mit Betriebsrat, ist deshalb ein Gesamtbetriebsrat zu errichten, dessen Bildung – anders als die Errichtung eines Einzelbetriebsrats – zwingend vorgeschrieben ist (§ 47 Abs. 1 BetrVG).3 Hierzu entsenden die Einzelbetriebsräte je nach Größe ein oder zwei ihrer Mitglieder in den Gesamtbetriebsrat (§ 47 Abs. 2 BetrVG).4 Seine Bildung erfolgt also nicht durch Wahl, sondern durch Entsendung. Einmal errichtet, unterliegt der Gesamtbetriebsrat keiner Amtszeit, sondern ist eine „Dauereinrichtung“ mit wechselnden Mitgliedern.5 Er besteht als Organ (wenn auch nicht in seiner konkreten Zusammenset1 Koch, ErfK, BetrVG, § 47 Rn. 1; vgl. auch Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 47 Rn. 1; Glock, HSWGN, BetrVG, § 47 Rn. 2; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 101; Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 1. 2 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 47 Rn. 1; vgl. auch BTDrucks. VI/1786, S. 42; Glock, HSWGN, BetrVG, § 47 Rn. 2; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 101; Koch, ErfK, BetrVG, § 47 Rn. 1; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 44; Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 1. 3 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B I 1 der Gründe; Annuß, Richardi, BetrVG, § 47 Rn. 23; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 47 Rn. 4; Giesen, SAE 2003, 217; Glock, HSWGN, BetrVG, § 47, Rn. 2, 17; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 98; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 47 Rn. 1; Joost, MünchArbR, § 225 Rn. 2; Koch, Schaub, ArbR-Hdb., § 224 Rn. 1; ders., ErfK, BetrVG, § 47 Rn. 2; Kreutz, GK-BetrVG, § 47 Rn. 1; Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 2, 4; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14. 4 Annuß, Richardi, BetrVG, § 47 Rn. 25; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 107; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 47 Rn. 28; Giesen, SAE 2003, 217; Joost, MünchArbR, § 225 Rn. 17. 5 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B I 1 der Gründe; Beschl. v. 16. 3. 2005, 7 ABR 37/04, BAGE 114, 110 = AP Nr. 5 zu § 51 BetrVG 1972, unter B II 3 a aa (1) der Gründe; Annuß, Richardi, BetrVG, § 47 Rn. 26 f.; ders., Staudinger, BGB, § 613a Rn. 363; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 106; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 47 Rn. 26; Giesen, SAE 2003, 217, 218; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 98; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 47
A. Gesamtbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität
215
zung) über die Wahlperioden der Einzelbetriebsräte hinaus und erlischt erst, wenn die Voraussetzungen für seine Errichtung entfallen.6 Wie auch beim Einzelbetriebsrat stellt sich beim Gesamtbetriebsrat die Frage nach seinem Schicksal bei einem Betriebsübergang. Da es in beiden Fällen um den Fortbestand eines betriebsverfassungsrechtlichen Repräsentationsorgans geht, ist insbesondere zu klären, ob für die Beurteilung der Auswirkungen, die ein Betriebsübergang auf den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats hat, auf die Lehre von der Betriebsidentität zurückgegriffen werden kann.
I. Auswirkungen des Hinzukommens oder Wegfallens einzelner Betriebe 1. Abhängigkeit des Gesamtbetriebsrats vom Fortbestand seiner Errichtungsvoraussetzungen Weitgehende Einigkeit besteht darüber, dass der Wegfall einzelner Betriebe keine Auswirkungen auf den Bestand des Gesamtbetriebsrats hat7 Nach herrschender Meinung bleibt dieser vielmehr trotz der Veräußerung einzelner Betriebe so lange im Amt, wie im veräußernden Unternehmen die Voraussetzungen seiner Errichtung erfüllt sind, das Unternehmen also über mindestens zwei Betriebe mit je einem Betriebsrat verfügt.8 Für den veräußerten Betrieb verliert der Gesamtbetriebsrat allerdings seine Zuständigkeit.9 Das Mandat der aus diesem Betrieb entsandten Gesamtbetriebsratsmitglieder erlischt mit dem Ausscheiden des Betriebs aus dem UnternehRn. 1; Jacobs, FS Konzen, S. 346, 355; Joost, MünchArbR, § 225 Rn. 83; Koch, ErfK, BetrVG, § 47 Rn. 11; Kreutz, GK-BetrVG, § 47 Rn. 49; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 69 f.; Thüsing, DB 2004, 2474, 2479; Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 1, 7. 6 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B I 1 der Gründe; Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 363; Bachner, Kittner/ Zwanziger, § 97 Rn. 39; Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 106; Giesen, SAE 2003, 217, 218; Glock, HSWGN, BetrVG, § 47 Rn. 66; Hauck, FS Richardi, 537, 540; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 98; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 47 Rn. 1; v. HoyningenHuene, Anm. zu BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972; Koch, ErfK, BetrVG, § 47 Rn. 11; Kreutz, GK-BetrVG, § 47 Rn. 51; Löwisch, Arbeitsrecht, § 10 Rn. 459; Trittin, DKK, BetrVG, § 47 Rn. 1, 7. 7 Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 47 Rn. 7; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 99; vgl. Fitting/ Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 47 Rn. 26; Giesen, SAE 2003, 217, 218; Jacobs, FS Konzen, S. 346, 352; Kreutz, GK-BetrVG, § 47 Rn. 50; Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 21d. 8 Vgl. Annuß, Richardi, BetrVG, § 47 Rn. 27; ders., Staudinger, BGB, § 613a Rn. 363; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 47 Rn. 26; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 99; Jacobs, FS Konzen, S. 346, 352; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 236; Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 21d, 23 m. 9 B. Gaul, Betriebs- und Unternehmensspaltung, § 27 Rn. 125; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 47 Rn. 7; Jacobs, FS Konzen, S. 346, 348; Rieble/Gutzeit, NZA 2003, 233, 234.
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4. Teil: Konsequenzen für Gesamt- und Konzernbetriebsrat
men, so dass sich die Zahl der Gesamtbetriebsratsmitglieder reduziert.10 Ein Übergangsmandat des im Ursprungsunternehmen fortbestehenden Gesamtbetriebsrats für den ausgeschiedenen Betrieb ist anders als beim Einzelbetriebsrat nicht vorgesehen.11 Auch das Hinzukommen einzelner Betriebe wirkt sich nach herrschender Meinung lediglich auf die Zusammensetzung, nicht aber auf den Bestand des Gesamtbetriebsrats aus. Da die Entsendepflicht nach § 47 Abs. 2 BetrVG den Betriebsrat eines neu in das Unternehmen aufgenommenen Betriebs ebenso trifft wie die Betriebsräte der bereits zum Unternehmen gehörenden Betriebe, erhöht sich bei der Übernahme einzelner Betriebe die Zahl der Gesamtbetriebsratsmitglieder.12 Eine Neubildung des Gesamtbetriebsrats ist gleichwohl auch in diesem Fall nicht erforderlich.13 Nur wenn mehrere – jedoch nicht sämtliche14 – Betriebe auf ein Unternehmen übertragen werden, in dem noch kein Gesamtbetriebsrat besteht, muss ein solcher nach § 47 BetrVG neu errichtet werden.15 Da der Gesamtbetriebsrat nach herrschender Meinung mithin ausschließlich vom Fortbestand seiner Errichtungsvoraussetzungen abhängt, hat das Hinzukommen oder Wegfallen einzelner Betriebe keine Auswirkungen auf seinen Bestand. Ungeachtet des Übergangs einzelner Betriebe ist der Gesamtbetriebsrat damit so lange im Amt zu belassen, wie das Unternehmen, für das er errichtet wurde, über mindestens zwei Betriebe mit je einem Betriebsrat verfügt.
10 Giesen, SAE 2003, 217, 218; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 99; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 47 Rn. 7, § 49 Rn. 2; Kreutz, GK-BetrVG, § 47 Rn. 51; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 71; Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 11, 23c. 11 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 21a Rn. 5; Hauck, FS Richardi, 537, 540; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 99; v. Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972; Jacobs, FS Konzen, S. 346, 353; Kreutz, GK-BetrVG, § 21a Rn. 11, § 47 Rn. 50; C. Meyer, SAE 2003, 310; Rieble, Sonderbeilage zu NZA Heft 16/2003, 62, 66; Thüsing, DB 2002, 738, 743; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14, 16; Worzalla, HSWGN, BetrVG, § 21a Rn. 27; für eine analoge Anwendung der §§ 21a, b BetrVG Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 23e. 12 BAG Beschl. v. 16. 3. 2005, 7 ABR 37/04, BAGE 114, 110 = AP Nr. 5 zu § 51 BetrVG 1972, unter B II 3 a aa (1) der Gründe; Glock, HSWGN, BetrVG, § 47 Rn. 11; Koch, ErfK, BetrVG, § 47 Rn. 5; Kreutz, GK-BetrVG, § 47 Rn. 50. 13 BAG Beschl. v. 16. 3. 2005, 7 ABR 37/04, BAGE 114, 110 = AP Nr. 5 zu § 51 BetrVG 1972, unter B II 3 a aa (1) der Gründe; Glock, HSWGN, BetrVG, § 47 Rn. 11. 14 Zur Übertragung sämtlicher Betriebe auf einen neuen Rechtsträger s. unten 4. Teil A.II, S. 219 ff. 15 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B II 2 der Gründe; Beschl. v. 16. 3. 2005, 7 ABR 37/04, BAGE 114, 110 = AP Nr. 5 zu § 51 BetrVG 1972, unter B II 3 a aa (1) der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 47 Rn. 17; Glock, HSWGN, BetrVG, § 47 Rn. 11; Hauck, FS Richardi, 537, 540; Jacobs, FS Konzen, S. 346, 353; Koch, ErfK, BetrVG, § 47 Rn. 5; Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 21d.
A. Gesamtbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität
217
2. Untergang des Gesamtbetriebsrats bei Verlust der Unternehmensidentität? a) „Austauschbarkeit“ von Einzel- und Gesamtbetriebsrat Gegen diese Konzeption ist von Hohenstatt und Müller-Bonanni eingewandt worden, Ausgangspunkt der Überlegungen zum Schicksal des Gesamtbetriebsrats müsse die für den Einzelbetriebsrat bestehende Rechtslage sein.16 Da Gesamtbetriebsrat und Einzelbetriebsrat „Bestandteile ein- und derselben betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung“ seien und „im Rahmen ihrer jeweiligen Zuständigkeit dieselbe Stellung und Funktion“ einnähmen, läge es nahe, den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats nach denselben oder jedenfalls entsprechend angepassten Regeln wie den des Einzelbetriebsrats zu beurteilen.17 Die Kategorie „Betriebsidentität“ sei daher auf die Ebene des Gesamtbetriebsrats zu übertragen.18 Parallel zu der Sichtweise beim Einzelbetriebsrat müsse das Amt des Gesamtbetriebsrats folglich enden, wenn sich die organisatorische Zusammensetzung der Betriebe im Unternehmen so grundlegend ändere, dass aus betriebsverfassungsrechtlicher Sicht nicht mehr von demselben Unternehmen gesprochen werden könne, sondern vom Wegfall der Unternehmensidentität auszugehen sei.19 Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Unternehmensidentität erhalten bleibe oder verloren gehe, sei die Anzahl der übertragenen beziehungsweise zurückbehaltenen Betriebe und der in diesen beschäftigten Arbeitnehmer20, weil sich an ihr wegen der in § 47 Abs. 7 BetrVG angelegten Stimmgewichtung ablesen lasse, ob die demokratische Legitimationsbasis des Gesamtbetriebsrats nach einer Veränderung noch erhalten sei.21 Die Veräußerung einzelner Betriebe wirke sich mithin nicht erst dann auf den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats aus, wenn das Unternehmen in der Folge über weniger als zwei Betriebe mit je einem Betriebsrat verfüge. Vielmehr gehe der Gesamtbetriebsrat bei jeder Veränderung unter, die nach den Wertungen des § 47 Abs. 7 BetrVG den Fortfall der Unternehmensidentität nach sich ziehe.22
16
Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 767 f.; Hohenstatt, WHSS, 2. Aufl., Rz. D 99. 17 Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 767 f.; Hohenstatt, WHSS, 2. Aufl., Rz. D 99. 18 Hohenstatt, WHSS, 2. Aufl., Rz. D 99. 19 Hohenstatt, WHSS, 2. Aufl., Rz. D 105. 20 Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 768; Hohenstatt, WHSS, 2. Aufl., Rz. D 107. 21 Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 768; in diese Richtung auch Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 23 f. 22 Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 768; Hohenstatt, WHSS, 2. Aufl., Rz. D 107.
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4. Teil: Konsequenzen für Gesamt- und Konzernbetriebsrat
b) Gesamtbetriebsrat als Dauereinrichtung Diese Sichtweise kann nicht überzeugen, denn sie berücksichtigt nicht, dass die Anpassung an veränderte Strukturen beim Gesamtbetriebsrat als Dauereinrichtung im Gegensatz zur Rechtslage beim Einzelbetriebsrat automatisch erfolgt.23 Die aus dem veräußerten Betrieb in den Gesamtbetriebsrat entsandten Betriebsratsmitglieder verlieren ihr Mandat mit dem Ausscheiden des Betriebs aus dem Unternehmen eo ipso24, und auch den Betriebsrat eines neu in das Unternehmen aufgenommenen Betriebs trifft die Entsendepflicht des § 47 Abs. 2 BetrVG ohne weiteres25. Da der Gesamtbetriebsrat kein originär gewähltes, sondern ein sich aus Delegierten der einzelnen Betriebsräte immer wieder neu zusammensetzendes Gremium ist, ist es – anders als beim Einzelbetriebsrat – nicht erforderlich, sein Mandat bei Veränderungen im Unternehmen zu beenden, um das Gremium durch Neuwahlen an die veränderten Gegebenheiten anpassen zu können. Die Frage, die mit Hilfe der Lehre von der Betriebsidentität beantwortet werden soll – wann nämlich die Anpassung der Vertretungsstrukturen an veränderte Gegebenheiten erforderlich ist, um eine sinnvolle und wirksame Vertretung der Arbeitnehmer weiterhin zu gewährleisten – stellt sich beim Gesamtbetriebsrat also gar nicht. Wie nunmehr auch Hohenstatt anerkannt und hinsichtlich der Übertragbarkeit der Lehre von der betrieblichen Identität als entscheidenden Unterschied zwischen Einzel- und Gesamtbetriebsrat gewürdigthat, sind Veränderungen in der Zusammensetzung des Gesamtbetriebsrats infolge des Hinzukommens oder Wegfallens von Betrieben vielmehr „Teil des Organisationssystems“.26 Mit seiner Eigenschaft als sich regelmäßig erneuernde Dauereinrichtung wäre es aber unvereinbar, den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats von der Wahrung der Unternehmensidentität abhängig zu machen.27 c) Zwischenergebnis: Keine Übertragbarkeit des Begriffs „Betriebsidentität“ Solange die Voraussetzungen seiner Errichtung gegeben sind, wirken sich das Hinzukommen oder der Wegfall von Betrieben lediglich auf die Zusammensetzung, nicht aber auf den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats aus. Dieser erlischt erst, wenn das Unternehmen, für das er gebildet wurde, nicht mehr über mindestens zwei Betriebe mit je einem Betriebsrat verfügt.28 In seinem Bestand ist der Gesamtbetriebsrat also an 23
Thüsing, DB 2004, 2474, 2479. Giesen, SAE 2003, 217, 218; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 99; Kreutz, GK-BetrVG, § 47 Rn. 51; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 71; Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 21d. 25 BAG Beschl. v. 16. 3. 2005, 7 ABR 37/04, BAGE 114, 110 = AP Nr. 5 zu § 51 BetrVG 1972, unter B II 3 a aa (1) der Gründe; Glock, HSWGN, BetrVG, § 47 Rn. 11; Koch, ErfK, BetrVG, § 47 Rn. 5; Kreutz, GK-BetrVG, § 47 Rn. 51. 26 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 99. 27 Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 363; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 99; Thüsing, DB 2004, 2474, 2479. 28 Hohenstatt, WHSS, Rz. D 99. 24
A. Gesamtbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität
219
das Unternehmen29, nicht aber an die Unternehmensidentität gebunden30. Eine Übertragung der Kategorie „Betriebsidentität“ auf die Ebene des Gesamtbetriebsrats kommt nicht in Betracht.
II. Auswirkungen der Übertragung sämtlicher Betriebe auf eine Vorratsgesellschaft – der Beschluss des BAG vom 5. 6. 2002 Zweifelhaft ist seit dem Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 5. 6. 200231, ob diese Grundsätze auch dann gelten, wenn ein Unternehmensträger seine Betriebe ausnahmslos und unter Wahrung ihrer Identität auf einen bis dahin arbeitnehmerlosen neuen Inhaber überträgt. Zu entscheiden war über folgenden – vereinfachten – Sachverhalt32: Ein Warenhausunternehmen hatte sämtliche, jeweils als eigenständige Betriebe im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn organisierte Warenhäuser auf eine Gesellschaft übertragen, die neu gegründet und deshalb zunächst arbeitnehmerlos war. Nicht übertragen wurden die den Warenhäusern zuzuordnenden Vermögenswerte. Die Warenhäuser wurden an die neue Arbeitgeberin lediglich verpachtet. Ebenfalls von der Übertragung ausgenommen war der Unternehmensbereich „Informationswirtschaft“, in dem ca. 400 von insgesamt 60.000 Arbeitnehmern beschäftigt waren. Dieser Unternehmensbereich, der einen Teil der Hauptverwaltung des Ursprungsunternehmens gebildet hatte, wurde auf eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der neuen Arbeitgeberin übertragen. In nahezu allen Warenhäusern bestanden im Zeitpunkt ihrer Übertragung Betriebsräte. Im Ursprungsunternehmen war ein Gesamtbetriebsrat gebildet worden. Nach der Umstrukturierung war zwischen den Beteiligten streitig, ob der Gesamtbetriebsrat bei der neuen Arbeitgeberin fortbestand. 1. Ausgangspunkt: Bindung des Gesamtbetriebsrats an das Unternehmen, in dem er errichtet wurde Die konsequente Anwendung des zuvor dargestellten Grundsatzes, nach dem der Gesamtbetriebsrat in seinem Bestand an das Unternehmen, in dem er errichtet wurde, nicht aber an die Unternehmensidentität gebunden ist, führt hinsichtlich der darge29
LAG Düsseldorf Beschl. v. 14. 2. 2001, 4 TaBV 67/00, NZA-RR 2001, 594 = AiB 2001, 664, unter III 4 und III 5 b aa der Gründe; Annuß, Staudinger, BGB, § 613a Rn. 363; Fitting/ Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 47 Rn. 18; Kreutz, GK-BetrVG, § 47 Rn. 50; Röder/Haussmann, DB 1999, 1754. 30 Kreutz, GK-BetrVG, § 47 Rn. 50; Thüsing, DB 2004, 2474, 2479. 31 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972. 32 Vgl. LAG Düsseldorf Beschl. v. 14. 2. 2001, 4 TaBV 67/00, NZA-RR 2001, 594 = AiB 2001, 664, unter I der Gründe (Vorinstanz).
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4. Teil: Konsequenzen für Gesamt- und Konzernbetriebsrat
stellten Sachverhaltskonstellation zu folgendem Schluss: Im Ursprungsunternehmen lagen die Errichtungsvoraussetzungen des Gesamtbetriebsrats nach der Umstrukturierung nicht mehr vor, weil dieses nach der Übertragung sämtlicher Betriebe über keine eigenen Betriebe mehr verfügte. Der beim bisherigen Unternehmensträger gebildete Gesamtbetriebsrat ging infolge der Umstrukturierung daher unter.33 Bei der neuen Arbeitgeberin war dagegen zwingend ein neuer Gesamtbetriebsrat zu errichten, da die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 BetrVG dort erfüllt waren. Nach diesen Prinzipien – und damit ganz auf der Linie der herrschenden Meinung – entschied auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf, das in zweiter Instanz mit dem Fall befasst war. Einen „Übergang“ des Gesamtbetriebsrats auf die neue Arbeitgeberin schloss das Gericht aus, da der Gesamtbetriebsrat, wie sich aus § 47 Abs. 1 BetrVG ergebe, unternehmensbezogen sei, im zu entscheidenden Fall jedoch nicht für das Unternehmen der neuen Inhaberin, sondern für das Ursprungsunternehmen gebildet worden war.34 2. Ausnahme bei Wahrung der Unternehmensidentität Das Bundesarbeitsgericht deutete hinsichtlich der Unternehmensbezogenheit des Gesamtbetriebsrats indes ein anderes Verständnis an. Zwar bestätigte es in seiner Entscheidung vom 5. 6. 2002, mit der es über die gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf eingelegte Revision entschied, im Grundsatz die Sichtweise der herrschenden Meinung.35 In einem obiter dictum äußerte es jedoch die Ansicht, dass der Gesamtbetriebsrat beim aufnehmenden Rechtsträger hätte fortbestehen können, wenn sämtliche Betriebe auf diesen übertragen worden wären, und die Betriebsidentität aller Betriebe gewahrt worden wäre.36 In einem solchen Fall, so das Gericht, könnten vergleichbare Gründe wie beim Inhaberwechsel in einem Betrieb dafür sprechen, vom Fortbestand nicht nur der einzelnen Betriebsräte, sondern auch des von ihnen errichteten Gesamtbetriebsrats auszugehen.37 Da der Geschäftsbereich „Informationswirtschaft“ von dem Übergang auf die neue Inhaberin der Warenhausbetriebe ausgeschlossen worden war, änderte diese Sichtweise in dem zu entscheidenden Fall zwar nichts am Untergang des Gesamtbetriebsrats. In Fällen, in denen tatsächlich sämtliche Betriebe eines Unternehmens unter Wahrung ihrer Identität auf einen bis dahin arbeitnehmerlosen neuen Inhaber 33
LAG Düsseldorf Beschl. v. 14. 2. 2001, 4 TaBV 67/00, NZA-RR 2001, 594 = AiB 2001, 664, unter III 4 der Gründe; vgl. auch Giesen, SAE 2003, 217, 218 f. 34 LAG Düsseldorf Beschl. v. 14. 2. 2001, 4 TaBV 67/00, NZA-RR 2001, 594 = AiB 2001, 664, unter III 5 b aa der Gründe. 35 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B II 2 der Gründe. 36 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B II 2 der Gründe; vgl. auch Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 767. 37 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B II 2 der Gründe; vgl. auch Hohenstatt/Müller-Bonanni, NZA 2003, 766, 767.
A. Gesamtbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität
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übertragen werden, führt diese Ansicht des Bundesarbeitsgerichts allerdings zu deutlich von der ansonsten herrschenden Meinung abweichenden Ergebnissen. Denn mit dieser neuen Sichtweise erhebt das Bundesarbeitsgericht die sog. Unternehmensidentität, also die Identität aller Betriebe eines Unternehmens, zu einem potentiellen Kontinuitätsmerkmal, bei dessen Vorliegen die in dieser Konstellation fehlende Verknüpfung des Gesamtbetriebsrats mit dem Unternehmen, für das er gebildet wurde, in den Hintergrund treten kann. Einen Beendigungsgrund für den Gesamtbetriebsrat sieht das Bundesarbeitsgericht in dem Verlust der Unternehmensidentität, anders als zunächst Hohenstatt und Müller-Bonanni, zwar nicht. Sein Fortbestand kann nach Ansicht des Gerichts aber durch den Erhalt der Unternehmensidentität gerechtfertigt werden. Entgegen dem bislang anerkannten Verständnis, nach dem der Gesamtbetriebsrat in seinem Bestand an das Unternehmen gebunden ist, für das er errichtet wurde, hält das Bundesarbeitsgericht die Lösung des Gesamtbetriebsrats vom Ursprungsunternehmen also für möglich, wenn beziehungsweise weil sein Fortbestand durch die Wahrung der Unternehmensidentität legitimiert wird. Legitimiert aber die Wahrung der Unternehmensidentität den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats tatsächlich? a) Unternehmensidentität als Kontinuitätsmerkmal? Das Bundesarbeitsgericht äußert in dem Beschluss vom 5. 6. 2002 die Ansicht, es seien „vergleichbare Gründe wie beim Inhaberwechsel in einem Betrieb“, die bei einem Übergang sämtlicher Betriebe auf einen neuen Rechtsträger dafür sprechen könnten, vom Fortbestand des Gesamtbetriebsrats auszugehen.38 Dieser Einschätzung kann mangels Vergleichbarkeit der beiden Konstellationen nicht gefolgt werden. Auf der Ebene des Betriebs wirkt sich ein Inhaberwechsel auf den Fortbestand der Arbeitnehmervertretung nicht aus, weil die betriebliche Identität durch den Rechtsträgerwechsel als solchen nicht berührt werden kann. Da mit einem Betriebsübergang folglich keine Veränderungen im Betrieb verbunden sind, an die die Vertretungsstruktur angepasst werden müsste, sind Neuwahlen in einem solchen Fall entbehrlich. Der Grund dafür, dass ein Inhaberwechsel auf Betriebsebene keine Auswirkungen auf den Bestand des Betriebsrats hat, ist also der, dass eine sinnvolle und effektive Vertretung der Arbeitnehmer durch den bestehenden Betriebsrat auch nach dem Inhaberwechsel gewährleistet ist.39 Der vom Bundesarbeitsgericht befürwortete Rückgriff auf die Gründe, die „beim Inhaberwechsel in einem Betrieb“ dafür sprechen, vom Fortbestand des Betriebsrats auszugehen, suggeriert vor diesem Hintergrund, dass auch bei der Übertragung sämtlicher Betriebe eines Unternehmens auf einen neuen Rechtsträger vom Fortbestand des Gesamtbetriebsrats ausgegangen werden könne, weil eine Anpassung der Vertretungsstrukturen für die Gewährleistung einer sinnvollen und effektiven Arbeitneh38 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B II 2 der Gründe. 39 Ausführlich hierzu s. oben S. 64 ff.
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4. Teil: Konsequenzen für Gesamt- und Konzernbetriebsrat
mervertretung nicht erforderlich sei. Wie bereits dargelegt wurde, stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit einer Anpassung der Vertretungsstrukturen an veränderte Gegebenheiten bei dem sich ständig erneuernden und damit automatisch anpassenden Gesamtbetriebsrat jedoch nicht.40 Hinzu kommt, dass bei einem Rückgriff auf die Erwägungen, die auf Betriebsebene für den Fortbestand der Arbeitnehmervertretung streiten, konsequenterweise auch für die Beendigung des Gesamtbetriebsrats auf diese Gründe abzustellen wäre, was aber aus den bereits genannten Gründen nicht in Betracht kommt und vom Bundesarbeitsgericht auch abgelehnt wird41. Anders als die betriebliche Identität für den Einzelbetriebsrat, ist die Unternehmensidentität für den Gesamtbetriebsrat also kein Kontinuitätsmerkmal im eigentlichen Sinn. b) Zweckmäßigkeit als Legitimationsgrund für den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats Wenn die fehlende Vergleichbarkeit der beiden Konstellationen und die Tatsache, dass die Wahrung der betrieblichen Identität aller Betriebe zwar als Rechtfertigung für den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats, der Verlust derselben aber nicht als Beendigungsgrund für sein Mandat in Betracht kommt, auch offenbaren, dass es mitnichten „die gleichen Gründe wie bei einem Inhaberwechsel im Betrieb“ sind, die im Fall der Übertragung sämtlicher Betriebe auf einen neuen, bis dahin arbeitnehmerlosen Rechtsträger für einen Fortbestand des Gesamtbetriebsrats streiten, so bedeutet das jedoch nicht, dass die Wahrung der Unternehmensidentität den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats nicht rechtfertigen könne. Im Ergebnis ist der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts, in dieser Konstellation spreche Einiges für den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats, vielmehr zuzustimmen. Entgegen der vom Bundesarbeitsgericht angeführten Begründung sind es jedoch keine der Rechtslage beim Einzelbetriebsrat vergleichbaren Argumente, sondern Praktikabilitäts- und Vernunftserwägungen, die zu dem Schluss führen, dass es in einem solchen Fall „keine gewichtigen Gründe“ gibt, den Gesamtbetriebsrat untergehen zu lassen42, sondern „alles“ für seinen Fortbestand spricht43. So ist insbesondere nicht ersichtlich, welche Vorteile das Festhalten an der Unternehmensbezogenheit des Gesamtbetriebsrats beim Übergang sämtlicher Betriebe auf einen neuen, bis dahin arbeitnehmerlosen Rechtsträger mit sich brächte. Würde man den Gesamtbetriebsrat auch in dieser Konstellation an das Ursprungsunternehmen binden, hätte die Umstrukturierung – wie gesehen – seinen Untergang zur Folge. Die Verpflichtung, den Gesamtbetriebsrat gem. § 47 Abs. 1 BetrVG unverzüglich neu zu errichten, träfe dann die beim neuen Unternehmensträger fortbestehenden Ein40
Ausführlich hierzu s. oben S. 218. BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B I 1 der Gründe; vgl. auch ; Thüsing, DB 2004, 2474, 2479. 42 Zutreffend Giesen, SAE 2003, 217, 220; vgl. auch Braun, Die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, S. 107; a.A. Thüsing, DB 2004, 2474, 2479. 43 Jacobs, FS Konzen, 246, 353. 41
A. Gesamtbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität
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zelbetriebsräte in der exakt gleichen Konstellation wie vor dem Rechtsträgerwechsel.44 Welchen Nutzen die Beendigung und anschließende Neuerrichtung des Gesamtbetriebsrats haben kann, ist in Anbetracht dessen nicht ersichtlich. Weder der neue Unternehmensträger noch die fortbestehenden Einzelbetriebsräte haben in dieser Konstellation ein schützenswertes Interesse an der Unterbrechung des Mandats des Gesamtbetriebsrats. Insbesondere der gelegentlich der Neubildung mögliche Austausch einzelner Gesamtbetriebsratsmitglieder spricht nicht für die Beendigung des Gesamtbetriebsrats, da die Einzelbetriebsräte die von ihnen in den Gesamtbetriebsrat entsandten Vertreter ohnehin jederzeit abberufen können, ohne dass es hierfür eines Anlasses bedürfte oder besondere Voraussetzungen vorliegen müssten.45 Dafür, den „Übergang“ des Gesamtbetriebsrats im Falle der Übertragung sämtlicher Betriebe eines Unternehmens auf eine Vorratsgesellschaft zuzulassen, spricht andererseits, dass die zum Unternehmen gehörenden Arbeitnehmer bei einer Unterbrechung seines Mandats während der für die Neukonstituierung des Gesamtbetriebsrats erforderlichen Zeit auf Unternehmensebene kollektivrechtlich nicht vertreten wären. Zwar ist die Errichtung des Gesamtbetriebsrats anders als die Durchführung von Betriebsratswahlen kein sich über Wochen hinziehender Prozess. Dennoch sind auch mit seiner Neubildung Verzögerungsgefahren verbunden.46 Vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Betriebsratskontinuität wäre eine derartige Unterbrechung der Arbeit des Gesamtbetriebsrats aber nur gerechtfertigt, wenn sachliche Gründe dies erforderten, da auch der Gesamtbetriebsrat ein Instrument des kollektivrechtlichen Arbeitnehmerschutzes ist47, das seine Aufgaben grundsätzlich stetig und ohne Unterbrechung auszuüben hat. Ein sachlicher Grund, der die Durchbrechung des Kontinuitätsgrundsatzes rechtfertigen würde, ist in der dargestellten Konstellation jedoch – wie soeben gesehen – nicht ersichtlich. c) Zwischenergebnis: Unternehmensidentität kein Kontinuitätsmerkmal Werden sämtliche Betriebe eines Unternehmens unter Wahrung ihrer Identität auf einen neuen, bis dahin arbeitnehmerlosen Rechtsträger übertragen, sprechen vor allem Zweckmäßigkeitserwägungen dafür, den Gesamtbetriebsrat im Amt zu belas-
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Jacobs, FS Konzen, 246, 353. Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 49 Rn. 16; Glock, HSWGN, BetrVG, § 47 Rn. 55; Joost, MünchArbR, § 225 Rn. 87; Kreutz, GK-BetrVG, § 49 Rn. 19; Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 36. 46 Giesen, SAE 2003, 217, 220. 47 BT-Drucks. VI/1786, S. 42; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 47 Rn. 1; Glock, HSWGN, BetrVG, § 47 Rn. 2; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 101; Koch, ErfK, BetrVG, § 47 Rn. 1; Salamon, Gesamtbetriebsvereinbarungen, S. 44; Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 1 f. 45
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4. Teil: Konsequenzen für Gesamt- und Konzernbetriebsrat
sen.48 Seine Auflösung beim Veräußerer und die anschließende Neubildung durch exakt dieselben Betriebsräte im neuen Unternehmen sind „überflüssige Zwischenschritte, auf die verzichtet werden kann“.49 Das Festhalten an der Unternehmensbezogenheit des Gesamtbetriebsrats wäre in diesem Fall reiner Formalismus. Die Wahrung der Unternehmensidentität kann den „Übergang“ des Gesamtbetriebsrats bei einem Rechtsträgerwechsel auf Unternehmensebene daher legitimieren, obwohl Letztere für den Gesamtbetriebsrat kein Kontinuitätsmerkmal im eigentlichen Sinn ist. 3. Definition der Unternehmensidentität Dass es ausschließlich Zweckmäßigkeitserwägungen sind, welche die Ausnahme vom Grundsatz der Unternehmensbezogenheit des Gesamtbetriebsrats rechtfertigen, schlägt sich auch in der Definition der Unternehmensidentität nieder. Da die Unternehmensidentität kein der Betriebsidentität vergleichbares Kontinuitätsmerkmal ist, sondern den „Übergang“ des Gesamtbetriebsrats bei der Übertragung sämtlicher Betriebe eines Unternehmens auf einen bis dahin arbeitnehmerlosen Rechtsträger allein deshalb legitimiert, weil in dieser Konstellation keine gewichtigen Gründe gegen seinen Fortbestand sprechen, weicht auch ihre Bestimmung von derjenigen der Betriebsidentität ab. Mit Hilfe des Begriffs der Unternehmensidentität soll die Frage beantwortet werden, ob sich das Festhalten an der Auflösung und anschließenden Neuerrichtung des Gesamtbetriebsrats angesichts der unveränderten Situation im Unternehmen als reiner Formalismus darstellt, der es rechtfertigt, eine Ausnahme vom Grundsatz der Unternehmensbezogenheit des Gesamtbetriebsrats zuzulassen. Ob es für die Gewährleistung einer sinnvollen und effektiven Arbeitnehmervertretung der Neukonstituierung des Gesamtbetriebsrats bedarf, ist für die Wahrung der Unternehmensidentität – entgegen der zunächst von Hohenstatt und Müller-Bonanni vertretenen Auffassung – dagegen unerheblich. Eine wertende Gesamtbetrachtung, wie sie im Rahmen der Lehre von der betrieblichen Identität anzustellen ist, um zu ermitteln, ob eine Anpassung der Vertretungsstrukturen erforderlich ist oder nicht, kommt bei der Bestimmung der Unternehmensidentität daher nicht in Betracht. Auf die Wesentlichkeit möglicher Veränderungen oder die Anzahl der betroffenen Betriebe kommt es für ihre Definition nicht an.50 Denn Praktikabilitäts- und Vernunftserwägungen können den Fortbestand des Gesamtbetriebsrats nur rechtfertigen, wenn 48 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B II 2 der Gründe; Bachner, NJW 2003, 2861, 2862; Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 47 Rn. 17; Giesen, SAE 2003, 217, 220; Hauck, FS Richardi, S. 537, 540; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 101; v. Hoyningen-Huene, Anm. zu BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972; Jacobs, FS Konzen, S. 346, 353; Koch, ErfK, BetrVG, § 47 Rn. 5; C. Meyer, SAE 2003, 310, 311; Müller-Glöge, MüKo, BGB, § 613a Rn. 71; Steffan, APS, BGB, § 613a Rn. 148; Wahlig/Witteler, AuA 2004, Heft 2, 14, 16; i.E. ebenso Trittin, DKKW, BetrVG, § 47 Rn. 23 m. 49 Zutreffend Jacobs, FS Konzen, 246, 353. 50 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B II 2 der Gründe.
A. Gesamtbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität
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die Betriebe eines Unternehmens ausnahmslos auf einen neuen Inhaber übertragen werden und die betriebliche Identität sämtlicher Betriebe gewahrt wird. Dagegen entfällt die Grundlage für einen „Übergang“ des Gesamtbetriebsrats „bereits dann, wenn die betriebsverfassungsrechtliche Identität eines Betriebs im Zusammenhang mit dem Betriebsübergang verändert wird“.51 Im Gegensatz zum Begriff der betrieblichen Identität ist der Begriff der Unternehmensidentität damit äußerst eng, nämlich streng logisch zu verstehen. 4. Zwischenergebnis: Funktioneller Unterschied zwischen Betriebs- und Unternehmensidentität Werden die Betriebe eines Unternehmens ausnahmslos und unter Wahrung ihrer Identität auf einen bis dahin arbeitnehmerlosen Rechtsträger übertragen, so dass die Unternehmensidentität nach dem Wechsel auf Rechtsträgerebene fortbesteht, bleibt der Gesamtbetriebsrat im Amt. Dabei handelt es sich nicht um eine Übertragung der Lehre von der Betriebsidentität auf die Ebene des Gesamtbetriebsrats, sondern um eine aufgrund von Zweckmäßigkeitserwägungen gebotene Ausnahme vom Grundsatz der Unternehmensbezogenheit des Gesamtbetriebsrats. Anders als die Betriebsidentität ist die Unternehmensidentität daher streng logisch zu bestimmen. Da der Verlust der Unternehmensidentität dagegen kein Beendigungsgrund für das Mandat des Gesamtbetriebsrats ist, ist die Unternehmensidentität für den Gesamtbetriebsrat kein Kontinuitätsmerkmal im eigentlichen Sinn.
III. Zusammenfassung Der Gesamtbetriebsrat besteht als Dauereinrichtung so lange, bis die Voraussetzungen seiner Errichtung entfallen. Werden einzelne Betriebe des Unternehmens veräußert oder in das Unternehmen aufgenommen, wirkt sich dies allein auf die Zusammensetzung, nicht aber auf den Bestand des Gesamtbetriebsrats aus, solange das Ursprungsunternehmen über mindestens zwei Betriebe mit je einem Betriebsrat verfügt. Eine Übertragung der Lehre von der betrieblichen Identität auf die Ebene des Gesamtbetriebsrats kommt nicht in Betracht. Grundsätzlich ist der Gesamtbetriebsrat in seinem Bestand an das Unternehmen gebunden, für das er errichtet wurde. Werden sämtliche Betriebe eines Unternehmens unter Wahrung ihrer Identität auf einen neuen, bis dahin arbeitnehmerlosen Rechtsträger übertragen, wird jedoch auch der Gesamtbetriebsrat von dem „Übergang“ erfasst.
51 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B II 2 der Gründe.
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4. Teil: Konsequenzen für Gesamt- und Konzernbetriebsrat
B. Konzernbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität Eine zusätzliche Verlagerung von Leitungsmacht findet vielfach statt, wenn das Unternehmen, zu welchem ein Betrieb gehört, konzernverbunden ist. In derartigen Konstellationen werden wesentliche Entscheidungen häufig nicht auf Unternehmens-, sondern auf Konzernebene getroffen.52 Bestehen in einem Konzern i.S.d. § 18 Abs. 1 AktG in mindestens zwei Konzernunternehmen Gesamtbetriebsräte, hat der Gesetzgeber deshalb die Möglichkeit eröffnet, einen Konzernbetriebsrat zu bilden, der die Interessen aller im Konzern beschäftigter Arbeitnehmer vertritt. Über ihn wird die Belegschaft an den Leitungsentscheidungen in sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten beteiligt, die auf Konzernebene fallen und die einzelnen Unternehmen binden.53 So wird verhindert, dass betriebsverfassungsrechtliche Beteiligungsrechte durch die Verlagerung von Entscheidungsmacht auf die Konzernebene verloren gehen.54 Die Errichtung eines Konzernbetriebsrats erfolgt durch selbstständige Beschlüsse der einzelnen Gesamtbetriebsräte.55 Sie ist – anders als die Bildung eines Gesamtbetriebsrats – nicht obligatorisch, sondern fakultativ (§ 54 Abs. 1 S. 2 BetrVG)56, da je nach Struktur des Konzerns die Errichtung eines Konzernbetriebsrats zur Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen entbehrlich sein kann57. Die Bildung eines Konzernbetriebsrats setzt gem. § 54 Abs. 1 S. 1 BetrVG voraus, dass in mindestens zwei Konzernunternehmen ein Gesamtbetriebsrat existiert. Ist in einem Konzernunternehmen kein Gesamtbetriebsrat gebildet, weil in diesem Unternehmen nur ein Betriebsrat existiert, nimmt dieser im Hinblick auf die Mitwirkung an der Errichtung eines Konzernbetriebsrats die Rechte eines Gesamtbetriebsrats wahr (§ 54 Abs. 2 52
Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 1. BAG Beschl. v. 21. 10. 1980, 6 ABR 41/78, BAGE 34, 230 = AP Nr. 1 zu § 54 BetrVG 1972, unter III 2 c bb der Gründe; Beschl. v. 13. 10. 2004, 7 ABR 56/03, BAGE 112, 166 = AP Nr. 9 zu § 54 BetrVG 1972, unter B IV 1 e cc (1) der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 3; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 1; Koch, ErfK, BetrVG, § 54 Rn. 1; Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 2. 54 BAG Beschl. v. 22. 11. 1995, 7 ABR 9/95, AP Nr. 7 zu § 54 BetrVG 1972 = NZA 1996, 706, unter B II 1 a der Gründe; Koch, ErfK, BetrVG, § 54 Rn. 1; Konzen, FS Wiese, S. 199, 200; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 4; Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 8 f. 55 Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 38; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 41; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 7; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 12; Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 46. 56 Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 2; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 38; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 2; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 122; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 1; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 1; Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 1. 57 BT-Drucks. VI/1786, S. 43; Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 2; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 4; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 1; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 1. 53
B. Konzernbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität
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BetrVG). Nicht erforderlich ist, dass die Gesamtbetriebsräte aller Konzernunternehmen der Errichtung zustimmen. Gem. § 54 Abs. 1 S. 2 BetrVG ist notwendig aber auch ausreichend, dass die Zustimmung der (Gesamt-) Betriebsräte vorliegt, in denen insgesamt mehr als 50 % der Arbeitnehmer der Konzernunternehmen beschäftigt sind. Repräsentiert ein Gesamtbetriebsrat mehr als 50 % der Arbeitnehmer der Konzernunternehmen, genügt sein Beschluss zur Bildung eines Konzernbetriebsrats.58 Liegen die entsprechenden Beschlüsse der (Gesamt-) Betriebsräte, in denen insgesamt mehr als 50 % der Arbeitnehmer der Konzernunternehmen beschäftigt sind, vor, ist der Konzernbetriebsrat errichtet.59 Gem. § 55 Abs. 1 S. 1 BetrVG müssen dann die (Gesamt-) Betriebsräte aller Konzernunternehmen zwei ihrer Mitglieder in den Konzernbetriebsrat entsenden. Dies gilt insbesondere auch für die Gesamtbetriebsräte oder Betriebsräte, die keinen Beschluss über die Bildung des Konzernbetriebsrats gefasst oder sich gegen seine Errichtung ausgesprochen haben.60 Die Entsendung erfolgt durch Beschluss. Der Konzernbetriebsrat hat über die Wahlperioden der Einzelbetriebsräte hinaus Bestand.61 Einmal errichtet unterliegt er keiner Amtszeit, sondern ist wie der Gesamtbetriebsrat eine „Dauereinrichtung“ mit wechselnden Mitgliedern.62 Er erlischt, wenn die Voraussetzungen für seine Errichtung entfallen.63 Wird ein Konzern, in dem ein Konzernbetriebsrat besteht, umstrukturiert oder kommt es zu einem Übergang konzernangehöriger Unternehmen, ist fraglich, ob dies den Fortbestand des Konzernbetriebsrats berührt (hierzu sogleich unter I.). Ferner stellt sich die Frage, ob die Rechtsprechung zum Fortbestand des Gesamtbetriebsrats bei Wahrung der Unternehmensidentität auf den Konzernbetriebsrat übertragen werden kann (hierzu sogleich unter II.). 58 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 43; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 25; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 12; Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 35. 59 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 45; vgl. auch Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 37; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 26; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 12; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 46; Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 1, 48. 60 Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 48; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 27; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 55 Rn. 2; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 55, § 55 Rn. 8, 55; Trittin, DKKW, BetrVG, § 55 Rn. 5. 61 Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 58. 62 BAG Beschl. v. 5. 6. 2002, 7 ABR 17/01, BAGE 101, 273 = AP Nr. 11 zu § 47 BetrVG 1972, unter B I 1 der Gründe; Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 45; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 50; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 29; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 132; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 13; Koch, ErfK, BetrVG, § 54 Rn. 9; Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 3, 51. 63 BAG 23. 8. 2006, 7 ABR 51/05, AP Nr. 12 zu § 54 BetrVG 1972 = SAE 2008, 168, unter B II 2 b bb der Gründe; Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 49; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 51; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 30; Hohenstatt/ Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 13; Koch, ErfK, BetrVG, § 57 Rn. 1.
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4. Teil: Konsequenzen für Gesamt- und Konzernbetriebsrat
I. Auswirkungen des Hinzukommens oder Wegfallens einzelner Unternehmen 1. Abhängigkeit des Konzernbetriebsrats vom Fortbestand seiner Errichtungsvoraussetzungen Da der Konzernbetriebsrat als Dauerorgan erst erlischt, wenn die Voraussetzungen seiner Errichtung entfallen, führen Umstrukturierungen im Konzern nur zu seinem Untergang, wenn sie den Fortfall einer seiner Errichtungsvoraussetzungen bedingen. Das ist insbesondere der Fall, wenn die Voraussetzungen für das Bestehen eines Konzerns nach der Umstrukturierung – beispielsweise infolge des Verkaufs von Konzernunternehmen an Dritte – nicht mehr vorliegen64 oder dem Konzern infolge der Umstrukturierung nicht mehr mindestens zwei Unternehmen mit (Gesamt-) Betriebsrat angehören65. Im Übrigen lassen Änderungen in der Zusammensetzung des Konzerns den Bestand des Konzernbetriebsrats unberührt.66 Der Konzernbetriebsrat endet daher nicht allein deshalb, weil ein Unternehmen in den Konzern eintritt oder diesen verlässt. Insofern entspricht die Rechtslage beim Konzernbetriebsrat derjenigen beim Gesamtbetriebsrat. Scheidet ein Unternehmen aus dem Konzern aus, ohne dass die Konzernbindung dadurch endet oder dem Konzern in der Folge weniger als zwei Unternehmen mit (Gesamt-) Betriebsrat angehören67, besteht der Konzernbetriebsrat fort. In diesem Fall endet lediglich die Mitgliedschaft der vom Gesamtbetriebsrat des ausgeschiedenen Unternehmens entsandten Mitglieder im Konzernbetriebsrat. Dieser verkleinert sich entsprechend und verliert seine Zuständigkeit für das ausgeschiedene Unternehmen.68 Auch der Eintritt eines Unternehmens in den Konzern, wirkt sich nicht auf den Bestand des Konzernbetriebsrats aus. Den (Gesamt-) Betriebsrat des neu in den Konzern aufgenommenen Unternehmens trifft dann gem. § 55 Abs. 1 S. 1 BetrVG die Pflicht, zwei seiner Mitglieder in den Konzernbetriebsrat zu entsenden.69 Dieser vergrößert sich entsprechend.70
64 BAG 23. 8. 2006, 7 ABR 51/05, AP Nr. 12 zu § 54 BetrVG 1972 = SAE 2008, 168, unter B II 2 b bb der Gründe; Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 49; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 51; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 30; Hohenstatt/ Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 13. 65 Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 16. 66 Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 51; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 51; Hohenstatt, WHSS, Rz. D135; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 61; Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 56. 67 Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 51; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 31; Löwisch/ Kaiser, BetrVG, § 54 Rn. 13. 68 Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 51; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 31; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 61; Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 56. 69 Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 51; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 55 Rn. 4; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 31; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 61.
B. Konzernbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität
229
a) Eingliederung des Konzerns in einen anderen Konzern Dagegen endet das Amt des Konzernbetriebsrats grundsätzlich, wenn der Konzern, in dem er bislang amtierte, in einen anderen Konzern integriert wird, wenn also die Umstrukturierung nicht nur einzelne Konzernunternehmen, sondern den Konzern als solchen erfasst.71 Das Ende des Konzernbetriebsrats folgt in diesem Fall daraus, dass der Konzern, für den der Konzernbetriebsrat errichtet worden war, infolge der Eingliederung untergegangen ist, so dass eine der Errichtungsvoraussetzungen des Konzernbetriebsrats entfallen ist. Da nach der Fusion nur noch ein Konzern besteht, kann auch nur ein Konzernbetriebsrat weiter amtieren.72 aa) Konzern im Konzern Etwas anderes gilt jedoch, wenn die bisherige Konzernobergesellschaft auch nach der Integration als Teilkonzernspitze weiter besteht, so dass der aufgenommene Konzern im aufnehmenden Konzern weiter existiert („Konzern im Konzern“) und für beide Konzernbetriebsräte die Voraussetzungen ihrer Errichtung erhalten bleiben. Zwar wird die Figur des Konzerns im Konzern im Gesellschaftsrecht ganz überwiegend abgelehnt.73 Für ihre Anerkennung im Bereich des Betriebsverfassungsrechts spricht jedoch, dass die betriebsverfassungsrechtlichen Beteiligungsrechte da ausgeübt werden müssen, wo die unternehmerische Leitung konkret verwirklicht wird.74 Denn mit der Möglichkeit der Errichtung eines Konzernbetriebsrats soll gerade die Beteiligung der Konzernbelegschaft an den Entscheidungen der Konzernleitung sichergestellt werden.75 Dieser gesetzgeberische Zweck würde aber nicht erreicht, wenn bei einer Tochtergesellschaft, der ein wesentlich eigener Entscheidungsspielraum zur Verfügung steht, kein Konzernbetriebsrat bestehen könnte.76 Verfügt beispielsweise die Tochter in einem mehrstufigen Konzern über einen eigenständigen Entscheidungsspielraum gegenüber den Enkeln, wäre ein bei der Mutter errichteter Konzernbetriebsrat an einer Stelle angesiedelt, an der keine für die Arbeitnehmer der 70
Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 55 Rn. 4; vgl. auch BAG Beschl. v. 16. 3. 2005, 7 ABR 37/04, BAGE 114, 110 = AP Nr. 5 zu § 51 BetrVG 1972, unter B II 3 a aa (1) der Gründe (zum Gesamtbetriebsrat). 71 Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 16. 72 Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 56b. 73 Bayer, MüKo, AktG, § 18 Rn. 42; Koppensteiner, Kölner Kommentar, AktG, § 18 Rn. 31; v. Hoyningen-Huene, ZGR 1978, 515 ff.; a.A. K. Schmidt, FS Lutter, S. 1167, 1189 ff. 74 Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 14; vgl. auch Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 32; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 34 f. 75 BAG Beschl. v. 21.10.80, 6 ABR 41/78, BAGE 34, 230 = AP Nr. 1 zu § 54 BetrVG 1972, unter III 2 c bb der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 32. 76 BAG Beschl. v. 14. 2. 2007, 7 ABR 26/06, BAGE 121, 212 = AP Nr. 13 zu § 54 BetrVG 1972, unter B III 2 a cc (1) der Gründe; Beschl. v. 16. 5. 2007, 7 ABR 63/06, AP Nr. 3 zu § 96a ArbGG 1979 = AuA 2008, 53, unter B III 2 d aa der Gründe.
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4. Teil: Konsequenzen für Gesamt- und Konzernbetriebsrat
Enkelgesellschaft maßgeblichen Entscheidung in personellen und sozialen Angelegenheiten getroffen würden.77 Da dies der Zielsetzung des Gesetzes widerspräche78, erkennt die herrschende Ansicht im Betriebsverfassungsrecht die Möglichkeit eines Konzerns im Konzern für den Bereich des Betriebsverfassungsrechts an, wenn das herrschende Unternehmen bei einem mehrstufigen Konzern von seiner Leitungsmacht zwar im wesentlichen Umfang, aber doch nur teilweise (z. B. als Richtlinienkompetenz) Gebrauch macht und einem abhängigen Unternehmen noch wesentliche Leitungsaufgaben zur eigenständigen Ausübung gegenüber den diesem nachgeordneten Unternehmen belässt.79 bb) Einheitliche Leitung als Voraussetzung eines Konzerns? Die Gegenansicht beruft sich demgegenüber darauf, dass nach dem Wortlaut des § 54 Abs. 1 S. 1 BetrVG für einen Konzern nur ein Konzernbetriebsrat gebildet werden könne und das Bestehen eines Konzerns die Zusammenfassung der Unternehmen unter einer einheitlichen Leitung voraussetze, was mit der Annahme eines Konzerns im Konzern unvereinbar sei.80 Diese Argumentation überzeugt nicht. Die Frage nach der Reichweite betriebsverfassungsrechtlicher Beteiligungsrechte lässt sich nicht unter Berufung auf das aktienrechtliche Verständnis des Konzernbegriffs lösen.81 Maßgeblich ist vielmehr, ob die vom Tochterunternehmen abhängigen (Enkel-) Unternehmen nach betriebsverfassungsrechtlichem Verständnis unter der einheitlichen Leitung des Tochterunternehmens zusammengefasst sein können, obwohl dieses seinerseits zugleich unter der einheitlichen Leitung des Mutterunternehmens steht.82 Das ist mit der ganz herrschenden Meinung zu bejahen. Die Vermutungen des § 18 Abs. 1 S. 2 und 3 AktG stehen dem nicht entgegen, weil sie sich – wie Kreutz zutreffend hervorhebt – „im mehrstufigen Konzern für die gleichzeitig bestehenden Herr77 BAG Beschl. v. 14. 2. 2007, 7 ABR 26/06, BAGE 121, 212 = AP Nr. 13 zu § 54 BetrVG 1972, unter B III 2 a cc (1) der Gründe; Beschl. v. 16. 5. 2007, 7 ABR 63/06, AP Nr. 3 zu § 96a ArbGG 1979 = AuA 2008, 53, unter B III 2 d aa der Gründe; Fitting/Engels/Schmidt/ Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 32. 78 BAG Beschl. v. 21.10.80, 6 ABR 41/78, BAGE 34, 230 = AP Nr. 1 zu § 54 BetrVG 1972, unter III 2 c bb der Gründe; Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 14. 79 BAG Beschl. v. 21.10.80, 6 ABR 41/78, BAGE 34, 230 = AP Nr. 1 zu § 54 BetrVG 1972, unter III 2 c bb der Gründe; Beschl. v. 14. 2. 2007, 7 ABR 26/06, BAGE 121, 212 = AP Nr. 13 zu § 54 BetrVG 1972, unter B III 2 a cc (1) der Gründe; Beschl. v. 16. 5. 2007, 7 ABR 63/06, AP Nr. 3 zu § 96a ArbGG 1979 = AuA 2008, 53, unter B III 2 d aa der Gründe; Fitting/Engels/ Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 32; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 17; Koch, ErfK, BetrVG, § 54 Rn. 6; Konzen, FS Wiese, S. 199, 201; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 35; Röder/Powietzka, DB 2004, 542, 543; Trittin, DKKW, BetrVG, § 54 Rn. 14. 80 Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 12 ff.; Hohenstatt, WHSS, Rz. D 132; Hohenstatt/ Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 16.; Joost, Betrieb und Unternehmen als Grundbegriffe, S. 229 ff. 81 BAG Beschl. v. 21. 10. 1980, 6 ABR 41/78, BAGE 34, 230 = AP Nr. 1 zu § 54 BetrVG 1972, unter III 2 c bb der Gründe; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 35. 82 So zutreffend Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 35 f.
B. Konzernbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität
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schafts- und Abhängigkeitsverhältnisse erster und zweiter Stufe zumindest gegenseitig neutralisieren und einer Vermutungsbasis für den Unterkonzern den Boden entziehen“.83 cc) Zwischenergebnis: Fortbestand beider Konzernbetriebsräte bei Vorliegen eines Konzerns im Konzern Der Bestand des Konzernbetriebsrats wird nicht berührt, wenn das herrschende Unternehmen aufgrund eines Abhängigkeitsverhältnisses unter die einheitliche Leitung einer neuen Konzernobergesellschaft gestellt wird, aber weiterhin wesentliche (betriebsverfassungsrechtlich relevante) Leitungsmacht selbstständig gegenüber den von ihm abhängigen Unternehmen ausübt. Dann entsteht ein Konzern im Konzern mit der Folge, dass die Errichtungsvoraussetzungen beider Konzernbetriebsräte bestehen bleiben. Nur wenn nach dem Zusammenschluss ein zentralisierter Konzern entsteht, endet der Konzernbetriebsrat. b) Unterschreiten des Quorums Scheidet ein Unternehmen aus dem Konzernverbund aus oder wird ein Unternehmen neu in den Konzern aufgenommen, kann sich dies auf die Mehrheitsverhältnisse i.S.d. § 54 Abs. 1 S. 2 BetrVG auswirken. Unbestritten ist, dass die Errichtungsbeschlüsse der Gesamtbetriebsräte nicht schon dadurch hinfällig werden, dass die Befürworter der Errichtung des Konzernbetriebsrats die Konzernbelegschaft nicht mehr zu mehr als 50 % vertreten.84 Denn der Bestand des Konzernbetriebsrats setzt nicht voraus, dass sich der Konzernbetriebsrat auch nach Eintritt oder Ausscheiden eines Unternehmens auf ein entsprechendes Quorum stützen kann. Der Konzernbetriebsrat verliert daher nicht automatisch sein Amt, wenn nach einer Umstrukturierung nur noch die (Gesamt-) Betriebsräte seiner Errichtung zustimmen, die weniger als 50 % der Konzernbelegschaft vertreten.85 Dies steht auch im Einklang mit dem Grundsatz demokratischer Legitimation, da die (Gesamt-) Betriebsräte den Konzernbetriebsrat jederzeit durch entsprechende Beschlüsse auflösen können.86 Durch die Aufnahme eines Unternehmens in den Konzern kann die Repräsentation der im Konzern beschäftigten Arbeitnehmer jedoch unter 50 % sinken, wenn in diesem Unternehmen keine (Gesamt-) Betriebsräte bestehen.87 Würde in einem solchen Fall über die Errichtung eines Konzernbetriebsrats erneut Beschluss gefasst, würde 83
Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 35. Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 60; vgl. Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 53; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 32. 85 Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 53; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 60. 86 Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 47, 53; Fitting/Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, § 54 Rn. 52; Glock, HSWGN, BetrVG, § 54 Rn. 32; Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 60. 87 Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 35. 84
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4. Teil: Konsequenzen für Gesamt- und Konzernbetriebsrat
das 50 %-Quorum des § 54 Abs. 1 S. 2 BetrVG mit Sicherheit nicht mehr erreicht.88 In diesem Fall erlischt der Konzernbetriebsrat, da seine Errichtungsvoraussetzungen nicht mehr vorliegen.89 Auch würde der Konzernbetriebsrat sonst „ewig fortbestehen“, da die erforderliche Mehrheit für einen Auflösungsbeschluss, der seinerseits dem Quorum des § 54 Abs. 1 S. 2 BetrVG unterliegt, in dieser Konstellation nicht mehr erreicht werden kann.90 2. Zwischenergebnis: Keine Übertragbarkeit des Begriffs Betriebsidentität Der Konzernbetriebsrat ist wie der Gesamtbetriebsrat eine Dauereinrichtung ohne feste Amtszeit. Solange die Voraussetzungen seiner Errichtung gegeben sind, wirken sich das Hinzukommen oder der Wegfall von Unternehmen lediglich auf die Zusammensetzung, nicht aber auf den Fortbestand des Konzernbetriebsrats aus. Dieser erlischt erst, wenn die Konzernbindung infolge der Umstrukturierung endet, oder der Konzern, für den er gebildet wurde, nicht mehr über mindestens zwei Unternehmen mit je einem (Gesamt-) Betriebsrat verfügt, die insgesamt mehr 50 % der Konzernbelegschaft vertreten. In seinem Bestand ist der Konzernbetriebsrat also an den Konzern, nicht aber an die Konzernidentität gebunden.91 Eine Übertragung der Kategorie „Betriebsidentität“ auf die Ebene des Konzernbetriebsrats kommt nicht in Betracht.
II. Auswirkungen der Übertragung sämtlicher Unternehmen auf eine Vorratsgesellschaft Zweifelhaft ist, ob der Konzernbetriebsrat auch dann wegen des Verlusts seiner Errichtungsvoraussetzung endet, wenn er als Ganzes auf ein neu gegründetes Unternehmen übergeht. Obwohl mit dem Untergang „seines“ Konzerns eine der Errichtungsvoraussetzungen des Konzernbetriebsrats entfällt, halten es Hohenstatt und Dzida entsprechend den beim Gesamtbetriebsrat angestellten Überlegungen für denkbar, dass der Konzernbetriebsrat fortbesteht, wenn das aufnehmende Unternehmen bisher noch nicht über eigene Betriebe verfügte und sämtliche Teile des Konzerns erwirbt.92 Dieser Ansicht ist jedoch entgegenzuhalten, dass zwischen Gesamtund Konzernbetriebsrat signifikante Unterschiede bestehen, die einer solchen Parallele entgegenstehen. Wie zuvor herausgearbeitet wurde, lässt sich der Fortbestand des Gesamtbetriebsrats beim Übergang aller Betriebe auf eine Vorratsgesellschaft allein mit Praktikabilitäts- und Vernunftserwägungen begründen. Auf den vorübergehen88 89 90 91 92
Hohenstatt, WHSS, Rz. D 134; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 17. Annuß, Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 53; Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 17. Hohenstatt, WHSS, Rz. D 134. Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 61. Hohenstatt/Dzida, HWK, BetrVG, § 54 Rn. 18.
B. Konzernbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität
233
den Untergang des Gesamtbetriebsrats kann in dieser Konstellation verzichtet werden, weil die unter dem Unternehmensdach zusammengefassten Betriebe den Gesamtbetriebsrat gem. § 47 Abs. 1 BetrVG ohnehin zwingend neu errichten müssten. Anders als der Gesamtbetriebsrat ist der Konzernbetriebsrat jedoch kein zwingend zu errichtendes Organ. Seine Bildung ist nicht obligatorisch, sondern hängt von der Willensbildung der beteiligten Gesamtbetriebsräte ab. Der Untergang des Konzernbetriebsrats stellt sich mithin nicht zwingend als „überflüssiger Zwischenschritt dar“. Vielmehr können sich die beteiligten Gesamtbetriebsräte auch gegen die Errichtung eines Konzernbetriebsrats entscheiden und es bei seinem Ende belassen. Anders als der Untergang des Gesamtbetriebsrats stellt sich der Untergang des Konzernbetriebsrats nicht als reiner Formalismus dar, auf den verzichtet werden kann. Die hinsichtlich des Fortbestands des Gesamtbetriebsrats angestellten Erwägungen lassen sich folglich nicht auf den Konzernbetriebsrat übertragen. Selbst bei einem Übergang aller Konzernunternehmen auf eine neue, bis dahin arbeitnehmerlose Konzernmutter kommt ein Fortbestand des Konzernbetriebsrats daher nicht in Betracht. Mit dem Konzernverhältnis endet das Amt des Konzernbetriebsrats unabhängig davon, ob der Konzern als Ganzes auf ein neu gegründetes Unternehmen übergeht oder seine „betriebsverfassungsrechtliche Identität“ (wie immer diese zu bestimmen wäre) verliert.93
III. Zusammenfassung Der Konzernbetriebsrat besteht als Dauereinrichtung so lange, bis die Voraussetzungen seiner Errichtung entfallen. Werden einzelne Konzernunternehmen veräußert oder neue Unternehmen in den Konzern aufgenommen, wirkt sich dies allein auf die Zusammensetzung, nicht aber auf den Bestand des Konzernbetriebsrats aus, solange der Konzern weiter besteht und über mindestens zwei Unternehmen mit je einem (Gesamt-) Betriebsrat verfügt, die insgesamt mehr 50 % der Konzernbelegschaft vertreten. Das gilt auch, wenn ein Konzern in ein anderes Unternehmen eingegliedert wird, in diesem aber als Konzern im Konzern bestehen bleibt. Eine Übertragung der Lehre von der betrieblichen Identität auf die Ebene des Konzernbetriebsrats kommt nicht in Betracht. Anders als der Gesamtbetriebsrat endet der Konzernbetriebsrat auch dann, wenn sämtliche Konzernunternehmen auf eine Vorratsgesellschaft übertragen werden.
93
Kreutz, GK-BetrVG, § 54 Rn. 61.
Zusammenfassung der Ergebnisse und Schluss A. Kein Abschied von der Betriebsidentitätslehre Die Lehre von der betrieblichen Identität gilt zu Recht als einheitlicher und praxistauglicher Prüfstein für die Bestimmung der Folgen, die betriebliche Veränderungen für Amt und Mandat des Betriebsrats nach sich ziehen. Als Kontinuitätsmerkmal des Betriebsrats ist die betriebliche Identität ein sinnvolles und nützliches Kriterium, anhand dessen sich die Auswirkungen sowohl unternehmensinterner als auch unternehmensübergreifender Umstrukturierungen systematisch überzeugend beurteilen lassen.
I. Möglichkeit der Bestimmung des Begriffs der betrieblichen Identität Der Kritik, die aufgrund der Unschärfe des Begriffs der betrieblichen Identität an seiner Verwendung geübt wird, kann durch eine teleologische Bestimmung der Betriebsidentität begegnet werden. Den Ausgangspunkt bildet dabei die Erkenntnis, dass die Lehre von der betrieblichen Identität auf dem Grundsatz der Betriebsbezogenheit beruht. Dieser bindet den Betriebsrat an den Betrieb, weil das Gesetz davon ausgeht, dass durch die Verknüpfung des Repräsentationsorgans mit dem Betrieb eine sinnvolle und effektive Vertretung der Arbeitnehmer erreicht wird. Führt eine Veränderung des Betriebs dazu, dass die sinnvolle Repräsentation der Belegschaft durch die Verknüpfung der Arbeitnehmervertretung mit dieser Einheit nicht mehr gewährleistet ist, ist die Bindung des Betriebsrats an diesen Betrieb nicht mehr gerechtfertigt. Es entsteht das Bedürfnis, die Vertretungsstrukturen durch Neuwahlen an die veränderten Gegebenheiten anzupassen, damit die effektive und sinnvolle Vertretung der Arbeitnehmer in Zukunft wieder gewährleistet ist. Mit Hilfe des Begriffs der betrieblichen Identität soll folglich die Frage beantwortet werden, ob eine Veränderung im Betrieb dazu führt, dass die sinnvolle Vertretung der Arbeitnehmer durch den bisherigen Betriebsrat nicht mehr gesichert ist. Da der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff nach der Vorstellung des Gesetzes die Organisationseinheit kennzeichnet, in der eine sinnvolle Vertretung der Arbeitnehmer möglich ist, ist für die Bestimmung der betrieblichen Identität eine Gesamtbetrachtung seiner Begriffsmerkmale vorzunehmen. Welches Gewicht den einzelnen Merkmalen dabei zukommt, folgt aus den Wertungen des Betriebsverfassungsgesetzes. Danach setzt die optimale Repräsentation der Arbeitnehmer die Verwirklichung einer sowohl belegschaftsnahen als auch entscheidungsnahen Vertretungsstruktur
A. Kein Abschied von der Betriebsidentitätslehre
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voraus, wobei letztere für die Wirksamkeit der Arbeitnehmervertretung bedeutsamer ist. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung nehmen daher diejenigen Merkmale eine hervorgehobene Stellung ein, die die Belegschaftsnähe verkörpern, wobei das wichtigste Kennzeichen der betrieblichen Identität das ist, welches das Wertungskriterium der Entscheidungsnähe verkörpert. Daraus folgt eine dreistufige Hierarchie der einzelnen Merkmale im Rahmen der Gesamtbetrachtung: Auf der untersten Stufe stehen die Merkmale des Betriebsbegriffs, die für die Wirksamkeit der Arbeitnehmervertretung unwesentlich sind und daher eine allenfalls untergeordnete Bedeutung für die Bestimmung der betrieblichen Identität haben. Dabei handelt es sich um den Betriebszweck, die materiellen und immateriellen Betriebsmittel, die arbeitstechnische Betriebsorganisation, die Unternehmensstruktur, die räumliche Lage sowie das äußere Erscheinungsbild des Betriebs. Auf der zweiten Stufe stehen die Merkmale, die die Belegschaftsnähe verwirklichen, also die Belegschaft selbst, die innerbetrieblichen Organisationseinheiten und die räumliche Verbundenheit der Arbeitnehmer. Sie nehmen eine gegenüber den Merkmalen der ersten Stufe hervorgehobene Stellung ein. Auf höchster Stufe steht das Merkmal des einheitlichen Leitungsapparats in personellen und sozialen Angelegenheiten, dem die zentrale Bedeutung für die Bestimmung der betrieblichen Identität zukommt, weil es die Entscheidungsnähe des Betriebsrats als leitenden Wertungsgesichtspunkt für die optimale Repräsentation der Arbeitnehmer verkörpert. Ein Rückgriff auf die für das Betriebsübergangsrecht entwickelten Maßstäbe und Kriterien zur Bestimmung der betrieblichen Identität kommt entgegen der überwiegenden Ansicht in der Literatur nicht in Betracht.
II. Möglichkeit der Einordnung der Lehre von der Betriebsidentität in das aktuelle Betriebsverfassungsrecht Neben der Bestimmung der betrieblichen Identität ist auch die Einordnung der Betriebsidentitätslehre in die Systematik des Betriebsverfassungsrechts möglich. Weder überkommene Grundsätze des Betriebsverfassungsrechts, noch neu in das Betriebsverfassungsgesetz eingefügte Vorschriften oder europarechtliche Vorgaben stehen ihrer Verwendung entgegen. Vielmehr bildet der Grundsatz der Betriebsbezogenheit die Grundlage der Wertentscheidungen, die das Betriebsverfassungsgesetz hinsichtlich des Fortbestands der Arbeitnehmervertretung trifft. § 21a BetrVG ist daher in der Lehre von der Betriebsidentität tief verankert und auf vielfältige Weise mit ihr verknüpft und auch der Grundsatz der Betriebsratskontinuität setzt die Betriebsbezogenheit des Betriebsrats voraus. § 3 BetrVG statuiert schließlich lediglich hinsichtlich der Errichtung von Arbeitnehmervertretungen eine Ausnahme vom Grundsatz der Betriebsbezogenheit, hebt die Abhängigkeit einer bereits bestehenden Arbeitneh-
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Zusammenfassung der Ergebnisse und Schluss
mervertretung von der organisatorischen Einheit, für die sie gebildet wurde, jedoch nicht auf.
III. Gesamt- und Konzernbetriebsrat und die Lehre von der betrieblichen Identität Auf Gesamt- und Konzernbetriebsrat kann die Lehre von der betrieblichen Identität nicht übertragen werden. Beide bestehen als Dauereinrichtung so lange, bis die Voraussetzungen ihrer Errichtung entfallen. Veränderungen in Unternehmen und Konzern können sich daher allein auf ihre Zusammensetzung nicht aber auf ihren Bestand auswirken. Während ein Rechtsträgerwechsel dem Fortbestand des Gesamtbetriebsrats nicht entgegensteht, wenn sämtliche Betriebe eines Unternehmens unter Wahrung ihrer Identität auf einen neuen, bis dahin arbeitnehmerlosen Unternehmensträger übertragen werden, geht der Konzernbetriebsrat mit dem Ende der Konzernbindung zwingend unter.
B. Abschied von alten Begrifflichkeiten An der Lehre der betrieblichen Identität ist nach alledem festzuhalten. Sowohl bei der Konkretisierung des Begriffs der betrieblichen Identität, als auch bei der Untersuchung der Frage, wie sich die Lehre von der betrieblichen Identität zu anderen Prinzipien und Regeln des Betriebsverfassungsrechts verhält, zeigt sich jedoch, dass der Terminus „Betriebsidentität“ für die Beschreibung des Kontinuitätsmerkmals des Betriebsrats nicht optimal gewählt ist. Denn obwohl es sich dabei um einen seit Jahrzehnten in der Rechtswissenschaft etablierten Begriff handelt, stiftet sein Gebrauch mehr Verwirrung als Klarheit. Das ist Folge ganz unterschiedlicher Faktoren. Zum einen wird die Diskussion um die Definition der betrieblichen Identität dadurch erheblich erschwert, dass der Begriff der Identität im Rahmen der Lehre von der Betriebsidentität nach ganz herrschender Meinung nicht in seiner semantischen Bedeutung verwendet wird, sondern Sachverhaltskonstellationen beschreibt, in denen Identität im eigentlichen Wortsinn gerade nicht vorliegt. Dieses Auseinanderfallen von allgemeinem und juristischem Sprachgebrauch führt nicht nur zu Missverständnissen, sondern auch zu teilweise heftiger Kritik, insbesondere an den durch die herrschende Meinung im Rahmen des § 21a BetrVG gebildeten Fallgruppen. Schwierigkeiten bereitet die Verwendung des Ausdrucks „Betriebsidentität“ zudem, weil dieser sich sprachlich nicht von dem im Rahmen des § 613a Abs. 1 S. 1 BGB als Tatbestandsmerkmal des Betriebsübergangs gebrauchten Begriff der Betriebsidentität unterscheidet, was einige Autoren zu der vorschnellen Schlussfolgerung verleitet, die Merkmale beider Begriffe seien weitgehend austauschbar. Dass den einzelnen Begriffsmerkmalen in den unterschiedlichen Funktionszusammenhängen durchaus unterschiedliche Bedeutung zukommen muss, tritt wegen der einheitlich gebrauchten Terminologie nicht mit ausreichender Deutlichkeit zu Tage. Auch hinsichtlich der
B. Abschied von alten Begrifflichkeiten
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Frage, ob die Lehre von der betrieblichen Identität auf die Ebene des Gesamtbetriebsrats zu übertragen ist, führt die Verwendung des Begriffs „Betriebsidentität“ zu Fehlschlüssen. Denn obwohl diese Frage zu verneinen ist, hängt der Fortbestand des Gesamtbetriebsrats von einem scheinbar ganz ähnlichen Kriterium, nämlich der Wahrung der Unternehmensidentität, ab. Anders als es die begriffliche Ähnlichkeit suggeriert, kann für die Bestimmung der Unternehmensidentität jedoch nicht auf die Grundsätze der Lehre von der betrieblichen Identität zurückgegriffen werden, da diese im Gegensatz zur Betriebsidentität streng logisch zu bestimmen ist. Heikel ist die Verwendung des Begriffs der betrieblichen Identität schließlich, weil noch nicht abschließend geklärt ist, ob dieselben Voraussetzungen, von denen der Fortbestand des Betriebsrats abhängt, auch maßgeblich für die normative Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen sind. Der Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 18. 9. 2002 deutet darauf hin, dass diese Frage zu verneinen ist. Auch das spricht gegen die einheitliche Verwendung des Begriffs der betrieblichen Identität. All diese Schwierigkeiten, die mit der einheitlichen und dadurch unscharfen und zuweilen auch falschen Verwendung des Begriffs der betrieblichen Identität hervorgerufen werden, könnten vermieden werden, wenn man die Voraussetzung für den Fortbestand des Betriebsrats als das bezeichnen würde, was es nach herrschender Meinung ist, nämlich das Substrat betriebsverfassungsrechtlicher Repräsentation. Während ein Abschied von der Lehre von der betrieblichen Identität also nicht in Betracht kommen kann, ist ein Abschied von dem überkommenen Begriff der betrieblichen Identität durchaus wünschenswert.
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Sachwortverzeichnis Abspaltung 150 allgemeiner Betriebsbegriff 35, 53 andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen 198 Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl 184 Arbeitnehmer 117 Arbeitsgruppe 69 arbeitstechnische Betriebsorganisation 102 Aufspaltung 150 Austausch der Belegschaft 124
gemeinsamer Betrieb 115, 167 geographische Lage 126 Gesamtbetrachtung 30 Gesamtbetriebsvereinbarung 33 gewerbliche Schutzrechte 96 gewillkürte Betriebsverfassung 189 Grundsatz der Betriebsbezogenheit 26, 169, 172, 187, 203 Grundsatz der Betriebsratskontinuität 171, 186
Belegschaft 117, 150 Belegschaftsnähe 67, 137 Besetzungskontinuität 147 betriebliche Identität 203 Betriebsabteilung 100 Betriebsänderung 80 Betriebsbegriff 29 Betriebseinschränkung 121 Betriebsidentität 20, 28, 169, 190, 209 Betriebsnachfolge 47 Betriebsorganisation 100 Betriebsrat 31 Betriebsratsfähigkeit 40 betriebsratslose Einheit 160 Betriebsübergang 31, 35 betriebsübergreifender Betriebsrat 193 Betriebsvereinbarungen 32 betriebsverfassungsrechtlicher Betriebsbegriff 61 f., 202 Betriebszweck 78
Hierarchie der einzelnen Merkmale 210
demokratische Legitimation
125
Eingliederung 154 Einheit der Rechtsordnung 54 Entscheidungsnähe 69, 136 Firma
94
Identität 28 immaterielle Betriebsmittel
131,
87, 91
Know How 92 Kundenstamm 97 Lehre von der betrieblichen Identität 25, 168, 180 Leitung in personellen und sozialen Angelegenheiten 105, 139 Leitungsapparat 105, 139 materielle Betriebsmittel 86 mehrfaches Übergangsmandat mehrgliedriger Betrieb 114
165
Normativität des Betriebsbegriffs Personalabbau
121
Rechtsnachfolge 46 Relativität der Rechtsbegriffe 54 repräsentationsfähige Einheit 57 Restmandat 170 Selbstständigkeit 45, 179 f. Sieben-Punkte-Prüfung 36
55
252
Sachwortverzeichnis
Spaltung 141, 149, 165 Spartenbetriebsrat 195 Spartenorganisation 71 Stilllegung des Betriebs 81 Substrat betriebsverfassungsrechtlicher Repräsentation 27, 55, 65 Übergangsmandat 32, 34, 141 umfassende Belegschaftsrepräsentation 72 Umstrukturierung 31 unternehmenseinheitlicher Betriebsrat 71, 73, 191 f.
Unternehmensrat 192 Unternehmensstruktur 113 Verlegung 126 Vertrauen 134, 138 Vollmandat 146 Vorrang des Regelmandats 155 wirtschaftliche Einheit
143, 145, 150,
36
Zusammenfassung von Betrieben 141, 154, 165