C. M. Wielands Sämmtliche Werke: Band 14 Beyträge zur geheimen Geschichte der Menschheit [Reprint 2020 ed.]
 9783111409184, 9783111045764

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C.

M.

WIELANDS

SÄMMTLICHE W E R K E

V I E R Z E H N T E R

BAND.

B E I T R A G E ZUR G E H E I M E N DER

GESCHICHTE

MENSCHHEIT.

L E I P Z I G » E I

G I O R C

JOACHIM

G Ö S C H I «

1795,

B E I T R Ä G E ZUR GEHEIMEN

GESCHICHTE

MENSCHHEIT.

W I U A M K timmil. W . XIV. £.

4

DER

Koxkox

und

Kikequetzel,

eine

Mexikanisch«

Geschichtet 2.

Betrachtungen über J. J. Rousseaus ursprüngliche» Zustand des Menschen. 3Über

die

von

J. J. Rousseaus

vorgeschlagenen

Versuche u. s. w . nebst einem Traumgesprüch mit Prometheus. 4Über

die

Behauptung,

dafs

ungehemmte* Aus-

bildung der menschlichen Gattung schädlich sey. 5. Über die vorgebliche Abnahme des menschlichen Geschlechts.

JKOXKOX UND EINE

KIKEQUETZEL

MEXIKANISCHE

GESCHICHTE

Ein Beytrag zur Naturgeschichte de» «ittliehen Menschon. 1769 und 70.

1.

V o r undenklichen Jahren kam, nach einer alten M e x i k a n i s c h e n Sage, ein grofser Koinet, auf seiner Reise um die Sonne, — man weifs nicht aus welcher Veranlassung — dem Planeten, welchen unsre Vorfahren bewohnten, so nahe, dafs beide Sterne, nach menschlicher Weise zu reden, handgemein mit einander werden mufsten. Das Gefecht war eines der hartnäckigsten, welche seit langer Zeit in den Gefilden des Älliers vorgefallen waren. Die besondern Umstände davoft sind, aus Maugel beglaubter Zeugnisse,-unbekannt. Alles, was wir davon sagen können, ist: dafs, nachdem der Mond

6

Koxnox

M D

KlKKJUITZÜL.

seiner Schwester

Erde zu

der . Komet sich

endlich genölhiget f a n d , mit

Hülfe

gekommen,

Zurücklassung des giöl'sten Theils von Schweife,

die Flucht zu ergreifen,

sey nun aus Feigheit oder mifslungene

seinem und,

Schani über

Unternehmung,

sich

im

es

seine leeren

Räume so weit zu v e r l a u f e n , dafs e r , nach der Meinung

der

besten

Sinesischen

Sternseher,

bis auf, den heutigen Tag den R ü c k w e g

noch

nicht hat finden können. Wie wichtig

der Verlust

seines

Schweifs

f ü r ihn gewesen sey , können w i r nicht bestimmen.

Aber so viel ist g e w i f s ,

•wenig lien

Ursache

halte,

sich

dafs die dieses

Siegeszeichens zu erfreuen.

glücklicher

Weise,

Erde

erfochteDenn

befanden sich in

un-

diesem

S c h w e i f e (welcher nach der mäfsigsten Berechnung eine Million dreymahl hundert vier und vierzig tausend f ü n f hundert sechs und sechzig Mexikanische

Meilen

lang,

und

verhältnifs-

m ä f s i g breit und dick w a r ) obenhin gerechnet wenigstens hundert tausend Millionen

Tonnen

Wassers, welches in erschrecklichen Güssen auf die arme E r d e herunter stürzte, und in w e n i gen

Stunden

eine

solche

Überschwemmung

verursachte, dafs alle Menschen und Thiere des ganzen mittlem

Theils

der

Halbkugel,

von

Koxicox

lÜKEQIilTZEti

7

Luisiana und Kalifornien an bis zu d«r

Erd-

enge Panama,

UND

dadurch

zu

Grunde

gingen;

wenige einzelne ausgenommen , die so unglücklich

waren, in den Klüften der höchsten Ge-

birge einem f e u c h t e n

Tode zu

entrinnen,

uin aus Mangel an Lebensmitteln von einem trocknen

aber unendliche Mahl grausamem

aufgerieben zu werden. H ii e t und seines gleichen

würden kein

Bedenken tragen, uns zu versichern, dafs diese alte Mexikanische Sage nichts anders als eine durch die Länge der Zeit abgenutzte, und (nach Gewohnheit der blinden wieder unterlegte

Heiden)

mit

und ausgeflickte

Fabeln

Nachricht

von der Mosaischen allgemeinen Sundflut sey. Ich bin nicht belesen genug, mit einem so belesenen

Manne wie H ü e t zu haberechten.

Es kann seyn ! —

Aber da es eben so möglich

ist, dafs diese Mexikanische Überschwemmung nur p a r t i k u l a r gewesen und später erfolgt ist als j e n e ; und da, aus Mangel zuverlässiger kronologischer Nachrichten, sich in dieser S a che nichts

bestimmen

lafst:

so —

überlasse

ich diese Frage unberührt einem j e d e n , sich ihrer annehmen w i l l , —

der

um zu derjeni-

gen interessanten Begebenheit fortzueilen, w e l che der L e s e r ,

wofern

er über diesem

An-

Q

K Q X K O X

U N D

K I K B Q V I T Z Z L .

fang noch nicht eingeschlafen ist, im zweytcu Kapitel dieses r h a p s o d i s c h e n Werkes, mit allen Grazien der Neuheit, deren eine so alt« Geschichte nur immer iahig ist, beschrieben finden wird.

K o x k o x USD K i k e q ü e t z s l .

9

E i n junger Mensch — der jedoch alt genug w a r , um zu wissen dafs man ihn K o x k o x zu nennen pflegte, ehe dieses entsetzliche Schicksal sein Vaterland befiel, — hatte das Glück, der allgemeinen Zerstörung zu entrinnen, und das Unglück, allem Ansehen nach das e i n z i g e m e n s c h l i c h e Wesen zu seyn, dem dieses Glück zu Theil geworden war. K o x k o x glaubte sich zu erinnern, dafs der Frühling, welcher, so bald als da» Gewässer von den höher liegenden Orten abgeflossen w a r , wieder aufzublühen anfing, wenigstens der z e h n t e s e y , den er erlebt hätte; — ein Umstand, der zur Ehre seines Verstandes wenigstens s o viel beweist, dafs er drey und ein Drittel Mahl besser zählen konnte, als die armen Einwohner von N e u h o l l a n d , welche es bis auf diesen Tag noch nicht weiter als bis zur P y t h a g o r i s c h e n Drey haben bringen

10

KOXKOX.

UND

KIKEQUETZEI,.

können; — wenn wir so gut seyn wollen, es den Reisebeschieibern zu glauben. — Und in der That war' es, das wenigste zu sagen, söhr unfreundlich, wenn wir Leuten, welche sich so vielen Gefahren und Beschwerden unterzogen haben, um uns andern glebae adelictis — Wunderdinge nach Hause zu bringen , eine so wenig kostende Kleinigkeit, alsein ß i f s c h e n G l a u b e n ist, versagen wollten. Zu Folge der besagten Rechnung also, mochte K o x k o x , wofern er sich anders nicht überzählt halte, — welches gröfsern K r o n o l o g e n als eir begegnet ist, und noch täglich begegnet — ungefähr vierzehn bis funlzehn •lahre alt seyn; vorausgesetzt, dafs er sich wenigstens bis auf sein fünftes Jahr habe zurück erinnern können, welches von einem Jüngling von erträglicher Fähigkeit nicht zu viel gefordert scheint. Man weifs nicht wie es zugegangen, dafs er während der Überschwemmung und eine geraume Zeit hernach sich bey Leben erhalten konnte. Was seyn soll, mufs sich scliikken, sagten unsre Alten, — die mit ihren Sprichwörtern gemeiniglich mehr sagten, als manche Leute zu verstehen fähig sind. — Im Nothfall sehe ich nicht, warum wir nicht un-

K O X K O X

UND

K I K E Q I T E T Z E L .

H

endliche Mahl befugter seyn s o l l t e n , ihn durch ein

Wunder

zu r e t t e n ,

schreiber . des achten

und

Jahrhunderte es w a r e n ,

als die

Kioniken-

etlicher

folgender

Wunder

auf einander

zu h ä u f e n , w o man nicht begreifen k a n n , wo-» zu sie dienen eines

sollen; —

Menschen

in

scheint doch wohl

denn

einem

Falle

ein dignus

die

Rctiung

wie

dieser v i n d i c e

n o d u s zu seyn. eine oder andere

von

unsern Lesern kein Liebhaber dieser Art

Wofern aber

von

Entwicklung —

der

welche,

genau zu r e d e n ,

in

der That keine E n t w i c k l u n g ist — seyn s o l l t e : so däucht u n s , körinte begnügen lassen,

ner ganzen Geschichte, ei' d a ,

man sich billig daran

dafs K o x k o x , da war.

so ist die M ö g l i c h k e i t

besage

sei-

Denn

war

seines

Da-

seyns aufser allem Z w e i f e l ; wie jedermann zugeben

wird,

Baumeister

der seinen

Aristoteles

nicht ganz vergessen hat.

oder

12

K O X K O X D i l ) K l K K Q U £ T S E Ii.

3. D a s L a n d , worauf sich K o x l o x befand, w a r durch die besagte Überschwemmung zu einer Insel geworden. Nach einiger Zeit hatte die Erde wieder angefangen , eine lachende Gestalt zu g e w i n n e n ; junge Haine kränzten w i e der die Slirne der Berge, u n d diese Haine w i m melten in kurzer Zeit wieder von Papageyen u n d Kolibri's; die F l u r e n , die Thäler waren voll Blumen und fruchttragender'Gewächse; — k u r z , da er nun immer weniger Schwierigkeiten f a n d sich f o r t z u b r i n g e n , w ü r d e sich sein Herz der Freude wieder haben öffnen k ö n n e n : w e n n die E i n s a m k e i t , welche keinem .Menschen gut i s t , f ü r einen Menschen von sechzehn oder siebzehn Jahren nicht beynahe i ben so entsetzlich w ä r e , als liir den einsiedlerischen T a l a p o i n — w e l c h e r , um desto ruhiger d,er Betrachtung des geheimnifsvollen N i c h t s (des Ursprungs und Abgrunds aller Dinge, nach F o b i ' s Grundsätzen) obzulieg e n , sich dreyfsig ganzer J a h r e aus aller mann-

K O X K O X

C K D

IiiKujuitzm,

13

lieben und weiblichen Gesellschaft freywillig verbannt hatte — der bclt idigc nde Anblick eines nymfenähnlichen Mädchens, das sich ijj seine Wildnifs verirret hätte. Die Einsamkeit ich meine hier eine solche, welche nicht von unserm Willen abhängt, und in .einer gänzlichen Beraubung aller menschlichen Gesellschaft besteht — inufs für Menschen, die an die Vortheile und Annehmlichkeiten des gesellschaftlichen Lebens gewöhnt sind, ein unerträgliches Übel seyn. Freylich nicht für alle in gleichem Grade. — Der Dichter, der Piatonist, der schwärmerische Liebhaber, es sey nun dafs er in eine m a t e r i e l l e oder u n s i c h t b a r e Schönheit aller Gatverliebt ist, kurz die Penserosi tungen und Arten, entreifsen sich oft freywil'Jig dem Getümmel der Städte, fliehen aufs Land, in einsame Schatten, in wilde Gegend e n , wo überhangende Felsen, finstre Wähl ir, lern her schallende Wasserfälle, die süfse Schwermuth unterhalten, welche das Element einer begeisterten Einbildung ist. Solche Leute würden sichs, wenigstens eine Zeit lang, auf einer einsamen Insel gefallen lassen können. Wenn sie anfingen das Leere ihres Zustandes ÜU fühlen, wie viele Hiilfsmittel würde ihnen ihre Einbildungskraft dui bitUn ? Sie würden

14

Koxnox

UMD

Kj.

K E q V E T Z I l ,

Berge und Haine und Thal er mit eingebildeten Wesen anfüllen - , sie würden mit den Nymfen der Bäche, mit den Dryaden der Bäume Liebesversländnisse unterhalten-, und wenn auch dieses Mittel nicht immer hinlänglich wäre,* die Forderungen der .Natur und des Herzens zu befriedigen , so würde es doch genug seyn, um sie zuweilen einzuschläfern und durch angenehme Träume zu täuschen; — und alle B o n z e n und ß o n z i n n e n auf beiden Seiten des G a n g e s wissen, „dafs angenehme Träume sehr viel sind^ wenn man nichts substanzielleres haben kann." Aber der arme K o x k o x hatte keinen Begriff von diesen Mitteln sich die Einsamkeit zu versüfsen. Das Volk, welches in den Gewässern des Kometenschweifes ersäuft worden war, hatte sich noch in den ersten Anfangsgründen des geselligen Standes befunden. Zufrieden mit den freywilligen Geschenken der Natur hatten sie noch wenig Gelegenheit gehabt, ihre Fälligkeiten zur K u n s t zu entwickeln. Ihre Einbildungskraft schlummerte noch, und ihre Sprache war nur sehr wenig reicher und wohlklingender als die Sprache der wilden Truthühner, womit ihre Wälder angefüllt waren. Die Erziehung, welche K o x k o x unter einem solchen Völkclien

K O X E O X

V ND

K l K E Q U E T Z E L .

ly

genossen liate, konnte ihm also wenig oder gar nichts helfen, die Beschwerlichkeiten des verlassenen Zustandes, worin er sich befand, zu erleichtern. Hingegen ersetzte sie ihm auf einer andern Seite wieder, was auf dieser abging-, sie verhinderte ihn (las Elend seines Znstandes zu fühlen.

16

K o x k o x uhd

Kiheijuitzil,

4.

Indessen erinnerte er sich doch ganz lebhaft, dafs er in seinem vorigen Zustande unter a n dern Kindern gewesen w a r , dafs sie mit einander gespielt halten, und dafs unter diesen Spielen ein Tag nach dem andern wie ein Augenblick vorbey geschlüpft war. Er merkte, dafs ihm jelzt die Tage länger v o r k a m e n ; ö f ters so lang, dafs es nicht auszustehen gewesen w ä r e , wenn er sich nicht damit geholfen halte, sich in irgend ein dickes Gebüsche h i n zulegen, und den ganzen langen Tag so gut hinweg zu schlafen, als ob es nur eine einzelne Stunde gewesen wäre. Lebhafte Träume v e r setzten ihn dann in die Tage seiner Kindheit; er jagte sich mit seinen 1 Gespielen durch Gebüsche h e r u m , sie plätscherten mit einander in kühlen Bächen, oder kletterten an jungen P a i m bäutnen hinauf. Kcichend erwachte er d a r -

K o x x o ' x VMD K 1 KE Q UfiT Z K L. über, und wurde nun so traurig über seine Einsamkeit , dafs er sich wieder hinlegte zu träumen. Aber weder Schlaf noch Traum war so gefällig wieder zu kommen. Iii dem schwermiithigen staunenden Zustande, worein ihn diese Lage setzte, blieb ihm nichts anders übrig, als m i t s i c h s e l b s t z u r e d e n , — welches sich gemeiniglich damit endigte, dafs er unwillig darüber wurde, k e i n e A n t w o r t z u b e k o m m e n , — oder mit etlichen P a p ag a y e n zu spielen, aus welchen er sich, i a Ermanglung einer bessern, eine Art von Gesellschaft gemacht hatte. Die Papagayen hatten die schönsten Federn von der Welt, — aber eine.so dumme, gleichgültige , gedankenlose Miene, so wenig Fähigkeit zu ergetzen oder sich ergetzen zu lassen, dafs sogar K o x k o x bey aller seiner eigenen Einfalt verlegen w a r , was er mit ihnen anfangen sollte. Ein einziger aschgrauer, den er Anfangs wegen seiner unscheinbaren Gestalt Wenig geachtet hatte, entdeckte ihm endlich ein Talent, welches ihm eine Art von Zeitvertreib gab; ohne dafs er sogleich merkte, wie viel Vortheil er davon ziehen könnte. ,Der graue Papagay gab allerley Töne von sich, Welche einige ÄhnWjelamjs sämmtl. W. XIV. B. B

(

1j

l8

K O X K O X

U S D

K j K l i l ä U E ' l ' ä E L ,

lichkeit mit gewissen Worten h a t t e n , die er aus den Selbstgesprächen des K o x k o x aufgefangen haben mochte. K o x k o x merkte diefs k a u m , so machte er sich schon ein sehr angelegenes Geschäft daraus, der Spracbmeister seines Papagayen zu w e i d e n ; w e l c h e r , bey sein e r Lernbegierde und Fähigkeit, -die ganze Kunst seines Lehrers ziemlich bald erschöpfte.' U n v e r m e r k t sprach der Papagay so gut Mexikanisch als K o x k o x selbst. Wahr ists, ein strenger Dialektiker w ü r d e oft sehr viel gegen seine Wortverbindungen einzuwenden gehabt haben. Hingegen gelangen ihm auch nicht selten die witzigsten Einfalle; u n d w e n n er zuweilen baren Unsinn sagte, so kam es blofs d a h e r , weil er keine B e g r i f f e , s o n dern blofse Wörter zusammen stellte; — ein Zufall, w o v o n , wie man glaubt, die weisesten M ä n n e r , ja sogar ganze ehrwürdige Versammlungen von weisen M ä n n e r n , nicht allezeit lrey gewesen sind. K o x k o x u n d sein Papagay waren n u n mehr im Stande Gespräche mit einander zu f ü h r e n , die zum wenigsten so witzig und i n t e r essant w a r e n , als es die Unterhaltung in den meisten heutigen Gesellschaften ist, w o d e r j e nige sehr wenig Lebensart verrathen würde,

• K o x k o x UND K i k e Q ÜE T Z E L.

ig

Welcher mehr Zusammenhang und Sinn darein britigen w o l l t e , als in der Unterhaltung mit einem Papagay ordentlicher Weise ssu h e r r schen pflegt. T l a n t l a q u a k a p a t l i , ein angesehener Mexikanischer Filosof, trägt kein Bedenken, den A n f a n g d e s gesellschaftlichen • L e b e n s unter seiner Nazion von dieser V e r traulichkeit K o x k o x e n s mit seinem P a p a g a y abzuleiten, i Die Dichter des Landes gingen noch weiter. Sie versicherten, — mit einer Fveyheit, deren sich diese Zunft bey allen Völkern des Erdbodens zu allen Zeiten mit sehr wenig Mäfsigung bedient h a t , — „dafs irgend eine miLleidige Gottheit sich den Zustand des einsamen K o x k o x zu Herzen gehen lassen, und den oft besagten Papagay in das schönste Mädchen, das jemahls von der Sonne beschienen worden sey, verwandelt habe." Und damit die Weiber (sagen sie) ein immer w ä h r e n des Merkmahl ihres U r s p r u n g s ail sich t r ü gen , habe dieser Gott dem neuen Mädchen und allen seinen Töchtern die Schwatzhaftigkeit gelassen, welche ihm in seinem Papagayenstand eigen gewesen.

Co

K O X K O X

U N S

K I K E I J U I T Z E I ,

Wenn man (sagt der vorbenannte Filosof) .dieses Mährchen behandelt, wie alle Mäürchen, Vielehe von Anbeginn der Weit bis auf diesen Tag in Prosa, oder in Versen, oder in beiden zugleich erzählt worden sind, ohne Ausnahme behandelt werden sollten, — d. i. wenn man (durch eine so leichte Operation, dafs eine jede Amme Verstand genug dazu h a t ) das W a n d e l b a r e darin vom N a t ü r l i c h e n scheidet; so wird man finden: „dafs gerade so Viel Wahres daran ist, als am Boden sitzen bleibt, nachdem das Wunderbare im Rauch aufgegangen ist." Nehmlich •

KOXKOX UND K l K ¿ Q U E T Z E N .

5.

K o x k o x gerieth einst, indem er mit seinem Papagay auf der Hand spazieren ging, in eine Gfegend, wohin er noch nie gekommen war, — und da fand er unter einem Rosenstrauche — ein Mädchen schlafen, von dessen Anblick er auf der Stelle so entzückt wurde, dafs er eine gute Weile nicht im Stande'gewesen wäre, zu sagen ob er wache oder träume. Den Rosenstrauch alisgenommen, — denn ich sehe nicht, warum es nicht eben so wohl ein Balsamstrauch oder ein Rosinenstrauch oder ein Kokospflaumenstrauch hätte gewesen seyn mögen —, scheint in dieser Geschichte, wenigstens bis hierher, nichts zu seyn, was der Wahrheit der Natur nicht vollkommen geroäf* wäre.

22

K O X K O X

U N D

K I K E I J U E T Z I I ,

'

Die 1 Entzückung des armen K T o x k o x endigte sieb mit einem Schauer, Glieder

der alle

seine

durchfuhr, und auf welchen eben so

schnell ein Slrom von geistigem Feuer

folgte,

der aus «einem Herzen sich in einem Augenblick durch • sein ganzes jedes unsichtbare machte.

Wesen

Fäsercben

ergofs^

davon

und

elektrisch

Das Mädchen däuchte ihm das l i e b -

lichste unter allen Tageslicht

Dingen,

die jemahls" bey

oder Mondschein vor seine Augen

gekommen waren. Die ernsthaften Lente, übel nehmen, patli

welche ihm dieses

sollten ( w i e

sagt) bedenken,

sechs und dreifsig gayen , T r u t h ü h n e r ,

Tlantlaquaka-

dafs er seit mehr als

Monden nichts

als

Schlangen,

Affen,

Papaun-m er alle seine Wohlredenheit aufbietet, um uns die Glückseligkeit anzupreisen, worin die Stammältern seiner .Nazion etliche Jahre m:t einander gelebt hätten, ohne sieb einer andern als der a l l g e m e i n e n Sprache d e r N a t u r gegen einander zu bedienen. Anfangs schien mir die Thatsaclie selbst, worauf er sich bezieht, verdächtig zu seyn. Allein bey mehrerm Nachdenken glaube ich nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Wahrscheinlichkeit derselben ganz deutlich einzusehen. Sie hatten, dä'ucht mir, keine künstliche Sprache vonnöthen, weder um einander ihre Begriffe, noch ihre Empfindungen mitzutheilen. Ich räsoniere — oder deräsoniere ( v e r n u n f t e oder b e y w e g v e r n u n f t e 6 ) —

6 ) Ein von Herrn C a m p e vorgeschlagenes Wort, dem wir es nicht mifsgönnen wollen, wenn e«, gegen unser Vermuthen, sein Glück machen sollte.

K O X K O X

UND

K I K E QUKTZEI..

89

welches, mag der Leser entscheiden — folgender Geslall: Wenn wir von unsern ausgebildeten Sprachen alles dasjenige abzögen, was Dinge oder Begril'fe bezeichnet, wovon sich K o x k o x und K i k e q u e l z e 1, und jedes andre Paar das sich jeniahls in ihren Umständen befunden hat, nichts träumen lassen konnten, — alle Wörter und Redensarten, welche sich, auf unsre häusliche und bürgerliche Einrichtung, auf unsere Gesetze, Polizey, Gebräuche und Sitten, auf unsre Künste und Wissenschaften und auf unzählige Bedürfnisse, welche der rohen Natur fremd sind, beziehen: so würde der Überrest eine so arme Sprache ausmachen, als irgend ein wildes Völkchen in der wildesten Insel des Südtneers haben kann. Aber auch diese arme Sprache wäre noch mehr als die ersten Mexikaner schlechterdings vonnöthen hatten. Sie würde schwerlich andre Wörter haben, als für Gegenstände, welche man einander eben so gut z e i g e n , und für Empfindungen, welche man in der S p r a c h e d e r N a t u r eben so gut oder noch besser ausdrücken kann.

9 o

KOXKOX

UND

K I K E Vrovön Wir sogar bey 1) S.

24

und t57-

.W'iEiAfcDi «ámmtl. W. XIV. B.

L

1Ö2

Ü BBK

J . J.

R OtÜ S S E A U 6

einigen thierischen G a t t u n g e n Beyspiele , »e-, h e n ; setzt er — nicht ohne den G r « H u s s e n und P u f f e n d o r f e n einen verächtlic h e n Seitenblick zu geben — h i n z u : „ S i c h die eisten M e n s c h e n in eine F a m i l i e vereiniget v o r s t e l l e n , das hiefse den F e h ler derjenigen ^begehen , d i e , w e n n sie über den Stand der N a t u r r ä s o n i e r e n , d i e I d e e n mit hinein b r i n g e n , w e l c h e sie aus der Gesellschaft e n t l e h n t h a b e n : da doch in diesem p r i m i t i v e n S t a n d e , w o die M e n s c h e n w e d e r H ä u s e r noch H ü t t e n noch Eigenthun) v o n irgend einer G a t t u n g h a t t e n , ein jeder sich lagerte w o ihn der Z u f a l l h i n f ü h r t e , u n d o f t nur f ü r eine einzige N a c h t ; w o die M ä n n c h e n u n d W e i b c h e n eben so zufälliger W e i s e , w i e sie einander u n g e f ä h r begegneten und Gelegenheit oder T r i e b es mit sich brachte , sich zusammen thaten , o h n e dafs die Sprache ein sehr n o t h w e n d i g e r D o l m e t s c h e r der D i n g e w a r , die sie einander z u sagen h a t t e n , u n d sich mit eben so w e n i g U m s t ä n d e n w i e d e r v o n e i n a n d e r verliefen, " 2 )

*) S. 2g. EQ.

U R S P R Ü W G L .

Z U S T A N D

D.

M .

I63

M a n k a n n sich- leicht einbildet!, daf» L e u t e , die so w e n i g U m s t ä n d e mit einander machen , und der süfsen W e r k e der goldenen Venus auf eine so thierische A r t p f l e g e n , nicht sehr zärtliche A l t e r n seyn w e r d e n . A u c h b e k ü m m e r t s i c h , nach Rousseaus V e r s i c h e r u n g , der V a t e r um seine K i n d e r nichts. U n d w i e s o l l t e ^ e r ? da er sie nicht k e n n t , u n d vielleicht J a h r t a u s e n d e v o r b e y g e h e n , bis endlich einer von diesen maschinenmäfsigen V ä t e r n den Verstand hat, b e y m Anblick solcher kleiher Geschöpfe die tiefsinnige B e t r a c h t u n g a n z u s t e l l e n , — ,,dafg er vielleicht durch eine gewisse Operazion, o h n e es selbst zu w i s s e n , zu ihrem D a s e y n Gelegenheit gegeben h a b e . "

VVas die M u t t e r b e t r i f f t , so ist es freylich ihre Schuld n i c h t , dafs sie sich g e z w u n g e n sieht sich eine Zeit lang mit ihrem K i n d e abzugeben. — >, Sie säugt es A n f a n g s ihres eigenen Bedürfnisses w e g e n , ( s p r i c h t K o u s s e a u ) h e r n a c h , da die G e w o h n heit es ihr lieb gemacht h a t , w e g e n des Bedürfnisses des Kindes selbst» Aber so bald d i e Kinder grofs genug sind sich ihr F u t t e r selbst zu suchen * so verlaufen sie sich von

i6,4

Üsia

J . J.

ROUSSEAU

s

der Mutter und so kommt es bald dahin, dafs sie einander nicht mehr kennen." Eh' es dahin kommt, hat also die Mutter, man weifs nicht recht warum, die Gütigkeit, ihre Jungen mit, sich herum zu schleppen. —r ,, Wahr ists, (sagt unser Filosof) wenn die Mutter umkommt, so läuft das Kind Gefahr mit ihr umzukommen; aber (setzt er tröstlich hinzu) diese Gefahr ist hundert andern Gattungen von Thieren gemein, deren Junge in langer Zeit unvermögend sind ihre Nahrung selbst zu suchen. 44 4 ) Der n a t ü r l i c h e M e n s c h des Filosofen Jean-Jaques ist also (die veiwünschte Vervollkommlichkeit ausgenommen) weder mehr noch weniger als ein andres Thier auch; und es ist pure Höflichkeit, dafs er ihm die langen krummen Klauen des A r i s t o t e l e s , und den Schwanz, welchen die Reisebeschreiber G e m e l l i K a r r e r i und. J o h a n n S t r u y s einigen Einwohnern der Inseln M i n d e r o und F o r m o s a zulegen, erlassen hat. 5 ) 5 ) S. 29. 4 ) S. 12. 5) S. 6.

U R S P R U N G L.

ZlTSTAND

D.

M .

lßg

D e r R o u s s e a u i s c h e M e n s c h ist es, dem der Nähme eines W i l d e n — den die Spanier den 4 r n e r ' ^ a n e r n z u Beschönigung ihrer widerrechtlichen G e w a l t t ä t i g k e i t e n gegeben haben — im eigentlichen Verstände zukommt. E r ü b e r l ä f s t sich, ohne mindeste Ahn u n g der Z u k u n f t , dem Gefühl des gegenw ä r t i g e n Augenblicks ; seine Begierden gehen nicht über seine körperliche Bedürfnisse hinaus ; dafs grofse Schauspiel der Natur ist unvermögend ihn aus seiner schlafsüchtigen Dummheit a u f z u w e c k e n ; in seinem ganzen L e b e n fällt ihm nicht e i n , zu f r a g e n , w e r bin ich ? w o bin ich ? w a r u m bin ich ? —Doch das- letztere könnten w i r ihm zu gut halten. Es gehört in der That beynahe eben so viel d a z u , diese Frage a u s s i c h s e l b s t zu t h u n , als sie recht zu beantworten. Aber w a s Rousseau in der menschlichen Natur entdeckt haben k ö n n e , das ihm Ursache gegeb e n , nichts natürlicher zu finden als die U n g e s e l l i g k e i t , welche die Grundlage seines Systems über den ursprünglichen Stand ausmacht, — kann ich nicht errathen. Seinem Vorgeben nach hat die Natuf „sehr w e n i g dafür g e s o r g t , die Menschen durch gegenseitige Bedürfnisse einander näher zu brin-

i66

Ü B * R

J.

J.

R O U S S E A U S

gen i und so wenig als möglich zu den Verbindungen beygetragen, welche sie zum Untergang ihrer Freyheit und Glückseligkeit unter einander getroffen h a b e n . " —W a s für wunderliche Dinge W i t z und Galle einen Filosofen sagen machen können! 6 ) S. 37.

»»i.iEÜssin

Z U S T A N D T>. M .

I6J

5.

XJngeachtet R o u s s e a u sich gleich Anfangs erklärt, dafs es bey Untersuchung der akademischen F r a g e , über w e l c h e er s c h r e i b t , gar nicht auf Thatsachen a n k o m m e : so scheint er doch in der F o l g e das Unschickliche davon selbst empfunden zu h a b e n , und beruft sich daher einigemahl auf die H o t t e n t o t t e n , die K a r a i b e n und die w i l d e n Indier in N o r d a m e r i k a ; wiewohl, in der T h a t nieniahls, w o es auf Befestigung der Hauptsätze seines Systems ankommt. W a s hätten sie ihm auch dazu helfen können ? K e i n e einT

zige von allen diesen kleinen Völkerschaften, die man W i l d e

n e n n t , befindet sich in die-

sem viehischen S t a n d e , den er zu unserm u r sprünglichen

macht.

Sie

leben

alle

in

einer Art von Gesellschaft; sie kennen Freundschaft, eheliche und älterliche L i e b e ; sie sind nicht ahne alle K u n s t ;

und es ist mehr als

IDß

ÜBER

J . J,

zu w a h r s c h e i n l i c h , unmenschliche

ROUSSEAUS

dafs sie erst durch

Verfahren

das

der Kastilianer

eine gewisse W i l d h e i t h i n e i n

in

geschreckt

Worder; sind, die ihnen nicht natürlich

war.

Aber gesetzt a u c h , die W i l d h e i t aller die^ ser wirklichen oder fabelhaften W i l d e n , Wovon man uns so viel wunderliche D i n g e erz ä h l t , von den l i y h l o p e n des alten Vater H o m e r bis zu den K a l i f o r n i e r n des Vater V e n e g a s , w ä r e noch ein w e n i g gröfser als sie beschrieben wird : was könnte damit bewiesen werden, als dafs , , M e n s c h e n z u f ä l l i g e r W e i s e sehr nahe zu den T h i e r e n heru n t e r sinken k ö n n e n , und dafs, w e n n es einmahl so w e i t mit ihnen gekommen i s t , ein Zusammenflufs vieler günstiger Umstände erfordert w i r d , um die Menschheit wieder b e y ihnen h e r z u s t e l l e n ? " — und w e m ist jemahls eingefallen hieran zvj z w e i f e l n ?

V

B S P R Ü K GI . Z U S T A N D

D. M .

169

6.

B e y einer Untersuchung des ursprünglichen Standes der Menschen scheint die F r a g e , ,, w o die 3rsten M e n s c h e n h e r g e k o m m e n , " nicht ganz überflüssig z u seyn. R o u s s e a u hat ( w i r wissen nicht w a r u m ) nicht fiir g u t befunden ihrer z u erwähnen, M a n kann diese Unterlassung nicht damit r e c h t f e r t i g e n , dafs dieser Umstand durch die O f f e n b a r u n g ins K l a r e gesetzt sey, D e n n aus d i e s e m Grunde hätte sich R o u s s e a u seine ganze Untersuchung ersparen k ö n n e n ; und überhaupt b e w i e s man v o r n e u n h u n d e r t J a h r e n aus diesem G r u n d e , „ d a f s man über gar nichts filosofieren m ü s s e , w a s der M ü h e w e r t h i s t . " — E s ist das nehmliche w e i s e A r g u m e n t , kraft dessen der Saracenische Kalif O m a r die Bibliotheken z u A l e x a n d r i a , als diese Hauptstadt Ä g y p t e n s in seine G e w a l t f i e l , zum Feuer veruvtheilt haben soll, —

tjo

Üb kr

J.

J.

Rousseau»

W e n n es erlaubt i s t , über den ursprünglicher* S t a n d des Menschen zu f i l o s o f i e i e n , so mufs sich diese Freyheit auch auf seinen U r s p r u n g s e l b s t erstrecken ; es ist für eines so viel Grund als für das änderet Gesetzt n u n , w i r vyollten — welches sehr w e i t von uns entfernt ist —- die Gefälligkeit f ü r die alten P r i e s t e r z u M e m f i s s o w e i t t r e i b e n , und alle die Überschwemmungen und Ausbrennungen des Erdbodens, von denen sie Nachrichten zu haben vorgaben, 7 ) f ü r w a h r a n n e h m e n ; j a , gesetzt w i r wollten den Ursprung der Menschen so w e i t hinaus setzen als die fabelhaften J a p a n e r : so w ü r d e n w i r doch nicht umhin k ö n n e n , endlich einige anz u n e h m e n , welche die ersten g e w e s e n w ä r e n . E i n e R e i h e , die keinen Anfang h a t , mag, w e n n man w i l l , aus metafysischen Gründen eben so möglich seyn, als eine unendlich theilbare M a t e r i e ; aber gevvifs i s t , dafs s i e , w i e sehr viele andre transcendentale D i n g e , den Fehler hat, d a f s s i e u n v o r s t e l l b a r i s t . Diese Ersten a l s o , w o h e r kamen si'if? Sind sie aus dem M o n d e herah gefallen ? 7 ) s. den T i m ä u s des P l « t o .

UBSPnÜNGr,. Z f f S T A S D D. M.

1/1

O d e r , w i e M a n k o - K a p a k , der Orfeus der P c r u v i a n e r , aus der S o n n e herab gestiegen ? Oder, nach der gemeinen Meinung der Alten' , aus dem B o d e n hervor gewachsen ? 8 ) Oder sind s i e , nach der sinnreichen Hypothese des Filosofen A n a x i in a n d e r , aus einer Art von F i s c h e n hervor g e k r o c h e n ? 9 ) Oder hat vielleicht die N a t u r , w i e L u k r e z uns glauben machen will , 1 0 ) erst eine M e n g e Versuche machen müssen, bis es ihr endlich gelungen einen vollständigen M e n schen herauszubringen ? W a h r h a f t i g , meine Herren M a n k o - K a pak , Demokritus, Anaximander, I i u k r e z , und w i e ihr alle heifst, es möchte, sich w o h l picht der M ü h e verlohnen, zu untersuchen welcher von euch die lächerlichste M e i n u n g habe; — aber w a s ihr alle zugeben müfst,

8) Diod. Sicul. L, I. c. 10. P lutar ch. Symposiac. L. VIII. c. g. 10) . L u c r e t . L . V-

172

ÜBBK

J.

J.

R O U S S E A U ®

i s t : „dafs nur derjenige den Nahmen des ers t e n M e n s c h e n verdienen kann, wel* eher — d e r e r s t e M e n s c h w a r ; das ist, bey dem sich zuerst die v o 11 s t ä n d i g e A nl a g e alles dessen befunden, was den wesentlichen Unterschied unsrer Gattung von den übrigen Geschöpfen ausmacht." Und wenn w i r einniahl so w e i t einig sind, so werden wir, denke ich, kein Orakel entscheiden lassen müssen: ,, ob die Natur ( w e n n anders Verstand und Absicht in ihren Wirkungen i s t ) nicht w e n i g s t e n s ein Paar solcher Menschen , welches die Gattung zu vermehren gtschickt w a r , habe hervorbringen m ü s s e n ? " , Nun läfst sich wohl nichts andres denken, als dafs der e r s t e Z u s t a n d dieser P r o t o p l a s t e n , wie vollkommen wir auch ihre Organisazion voraussetzen, wenig besser als eine Art vtm K i n d h e i t seyn konnte; es wäre denn, dafs wir ihnen a n g e b o r n e Kenntnisse leihen wollten, wozu wenigstens die blofse Vernunft ihre Stimme nicht giebt. Alles bis auf ihren eigenen Leib w a r 1 ihnen fremd und unbegreiflich. Verschlungen in die Unermefslichkeit der Natur, hatten sie ohne Zweifel einige Zeit vonnöthen, um sich aus der ersten Betäubung so vieler auf sie zusammen drängender Eindrücke zu erhohlen.

. U B S P IV Ü N G L ,

Z IT S T A N D

D.

M .

Allein Aufmerksamkeit und Übung mufsten sie bald den Gebrauch ihres Körpers und der übrigen D i n g e , welche zu Mitteln ihrer Erhaltung und ihres Vergnügens bestimmt schienen , kennen l e h r e n ; und es brauchte — w e n n w i r uns nicht zur Kurzweil S c h w i e r i g keiten erschaffen w o l l e n , w e l c h e in der Natur nirgends sind — weder Jahrtausende noch Jahrhunderte dazu.

17' uns seinen Schatten geliehen h a t , und sie beförderte vennuthlich den enthusiastischen Hang der. ältesten M e n s c h e n , allem in der Natur eine Seele zu geben, und sich einzubilden, da£s a l l e s , w a s uns Empfindung e i n f l ö f s t , sie mit uns t h e i l e . „ I c h habe Mitleiden ( s a g t der gröfste Kenner des menschlichen Herzens der mir bekannt i g t ) mit dem M a n n e , der von D a n bis gen B e e r s e b a reisen k a n n , und ausrufen: alles ist öde! l i c h t e t , von der gewöhnlichen Gröfse eines, M e n s c h e n , aber viel dicker, und so stark, dafs z e h e n N e g e r n nicht genug w a r e n , um Einen davon lebendig zu f a n g e n . " Sie gehen auf z w e y B e i n e n , bedienen sich der H ä n d e wie w i r , sind proporzionierlich gestaltet, vorn am L e i b e glatt, aber hinten m i t schwarzen Haaren bedeckt. I h r e Gesichtsbildung ist von der Negern ihrer n i c h t g a r s e h r verschieden, a u f s e r , „ d a f s ihnen die Augen tief im K o p f e l i e g e n , und dafs ihre M i e n e e t w a s wildes und gräfsliches h a t . " I h r e Weibchen haben eine volle B r u s t , w i e w o h l nicht völlig SQ g e w ö l b t , — u n d verniuthlicli auch nicht völlig so w e i f s , als die scliönen O b e r - W a l 1 i s e r i n n e n , deren unschuldige Dienstfertigkeit dem Filosofen S t . P r e u x so / beschwerlich war. 1 2 ) D i e s e T h i e r e sind sehr b ö s e , w e n n man ihnen zu nahe k o m m t , und so launisch, dafd

12)

Npuv.

Heloise,

Tom. I. p. 71.

IQÖ

Ö B I «

J.

J.

ROÜSSEAUS

sie nicht einmahl leiden können, wenn man ihnen ins Gesicht sieht. Indessen sind sie doch gvofse Liebhaber von den Weibern und Töchtern der N e g e r n , — (ein Umstand, aus welchem Rousseau hätte folgern können, dafs sie eine natürliche Empfindung für die Schönheit haben; denn gegen ihre eigenen Weibchen mufs doch wohl jede Negerin eine V e n u s s e y n ) — und die besagten Schwarzen erzählen fürchterliche Dinge über diesen Artikel von ihnen. Man sieht sie t r u p p e n ? w e i s e in den Wäldern ziehen, und dann sind die reisenden Schwarzen des Lebens nicht vor ihnen sicher; ob sie gleich keine andre Waffen führen als ihre Fäuste, oder einen Prügel. — Sie fressen kein Fleisch, sondern nähren sich ( w i e alle andre Affen) blofs von Früchten und wilden Nüssen. Sie pflegen sich um die F e u e r , welche die Negern , wenn sie durch die Wälder Teisen, dio Nacht über anzünden und unterhalten, zu versammeln, und gehen nicht eher vom Platze bis das Feuer erloschen i s t ; ,, ohne den Ver^ stand zu haben, (sagt B a t t e l ) Holz oder Reiser herbey zu tragen, um es zu unterhalten. " l 3 ) > 3 ) Allgemeine Beschreibung der Reisen u. 6. W. im III. Theile S. 2 6 4 , a 8 o , g s o , u. folg.

u R 's s H ii K c n .

Z U S T A N D

t>. M .

137

• B a r b o t , welcher in seiner Beschreibung von G u i n e a dieser Geschöpfe nicht vergifst, thut von einer ähnlichen Art M e l d u n g , dift in S i e r r a L e o n a den Nahmen B a r r y ' ® führen. D i e B a r r y ' s lernen, w e n n sie jung gefangen werden, auf a w e y Beinen gehen, und werden gebraucht, Korn zu stampfen, Wasser zu tragen, und den Bratspiefs zu wenden. D i e N e g e r n lassen sich nicht ausreden, dafs diese B a v i a n e so gut r e d e j i könnten afs sie selbst, wenn sie nur w o l l t e n ; aher sie wollen nicht, sagen sie, aus F u r c h t , man möchte sie mit noch mehr Arbeiten beladen. Ich sehe nicht, warum Rousseau, der so eifrig ist, die Grenzen der Menschheit bis auf die ungeselligen P o n g o ' s auszudehnen, diese ehrlichen B a r r y ' s vörbey g e h t , welche doch in Ansehung ihrer Gelehrigkeit und zahmen Sinnesart einen merklichen Vorzug vor jenen zu haben scheinen. — Oder ist es etwa gerade diese störrische Ungeselligkeit der P o n g o ' s — wodurch sie so gut in seine Hypothese passen — was ihn zu dieser parteylichen Vorliebe verleitet h a t ? W a s hindert uns übrigens, aus ähnlichen Gründen auch die g r o f s e n A f f e n an der

IG(5

Ü B E N

.T.

J.

ROUSSEAU®

Sa n a g a , von denen L e ' M a i r e in seiner Reise nach den Kanarischen Inseln spricht, den Rousseauischen Menschen heyzugesellen ? Sie thun sich t r u p p e n w e j s e zusammen wenn sie auf die Nahrung ausgehen, und unterdessen dafs die übrigen Beute machen, steht einer auf einem hohen Baume Schildwache,, Ihre Weibchen tragen ihre Jungen auf die nehtiiüche Weise auf dem R ü c k e n , wie die Negeiweiber die ihrigen, und bezeigen eine Zärtlichkeit fü? sie. die ihnen E h r e macht Sie heilen ihre Verwundeten mit gewissen K r a u t e r n , welche sie erst kauen und dann auf d i e ' W u n d e legen. W e r weifs w i e viel andre Züge von Witz, E m p f i n d u n g , Geselligkeit, und Yervollkommlichkeit an diesen Geschöpfen noch zu ent« decken w ä r e n , wenn sie — von L e u t e n , welche alles sehen was sie sehen w o l l e n — von F i l o s o f e n beobachtet w ü r d e n ! Doch Rousseau scheint sich zu beghügen, einen neuen Zweig des menschlichen Stammes in dem O r a n g - U t a n g oder P o n g o entdeckt zu haben. Indessen können wir nicht bergen, dafs die Gründe, um deren willen er uns dieser

UHSiRÜKtiLi

Zu-STAMIi

D. M .

lß?

Ehre e r w e i s e t , vieles ( w o nicht das" G a n z e ) von ihrer Stärke v e r l i e r e n , so bald man das Interesse nicht dabey h a t , das den Erfinder einer neuen Hypothese begierig macht, Erscheinungen zu Bestätigung derselben aufzutreiben. „ D i e Nachrichten, ( spricht er ) welche B a tt e l , P u r c h a f s und D a p p e r von ihnen geb e n , b e w e i s e n , dafs diese Herren keine guten. Beobachter Vvaren; sie machen falsche Schlüsse; man merkt, dafs ihnen gar nicht in den Sinn gekommen i s t , dafs diese edeln Geschöpfe etwas bessers als A f f e n seyn k ö n n t e n . " Alles w a l l t ; aber w a s gewinnen die P o n g o ' s dabey? , , U n s r e Reisebeschreiber ( f ä h r t Rousseau sinnreich f o r t ) haben sich in den Kopf gesetzt, diese Geschöpfe, welche von den Alten unter dem Nahmen .der S a t y r n und F a u n e n für G ö t t e r gehalten w u r d e n , a u T h i e r e n herab zu w ü r d i g e n ; nach besserer Untersuchung w i r d man vielleicht finden, dafs sie M e n s c h e n s i n d : — , , d e n n gemeiniglich liegt die W a h r h e i t zwischen beiden En» den in der M i t t e . "

190

" ÜB»»

J.. J.

Rousseau»

E s gäbe ein gutes Mittel.., meint e r , vtför durch auch die d ü m m s t e n Beobachter sich bis zur völligen G e w i f s h e i t überzeugen 1 k ö n n t e n , ob der Orang - Utaug u n d seine Brüder zur menschlichen G a t t u n g gehörten oder nicht. W a s f ü r ein M i t t e l mag das seyn ? — Seine Sittsamkeit hat ihm nicht erlaubt sich h i e r ü b e r deutlich ¡su e r k l ä r e n ; — eine Bedenkl i c h k e i t , die an einein C y n i k e r , der von natürlichen D i n g e n b a n d e l t , ein w e n i g übertrieben scheinen m ö c h t e ; — indessen giebt ér doch hinlänglich zu v e r s t e h e n , dsfs man eine kleine K o l o n i e aus jungen P o n g o * » u n d jungen N e g e r m ä d c h e n anlegen rnüfste, um zu sehen w a s daraus würde*. D e r Gedanke ist der einfachste vott der W e l t , und wir bedauern n u r , dafs er ( w i e R o u s s e a u selbst b e m e r k t ) nicht a u s f ü h r b a r ist; w o nicht eben um des abermahligen Skrupels w i l l e n , der unserm Filosofen b i e t a u f s t ö f s t , doch gewifs des höchst beschwerli» chen Umstands w e g e n , weil diese Pongo's»' seine S c h u t z v e r w a n d t e n , die brutalste Art v o n L i e b h a b e r n s i n d , die mau sich einbilden kann. N a c h den E r z ä h l u n g e n der N e g e r n hätte sich der F a l l , den Rousseau a n d e u t e t , schon o f t

vksikvsg^

Z U S T A N D D. M .

191

zutragen sollen. Aber unglücklicher W e i s e ist noch keine einzige N e g e ri n , die in ihre Hände f i e l , mit dem Leben davon gekommen. — Und so dürfte freylich der Vorschlag einer Kolonie nicht ins W e r k zu setzen seyn. I n z w i s c h e n , und bis man durch g e n a u e r e B e o b a c h t u n g e n i m S t a n d e seyn werd e , den ßavianen in L o a n g o , K o n g o , liorneo und Java Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, glaubt Rousseau wenigstens eben so viel -Grund zu haben, sich über diesen Artikel an den K a p u z i n e r M e r o l l a , — , , einen g e l e h r t e n Religiösen, Welcher in dieser Sache ein A u g e n z e u g e , und bey aller seiner Natureinfalt dennoch ein M a n n v o n f e i n e m V e r s t ä n d e gewesen s e y , " — zu lialten, als an den K a u f m a n n B a t t e l , an D a p p e r , P u r c h a f s , und andre Z u s a m m e n s t o p p 1 e r.

Und was sagt denn Pater M e r o l l a , dessen Zeugnifs

nun

die

ganze Sache

auf be-

ruhet ? M e r o l l a sagt: die Schwarten fingen auweilen auf ihren Jagden w i l d e M ä n n e r Und W e i b e r .

IGZ

.4 Ü.BBR

J. J.

ROUSSEAU s

D a s ist alles w a s ihn Rousseau sagen läf^t« und das ist w e n i g . E t hätte hinzu setzen könn e n : M e r o l l a e r z ä h l e , er habe von einem gewissen L e o n a r d g e h ö r t , ein gewisser. K a p u z i n e r habe ihm einen jungen P o n g o v e r e h r t , mit welchem e r , L e o n a r d , dem Portugiesischen . Statthalter zu L o a n d a ein Geschenk gemacht h a b e ; — und das ist auch r i e h t viel mehr ,als nichts. A l l e s , w a s w i r zur Sache dienliches daraus nehmen können, i s t : ,,dafs die Einwohfter zu Borneo und die T i e f e m eine g e w i s s e Art von Affen w i l d e M ä n n e r n e n n e n ; " — und diefs sagen Zehen andre Reisebeschreiber ( B ä t t e l n , D a p p e r n und P u r c h a s s e n mit e i n g e r e c h n e t ) auch. Ich w ü r d e mich bey dieser K l e i n i g k e i t nicht a u f h a l t e n , w e n n ich ein stärkeres B e y s piei w ü f s t e , „ w a s für W u n d e r die L i e b e z u e i n e r H y p o t h e s e thun kann. " R o u s s e a u glaubt den P. M e r o l l a zu einem Zeugen für die E x i s t e n z seines w i l d e n M e n s c h e n gebrauchen zu können. Auf einmahl geht in seiner Einbildungskraft eine V e r w a n d l u n g v o r , w e l c h e alle O v i d i s c h e n wfcit hinter sich zurüpk l ä f s t , und beynahe noch wunderbarer i s t , als die Erhebung eines Affen in d e n Meuschenstand k

UlUf » f f s G t , , ZlTSTASD D, M.

»93

M e r o l l a , der abergläubigste und einfältigste Mann, der vielleicht jemahls einen spitzigen Kapuz getragen hat, wird auf einmahl ein g e l eh r t e r Mann, und — fidem vostram, Quirites! -— ein komme d ' e s j j r i t . — Ein sehr entscheidendes Beyspiel wird diejenigen, welche sich überwinden können die nachatehende Erzählung zu lesen, benachrichtigen, was für eine Art von komme d'esprit der ehrliche Merolla war. Ein gewisser so genannter Graf von- S o n g o , ein eifriger Anhänger der Missionarien in dem Afrikanischen Königreiche K o n g o , hatte nach dem Absterben des Königs D o n A 1 v a r e z einen von den Thronprätendenten, Nahniens S i m d n t a m b a , unter bezüglichem Versprechen, ihm seine Schwester zur Ehe *u geben und ihm zur Krone zu Verhelfen, in einem Hinterhalt mit dem gröfsten Theil® seines Gefolges ermorden lassen. Des Ermordeten Bruder fiel, clie That zu rächen, in des Grafen Länder ein. Dieser brachte gleichfalls ein grofses Heer auf, (sagt M e r o l l a , der damahls in Kongo war)^ und ging gerade auf seines Gegners Hauptstadt los. Er fand sie leer; alle Einwohner waren davon gelaufen. Seinen Soldaten blieb also kein andres • Mittel übrig den Feinden Abbruch zu thun, WlEI-AtiDs iiiroiuU. VV. XIV. ». N

194

Ü B E R

J.

J.

R O U S S E A V S

als alles aufzuessen, wag sie zurück gelassen hatten. Unter andern bemächtigten sie sich auch eines ungewöhnlich grofsen H a h n s , der einen starken eisernen Ring .tun den einen F u f s hatte. Dieser R i n g kam e i n e m v o n d e n K 1 ü g s t e n ( Sagt der ehrwürdige P a t e r ) veidächtig vor. E r versicherte seine Kamerad e n , der Hahn sey b e z a u b e r t , und warute sie, ja nichts mit ibm zu thun zu haben. Allein diese rohen L e u t e versicherten ihn, dafs sie den Hahn essen w ü r d e n , und wenn er den Teufel zehnmahl im Leihe hätte. D e r Hahn wurde also e r w ü r g t , zerstückt, und in einem grofsen Topfe so lange gekocht, bis er fast sehr zersotten war. Hierauf schütteten sie ihn in eine Schüssel, sprachen ihr Tischgebet, (denn es waren so gute Christen als es die neu bekehrten Negern gewöhnlich zu seyn p f l e g e n ) und setzten sieb heifshungrig um den Tisch herum. Aber da sie nun in die Schüssel greifen w o l l t e n , siebe! da fingen die gesottenen Stücke des H a h n s a n , eines nach dem andern , aus der Schüssel heraus zu steigen, und sich wieder so gut zusammen zu f ü g e n , als ob sie nie getrennt gewesen wären. K u r z , der Hahn stand in wenig Augenblicken wieder frisch und gesund auf seinen F ü f s e n , ging etlichemahl im Zimmer herum, bekam neue Federn, flog auf den nächsten

U R S P R U N G

L.

Z l ä l i S i

B,

M.

ljlä

B a u m , schlug dreymahl mit den Flügeln, machte ein entsetzliches Getöse, — und verschwand. — Ob mit Hinterlassung des gewöhnlichen W a h r z e i c h e n s , hat der ehrwürdige Kapuziner vergessen zu berichten. — „ J e d e r m a n n (setzt e r , nachdem er diese Geschichte mit aller möglichen Einfalt und Ernsthaftigkeit erzählt h a t , hinzu) kann sich leicht einbilden, was f ü r ein Schrecken die Anwesenden bey diesem Anblick überfallen mufste, welche unter tausend A v e M a r i a vom Platze liefen, und den meisten Umständen dieser schrecklichen Begebenheit nur von ferne zusahen. Sie schrieben ihre Erhaltung lediglich dem Gebete z u , das sie vor Tische gesprochen h a t t e n , sonst wären sie gewifs alle umgekommen, oder vom Teufel besessen worden. So viel der P. M e r o l l a . — D a s nenn' ich einen A u g e n z e u g e n ! einen G l e h r t e n l einen komme d'espritl

I9 seine Nachrichten z o g , hätte finden kprimeo, und der einen Zeugen von ganz andrer Glaubwürdigkeit als einen M e r o I I a . zum Gewährsmann hat. Dieser Zeuge ist Franz M o o r e , Faktor der königl. Afrikanischen Gesellschaft in E n g l a n d , ein Mann von schätzbarem Ka-, r a k t e r , dessen Nachrichten überdiefs die «neuesten sind, welche wir von den Ländern hab e n , w o der so genannte w i l d e M a n n angetroffen wird.

oasinüsGL.

Z U S T A N D ». M .

197

> E r erzählt, als er den sechsten Apifilli unweit der Faktorey zu J o a r spazieren ge» gangen, hätte er von «inem Thiere, dessen Rumpf verm^hlich von einem Löwen aufgezehrt worden , einen F u f s gefunden, der dem Fufs einesBavians ziemlich gleich gesehen, und mit Haaren eines Zolles lang bedeckt, hingegen so dick als eines Mannes seiner gewesen sey. E r hätte einige Negern darüber befragt, und von ihnen vernommen: „ E s wäre der Fufs von einem Thiere, welches sie in ihrer Spra« che den w i l d e n M a n n nennten; es gäbe deren viele in diesem Lande (nehmlich, um den Flufs G a m b i a ) sie würden aber selten gefunden; sie wären so schlank als ein Mensch» gingen eben so wie wir auf zwey Beinen, und b e d i e n t e n s i c h e i n e r A r t v o n S p r a c h e . •• Dieses letzte w ä r e , wofern es damit seine Richtigkeit hätte, ein Umstand,, der uns über unsre Verwandtschaft mit diesen Geschöpfen wenig Zweifel übrig liefse. Zum Unglück kann uns M o o r e nichts davon sagen, als was er von einigen Negern gehört; und was diese ihm davon sagten, (vermuthlich illes was sie ihm sagen k o n n t e n ) ist zu unbestimmt, als dafs man darauf bauen Könnte.

*98

ÜBER

J.

J.

R O U S S E A U

S

W i r hahen schon aus dem B a r b o t angeführt; dais die Schwarzen in Sierra Leona von den B a r r y ' s das nehmliche glaubten; und es wird, wenn man alle Nachrichten zusammen stellt, sehr wahrscheinlich, dafs diese B a r r y ' s zu eben derselben Gattung gehören, welche Moore w i l d e M ä n n e r , die Einwohner von Loango P OD g o ' s , und die zuBorneo O r a n g - U t a n g nennen. Die Sprache, welche die Negern diesen Affen zuschreiben, scheint sich mehr auf S c h l ü s s e als auf B e o b a c h t u n g zu gründen; und so gern wir besagten Negern glauben w o l l e n , wenn sie von dem reden was sie s e h e n oder h ö r e n , ( i n so fern ea nur einiger Mafsen glaublich i s t ) so billig ist das Mifstrauen, das w i r in ihre S c h l ü s s e setzen. W a s 6» übrigens auch für eine Bewandt» nifs mit allen diesen verworrenen und zu Festsetzung eines sichern Begriffs ganz unzulänglichen Zeugnissen haben mag, so scheint doch so .viel gewifs zu seyn, dafs w i r nicht nöthig haben, auf genauere Beobachtungen zu w a r t e n , um mit genügsamer moralischer Gewifsheit behaupten zu können: ,, dais diese menschenähnlichen Affen keine w i l d e n M e n s c h e n s i n d . " W ä r e n sie es , warum sollten sie sich nicht schon längst zu einigem Grade

UKSCAÜNGL.

Z U S T A N D

D. M .

199

von Humanität und Sittlichkeit entwickelt haben? — oder warum sollte ein junger O r a n g - U t a n g , dergleichen schon einige gefangen worden sind , unter policierten Menschen nicht eben die Fortschritte machen, die ein junger K a r a i b oder H o t t e n t o t t e macht, wenn er auf Europäische Art erzogen w i r d ? Doch g e n u g , und vielleicht schon zu viel, von Hypothesen, welche man an jedem minder ernsthaften Manne als Rousseau ist für I r o n i e halten müfste!

fioo

ÜBrr

J . J.

ROUSSEAU S

ii.

D i e Thorlieit des Filosofen Jea n • Jaques, so wenig Ehre sie der Menschheit macht, ist doch am Ende weiter nichts als l ä c h e r l i c h j aber diejenige, welche uns S w i f t in G u l l i v e r s Reisen aufdringen w i l l , ist h a s senswürdig. Die Freunde dieses aufserordentlichen Mannes — vor dessen G e n i u s sich der me^nige so tief biickt, dafs ich es kaum wage ihn zu tadeln, so sehr eis auch in diesem Stücke verdient, — möchten seine Y a h o o s gern dadurch rechtfertigen , dafs sie uns. bereden wollen, sie für eine s a t i r i s c h e E r f i n d u n g zu halten, wodurch er blofs die Häfslichkeit des Lasters, und die wichtige moralische Wahrheit, dafs der Mensch dadurch

i T u s r t t ü s G f c k Z U S T A N D D. M .

501

unter das Vieh heirab gesetzt weide,; in dag helleste L i c h t habe setzen wollen. Aber niemand, der den dritten Theil der R e i s e n G u l l i v e r s mit einiger Aufmerksamkeit gelesen hat, wild siph eine Sache überreden lassen, welcher der Augenschein auf allen Blättern widerspricht. S w i f t , dessen eingewurzelter Menschenhais aufserdem durch so viele eigene Geständnisse in seinen vertrauten Briefen nur allzu wohl bestätiget i s t , scheint nichts au gelegeners gehabt zu haben, als seinen L e s e r n auch nicht die M ö g l i c h k e i t e i n e s Z w e i f e l s übrig zu lassen, ob die besagte Erfindung aus einein andern Geiste geflossen s e y n könnte, als dem H a i s der m e n s c h l i c h e n N a t u r — einer so unnatürlichen Leidenschaft an einem M e n s c h e n , dafs S w i f t vermuthlich, so wie er der E r s t e i s t , der E i n z i g e bleiben w i r d , der diesen absclieulicheü Triuoif über die N a t u r au erhalten fähig war. Denn mit d i e s e r , nicht mit der « u f ä J l i g e n V e r d e r b n i f s derselben, hat CT es zu th-un. Seine Yahoos sind v o n N a t u r die, übelartig3ten, boshaftesten und unfläthigsten von allen Thieten; und diese Yahoos sindih«1 gerade das, was R o u s s e a u

2O2

ÜB £ A

J. J.

ROUSSJ;AUS

natürliche oder w i I d e 1VI e 11 s c h e n hellst. Unser ganzer Vorzug vor ihnen b e s t e h t , nach i h m , blofs d a r i n , dafs wir uns durch K u n s t u n d mit der L ä n g e der Zeit einiger F u u k e n von V e r n u n f t bemächtiget haben , die uns aber zu nichts dienen, als unsre n a t ü r l i c h e n U n t u g e n d e n zii v e r g r ö f s e r n , u n d sie mit noch, einigen neuen zu v e r m e h r e n , welche die N a tur uns nicht gegeben hat. »4) R o u s s e a u ist a l s o , in Vergleichung mit S w i f t , noch sehr gnädig mit uns zu W e r k e gegangen. O e r R o u s s e a u i s c h e M e n s c h ist v o n N a t u r ein harmloses gutartiges T h i e r , wenigstens so gutartig als irgend eirt anderes von- der g r a s f r e s s e n d e n Art; die Gesellschaft allein ist die Quelle seiner Verderbnisse. Oer S w i f t i s c h e Yahoo hingegen ist das abscheulichste unter allen U n g e h e u e r n , von N a t u r u n d durch K u n s t ; die letztere vergröfsert seine a n g e b o m e H ä ß l i c h k e i t , indem sie dieselbe schminken will. R o u s s e a u formiert seinen W i l d e n , indem er so lange von einem M e n s c h e n herunter schnitzelt, bis nichts übrig bleibt als das T h i e r ; S w i f t seinen Y a h o o , indem er dem M e n -

Voyage to the Houyhnhnms. Ch.

VII.

v i t s m ü n G L . Z U S T A N D P. M .

203

sieben alles Schöne abstreift, alles Gute bis auf die zartesten Fasern aus seinem Herzen heraus reifst, und; aus allen möglichen Lastern und Häfslichkeiten, welche er von den verdorbensten unsrer Gattung (von Ungeheuern, die zu allen Zeiten und unter allen Völkern seltne Erscheinungen gewesen sihd) abgezogen hat, ein Ungeheuer zusammen setzt, dessen Daseyn, wenn es erwiesen werden könnte, ein unüberwindlicher Einwurf gegen das Daseyn Gottes wäre. R o u s s e a u will uns überreden zu den Thieren in den Wald zu gehen, weil er sich in den Kopf gesetzt bat, dafs er uns dadurch g l ü c k l i c h machen w ü r d e ; S w i f t macht uns zu Scheusalen, de* reo sich die Natur schämt, die der Abscheu der ganzen Schöpfung . sind , die sich selbst eines in dem andern verabscheuen; und wenn er eine menschenfreundliche A b s i c h t dabey gehabt hat, nun, wahrhaftig! so hat er ein M i t t e l dazu gewählt, wobey es unmöglich w a r , seinen Zweck — n i c h t zu verfehlen! D o c h , es kann keine Frage seyn, was seine A b s i c h t war. Seine Galle, seinen von vielen Jahren her gesammelten Hafs gegen seine Landsleute, und besonders gegen die Hofpartey unter G e o r g dem Ersten, auszulassen , und sich auf einmahl für tausend wirk-

. Ün e H

J. J.

RonssEAiib

liehe und eingebildete Beleidigungen zu rächen > d a s w a r s e i n e A b s i c h t ; aber nur ein so hartes Herz, wie das seinige, war fähig, diese Rache an der m e n s c h l i c h e n ' N a t u r zu nehmen. Unglücklicher W e i s e für ihn selbst hat er dieser unwürdigen Leidenschaft nicht Genüge thun können , ohne seinein eigenen Nachruhm mit dem nehmlichen Streiche, den er auf seine i

'

ganze Gattung führt, eine tödtliche Wwnde bey zubringen. Er muíste ungerecht g«g«n seine Mitmenschen, und ein Lästerer gegen die Natur werden, um ein Geschöpf, an welchem, bey allen seinen Schwachheiten, Thorheiten und M ä n g e l n , ein S t e r n e so viel liebenswürdiges sieht, zu einem so gräfslichen M i t t e l d i n g von A f f e und T e u f e l uinzuschaffen. Er muíste erst alle Proporzionen der menschlichen Form zerstören, alle ihre Züge und Lincemente verzerren, alle die feiiien Schattierungen verwischen, durch welche die Natur unsre Vollkommenheiten und unsre M ä n g e l , wie ein geschickter Kolorist abstechende Farben, in einander verblendet, utid durch tausend fast unmerkliche Mischungen im Ganzen die reitzendste Harmonie zuwege bringt; mit Einem W o r t , er muíste das schönste W e r k der Natur, um einen Y a h o o dar-

U RS ? R Ü N G II. Z V S T A M» D. M .

205

aus zu machen, verstümmeln, zerkratzen, übersudeln: — und . wie hätte er seinen Genie, seinen W i t z , seine Kenntnisse, welche vielleicht noch kein Schriftsteller in solchem Grade beysammen gehabt h a t , anders anwenden können, wenn seine Absicht gewesen w ä r e , sich selbst mitten unter dem mensch* liehen Geschlecht eine unzerstörbare Schatidsäule aufzurichten ? Wenn die Gutherzigkeit des berühmten Genfer Bürgers der mindesten Zweideutigkeit unterworfen w ä r e ; so könnte man sich kaum verwehren zu denken, er habe eine S w i f t i s c b e Absicht dabey gehabt, da e t seinen p r i m i t i v e s M e n s c h e n in den P o n g o ' s von Majombà und Kongo gefunden zu haben glaubt. Denn in der That, vMflB etwas in der Natur ist, das dem Menschenbasser Gulliver eine Idee zu seinen Yahoos geben konnte, so müfsten es die Baviane seyù, von deren Brutalität die Rei» sebesebreiber aus dem Munde der Negern Beyspiele erzählen, welche sie dieses Nahmen» würdig machen. — Aber der ganze Zusammenhang der Rousseauischen Theorie beweiset, -dafs er keinen solchen Gedanken hatte.

2O6

ÜBE*

J.

J.

Rousssaus

12.

S i c h in eine Zergliederung der Swiftsclien H u y h n . b n r a s und Y a h o o « einzulassen, um dadurch zu b e w e i s e n , w i e sehr er sich durch beide an der menschlichen Natur ver» sündiget h a b e , w ü r d e eine w a h r e Beleidigung der letztern seyn. E s bedarf keines mühsamen Beweises ge» gen R o u s s e a u , dafs die W i l d e n in Neuholland nur E m b r y o n e n v o n Menschen sind , und dafs ein E m b r y o v o n der Natyr nicht dazu bestimmt i s t , e w i g E m b r y o zu bleiben: aber es bedarf n o c h w e n i g e r eines B e w e i s e s , dafs Homer seine H e l d e n , P l u t a r c h seine grofsea M ä n n e r , X e n o f o n seinen Sokrates, seinen C y r u s und seine F a n t h e a , ' — "und die F i d i a s , A l k a m e n e s und A p e l l e s der G r i e c h e n , ihren A p o l l o , ihre V e n u s , ihre

v t s i i i ü » ER.. Z U S T A N D D. M .

Grazien, haben.

von

keinen

Y a l l Oos

207

ahkopieit

Indessen schien uns doch das Unrecht, w e l c h e s z w e y so g e r ü h m t e M i s a n t h r o p e n — der eine wissentlich und mit der muthwilligsten Absicht zu beleidigen, der andre aus L a u n e und in der Einfalt seines Herzens — dem gesammten Menschengeschlecht angethan h a b e n , diese R ü g e um so mehr zu v e r d i e n e n , da das Beyspiel solcher M ä n n e r , theils durch Ansteckung, theils duich die natürliche W i r k u n g ihres A n s e h e n s , die ohnehin nur zu grofse Anzahl der Schriftsteller zu vermehren d r o h t , die sich ohne Be« denken an der menschlichen Natur versündig e n , indem sie den Menschen bald übermäfsig erhöhen, bald unter sich selbst erniedrigen. W e n n w i r die Natur nicht beschuldigen w o l l e n , dafs ihr gerade dasjenige von allen ihren W e r k e n , worauf sie selbst den gröfsten W e r t h gelegt zu haben scheint, mifslungen s e y : so haben w i r g e w i f s keine U r s a c h e , uns verdriefsen zu lassen , dafs w i r w e d e r F o ng o ' s , noch P l a t o n i s c h e I d e e n , w e d e r A r k a d i s c h e S c h ä f e r , noch s t o i s c h e Weisen, weder F e e n - H e l d e n , noch E n g e l , noch H u y h n h n m s , sondern —

2OQ

ÜBSH

J.

J.

R O U S S E A U »

M e n s c h e n 'sind. Aber desto gröfsere Ur»«che haben w i r , gegen alle und jede auf un« srer Hut zu seyn, die uns zu etwas schlechtem» als M e n s c h e n , ja sogar ( a u s guten Gründen) gegen diejenigen, die uns, aus Hin» teil ist oder mifsverstandener guter Meinung, zu etwas b e s s e r e m machen wollen. Die N a t u r , die immer- Recht hat, hat gewifs auch recht daran getlian, dafs sie uns gerade so machte w i e wir sind; und wahrlich! es ist nicht i h r e Schuld, wenn gewisse L e u t e , aus einem ihnen selbst unbewufsten Fehler ihrer Augen, tausend Schönheiten an der m e n s c h l i c h e n Natur ü b e r s c h i e l e n , oder ( w a s ihnen nur gar zu oft begegnet) wirkliche Schönheiten für F e h l e r ansehen. Uns däucht, man sollte die menschliche Natur mit sehr gesunden und sehr, scharfen 'Augen lange beobachtet, und sehr fleifsig, nicht in S y s t e m e n oder v e r f ä l s c h t e n U r k u n d e n , sondern i n d e r N a t u r selbst studiert haben, ehe man sich anmafsen darf, ihre Auswüchse und üppigen Schöfslinge abschneiden, und zuverlässig bestimmen zu woll e n , worin ihre r.eine Form und Schönheit i — „

tutsmüiTGi,.

Z U S T A N D

Zop

D. M .

V e r s t ü m m e l u n g e n sind keine Verbesterungen, G o t h i s c h e Z i e r a t h e n keine Verschönerungen, — und eine moralis c h e D r a p p e r i e , unter welcher die eigent ü m l i c h e Gestalt und die wahren Proporzionen der menschlichen Natur u n s i c h t b a r w e r d e n , verstöfst eben so gröblich gegen die allgemeinen Gesetze des Schönen, als die V e r t ü g a d e n , W ü l s t e und H a l s k r a g e 11 des sechzehnten Jahrhunderts, die der Gestalt einer D i a n a das Ansehen eines Ungeheuers gaben, ohne dafs sie der Tugend (deren Bollw e r k e sie vielleicht seyn sollten) zu sonderlichem Schutze dienen konnten. D i e Fehler der menschlichen Natur sind grofsen Theils mit ihren Schönheiten zu sehr v e r w e b t , als dafs man j e n e heben könnte, ohne etwas an d i e s e n zu verderben. Sie hat auch l i e b e n s w ü r d i g e Schwachheiten, die man ihr l a s s e n m u f s , weil sie dazu dienen können, gewissen Tugenden eine G r a z i e zu geben, ohne welche die Tugend selbst sich vielleicht Hochachtung erzwingen, aber nicht g e f a l l e n kann. Alle V e r d e r b n i s s e der Menschheit scheinen mir aus z w e y Hauptwurzeln zu entspringen, der U n t e r d r ü c k u n g , und der W I S L A U P B «imaitl. W . X I V . B .

O

«io

Ü B ER

J.

J.

R O U S S E A U S

A u s g e l a s s e n h e i t ; — wovon j e n e Mullil o s i g k e i t , Feigheit, Trübsinn, Aberglauben, Heuclieley, Niederträchtigkeit, Hinterlist, Ranksucht, Neid und Grausamkeit, — d i e s e alle Arten von Üppigkeit und Unmäfsigkeit, M,uthw i l l e n , fanatische Schwärmerey, Herrschsucht und Gevyaltthätigkeit hervorbringt. D i e Verderbnisse von der z W e y t e 11 Klasse würden von selbst w e g f a l l e n , wenn denen von der e r s t e n durch das einzige mögliche M i t t e l , durch eine w e i s e S t a a t s e i n t i c h t u n g und G e s e t z g e b u n g , vorgebauet würde. Aber ungereimt ist es, einigen dauerhaften Nutzen von den Mafsnehmungen zu etwarten* "welche man gegen d i e s e n oder j e 1 1 « n einzelnen Z w e i g der sittlichen Verderbnifs b e s o n d e r s nimmt, so lange man das Übel nicht i n d e r W u r z e l angreift, oder angreifen d a r f ; das i s t , so lange die menschliche Natur unter den Fesseln seufzt, in welche die T y r a n n e y des Aberglaubens und willkührlich ausgeübter Staatsgewalt in gewissen Jahrhunderten und in gewissen Strichen des Erdboden» sie geschmiedet hat. Bis dahin scheint alles, was die Pilosofie — es sey nun auf einem Thron oder auf einem L e h r s t u h l , aus dem Cabinet eines Ministers

URSPRUNGL.

ZUSTAND

D. M .

2211

oder eines Schriftstellers , -»- zum Besten d«S menschlichen Geschlechtes, oder eines jeden V o l k e s , welches noch (mehr oder w e n i g e r ) die Ketten des Aberglaubens und der willkührlichen Gewalt trägt, zuwege bringen kann» entweder in Linderungsmitteln, ( w e l che das Übel meistens nur so lange verberg e n , bis es mit verdoppelter Stärke und gröfserer Gefahr ausbricht) oder in Z u b e r e i t u n g e n zu bestehen, wodurch die Sachen einer gründlichen Verbesserung näher gebracht werden. Diese Gründliche Verbesserung scheint bey einem jeden V o l k e , das in der Ausbildung schon so weit vorgeschritten ist, um ihrer zu b e d ü r f e n und f ä h i g zu seyn, demjenigen aufbehalten z u s e y n , der zu gleicher Zeit W e i s h e i t und M a c h t genug haben wird, eine G e s e t z g e b u n g und S t a a t s v e r f a s s u n g zu bewerkstelligen, in welcher die Triebfedern der menschlichen Natur auch die Triebfedern des Staats sind; durch welche die i p ö g l i c l i s t e F r e y h e i t mit der w e n i g s t e n U n g e l e g e n h e i t erzielt, und keine G e w a l t geduldet w i r d , die ein a n d e r e s Interesse hat n's das Beste des g e m e i n e n W e s e n s ; w o die verschiedenen Stände und Klassen zu ihrer Bestimmung durch die zweck-

212

ÜBER

J. J.

ROUSSEAUS

mäfsigsten I n s t i t u t e gebildet w e r d e n , u n d die Gesetze nicht als G e s e t z e sondern als G e w o h n h e i t e n ihre W i r k u n g t h u n ; w o die R e l i g i o n den grofsen Z w e c k der allgemeinen Glückseligkeit immer b e f ö i d e r t , niemahls h e m m e t , und ihre Diener geehrt u n d w o h l gepflegt weiden, aber (gleich den M ä n n chen im Bienenstaate) keinen S t a c h e l hab e n : w o m e h r B e d a c h t darauf genommen w i r d , die* T u g e n d zu e h r e n als zu b e z a h l e n , und dem L a s t e r so gut vorgebaut ist, dafs die Gerechtigkeit nur selten s t r a f e n m u f s ; w o allgemeiner Fleifs allgemeine Fülle hervorb r i n g t ; w o der Genufs der Gaben der N a t u r und der K u n s t , der Bequemlichkeiten u n d Freuden des L e b e n s , den Sitten unnachtheilig, und nicht blofs der Antheil einer kleinen Anzahl privilegierter Glücklichen i s t ; mit E i n e m W o r t e , w o dieser letzte W u n s c h eines jeden Menschenfreundes, ö f f e n t l i c h e G l ü c k s e l i g k e i t , nicht nur auf Gedächtnifsinünzen und E h r e n p f o r t e n , sondern in den G e s i c h t e r n aller Bürger ' geschrieben s t e h t : — — eine Gesetzgebung und Staatsverfassung, deren M ö g l i c h k e i t n u r solche läugnen können, welche entweder u n f ä h i g oder u n g e n e i g t sind, zu ihrer Bewerk»tl»lligung mitzuwirken.

U R S P H Ü K G L .

Concordcs

Z U S T A N D

stabili fatorum

numine

D.

M .

213

Varcae.

A b e r , dieses Befehls d e r P a r z e n a n i h r e S p i n d e l n ungeachtet, schmeichle man sich nicht , diese goldnen Zeiten durch einen plötzlichen Fall vom H i m m e l , o d e r , w i e man in den Schulen spricht, durch einen S p r u n g ankommen zu sehen. W a h r ist«, der A n f a n g der Z u b e r e i t u n g e n dazu ist seit denj fünfzehnten Jahrhunderte in E u r o p a gemacht," und in den verflossenen drey hundert Jahren mancher Schritt auf diesem W e g e gethan w o r den : aber w i r werden die F ü f s e im Fortschreiten etwas tveiter aus einander setzen müssen, w e n n w i r v o r dem nächsten P l a t o n i s c h e n J a h r e beym Ziele z u seyn wünschen. J«de P a u s e w i r f t uns um etliche Schritte zur ü c k ; — w a s niemand' unbegreiflich finden w i r d , der jemalils in einem s c h w e r b e p a c k t e n und s c h l e c h t b e s p a n n t e n W a g e n einen steilen B e r g hinauf gefahren - ist.

A l l e s müfste mich b e t r ü g e n , oder diese S a t z e , w e l c h e , meiner M e i n u n g n a c h , unter die kleine A n z a h l der Wahrheiten gehören, an d e n e n dem g a n z e n menschlichen G e s c h l e c h t e g e l e g e n i s t , und w e l c h e ( w i e ich nicht z u läugnen begehre) entwe«

2 I 4 ÜBBH J. J. ROUSSEAUS U R S M . Z Ü S T .

D.M.

der der K e r n oder der Z w e c k , oder der Schlüssel v o n — oder z u allen meinen W e r k e n , Rhapsodien, Geschichten und Mährchen in Prose und Versen sind — durften wohl noch nicht so a l l g e m e i n erkannt und angenommen s e y n , dafs es überflüssig w ä r e , w e n n sich alle, an welchen der fromme W u n s c h der Juvenalischen Amme — Sapere et fari quod

sentias,

erfüllt worden ist, mit uns vereinigten, nicht müde zu werden , sie in Prose und Versen, in Scherz und E r n s t , in b e w e i s e n d e r oder ü b e r r e d e n d e r F o r m , so lange vorzutrag e n , zu entwickeln und einzuschärfen — bis sie endlich über lang oder kurz ihre wohlthätige W i r k u n g thun werden.

ÜBER V O N

J.

J.

DIB R O Ü S S E A I f

VORGESCHLAGENEN

VERSUCHE

DEN WAHREN STAND DER NATUR DES MENSCHEN ZU E N T D E C K E N NEBST TRAUMGESPHÄCH

EINEM MIT

1 7 7 0 .

I

PROMETHEUS.

I c h habe mir seit vielen Jahren (ohne R u h m zu melden) einige M ü h e gegeben, diese sonderbare Art von Menschenkindern, die man (seit der A u f w a r t u n g , welche P y t h a g o r a s bey einém kleinen Fürsten der Fliasier gemacht h a t , den wir ohne diesen Umstand schwerlich zu kennen die E h r e hätt e n ) F i l o s o f e n , zu Deutsch W e i s h e i t s l i e b h a b e r n e n n t , mit einem etwas mehr als gewöhnlichen Fleifse zu studieren; und ich schmeichle mir, sie ( d e n S c h o t t e n J o h a n n e s D u n s und die übrigen seines Gelichters e t w a ausgonommen) so ziemlich ausfündig gemacht zu haben. E s würde Undankbarkeit seyn, wenn ich mir die Miene geben w o l l t e , als ob ich die Gabe, mit d$n Augen zu sehen, nicht (nächst

21g

Über

J. J.

ROUSSEAVS

der guten Mutter N a t u r ) den besagten Weis» heitsliebhabern oder weisen Meistern gröfsten Theils zu daulten hätte. — Aber alle Dankbarkeit uhd Ehrerbietung, die ich ihnen schuldig seyn m a g , kann mich nicht verhindern zu g e s t e h e n , dafs die meisten unter i h n e n , zu Zeiten — sehr wunderliche L a u nen haben. D a s W o r t , dessen ich mich bediene, ist in der T h a t , in Rücksicht auf die Sache die ich damit bezeichnen w i l l , s e h r " gelinde. W e n n , zum B e y s p i e l , diese gänzliche Yer» tiefung in das betrachtende L e b e n , welche den weisen D e m o k r i t u s v o n A ^ d e r a , unterdessen dafs er in einsamen O r t e n , ja. Wahl gar unter den Ruinen eingefallener Gräb e r , ganze T a g e \ind Nächte durch dem Studieren o b l a g , seine häuslichen Angelegenheiten gänzlich vernachlässigen machte — w e n n , s a g e i c h , diese Vertiefung in die erhabensten oder subtilsten Spekulazionen das W U D T derlichste w ä r e , was man diesen Herreij nachsagen könnte, so möchte es noch hingehen ! Aber wenn D i o g e n e s in einer T o n n e w o h n t ; K r a t e s mit der schönen und tugend-

VOKGESCULAG ENEVBH

SUCILEU.S.W.219

haften Hipparchia auf öffentlichem Markte Beylager hält; ^P a rin e n i d e s die Bewegung läugnet; A n a x a g o r a s behauptet, dafs dei Schnee schwarz, Z e n o , dafs der Schmerz kein Übel s e y ; P l a t o in seiner ^Republik auf Gemeinschaft der Weiber anträgtj P y r r h o da» Zeugnifs der Empfindung für betrüglich ausgiebt; P 1 o t i n u s versichert, dafs er den Vater der Götter und der Menschen" mit leidlichen Augen gesehen habe; J u l i a n zu gleicher Zeit den Kaiser, den Cyniker und den Zauberer spielt; die S c h o l a s t i k e r mit grofser Ernsthaftigkeit untersuchen, num Dens potuerik suppositare cueurbitam; Kard a n u s uns bereden w i l l , dafs er bey hellem Tage Gespenster sehe; K a r t e s i u s der heiligen Jungfrau eine Wallfahrt nach Loretto gelobt, w e n n sie ihm zu einem n e u e n S y s t e m verhelfen w o l l t e , u. s. w . — so begreife ich in der That nicht, was man zum Behuf aller dieser Weisheitsliebhaber bessers sagen könnte, als — dafr. ein Filosof seine Lau^ n e n , Grillen, Abweichungen, und Verfinsterungen habe, so gut als ein andrer, und dafs, aufrichtig von der Sache zu reden, der eigentliche s p e c i f i s c h e Unterschied z w i schen einem filosofischen Narren und einem genieinen Narren lediglich darin bestehe, dafs jener seine Narrheit in ein System räso?

22O

Ü B E R

J.

J.

R O U S S I A U S

n i e r t , dieser hingegen ein Narr geradezu i s t ; ein Unterschied, w o b e y sich noch auf Seiten des Filosofen unter andern dieser Vorzug darstellt, dafs e r , ordentlicher W e i s e , ein ungleich mehr belustigender Narr ist als' ein gemeiner Narr.

»OlU£SeULA6iSiVERSVCBEU.S.ff.22l

D i e G r i l l e , g e g e n das allgemeine G e f ü h l u n d den einstimmigen Glauben des menschlichen Geschlechts zu behaupten, d a f s d e r S c h n e e s c h w a r z s e y , hat in unsern T a g e n ( u n sers W i s s e n s ) keinen stärker a n g e f o c h t e n , als den berühmten Verfasser des E m i l s und der n e u e n H e l o i s e , des D evin de v i l l a gi und des B r i e f s g e g e n d a s T h e a t e r , des g e s e l l s c h a f t l i c h e n V e r t r a g s u n d der beiden A b h a n d l u n g e n , d a f s d i e W i s s e n » Schäften und Künste der Gesell* s c h a f t , und d a f s d i e G e s e i 1 i g k e i t d e m menschlichen Geschlecht Verderb» l i e h s e y e n , u. s. w. — D o c h , w a s sag' ich von unsern T a g e n ? N i e m a h l s hat ein Sterblicher die N e i g u n g allen andern Geschöpfen seiner Gattung ins Angesicht zu widersprechen weiter g e t r i e b e n , als dieser mit allen

Ü22

Ü B E R

,J.

J.

R O U S S E A U S

s e i n e n ' W u n d e r l i c h k e i t e n dennoch hochachtungswürdige S o n 3 e r l i n g . Ich glaube nicht, dafs ich ihm Unrecht t h u e , wenn ich unter den letztern den Einfall oben an stelle, den er in der Vorrede zur Abhandlung ü b e r d e n U r s p r u n g der U n g l e i c h h e i t u . s . w . hatte, der W e l t zu sagen : „ Dafs eine gute Auflösung des Problems: W a s für E r f a h r u n g e n waren e r f o r d e r l i c h , um zu einer z u v e r l ä s s i g e » K e n n t n i f s des n a t ü r l i c h e n Mens c h e n zü gelangen? Und w i e könnten diese Erfahrungen i m S c h o f s e d e r Ge* s e 11 s c h a f t angestellt werden ? — der A r i s t o t el e s s e und P I i n i u s s e unsret Zeit nicht nur nicht unwürdig wäre,; sondera dafs in der T h a t diese Erfahrungen zu dirigieren , die gröfsten Filosöfen nicht zu grofs» und die Unkosten dazu herzugeben, die mächtigsten Könige nicht zu reich seyn wür^ d e n ; " — eine doppelte Bedingung, die u n ' serm Weisen selbst so wenig unter die Dinge, auf die man Rechnung machen d a r f , zu gehören scheint, dafs er alle Hoffnung aufgiebt, eine dem menschlichen Geschlechte so erspiiefsliche Aufgabe jemahls aufgelöst und realisiert au. sehen.

V 0 n G E S C H L A G B N E \ r B R 3 V C HE U. S, W. ÜU3 •' I c h weifs n i c h t , w a s R o u s s e a u f ü r U r s a c h e h a t , dem g u t e n W i l l e n , oder dem Verm ö g e n aller der K a i s e r , K ö n i g e , Sultane, S c h a c h s , Nabobs , K a n s , E m i r s , u. s. w . w e l che den E r d b o d e n b e h e r r s c h e n , so w e n i g zuz u t r a u e n ; — d e n n die Aristotelesse und Pliniusse unsrer Zeit kann sein M i f s t r a u e n unmöglich zum Gegenstande haben. I c h meines O r t s habe m i r , des gemeinen Besten u n d meiner eigenen Gemächlichkeit w e g e n , zum Gesetze gemilcht,' von unsern O b e r n zu d e n k e n , w i e der ehrliche P l u t a r c h will dafs man von den G ö t t e r n d e n k e n soll» , , M a n k a n n unmöglich eine z u g u t e M e i - ' n u n g von ihnen h a b e n , sagt e r ; u n d man Würde sich w e n i g e r an ihnen versündigen^ w e n n man v o r g ä b e , sie seyeo gar n i c h t , als w e n n man z w e i f e l t e , dafs es ihn^n an W e i s h e i t oder Güte fehlen k ö n n t e . " Ich glaube,, sage u n d b e h a u p t e a l s o , im N o t h f a l l m i t F a u s t u n d F e r s e , ohne einen H ä l l e r d a f ü r z u v e r l a n g e n : dafs — „ v o r a u s g e s e t z t , das R o ü s s e a u i s c h e P r o b l e m , und die da'zu gehörigen E i f a h r ü n g e n , seyen so beschaffen, dafs dem menschlichen Geschlechte wirklich daran gelegen s e y , dafs sie gemacht w e r d e n , 1 ' — und v o r a u s g e s e t z t , „ d a f s sonst alles, w a s zur A u f l ö s u n g des P r o b l e m s erfordert w i r d , v o r h a n d e n s e y , " — e s an dem Könige»

224

ÜBER

J. J.

ROÜSSEAUS

Sultan, Nabob oder Emir nicht fehlen solle, der sich das gröfste Vergnügen von der W e l t daraus machen w i r d , seine M ä t r e s s e , seihe Pferde und H u n d e , seine O p e r , und vier oder fünf Dutzend andre entbehrliche Personen und Sachen an seinem Hofe abzuschaffen, uirt die Unkosten zu einer so schönen Unternehmung ohne Belästigung seines Volkes vorschiefseri zu können.

Y 0 EG B i C HL A e * N E VE A3 ÜCH KU. i . W.flßfi

5-

A b e r w i e wenn alle Wissenschaft des gelehrtesten Akademisten in Europa, und alle Macht jder Könige in Asien zusammen genommen, »icht .yermögend w ä r e , zu S t a n d e ' z u bring e n , was bey näherer Untersuchung — u n m ö g l i c h scheint? Ohne Zweifel ist die E r f a h r u n g das kürzeste und sicherste M i t t e l , hinter das Ge« heiinniis unsrer Natur zu kommen. V e r s u c h e sind der gerade W e g ; das heilst d i e N a t u r s e l b s t fragen; und diese O r a k e l f f l e g t gemeiniglich eine deutlichere Antwort zu geben als alle andre, wenn wir nur di* Iiunst verstehen, es r e c h t zu fragen. WlELAUDs sämmtl. W. XIV. B.

P

tü 6

Ü B EH

J.

J.

R O U S S E A V S

,

„ U n d welches sind denn die M i t t e l , di^se Erfahrungen im Schoofse der Gesellschaft anzustellen ? " fragt R o u s s e a u . — Das mögen die Götter w i s s e n ! — D e n n w e n n diese M i t t e l s o g e w ä h l t werden ~müss e n , dafs w i r g e w i f s seyn k ö n n e n , der Natur die A n t w o r t , w e l c h e sie uns geben s o l l , nicht selbst unteigeschoben zu haben, so — müssen w i r die menschliche Natur schon sehr genau k e n n e n ; und eben weil w i r sie gern kennen möchten, sollen diese Versuche angestellt w e i d e n . M i r d ä u c h t , es ist nur E i n W e g aus diesem Zirkel zu k o m m e n ; und er ist in der T h a t so leicht zu finden, dafs man ( m i t T r i s t r a m zu r e d e n ) nur seiner Nase folgen d a r f ; — nehmlich: ,, W e i l es unmöglich ist, Versuche anzustell e n , von denen man sich g a r k e i n e n B e g r i f f machen k a n n : so müssen wir s o l c h e in Vorschlag b r i n g e n , deren M ö g l i c h k e i t sich wenigstens t r ä u m e n lSist. 4 ' Ferne sey von uns die Vermessenheit, ein Problem auflösen zu w o l l e n , an welches sich sein Erfinder seihst nicht g e w a g t h a t ! Er, der ein so grofser Meister ist, auf die v e r w i c k r l t i t e n

V O R G F. S C H L A G E N e V t R 8 V C K E 11. 9 . W - Ü ' 7

F r a g e n eine scharfsinnige Antwort zu finden. A l l e s , w o z u w i r gut genug zu seyn glauben, i s t , dafs w i r — bis die neuesten Stagyiiten und Pliniusse , denen dieses Abenteuer aufbehalten bleibt, ihre Auflösung gegeben haben werden — uns b e m ü h e n , einen Theil der S c h w i e r i g k e i t e n a n z u z e i g e n , die irgend ein abgeneigter D ä m o n diesen nehmlichen Erfahrungen entgegen zu stellen scheint, von w e l c h e n , nach Rousseaus M e i n u n g , die E n t r d e c k u n g der wahren ursprünglichen Beschaffenheit der menschlichen Natur abhängt.

82G

ÜBER

J,

J.

R O U S S E A U «

4/

Diese Erfahrungen oder Versuche, wovon die Rede ist, müssen mit K l e i n e n K i n d e r n angestellt werden, daran ist kein Zweifel ; und diese Kinder können nicht j u n g g e n u g ausgehoben werden, wofern sie zu unserm Zwecke taugen sollen. Unstreitig wäre das allerbeste , wenn wir sie schon als blofse/fo munculo s bekommen könnten ; —— wenigstens könnten wir dann atn gewissesten seyn, dafs ihre Leiber und Seelen noch keine merkliche Veränderung durch die Eindrücke von Erziehung , Unterricht, Polizey, Religion und Sitten aus dem gesellschaftlichen Stande erlitten haben könnten. Aber ich besorge, dafs dieses schlechterdings nicht möglich zu machen seyn werde.

v o n G z s c Ii l a g s n x V x r S u c h z u . s.w. 829

Inzwischen fragt sich, woher diese Kin« der kommen sollen ? und es ist leicht zu sehen , dafs diese Frage nicht ohne Schwierigkeit ist. In der bürgerlichen Gesellschaft wer» den wohl keine andre als aus der unglücklichen Zahl der Kinder der Venus VolgU •vaga zu diesen Versuchen gebraucht werden können. Denn die Filosofen haben entweder selbst keine andre , — oder, wenn sie andre haben , würde schwerlich ein einziger unter ihnen Filosof genug seyn sie zu einem solchen Versuch herzugeben, wie gemeinnützig auch die Absicht desselben immer seyn möchte.

Nun ist z w a r , was die F i n d l i n g e betrifft, die günstige Meinung des V a n i n i von diesen armen Geschöpfen, wie ärgerlich sie auch dem Doktor W a r b u r t o n ist, 1 ) noch immer die gemeinste:, aber daran ist sehr zu zweifeln, ob in allen Findelhäusern

1 ) S. Jul. Caei. Va nini de Natura regina deaque Mortaliam, und Warburtons Anmerkung zum M o n o l o g des Edmund i m K ö n i g L « a t , Shaksp. Fol. Fl, p. 16

a3o

ÜBBR

J. J.

ROUSSEAUS

des gröfsten und policiertesten Reiqhes von Europa auf einmahl eine so gtofse Anzahl von gesunden und dauerhaften S ä u g 1 i n ge n, als wir vonnöthen haben , aufzutreiben seyn würdö; — und diefs, nebst verschiedenen andern Umstanden, wohl erwogen, glaube ich nicht itafs man werde vermeiden können, e i n e e i g e n e F a b r i k zu unserin Zweck anzulegen.

In d i e s e m Falle wollte ich ohne Mafsgahe die K a r a i b e n oder die E s k i i n o ' s in Amerika, oder auch die K a l i f o r n i e r voi-eschlagen haben , welche, wenn wir den nicht gar zu wohl zusammen hangenden Berichten des Pater V e n e g a s glauben, unier allen Anthr o p omorphis dein Rousseauischen M a n n ; T h i e r 2 ) am nächsten kommen. Jedoch sehe ich auch nicht, was dagegen eingewendet werden könnte, wenn unsere P l i n i u s s e oder M a u p e r t u i s lieber die P a t a g o n e n , mit welchen uns der Ii o mm o d a r B y r o n bekannter gemacht hat, dazu

a ) Ein Wort, das wir dem alten F r o s c k m ä u » e l e r zu danken haben.

VOEGBSCnLAGENlLVERSirCHEU.

s.w. 2 3 1

gebraueben möchten ; — wenn sie aueb gleich nicht völlig so sehr Riesen wären, als B l a u b a r t oder der schreckliche Fopanz Petit Poncet, — wie man uns Anfangs glauben machen wollte.

aiz

Ü S I K

i . }.

RotrssitjitJ S

G e s e t z t n u n , uusre Fabrik von Karaibea, Kalifornien oder Patagonen — w i e ihr wollt — w ä r e im G a n g e , ( w i e w o h l so etwas im Projekt, freylich schneller geht al« in der A u s f ü h r u n g ) und gesetzt, die erforderliche Anzahl von Kindern w ä r e f e r t i g , alle s o g u t , sauber und auf die D a u e r gearbeitet, als es der Gebrauch, den wir von ihqen machen w o l l e n , erfordert; so fragt sich n u n : W o finden wir einen bequemen O r t , unsre Versuche mit ihnen anzustellen ? N a c h meinem Plane — den i c h , aus schuldiger Hochachtung für den G e n i u s u n s r e r Z e i t , so ö k o n o m i s c h gemacht habe als

y O Jl » B » e H t, 4 « X s EV B H 9 U C H E U. S. W. 2 3 3 od n ü r i m m e r m ö g l i c h i s t , — w i r d d a z u w e n i g s t e n s e j n U m f a b g r o n h u n d e r t u n d siVana i g D e u t s c h e n M e i l e n im D u r c h s c h n i t t rtfor-« dert. D e a n w i r h a b e n n i c h t s g e t h a n , w e n n w i r nicht v e r s c h i e d e n e V e r b u c h e z j i r g l e i c h a n s t e l l e n ; u n d ein jede» v e r l a n g t einen z i e m l i c h e n R a u m ; w e i l a l l e s davon abh ä n g t , dafs d i e v e r s c h i e d e n e n H a u f e n , in w e l c h e w i r die K i n d e r v e r t h e i l e n , w e n i g stens d r e y f s i g M e i l e n r i n g s u m von e i n a n d e r a b g e s o n d e r t w e i d e n . F a n d e n sie e i n a n d e r , einer so b e t r ä c h t l i c h e n E n t f e r n u n g u n g e a c h t e t , d e n n o c h , u n d "wüchsen in e i n e Gesellschaft z u s a h i m e n : so d ü r f t e d i e s e s s o d a n n , ohne B e d e n k e n , f ü r e i n e ö f f e n t l i c h e E r k l ä r u n g d e r N a t u r angesehen werden können: „ D a f s s i e , a l l e s E i n w e n d e n s von S e i t e n Rousseaus ungeachtet, zum g e s e l l i g e n L e b e n e r s c h a f f e n seyen." A b e r w o , ich bitte a l l e G e o g r a f e n u n d Seefahrer beider H a l b k u g e l n , w o finden w i r ein L a n d v o n v i e r h u n d e r t M e i l e n im U m f a n g e , w e l c h e s u n t e r einem s e h r milden H i m mel l i e g e , u n d e n t w e d e r noch g ä n z l i c h u n b e w o h n t , oder von so g u t h e r z i g e n L e u t e n bewohnt sey, dafs sie w i l l i g und bereit

254

ÜBER

J.

J.

ROUSSEAU»

w ä r e n , einer f y s i k o m o r a I i s e h e n A u f g a b e zu Gefallen auszuziehen, und uns ihr Land zu Versuchen zu überlassen, wobey s i e , allein Ansehen n a c h , sehr wenig zu ge- " Winnen haben w e r d e n ?

v o i v G B s c n L A C B N ü V j s R S u c i i E U . t.w. U35

6.

/

D o c h , b e y einem P r o j e k t «uufs man auch dem Z u f a 11 e t w a s zutrauen. Diese S c h w i e rigkeit soll gehoben s e y n : es werden sich bald w i e d e r andere z e i g e n , die bey der Ausführung die Geduld eines J o b s ermüden könnten. \

Die Kinder , welche zu unsern Versuchen gebraucht werden sollen, dürften — w e i l sie in allen Betrachtungen b l o i s e K i n d e r d e r N a t u r seyn müssen -— keine Eindrücke aus der Gesellschaft mitbringen, sollte .es auch nur eine Kalifornische seyn. Sie müssen also so früh h i n w e g genommen w e r d e n , dafs sie noch A m i n e n vonnöthen haben. U n d diel's ist ein sehr beschwerlicher Umstand!

C5

ÜBBK

J.

J.

ROUSSEAU»

I c h w i l l ' n i c h t s von den a l l g e m e i n e n E i g e n schaften einer guten Amme s a g e n , w e l c h e — n a c h allem dem w a s die F i l o s o f e n , u n d A t z t e d a z u e r f o r d e r n — s e l t n e r als ein w e i t e r R a b e ist. M a n hat u n s seit einigen J a h r e n alles, w a s sich ü b e r die k ö r p e r l i c h e n u n d m o r a l i s c h e n T u g e n d e n e i n e r A M m e f i l o s o f i e r e n l ä f s t , SQ o f t u n d auf so vielerley Act zu lesen g e g e b e n , dais ich m e i n e L e s e r u n d mich selbst n i c h t schnell g e n u g auf ein a n d r e s K a p i t e l b r i n g e n k a n n . I c h sage n u r so v i e l : W e n n diese D a m e n u n s e r n K i n d e r n L i e d c h e n v o r l e i e r n , mit i h n e n s c h w a t z e n , sie i h r e e i g e n e s c h ö n e S p r a c h e lehr e n , und ihnen M ä h r c h e n m e i n e r M u t t e r G a n s e r z ä h l e n d ü r f e n ; — so h a b e n w i r alle diese u n s ä g l i c h e M ü h e u n d A u s g a b e n , w e l c h e s c h o n auf u n s r e A n s t a l t e n v e r w e n d e t worden sind, umsonst gehabt! ,, G u t , sagt m a n ; es m ü s s e n f i l o s o f a s e h e Ammen seyn — " E i n filosofischer F i e d e l b o g e n i — w ü r d e d e r alte H e r r W a l t h e r S h a n d y a u s r u f e n . W i s s e n die H e r r e n a u c h w a s man eine u n m ö g l i c h e Bedingung n e n n t ? Ihr werdet eben so l e i c h t g a n z E u r o p a nach R o u s s e a u » G r u n d Sätzen u m s c h a f f e n , als h u n d e r t R o u s s e a u i s c h e A m m e n bilden. — S t u m m m ü s s e n sie 8 e y n , o d e r alles ist v e r l o r e n !

V O n G E S C J I L A G E M l l V E n S U C H E U , S.w. 2 3 7

Poch,

was

ist für einen K ö n i g der ein

F i l o s o f , odör f ü r einen Filosofen der ein, K ö nig

ist,

unmöglich! —

Und

was

für

un-

glaubliche D i n g e hat nicht schon o f t der launische D ä m o n , den man Z u f a l l n e n n t , z u T a g e g e f ö r d e r t ! G e s e t z t , dafs nun auch die Ammen g e f u n d e n wären, und dafs unsere K i n d e r — A b e r , da sticht schon wieder eine neue Schwierigkeit h e r v o r !

238

Ü Ii K R

J.

J.

R O U S S S A U S

1'

D i e Ammen e s s e n , t r i n k e n , gehen auf z w e y B e i n e n , und thun z w a n z i g andre Dinge, w e l c h e mnn i m S t a n d e d e r N a t u r z w a r a u c h , aber vielleicht auf eine a n d r e M a n i e r thut. Ihr Beyspiel w ü r d e unsre Kinder v e r f ü h r e n ; sie w ü r d e n von den A m m e n l e r n e n , w a s sie allein von der N a t u r lernen sollen. — R a t h e t w a s zu thun i s t ! W i e gefiele euch folgender Vorschlag ? — ich w e i f » keinen bessern! — W i r haben die A m i n e n — s t u m m gemacht; w i e w a r ' e s , wenn w i r nun die K i n d e r •— b l i n d machten ? M a n versteht schon, w i e diefs gemeint i s t : nicht so s t o c k b l i n d , w i e uns gewisse

T O B G B S C I I I. A G K J N B V E R S U C H B U . S . W . 2 3 p

•Leute die ich nicht nennen w i l l , ' gern auf u n s e r ganzes L e b e n m a c h t e n , — vermtfthlich uin u n s die M ü h e zu e r s p a r e n , z u sehen w i e sie mit u n s w i r t s c h a f t e n w ü r d e n ; denn ein B l i n d e r , in so fern er eine schöne F i a u , eine gute T a f e l , und guten W e i n im Keller h a t , ist der brauchbarste M a n n v o n der W e l t ; — sondern n u r blind, so lange w i r s v o n n ö t h e n haben. O h n e geschicktem M e c h a n i k e r n als ich bin ( d . i. den allerungeschicktesten u n t e r allen mit eingeschlossen) vorgreifen z u w o l len , k ö n n t e diefs am füglichsten d u r c h eine Art von B i n d e n g e s c h e h e n , w e l c h e eben nicht völlig so fest anschliefsen müfsten als das m a g i s c h e D i a d e m , w o m i t die s c h ö n e S e i l e r i n dem A m o r die A u g e n v e r b i n d e t , die ihm die G ö t t i n Narrheit ausgeschlagen h a t t e ; 3 ) aber doch fest gen u g , dafs die Kinder unvermögend w ä r e n sie w e g z u s c h i e b e n , oder auf irgend eine W e i s e eher a b z u n e h m e n , bis es Z e i t w ä r e sie w i e der davon zu befreyen,

5 ) Oeuvres ht lie

de Louise

Cordelière,

Charly, p. 13.

diu

Labs

ou la

24"

Ü B KR

J.

j.

R O V Ü S E A U S

So viele Schwierigkeiten fangen an verdriefslich zu werden; und dennoch ist w en i g s t e n s noch E i n e übrig, welche wir vielleicht nicht ander« als — »ach König A l e x a n d e r s Weise werden auflösen können.

VOHGJSSCHLAGBfiEVBRSUCHEU.'s.W. g 4 j

8.

S o weit man auch die Zeit der E n t w ö h n u n g unarer jungen Kolonisten hinaus Selzen mae , so mufs sie endlich kommen, und die Kinder müssen ihre Nahrung selbst suchen lernen. > Es darauf ankommen 2U lassen, ob sie sich o h n e - A n w e i s u n g würden helfen können, möchte desto gefährlicher s r y n , da B o u s s e a u selbst kein Bedenken trägt, d< m Menschen den I n s t i n k t a!*zusprechen, womit die' Natur auch das verworfenste Insekt in diesem Stücke versorgt bat; — und ihnen A n w e i s u n g zu geben, würde ein Eingriff in das Geschäft der Natur seyn, der mit unserij Absichten nicht wohl besteWliLilMDi sijanHl. W. XIV. B. Q

£42

ÜBAR

J. J.

ROUSSIAU J

hen könnte. D o c h , in zweifelhaften wählt man das sicherste.

Rons-seau schen

seine

suchen.

Fällen

läfist seinen natürlichen Men-

Speise

unter

einer

Eiche

Vermuthlich miil's dieser Filosof, bey

aller seiner Neigung zum C y n i s m n s , in »einem Leben keine Eicheln gegessen haben. würde

sonsL wenigstens

eine kleine

Er

Anmer-

kung dazu gemacht haben, welche ihm S t r a b o und P l i n i u s ten.

4)

Die

an die H a n d geben k o n n -

ältesten

Griechen

und

einige

V ö l k e r , die uns der erste n e u n t , nährten sich auch von Eicheln. eben

dieser

eine

sehr

Eicheln;

Aber es w a r e n , wie uns

weise gute

Schriftsteller

versichert,

wohlschmeckende

mit Einem

Worte,

Art

eben

von

diejenige,

welche noch auf diesen Tag unter dem N a h men K a s t a n i e n d e n arbitris

in

ganz Europa —

lautitiarum

selbst —

von ge-

gessen werden.

Unsre diese

4)

Kinder

Eicheln

S. S trab

1707. u n d Plin.

werden

(wenn

on.

L.

L.

XFI.

III.

also

es

ja

wenigstens

Eicheln

p. 233, ed. c. 6.

seyn

Amstelod.

V O R G K S C H L A G B N E V B R S U C I I K U . S. W . 2 4 3

müssen) finden und alsdann,

wenn

s i c h e r t haben, von

ihnen

nächsten

zu

wir

essen l e r n e n ; uns dieses

und

Punkts

erst ver-

wollen wirs wagen Abschied nehmen,

zwanzig

um

Jahre,

sie,

für

der

Mutter

K a t a r und s i c h s e l b s t z u überlasseil.

die

0 »un

J.

J.

R o VSSIAVI

9-

Und

so hätten

welche,

nach

grofsen

Filosofen,

Rousseaus Meinung,

also

diese

die O b e r -

aufsicht über diese E x p e r i m e n t e haben sollten, am Ende sehr wenig dabey aufzusehen? Es

scheint nicht

anders;

es w ä r e

denn,

( wenn es thunlich seyn sollte ) dafs man diese Kinder,

um

das S p i e l

nen zu b e l a u s c h e n , mürschem

der N a t u r

mit i h -

in eine Art von R e a u -

Bienenkorb

einsperrte;

wel-

cher aber so eingerichtet seyn müfste, dafs die Filosofen alles sehr genau beobachten könnteil, ohne selbst wahrgenommen zu werden. W i r getrauen

uns zu b e h a u p t e n ,

(wofern die besagten Naturforscher

dafs sich sich nicht

etwa in Sylfen verwandeln , und aus S i J b e r g e wölken auf die Gegenstände ihrer Beobachtung

V O R G E S C H L A G J S N E V I S R S U C I I E U . S . W .

2 4 5

herab sellen w o l l e n ) kein andres Mittel erdenken lasse, w i e die Entwicklungen bey

unscrn

Zöglingen von Tag

der

Natur

zu Tage be-

merkt werden könnten. Es ist w a h r , man kann nicht sagen, w i e weit die Künste noch getrieben werden k ö n n nen. Man bringt in den Vornehmsten Glasfabriken in Europa Dinge zu Stande, welche man v o r hundert Jahren f ü r unmöglich gehal* ten hätte. Bey allem dem kann es erlaubt seyn zu z w e i f e l n , ob es jemahls möglich seyn werde, gläserne Glocken oáer Bienenkörbe von so u n geheurer Gröfse zu machen, als w i r sie zu unserm Experimente brauchen. Denn sie müfsten ohne alle Vergleichung gröfser seyn als die g r o f s e A q u a v i t f l a s c h e d e r F e e n ; Hnd w i r gestehen, dafs es uns schlechterdings ungereimt scheint, ohne den Beystand aller Feen und Zauberer, welche jemahls in den Mährchen gezaubert haben, sich v o n einem solchen Stück Arbeit nur träumen zu lassen. Welchemnach also, w i e gesagt, für unsre Filosofen weiter nichts übrig bliebe, als — nach Hause zu g e h e n , und (falls sie wider Vermuthen nichts anders zu thun haben sollt e n ) sich hinzusetzen, und a priori ausfündig zu machen, in was für einem Zustande sie

Ü B E R

J.

J.

R O Ü S S E A U S

die junge Kolonie nach zwanzig Jahren verimilhiich antreffen win den j — ein unendliches Feld, wie ihr seht, zu Spekulazionen, Hypothesen, Theorien, und Disputen, deren Wigieicliung mit der Facti Specief, welche man nach Verflufs der zwanzig Jahreerheben würde, für Liebhaber etwas sehr belustigendes seyn müi'ste, und, wie wir nicht zweifeln, eine uralte, aljer wenig geachtete Wahrheit von neuem bestätigen würde; nehmlich— „ Dafs es eine eitie Bemühung des Geiste* sey, durch alle die D ä d a l i s c h c n I r r g ä / i g e der Imaginazion, willkiihriicher Be-< griffe und seichter Vermuthungen, etwas zu s u c h e n , welches uns die N a t u r — un» Wittel bar v o r d i e N a s e hingelegt hat."

VORGES CIIX-A GENEVSRS VCHEU. S. W.247

10.

O b nun gleich bey diesen Versuchen das meiste der Nalur gänzlich überlassen werden muíste: so könnten doch unsre Filosofen vor ihrer Abreise eine A b t h e i l u n g der oft besagten Kinder vornehmen, um verschiedene Versuche zu gleicher Zeit anzustellen, durch welche der abgezielte Endzweck, den n a t ü r l i c h e n M e n s c h e n , oder, welches auf das nehmliche hinaus zu laufen scheint, die m e n s c h l i c h e N a t u r kennen zu lernen, desto vollständiger erhalten werden dürfte. Unmafsgeblich könnten wir das ganze Stück Landes — welches, wie gesagt, ungefähr vier hundert Meilen im Umkreis halten müfste, — in v i e r g r o f s e B e z i r k e abiheilen.

148

Ü B E R

J.

J.

In den e r s t e n

R'O U S S E A U S

k ö n n t e man , in

gehörigen

E n t f e r n u n g e n , vier oder sechs e i n z e l n e Kindel* v o n e i n e i ' h y G e s c h l e c h t verschlielsen ; In den a n d e r n ley Geschlecht,

etliche Paare v o n

aber

jedes

m ö g l i c h v o n den übrigen In den d r i t t e n che A n z a h l K i n d e r

Paar

eine g r ö f s e r e , von

beiderley

o h n e g r o ß e Reisen i'iuden den

vierten

beiderweit

als

entfernt;

z e r s t r e u t , doch nahe g e n u g ,

In

so

aber g l e i Geschlecht,

dafs sie einander

könnten;

endlich,

-welchen

mall

w i e d e r u m in z w * y abgesonderte K o l o n i e n t b e i len

könnte,

einte m e i k l i c h

ungleiche

Anzahl

v o n b e i d e r l e y G e s c h l e c h t ; zum ß e y s p i e l , Kolonie

aus z w a n z i g Knabt 11 und

acht M ä d c h e n , und Madchen zwey

und

eine

sechs

sehr w i c h t i g e

einige P u n k t e des dei7 N a t u r würden.

kein

andere

odei'

acht

Kolonien,

eine

sechs oder

ans

zwanzig

Knabpii; weil

sie

über

Matrimonial-Gesetzes geringes

Licht

verbreiten

V O R G B S C H L A G E N E V a n S U C H E U . S.\T.24(J

11.

Und

n u n , wenn

vieler

wir,

unübtisteiglich

mit Überwindung St> scheinender

keiten , das ganze P r o j e k t

Schwierig-

zu Stande gebracht

hätten , und , nach Verilul's von zwanzig oder dreyfsig J a h r e n , fon

die D a l a m b e r t

und

Büf-

derselben Zeit g i n g e n , zu sehen wie die

Sachen unsrer E x p e r i m e n t a l - K o l o n i e n ständen, um dem menschlichen Geschlecht über den B e fund B e r i c h t zu erstatten —• was meinen wir. dafs sie f i n d e n würden ? Ferguson

hat,

ches E x p e r i m e n t sagte:

wie es s c h e i n t ,

im Gesichte

ein sol-

gehabt,

„ W i r haben alle U r s a c h e , zu

da

er

glauben,

d a f s , wenn man eine Kolonie von Kindern aus der Ammenstube verpflanzte, und sie eine ganz eigene Gesellschaft ausmachen l i t f s e , ohne Unterricht

und

ohne

Erziehung,



dafs

wir,

&5O

ÜBER

J.

J.

ROUSSEAU9

sage ich, 'nichts als dieselben Dinge wiederholet finden würden, die wir schon in so verschiedenen Theilen des Erdbodens gefunden haben ; u. s. w. — " Ja wohl, haben wir a l l e U r s a c h e das zu glauben ; und eben so viele Ursache würden wir haben uns zu verwundern, wenn unsre Leser nicht schon lange gemerkt haben sollten, dafs das grofse Problem, womit uns Rousseau so viel zu schaffen gemacht hat, weder mehr noch weniger ist, als „zu wissen, was für Erfahrungen man anzustellen hätte, um mit überzeugender Gewifsheit entscheiden zu können, ob der Schnee weifs oder schwarz s e y ? " In ganzem Ernst, es wäre sehr unnöthig, dem gröfsten oder kleinsten , Monarchen in Europa die geringste Mühe mit Experimenten zu machen, welche uns wahrlich wenig neues lehren würden. Das grofse Experiment wird auf diesem ganzen Erdenrunde schon viele tausend Jahre lang gemacht; und die N a t ü r s e l b s t hat sich die Mühe genommen, es zu d i r i g i e r e n , so dafs den Aristotelessen und Pliniuss«n aller Zeiten nichts übrig gelassen ist, als die Augen aufzuthun, und zu sehen wie die Natur von jeher gewirkt hat, und noch

V O R G E S C H L A G E N B V E B S U C

H C U.S.W.

T51

w i r k t , und ohne Zweifel künftig wirken wird, •— u n d , wenn sie lange und scharf genug g e guckt und das Ganze aus dem gehörigen Standp u n k t aufmerksam genug übersehen h a b e n , — zu gehen, und Ihre T h e o r i e n , Kompilazionen, Systeme, E n t w ü r f e , Inbegriffe, und wie die Dinge alle heij'sen, zu v e r b r e n n e n , oder u m z u giefsen , oder auszubessern, oder zu ergänzen, so gut sie immer k ö n n e n u n d wissen, — u n d •weiter nichts! N e i n , lieber R o u s s e a u ! so a r m e W i c h t e wir immer seyn mögen y so »ind wir es doch nicht in einem so' ungeheuern Grade, dafs wir nach den Erfahrungen so vieler J a h r h u n d e r t e noch vonnöthen habeil sollten , neue u n e r h ö r t e E x p e r i m e n t e z u m a c h e n , um zu e r fahren — was die Natur mit uns vorhabe. Und wofern sich auch alle Könige u n d alle Filosofen des Erdbodens vereinigten solche E x perimente zu machen : was w i r Ursache haben w i r zu h o f f e n , dafs wir etwas andres oder besseres daraus lernen w ü r d e n , als was uns die allgemeine E r f a h r u n g , mit d e r unwiderspi echlichsten E v i d e n z , aus allen Enden der Erde, v o n eini m Pole zum a n d e r n , aus dem ewigen Schnee der Kamtschadalen, u n d aus dem glühenden Sande v o n Nigrizien z u r u f t : —

52

ÜBER

J, J.

ROUSSEAUS

„Dafs der Mensch zur G e s e l l i g k e i t m a c h t sey," —

ge-

und „dafs die vereinigten Kräfte, der Barbar e y , des Aberglaubens, und der Unterdrükkung, immer unvermögend geblieben, die-r sen kostbaren Samen jeder gesellschaftlichen Tugend gänzlich zu vertilgen ; „dieses s y r h p a t h e t i s c h e G e f ü h l , welches den Menschen mit einer süfsen Gevvalt nöthiget, s i c h s e l b s t in a n d e r n Metis c h e n zu lieben, und welches, wie C i c e r o göttlich spricht, die G r u n d l a g e a l l e s R e c h t s ist."

V O H C B l S C n L A G E I f * V B I \ S U C H * U 1 S.W. 2 5 3

12.

S o l l t e sich übrigens gleichwohl, wider Vermutlien, zutragen, üafs einmahl ein müfsiger S c h a c h - ß a h a m , müde immer Fliegen zu fangen oder Bilder auszuschneiden u n d sich Mährchen erzählen zu lassen, auf den weisen Einfall kommen sollte, sich die lange Weile mit dergleichen Experimenten vertreiben zu w o l l e n : so wollen w i r diesem edlen V o r haben durch alles bisher gesagte nicht n u r im geringsten nichts präjudicieit h a b e n ; sondern versichern Seine Sultanische Hoheit noch zum Überilufs, dafs es, aller Wahrscheinlichkeit n a c h , sehr unterhaltend seyn m ü f s t e , i n einer solchen M e n a g e r i e von Menschenkindern sich mit etlichen Dützend S u l t a n i n n e n , Hofaff e n , H o f n a r r e n , und andern solchen witzigen Personen zu erlustigen; nichts davon zu ged e n k e n , dafs es bey diesen Experimenten

£5*

ÜBER

vermuthlich denen, ten,

J.

eben

J.

ROUSSBAU*

so ergehen w ü r d e ,

wie es

die an dem Steine der Weisen arbei-:

zu ergchen pflegt;

nehinlich,

da ['s man

am Ende immer etwas finden w ü r d e ; w o nicht das, was man suchte,

vielleicht etwas andres

das man nicht suchte, und das uns eben darum desto angenehmer

zu

seyn

pflegt,

sollte

es

gleich v o n a l l e m , was wir auf den Prozefs v e r w e n d e n m u f s t e n , kaum die Tiegel bezahlen.

VOR ©-*•» c H L A 6 ESE V i R SU GUItt, S.W. 255

i3.

D e r kleine Scherz, den ich mir die Freylieit genommen habe — nicht mit Rousseau — sondern blofs mit einer von seinen Lieblingsgrillen zu treiben, hat wenigstens für mich den Vortheil gehabt, mir diese Nacht einen sehr angenehmen Traum zu verschaffen. Wenn meine Leser P y t h a g o r ä e r wären, und i c h wäre — P y t h a g o r a s ; — oder sie wären Ägyptische Priester und ich ihr Oberpriester: — so würde ich keinen Augenblick Bedenken tragen ihnen meinen Traum zu erzählen; denn diese beiden Gattungen S e h e r waren grofse Liebhaber von Träumen. In unsrer Zeit ist es ein ziemlich allgemein angenommener Satz: data es wider die

¡>56

ÜBER.

J.

J.

R O U S S E A Ü S

Regeln der feinen Lebensart sey, in guter G e sellschaft seine Träume zu erzählen.



Das beste wäre a l s o , meinen Traum zu erzählen.

nicht

Und gleichwohl glaube ich wahrgenommen zu h a b e n ,

dafs es >uit Träumen



wofern

man sich nur einige Unterhaltung davon v e r spricht, zunjahl mit Träumen von der w u n derbaren beynahe

und

mystischen

dieselbe ßevrandtrifs

Galtung -\Vie' mit

Geister - und Gespenstergeschichten hat. mand,

r— den Nie-

der sich besser als der Pöbel dünkt,

will l;>:ut zu Tage dafür angesehen seyn, dafs er solche Geschichten

glaube:

aber

jeder-

mann hört sie gern erzählen; und ein in-lies Gespcnstermährchen

ist das unlehlbarste Mit-

tel in einer grol'sen Gesellschaft,

in welcher

man kurz zuvor kaum sein eignes Wort hören konnte,

plötzlich

allgemeine Stille und Auf-

merksamkeit hervorzubringen. Lassen

Sie uns also aufrichtig gegen

ander Skyn,

mein*

Painen

und- H e r r e n !

Mein Traum, könnte, denken S i e , d?s Anhörens

Werth seyn,

doch wohl so manierlich nichts davon zu sage».



gleichwohl

sonst würde

gewesen

ein-

seyn,

ich gar

Gestehen Sie e s , ich

VORü-E S C H L A G * » E V £ H S U C H E U. 8. W. Z^f bäh« , Ihre Neugier rege gemacht — Sie möchten meinen Traum gerne h ö i e n , das ist gew i f s ; aber — nicht gerner als ich ihn erz ä h l e , das ist eben so g e w i f s ; — und also ist beiden Theilen geholfen wenn ich anfange. So aufrichtig sind nicht alle Schriftsteller — und dann werden Sie s e h e n , dafs es n u r an mir Jap, aus meinem Traum ein so gutes, ernsthaftes und kunstmäfsig zugeschnittenes S y s t e m zu m a c h e n , als irgend eines von allen denen, die binnen heut und einem J a h r e gemacht w e i d e n mögen. W a s für ein Ansehen hätte ich mir damit geben Können! W a s f ü r eine M e n g e a l t e , mittlere und neuere Autoren hätte ich anfuhr,en , w i e manchen widerlegen, w i e manchen v e r t h e i d i g e n , w i e manchen e r k l ä r e n , und w i e manche^ emendieren können! Denn w a r u m sollte ich das alles nicht eben so w o h l k ö n n e n , als so viele andere, die am End« doch auch nicht gröfsere Hexenmeister sind als ich ? Ich sage diefs niemand zu L e i d e , blols um die Herren und Damen gestehen zu machen , dafs ich der gutherzigste Autor bin der vielleicht seit undenklichen Zeiten gesehen worden ist. Andere geben ihre T r ä u m e für w i r k l i c h e Erscheinungen, oder träumen wohl bey hellem Tageslichte mit offnen Augen, TVIKLA^DS

eaUiUiil. W.

XIV. B.

R

853

U B E R

J.

J.

R O U S S E A U S

upd muthen uns z u , dafs wir der Himmel weifs welche übermenschliche Weisheit in ihren Träumereyan finden sollen : ich hingegen gebe meinen Traum für — einen Traum, d.i. eine Feige f ü r eine F e i g e ; und das heifst doch, d e n k e i c h , Ehrerbietung für seine L e ser tragen, und den Leuten z u t r a u e n , dafs sie — Augen haben. Also, meinen T r a u m , wenn es Ihnen angenehm i s t !

Y 0 R 6 E S C J ä & A G i ! S E V E R S U C H E u. s. w» 2 5 9

14.

I c h weifs nicht wie es zuging, — ein F a l l W o r i n sich gewöhnlich alle Träumer befinden , — genug ich befand mich plötzlich mitten auf einem hohen Gebirge, welches keine andre Einwohner als L ö w e n und Drachen zu haben schien, und dessen oberster T h e i l , mit ewigem Schnee bedeckt, seine Stirn in den Wolken verbarg. „ D a s fängt zu poetisch an. " — Sie haben Recht! ich muis ein wenig niedriger stimmen. Ächzende T ö n e , durch kleine Pausen unterbrochen , gleich dem Ächzen, welches die Heftigkeit des Schmerzens oder die lange Dauer eines mifsbehaglicben Zustande« end-

söo

Ü-aer

J. J .

Rövsseavs

lieh der Geduld selbst auspreist, drangen dttren die schreckliche Stille in mein O h r . Ich folgte dem T o n e , w i e w o h l mir dag H e r » p o c h t « , und nun sah ich auf einmah] 7— w a s Sie schwerlich errathen h ä t t e n , aber so bald ichs I h n e n sage s< In natürlich finden w e r d e n — den alten M e n s c h e n b i l d n e r P r ö 1 m e t b e u s vor m i r , in dein nehmlichen jammervollen Z u s t a n d e , w i e ihn der Tragödiendichter Ä i c h y l u s an einen Felsen des Kaukasus angeschmiedet schildert. . .f D e r lang' e n t b e h r t e Anblick eines Men» schengesichts schien etwas linderndes f ü r ihn zu haben. E r rief mir n ä h e r herbey zu kommen, und w i r w u r d e n , w i e es in T r ä u m e n gebräuchlich i s t , in einem Augenblick die besten Freunde. E r f r a g t e m i c h , w i e es um die M e n s c h e n stelle, u n d w i e sie sich das D a s e y n zu n u t z e m a c h t e n , w e l c h e s sie seiner p l a s t i s c h e n K u n s t und seiner G u t h e r z i g k e i t z u danken h ä t t e n ? D e r G o t t der Tiä'ume trieb hipr eines sei» u e r g e w ö h n l i c h e n Spiele mit mir. I c h e r i n n e r t e m i c h nicht etwa blofs der F a b e l

V O K G £ 9 C I I l A C E l ( i V B R S ü C H » U , S.W. 2 Ö l

vom U r s p r u n g d e r M e n s c h e n , w i e ich sie in den alten Dichtern gelesen hatte; sie w u r d e in dem nehmlichen Augenblicke zur W a h r h e i t für mich. , Ich glaubte w i r k l i c h den Ufheber meiner Gattung vor mir zu sehen, diesen P r o m e t h e u s , der aus Lehm und W a s s e r Menschen g e m a c h t , und Mittel gefunden h a t t e , ihnen i c h w e i f s n i c h t w i e , dieses wundervolle i c h w e i f » n i c h t w a s zu g e b e n , das sie ihre S e e l e nennen. K u r z , ich fühlte mich gänzlich in die Fabelzeit versetzt, ohne darum w e n i g e r nach den Begriffen eines M e n schen aus m e i n e m Zeitalter zu sprechen. Ich befriedigte seine Neugier durch Nachrichten — welche ich (aufrichtig zu r e d e n ) Bedenken trage öffentlich bekannt z u m a c h e n ; und das aus der einfältigsten Ursache von der W e l t . Es giebt ü b e l g e s i n n t e L e u t e , w e l c h e sie für eine S a t i r e ausrufen w ü r d e n , — und — g u t e > wohlmeinende Person e n , w e l c h e fähig wären, m i c h , w e g e i i dessen, w a s ich im T r a u m e gesagt hätte, zur Verantwortung zu z i e h e n ; — w i e w o h l sie sich aus ihrem M o n t e s q u i e u belehren könnten, d«fs diefs e t w a s sehr unbilliges

26A

U B E R

J.

J.

R O O S S I A U S

ist. Indessen wirft man sich doch nicht gern mit solchen Leuten ab. I

Man wird mir also vergeben, dafs ich weiter nichts davon sagen kann, als dafs P r o n i e t h e u s den Kopf schüttelte, und ich weifs nijdit was in seinen Bart hinein murmelte, welches, denke ich, — keine Lobrede auf seinen Vetter J u p i t e r w a r , der ihm, wie er sagt e , die Freude nicht gegönnet habe, seine Geschöpfe glücklich zu machen. Ich sagte i h m , unsre Weisen giiben sich viele M ü h e der Sache abzuhelfen, und es wäre noch nicht lange , d j f s uns einer hätte bereden wollen , es würde nicht besser mit uns werd e n , bis wir uns entschlössen, in den Stand der Natur zurück zu treten. Und was nennt dieser weise Meister den Stand der N a t u r ? fragte P r o m e t h e u s . — Nackend, oder in eine Bä'renhaut eingewikk e l t , unter einem Baume liegen, (versetzte i c h ) Eicheln oder Wurzeln fressen, Wasser aus einem Bach oder einer P f ü t z e dazu trinken, und mit dem ersten besten W e i b c h e n , das einem aufstöfst, zusammen laufen, ohne sich anfechten zu lasseh, was aus ihr und ihren

VORGE S C n i A C I S l V E R S ü C H Í U ,

S.W. 2Ö3

J u n g e n werden k ö n n e ; den gröfstqn Theil seines L e h e n s v e r s c h l a f e n , nichts denken, nichts w ü n s c h e n , nichts thun , sich nichts um andre, w e n i g um sich selbst, und am allerwenigsten um die Zukunft bekümmern: — diefs nennt der W e i s e , von dem ich dir s a g t e , d e n S t a n d d e r N a t u r . In diesem seligen Stande, spricht e r , hätten w i r keine K ü n s t e , keine W i s s e n s c h a f t e n , k e i n .Eigent h u m , keinen Unterschied der S t ä n d e , keine Gesetze, keine Obrigkeit, keine Priester, keine Filosofen v o n n ö t h e n ; —: und so lange man dieser D i n g e vonnöthen h a t , i s t , seiner M e i n u n g n a c h , an keine Glückseligkeit zu denken. P r o m e t h e u s , — ungeachtet sein Zustand so elend w a r , dafs nur ein Gott fähig seyn konnte ihn erträglich zu finden — erhob über die Einfälle des anmafslichen W e i sen ein so herzliches Gelächter, dafs ich mich nicht entbrechen konnte ihm Gesellschaft zu leisten. Ich s e h e , sagte e r , eure Filosofen sind noch immer — w a s ihre Vorgänger waren — Grillenfänger, w e l c h e W o l k e n für Göttinnen, .Abstrakzionen f ü r W a h r h e i t umfangen, und nie sehen w a s vor ihrer Nase l i e g t , w e i l sie

£¿4

Uber

J. J.

ROBÍSEÍIIS

sich angewöhnt haben , immer w e r w e i f s w i e w e i t über ihre Nase hinaus zu sehen. Nicht alle, sagte ich ; denn wir haben ihrer blanche, welche die ihrigen noch tnit einem halben Dutzend Brillen bewaffnen, womit sie z w a r im Ganzen nichts, hingegen im Kleinen so scharf s e h e n , dais ein gewisser Präsident einer gewissen Akademie sich grofse Hoffnung m a c h t e , w e n n er nur den Hirnschädel e i n e s Patagonen von z w a n z i g bis dreyfsij» Ellen in seine Gewalt bekommen k ö n n t e , die Seele selbst, so klein sie immer seyn möchte, über dem Ausbrüten ihrer Vorsttellungen g e w a h r zu werden. E u r e Filosofen haben seltsame sagte P r o m e t h e u s .

Einfälle,

Z u w e i l e n , erwiederte i c h , und nicht alle. D a f ü r aber haben auch unsere gioisen Herren, seitdem sie Filosofen um sich haben, ihre H o f n a r r e n abgeschafft; und, unparteyisch-zu red e n , ich denke, sie haben beym Tausche mehr — verloren als gewopnen. Aber w i e d e r auf deinen Sofisten zu komm e n , f u h r er fort; ich merke er hat vom goldenen Alter reden gehört. Vielleicht kam ihm

V O « O J! S Ü ¡1 1, A G I N i V E R S U C H E N S . W . 2 0 5

die Idee zu poetisch v o r , und da streifte er t nach Gewohnheit dieser Herren , so lange an ihr ab / bis ihm vom Menschen nichts als dasbloise Thier íibr¡£ blieb; eine A r b f i t , die ihn sehr leicht angekommen seyn inag! — Aber ich denk« doch, — i c h , der die Menschen gemacht h a t , sollte ain festen w i s s e n , w i e ich sie gemacht habe. Das denk* ich auch , versetzte ich ; und du würdest mir keine geringe W o h l t h a t erweisen, wenn du mir Nachrichten geben w o l l t e s t , w e l che mich in den Stand setzten, gewisse Filosofen zu demüthigen — W e n n du keinen andern B e w e g g r u n d hast, unterbrach mich der M e n s c h e n m a c h e r, so kann ich mir die M ü h e ersparen. Deine Filosofen scheinen mir die L e u t e n i c h t zu »eyn, die sich von P r o m e t h e u s belehren lassen; und je natürlicher d a s , w a s du ihnen aus meinem M u n d e sagtest, w ä r e , desto rascher würden sie s e y n , auszurufen: I s t s n i c h t s a l s d i e f s ? — Jupiter sagte das nehmliche, da ich mit meinen Menschen fertig w a r . Das alberne M a c h w e r k ! rief .er; ich wollte in einem Nektarrausche w a s bessers gemacht haben! — D o c h , ich habe seit langer Zeit mit keinem Menschen g e s c h w a t z t ; und du kannst dir ein-

206

ÜnER

J. J.

l\oB3SIAltS

b i l d e n , ob einem die W e i l e zuletzt lang w i r d , w e n n man etliche tausend J a h r e so allein an den Kaukasus angeschmiedet i s t , o h n e eine andre Gesellschaft zu s e h e n , als einen u n s t e r b lichen G e i e r , der einein die L e b e r aus dem L e i b e p i c k t , u n d s o b a l d er sie aufgegessen b a t , sich e m p f i e h l t , bis wieder eine neue gew a c h s e n ist. I c h fiin f r o h , dafs du dich zu mir v e r i r r t hast, und ich habe gute L u s t mich einfnahl w i e d e r satt zu s c h w a t z e n , weil, mir d o c h der v e r w ü n s c h t e G e i e r eben Zeit dazu läfst. I c h bezeigte ihm mein M i t l e i d e n , und meine Lernbegierdei; u n d P r o m e t h e u s fing seine E r z ä h l u n g also an.

V'ORGESCHLAGJSNBVERSUCHEU,S.W.

267

„ E s ist dir vielleicht nicht unbekannt, ich, so gut als Jupiter und seine Brüder, Geschlechte der T i t a n e n bin, denen s i o d u s den Himmel zum Vater und die zur Mutter giebt.

dafs vom H eErde

„ M a n hielt mich, ohne Ruhm zu melden, f ü r den klügsten unter ihnen, vermuthlich weil die übrigen, auf ihre körperlichen Vorzüge stolz, es nicht der Mühe werth hielten Verstand zu haben. „Damahls w a r die Erde noch ohne Bewohner, und weil ich gerade nichts bessers zu thun hatte, kam ich auf den E i n f a l l , sie mit lebenden Geschöpfen zu bevölkern. Anfangs vertrieb ich mir die Zeit damit, Thiere von allen Gattungen z u m a c h e n , unter denen man-

2Öß

ÜBER

J.

J.

R O U S S E A U S

che grotesjk g^nug a u s s e h e n , um die L a u n e z ü verrathen, worin ich sie machte. Unzufrieden mit meiner Arbeit, fiel mir kaum eine Gattung aus der H a n d , als mir die Idee einer andern k a m , welche besser geiathen sollte. „ D i e f s ging lange fort, bis mir endlich die L u s t a n k a m , eine Gattung zu versuchen, w e l che eine M i t t e l a r t zwischen u n s G ö t t e r n und meinen T h i e r e n seyn sollte. M e i n e Absicht w a r die unschuldigste von der W e l t ; es w a r ein blofses S p i e l ; aber unter der Arbeit fühlte ich eine Art von L i e b e zu meinem eigenen W e r k e entstehen; und nun setzte ich mir vor, g l ü c k l i c h e G e s c h ö p f e aus ihnen zu machen. „ I c h glaubte, sie wegen der Ähnlichkeit, die sie mit den andern Thieren h a t t e n , nicht schadlos genug halten zu könnet*; und organisierte s i e d e f s w e g e n an den beiden Theilen, die an den Thieren gerade das schlechteste sind, so vollkommen , als es d i e M a t e r i e , worin ich arbeitete, nur immer möglich seyn liefs. ,,Tch spannte die unendlich subtilen Saiten, w o r a u s ich sie zusammen w e b t e , so künstlich a u f , dafs eine Art von m u s i k a l i s c h e m I n s t r u m e n t e daraus w u r d e , w e l c h e s die

V O R G E S C H L A G E N

Schönste H a r m o n i e Natur

E V Ä R S O C H E U . S .

v o n sich g a b ,

darauf z u s p i e l e n

W.SGl)

so bald d i e D i e s e In-

anfing.

s t r u m e n t e s t i m m t e i c h so g u t z u s a m m e n ,

dafs

so w i e e i n e s d a v o n einen g e w i s s e n T o n v o m »ich gab^ die

n e h m l i c h e Saite b e y dem a n d e r n

mit e i n e m g l e i c h

tönenden L a u t

antwortete.

M e i n e M e n s c h e n , w a r e n die g u t h e r z i g s t e n s c h ö p f e , die man s e h e n k o n n t e .

Ge-

L a c h t e eins,

so l a c h t e das a n d e r e ; w e i n t e oder t r a u e r t e e i n s , so t r a u e i t e das a n d e r e a u c h ; l i e f eins v o r a n , s o l i e f e n d i e a n d e r n h i n t e r drein : k u r z , i c h t r i e b diese Z u s a m r n e n s t i m m u n g so w e i t , d a f s keines gähnen k o n n t e ,

sogar

o h n e alle übrigen

mit-

g ä h n e n z u .machen.

, , D i e I d e e der H a r m o n i e e r g e b e n d e s für m i c h , dafs meiner

Arbeit

immer

auf

hatte e t w a s so

ich m i t t e n neue

unter

Triebfedern

d a c h t e , sie b e y m e i n e n G e s c h ö p f e n

so

voll-

k o m m e n z u m a c h e n als m ö g l i c h . o

5) A r i s t o t e l e s trieb sie noch weiter. hauptet, kein

Mensch könne den andern

sehen, ohne augenblicklich einen Reitz zu

E r bep*ss*n fühlen

dasselbe zu t h u n ; und er erklärt sehr scharfsinnig w i e diefs z u g e h e , Prob

lemat.

Sect. VII. quaest. 6.

«70

Ü B « R

J.

J.

R O U S S E A U S

„ I c h liebte damahls eine von den T ö c h t e r n ( l e s O c e a n u s ; die schönste N y m f e , die man ftiit i i u o e n sehen konnte. Dieser Umstand kam meinen Geschöpfen sehr zu gute. „ U m sie in diesem Stücke so glücklich z u machen als ich es selbst w a r , gab ich dem weiblichen Geschlechte zur S c h ö n h e i t einen gewissen R e i t z , dem auch derjenige unterliegen m u f s , dem die Schönheit nichts anhaben 'kann ; und meine M ä n n e r bildete ich s o , dafs der m ä n n l i c h s t e , t a p f e r s t e , edelinüthigste, gelade d f r w a r , der sich ihren R e i t z u n g e n am leichtesten gefangen gab. „ I c h milderte durch das sanfte W e s e n u n d die r ü h r e n d e Grazie das W e i b e s eine gewisse W i l d h e i t , w e l c h e den M ä n n e m unentbehrlich w a r , damit sie im Nothfall die Beschützer der Gegenstände ihrer siifsesten Regungen seyn könnten. i

„ D i e G e w a l t ihrer R e i t z e zu verdoppeln, gab ich dem W e i b e die S c h a m , die holdseligste der G r a z i e n , das anziehende W e i g e r n , das sanfte S t r ä u b e n , w e l c h e s den W e r t h jeder G u n s t e r h ö h t ; die siifsen T h r ä n e n , deren w o l lüstiges Ergiefscn das von E m p f i n d u n g geprefste H e i z leichter macht. I c h tauchte gleich-

V ORGESCH LAGE N EVÄ R 8 U C H E U. S. W.271 sa'm i h r g a n z e s W e s e n in L i e b e , und m a c h t e , dafs sie ihre höchste G l ü c k s e l i g k e i t d a r i n s e t z t e , geliebt z u w e r d e n u n d L i e b e einzuflöfsen, „ I c h g l a u b t e hierin nicht zu v i e l t h u n z u k ö n n e n , da meine Absicht w a r , den M a n n dadurch von einer h e r u m schweifenden Liebe abzuhalten, und — w e n i g s t e n s so v i e l es m e i n e andern A b s i c h t e n erforderten — seine Z u n e i g u n g an eine einzige S c h ö n e zu heften. Ich machte z u diesem E n d e , dafs e r , so bald ein M ä d c h e n s e i n Herz eingenommen hatte, den'Gedanken nicht ertragen k o n n t e , ihren B e s i t z mit einem a n dern zu t h e i l e n . N i c h t als ob ich mir e i n g e bildet h ä t t e , Geschöpfe a u s L e h m u n d W a s ser durch ein p a a r ä t h e r i s c h e F u n k e n , wodurch ich diesen s c h i c h t e n Stoff v e r e d e l t h a t t e , "einer e w i g e n L i e b e f ä h i g g e m a c h t z u haben : aber zu meinen Absichten w a r es a u c h g e n u g , w e n n die e r s t e L i e b e z w i s c h e n meinem P a a r e nui- so l a n g e d a u e r t e , bis das M ä d chen M u t t e r w u r d e . , , D i e s e r U m s t a n d müfste n o t h w e n d i g (dacht' i c h ) ein n e u e s B a n d der Z u n e i g u n g , eine n e u e Q u e l l e z ä r t l i c h e r G e f ü h l e u n d einer A r t von L i e b e w e r d e n , welche, b e y noch

272

ÜneR

j. J.

ROUSSEAUS

u n a u s g e a r t e t e n M e n s e b e n , zwar nicht so heftig und schwärmend, aber dauerhafter ist als jene-, die den Genufs zum Zweck hat, und im Schoolse der Sättigung ihr Grab findet. Jionnte der Vater die Mutter seines Kindes, oder die Mutter den M a n n , der ihr diesen süfsen und ehrenvollen Nahmen verschafft hatte, ohne zärtliche Empfindung ansehen ? " Ich hatte mir bisher immer Gewalt angethan, den ehrlichen T i t a n nicht zu unterbrechen; aber länger könnt'i^-bs nicht, — und ich sehe, meine Herren, dafs es Ihnen auch so geht. Das Gewäsche des alten schwärmenden Graubarts kommt Ihnen halb kindisch vor — nicht w a h r ? In der T b a t , ich fange selbst an zu muthmafsen, dafs er sich auf seinen Vorzug vor den übrigen Titanen ein wenig zu viel zu gute aethnn haben könnte. — Doch, w i r müssen den Pionretheus meines Traums nicht dafür verantwortlich machen, dafs s e i n e Menschen nicht die Menschen zu P a r i s , L o n d o n , ¡Neapel, W i e n , P e t e r s b u r g , K o n s t a i i t i n o p e l u. s. w . sifid ; das ist auch w a h r ! — D i e M e n s c h e n , von denen P r o m e t h e u s spricht, sind längst nicht mehr — oder, wofern es noch hier und da einen verborgenen Samen von dieser wunderlichen Gattung vou Geschöpfen giebt: so machen sie

V O R G E S C H L A G E N E V E A S U C H E U. S . W . 2 / 3

doch keine Zahl; und — non ap par entium et non existentiu m est eadem ratio, ( w a s nicht in die Sinne fällt, kommt eben so wenig in Anschlag als ob es gar nicht wäre ) sagt der alte juristische Weidspruch,' W i r werden ihn also, weil er einmahl angefangen h a t , schon weiter reden lassen müssen. „Der Zug der Natur zu diesen kleinen wimmernden Geschöpfen, die ihrDaseyn von ihrer Liebe empfangen hatten, unterhielt diese Liebe, und empfing hinwieder von ihr neue Stärke. Denn das, wofür ich in der ersten Anlage der Menschheit am meisten gesorgt hatte, waren eben diese kleinen Geschöpfe, von deren glücklicher Entfaltung die D a u e r . der menschlichen Gattung abhing, welche nun mein Lieblings - Gegenstand war. „Tch machte sie zu K i n d e r n d e r L i e b e ; das hiefs selbst für die K e i m e der Menschheit Sorge tragen. Konnten sie anders als w o h l gerathen, da die Liebe selbst ihre e r s t e u n s i c h t b a r « Fflegung auf sich nahm? „Aber daran, begnügt* ich mich nicht. Ich strengte alle meine Erfindung, alle meine Bildnerkunst a n , aus dem Instinkt der Mutter für ihr Kind die s t ä r k s t e all«r EmpfinWi£i,isOi

l ä n m t l . W . XIV. B,

S

474

Ü B E R

J.

J.

ROTJSSEAÜS

d ü n g e n Zu machen. D i e Schinerzen selbst w o m i t sie es g e b a r , mufsten dazu h e l f e n ; es m u f s t e ihr desto t h e u r e r w e r d e n , je mehr es ihr gekostet h a t t e . I c h setze die B r u s t der M u t t e r nicht blofs der Schönheit w e g e n dahin w o sie i s t , oder damit der Säugling, N auf ihrem Arme l i e g e n d , seine N a h r u n g desto bequemer finden m ö c h t e ; sondern weil ich w o l l t e , dafs die N a h e d e s H e r z e n s , w e l ches ich zum Triebrade der zärtlichem G e f ü h l e des M e n s c h e n geinacht hatte, dem mütterlichen Gefühl, in den A u g e n b l i c k e n , w e n n sie ihr K i n d s t i l l t , desto mehr W ä r m e und Innigkeit geben sollte. „ D i e immer z u n e h m e n d e Schönheit des K i n d e s ; die sanfte s t u f e n w e i s e E n t f a l t u n g d e r M e n s c h h e i t , deren angeborner A d e l , selbst in diesem thierischen A l t e r , fast allen seinen R e g u n g e n einen gewissen Schein von Sittlichkeit g i e b t , das siifse L ä c h e l n , w o m i t es die m ü h v o l l e F ü r s o r g e der M u t t e r b e l o h n t : — alles vereiniget sich, die mütterliche Zuneig u n g zu einem so mächtigen T r i e b e zu machen , als es nöthig w a r , um in der L e i s t u n g aller der beschwerlichen D i e n s t e , deren das kindliche Alter b e d a r f , sogar V e r g n ü g e n zu finden. -

V O R G E S C H L A G E N

E V i

R 3 U C D £ U. l.VT.

S / j

„ D o c h , ich vergesse, — so angenehm ist mir die Erinnerung an eine Arbeit, die aus einem blofsen Spiele mein angelegenstes Geschäft w u r d e , — dafs ich dich vielleicht nicht so gut unterhalte als mich selbst." Ich war (wie man sich vorstellen kann) so höflich, den Enkel des Himmels nnd der Erde zu versichern, dafs ich mir keine bessere Unterhaltung wünschte.

Ü-BÄK

J. J.

R O U S S i . AU8

16.

„ I c h weifs n i c h t , f u h r er f o r t , wie e» deine B r ü d e r , die Menschen, angefangen haben, dafs sie ( w i e du s a g s t ) nicht g l ü c k l i c h , sind. Meine Absicht wenigstens w a r , dal» sie es seyn sollten; und ich glaubte es ihnen so l e i c h t gemacht zu .haben, glücklich zu s e y n , und so schwer, sich unglücklich zu raachen, dafs i c h , bey meinem Vetter A n u b i s ! nichts davon begreife, wenn ich meine. M ü h e an ihnen verloren habe. Aber die verwünschte B ü c h s e d e r P - a n d o r a ! Ohne sie werden meine armen Menschen noch so glücklich seyn als schickter seinen Wohlstand dauerhaft zu ma chen , weifs sich unendliche M a h l mehr Ver gniigungen zu verschaffen, eröffnet sich tau send neue Quellen von Glückseligkeit die d e n W i l d e n ganz unbekannt sind, ist unend liehe Mahl mehr Herr über die Natur, u. s. w . — Alles diefs ist von den meisten Einzelner mehr oder weniger falsch, und von der ganzen Gattung wahr. Rousseau hat also eine unrichtige Bemerkung gemacht; und wenn etwas dabey zu verwundern i s t , so ist es, w i e er sie hinschreiben konnte, ohne zu merken, wie wenig sie die Probe hält. Nimmermehr wird unter W i l d e n , odei unter irgend einem kleinen Volke, das dem

344

0

B

UNGKIIEMMTE

AUSBILDUNG

u r s p r ü n g l i c h e n S t ä n d e noch nahe1 ist, ein P a l l a d i o , ein R a f a e l , ein E r a s m u s , ein B a k o n , ein G a l i l e i , ein L o c k e , ein S h a f t e s b u r y , ein M o n t e s q u i e u , ein N E W T O N , ein L e i b n i t z gebildet werden. .— Und wer kann so unwissend, oder so unbillig s e y n , die grofsen Vortheile zu mifskenn e n , welche sich nur allein von zehn solchen Männern unvermerkt über ganze Nazionen ausbreiten, und mit der Zeit über die ganze Gattung ausbreiten werden ? Bedürfnisse und Talente vermehren und verfeinern sich i n g r o f s e n oder wenigstens e m p o r s t r e b e n d e n Gesellschaften, durch eine wechselsweise Wirkung in einander, ins Unendliche. Die Liebe zur Bequemlichkeit und zum Vergnügen, die Begierde sich in Achtung zu setzen und Einflufs zu haben, — um der Vortheile zu geniefsen die damit verbunden siud — (denn welcher unter uns bekümmert sich um die Achtung der J a p a n e r ? ) nöthigt Hunderttausende zu einer Anstrengung ihrer Kräfte, die dem Ganzen nützsieb w i r d ; und so wird durch den feinsten Mechanismus der Natur die T r ä g h e i t selbst, deren Gewicht den Wilden zu den Thieren herab zieht, in der bürgerlichen Gesellschaft zu einer Q u e l l e wetteifernder T h ä t i gkeit.

D.MiNicHi.GATTUNG

S C H Ä D I , S I V . 345

O h n e V e r e i n i g u n g kleiner G e s e l l ; c h a f t e n in g r o f s e , o h n e Geselligkeit der Staaten u n d N a z i o n e n unter e i n a n d e r , o h n e die u n z ä h l i g e n K o l l i s i o n e n der mannigfaltigen Interessen aller dieser gröfsern u n d kleinern S y s t e m e d e r M e n s c h e n , w ü i d e n die edelsten Fähigk e i t e n unsrer N a t u r e w i g im K e i m eingewikk e l t schlummern. O h n e sie w ü r d e die V e r n u n f t des M e n schen nie zur R e i f e g e l a n g e n , sein Geschmack immer r o h , seine E m p f i n d u n g immer thierisch bleiben. M i t gedankenlosen Augen w ü r d e er e w i g den gestirnten Himmel a n s c h a u e n , o h n e sich träumen zu l a s s e n , dafs er f ä h i g sey die B e w e g u n g e n dieses unermefslichen U h r w e r k s z u berechnen. Seine Stimme w ü r d e niemahls ein Mittel g e w o r d e n seyn , seinen geistigsten G e d a n k e n einen L e i b zu g e b e n , und die leisesten R e g u n g e n seines H e r z e n s andern verständlich zu machen. Tausend bewundernsw ü r d i g e K ü n s t e w ü r d e n , in seinem G e h i r n e b e g r a b e n , von seinem p l u m p e n W i t z nicht entdeckt w o r d e n , u n d seiner u n g e ü b t e n H a n d unmöglich geblieben seyn. D i e M u s e n w ü r den seinen Geist nicht v e r s c h ö n e r t , die G r a z i e n seine F r e u d e n nicht v e r e d e l t , die W i s s e n s c h a f t e n ihn n i c h t auf den W e g geleitet h a b e n , sich die ganze N a t u r zu unter-

346

O B

U N G E H E M M T E

A U S B I L D U N G

werfen. Welche Vortheile für d i e G a t t i i n g ! W i e ist es möglich sie Zu mifskennen ? Und w i e wenig kommen dägegeu die zufälligen Ü b e l , welche mit dem gesellschaftlichen Stande verbunden s i n d , in Betrachtung, wenn wir e r w ä g e n , dafs eben in jenen wohlthätigen Ursachen auch die bewährtesten Mittel gegen diese liegen; dafs, veraaöge der Natur der D i n g e , so wie jene steigen, diese abnehmen , und jeder Schritt, den wir zur Vervollkommnung der Gattung thun , eine Q u e l l e von fysischen oder sittlichen Übeln stopft, welche der allgemeinen Glückseligkeit hinderlich w a r e n !

N . M K N S C H L . G A T T U N G S C H Ä D L . SEY. 347

»4-

E s ist w a h r , a l l e s , w a s , von dem H e r m e s der Ä g y p t e r a n , durch die weisesten und wirksamsten Geister, durch die H e r o e n , durch die G e s e t z g e b e r , durch die E r f i n d e r , durch alle Arten von G e n i e n , durch alle Arten von Triebfedern der moralischen Welt, .zum a l l g e m e i n e n B e s t e n der G a t t u n g bisher g e w i r k t worden i s t , besteht nur in B r u c h s t ü c k e n , in M a t e r i a l i e n , welche zum Theil noch r o h , zum Theil mehr oder w e n i g e r bearbeitet, da liegen. Aber es ist eben so w a h r , dafs diese M a terialien nur auf die Vereinigung g ü n s t i g e r Z u f ä l l e mit der zusammen gestimmten Thf 'igfceit g r o f s e r S e e l e n w a r t e n , um zu dem einzigen W e r k e , w a s w ü r d i g ist jede f u h -

348

OB v s O E H i M i i T t A V J I U B V V G

lende und denkende Seele zu begeistern, zu einem allgemeinen Tempel der Glückseligkeit des menschlichen G e s c h l e c h t s aufgeführt zu werden. R e l i g i o n , W i s s e n s c h a f t e n , und ihr, liebenswürdige K ü n s t e d e r M u s e n ! — ihr habt in der Kindheit der W e l t die roh e n , verwilderten Menschen gezähmt, in Städte' vereiniget, Gesetzen unterwürfig gemacht, und mit der edeln Liebe eines gemeinschaftlichen Vaterlandes beseelt! — Eurer freundschaftlich vereinigten Wirksamkeit ist es aufbehalten, das grofse W e r k zur Vollendung zu bringen, und aus allen Völkern des Erdbodens, — dieses Sonneastaubs in dem grenzenlosen All der Schöpfung — E i n B r u d e r g e s c h l e c h t v o n M e n s c h e n zu machen, welche durch keine N a h m e n , keine Wortstreite, keine Hirngespinste, kein k i n d i s c h e s G e b a l g e u m e i n e n Apfel, keine kleinfügige Absichten und verächtliche Privatleidenschaften, wider einander empört, — sondern von dem seligen Gefühl der Menschlichkeit durchwärmt, und von der innigen Überzeugung, dafs die Eide Rflum genug hat alle ihre Kinder neben einander zu versorgen, durchdrungen, einander alles Gute willig .mittheilen, w a s Natur und

I). M J S K S C H L . G A T T U N G

S C I I Ä D R,. S E Y .

349

K u n s t , Genie und Fleifs, Erfahrung und Vern u n f t , seit so vielen Jahrhunderten auf dem ganzen E r d b o d e n , w i e in ein allgemeines M a g a z i n , aufgehäuft haben.

Eurer

freund-

s c h a f t l i c h v e r e i n i g t e n W i r k s a 111 k e i t ist es aufbehalten, dieses glorreiche W e r k

zu

Stande z u bringen, sage ich. D e n n , g e t h e i l t oder durch unselige Yorurtheile

entzweyt,

und mit euch selbst im Streite,

werdet

nimmermehr,

wahre1 Ziel

nimmermehr

das

ihr

eurer Bestimmung erreichen! G e t h e i l t w e r det ihr e w i g , stiften;

wider

eure A b s i c h t ,

Böses

v e r e i n i g t w e r d e t ihr alle M e n -

schen g l ü c k l i c h

machen!

Schwärme ich ? —

E s sollte mir leid seyn,

w e n n nur Einer von denen, w e l c h e v o r z ü g l i c h 'dazu berufen sind auf ein so edles Z i e l z u arbeiten, denken k ö n n t e , dafs der einzige allgemeine

Endzweck

der

Natur,

der

sich

denken läfst w e n n überall ein Plan und eine Absicht in ihren W e r k e n ist,

eine Schimäre

sey. I s t es eine Schimäre — nun so wissen w i r , w a s w i r v o n dieser sublunarischen W e l t z u denken haben. So macht Alles zusammen genommen eine so s c h a l e , so burleske,

so s i n n - u n d z w e c k -

g5o

OB

V

N

A

E H k MM T E A U S B I LD U HG

lose t r a g i - k o m i s c h e P a s t o r a l - F a r c e a u s , dafs man alle Harlekins, Mezzetins und Bernardons der W e l t getrost aufbieten kann, eine schalere zu erfinden ! So- sind alle Narren weise L e u t e , und die S o k r a t e s und A r i s t o t e l e s , die E p a m i n o n d a s und T i m o l e o n , von jeher die einzigen Narren in der W e l t gewesen! — — Welches der Himmel verhüten w o l l e t

ÜBER

DIE

VORGEBLICHE

ABNAHME

DES MENSCHLICHEN

GESCHLECHTS.

1777-

.1.

Jedes gebildete V o l k und h e r o i s c h e

hat seine

Zeit

fabelhafte

gehabt,

aus

welcher

seine spätem Dichter den S t a.ff zu

wunder-

vollen Gesängen, Erzählungen und Schauspielen hergenommen haben; eine' Zeit von göttern,

R i e s e n und Helden, gegen

wir

armen

Zeit

eine so dcmüthige Figur

Wichtchen

wir

(um

historischen machen,

dafs

so bald als möglich aus der V e r l e -

genheit zu k o m m e n ) len

der

Halbwelche

wissen,

uns nicht besser zu hel-

als die ganze

Wundermenschen f ü r

Geschichte

M ä h r c h e n

dieser zu

er-

klären. Gleichwohl

finden

Seite starke Gründe,

sich auf

zu glauben,

der

andern

dafs

diese

H e r o e n jeder JNazion einmal)! w i r k l i c h W I B L A N D S »iiamtl. W .

X I V . B.

Z

da

354

Ü B HR

waren,

den,

V 0 R G E B L .

wirklich

und Dinge nnsre

DIB

grofse

A B N A H M E

Manschen

thaten, die w i r —

Kräfte gehen — wiewohl

waren,

weil sie über

erstaunlich

sie i h n e n

fin-

s e i h s t sehr

na-

t ü r l i c h v o r k a m e n ; j a , dafs sie in der That noch weit gröfser, als wohl die ineisten spätem

Dichter und Romanenschreiber in ihrem

höchsten Taumel

sich einbilden

konnten,



und mit allem dein doch — weder Götter noch Halbgötter, sondern b l o f s e

Menschen

wa-

ren , wie wir zu ihrer Zeit und in ihren Umständen ohne Z w e i f e l auch gewesen wären. Das ganze Geheimnifs liegt darin , dafs sie noch u n t e r d r ü c k t e und u n g e k ü n s t e l t e , noch g e s u n d e ,

ungeschwächte,

ganz«

Menschen waren. W o die Natur noch f r e y und wirken

k a n n , da macht sie keine

solche:

und

verfeinerte

wenn Volk

ungestört andre

lür jedes policierte

als und

einmahl eine Zeit gcwes< n

,ist, w'o es auch unpoliciert und unverfeinrrt war;

so

steigt

die

Geschichte

solchen Volkes (seine ältesten mögen verloren

gegangen

seyn

eines

jeden

U r k u n d e n oder

nicht)

bis zu einem Zeitalter hinauf, w o es aus einer Art Menschei} bestand, deren Existenz

nach

DES MENSCIIL. G e s c h l e c h t s .

355

einer langen Reihe von Jahrhunderten endlich fabelhaft scheinen mufs. Ein f r e y stehender Mensch kann sich ausdehnen von

und w a c h s e n ,

Gröfse,

g e n , wenn bracht

dem

Grade

Stärke und Tauglichkeit

kann

gelan-

er die Anlage

hat.

Damit

zu

auf die

diefs wirklich

Welt

ge-

geschehe,

müssen freylieb mancherley äufsere Ursachen mitwirken.

E r m u f s , Zum Beysßiel, weder an

dem, was zur Unterhaltung und Entwicklung seiner K r ä f t e nötiiig

ist,

noch mufs es ihm g a r

Mangel

leiden,

zu l e i c h t

werden,

sich diese N o t w e n d i g k e i t e n zu verschaffen. D e r armselige Fe Herland, ger

Noth

Zustand der Bewohner v o n

der

ohne

ewige Druck

gegenwärti-

Hoffnung es jemahls

besser

zu haben, ist dem Wachsthum des Menschen •211 seiner

natürlichen

Vollkommenheit

so naehlheilig und, noch

fje3 r gebige wollüstige Klima von das seine E i n w o h n e r

eben-

m e h r , als das allzu O-Tahiti,

in ewiger Kindheit e r -

hält, oder als die üppige Lebensart einer g r o fsen

tvönigsstadt.

Der Mensch, der alles seyn soll wozn ihn die Natur machen w o l l t e , mufs alles erdulden können

was

ihm Natur und

Notwendigkeit

356

l3r.tR c d

vorgebl.

ABNAHME

auflegen: aber sein gewöhnlicher Zustand mul's überhaupt glücklich, und sein Gefühl für die Freuden des Lebens und das Vergnügen da zu seyn, mufs .offen und unabgestumpft seyn. Sein JNacken mufs sich nie unter die W i LI k ii h r eines andern gebeugt haben; er mufs iintner unter s e i n e s g l e i c h e n , das ist unter Menschen, die nichts sind als was er auch i s t oder w e r d e n k a n n , gelebt haben ; aber auch mit b e s s e r n als e r ist-, damit der Vorzug, den diesen ihre gröfsere T a u g l i c h k e i t giebt, ihn immer zur Nacheiierung und zum Wettstreit auffordere. Alles diefs setzt eine E p o c h e d e r N a zionalverfassung c h e r Ii e i t

mehr

das

voraus,

wo

Werk

unsrer

die

S i-

eignen

Stärke und persönlicher Verbindungen als der Gesetze

ist;

die e r s t e n der gilt was

wo Fürsten

und Könige

unter ihren l ' a i r s sind; er Werth ist,

wo

jeder' wagt

nur jewas

er sich auszuführen getraut, jeder so gut oder böse seyn darf als ihn gelüstet; wo das Leben eines Mannes ist,

das

Leben

eine fortgehende

eiu ewiges D r a m a ,

eines

Kelle von

Kämpfers Abenteuern,

gedrängt voll von Hand-

lung und Zufallen und Wagestücken, voll wider einander rennender oder sich mit

grofser

Gewalt an einander reibender Leidenschaften;

DES

MENSCITL.

GKSCIILECHTS.

35'7

wo der K n o t e n meistens mit dem Schwert aufgelöst, und die K a t a s t r o f o immer die Wurzel neuer Verwirrungen wird. **

Eine solche Epoche findet sich in den ältesten Jahrbüchern jeder policierl^n JNazion j und könnten wir heutigen Europäer, oder vielmehr unsre Abkömmlinge, (wie es denn gar nichts unmögliches isl) vor lauter grenzenloser Verfeinerung und Fiiosofie und Geschmack, und Verachtung der Vourtheile urtsrer Grofsmütter, und Weichlichkeit, und Übermuth und Narrheit, es endlich wieder so weit bringen, i n W ä l d e r n ( w e n n es anders bis dahin noch Wälder giebt) e i n z e l n u n d g e w a n d l o s auf a l l e n Vieren h e r u m zu k r i e c h e n u n d E i c h e l n z u f r e s s e n ; so •wird dann auch, über lang oder k u r z , die Zeit wieder kommen, wo die Nachkommen dieser neuen Europäischen Wilden gerade wieder die freyen, wackern, kühnen, biederherzigen Leute seyn werden, deren Sitten und Lebensart T a c i t u s — seinen nervenlosen Römern zum Verdrufs, und zur Demüthigung ihrer kleinen' flattrigen, gaukelnden, niedlichen Puppenseelchen — in einem so prächtigen Gemähide darstellte.

358 U D E R DIE VOHGEBL. A B N A H M E In einer solchen Zeit, unter einem solchen Volke ungeschliffner, aber f r e y e r , edl e r , s t a r k e r , geiühl - und miillivollcr Menschenkinder, müssen freyjich die stärksten, die edelsten, mit Einem W o r t e , die B e s t e n , gar herrliche Renschen soyn. Ganz n a t ü r l i c h , dafs das Andenken dessen was sie waren und tliaten sich Jahrhunderte lang u n t e r ihrem Volke lebendig e r h ä l t ; dafs der Grofsvater mit verjüngender Wärme seinen horchenden Enkeln Geschichten davon erzahlt; dafs diese Geschichten in Gesängen und Liedern von einem Geschlechtc zum andern ü b e r g e h e n ; und dafs man desto m e h r davon singt und sagt, je weiter sich die Naziort von jenem H e l d e n - A l t e r e n t f e r n t , je n ä h e r sie dein Zeillaufe der Policierung und Verfeinerung k o m m t , und je weiter sie darin fortschreitet. Natürl i c h , dafs endlich eine Zeit kommen lnnfs, w o man sich diesen grofsmächtigen Menschen so ungleich f ü h l t , dafs man a n . ihrem ehemahligen Daseyn zu zweifeln anlangt, und alle seine Einbildungskraft aufbieten m u f s , um sich eine Vorstellung Von ihnen zu m a c h e n ; dafs eben defswegen diese Vorstellungen u n w a h r , übertrieben u n d r o m a n h a f t , k u r z , dafs aus den w a h r e n g r o l ' s e n

tbe'S

M ENSCIIR,.

GESCHLECHTS.

35