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German Pages 332 Year 2023
Christian Grawe
Business/ IT-Integration Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen im Kontext der Digitalisierung
Business/IT-Integration
Christian Grawe
Business/IT-Integration Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen im Kontext der Digitalisierung
Christian Grawe Hagen, Deutschland Diese Arbeit mit dem Titel „Business/IT-Integration – Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen im Kontext der Digitalisierung“ wurde im Mai 2022 als Dissertationsschrift zur Erlangung des Grades eines Doktors der Wirtschaftswissenschaft (Dr. rer. pol.) angenommen. Erstgutachter: Univ.-Prof. Dr. Till Winkler, FernUniversität Hagen Zweitgutachter: PD Dr. Ulrich Bretschneider, Universität Kassel Tag der Disputation: Hagen, 30.06.2022
ISBN 978-3-658-40131-3 ISBN 978-3-658-40132-0 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-658-40132-0 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Marija Kojic Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany
Für Amalia
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.1 Zielsetzungen und Forschungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Methodisches Vorgehen und Forschungsprozess . . . . . . . . . . . . . . . 1.3 Aufbau der Ausarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 9 12 20
2 Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1 Digitalisierung in Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Begriffsabgrenzung: Digitization, Digitalisierung und digitale Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1.1 Zum Begriff der Digitization . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1.2 Zum Begriff der Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1.3 Zum Begriff der digitalen Transformation . . . . . 2.1.2 Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen . . . . 2.1.2.1 Digitale Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.2.2 Digitale Dienstleistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.3 Digitalisierung von Prozessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.4 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Business/IT-Alignment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Zum Begriff des Business/IT-Alignments . . . . . . . . . . . . . . 2.2.2 Zum Begriff des Strategic-Alignments . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3 Ansätze des Business/IT-Alignments . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.1 Übersicht über verschiedene Ansätze des Business/IT-Alignments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.3.2 Strategic Alignment Model (SAM) . . . . . . . . . . . 2.2.3.3 Weitere ausgewählte Business/IT-Alignment-Ansätze . . . . . . . . . . . . . .
23 23 24 25 25 28 33 33 37 39 45 46 47 52 55 55 60 65
VII
VIII
Inhaltsverzeichnis
2.2.4 Business/IT-Alignment im Kontext der Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.5 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3 Zum Begriff der Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.3.1 Der Integrationsbegriff in der Wirtschaftsinformatik . . . . 2.3.2 Perspektiven integrierter Informationsverarbeitung . . . . . . 2.3.3 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3 Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen aus theoretischen Ansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.1 Digitalisierung und die Rolle der IT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2 Ansatz der „Digital Business Strategy“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.1 Eigenschaften einer „Digital Business Strategy“ . . . . . . . . 3.2.2 Kritik und alternative Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.2.3 Möglichkeiten, Grenzen und Implikationen für das eigene Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Ansatz der bimodalen IT zur strukturellen Neuausrichtung der IT-Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.1 Eigenschaften bimodaler IT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.2 Kritik am Ansatz bimodaler IT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3.3 Möglichkeiten, Grenzen und Implikationen für das eigene Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 DevOps und Scrum als agile operative Vorgehensweisen . . . . . . . 3.4.1 Eigenschaften des DevOps-Ansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.2 Kritik am DevOps-Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.3 Scrum als weitere agile Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . 3.4.4 Möglichkeiten, Grenzen und Implikationen für das eigene Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4 Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen aus praktischer Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Zielsetzung und Wahl der Methodik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Aufbau der Befragung und Durchführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3 Herleitung der allgemeinen Fragen, Dimensionen und zu überprüfenden Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.1 Allgemeine Fragen zur Organisation und Person . . . . . . . 4.3.2 Herleitung der zu überprüfenden Aussagen der Dimension „Rolle der IT“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
69 74 74 76 78 82 83 83 90 90 94 97 100 100 104 106 109 110 113 115 117 121 121 123 125 125 128
Inhaltsverzeichnis
4.3.3 Herleitung der zu überprüfenden Aussagen der Dimension „strategische Einbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.3.4 Herleitung der zu überprüfenden Aussagen der Dimension „operative Einbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4 Ergebnisse der Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.1 Ergebnisse der Fragen zur Organisation und Person . . . . . 4.4.2 Deskriptive Statistik zur Dimension „Rolle der IT“ . . . . . 4.4.3 Deskriptive Statistik zur Dimension „strategische Einbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.4 Deskriptive Statistik zur Dimension „operative Einbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5 Ausgewählte Korrelationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5.1 Korrelationen innerhalb der Dimension „Rolle der IT“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.5.2 Korrelationen innerhalb der Dimension „strategische Ausrichtung der IT“ . . . . . . . . . . . . 4.4.5.3 Korrelationen innerhalb der Dimension „operative Einbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.4.6 Überprüfung von Gütekriterien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.5 Zusammenfassung und Implikationen für das eigene Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5 Vom Business/IT-Alignment zur Business/IT-Integration . . . . . . . . . . 5.1 Business/IT-Integration – Grundverständnis und Begriffsdefinition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2 Die Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes . . . . . . . . . 5.2.1 Vorgehen zur Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.2 Auslösende und beschleunigende Faktoren . . . . . . . . . . . . . 5.2.3 Integration auf strategischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.3.1 Zielsetzung strategischer Integration . . . . . . . . . . 5.2.3.2 Umsetzung strategischer Integration . . . . . . . . . . 5.2.3.3 Auswirkungen strategischer Integration auf die IT-Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4 Integration auf struktureller Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.4.1 Zielsetzung struktureller Integration . . . . . . . . . . 5.2.4.2 Umsetzung struktureller Integration . . . . . . . . . . . 5.2.4.3 Auswirkungen struktureller Integration auf die IT-Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
IX
130 133 135 136 137 141 145 149 149 150 152 153 154 159 159 165 165 168 170 171 173 182 185 185 187 203
X
Inhaltsverzeichnis
5.2.5 Integration auf operativer Prozessebene . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5.1 Zielsetzung der Integration auf operativer Prozessebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5.2 Umsetzung der Integration auf operativer Prozessebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5.2.5.3 Auswirkungen der Integration auf Prozessebene auf die IT-Steuerung . . . . . . . . . . . 5.2.6 Zusammenfassende Darstellung des Business/IT-Integrationsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
208
6 Evaluation des Business/IT-Integrationsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.1 Ziel und Kriterien der Evaluation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.2 Vorstellung des Vorgehens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.3 Design und Durchführung der Experteninterviews . . . . . . . . . . . . . 6.4 Ergebnisse der Experteninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.1 Experteninterview 1: Automobil-Vertriebsgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.2 Experteninterview 2: Energiekonzern . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.3 Experteninterview 3: Baustoff- und Chemieunternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.4.4 Experteninterview 4: IT-Dienstleistungsunternehmen . . . . 6.4.5 Experteninterview 5: Pharma-Unternehmen . . . . . . . . . . . . 6.4.6 Experteninterview 6: Gesetzliche Krankenkasse . . . . . . . . 6.5 Vergleichende Analyse der Experteninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.1 Vergleich der Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.2 Vergleich der Antworten zu auslösenden und beschleunigenden Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.3 Vergleich der Antworten zur strategischen Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.4 Vergleich der Antworten zur strukturellen Integration . . . 6.5.5 Vergleich der Antworten zur Integration auf operativer Prozessebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.6 Vergleich der Antworten zu den Auswirkungen auf die IT-Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6.5.7 Vergleich der zusammenfassenden Einschätzungen . . . . . . 6.6 Implikationen für weitere Forschung aus den Experteninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
225 225 227 229 233
208 210 217 220
233 238 243 248 253 258 264 265 266 268 272 275 278 281 287
Inhaltsverzeichnis
XI
7 Schlussbetrachtung und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7.1 Zusammenfassung der Ergebnisse und kritische Betrachtung . . . 7.2 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
293 293 301
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
303
Abkürzungsverzeichnis
A Abb. ADHS B2B B2C BP CDO CEO CIO CLT CPS D d. h. DAX DBS EDV ERP et al. f. i. d. R. i. S. insb. IoT IS ISP IT
Annahme Abbildung Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung Business to Business Business to Customer Business Planning Chief Digital Officer Chief Executive Officer Chief Information Officer Customer Loyalty Team Cyberphysische Systeme Developer das heißt Deutscher Aktien Index Digital Business Strategy Elektronische Datenverarbeitung Enterprise Resource Planning et alii folgend in der Regel im Sinne insbesondere Internet of Things Information Systems IS Planning Integration Informationstechnologie
XIII
XIV
L Mio. Mrd. o. S. Op. P/PO Rol. RPA S. s. d. SAM SAMM SLA SM SMAC SOE sog. SOR Strat. Tab. vgl.
Abkürzungsverzeichnis
Chapter Lead Millionen Milliarden ohne Seitenangabe Dimension operative Einbindung Product Owner Dimension Rolle der IT Robotic Process Automation Seite Standard Deviation Strategic Alignment Modell Strategic Alignment Maturity Modell Strategic Level Agreement Scrum Master Social Mobile Analytics Cloud Systems of Engagement sogenannt Systems of Records Dimension strategische Einbindung Tabelle vergleiche
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1.1 Abb. 1.2 Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb. Abb.
1.3 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 2.6 2.7 2.8 2.9 3.1 3.2
Abb. 3.3 Abb. 3.4 Abb. 3.5 Abb. 3.6 Abb. 4.1 Abb. 4.2
Die wichtigsten Anforderungen an die IT der IT-Trends-Studie 2021 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Design Science-Prozess und eigene Ausgestaltung der Prozessphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Ausarbeitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Digitalisierung und digitale Transformation . . . . . . . . . . . . . . Führungs-, Kern- und Unterstützungsprozesse . . . . . . . . . . . . IT-Strategieentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategic Alignment Modell (SAM) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Abstimmungsperspektiven innerhalb des SAM . . . . . . . . . . . . Business/IT-Alignment-Reifegrad-Kriterien . . . . . . . . . . . . . . . Reifestufen des Business/IT-Alignments . . . . . . . . . . . . . . . . . Coevolutionary IS Alignment-Modell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Horizontale und vertikale Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisationsebenen des Business Engineerings . . . . . . . . . . Erweiterte Darstellung organisationaler Veränderung im Kontext der Digitalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entscheidungen für eine „Digital Transformation Strategy“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Archetypen bimodaler IT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kategorien von Fähigkeiten für ein ideales DevOps-Team . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Scrum-Rahmenwerk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbau der Befragung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Häufigkeiten der Angaben zur Dimension „Rolle der IT“ in % . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2 18 20 32 41 53 62 65 66 67 68 80 87 88 96 104 112 115 124 138
XV
XVI
Abbildungsverzeichnis
Abb. 4.3 Abb. 4.4 Abb. 5.1 Abb. 5.2 Abb. Abb. Abb. Abb.
5.3 5.4 5.5 5.6
Abb. 5.7 Abb. 5.8 Abb. 5.9 Abb. 5.10 Abb. Abb. Abb. Abb.
5.11 5.12 5.13 6.1
Häufigkeiten der Angaben zur Dimension „strategische Einbindung“ in % . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Häufigkeiten der Angaben zur Dimension „operative Einbindung“ in % . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Forschungsmodell zur Weiterentwicklung des Business/IT-Alignments zur Business/IT-Integration . . . . . . . Vorgehen zur Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Rahmenwerk einer IT-Strategie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Strategische Business/IT-Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreis- und Rollen-Struktur des Holakratie-Ansatzes . . . . . . . Digitale Transformation bei der ING-Bank auf Head-Office-Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kundenbezogene digitale Transformation bei der ING-Bank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schematische Darstellung struktureller Business/IT-Integration . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Aufbauorganisatorische Einbindung des IT-Controllings in Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dezentrales Wertschöpfungscontrolling in angepasster Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Integration von „Business“ und „IT“ auf Prozessebene . . . . . Business/IT-Integrationsmodell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Weiter gefasstes Business/IT-Integrationsmodell . . . . . . . . . . . Mögliche Schritte in weiterer Forschung . . . . . . . . . . . . . . . . .
142 145 161 168 175 178 192 194 195 198 204 207 212 221 224 292
Tabellenverzeichnis
Tab. 2.1 Tab. Tab. Tab. Tab.
3.1 3.2 3.3 3.4
Tab. 4.1 Tab. 4.2 Tab. 4.3 Tab. Tab. Tab. Tab. Tab.
4.4 4.5 4.6 4.7 4.8
Tab. 4.9 Tab. 4.10 Tab. 6.1 Tab. 6.2 Tab. 6.3
Exemplarische Übersicht über Ansätze des Business/IT-Alignments . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten und Grenzen des DBS-Ansatzes . . . . . . . . . . . . Charakteristika von traditioneller und agiler IT . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten und Grenzen bimodaler IT . . . . . . . . . . . . . . . . Möglichkeiten und Grenzen der vorgestellten agilen Vorgehensweisen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu überprüfende Aussagen der Dimension „Rolle der IT“ . . . Zu überprüfende Aussagen der Dimension „strategische Einbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zu überprüfende Aussagen der Dimension „operative Einbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der Dimension „Rolle der IT“ . . . . . . . . . . . . . . . . Ergebnisse der Dimension „strategische Einbindung“ . . . . . . . Ergebnisse der Dimension „operative Einbindung“ . . . . . . . . . Korrelationstabelle der Dimension „Rolle der IT“ . . . . . . . . . . Korrelationstabelle der Dimension „strategische Einbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Korrelationstabelle der Dimension „operative Einbindung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übersicht über die geführten Experteninterviews . . . . . . . . . . Vergleich der Antworten zu auslösenden und beschleunigenden Faktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Antworten zur strategischen Integration . . . . . .
55 98 101 107 118 130 132 135 139 142 146 150 151 152 157 232 267 270
XVII
XVIII
Tab. 6.4 Tab. 6.5 Tab. 6.6 Tab. 6.7 Tab. 6.8
Tabellenverzeichnis
Vergleich der Antworten zur strukturellen Integration . . . . . . Vergleich der Antworten zur Integration auf Prozessebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Antworten zu den Auswirkungen auf die IT-Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vergleich der Antworten zur zusammenfassenden Einschätzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassende Darstellung der Experteninterviews . . . . .
273 276 280 282 284
1
Einleitung
Bei Betrachtung der Digitalisierung in Bezug auf Organisationen kann festgestellt werden, dass diese Entwicklung zu meist tiefgreifenden Veränderungen führt, deren Ausgestaltung und Implementierung wiederum über die erfolgreiche Aufrechterhaltung oder einen möglichen Ausbau wirtschaftlicher Erfolge entscheiden können (vgl. Legner et al. 2017, S. 304). Unter Digitalisierung kann das Zusammenwirken von technischen und sozio-ökonomischen Entwicklungen zur Generierung wirtschaftlicher Erträge für Organisationen und Nutzensteigerungen für Mitglieder einer Gesellschaft verstanden werden (vgl. hierzu ausführlich Abschnitt 2.1.1.2). Somit wird Digitalisierung im Rahmen dieser Ausarbeitung als eine sozio-technische Entwicklung betrachtet, die neben technischen und technologischen Veränderungen auch Veränderungen des menschlichen Verhaltens umfasst. Gemäß einer Studie des Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmens Capgemini sehen befragte Entscheidungsträger aus unterschiedlichen Organisationen den Ausbau der Digitalisierung als Hauptanforderung an, die sich an die ITFunktionen in ihren jeweiligen Organisationen stellt. 70,8 % der Befragten gaben diese Anforderung im Jahre 2021 an, während im Vorjahr 2020 der Ausbau der Digitalisierung immerhin mit einer Zustimmung von 59,2 % der Befragten als Hauptanforderung angesehen wurde. Daraus ersichtlich ist ein erheblicher Bedeutungszuwachs, der nach den Autoren der Studie auch auf die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie und das Beschleunigen digitaler Prozesse, wie etwa der Arbeitsprozesse, zurückzuführen sei (vgl. Roth und Heimann 2021, S. 11). Ein Ausbau der Digitalisierung bedeutet für Organisationen in erster Linie, digitale Innovationen einzuführen, die zur Verbesserung oder Veränderung des Geschäftsmodells führen können (vgl. Horlach et al. 2016, S. 1417). In der Capgemini-Studie wurde im Jahr 2021 die Entwicklung neuer innovativer IT-Produkte und -Services mit einer Zustimmung von 34,0 % als Hauptanforderung an die © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2023 C. Grawe, Business/IT-Integration, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40132-0_1
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2
1
Einleitung
IT-Funktion in Organisationen gesehen, womit sich eine hohe Bedeutung von Innovationen für das Gelingen der Digitalisierung ableiten lässt. Im Vergleich zum Vorjahr 2020 (34,2 %) ergaben sich keine nennenswerten Veränderungen. Die Anforderung nach Innovationen liegt damit hinter der Erhöhung der Effizienz (40,3 %) und der Reduzierung von Kosten (34,7 %) auf dem vierten Platz der genannten Hauptanforderungen, die sich an die IT-Funktionen in Organisationen stellen (vgl. Roth und Heimann 2021, S. 11). Nachfolgende Abb. 1.1 verdeutlicht nochmals die genannten Hauptanforderungen an IT-Funktionen der Studie IT-Trends 2021 des Beratungs- und IT-Dienstleistungsunternehmens Capgemini:
Was sind die wichtigsten Anforderungen Ihrer Geschäftsleitung an die IT im kommenden Jahr? 70.8
Ausbau der Digitalisierung
59.2 40.3
Erhöhung der Effizienz
48.3
Reduzierung der Kosten
34.7 35
Entwicklung neuer innovativer IT-Produkte und -Services
34 34.2 28.5
Stärkung der Ausrichtung an den Bedürfnissen der Endkunden
20 22.2 19.2
Erhöhung der Datensicherheit
22.2 20.8
Verbesserung der Informationsauswertung und -nutzung
17.4 15
Kürzere Time-to-Market
11.1
Erhöhung der Flexibilität
25.8 7.6
Aufbau von Partner-Ökosystemen
3.3 2.1 3.3
Technologische Lücke zum Wettbewerb schließen
2021: n=144, 2020: n=120 Mehrfachnennungen möglich
0
10
2021
2020
20
30
40
50
60
70
80
Abb. 1.1 Die wichtigsten Anforderungen an die IT der IT-Trends-Studie 2021. (Entnommen aus: Roth und Heimann 2021, S. 11)
Innovationen stehen bei der Betrachtung von Digitalisierung in Organisationen immer wieder im Vordergrund – gelten sie doch als Schlüssel zur Realisierung digitaler Produkte, digitaler Dienstleistungen und digitaler Prozesse, deren Vorhandensein letztlich das Maß an Digitalisierung in Organisationen bestimmt (vgl. Bockshecker et al. 2018, S. 9; Legner et al. 2017, S. 305; Horlach et al. 2016, S. 1417).
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Einleitung
3
Solche Innovationen in Produkten, Dienstleistungen und Prozessen verändern jedoch im Kontext der Digitalisierung nicht nur die IT als Funktionsbereich1 , sondern prägen zunehmend sämtliche Stufen der gesamten Wertschöpfung und besonders die angebotenen Leistungen. So führen Innovationen in Informationsund Kommunikationstechnologien und -techniken2 sowie in Prozessen zu einer Veränderung (inkrementelle Innovationen) oder gar zur Schaffung völlig neuer Geschäftsmodelle (radikale Innovationen), die eine verbesserte Position im Wettbewerb für die jeweiligen Organisationen bedeuten können (vgl. Weill und Woerner 2018, S. 45–52; ausführlich zum Begriff des Geschäftsmodells: Gassmann et al. 2020; Osterwalder und Pigneur 2013). Innovationen in den Geschäftsmodellen sind meist dadurch gekennzeichnet, dass sie ihren Nachfragern etwas „Neues“ bieten (Produktinnovation), oder neue verbesserte betriebliche Abläufe und Geschäftsprozesse (Prozessinnovation), die das Geschäftsmodell klassifizieren, vorsehen (vgl. zur Abgrenzung der Begriffe Produktinnovation und Prozessinnovation ausführlich: Hauschildt et al. 2016, S. 6; vgl. Weill und Woerner 2018, S. 4; Elbert und Özsucu 2012, S. 53). Digitale Geschäftsmodelle basieren wiederum auf digitalen Innovationen und können zu erfolgreichen Positionen im Wettbewerbsumfeld von Organisationen führen, da sie etwa Nutzern durch Vereinigung verschiedener digitaler Funktionen, etwa in Form digitaler Ökosysteme, einen Mehrwert bieten können (vgl. Weill und Woerner 2018, S. 38). Wettbewerb mit neuartigen, innovativen Geschäftsmodellen bestimmt sich dabei in erster Linie durch die Einbeziehung neuartiger digitaler Technologien, durch Daten und durch die eingesetzte Infrastruktur mittels entsprechender IT-Lösungen, sowie mittels neuer digitaler Formen von Geschäftsprozessen (vgl. Raj et al. 2013, o.S.). Als Beispiele für Geschäftsmodelle, die durch einen innovativen Einsatz von IT-Lösungen geprägt sind, seien die Unternehmen Miele und Dyson an dieser Stelle genannt. Im Rahmen des Programms Miele@home des PremiumHaushaltsgeräteherstellers werden Geräte um intelligente Steuerungen, bspw. über Smartphones oder über das interaktive Endgerät Amazon Alexa, erweitert. Gleiches gilt für aktuelle Staubsauger-Geräte des Herstellers Dyson, die zu Appgesteuerten Robotern weiterentwickelt wurden und werden (vgl. Miele 2021, o.S.; Dyson 2021, o.S.). Diese Beispiele verdeutlichen, dass Organisationen existieren, die im Kontext der Digitalisierung vor einem veränderten Nachfrageverhalten stehen. Produkte 1
Zur Abgrenzung und Verwendung der Begriffe IT und IT-Funktion vgl. Abschnitt 2.2.1. Zur Abgrenzung und Verwendung der Begriffe Technologie und Technik vgl. Abschnitt 2.1.1.2.
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Einleitung
werden zunehmend um digitale Komponenten und dadurch um neue erfolgskritische Produkteigenschaften ergänzt, die ein verändertes Nachfrageverhalten nach digitalen Leistungen oder Leistungskomponenten zu befriedigen versuchen. Auf diese Weise streben Organisationen danach, auf verändertes Nachfrageverhalten zu reagieren, das insbesondere durch breite gesellschaftliche Akzeptanz und Vertrautheit im Umgang mit digitalen Medien und dem damit einhergehenden gesellschaftlichen Wandel erklärt werden kann (vgl. Fitzgerald et al. 2014, S. 4 f.). In die Betrachtung rücken daher vermehrt Organisationen, die nach wie vor über ein hohes Potenzial im Ausbau ihrer Digitalisierungs-Bestrebungen verfügen. Dies können Organisationen sein, die bislang eher durch die Erstellung rein physischer und rein technischer Produkte, wie etwa mittelständische produzierende Industrie-Unternehmen, charakterisiert sind und sich nun verstärkt einem veränderten Nachfrageverhalten gegenübersehen. Auch Behörden stellen in diesem Zusammenhang Organisationen dar, in denen die IT-Funktion zukünftig neue Formen einer digitalen Leistungserbringung, wie bspw. mobile GovernmentDienste, zunehmend ermöglichen kann und muss (vgl. Bernhart et al. 2018, S. 87–89.). Es bleibt anzumerken, dass daneben Organisationen existieren, die bereits über ein hohes Maß an Einbindung ihrer IT-Funktionen in die Wertschöpfung verfügen und Geschäftsmodelle vertreten, die auf digitalen innovativen Leistungen beruhen, wie bspw. internetbasierte Social Media-Unternehmen wie Facebook oder TikTok, Plattformunternehmen wie Amazon, Airbnb oder Uber sowie Streamingportale wie Netflix oder Spotify. Es sind bereits in unternehmerischer Praxis neue Konzepte – meist auf operativer Ebene – zu beobachten, die versuchen, Verantwortlichkeiten und Organisationsstrukturen an die veränderten Bedingungen der Digitalisierung anzupassen und oftmals unter dem häufig undifferenziert verwendeten und allgemeinen Sammelbegriff der Agilität zusammengefasst werden. Dieser Begriff beschreibt im Wesentlichen die Eigenschaften, die erforderlich sind, um Veränderungen zu gestalten und nutzenbringend umzusetzen. Diese liegen etwa in Schnelligkeit, Lernfähigkeit, dem pro-aktiven aber auch reaktiven Handeln sowie dem Einbezug sämtlicher Instanzen und Beziehungen in einem entsprechenden Umfeld (vgl. zum Begriff der Agilität: Conboy 2009, S. 340; Hemon et al. 2020, S. 928; Abschnitt 3.4). Bekannte Beispiele für agile Organisationsformen stellen etwa der bereits genannte Streaming-Anbieter Spotify oder etwa die niederländische Großbank ING dar, auf deren Konzepte an späterer Stelle noch einmal eingegangen werden soll (vgl. hierzu insbesondere: Kerr et al. 2018; Calnan und Rozen 2019).
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Einleitung
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An dieser Stelle muss verdeutlicht sein, dass der Fokus dieser Ausarbeitung auf der Neuausrichtung der IT-Funktionen in Organisationen liegt, deren Handeln bislang nicht ausschließlich auf digitalen Leistungen und Prozessen basiert und deren Verantwortlichkeiten und Strukturen somit nicht auf die Bedürfnisse stärkerer Digitalisierung angepasst worden sind. Die bereits genannten Beispiele bieten dabei Anhaltspunkte, Ideen solcher Organisationen, die bereits über ein hohes Maß an Digitalisierung verfügen, auf Organisationen mit erheblichem Anpassungspotenzial ein Stück weit zu übertragen und diese Ideen in die Diskussion um eine Neuausrichtung der IT-Funktion einzubeziehen. Denn die Annahme, dass auch bislang durch physische Leistungen und starre Prozesse geprägte Organisationen sich zunehmend einem veränderten Umfeld gegenübersehen, das nach Digitalisierung und damit Veränderungen verlangt, ist auf Grund einer sich immer rasanter auf alle Lebensbereiche auswirkenden, technischen und sozioökonomischen Digitalisierung offenkundig, was auch die genannten Beispiele zeigen. Um neuartige digitale Eigenschaften von Produkten oder auch Dienstleistungen schließlich in das angebotene Leistungsportfolio integrieren zu können, ist zu überprüfen, inwieweit die Leistungen der IT-Funktion innerhalb von Organisationen stärker in die primären Wertschöpfungsprozesse, wie bspw. in Forschungs-, Entwicklungs- oder Vertriebsprozesse, eingebunden werden müssen, wodurch neben einer Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen auch die Digitalisierung sämtlicher Prozesse einer Organisation betrachtet werden muss (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 471; Legner et al. 2017, S. 303–306). Um Innovationen in Informations- und Kommunikationstechniken und technologien zu entwickeln und schließlich einzusetzen, kommt der Rolle der IT als Funktionsbereich in Organisationen eine entscheidende Rolle zu (vgl. Urbach et al. 2017, S. ii). In diesem Zusammenhang gilt es schließlich, das Rollenverständnis der IT näher zu untersuchen. So ist in Literatur als auch praktischer Betrachtung (vgl. hierzu insbesondere die eigene quantitative Erhebung in Kapitel 4) zu beobachten, dass IT-Funktionen in Organisationen häufig bürokratisch, inflexibel und funktional (zu) weit entfernt von den primären Wertschöpfungsprozessen und damit (zu) weit entfernt von den primär wertschaffenden Fachbereichen agieren (vgl. Holotiuk und Beimborn 2017, S. 993; Urbach und Ahlemann 2017, S. 303). Die Organisations-IT – in vielen Fällen als eigene Linienabteilung organisiert – ist dann inhaltlich vielfach dahingehend positioniert, lediglich für die Bereitstellung von Infrastruktur und der Sicherstellung des Betriebes eingesetzter Systeme Verantwortung zu übernehmen (vgl. Pfitzinger und Jestädt 2016, S. 145). Durch ein eher (zu) technisch und technologisch
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Einleitung
geprägtes Rollenverständnis wird initial davon ausgegangen, dass die IT häufig als eigenständige Funktion mit eigener strategischer Ausrichtung verstanden wird, die wiederum erst an die strategische Ausrichtung der Gesamtorganisation (Geschäftsstrategie) anzupassen ist (vgl. Holotiuk und Beimborn 2017, S. 993; Chen et al. 2010, S. 239). Dieses Rollenverständnis ist dann zunächst als (zu) inflexibel, bürokratisch und (zu) weit entfernt von den Fachbereichen zu verstehen. Die in Klammern stehenden Adverbien „zu“ lassen bereits erkennen, dass dieses Rollenverständnis innerhalb der Diskussion um die Umsetzung der Digitalisierung und das damit einhergehende Streben nach digitalen Innovationen nicht weiter zielführend erscheint (vgl. Baumöl und Grawe 2017, S. 363–366; Holotiuk und Beimborn 2017, S. 993; Urbach et al. 2017, S. iii). Um im Kontext der Digitalisierung also die geforderten innovativen IT-Lösungen als Bestandteile der angebotenen Leistungen und sämtlicher Prozesse entwickeln und implementieren zu können, bedarf es einer stärkeren Kollaboration und eines stärkeren Zusammenwirkens von primär wertschaffenden Fachbereichen (Business3 ) und der IT-Funktionen in Organisationen (vgl. Legner et al. 2017, S. 307; Matt et al. 2015, S. 7; Urbach et al. 2017, S. iii). Allerdings zeigt sich, dass zwischen Fachbereichen und IT-Funktionen oftmals starke Diskrepanzen bestehen, die eine geforderte stärkere Zusammenarbeit erschweren oder gar völlig verhindern können (vgl. Holotiuk und Beimborn 2017; Baumöl und Grawe 2017, S. 363). Die IT in Organisationen verfolgt oft eigene Zielsetzungen, die in erster Linie technisch getrieben sein können und dann nicht ausreichend im Einklang mit der übergreifenden, meist betriebswirtschaftlich ausgerichteten, Unternehmens- oder Organisationsstrategie stehen. Strukturen, in denen eine strikte Trennung von Fachbereichen und IT-Funktion vorherrscht, verwundern nicht, wenn berücksichtigt wird, dass solche Strukturen oftmals über einen langen Zeitraum und unter dem Einfluss subjektiver Einflüsse in Organisationen entstanden sind (vgl. Urbach und Ahlemann 2016, S. 61). So kann etwa beobachtet werden, dass Organisationsmitglieder aus verschiedenen primär wertschöpfenden Fachbereichen die IT-Funktion hauptsächlich als eine technische Unterstützungsfunktion wahrnehmen, die lediglich einen störungsfreien Ablauf der eingesetzten Systeme sicherzustellen hat. Auch zeigen sich bei Betrachtung der IT in Organisationen unterschiedliche Wahrnehmungen. So gaben etwa Mitarbeitende aus IT-Funktionen im Rahmen der im vierten Kapitel dargestellten quantitativen Untersuchung an, dass Mitarbeitende der übrigen Fachbereiche nur unzureichende Kenntnisse über die Abläufe und Kompetenzen 3
Zur Verwendung des „Business“-Begriffes vgl. Abschnitt 2.2.1.
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Einleitung
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der IT-Funktion als eigenständiger Fachbereich besitzen, was Konflikte zwischen „Business“ und „IT“ hervorrufen kann (vgl. insbesondere Abschnitt 4.4). So wird den primär wertschaffenden Fachbereichen meist die Rolle zugewiesen, in erster Linie marktfähige Produkte und Leistungen zu erzeugen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Organisation sicherzustellen hat. Im Gegensatz dazu sieht sich die IT-Funktion vielfach der Reaktion auf technischen Fortschritt und der Einhaltung strikter Restriktionen des Managements gegenüber. Mitglieder der IT-Funktionen verfügen oft über stark ausgeprägtes Spezialwissen technischer Sachverhalte und weisen nicht in erforderlichem Maße Kenntnisse von Betriebsabläufen oder Kundenanforderungen auf, was hohe Anforderungen an das Management der IT stellt (vgl. Beck und Gison-Höfling 2008, S. 9–12). Im Kontext der Digitalisierung stellen sich nun verstärkt auch Anforderungen an die Fähigkeiten der Mitglieder von Organisationen, die nicht mehr rein der IT-Seite zugeschrieben werden können, sondern auch Fähigkeiten im wirtschaftlichen Handeln und unternehmerischen Denken viel stärker umfassen sollten. Fähigkeiten wie Kreativität, Agilität, Innovationsfähigkeit und Affinität im Umgang mit digitalen Technologien rücken in diesem Zusammenhang verstärkt in den Fokus (vgl. Morakanyane et al. 2017, S. 432–437; Urbach und Ahlemann 2016, S. 148–150). Die Diskussion um das Streben nach engerer Zusammenarbeit von ITFunktionen und den übrigen Fachbereichen ist jedoch gar nicht so neu, wie sich zunächst, und gerade bei Betrachtung aktueller Auswirkungen der Digitalisierung, vermuten lässt. So besteht bspw. eine zentrale Zielsetzung eines zu implementierenden regelvorgebenden IT-Rahmenwerkes, einer sog. IT-Governance, darin, eine Abstimmung zwischen Fachbereichen und IT im Sinne des sog. Business/IT-Alignment-Ansatzes herzustellen (vgl. Luftman 2000, S. 17; Chan und Reich 2007, S. 297 f.). Business/IT-Alignment dient in diesem Zusammenhang zunächst der Sicherstellung einer einheitlichen Unternehmenszielverfolgung und damit einhergehend einer Abstimmung der IT-Funktionen als eigenständige Fachbereiche mit den übrigen primär wertschöpfenden Fachbereichen, was initial auf strategischer Ebene anzustreben ist (vgl. De Haes und van Grembergen 2009, S. 124; Coltman et al. 2015, S. 93). Die Ausrichtung einer eigenen IT-Strategie an den übergeordneten strategischen Zielen – und damit an der Geschäftsstrategie – stand und steht immer wieder im Vordergrund unterschiedlicher Business/IT-Alignment-Ansätze (vgl. Coltman et al. 2015, S. 93; Reynolds und Yetton 2015, S. 103). Als bekanntester Ansatz der Business/IT-Alignment-Idee gilt das sog. Strategic Alignment Model (SAM) nach Henderson und Venkatraman (1993), das
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Anfang der 1990er Jahre in kontroverser Diskussion stand und bis heute als zentrales Modell des Business/IT-Alignments immer wieder Erwähnung findet. Vier verschiedene Abstimmungs-Perspektiven werden hierbei unterschieden, die bis zu vier Dimensionen einer Organisation berücksichtigen. So wird auf strategischer Ebene eine Abstimmung zwischen IT- und Unternehmensstrategie angestrebt und auf operativer Ebene die Abstimmung der jeweiligen Infrastrukturen und Prozesse der primären Wertschöpfung (Business) als auch der IT-Funktionen diskutiert (vgl. Henderson und Venkatraman 1993, S. 476–480; Luftman und Brier 1999, S. 115–120). Ob ein solches Alignment – also eine „Abstimmung“ oder gegenseitige „Ausrichtung“ – der IT mit den übrigen wertschöpfenden Fachbereichen zur Realisierung neuer innovativer Produkte, Dienstleistungen und Prozesse nach wie vor ausreicht, oder ob dieser Ansatz „weitergedacht“ werden sollte, kann vor dem Hintergrund immer fortschreitender Digitalisierung in Organisationen zunehmend hinterfragt werden. So verdeutlichen etwa Coltman et al. (2015) und auch Jonathan et al. (2020) einige Herausforderungen, die sich an die Business/IT-Alignment-Forschung stellen und Entwicklungen der Digitalisierung berücksichtigen, die noch nicht gelöst sind. So gilt es insbesondere, veränderte Verantwortlichkeiten und Strukturen im Sinne von organisationaler Agilität in die Alignment-Forschung einzubetten und entsprechende Lösungen zu erarbeiten Auch besteht innerhalb der einschlägigen Alignment-Literatur keine Einigkeit darüber, wie mit digitalen Strategien umgegangen werden sollte, die zunehmend an die Stelle der ursprünglich abzustimmenden Strategietypen der IT-Strategie sowie der Geschäftsstrategie selbst rücken. Unmittelbaren Einfluss auf das Zusammenspiel von „Business“ und „IT“ weisen agile Organisationsformen auf, für deren Auswirkungen auf die Alignment-Forschung nach wie vor Lösungen zu erarbeiten sind. Eng mit agilen Organisationsformen verbunden stehen zunehmend Interdisziplinarität und Multidimensionalität in organisationaler Betrachtung, die ebenfalls neue zu berücksichtigende Eigenschaften in der Abstimmung von „Business“ und „IT“ darstellen (vgl. hierzu ausführlich: Coltman et al. 2015, S. 94–97; Jonathan et al. 2020, S. 5567). An dieser Stelle setzt diese Ausarbeitung an und zeigt eine Weiterentwicklung dieses Business/IT-Alignment-Ansatzes auf, die in ihrer finalen Ausprägung eine vollständige Vereinigung von „Business“ und „IT“ in Organisationen vorschlägt. Um einen solchen Vorschlag erarbeiten zu können und das Business/IT-Alignment durch das Konzept der Business/IT-Integration weiterzuführen und letztlich im Kontext der Digitalisierung abzulösen, bedarf es einer klaren Formulierung eines Grundverständnisses:
1.1 Zielsetzungen und Forschungsfragen
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Trotz weitreichender Abstimmungsbemühungen, würde den zwei Bereichen „Business“ und „IT“ durch Aufrechterhaltung des Alignment-Gedankens womöglich weiterhin eine gewisse Koexistenz unterstellt werden – denn nur unterschiedliche zueinanderstehende Objekte können aufeinander abgestimmt oder aufeinander ausgerichtet werden. Eine durch Digitalisierung geforderte weitere Zusammenführung und schließlich Vereinigung beider Seiten zur Realisierung digitaler Produkte, Dienstleistungen und Prozesse würde womöglich nicht im geforderten Maße ermöglicht werden. Mit der Weiterführung des Business/IT-Alignments und einer damit einhergehenden Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen rücken unterschiedliche Ebenen einer jeden Organisation in den Fokus. So sind in erster Linie Auswirkungen einer stärkeren Zusammenlegung und Vereinigung von Fachbereichen und IT-Funktion auf strategischer Ebene zu diskutieren. In der Konsequenz ist zu erarbeiten, wie dies aus aufbauorganisatorischer Sicht in den Strukturen einer Organisation abgebildet werden kann sowie in den sich daraus ableitenden Geschäftsprozessen. Im Zuge der Diskussion um eine Neuausrichtung der IT-Funktion rückt in der Konsequenz auch die IT-Steuerung in Organisationen verstärkt in die Betrachtung. Ein stärkeres Zusammenspiel von „Business“ und „IT“ erfordert in der Folge auch eine Neuausrichtung der IT-Steuerung, die stärker auf die Schaffung von Werten unter Nutzung digitaler Innovationen, ausgerichtet sein sollte als auf eine häufig dominierende Fokussierung auf Kosten und Effizienz (vgl. Buchta et al. 2009, S. 127; Baumöl und Grawe 2017, S. 370). So gilt es zu überprüfen, inwieweit die Steuerung der IT auch im Kontext einer vollständigen Integration dieser in die wertschaffenden Bereiche und Aktivitäten in seiner Konzeption Anpassungen erfahren muss. Die IT-Funktion kann nicht weiter lediglich einen technisch unterstützenden Fachbereich darstellen, der in erster Linie einer monetären Steuerung unterliegt, sondern muss vielmehr selbst als ein wettbewerbskritischer Bestandteil der Wertschöpfung betrachtet werden, woraus sich neue Anforderungen an Steuerungsobjekte und Instrumente ergeben.
1.1
Zielsetzungen und Forschungsfragen
Die zuvor beschriebene Neuausrichtung der IT-Funktion würde in Organisationen zu weitreichenden Veränderungen in sämtlichen Bereichen der Wertschöpfung führen, die Anwender, Entscheidungsträger, jedoch auch von Veränderung betroffene Mitarbeitende vor vielschichtige Herausforderungen stellt. Sich verändernde strategische Überlegungen, neue Strukturen und Prozesse erfordern ein hohes
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Maß an Akzeptanz und Veränderungsbereitschaft, sich auch von bestehenden eingefahrenen und festen Ansichten, Strukturen und Prozessen lösen zu können, um der Digitalisierung mit Offenheit und Weitsicht begegnen zu können. Hierzu ist es erforderlich, Entscheidungsträgern und Anwendern mit der Idee der Business/ITIntegration ein geeignetes Konzept bereitzustellen, das die für die entsprechende Neuausrichtung der IT-Funktion relevanten organisationalen Anpassungen aufgreift und diesen eine Systematik zuschreibt. Demnach kann die nachfolgend hervorgehobene Zielsetzung dieser Ausarbeitung definiert werden:
Zielsetzung: Entwicklung eines Business/IT-Integrationsansatzes, der auf der Business/IT-Alignment-Idee aufsetzt und gegenseitige Abstimmung und Ausrichtung (Alignment) durch vollständige Vereinigung (Integration) „ersetzt“, um die Rolle der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung zu stärken und neu zu positionieren. Bevor jedoch ein solcher Ansatz, der Veränderungen in der Ausrichtung der IT-Funktion auf unterschiedlichen Organisationsebenen und damit ganzheitlich ausgestaltet, entwickelt werden kann, gilt es zunächst, den Begriff der Business/IT-Integration einzuführen und dessen Grundverständnis zu erläutern. Dazu wird dieses Konzept als Weiterentwicklung und Ablösung des in Literatur und Praxis etablierten Konzeptes des Business/IT-Alignments positioniert und dieser Schritt – basierend auf den Auswirkungen der Digitalisierung auf Organisationen – begründet. Auch wenn innerhalb der akademischen und einschlägigen Literatur zum Business/IT-Alignment einige Herausforderung der Digitalisierung noch nicht weitreichend umgesetzt sind (etwa Agilität, digitale Strategien und Multidimensionalität, vgl. Jonathan et al. 2020; Coltman et al. 2015), wird der Begriff Alignment für die Betrachtung des Zusammenwirkens von „Business“ und „IT“ nach wie vor aufrechterhalten. Verstärkt in praxisnaher Literatur wird eine ähnliche Sichtweise eingenommen, den Begriff des Alignments im Kontext der Digitalisierung und untrennbarer Verknüpfung von „Business“ und „IT“ in Frage zu stellen und durch neuartige Ideen weiterer Vereinigung (bspw. auch als Fusion bezeichnet) zu ersetzen (vgl. Malcolm und Evans 2013a, 2013b). Auch können erste Ideen einer stärkeren Vereinigung von „Business“ und „IT“ direkt in unternehmerischer Praxis beobachtet werden (Bspw. bei der Hamburg Port Authority, vgl. Baumöl und Saxe 2018). So verfolgt diese Ausarbeitung in Abgrenzung zu ersten praxisnahen Quellen und unternehmerischen Konzepten den Anspruch,
1.1 Zielsetzungen und Forschungsfragen
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ein ganzheitliches Konzept der Business/IT-Integration wissenschaftlich und systematisch zu entwickeln, es zu evaluieren und innerhalb der einschlägigen und akademischen Alignment-Literatur als mögliche Alternative der Begegnung mit Anforderungen der Digitalisierung zu positionieren. Um diese Gestaltungsziele erreichen zu können, muss im Rahmen eines konstruktionsorientierten Vorgehens ein systematischer und pragmatischer Forschungsprozess verfolgt werden, dessen Schritte durch die nachfolgenden Forschungsfragen begleitet werden: So leitet sich unmittelbar aus der Zielsetzung die nachfolgende Forschungsfrage ab, die auf die Erklärung der der Ausarbeitung zugrundeliegenden Grundidee fokussiert: 1: Inwieweit stößt das Business/IT-Alignment-Konzept im Kontext der Digitalisierung an seine Grenzen und wie lässt sich eine Weiterführung des Business/ITAlignments zur Business/IT-Integration begründen? Innerhalb dieser Ausarbeitung dürfen im Rahmen der Diskussion um eine Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen bestehende theoretische Konzepte, die neben Ansätzen des Business/IT-Alignments existieren und eine Anpassung der IT an Anforderungen der Digitalisierung propagieren, nicht außer Acht gelassen werden. So sollen exemplarisch ausgewählte theoretische Konzepte hinsichtlich Möglichkeiten und Grenzen analysiert und schließlich Implikationen für die eigene Lösungsentwicklung abgeleitet werden. Dies führt zur nachfolgenden Forschungsfrage: 2: Welche Möglichkeiten, Grenzen und Implikationen für die eigene Lösungsentwicklung bieten bereits existierende theoretische Konzepte, die vorsehen, die IT-Funktion an die Anforderungen der Digitalisierung anzupassen? Diese Analyse theoretischer alternativer Konzepte ergänzend, soll eine eigene quantitative Erhebung gegenwärtiger Einbindung der IT-Funktionen in Organisationen zum Gewinn weiterer Implikationen für die eigene Lösungsentwicklung führen. Hieraus lässt sich die folgende Forschungsfrage ableiten:
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Einleitung
3:Welche Anforderungen stellen sich an eine Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen aus praktischer Betrachtung gegenwärtiger Einbindung dieser in Organisationen? Auf die eigentliche Ausgestaltung des Business/IT-Integrationsansatzes und der Darstellung in einem ganzheitlichen Organisationsmodell referenzieren die nachfolgenden Forschungsfragen, die mit der Erreichung der oben dargestellten Zielsetzung korrespondieren: 4: Wie kann ein ganzheitlicher Business/IT-Integrationsansatz ausgestaltet werden, der die Anforderungen der Digitalisierung aufgreift, welche Organisationsebenen erfahren dabei Veränderungen und wie lassen sich die Zusammenhänge in einem ganzheitlichen Modell abbilden? Abschließend gilt es, den entwickelten Business/IT-Integrationsansatz mittels einer qualitativen Befragung von Experten unterschiedlicher Organisationen hinsichtlich der Evaluationskriterien Nutzen und Umsetzbarkeit zu evaluieren und weitere Implikationen abzuleiten, die in zukünftiger Forschung aufgegriffen werden sollten. Dies verdeutlicht die abschließende Forschungsfrage: 5: Welchen Nutzen weist der entwickelte Business/IT-Integrationsansatz aus Sicht der Befragten Experten unterschiedlicher Organisationen auf und wie wird die praktische Umsetzbarkeit des Konzeptes eingeschätzt?
1.2
Methodisches Vorgehen und Forschungsprozess
Diese Ausarbeitung ist der Disziplin der Wirtschaftsinformatik zuzuordnen, deren wichtigste Ziele die Komplexitätsbeherrschung in Organisationen sowie die Betrachtung interdisziplinärer Zusammenhänge zwischen Wirtschaftswissenschaft und Informatik darstellen (vgl. Heinzl et al. 2001, S. 230). Zur verbesserten Gestaltung und Reduktion von Komplexität ist es Gegenstand der Wirtschaftsinformatik, entsprechende Lösungen bereitzustellen und anzuwenden. Die anhand anerkannter Methoden erarbeiteten Ergebnisse werden als sog. Artefakte bezeichnet, die Abstraktionen etwa in Form von Modellen, Konzepten, Prototypen oder Systemen darstellen. Deren Nutzen soll den geforderten Anspruch nach Relevanz und deren systematische Entwicklung den Anspruch nach Rigorosität erfüllen (vgl. Becker 2010, S. 14; Österle et al. 2010, S. 2).
1.2 Methodisches Vorgehen und Forschungsprozess
13
Die Erreichung der Hauptzielsetzung sieht vor, einen Ansatz zur Gestaltung und zur Entwicklung eines Artefaktes, das schließlich die Business/IT-Integration auf den unterschiedlichen Betrachtungsebenen in einem ganzheitlichen Organisationsmodell vereint, heranzuziehen. In Abgrenzung zur behavioristischen Vorgehensweise, die vor allem in der angloamerikanischen Information Systems (IS) Research-Disziplin begründet liegt, soll hier mit der gestaltungsorientierten Entwicklung eines entsprechenden Business/IT-Integrationsansatzes, die Grundidee der Schaffung eines relevanten und nutzenstiftenden Ergebnisses, das für Entscheidungsträger in Organisationen eine Handlungsanleitung darstellen kann, verfolgt werden (vgl. Österle et al. 2010, S. 4). Der behavioristische Ansatz der IS-Forschung umfasst Vorgehensweisen, die Erkenntnisse, basierend auf Beobachtungen, ableiten. So werden bspw. Eigenschaften von Informationssystemen und das entsprechende Verhalten der Benutzer beobachtet, um neue Erkenntnisse generieren zu können. An dieser behavioristischen Forschungsrichtung lässt sich jedoch kritisieren, dass sie häufig eine zu geringe Relevanz für die praktische Anwendung besitzt. So werden nicht etwa aufbauend auf konkreten Problemen neue Lösungsansätze gestaltet, sondern ausgehend von bereits etablierten Zuständen Beobachtungen vorgenommen, die wiederum zu neuen Erkenntnissen führen (vgl. Österle et al. 2010, S. 1). Demgegenüber steht der in der europäischen Wirtschaftsinformatik stärker verbreitete Ansatz der Gestaltungsorientierung, der mittels anerkannter Verfahren wissenschaftliche Rigorosität herzustellen versucht, die durch klar definierte Prozessschritte sichergestellt werden kann (vgl. Becker 2010, S. 13–18; Österle et al. 2010, S. 4 f.): 1. Analysephase: In dieser Phase sind die der gestaltungsorientierten Forschungsarbeit zugrundeliegende Problemstellung zu beschreiben sowie die Zielsetzungen abzuleiten. Probleme sollten dabei die Anforderung wissenschaftlicher oder praktischer Relevanz aufweisen. Des Weiteren gilt es, den aktuellen Stand an existierenden Ansätzen zu erarbeiten und Einflussfaktoren einer Problemstellung aufzubereiten. Darauf aufbauend soll die angestrebte Verbesserung bestehender Ansätze, bzw. die eigene Problemlösung in ihrem Vorgehen geplant werden. 2. Entwurfsphase: Die eigentliche Entwicklung des als Problemlösung dienenden Artefakts anhand anerkannter Vorgehensweisen wird dieser, sich der grundlegenden
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Einleitung
Analyse von Verbesserungsmöglichkeiten und Handlungspotenziale anschließenden Phase zugeschrieben. Die Vorgehensweise kann dabei unterschiedliche Methoden berücksichtigen. 3. Evaluationsphase: Das gestaltungsorientiert entwickelte Artefakt ist mit anerkannten Methoden hinsichtlich unterschiedlich zu wählender Evaluationskriterien zu überprüfen. Dabei ist die Erreichung der gesetzten Ziele Gegenstand der Überprüfung. 4. Diffusionsphase: Diese Phase sieht vor, die entwickelten Ergebnisse geeigneten Anspruchsgruppen, wie anderen Forschern oder Anwendern aus unternehmerischer Praxis, zugänglich zu machen und die eigene Lösung innerhalb einer breiteren Diskussion zu etablieren. Dazu können unterschiedliche Wege der Publikation wahrgenommen werden. Den Kritikpunkt mangelnder Relevanz für praktische Anwendung des behavioristischen Forschungsstroms aufgreifend, hat sich auch innerhalb der IS-Forschung ein Forschungszweig entwickelt, der unter dem Begriff „Design-Science“ gestaltungsorientierte Grundsätze, wie systematische Entwicklung von Artefakten und anschließender Validierung beinhaltet und den oben gezeigten Prozessschritten des europäischen Verständnisses der Gestaltungsorientierung weitgehend entspricht (vgl. Frank 2010, S. 37). Die vorliegende Ausarbeitung wird mit der Hauptzielsetzung der Entwicklung eines weiterführenden Business/IT-Integrationsansatzes in die gestaltungsorientierte Wirtschaftsinformatik positioniert. Der eigene, hier verfolgte Forschungsprozess orientiert sich dabei an den Vorgaben des Prozesses des Design-ScienceAnsatzes (vgl. hierzu: Peffers et al. 2006). Die Erstellung des Artefaktes, das den ganzheitlichen organisationalen Integrationsansatz erklärt und schließlich in einem zusammenfassenden Modell visualisiert, erfolgt dabei anhand einer strukturierten Form. Dieses Vorgehen ermöglicht es, bei der Orientierung am Design-Science-Prozess unterschiedliche Forschungsansätze, wie konzeptionelle Überlegungen ergänzt um quantitative und qualitative Erhebungen, zu vereinen. Wie bereits anhand der aufgestellten Forschungsfragen ersichtlich, wird innerhalb dieser Ausarbeitung die primäre konzeptionelle Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes um eine quantitative Befragung zur gegenwärtigen Einbindung der IT-Funktion in Organisationen, sowie um eine qualitativ ausgestaltete Evaluation erweitert. Damit kann dem am DesignScience-Ansatz orientierten Forschungsprozess letztlich Methodenpluralismus zugeschrieben werden.
1.2 Methodisches Vorgehen und Forschungsprozess
15
Innerhalb der Wirtschaftsinformatik bieten sich vielfältige Methoden zur Erreichung wissenschaftlicher Zielsetzungen an. Diese Methoden können aus anderen Disziplinen, wie etwa der Sozialforschung, entnommen und auf Forschungsprozesse der Wirtschaftsinformatik übertragen werden, wie etwa quantitative und qualitative Analysen. Somit können unterschiedliche Forschungsmethoden – einzeln als auch kombiniert – zur Anwendung kommen. Eine Verknüpfung verschiedener Forschungsmethoden kann besonders im Rahmen konzeptioneller Entwicklung von Artefakten sinnvoll für die jeweilige Zielerreichung sein (vgl. Becker und Pfeiffer 2007, S. 13 f.). Die Kombination verschiedener Forschungsmethoden innerhalb des als übergreifend zu verstehenden Design-Science-Forschungsprozesses im Sinne des Methodenpluralismus erlaubt es, unterschiedliche Blickwinkel einzunehmen und neben einer konzeptionellanalytischen Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes auch Erkenntnisse einer quantitativen Befragung (vgl. Kapitel 4), sowie qualitativer Experteninterviews (vgl. Kapitel 6), einfließen zu lassen. Nachfolgend sind die einzelnen Phasen zur Erreichung der Zielsetzung, bzw. zur Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes, anhand der Systematik des Design Science-Prozesses nach Peffers et al. (2006) dargestellt. Strukturiert nach den jeweiligen Phasen wird das eigene Vorgehen dieser Ausarbeitung aufgezeigt und nochmals in Abb. 1.2 visualisiert. Die erste Phase des Design Science Research-Prozesses stellt die Phase der Problemidentifikation und Motivation (original: „Problem identification and motivation“) dar. Insbesondere wird innerhalb dieser ersten Phase die Relevanz des eigenen wissenschaftlichen Vorgehens begründet (vgl. Peffers et al. 2006, S. 89; Hevner et al. 2004, S. 84). Mit Verweis auf die Ausführungen des ersten Kapitels kann an dieser Stelle nochmals auf die oftmals zu getrennt von den primär wertschaffenden Fachbereichen agierende IT-Funktion und dadurch bedingte Gefahren eingegangen werden, die sich in einer mangelnden Bedienung von veränderter Nachfrage nach digitalen Produkten, Dienstleistungen und Prozessen oder entsprechender ergänzender Eigenschaften offenbaren können. Die Notwendigkeit der Weiterentwicklung des Business/IT-Alignment-Ansatzes hin zur Business/ITIntegration stellt in diesem Kontext den motivierenden Aspekt dar, der die eigenen Überlegungen in einen bestehenden und etablierten Forschungszweig (Alignment-Forschung) einbettet und diesen ergänzt. Mit der zweiten Phase des Design Science Research-Prozesses „Ziele und Bestandteile einer Lösung“ (original: „Objectives of a solution“), gilt es, die erforderliche Vorarbeit zur eigentlichen Konstruktion des Artefaktes, bzw. dann zur Entwicklung der Problemlösung, zu leisten. Dazu gehört es, die Ziele und Schwerpunkte der eigenen Problemlösung zu erarbeiten, wodurch sich diese als
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1
Einleitung
Verbesserung zur Ausgangslage oder zu bereits bestehenden Ansätzen charakterisieren lässt. Es ist dabei unerlässlich, auf bekannte und bereits bestehende Inhalte und Erkenntnisse der Forschung einzugehen und aus diesen die Schritte für die eigene Lösungsentwicklung abzuleiten (vgl. Peffers et al. 2006, S. 90). Der Status quo, auf dem die eigene Problemlösung aufsetzt, wird innerhalb dieser Ausarbeitung zunächst durch eine ausführliche Darstellung von Grundlagen zu den Begriffen Digitalisierung, Business/IT-Alignment und Integration gezeigt, die die Basis und zugleich die Ausgangslage der weiteren Überlegungen bildet, die diese Themen dann miteinander verbinden und eine neuartige Lösung herbeiführen. Die im Rahmen der Grundlagen dargestellten Inhalte zu den Themenbereichen Digitalisierung, Business/IT-Alignment und Integration sowie die gezeigte Motivation und Notwendigkeit zur Schaffung eines neuen, weiterführenden Ansatzes, werden zunächst innerhalb eines zusammenfassenden Forschungsmodells visualisiert (vgl. Abb. 3.2 in Abschnitt 3.1, weiter ausgestaltet in Abb. 5.1 in Abschnitt 5.1). Aus diesem ist ersichtlich, wie die einzelnen Bestandteile der Lösung zusammenhängen und wie das Vorgehen zur Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes begründet werden kann. In weiterer Vorarbeit zur eigentlichen Lösungsentwicklung, bzw. der Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes, werden zunächst ausgewählte existierende Ansätze diskutiert, die zur Neuausrichtung der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung herangezogen werden können, aus denen dann Implikationen, bzw. Ziele, für die eigene Lösungsentwicklung abgeleitet werden (vgl. Kapitel 3). Diese Analyse ergänzend erfolgt ein Blick in die Praxis, der mittels einer quantitativen Befragung über die gegenwärtige Einbindung von IT-Funktionen in Organisationen, abgebildet wird (vgl. Kapitel 4). Aus der Auswertung zeigt sich ein Bild des gegenwärtigen Zusammenwirkens von Fachbereichen und IT-Funktionen in Organisationen und insbesondere aktueller Probleme und Hindernisse, aus dem sich zusätzliche Implikationen und Handlungsbedarfe für die eigene Lösungsentwicklung generieren lassen. Für die eigentliche Lösungsentwicklung sieht die dritte Phase des Design Science Research-Prozesses „Design und Entwicklung“ (original: „Design and Development“) vor, ein systematisches Vorgehen anzuwenden (vgl. Peffers et al. 2006, S. 90). Auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen, die dem Business Engineering-Forschungsansatz entstammen, wird schließlich der Business/ITIntegrationsansatz ausgestaltet (vgl. Kapitel 5). Die Betrachtungsebenen stellen dabei die strategische Ebene, die strukturelle Ebene, sowie die operative Prozessebene dar, auf denen jeweils Vorschläge beschrieben werden, wie die Integration von „Business“ und „IT“ in Organisationen zur verbesserten Umsetzung der Digitalisierung erfolgen kann. Ergänzend wird die Sichtweise der Steuerung,
1.2 Methodisches Vorgehen und Forschungsprozess
17
insbesondere der IT-Steuerung, eingenommen und aufgezeigt, wie sich eine solche Funktion konsequenterweise an ein verändertes und integriertes Rollenbild der IT anzupassen hat. Mit einer zusammenfassenden Darstellung eines ganzheitlich ausgelegten Organisationsmodells, das Business/IT-Integration auf den einzelnen Betrachtungsebenen aufgreift und in einen Zusammenhang zueinander stellt, schließt die Design- und Entwicklungsphase ab. Die vierte Phase des Design-Science Research-Prozesses sieht eine Demonstration vor, bevor eine „Evaluation“ (original: „Demonstration and Evaluation“) in der nachgelagerten Prozessphase zu erfolgen hat (vgl. Peffers et al. 2006, S. 90; Hevner et al. 2004, S. 85 f.). Um diesem Anspruch gerecht zu werden, wird der entwickelte Business/IT-Integrationsansatz schließlich ausgewählten Experten aus der unternehmerischen Praxis vorgelegt und gedanklich auf die jeweilige Organisation angewendet (vgl. Kapitel 6). Aus den begleitenden Interviews werden schließlich Informationen gewonnen, die den Nutzen und die Umsetzbarkeit des Business/IT-Integrationsansatzes aus Sicht der Befragten beurteilen lassen. Einen wesentlichen Teil stellen in diesem Zusammenhang Implikationen für weitere auf dieser Ausarbeitung aufbauende Forschung dar, die abschließend aufgezeigt werden. Die letzte Phase des Design-Science-Prozesses nach Peffers et al. (2006) sieht vor, die Ergebnisse entsprechenden Adressaten und Interessensgruppen zugänglich zu machen (original: „Communication“). Diese Phase steht im Einklang mit der bereits gezeigten Diffusionsphase der gestaltungsorientierten Forschung. Inhalte und Teilergebnisse dieser Ausarbeitung wurden durch Veröffentlichungen Adressaten aus der Wissenschaft zugänglich gemacht, wodurch ein inhaltlicher Austausch erfolgte. Die Veröffentlichung dieser Ausarbeitung als Teil des Promotionsverfahrens kommt ebenfalls dem Anspruch der Kommunikationsphase des Design Science-Prozesses nach (vgl. Peffers et al. 2006, S. 92). Nachfolgende Abb. 1.2 zeigt den Design-Science-Forschungsprozess in angepasster Weise auf, der um die eigenen Ausgestaltungen der jeweiligen Prozessphasen erweitert ist. Zudem sind nochmals die bereits gezeigten Phasen der gestaltungsorientierten Forschung nach Becker (2010) (vgl. Abschnitt 1.2) in die Abbildung übertragen:
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1
Problemidentifikation und Motivation IT-Funktionen oftmals (zu) getrennt und isoliert von den primär wertschaffenden Fachbereichen (Business) organisiert, um Digitalisierung umzusetzen. Business/IT-Alignment als bestehendes Konzept für stärkere Zusammenarbeit von „Business“ und „IT“ soll weitergeführt und durch neues Konzept abgelöst werden
Design und Entwicklung
Ziele und Bestandeile einer Lösung Erforderliche Grundlagen zur Digitalisierung, insbesondere digitalen Produkten, Dienstleistungen und Prozessen
Entwicklung des Business/ITIntegrationsansatzes, insbesondere: •
Integration auf strategischer Ebene
Erhebung von Implikationen durch Analyse bestehender theoretischer Konzepte und quantitativer Untersuchung
•
Integration auf struktureller Ebene
•
Integration auf Prozessebene
Ableitung eines Forschungsmodells
Analysephase
Darstellung in Business/ITIntegrationsmodell
Entwurfsphase
Einleitung
Demonstration und Evaluation
Kommunikation
Konfrontation ausgewählter Experten mit Business/ITIntegrationsansatz und gedankliche Anwendung
Veröffentlichungen und Vorträge zum Austausch mit anderen Wissenschaftlern und Interessierten
Evaluierung des Ansatzes hinsichtlich Nutzen und Umsetzbarkeit durch Befragung von Experten
Publikation der Dissertation im Rahmen des Promotionsverfahrens
Ableitung zukünftigen Forschungsbedarfs aus Interviewauswertung
Evaluationsphase
Diffusionsphase
Abb. 1.2 Design Science-Prozess und eigene Ausgestaltung der Prozessphasen. (In Anlehnung an: Peffers et al. 2006, S. 93; Becker 2010, S. 13–18)
Das primäre Vorgehen der Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes erfolgt demnach auf der Basis bestehender Erkenntnisse, aus denen durch logisches deduktives Schließen eine neue Lösung gestaltet werden kann. Wilde und Hess (2007) unterscheiden dazu zwischen einem formal-deduktiven, einem konzeptionell-deduktiven sowie einem argumentativ-deduktiven Vorgehen, die sich anhand eines Spektrums verschiedener Formalisierungsgrade (gering bis hoch) voneinander abgrenzen und erklären lassen. Das argumentativ-deduktive, rein sprachliche Vorgehen weist offenkundig die geringste Formalisierung auf, das konzeptionell-deduktive Schließen wird im mittleren Bereich des Spektrums angeordnet (semi-formal), während das formal deduktive Schließen üblicherweise den höchsten Grad an Formalisierung aufweist. (vgl. zur Zuordnung von Forschungsmethoden zu den verschiedenen Formalisierungsgraden innerhalb der Wirtschaftsinformatik: Wilde und Hess 2007, S. 280–283; darauf aufbauend: Schreiner et al. 2015, S. 4 f.). Die eigentliche Entwicklung des weiterführenden Konzeptes der Business/ITIntegration, das auf den unterschiedlichen Betrachtungsebenen Vorschläge zur Integration von „Business“ und „IT“ unterbreitet, erfolgt auf der Basis bestehender Theorien, Konzepte und Modelle der Betriebswirtschaftslehre und der Wirtschaftsinformatik, insbesondere zur Erklärung verschiedener Ausprägungen der Digitalisierung in Organisationen und des Business/IT-Alignments. Durch die Orientierung am oben gezeigten Design-Science-Prozess wird zudem ein klar
1.2 Methodisches Vorgehen und Forschungsprozess
19
systematisiertes Vorgehen gewählt, das somit einen gewissen Grad an Formalisierung aufweist. Schreiner et al. (2015) ordnen daher die gestaltungsorientierten Methoden, und somit auch das konzeptionell-deduktive Vorgehen, dem vorrangig in dieser Ausarbeitung gefolgt wird, dem mittleren Bereich des Spektrums geringer bis hoher Formalisierung zu. Neben dem Spektrum an Formalisierung als Abgrenzungsmöglichkeit eingesetzter Methoden kann auch ein Spektrum zwischen den bereits beschriebenen Paradigmen der verhaltenswissenschaftlichen sowie der konstruktionsorientierten Forschung zur Abgrenzung herangezogen werden (vgl. Wilde und Hess 2007, S. 281–283; Schreiner et al. 2015, S. 5). Die vornehmlich konzeptionelle und konstruktionsorientierte Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes ergänzend, werden Methoden herangezogen, die sich dem verhaltenswissenschaftlichen Paradigma zuordnen lassen. Für die Evaluation des Business/ITIntegrationsmodells wird demnach ein qualitativer Forschungsansatz (geringe Formalisierung) gewählt, um die gedankliche Anwendung und Prüfung der entwickelten Vorschläge zur Integration von „Business“ und „IT“ in konkreten Anwendungsfällen durch die ausgewählten Experten im Form von Interviews vollziehen zu können. Eine Ausnahme stellt hingegen die Erhebung gegenwärtiger Einbindung der IT-Funktion in Organisationen mittels online durchgeführter Befragung dar, die im vierten Kapitel aufgezeigt wird. Hier wird durch eine statistische und damit numerische Auswertung (hoher Formalisierungsgrad) der primäre gestaltungsorientierte Forschungsprozess um einen Teil quantitativer Auswertung ergänzt. Der in diesem Sinne entwickelte Business/IT-Integrationsansatz basiert in seinem Aufbau auf der organisationalen Ebenenbetrachtung des Business Engineerings (vgl. Abschnitt 3.1) und trägt innerhalb der verschiedenen Integrationsebenen bestehende Konzepte und Ansätze zur Umsetzung der Digitalisierung und entsprechender Anpassungen der IT-Funktion zusammen. Aus diesen lassen sich schließlich Vorschläge zur Gestaltung vollständiger Integration von „Business“ und „IT“ synthetisieren. Im Ergebnis kann der entwickelte Business/ITIntegrationsansatz als eine Art Weiterführung und Ablösung des bestehenden Konzeptes des Business/IT-Alignments begriffen werden. Zusammenfassend vereint diese Ausarbeitung also innerhalb des übergeordneten Design-Science-Prozesses verschiedene Forschungsansätze. Der Aufbau dieser Ausarbeitung ist nachfolgend detaillierter beschrieben.
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1
1.3
Einleitung
Aufbau der Ausarbeitung
Die gewählte Vorgehensweise, die sich nach dem aufgezeigten Design-ScienceProzess richtet, kann der gezeigten Abb. 1.3 entnommen werden.
Kapitel 1 Einleitung
Kapitel 1.1 Zielsetzung und Forschungsfragen
Kapitel 5 Vom Business/IT-Alignment zur Business/IT-Integration
Kapitel 1.2 Methodisches Vorgehen und Forschungsprozess
Kapitel 1.3 Aufbau der Ausarbeitung
Kapitel 2 Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Kapitel 2.1 Digitalisierung in Organisationen
Kapitel 2.2 Business/ITAlignment
Kapitel 2.3 Zum Begriff der Integration
Kapitel 5.1 Auflösung paralleler Existenz von Business und IT und Begriff der Business/IT-Integration Kapitel 5.2 Die Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes Kapitel 5.2.1 Vorgehen zur Entwicklung des Ansatzes Kapitel 5.2.2 Auslösende und beschleunigende Faktoren Kapitel 5.2.3 Integration auf strategischer Ebene Kapitel 5.2.4 Integration auf struktureller Ebene
Kapitel 3 Implikationen für eine Neuausrichtung der Informatik in Organisationen aus theoretischen Ansätzen Kapitel 3.1 Digitalisierung und die Rolle der IT
Kapitel 3.2 Digital Business Strategy
Kapitel 3.3 Bimodale IT
Kapitel 5.2.5 Integration auf Prozessebene Kapitel 5.2.6 Zusammenfassende Darstellung und erweitertes Business/IT-Integrationsmodell
Kapitel 3.4 DevOps und Scrum
Kapitel 6 Evaluation des Business/IT-Integrationsansatzes
Kapitel 6.1 Ziel und Kriterien der Evaluation Kapitel 4 Implikationen für eine Neuausrichtung der Informatik in Organisationen aus praktischer Betrachtung Kapitel 4.1 Zielsetzung und Wahl der Methodik Kapitel 4.2 Aufbau und Durchführung
Kapitel 6.4 Ergebnisse der Experteninterviews
Kapitel 6.5 Vergleichende Analyse der Experteninterviews
Kapitel 4.3 Herleitung der Fragen und der zu überprüfenden Aussagen Kapitel 4.4 Ergebnisse der Befragung Kapitel 4.5 Zusammenfassung und Implikationen
Kapitel 6.3 Design und Durchführung
Kapitel 6.2 Vorgehen
Kapitel 6.6 Implikationen für weiteren Forschungsprozess
Kapitel 7 Schlussbetrachtung und Fazit
Kapitel 7.1 Zusammenfassung und kritische Betrachtung
Kapitel 7.2 Fazit
Abb. 1.3 Aufbau der Ausarbeitung. (Eigene Darstellung)
Im zweiten Kapitel werden die für das Verständnis dieser Ausarbeitung notwendigen begrifflichen und konzeptionellen Grundlagen erläutert. Dieses Kapitel
1.3 Aufbau der Ausarbeitung
21
gliedert sich in drei wesentliche Teile: die Digitalisierung in Organisationen, das Business/IT-Alignment sowie der Begriff der Integration. In Abschnitt 2.1 werden zunächst die Begriffe Digitalisierung, Digitization und Digitale Transformation erläutert und voneinander abgegrenzt. Ziel ist es, ein klares Verständnis dieser häufig undifferenziert und synonym verwendeten Begrifflichkeiten zu schaffen. Im Anschluss werden Digitale Produkte, digitale Dienstleistungen und digitale Prozesse mit ihren Ausprägungen und Charakteristika thematisiert um die Bedeutung der IT-Funktionen in Organisationen für die Realisierung solcher neuartigen Leistungen und Abläufe hervorheben zu können. Innerhalb von Abschnitt 2.2 wird der Begriff und das Konzept des Business/IT-Alignments dargestellt, um die Ausgangslage für eine darauf aufsetzende Neuausrichtung der IT im Kontext der Digitalisierung erarbeiten zu können. Dazu gehört es, das Business/IT-Alignment zu definieren und vom sog. Strategic Alignment abzugrenzen. Daneben werden ausgewählte und prominente Ansätze des Business/IT-Alignments aufgezeigt und deren Veränderungen im Zeitverlauf thematisiert, um die Entwicklung des darauf aufbauenden Integrationskonzeptes besser nachvollziehen zu können. Abschließend wird im zweiten Kapitel der Integrationsbegriff thematisiert, in dem dieser zunächst im Allgemeinen, sowie differenzierter aus der Sicht der Betriebswirtschaft sowie der Wirtschaftsinformatik dargestellt wird. Das dritte Kapitel befasst sich mit der Analyse ausgewählter bestehender theoretischer Ansätze, die versuchen, IT-Funktionen weiter an die Anforderungen der Digitalisierung anzupassen. Zuvor werden jedoch in Abschnitt 3.1 einleitend die Inhalte des zweiten Kapitels zusammengetragen und bekräftigt, warum besonders die primär wertschöpfenden Fachbereiche und die IT-Funktionen für die Umsetzung der Digitalisierung gleichermaßen in die Verantwortung gestellt werden und entsprechenden Anpassungen unterliegen müssen. Exemplarisch für die strategische Ebene wird der Ansatz der Digital Business Strategy (DBS), stellvertretend für die strukturelle Ebene der Ansatz der bimodalen IT und für die operative Prozessebene die agilen Ansätze DevOps und Scrum hinsichtlich Möglichkeiten und Grenzen für das eigene Vorgehen diskutiert und Implikationen abgeleitet. Der ergänzende Blick in unternehmerische Praxis mittels online-Befragung und deren Auswertung wird schließlich im vierten Kapitel vollzogen. Die Analyse aktueller organisationaler Einbindung von IT-Funktionen und ihrer Probleme und Hindernisse offenbart weitere ergänzende Implikationen für die eigene Lösungsentwicklung. Diese wird schließlich innerhalb des fünften Kapitels erarbeitet. Zuvor ist es jedoch notwendig, den Grundgedanken der Ablösung des Business/ITAlignments durch den Ansatz der Business/IT-Integration zu verdeutlichen und ein entsprechendes Forschungsmodell, das diesen Gedanken verdeutlicht und die bisherigen Inhalte in Beziehung zueinander setzt, darzustellen. Bevor der
22
1
Einleitung
Business/IT-Integrationsansatz gezeigt wird, ist es notwendig, auf den Begriff der Business/IT-Integration einzugehen und eine Definition festzulegen. Vorschläge zur Integration werden schließlich in den nachfolgenden Unterkapiteln für die Betrachtungsebenen der Strategie, der Organisationsstruktur, der Prozesse sowie übergreifend für die (IT-)Steuerungsebene erarbeitet und zusammengetragen. Das sechste Kapitel beinhaltet die Evaluation des Business/IT-Integrationsansatzes anhand von Interviews ausgewählter Experten. Es wird das Ziel verfolgt, den Nutzen und die Umsetzbarkeit aus praktischer Sicht heraus zu ermitteln. Zudem werden Implikationen für weitere Forschung herausgearbeitet und anschaulich zusammengetragen. Die Ausarbeitung schließt mit einer Schlussbetrachtung und einem Fazit im siebten Kapitel, das die Inhalte nochmals zusammenfasst und eine kritische Betrachtung des Forschungsprozesses beinhaltet.
2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Innerhalb dieses Kapitels werden zunächst grundlegende begriffliche und konzeptionelle Grundlagen erläutert, die für das Verständnis der nachfolgenden Ausführungen erforderlich sind. Dazu widmen sich die Ausführungen zunächst der Digitalisierung in Organisationen. Anschließend wird das Konzept des Business/IT-Alignments erläutert, das als Ausgangspunkt für die Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes in dieser Ausarbeitung positioniert wird, bevor abschließend der Begriff der Integration betrachtet wird.
2.1
Digitalisierung in Organisationen
Im Rahmen dieses ersten Teils des Grundlagenkapitels soll zunächst ein Verständnis des Digitalisierungs-Begriffes geschaffen werden. Die Digitalisierung mit ihren Auswirkungen auf die Neugestaltung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen – und damit auf Organisationen – wird in dieser Ausarbeitung als rahmengebende Entwicklung verstanden. Sie setzt somit die Impulse für eine Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen als Teil organisationaler Veränderungen, die sich als Folge einer Diskussion über die Eignung der Business/IT-Alignment-Idee in Zeiten der Digitalisierung, positionieren lässt. Die Digitalisierung und insbesondere der Begriff der digitalen Transformation bilden somit eine erste elementare Grundlage für das weitere Verständnis der Entwicklung hin zu einem neuen Ansatz einer in die Fachbereiche integrierten IT-Funktion.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 C. Grawe, Business/IT-Integration, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40132-0_2
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24
2.1.1
2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Begriffsabgrenzung: Digitization, Digitalisierung und digitale Transformation
Der Begriff der Digitalisierung findet zunehmend Verwendung und wird in Diskussionen über innovative sozio-technische Entwicklungen, wie etwa Big Data, Cloud Computing, Social Media oder Industrie 4.0, in Gesellschaft, Wissenschaft und wirtschaftlicher Praxis immer wieder als ein Auslöser für Veränderungen vielfältiger Art positioniert (vgl. Bockshecker et al. 2018, S. 11; Legner et al. 2017, S. 301; El Sawy et al. 2016, S. 142; Urbach et al. 2017, S. ii). Um sich dem Begriff der Digitalisierung zu nähern und eine für diese Ausarbeitung gültige Definition abzuleiten, müssen zunächst einige Abgrenzungen vorgenommen werden. Es ist beobachtbar, dass es an einer klaren und allgemeingültigen Definition von Digitalisierung mangelt und auch Begriffe wie Digitization oder digitale Transformation oft synonym Verwendung finden, was es zu überprüfen gilt. So bezeichnen etwa El Sawy et al. (2016, S. 142) digitale Transformation (original: „Digital transformation“) etwa als „north american term for digitalization“, wodurch eine Gleichsetzung zunächst suggeriert wird. Auch werden die Begriffe Digitization und Digitalisierung beliebig austauschbar verwendet, ohne auf Unterschiede einzugehen (vgl. Legner et al. 2017, S. 301). So nennen auch Schallmo und Williams Digitization im Zusammenhang mit smarten, schnelleren Leistungen, die Kunden angeboten werden können und digitalisierte Geschäftsmodelle klassifizieren (vgl. Schallmo und Williams 2017, S. 1). Auch bei Lyytinen et al. (2016) findet der Begriff Digitization Anwendung im Kontext digitaler Produktinnovationen. Zudem muss an dieser Stelle angemerkt sein, dass die unterschiedlichen Begriffsverständnisse auch auf unterschiedliche sprachliche Übersetzungen zurückzuführen sind. So kann etwa der englische Begriff Digitization mit dem Begriff der Digitalisierung übersetzt werden, ohne auf mögliche Unterschiede in den Bedeutungen Rücksicht zu nehmen. Damit kann angenommen werden, dass in englischsprachiger Literatur keine explizite Unterscheidung, etwa zwischen Digitalisierung und Digitization vorgenommen wird. In Literatur, die dem deutschsprachigen Raum entstammt, kann jedoch eine weitere Differenzierung der Begriffe Digitization, Digitalisierung und Digitale Transformation erkannt werden, auf die in dieser Ausarbeitung Bezug genommen werden soll. Zusammenfassend zeigt sich also, dass eine gewisse Unklarheit in der Begriffsverwendung von Digitization, Digitalisierung als auch digitaler Transformation besteht, die an dieser Stelle durch Gegenüberstellung und Klärung der Begriffe beseitigt werden soll.
2.1 Digitalisierung in Organisationen
25
2.1.1.1 Zum Begriff der Digitization Als Digitization wird der „technical process of converting analog signals into a digital form, and ultimately into binary digits“ verstanden (vgl. Legner et al. 2017, S. 301; eine ähnliche Erklärung findet sich bei: Bleicher und Stanley 2016, S. 63). Der Begriff Digitization nimmt also zunächst eine technische Perspektive ein und entkoppelt Informationen von ihren Trägern, Übertragungen und Verarbeitungen. Somit werden Informationen aus technischer Sicht betrachtet und wie diese abgebildet werden können. Als Beispiel für eine solche Abbildung von Informationen sei der Binärcode genannt, indem mittels der beiden Zeichen „0“ und „1“ sämtliche Informationen durch verschiedene Anordnungen der Zeichen eindeutig identifizierbar sind (vgl. Wüst 2011, S. 10 f.). Digitization beschreibt also die Abbildung bestimmter Informationen in einem digitalen Format, wie etwa EBooks, gespeicherte Musik, digitale Fotos oder auch online-Kartenmaterial (vgl. Freitas Junior et al. 2016, S. 2). Dieser Begriffsauffassung wird auch in dieser Ausarbeitung gefolgt. Nachfolgend ist die Definition des Digitization-Begriffes nochmals herausgestellt: Digitization beschreibt die Umwandlung beliebiger Signale in eine digitale Form und beschreibt damit einen rein technischen Prozess. Während der Digitization-Begriff also aus einer technischen Perspektive heraus betrachtet wird und eine Umwandlung von Signalen beschreibt, ist der Begriff der Digitalisierung weiter gefasst (vgl. Klötzer und Pflaum 2017, S. 4211; Legner et al. 2017, S. 301; Bockshecker et al. 2018, S. 8). Somit kann für den Begriff der Digitization alternativ auch der Begriff der Digitalisierung im engeren Sinne Verwendung finden, der lediglich auf die technischen Aspekte verweist.
2.1.1.2 Zum Begriff der Digitalisierung Es bleibt anzumerken, dass in der Literatur viele unterschiedliche Definitionen des Digitalisierungs-Begriffes zu finden sind, was auf die weitreichende Bedeutung und unterschiedlichen Ausprägungen in den jeweiligen Wissenschaftsdisziplinen zurückzuführen ist. Legner et al. (2017, S. 301) greifen die Abgrenzung zum Digitization-Begriff auf und beschreiben Digitalisierung mit „manifold sociotechnical phenomena and processes of adopting and using (…) technologies in broader individual, organizational, and societal contexts“.
26
2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Eine ähnliche Definition findet sich bei Bockshecker et al. (2018, S. 8), die Digitalisierung als „the state of an organization or a society referring to its current digital development and usage of Information and communication technology innovations“ beschreiben. Daneben merken auch sie an, dass Digitalisierung dabei auf technische als auch soziale Elemente gleichermaßen Bezug nimmt (vgl. Bockshecker et al. 2018, S. 8). Eine weitere Definition des Beratungs- und Analyseunternehmens Gartner (2020a, o.S.) referenziert auf das wirtschaftliche Handeln von Organisationen und beschreibt Digitalisierung als „use of digital technologies to change a business model and provide new revenue and value-producing opportunities; it is the process of moving to a digital business“. Auch diese Definition zeigt die Erweiterung der reinen Betrachtung von Technologien um einen Zusammenhang, wodurch der Digitalisierungsbegriff weiter als der Digitization-Begriff gefasst wird. Diesem ökonomisch ausgelegten Verständnis wird auch in dieser Ausarbeitung gefolgt und Digitalisierung wie folgt definiert: Digitalisierung beschreibt das Zusammenwirken von digitalen Technologien auf der einen Seite und sozio-ökonomischen Entwicklungen auf der anderen Seite zur Generierung von Nutzensteigerungen und wirtschaftlicher Erträge. Dabei wird die technische Perspektive durch die Nutzung digitaler Technologien bedient und die soziale Perspektive durch sozio-ökonomische Entwicklungen. Als digitale Technologien werden in diesem Kontext Innovationen in Kommunikations- und Informationstechnologien verstanden, die entweder neu für eine beliebige Organisation sein können oder deren Neuartigkeit aus technologischer Entwicklung heraus entsteht und für sämtliche Organisationen gilt (vgl. Kapitel 1, zum Begriff der Innovation: Hauschildt et al. 2016). An dieser Stelle muss eine weitere Begriffsabgrenzung vorgenommen werden und auf die Unterschiede zwischen Technologie und Technik verwiesen werden. Häufig werden keine differenzierten Sichtweisen eingenommen, was insbesondere auf die Verbreitung englischsprachiger Literatur zurückgeführt werden kann. Der Begriff der Technology ist darin präsent und es findet oftmals keine Unterscheidung von Technik und Technologie statt, was wiederum die unklaren Begriffsverwendungen begründen kann (vgl. Krcmar 2015, S. 21). Trotzdem soll an dieser Stelle auf eine mögliche Unterscheidung verwiesen werden, auch wenn
2.1 Digitalisierung in Organisationen
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im Rahmen dieser Ausarbeitung aufgrund der primär zugrundeliegenden englischsprachigen Literatur dieses pauschalere Technologieverständnis beibehalten wird. Als Technologie wird im Allgemeinen die „Wissenschaft vom Einsatz der Technik“ verstanden, womit der Technikbegriff dem Technologiebegriff untergeordnet wird (Krcmar 2015, S. 20). Somit beinhaltet Technologie auch „Handfertigkeiten“ und „Können“ und kann auch im Kontext von Forschung und Entwicklung verwendet werden. Der Technikbegriff dagegen ist enger gefasst und ist anwendungsorientierter zu betrachten. Technik ist dann sowohl als „Ergebnis und Produkt bestimmter technischer Verfahren“ als auch als”Anwendungsprozesse solcher” anzusehen (Krcmar 2015, S. 21). Horlach et al. (2016, S. 1417) nennen in diesem Kontext auch den Begriff der digitalen Innovationen, die erforderlich sind, damit Geschäftsmodelle weiterhin wettbewerbsfähig bleiben. Digitale Technologien werden insbesondere auch als neuartig und entstehend beschrieben, wodurch ihnen der Charakter einer Innovation zugewiesen werden kann (vgl. Morakanyane et al. 2017, S. 438). Digitale Technologien basieren auf Hardware, Software und Netzwerken gleichermaßen (vgl. hierzu insbesondere: Brynjolfsson et al. 2018). Als Beispiele für digitale Technologien können Plattform-Technologien, mobile Endgeräte, wie etwa Smartphones und Tablets, Business Analytics oder embedded systems genannt werden (vgl. Fitzgerald et al. 2014, S. 2). Sozio-ökonomische Entwicklungen, die neben digitalen Technologien die zweite wesentliche Komponente der Digitalisierungs-Definition darstellen und damit das sozio-technische Begriffsverständnis beschreiben, können unterschiedliche Merkmale aufweisen. Grundsätzlich werden unter sozio-ökomischen Entwicklungen als Teil der Digitalisierung langfristige Tendenzen im ökonomischen Handeln als auch im sozialen Verhalten der Akteure verstanden, die im Einklang mit der Nutzung digitaler Technologien stehen (vgl. Schallmo und Williams 2017, S. 2 f.; Schallmo et al. 2017). Als Beispiel können soziale Medien genannt werden, die digitale Technologien (Plattform-Technologien) dazu nutzen, gezielt soziale Beziehungen unter den Akteuren herzustellen und aufrecht zu erhalten, wodurch sich wiederum ein angepasstes Sozialverhalten beobachten lassen kann (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 472). Als ein weiteres Beispiel kann Crowdsourcing genannt werden. Über digitale Plattformen ist es möglich, eine Vielzahl an Akteuren mit einem gemeinsamen Ziel zusammenzubringen, um ökonomische Aktivitäten durch Kollaboration umzusetzen. Dabei können Akteure selbst einen aktiven Teil von Wertschöpfungsprozessen darstellen und einen Einfluss etwa auf die Gestaltung
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
von innovativen Produkten oder Dienstleistungen nehmen (vgl. Gassmann und Enkel 2004; Gassmann 2012). So ist erkennbar, dass das in dieser Ausarbeitung vertretene Verständnis von Digitalisierung dadurch gekennzeichnet ist, dass die technologische Sicht (digitale Technologien) um eine soziale Sicht (sozio-ökonomische Entwicklungen) ergänzt oder erweitert wird. So führen digitale Technologien erst in Verbindung mit menschlichem Verhalten zu neuartigen Phänomenen, durch die letztlich Nutzensteigerungen erreicht werden können und die für die Aufrechterhaltung von Wettbewerbspositionen von Organisationen entscheidend sein können (vgl. Horlach et al. 2016, S. 1417).
2.1.1.3 Zum Begriff der digitalen Transformation Nachfolgend sei nun auf den Begriff der digitalen Transformation eingegangen, der in Literatur und Praxis weit verbreitet und häufig nicht klar von den Begriffen Digitization und Digitalisierung abgegrenzt Verwendung findet (vgl. Legner et al., S. 301). Bockshecker et al. (2018) verweisen ebenfalls auf diese unklare Begriffsverwendung und nehmen eine solche Abgrenzung vor. Sie definieren im Ergebnis digitale Transformation als „process of organizational or societal changes driven by innovations and developments of Information and communication technologies. Digital transformation includes the ability to adopt technologies rapidly and affects social as well as technical elements of business models, processes, products and the organizational structure“ (Bockshecker et al. 2018, S. 9). Der Aspekt der prozessualen Veränderungen, die organisational aber auch auf sozialer Ebene erfolgen, werden damit in den Vordergrund gestellt. Vial et al. (2019) definieren auf der Grundlage einer umfangreichen Literaturstudie digitale Transformation als „a process that aims to improve an entity by triggering significant changes to its properties through combinations of information, computing, communication, and connectivity technologies“. Damit wird ebenfalls der Aspekt der Veränderung hervorgehoben und in Bezug zur Nutzung digitaler Technologien gesetzt (Vial 2019, S. 118). Eine weitere Definition findet sich bei Fitzgerald et al. (2014), die digitale Transformation als „use of new digital technologies to enable major business improvements“ ansehen. Mit dieser Definition werden ökonomische Verbesserungen herausgestellt, die durch Nutzung digitaler Technologien erzielt werden sollen. Diese Verbesserungen können sich durch Veränderung von bestehender oder durch Schaffung völlig neuer Geschäftsmodelle auswirken (Fitzgerald et al. 2014, S. 2).
2.1 Digitalisierung in Organisationen
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Eine umfangreiche Definition digitaler Transformation leiten Schallmo et al. (2017) ab, die auf das Zusammenwirken von Akteuren aller Wertschöpfungsstufen und neuen Technologien referenzieren. Sie definieren digitale Transformation als „skills that involve the extraction and exchange of data as well as the analysis and conversion of that data into actionable information. This information should be used to calculate and evaluate options, in order to enable decisions and/or initiate activities“. Sie ergänzen Ihre Definition dabei um die Anmerkung, dass digitale Transformation Unternehmen, Geschäftsmodelle, Prozesse, Beziehungen und Produkte mit einbeziehen (vgl. Schallmo et al. 2017, S. 4). Bley et al. (2016) verweisen in ihrer Definition digitaler Transformation auf eine Veränderung von Organisationen hin zu holistischen Netzwerken: „Information and Communication technology triggers and enables this „transformation“ of the company towards a holistic network. This change is necessary since it is essential to successfully implement, adopt, and use suitable software systems in order to cope with the challenges of the digital era and to execute a fitting digital business strategy“ (Bley et al. 2016, S. 2). Somit wird deutlich, dass Unternehmen, bzw. Organisationen verstärkt in die Betrachtung rücken und langfristige organisationale Anpassungen als Transformation angesehen werden (vgl. Morakanyane et al. 2017, S. 435). Eine ähnliche Sicht wird auch in der Definition von Hess et al. (2016) deutlich, die ebenfalls Organisationen in den Vordergrund der Transformation stellen. Sie definieren digitale Transformation wie folgt: Digitale Transformation „is concerned with the changes digital technologies can bring about in a company’s business model, which result in changed products or organizational structures or in the automation of processes“ (Hess et al. 2016, S. 124). Wie sich die digitale Transformation in Organisationen letztlich auswirkt, muss im konkreten Fall entschieden und betrachtet werden. Jedoch merken Morakanyane et al. (2017) an, dass digitale Transformation mit den Attributen radikal, disruptiv, evolutionär, kontinuierlich und komplex beschrieben werden kann. Sie schlagen in diesem Zusammenhang vor, digitale Transformation eher als einen evolutionären Vorgang zu betrachten, den sie als schrittweise und fortlaufende Anordnung von Aktivitäten bezeichnen, um weitreichende Veränderungen über eine gewisse Zeitperiode hinweg in Organisationen vorzunehmen (vgl. Morakanyane et al. 2017, S. 436–438). Synthetisierend wird das für diese Ausarbeitung gültige Begriffsverständnis abgeleitet und digitale Transformation wie folgt definiert:
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Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Digitale Transformation beschreibt das Umsetzen organisationaler Veränderungen, die erforderlich sind, um Nutzensteigerungen durch digitale Produkte, Dienstleistungen und Prozesse erreichen und etablieren zu können. Damit wird unter digitaler Transformation vielmehr der Weg in Organisationen hin zur Digitalisierung verstanden, der mit Blick auf oben gezeigte Digitalisierungs-Definition eine Generierung von Erträgen und eine Nutzensteigerung aus wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Sicht nach sich ziehen kann. Im weiteren Verlauf dieses Abschnittes soll nun auf Merkmale digitaler Transformation gesondert eingegangen werden, um ein Verständnis dafür zu erzeugen, wie weitreichend sich dieser Transformationsprozess in Organisationen ausgestalten lässt. Morakanyane et al. (2017) beschreiben sog. Treiber digitaler Transformation, die sie als Attribute beschreiben, die den Transformationsprozess beeinflussen und zugleich ermöglichen. Sie identifizieren als Treiber digitale Fähigkeiten (original: „Digital capabilities“), digitale Reife (original: „Digital maturity“), digitale Technologien, Strategien, Geschäftsmodelle und Wertketten (vgl. Morakanyane et al. 2017, S. 432). Unter digitalen Fähigkeiten werden in diesem Kontext „technology skills possessed or required by employees, customers and other stakeholders in different areas that can enable the organization to thrive in a digital environment“ verstanden (Morakanyane et al. 2017, S. 438). Eine andere Definition digitaler Fähigkeiten stellt fest, dass „The skills needed go beyond pure IT to include specific technologies such as social media or mobile, as well as the analytic skills to drive value (…)“ (Westermann et al. 2012, S. 2). Um die weitreichende Bedeutung digitaler Transformation für Organisationen weiter hervorzuheben, sei an dieser Stelle zunächst auf die „sieben Phänomene“ digitaler Transformation verwiesen, die von Bockshecker et al. (2018) identifiziert sind. Diese sind Kollaboration, Sharing, Kommunikation, Vernetzung, Flexibilität, Mobilität und Co-Creation (vgl. hier und im Folgenden: Bockshecker et al. 2018, S. 9–13). Eine stark ausgeprägte Kollaboration innerhalb von Organisationen, bspw. über Hierarchie und Abteilungsgrenzen hinweg, als auch außerhalb des Unternehmens, zu Kunden und anderen Anspruchsgruppen, wird als wichtige Eigenschaft erfolgreicher digitaler Transformation betrachtet. Unter Sharing wird allgemein eine Kultur des Teilens verstanden, die durch zahlreiche Organisationen mit Sharing-Geschäftsmodellen bedient wird. Als Beispiele können Carsharing- oder Couchsurfing-Geschäftsmodelle genannt werden, die durch Nutzung digitaler
2.1 Digitalisierung in Organisationen
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Technologien, insbesondere durch Plattform-Technologien, charakteristisch für die Digitalisierung sind und Nutzensteigerungen ohne Eigentumsübertragungen erzeugen (vgl. Plenter 2017, S. 1; Kathan et al. 2016, S. 2 f.; Li et al. 2017, S. 2). Die Nutzung digitaler Technologien hat in besonderem Maße einen Einfluss auf die Kommunikation, die durch eine „immer und überall verfügbar“-Mentalität insbesondere schneller erfolgen kann (vgl. hierzu insbesondere: Köffer 2015, S. 4 f.) Daneben entstehen neue Kommunikationskanäle, mit denen Organisationen in Kontakt zu Kunden und anderen Anspruchsgruppen treten und diesen aufrechterhalten können. Auch die interne Kommunikation kann durch Nutzung entsprechender Technologien, wie etwa durch interne Chat-Programme oder mobile Endgeräte mit Kommunikations-Anwendungen, erweitert und vereinfacht werden (vgl. zu digitalen Kommunikationskanälen ausführlich: Gimpel et al. 2016). Die Vernetzung als weiteres Phänomen digitaler Transformation beschreibt die Möglichkeiten, durch Nutzung digitaler Technologien, wie etwa Sensortechnik, mobilen Technologien oder dem „Internet of things“ eine Vernetzung und damit Interaktion von sämtlichen an der Wertschöpfung beteiligten Instanzen, die menschlicher als auch technischer Art sein können, aufzubauen (vgl. Prince 2017, S. 132). Dies gilt als wesentliches Merkmal digitaler Transformation und insbesondere digitalisierter Prozesse, wie sie im Rahmen von Industrie 4.0 diskutiert werden (vgl. Abschnitt 2.1.3). Das Phänomen der Flexibilität beschreibt die Fähigkeit, durch Nutzung digitaler Technologien bspw. schneller auf Trends reagieren zu können, und zum anderen durch flexiblere Verhaltensweisen in Organisationen neue Arbeitsweisen, wie bspw. virtuelle Teamarbeit, oder auf kurzfristige Änderungen angepasste Prozesse zu implementieren (vgl. hierzu ausführlich: Deshpande et al. 2016). Eng verbunden mit dem Phänomen der Kommunikation ist das Phänomen der Mobilität anzusehen, das besonders durch Nutzung mobiler Technologien geprägt ist, wodurch die bereits angesprochene „immer und überall verfügbar“-Mentalität immobile Arbeitsorganisationsformen stark verändert (vgl. Deshpande et al. 2016, S. 3) Als weiteres Phänomen digitaler Transformation gilt die sog. Co-Creation, die beschreibt, dass Kunden oder Anspruchsgruppen in die Leistungserstellung eingebunden werden, und somit selbst einen Teil der Wertschöpfung übernehmen. Als Beispiel kann hier das Geschäftsmodell von Nike genannt werden, das Kunden erlaubt, durch Nutzung digitaler Technologien, wie eine entsprechende interaktive Gestaltungs-Plattform, Sportschuhe individuell zu gestalten (vgl. zur Thematik der Co-Creation: Lipusch et al. 2020).
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Die Darstellung dieser sieben Phänomene unterstreicht an dieser Stelle nochmals die weitreichende Bedeutung digitaler Transformation, die nicht nur intern in Organisationen zu gestalten ist, sondern gleichermaßen Kunden und andere Anspruchsgruppen auf externer Seite miteinbeziehen muss. Nachdem in diesem Abschnitt die Begriffe Digitization, Digitalisierung und digitale Transformation abgegrenzt sind, gilt es nun, diese nochmals in einen Zusammenhang zu stellen, um das dieser Ausarbeitung zu Grunde liegende Verständnis digitaler Transformation und der damit einhergehenden organisationalen Anpassung der IT-Funktion in Organisationen einordnen zu können. Die nachfolgende Abb. 2.1 fasst den Zusammenhang zwischen den Begriffen Digitalisierung und digitale Transformation in Bezug auf Organisationen nochmals zusammen, der Begriff der Digitization wird darin aufgrund seiner rein technischen Auslegung nicht weiter explizit aufgegriffen:
Organisation
Digitale Technologien
Digitale Produkte und Dienstleistungen Langfristiger organisationaler Wandel = digitale Transformation
Sozio-ökonomische Entwicklungen
Digitale interne und externe Prozesse
Abb. 2.1 Digitalisierung und digitale Transformation. (Eigene Darstellung)
Auf der linken Seite der Abbildung sind digitale Technologien, wie bspw. die oben bereits genannten Plattform-Technologien, mobile Endgeräte, BusinessAnalytics-Technologien oder eingebettete Systeme, angeordnet, die die technologische Perspektive innerhalb dieser Abbildung vertreten. Als zweite Komponente sind die sozio-ökonomischen Entwicklungen darunter angeordnet, die die soziale Perspektive vertreten sollen und sich ändernde Verhaltensweisen im Einklang mit der Nutzung digitaler Technologien darstellen können. Durch die schwarzen Pfeile sind die Kombination und Nutzung technologischer und sozialer Komponenten gleichermaßen angedeutet, wodurch die Digitalisierung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen erreicht werden kann, wodurch die angestrebten
2.1 Digitalisierung in Organisationen
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Innovationen letztlich generiert werden können. Durch ein solches Zusammenwirken digitaler Technologien und sozio-ökonomischer Entwicklungen können nun wirtschaftliche Erträge für Organisationen und Nutzensteigerungen auf Seiten von Nachfragern, aber auch im Inneren einer Organisation, durch digitalisierte Produkte, Dienstleistungen als auch durch digitalisierte Prozesse, erzielt werden. Um dauerhaft und langfristig diesen Zustand an Digitalisierung in Organisationen zu erreichen und aufrecht zu erhalten, werden Veränderungen in Organisationen erforderlich, die durch das Feld des organisationalen Wandels in der Abbildung vertreten sind. Diese Veränderungen, einen Zustand an Digitalisierung schließlich zu erlangen, lassen sich wiederum – wie bereits dargestellt – mit dem Begriff der digitalen Transformation beschreiben. Wie sich eine Digitalisierung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen aus organisationaler Sicht gestaltet, ist Gegenstand der weiteren Ausführungen dieses Kapitels.
2.1.2
Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen
Wie bereits im vorangegangenen Abschnitt dargestellt, können Produkte, Dienstleistungen und Prozesse durch Digitalisierung verändert, erweitert oder völlig neu gestaltet werden. Innerhalb dieses Abschnitts soll zunächst die Digitalisierung von Produkten und Dienstleistungen näher betrachtet werden, bevor auf digitalisierte Prozesse eingegangen wird.
2.1.2.1 Digitale Produkte In der Wirtschaftsinformatik-Literatur wurde der Einfluss von Innovationen in Informations- und Kommunikationstechnologien auf Strategien und Prozesse, wie bspw. vernetzte Produktionsprozesse, vorrangig und umfassender diskutiert, als Auswirkungen solcher auf Produkte. Auch ist dabei nicht trennscharf bestimmbar, wie digitale Produkte definiert werden können (vgl. Herterich und Mikusz 2016, S. 2; Novales et al. 2016, S. 1). In der Literatur sind unterschiedliche Eigenschaften digitaler Produkte genannt. So können digitale Produkte bspw. durch die Elemente „Smartness, Connectivity, Servitization“ und „Ecosystem“ beschrieben werden (vgl. Novales et al. 2016, S. 4). Eine ähnliche Beschreibung digitaler Komponenten findet sich bei Porter und Heppelmann (2014), auf die an dieser Stelle näher eingegangen werden soll. Digitalisierte Produkte sind dabei durch drei wesentliche Komponenten gekennzeichnet: Sie weisen demnach eine physische Komponente auf,
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
eine smarte Komponente und eine Vernetzungs-Komponente. Diese Komponenten lassen sich wie folgt beschreiben (vgl. hier und im Folgenden: Porter und Heppelmann 2014, S. 67–69): Physische Komponenten beschreiben die Eigenschaften eines Produktes, die grundlegend sind und auch ohne den Einfluss der Digitalisierung vorhanden sind oder bei durch Digitalisierung veränderten Produkten auch vor dieser Entwicklung feststellbar waren. Diese Komponenten können natürlicher, mechanischer oder technischer Art sein und Hauptbestandteile eines Produktes darstellen. Bspw. besteht auch ein hochgradig digitalisiertes Kraftfahrzeug nach wie vor aus physischen Bauteilen, wie Motor, Getriebe oder Karosserie. Als smarte Komponenten werden solche verstanden, die durch Nutzung digitaler Technologien dem Produkt einen Mehrwert verleihen. Hierzu zählen bspw. Sensoren, die Funktionen auslösen können oder Schnittstellen, mit denen der Benutzer in Interaktion mit dem Produkt treten kann. Als Beispiel können Fahrassistenzsysteme genannt werden oder intelligente Sprachsteuerungen technischer Produkte. Der Begriff smart wird im Kontext der Digitalisierung und digitalisierter Produkte häufig verwendet, obwohl seine ursprüngliche Bedeutung erst einmal keinen Bezug zu digitalen Technologien erkennen lässt. Der Duden beschreibt den Begriff zunächst mit den Attributen clever, intelligent oder etwa geschickt, was auf Verhaltensweisen hinweist, die sich von normalem Verhalten positiv absetzen. Zugleich kann der Begriff auch als attraktiv oder mondän beschrieben werden, was eine gewisse Exklusivität suggeriert. Bei Übertragung dieser Eigenschaften auf technologische Anwendungen oder Produkte lässt sich schließlich ein Bezug zur oben dargestellten DigitalisierungsDefinition erkennen, indem digitale Technologien positiver gegenüber nichtdigitalen Technologien bewertet werden und durch Modernität und Attraktivität auch dem Trendbegriff nahekommen. Yoo et al. (2012) beschreiben den Begriff smart als Produkteigenschaft, die viele unterschiedliche Funktionen zusammenfasst. Bspw. bietet ein Smartphone viele unterschiedliche Funktionen, wie Telefonieren, Fotografieren oder Internet-Nutzung, wodurch das Smartphone klassischen Mobiltelefonen funktional überlegen ist (vgl. Yoo et al. 2012, S. 1399). Vernetzungs-Komponenten stellen schließlich Produkteigenschaften dar, die Anschlüsse, Sender, Empfänger oder andere technische Vernetzungskomponenten, wie etwa W-Lan-Schnittstellen, darstellen können (So auch dargestellt bei: Novales et al. 2016; Lusch und Nambisan 2015). Porter und Heppelmann (2014) unterscheiden drei Formen der Vernetzung: „One-to-one“-Vernetzung beschreibt dabei die Vernetzung von einem Produkt
2.1 Digitalisierung in Organisationen
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hin zu einem Empfänger, der menschlich aber auch technischer Art sein kann. Z. b. das automatische Übermitteln von Messdaten an ein einzelnes Endgerät. „One-to-many“-Vernetzung beschreibt hingegen eine Vernetzung eines Empfängers hin zu vielen Sendern, die wiederum menschlich oder technisch sein können. Bspw. senden viele Google-Maps-Nutzer Live-Daten an eine zentrale Station, die mit diesen Daten für alle nutzbare Verkehrsinformationen bereitstellt. Die sog. „Many-to-many“-Vernetzung beschreibt wiederum einen Austausch von Daten oder Informationen zwischen vielen Sendern und vielen Empfängern. Beispielsweise seien untereinander vernetzte Kraftfahrzeuge genannt, die Daten und Informationen austauschen, um einen störungsfreien Verkehrsfluss zu erreichen (vgl. Porter und Heppelmann 2014, S. 67 f.). Als ein Beispiel für ein digitales Produkt, das diese Komponenten im Wesentlichen beinhaltet und sich anhand dieser klassifizieren lässt, sei die digitale Modelleisenbahn genannt. Anhand dieses Beispiels lässt sich auch die Weiterentwicklung im Zeitverlauf von einem traditionellen physischen elektro-mechanischen Produkt hin zu einem vernetzten und intelligenten Produkt beschreiben: Zunächst beschreibt die physische Komponente insbesondere mechanische und elektronische Eigenschaften der Modelleisenbahn. Bspw. bestehen Lokomotiven aus Fahrgestellen, Getrieben, Gehäusen und Elektronik. Auch bevor diese Lokomotiven als digitale Produkte angesehen worden sind und auf analoger Technik beruhten, waren diese physischen Komponenten vorhanden. Die smarte Komponente beschreibt nun eine Zusatzkomponente, die das physische Produkt um digitale Technologien erweitert. Digitale Modelleisenbahnen sind grundsätzlich mit einem Digitalbaustein, einem sog. Digital-Decoder ausgestattet, der eine einfache analoge Steuerung des Fahrverhaltens über Regulierung der Stromspannung durch digitale Signale einer computergestützten Steuerung ersetzt. So können Modelle unabhängig voneinander und miteinander interagierend im gleichen Stromsystem betrieben werden und unzählige Zusatzfunktionen, wie Geräusch- oder Lichtfunktionen betrieben werden. Auch können digitale Lokomotiven und Züge als auch digitale Signale und Weichen über Smartphoneoder Tablet-Oberflächen mit entsprechenden Apps gesteuert werden (vgl. Märklin 2021b). Die Vernetzungs-Komponente wird im Rahmen digitaler Modelleisenbahn durch entsprechende Bauteile in den Steuerungs-Computern oder deren Software, sowie in den Modellen selbst erfüllt. So können Modelle in einem System sich gegenseitig beeinflussen und selbst mit anderen Bauteilen des Systems, wie Weichen oder Signalen kommunizieren und diese eigenständig steuern. W-LanSchnittstellen, bspw. für die Steuerung über Smartphone- oder Tablet-Oberflächen
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
sind zudem verbreitet und erlauben eine Vernetzung mit den Endgeräten der Nutzer, die über eine entsprechende App verfügen (Märklin 2021a). Erwähnenswert ist die hohe Kompatibilität der Modelle zu digitalen Technologien. Bspw. lassen sich nahezu sämtliche alte Lokomotiven oder Züge, auch solche der 1950er Jahre, mit modernsten Digital-Decodern ausstatten. Somit lassen sich auch diese alten Modelle in moderne digitale Systeme integrieren. Physische, rein technische und mechanische Produkte können somit zu digitalen Produkten weiterentwickelt werden. Eine solche Weiterentwicklung physischer oder materieller Produkte hin zu digitalen Produkten, durch Ergänzung oder Erweiterung mit digitalen Technologien, ist in der Literatur immer wieder genannt und auch als wesentliche Eigenschaft digitaler Produkte zu verstehen (vgl. Yoo et al. 2012, S. 1398; Roecker et al. 2017, S. 1; Zammuto et al. 2007, S. 754; Novales et al. 2016, S. 5). Wie bereits erwähnt, finden sich neben den hier gezeigten Komponenten digitaler Produkte, weitere Beschreibungen von Eigenschaften in der Literatur. Die bereits dargestellten Komponenten des Smarten, sowie der Vernetzung finden sich in einigen Quellen wieder (wie z. B. bei Novales et al. 2016). Zusätzlich können bspw. noch die Elemente „Ecosystem“ und „Servitization“ genannt werden. Das „Ecosystem“ beschreibt eine Umgebung interagierender Elemente, in das digitale Produkte als eingebunden betrachtet werden (vgl. Lusch und Nambisan 2015, S. 158). Dabei können digitale Produkte in einem solchen System mit anderen Produkten oder Nutzern interagieren, was bereits im Rahmen der Darstellung der Vernetzungs-Komponente nach Porter und Heppelmann (2014) beschrieben worden ist (vgl. Novales et al. 2016, S. 7). An dieser Stelle soll lediglich veranschaulicht werden, dass in der Literatur auch alternative Begriffe für ähnliche Eigenschaften dargestellt sind. Die „Servitization“ beschreibt dabei, dass digitale Produkte ebenfalls häufig die Eigenschaft aufweisen, dass zunehmend produktbegleitende Dienstleistungen angeboten werden (vgl. Roy et al. 2009, S. 547; Malleret 2006, S. 106). Diese Dienstleistungen können durch Nutzung von Innovationen in Technologien ebenfalls als digitale Dienstleistungen bezeichnet werden, die Teile angebotener Leistungen, bzw. als Teil digitaler Produkte verstanden werden können (vgl. Barrett et al. 2015, S. 135). Damit sind oftmals digitale Produkte und digitale Dienstleistungen nicht trennscharf zu betrachten, da das zusätzliche Angebot digitaler Dienstleistungen oftmals auch den Eigenschaften digitaler Produkte zugerechnet werden kann (vgl. Barrett et al. 2015, S. 136; vgl. Novales et al. 2016, S. 7). Als Beispiel für eine produktbegleitende digitale Dienstleistung können Bestellterminals in der Systemgastronomie genannt werden, an denen Kunden Ihre Bestellungen aufgeben und bereits vorab bezahlen können. So hat
2.1 Digitalisierung in Organisationen
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das Unternehmen McDonalds sog. „Easy to order terminals“ oder das Unternehmen Vapiano sog. „Order points“ in ihren Filialen installiert, um die Wartezeiten ihrer Gäste zu verkürzen (vgl. McDonalds Ehmann 2020; Schader 2017).
2.1.2.2 Digitale Dienstleistungen Als Bestandteile von Leistungen oder als Ergänzung digitaler Produkte werden Dienstleistungen zunehmend als wettbewerbskritisch verstanden. Der englischsprachige Begriff Service wird häufig synonym für den Begriff der Dienstleistung verwendet, ohne auf Unterschiede zwischen diesen Begriffen hinzuweisen. Eine Möglichkeit, diese Begriffe unterschiedlich aufzufassen besteht darin, Dienstleistungen auch als (immaterielle) „Produkte“, bzw. als Ergebnisse von Leistungserstellungsprozessen, zu betrachten und Services als „Formen der Ausgestaltung“ (vgl. Bartsch 2010, S. 13). Auf eine weitere Unterscheidung von Dienstleistungen und Services wird jedoch aufgrund der weiten Verbreitung synonymer Begriffsverwendung, insbesondere in internationaler Literatur, verzichtet (So auch bei: Bartsch 2010, S. 13). Auch wenn häufig eine Kombination von digitalen Produkten und digitalen Dienstleistungen betrachtet wird (vgl. Yoo et al. 2012, S. 1402), soll in dieser Ausarbeitung eine Unterscheidung digitaler Produkte und digitaler Dienstleistungen vorgenommen werden. Als Dienstleistung, bzw. Service, kann im Allgemeinen ein „process of using one’s resources (e.g., knowledge) for someone’s (self or other) benefit as compared with the more traditional conceptualization of services (usually plural) as a unit of output“ verstanden werden (Barrett et al. 2015, S. 138; vgl. ausführlich zum Begriff des Services: Lusch und Vargo 2014). Weiterhin können Dienstleistungen als Interaktion zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager entsprechender Leistungen verstanden werden (vgl. Rai und Sambamurthy 2006, S. 328). Geprägt ist das Ergebnis eines solchen Prozesses durch Immaterialität (Rai und Sambamurthy 2006, S. 328; vgl. Barrett et al. 2015, S. 138). In Analogie zum Verständnis digitaler Produkte, sind digitale Dienstleistungen ebenfalls als Ergebnis der Kombination digitaler Technologien und sozio-ökonomischer Entwicklungen zu verstehen (vgl. Abb. 2.1). Informationsund Kommunikationstechnologien weisen eine hohe Bedeutung für die Gestaltung von Dienstleistungen auf und werden als fundamental für die Umsetzung von Innovationen in Dienstleistungen angesehen (vgl. Lusch und Nambisan 2015, S. 158; Yoo et al. 2012, S. 1402). Sozio-ökonomische Entwicklungen sorgen immer wieder für Veränderungen von Dienstleistungen, wie bspw. die Vermittlung von Dienstleistungen über Plattform-Geschäftsmodelle. In Zeiten
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Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
der Digitalisierung bestimmen also solche Entwicklungen, wie bspw. Crowdfunding oder Mobile Banking, die Nachfrage nach veränderten Dienstleistungen, die durch eine Organisation als extern bereitgestellte Leistungen angeboten werden, oder innerhalb der eigenen Organisation gefordert werden (vgl. Barrett et al. 2015, S. 135). Ein digitaler Service lässt sich nach Beverungen et al. (2017) als „application of digital competencies through deeds, processes, and performances for the benefit of another entity or the entity itself“ definieren. Daneben wird verdeutlicht, dass sich die Autoren auf „digital assets and digital capabilities“ beziehen, „that one entity makes available to another entity through access or temporary possession“ (Beverungen et al. 2017, S. 784). Neben dem Begriff digitaler Dienstleistungen oder digitaler Services findet sich in der Literatur häufig die Bezeichnung einer smarten Dienstleistung oder eines smarten Services. Eine Abgrenzung zum digitalen Service findet sich bspw. ebenfalls bei Beverungen et al. (2017), die als smarten Service einen Service verstehen, der durch smarte Geräte (original: „Smart devices“) unterstützt wird, und dadurch die smarten Eigenschaften Bewusstsein, Vernetzung und Betätigung (original: „Awareness“, „Connectivity“ und „Actuation“) vereint. Zugleich wird ein smarter Service als Teil eines sozio-technischen Systems angesehen (vgl. Beverungen et al. 2017, S. 784). Auch Allmendinger und Lombreglia (2005) greifen den Begriff eines smarten Service auf und beschreiben diesen als auf Daten basierend, die aus Sensoren eines intelligenten und vernetzten Produktes stammen (vgl. Allmendinger und Lombreglia 2005, S. 131). Durch diese Beschreibung zeigt sich erneut die unmittelbare Verbundenheit von digitalen Dienstleistungen oder Services mit digitalen Produkten, die in der Literatur in vielen Fällen als Eigenschaft digitaler Dienstleistungen betrachtet wird (vgl. Koldewey et al. 2019, S. 4). Diese digitalen oder smarten Dienstleistungen können jedoch auch unabhängig angeboten werden, oder als ergänzende Leistungen, die dann nicht zwingend für das wirtschaftliche Handeln erforderlich sind, jedoch einen zusätzlichen Mehrwert bieten (vgl. Wellsandt et al. 2017, S. 6). Als eine weitere Eigenschaft digitaler Dienstleistungen kann die individuelle Gestaltung (auch als Customizing bezeichnet) genannt werden. Insbesondere im Zusammenhang mit smarten Dienstleistungen werden individuelle Kundenanforderungen als Basis für das Angebot entsprechender Dienstleistungen verstanden, die dann mittels Einsatz digitaler Technologien auch schnell und kostengünstig bereitgestellt werden können (vgl. Koldewey et al. 2019, S. 5). Zusammenfassend lassen sich also folgende Eigenschaften digitaler Dienstleistungen oder Services herausstellen:
2.1 Digitalisierung in Organisationen
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Zunächst sind auch digitale Dienstleistungen, wie auch Dienstleistungen im eigentlichen Sinne, durch eine immaterielle Leistung geprägt. Sie vereinen daneben digitale Technologien und sozio-ökonomische Entwicklungen, und lassen sich somit in die oben gezeigte Digitalisierungs-Definition einordnen. Sie basieren häufig auf Nutzung von Daten und ergänzen häufig ein digitales Produkt mit dem Ziel einen Zusatznutzen zu erzeugen. Digitale Dienstleistungen sind dabei individualisiert und können durch Nutzung digitaler Technologien auch schneller und kostengünstig bereitgestellt werden (vgl. Wellsandt et al. 2017, S. 6). Als Beispiel für eine digitale Dienstleistung sei die digitale Vermögensverwaltung cominvest der Comdirect Bank genannt (vgl. Comdirect 2021). Die angebotene Leistung, ein ermittelter Vorschlag zur Geldanalage, ist dabei immateriell. Digitale Technologien sind zum einen in der angebotenen Banking-Plattform zu sehen und zum anderen in den für den Nutzer im Hintergrund agierenden Analyse-Anwendungen, die basierend auf großen Datensätzen unterschiedlicher Anlagemöglichkeiten passende Analagestrategien errechnen. Die digitale Vermögensverwaltung folgt dem Trend des zunehmend geforderten digitalen Bankings und der damit einhergehenden zunehmenden Verlagerung von Bankgeschäften und Beratungen aus Filialen in Internetportale. Die digitale Vermögensberatung ist zudem immer individuell für jeden Nutzer erstellt und ergänzt in der Regel bereits vorhandene digitale Produkte, wie bspw. Konten oder Anlage-Depots. Zusammenfassend wurden in diesem Abschnitt digitale Produkte und digitale Dienstleistungen beschrieben und diese jeweils als Kombination digitaler Technologien mit sozio-ökonomischen Entwicklungen angesehen. Damit stellen digitale Produkte und Dienstleistungen für Organisationen Ergebnisse der Digitalisierung dar, die den Nachfragern angeboten werden können. In Abb. 2.1 stellen neben digitalen Produkten und Dienstleistungen auch digitale Prozesse ein Ergebnis der Kombination digitaler Technologien mit sozio-ökonomischer Entwicklungen dar. Die Erläuterung digitaler Prozesse ist Gegenstand des nachfolgenden Abschnitts.
2.1.3
Digitalisierung von Prozessen
Bezogen auf wirtschaftliches Handeln kann der Prozessbegriff enger als Geschäftsprozess gefasst werden, der eine „Abfolge von zeitlich und sachlich zusammenhängenden Tätigkeiten zur Erstellung eines betriebswirtschaftlich relevanten Ergebnisses“ darstellt (Heinrich et al. 2014, S. 305). Davenport und Short (1990) definieren den Geschäftsprozess als „set of logically related tasks performed to achieve a defined business outcomes“ (Davenport und Short 1990, S. 12).
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Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Dabei ist anzumerken, dass ein spezifischer Output für einen spezifischen Kunden oder einen bestimmten Markt generiert wird (vgl. Davenport und Short 1990, S. 12). Aus dieser Definition geht hervor, dass Geschäftsprozesse organisatorische Grenzen überschreiten können, wenn bspw. externe Kunden adressiert werden. Allerdings können Kunden eines Geschäftsprozesses auch als intern in einer Organisation gesehen werden, die Ergebnisse eines Prozesses in Anspruch nehmen. Hierzu wird zwischen einem externen und einem internen Kunden unterschieden (zur Unterscheidung von internen und externen Kunden: Davenport und Short 1990, S. 12 f.). Geschäftsprozesse lassen sich weiter in Führungs-, Kern- und Unterstützungsprozesse unterscheiden (vgl. Heinrich et al. 2014, S. 307 f.; Gadatsch 2020, S. 8). Bevor auf die Digitalisierung von Prozessen eingegangen wird, ist diese Unterscheidung an dieser Stelle erforderlich, da mit der Diskussion um die Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen eine Veränderung dieser auf den unterschiedlichen Prozess-Ebenen erarbeitet wird. Zu den Führungsprozessen (häufig auch Managementprozesse genannt) lassen sich i. d. R. Prozesse zuordnen, die die Führung und Entwicklung von Organisationen darstellen. Kernprozesse stellen Prozesse dar, die eine hohe strategische Bedeutung für eine Organisation aufweisen und die Umsetzung und kontinuierlichen Weiterentwicklung der jeweiligen Kernkompetenzen sicherstellen (vgl. hierzu auch: Schmelzer und Sesselmann 2020, S. 83). Kernprozesse bilden also die primäre Leistungserstellung von Organisationen ab, die zur Erreichung wirtschaftlicher Ziele erstellt und angeboten werden, und damit in erster Linie für die Wertschöpfung verantwortlich sind. Unterstützungsprozesse hingegen werden, wie der Begriff bereits verdeutlicht, als die Kernprozesse unterstützend angesehen. Sie haben für Kunden i. d. R. keinen unmittelbaren Nutzen und eignen sich aufgrund von Standardisierung eher für Outsourcing-Vorhaben (vgl. Heinrich et al. 2014, S. 308; Gadatsch 2020, S. 8–10). Die nachfolgende Abb. 2.2 in Form einer sog. Prozesslandkarte, zeigt nochmals die weitere Unterscheidung eines Geschäftsprozesses:
2.1 Digitalisierung in Organisationen
Management-Ebene
Primäre Wertschöpfung
Führungsprozess 1
Führungsprozess 2
Führungsprozess 3
Kernprozess 1
Kernprozess 2
Kernprozess 3
unterstützt
unterstützt
unterstützt
UnterstützungsEbene
41
Unterstützungsprozess 1
Unterstützungsprozess 2
Unterstützungsprozess 3
Abb. 2.2 Führungs-, Kern- und Unterstützungsprozesse. (In Anlehnung an: Gadatsch 2020, S. 10)
Wie bereits beschrieben, sind Prozesse in Organisationen unmittelbar durch die Digitalisierung beeinflusst und stellen sich verändernde Elemente dar, die durch Kombination digitaler Technologien und sozio-ökonomischer Entwicklungen geprägt sind (vgl. Hess et al. 2016, S. 134). Die Digitalisierung von Prozessen wird in der Literatur aus vielfältigen Sichten heraus vorgenommen, was darauf zurückzuführen ist, dass Prozesse im allgemeinen sämtliche Aufgaben einer Organisation darstellen (vgl. Novales et al. 2016, S. 1). Somit lassen sich bspw. digitalisierte Beschaffungsprozesse, digitalisierte Produktionsprozesse, digitalisierte Vertriebsprozesse als auch digitalisierte Kommunikationsprozesse beschreiben. Um Prozesse mit digitalen Technologien zu unterstützen, muss jedoch beachtet werden, dass implementierte Prozesse in Organisationen häufig das Ergebnis langer Entwicklung sind und häufig eingespielte Routinen darstellen, die nur schwer verändert werden können (vgl. Sjödin et al. 2018, S. 25). Digitalisierte Prozesse, oder vielmehr digitalisierte Geschäftsprozesse, stellen in Anlehnung an die Geschäftsprozess-Definition nach Davenport und Short (1990) eine Ansammlung von Aktivitäten zur Erreichung eines Arbeitsergebnisses dar, die durch digitale Technologien unterstützt sind und sich an veränderte sozio-ökonomische Effekte berücksichtigen (bspw. veränderte Nachfrage nach digitalen Kommunikationsprozessen). Baiyere (2018) erklärt zudem, dass ein spezifisches Ziel definiert sein sollte, das wiederum die Entwicklung und Implementierung von sog. „digital practices“ auslöst. Solche „digital practices“ stellen Bündel von Aktivitäten dar, die Organisationen im Kontext ihrer digitalen Transformation verfolgen. Daneben beschreiben sie die Veränderungen von Organisationen und zielen auf eine ganzheitliche Betrachtung mit einer kollektiven Denkweise ab (vgl. Baiyere 2018, S. 1). An dieser Stelle zeigt sich, dass unter dem Begriff digitaler Prozesse auch solche Aktivitäten verstanden werden können, die durchzuführen sind, um einen
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Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Zustand an Digitalisierung in Organisationen zu erreichen. Nachfolgend soll jedoch das Begriffsverständnis gelten, dass digitale Geschäftsprozesse innovative betriebliche Prozesse darstellen, die durch den Einsatz digitaler Technologien hervorgerufen werden und durch neuartige sozio-ökonomische Entwicklungen geprägt sein können (vgl. Hess et al. 2016, S. 134; Gottlieb et al. 2019, S. 2). Eine ähnliche Definition findet sich auch bei Ensinger et al. (2016), die digitale Prozesse als „vernetzten Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Automatisierung betrieblicher Prozesse sowie der Entwicklung neuer Produkte und Dienste“ mit dem Ziel der „Steigerung der Wertschöpfung“ beschreiben (Ensinger et al. 2016, S. 8). Auch Bharadwaj et al. (2013) verdeutlichen, dass digitale Technologien globale Geschäftsprozesse gestalten, die es ermöglichen, grenzüberschreitend zu arbeiten und somit Restriktionen in Zeit, Distanzen und Funktionen durch den Einsatz digitaler Technologien überwinden können (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 472). So kann es ermöglicht werden, dass ursprünglich eher isoliert organisierte Prozesse durch Vernetzung und Einbindung von Schnittstellen in einem Netzwerk organisiert werden, worin sämtliche an der Wertschöpfung beteiligte Instanzen zusammenwirken. Somit verändert sich die Prozessorganisation von einer Funktionsorientierung, die einzelne Prozess-Silos hervorrufen kann, hin zu in einer Netzwerkorganisation, die mit digitalen Technologien eine Echtzeit-Verknüpfung mit allen relevanten internen und externen Instanzen eines Prozesses ermöglichen kann (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 474, 476; Rai et al. 2012, S. 7). Durch Digitalisierung von Geschäftsprozessen sollen Abläufe in Organisationen durch technologische Unterstützung effizienter, produktiver, kostengünstiger und mit höherer Leistung und höheren Margen umgesetzt werden können (vgl. Ensinger et al. 2016, S. 8; Bharadwaj et al. 2013, S. 476). Digitale Prozesse werden in der Literatur meist in einem jeweiligen Kontext, d. h. innerhalb von Anwendungsbereichen, näher anhand ihrer Eigenschaften beschrieben, wodurch eine allgemeine Darstellung des digitalen Prozessbegriffes nur seltener beschrieben wird. Bspw. finden sich Darstellungen digitalisierter Prozesse in Bildungsinstitutionen (vgl. Gottlieb et al. 2019) oder in öffentlichen Verwaltungen (vgl. Brüggemeier 2019), sowie Darstellungen digitalisierter Entscheidungsprozesse (vgl. Hamilton und Lynch 2012; Bharadwaj et al. 2013, S. 476 f.) oder digitalisierter Produktionsprozesse (vgl. Prince 2017). Im nachfolgenden Teil dieses Abschnittes soll exemplarisch auf digitalisierte Produktionsprozesse eingegangen werden, um die Unterstützung strukturierter Aktivitäten zur Erstellung eines Outputs durch den Einsatz digitaler Technologien zu verdeutlichen.
2.1 Digitalisierung in Organisationen
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Digitale Produktionsprozesse – Zum Begriff der Industrie 4.0 Die Produktion von Gütern im Kontext der Digitalisierung und die prozessuale Betrachtung der entsprechenden Aktivitäten, die durch digitale Technologien unterstützt sind, werden auch unter dem Begriff „Industrie 4.0“ in Literatur und Praxis umfassend diskutiert. Dabei ist jedoch nicht abschließend geklärt, was der Begriff „Industrie 4.0“ und insbesondere die Versionierung „4.0“ bedeutet. Es handelt sich vielmehr um ein Modewort, das jedoch weite Verbreitung auch in internationaler wissenschaftlicher Literatur aufweist, sodass die digitale Produktion von Gütern unter dem Begriff „Industrie 4.0“ verstanden werden kann (vgl. Prince 2017, S. 132; Giordano 2019, S. 24; Kagermann et al. 2013, S. 17). Die Versionierung ist dabei nicht klar abgrenzbar und zeitlich vor dem Aufkommen des „Industrie 4.0“-Begriffes auch nicht explizit verwendet worden. So existierten zu Zeiten der ersten und späteren industriellen Revolutionen keine Zählungen im Sinne von bspw. Industrie 1.0, 2.0 oder 3.0 (eine Übersicht, die die verschiedenen industriellen Entwicklungsstufen gegenüberstellt, findet sich bei: Kagermann et al. 2013, S. 17). Industrie 4.0 wird häufig als vierte industrielle Revolution bezeichnet, wobei zu diskutieren ist, ob sich diese Entwicklung überhaupt dem Revolutionsbegriff zuordnen lässt. Als Revolution wird im Allgemeinen zunächst eine „Umwälzung bzw. Veränderung tiefgreifender Art“ verstanden und wird zur Charakterisierung von Veränderungen in sämtlichen Bereichen verwendet, wodurch sich wissenschaftliche, kulturelle, industrielle oder auch modische Revolutionsbegriffe ergeben (vgl. Widmeyer 2000, S. 607). Eine Revolution wird meist als grundlegende und nachhaltige strukturelle Veränderung eines oder mehrerer Systeme verstanden, die entweder friedlich oder gewaltsam erfolgt und zeitlich abrupt und in kurzer Zeit stattfindet (vgl. Andelfinger 2017, S. 3). Vor diesem Hintergrund ist zu diskutieren, ob die hier betrachtete Veränderung der Produktion von Gütern im Sinne einer Digitalisierung von Produktionsabläufen überhaupt als weitere (industrielle) Revolution verstanden werden kann (vgl. Carvalho et al. 2018, S. 672). Die Umstellung hin zu einer vernetzten und intelligenten Produktion im Sinne des Industrie 4.0-Begriffes kann jedoch auch vielmehr als langsamer und evolutionärer Prozess, statt abruptem Umsturz im Sinne einer Revolution, gesehen werden (vgl. Andelfinger 2017, S. 3). Auch wenn eine gewisse Unklarheit über das Ausmaß an Veränderung der Produktion hin zur Industrie 4.0 bestehen bleibt, werden dem Industrie 4.0-Begriff gewisse Eigenschaften zugeschrieben, die diesen Begriff prägen. Als Industrie 4.0 wird allgemein die Digitalisierung der Produktionsprozesse verstanden. Industrie 4.0 kann demnach wie folgt definiert werden: “Industry 4.0, has been perceived as a collective term for technologies and concepts of value chain organization.
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Within modular intelligent manufacturing factories 4.0, Cyber-Physical Systems (CPS) monitor physical processes, create a virtual copy of the physical world, and make decentralized decisions” (Carvalho et al. 2018, S. 672). Eine weitere Definition greift ebenfalls den Einsatz digitaler Technologien in der Produktion auf und bezeichnet Industrie 4.0 wie folgt: „Industry 4.0 refers to the digital manufacturing system provided by the successful integration of production processes, information technologies, and techniques“ (Kamble et al. 2020, S. 2). Auch innerhalb des begriffsprägenden Abschlussberichts des interdisziplinären „Arbeitskreises 4.0“ unter Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird der Begriff definiert und auf seine weitreichenden Implikationen für Organisationen verwiesen. Industrie 4.0 wird demnach als „technische Integration von CPS in die Produktion und die Logistik sowie die Anwendung des Internets der Dinge und Dienste in industriellen Prozessen – einschließlich der sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Wertschöpfung, die Geschäftsmodelle sowie die nachgelagerten Dienstleistungen und die Arbeitsorganisation“ verstanden (Kagermann et al. 2013, S. 18). In den dargestellten Definitionen lassen sich bereits einige Technologien erkennen, die eine Industrie 4.0 auszeichnen. Sog. Cyberphysische Systeme (CPS) und das Internet der Dinge (oder Internet of things = IoT) werden als Charakteristika digitalisierter Produktionen immer wieder genannt (vgl. Prince 2017, S. 133; Kagermann et al. 2013, S. 18; Kamble et al. 2020, S. 2). Die Grundlage zum Aufbau einer digitalen Produktion liegt in der Vernetzung und in der Kommunikation zwischen den an der Wertschöpfung beteiligten Komponenten begründet (vgl. Kagermann et al. 2013, S. 23). Unter CPS wird die Integration sämtlicher Komponenten verstanden, die einen Beitrag zur Wertschöpfung leisten und die gleichzeitig eingebettete Systeme enthalten, die kommunikationsfähig ausgestaltet Dies können vor allem Produktionsmaschinen, aber auch Gebäude, Logistikkomponenten oder sämtliche Elemente der Infrastruktur sein. Mit Hilfe entsprechender Sensoren, Prozessoren und Speicher wird den Komponenten so viel „künstliche“ Intelligenz verliehen, dass diese über eine geeignete Infrastruktur, etwa dem Internet der Dinge, untereinander sowie auch mit Menschen in Organisationen kommunizieren können sind (vgl. Bauernhansl 2017, S. 11–13; Kagermann et al. 2013, S. 23). Somit ist es in einer Industrie 4.0 möglich, dass sich alle an der Wertschöpfung beteiligten Komponenten, physischer und menschlicher Art, sich in Echtzeit mit allen notwendigen Informationen versorgen, um sich schließlich selbst optimieren zu können. Der Begriff „Internet der Dinge“ bezeichnet die Entwicklung, dass nicht mehr allein Menschen Wissen einpflegen und abrufen, sondern zunehmend auch automatisierte, kommunikationsfähige „Dinge“ direkt miteinander verbunden sind. So wird das „Internet der
2.1 Digitalisierung in Organisationen
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Dinge“ zur geeigneten Infrastruktur der Vernetzung und Kommunikation aller Produktionskomponenten (vgl. Kagermann et al. 2013, S. 18). Zusammenfassend zeigt sich, dass digitalisierte Produktionsabläufe im Sinne des Industrie 4.0-Gedankens mit digitalen Technologien angereichert werden. Diese digitalen Technologien stellen CPS dar, die jedoch zunächst einen Sammelbegriff für weitere Vernetzungstechnologien, wie Sensoren, Sender oder Empfänger, darstellen. Das Internet der Dinge fungiert als Plattform-Technologie, mit der die CPS verbunden sind. Anhand der Industrie 4.0-Darstellung kann an dieser Stelle nochmals deutlich herausgestellt werden, wie digitale Technologien Prozesse, bzw. insbesondere Produktionsprozesse, verändern können. Neben digitalen Technologien prägen auch die bereits dargestellten sozio-ökonomischen Entwicklungen die hier betrachteten Produktionsprozesse. So können durch digitalisierte Produktionsprozesse auch Entwicklungen, die sich in verändertem Nachfrageverhalten der Kunden widerspiegeln, effizienter und kostengünstiger bedient werden. Bspw. können digitalisierte Produktionsprozesse im Sinne der Industrie 4.0-Idee dazu führen, dass Produkte kundenindividuell durch Vernetzung und Echtzeitsteuerung realisiert werden können, wodurch bspw. eine durch Customizing geprägte Realisierung von Produkten unterstützt werden kann (vgl. Abschnitt 2.1.1.2). Durch den Einsatz von CPS und einem Internet der Dinge wird es möglich, ein Netzwerk aufzubauen, in dem sämtliche Instanzen mit ihren jeweiligen Aufgaben vernetzt sind und einzelne Prozess-Silos abgebaut werden. In einer vollständig umgesetzten Industrie 4.0 lassen sich hoch individualisierte Leistungen zu Kosten einer standardisierten Massenproduktion durch Echtzeitsteuerung und Vernetzung erstellen. Als Beispiel sei hier die intelligente Fertigung von Kraftfahrzeugen der Audi AG genannt, in der mit dem Produkt in Echtzeit vernetzte Fertigungsmodule die sequenzielle Fließbandfertigung weitgehend ersetzen (vgl. Mashhour 2018, S. 20–26).
2.1.4
Zusammenfassung
Der erste Teil des zweiten Kapitels zeigte auf, wie sich Digitalisierung auf Organisationen auswirken kann. Zunächst wurden die Begriffe Digitization, Digitalisierung und digitale Transformation gegenübergestellt und voneinander abgegrenzt. Je Begriff wurde ein für diese Ausarbeitung gültiges Begriffsverständnis abgeleitet, um die in Literatur und Praxis weit verbreiteten unklaren und synonymen Begriffsverwendungen zu umgehen. Nachdem diese begrifflichen Grundlagen dargelegt wurden, wurde gesondert auf Auswirkungen der
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Digitalisierung für Organisationen eingegangen. Die Verfügbarkeit und die Nutzung digitaler Technologien im Einklang mit neuartigen sozio-ökonomischen Entwicklungen ermöglichen Organisationen eine Digitalisierung ihrer Produkte, Dienstleistungen sowie der Prozesse, was wiederum langfristige organisationale Anpassungen erforderlich erscheinen lässt. Auf langfristige Veränderungen wurde im Rahmen der Darstellung des Begriffes digitaler Transformation bereits eingegangen, jedoch stellen diese Veränderungen den Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen in dieser Ausarbeitung dar. Insbesondere die IT-Funktion in Organisationen sieht sich Veränderungen in ihrer Rolle gegenüber, die erforderlich sind, um Digitalisierung im Sinne der Realisierung digitaler Produkte, Dienstleistungen und Prozesse in Organisationen letztlich umsetzen zu können. Dies stellt die Überleitung zum nachfolgenden Themenbereich dieses Grundlagenkapitels dar, der auf das Konzept des Business/IT-Alignments Bezug nimmt und aufzeigt, wie IT-Funktion und die übrigen Fachbereiche aufeinander abgestimmt werden können. Dazu wird zunächst der Alignment-Begriff genauer aufgezeigt und verschiedene Ausgestaltungsformen dieser wichtigen Forschungsrichtung innerhalb der Wirtschaftsinformatik dargestellt.
2.2
Business/IT-Alignment
Innerhalb dieses Kapitels soll zunächst ein Verständnis des Business/ITAlignments geschaffen werden, um in der Folge eine darauf aufbauende Weiterentwicklung zur Idee einer vollständigen Integration von IT-Funktion und Fachbereichen nachvollziehen zu können. Dazu wird zunächst der Begriff des Business/IT-Alignments dargestellt und ein für diese Ausarbeitung gültiges Begriffsverständnis abgeleitet. In der Folge wird eine mögliche Unterscheidung der Begriffe Business/IT-Alignment und Strategic Alignment, die häufig auch synonym Verwendung finden, aufgezeigt. Im Anschluss werden ausgewählte Ansätze der Alignment-Forschung dargestellt und insbesondere das wohl bekannteste Modell, das sog. Strategic Alignment Model (SAM) nach Henderson und Venkatraman (1993) vorgestellt. Die Ausführungen werden mit einer Betrachtung der Alignment-Forschung im Kontext der Digitalisierung abgeschlossen, wodurch auch neuere zur Diskussion stehende Ansätze mit in die Betrachtung aufgenommen werden.
2.2 Business/IT-Alignment
2.2.1
47
Zum Begriff des Business/IT-Alignments
Bevor das Konzept des Business/IT-Alignments näher betrachtet und der Begriff definiert werden kann, sind Anmerkungen zur Abgrenzung und Verwendung der Begriffe „Business“ und „IT“ vorzunehmen. Unter dem englischsprachigen Wort „Business“ wird in diesem Kontext, und auch bei der späteren Begriffsverwendung der Business/IT-Integration, die in einer Organisation stattfindende primäre Wertschöpfung angesehen, die durch sämtliche Funktionen und Fachbereiche erreicht wird, die neben der IT-Funktion auf sämtlichen Organisationsebenen angesiedelt sind und zunehmend durch IT unterstützt werden (vgl. Bashiri et al. 2010, S. 31). Obwohl unter dem eigentlichen englischsprachigen Wort „Business“ zunächst auch ein „Geschäft“ oder „Gewerbe“ verstanden werden kann, drückt dieser Begriff in der etablierten Literatur in gewisser Weise eine Abgrenzung der übrigen Fachbereiche zur ITFunktion in Organisationen aus. Der Fokus dieses Begriffes liegt also in erster Linie auf der Betrachtung des wirtschaftlichen und somit primär wertschaffenden Handelns einer Organisation, das durch die entsprechenden Fachbereiche erfolgt, und sich so von der IT-Funktion abgrenzen lässt. Der Begriff der „IT“, der hier synonym für die gesamte IT-Funktion in Organisationen Verwendung findet, wird also als separater Funktionsbereich in Organisationen verstanden, woraus sich in bestehender Alignment-Literatur das Streben nach gegenseitiger Ausrichtung oder gegenseitiger Abstimmung begründen lässt. Zur Verwendung der Abkürzung „IT“ sei an dieser Stelle zunächst eine elementare Bemerkung vorweggenommen. Strenggenommen werden mit „IT“ die Begriffe „Informationstechnik“ oder auch „Informationstechnologie“ abgekürzt, worunter in erster Linie rein technische Elemente der Informationsverarbeitung verstanden werden, die etwa Hard- und Software darstellen können (vgl. Krcmar 2015, S. 21). In Literatur und alltäglicher Begriffsverwendung wird „IT“ jedoch oftmals weiter über den rein technischen Aspekt hinausgehend gefasst und als Synonym für die gesamte Funktion der Informationsverarbeitung in Organisationen mit ihrem Management, ihren Strategien, den Mitgliedern mit entsprechenden Rollenverteilungen und Verantwortlichkeiten verwendet. Um der umgangssprachlichen und weit verbreiteten Verwendung der IT-Abkürzung als Synonym für die gesamte und weiter gefasste Informationsverarbeitung in Organisationen weiterhin Rechnung zu tragen und bei diesem vereinfachten aber anerkannten Sprachgebrauch zu bleiben, wird diese auch in dieser Ausarbeitung aufrechterhalten (eine ähnliche Anmerkung zur Verwendung der Abkürzung „IT“
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
findet sich bei Krcmar 2015, S. 21). Um dieses weiter gefasste Verständnis innerhalb dieser Ausarbeitung explizit zu berücksichtigen, wird daher meist der Begriff der IT-Funktion herangezogen. Allein durch diese sprachliche Abgrenzung wird bereits implizit eine gewisse Trennung der IT-Funktion von den übrigen Fachbereichen unterstellt, die in Organisationen vorzuherrschen scheint und ein Alignment zwischen „Business“ und „IT“ verlangt. An dieser Stelle sei auf eine weitere Unterscheidung innerhalb der IT als Funktionsbereich in Organisationen eingegangen, der grundsätzlich aus zwei Perspektiven betrachtet werden kann. Dabei kann die IT-Funktion zum einen als „Unterstützer“ (Supporter) agieren, indem sie die sich aus dem wirtschaftlichen Handeln einer Organisation ergebenden Anforderungen meist technisch unterstützt, und zum anderen als „Ermöglicher“ (Enabler) agieren, indem die ITFunktion selbst das Erstellen neuer Produkte, Services, Prozesse oder gar völlig neuer Geschäftsmodelle „ermöglichen“ kann, wodurch sich eine verbesserte Position im Wettbewerb erreichen lässt (eine ähnliche Einordnung findet sich bspw. bei Krcmar 2015, S. 409–427). Diese Unterscheidung ist an dieser Stelle erforderlich, um die Entwicklung des Business/IT-Alignments im Zeitverlauf besser nachvollziehen zu können. Der Begriff des Business/IT-Alignments ist bereits seit den 1970er Jahren präsent, wobei sich der Fokus der Betrachtung im Zeitverlauf immer wieder veränderte und auch weiter einer stetigen Entwicklung unterliegt (vgl. Coltman et al. 2015, S. 92 f.). Mit dem Aufkommen dieser Thematik in den späten 1970er und 1980er Jahren standen zunächst Aspekte im Vordergrund, die auf die Anfänge der Nutzung von Computer-Technologien in Organisationen zurückzuführen waren. So stand etwa die Erkenntnis einer Produktivitätssteigerung durch den Einsatz elektronischer Datenverarbeitung und damit einer Steigerung des nachgelagerten wirtschaftlichen Erfolges in der Anfangszeit in der Betrachtung, was verstärkt im Kontext der IT-Planung betrachtet wurde (vgl. King 1978a; King 1978b; insbesondere zur Thematik des Produktivitätsparadoxon: Ray et al. 2005, S. 633; Brynjolfsson 1993). Gegen Ende der 1980er und in den Anfängen der 1990er Jahre erlangte das Business/IT-Alignment größere Bekanntheit. Aus dieser Zeit stammen bis heute relevante Modelle, die insbesondere auf die Anstrengungen des IT-Unternehmens IBM in diesem Bereich zurückzuführen sind. In diese Zeit fällt insbesondere die Erkenntnis der strategischen Bedeutung eines Einsatzes von IT und der Wunsch nach Ableitung einer eigenen IT-Strategie aus der Unternehmensstrategie heraus (vgl. hierzu insbesondere die frühen Arbeiten von King und Zmud 1981 und McFarlan et al. 1983). Mit den für die Betriebswirtschaftslehre
2.2 Business/IT-Alignment
49
prägenden Erkenntnissen von Porter (1980), die vorsehen, eine Wettbewerbsstrategie zu bestimmen, um den fünf Triebkräften des Branchenumfeldes begegnen zu können, erkannten Entscheidungsträger in Organisationen die zunehmende strategische Bedeutung erster eingesetzter Informationssysteme (vgl. Krcmar 2015, S. 396; zu den Wettbewerbsstrategien: Porter 1980). Bei Betrachtung der Literatur zum Themenbereich des Business/ITAlignments fällt zunächst auf, dass es an einer klaren Definition des Begriffes mangelt, obwohl Gemeinsamkeiten im Begriffsverständnis durchaus zu erkennen sind (vgl. Gerow et al. 2014, S. 2; Preston und Karahanna 2009, S. 160). Daneben ist auffällig, dass der Begriff des Strategic Alignments oftmals als Synonym für eine Abstimmung von IT-Funktion und Fachbereichen präsent ist (vgl. Luftman und Kempaiah 2007, S. 166; Bashiri et al. 2010, S. 37). Daher scheint es zunächst erforderlich, verschiedene Definitionen zum Begriff des Business/IT-Alignments vorzustellen, um ein für diese Ausarbeitung gültiges Verständnis abzuleiten und eine klare Abgrenzung zum Begriff des Strategic Alignments vorzunehmen. Eine frühere Definition des Business/IT-Alignment-Ansatzes verzichtet zunächst auf eine nähere Spezifizierung von IT und fasst Business/IT-Alignment als ein „key concern of business executives“ auf, der als „appropirate and timely way and in harmony with business strategies, goals and needs“ angesehen wird (Luftman und Brier 1999, S. 109). Auch die Definition von Reich und Benbasat (1996) fokussiert auf die frühe strategische Bedeutung der IT und bezeichnet Business/IT-Alignment als „the degree to which the information technology mission, objectives, ans plans support and are supported by the business mission, objectives, and plans“ (Reich und Benbasat 1996, S. 56). Im Zeitverlauf wurden immer weitere Elemente in die AlignmentBestrebungen aufgenommen, wodurch sich immer weiter gefasste Definitionen erklären lassen, was bspw. die Definition von Maes et al. (2000) zeigt. Demnach wird Business/IT-Alignment als kontinuierlicher Prozess betrachtet: „We define alignment as the continuous process, involving management and design sub-processes, of consciously and coherently interrelating all components of the business-IT relationship in order to contribute to the organization’s performance over time” (Maes et al. 2000, S. 19). Business/IT-Alignment ist damit eine weit gefasste, das Management betreffende Anstrengung, die sämtliche relevante Komponenten umfasst. Eine weitere neuere Definition von Alaeddini et al. (2017) stellt ebenfalls heraus, dass es sich bei Business/IT-Alignment um eine Managementaufgabe in Organisationen handelt: Business/IT-Alignment wird demnach als das „managing and utilizing IT in an organization to respond to business needs, achieve business goals and acquire competitive advantages“ verstanden (Alaeddini et al. 2017, S. 56).
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Eine weitere Definition findet sich bei Heinrich et al. (2014). Demnach kann unter Business/IT-Alignment die „Abstimmung der IT-Ziele und -Strategie mit den Unternehmenszielen und der Unternehmensstrategie“ verstanden werden (Heinrich et al. 2014, S. 99). Gerow et al. (2016) definieren Alignment als: „fit between the needs, demands, goals, objectives, and/or structures of business strategy, IT strategy, business infrastructure and processes, and/or IT infrastructure and processes such that management of business and IT remain in harmony“ (Gerow et al. 2016, S. 2). Damit beziehen sie sich auf die Elemente des bekannten Strategic Alignment Models (SAM) nach Henderson und Venkatraman (1993), das als zentrales Modell der Business/IT-Alignment-Thematik gilt und im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung dargestellt ist. In der Definition nach Gerow et al. (2016) ist somit eine weitere Unterscheidung zwischen strategischem Alignment, dass sie näher als „intellectual alignment“ beschreiben, und einem „operational alignment“ erkennbar, was wiederum auch durch Henderson und Venkatraman (1993) innerhalb des SAM abgebildet ist. Dabei sieht das „intellectual alignment“ eine Ausrichtung von Missionen, Zielen und Planungen auf strategischer Ebene vor, während das „operational alignment“ eine Ausrichtung von Business-Infrastrukturen und Business-Prozessen, sowie IT-Infrastrukturen und IT-Prozessen vorsieht (vgl. Gerow et al. 2016, S. 2; Chan et al. 2006, S. 29). Eine Betrachtung der Unternehmenskultur als ein abzustimmendes Element wird durch die Definition von Bashiri et al (2010) aufgenommen. Hierdurch werden neben der strategischen Bedeutung der IT-Funktion und ihrer Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistung und operative Abstimmung, auch soziale Komponenten der Beteiligten Personen innerhalb der unterschiedlichen abzustimmenden Bereiche verstärkt mit in die Alignment-Forschung transferiert. Demnach ist Business/IT-Alignment „die wechselseitige Abstimmung von Zielen, Strategien, Architekturen, Leistungen, Prozessen und der Unternehmenskultur zwischen IT-Bereichen und Fachbereichen in Unternehmen“ (Bashiri et al. 2010, S. 36). Zusammenfassend zeigt sich – trotz Unterschieden in den einzelnen Definitionsansätzen – dass in gewisser Weise ein Gleichgewicht zwischen der IT-Funktion und den Anforderungen des geschäftlichen Handelns, bzw. in der Beziehung der IT-Funktion zum Unternehmenserfolg, anzustreben ist (vgl. Heinrich et al. 2014, S. 29). Reinheimer und Robra-Bissantz (2014) merken an, dass es eigentlich unerheblich ist, ob nun das „Business“ die „IT“ treibt oder umgekehrt. Viel wichtiger sei es, dass die Organisationen „Business“ und „IT“ so aufeinander abstimme, dass diese Bereiche „im Sinne der jeweiligen Organisation harmonieren“ (Reinheimer und Robra-Bissantz 2014, S. 527).
2.2 Business/IT-Alignment
51
In der Literatur attestieren die meisten Arbeiten eine positive Wirkung eines etablierten und funktionierenden Alignments zwischen „Business“ und „IT“ auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der jeweiligen Organisationen (vgl. hierzu bspw. die Arbeiten: Cragg et al. 2007; Malcolm King et al. 2000; Gerow et al. 2014). Allerdings existieren auch frühere Arbeiten, die einen hohen zeitlichen Aufwand, hohe Kosten und ein hohes Maß an Anstrengung, um auf schnelle Marktveränderungen reagieren zu können, als mögliche Ursache für etwa strategische Inflexibilität und gar Stagnation sehen (vgl. hierzu etwa: Benbya und McKelvey 2006; Tallon 2007). Letztlich wird in der Literatur auch angemerkt, dass durch den hohen Aufwand eines umfassenden Alignments sogar die eigentliche Leistung der IT-Funktion eingeschränkt sein kann, was auch unter dem Begriff der „Alignment-Trap“ in der Diskussion steht (vgl. hierzu insbesondere: Shpilberg et al. 2007). Für diese Ausarbeitung wird auf Basis der dargestellten Definitionen das nachfolgende synthetisierte Begriffsverständnis des Business/IT-Alignments abgeleitet: Business/IT-Alignment ist die wechselseitige Abstimmung oder die gegenseitige Ausrichtung der IT-Funktion mit den übrigen wertschaffenden Fachbereichen (Business) in Organisationen, die strategische, strukturelle als auch operative Elemente gleichermaßen enthält. Durch einen solchen abgestimmten Einsatz der IT-Funktion in Organisationen sollen Ziele erreicht werden, die sich aus den oben dargestellten Business/IT-Alignment-Definitionen ableiten lassen. So besteht das zentrale Ziel des Business/IT-Alignments darin, Entscheidungen bezüglich einer entsprechenden Positionierung der IT-Funktion in Organisationen zu unterstützen. Dabei kann wiederum die Sichtweise eingenommen werden, die IT-Funktion als einen Bestandteil einer Organisation zu betrachten, der das bestehende Geschäftsmodell, entweder in der Rolle des „Unterstützers“, als auch in der Rolle des „Ermöglichers“, weiterentwickeln soll (vgl. Baumöl 2012, S. 9). Hierin lassen sich auch die genannten Zielsetzungen, die Erreichung von Wettbewerbsvorteilen und das Herstellen von Kosteneffizienz durch einen abgestimmten Einsatz der IT-Funktion, einordnen, die letztlich den Erfolg der jeweiligen Organisation bestimmen können (vgl. Chan et al. 2006, S. 35; Gerow et al. 2014, S. 16). Um diese genannten Zielsetzungen letztlich erreichen zu können, haben Entscheidungsträger in Organisationen die Aufgabe zu erledigen, geeignete
52
2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Alignment-Instrumente und abgeleitete Maßnahmen bereitzustellen, die Organisationen dabei helfen, ihre eigene Leistung ihrer Abstimmungsaktivitäten zu evaluieren und Verbesserungspotenziale zu erkennen (vgl. Alaeddini et al. 2017, S. 56). Bevor auf solche Instrumente des Business/IT-Alignments eingegangen und wichtige Vertreter näher vorgestellt werden, sei gesondert auf den Begriff des Strategic Alignments eingegangen.
2.2.2
Zum Begriff des Strategic-Alignments
Der Begriff des Strategic Alignments findet häufig synonym für das Business/ITAlignment Anwendung oder Definitionen zum Business/IT-Alignment-Begriff beziehen auch die strategische Ebene mit ein und forcieren somit eine Angleichung von IT-Strategien an die Geschäftsstrategien. In diesem Zusammenhang soll insbesondere der Frage nachgegangen werden, wie sich eine Abgrenzung zum Business/IT-Alignment herstellen lässt und wie ein Strategic-Alignment in diesem Zusammenhang eingeordnet werden kann. Bashiri et al. (2010) folgen in ihrer Argumentation der Unterscheidung von Business/IT-Alignment und Strategic-Alignment und definieren StrategicAlignment als „wechselseitige Abstimmung der Unternehmensstrategie mit der IT-Strategie zur nachhaltigen Business Value-Generierung und Erreichung übergeordneter Unternehmensziele“ (Bashiri et al. 2010, S. 31). Im Kern geht es also um die Abstimmung von Strategien, also von grundsätzlichen, langfristigen Verhaltensweisen innerhalb einer Organisation und ihrer Teilbereiche hinsichtlich der Schaffung von Wert. Der Begriff der IT-Strategie kann dabei wiederum folgendermaßen definiert werden: Chen et al. (2010) fassen in Ihrer Arbeit verschiedene in der Literatur existierende Definitionen für eine IT-Strategie (original: „IS-Strategy“1 ) zusammen und leiten daraus eine eigene Definition ab. Demnach kann eine ITStrategie als „the organizational perspective on the investment in, deployment use, and management of information systems“ verstanden werden (Chen et al. 2010, S. 237). Eine weitere Definition sei an dieser Stelle genannt, die IT-Strategie als „das Konzept, die Perspektive oder die Art und Weise bezeichnet, in der die strategischen IT-Ziele verfolgt, das heißt in strategische Maßnahmen umgewandelt 1
Auf eine genauere Unterscheidung der in englischsprachiger Literatur oft verwendeten Abkürzung IS für „Information Systems“, die wiederum synonym für IT und IT-Funktion Verwendung findet, wird im Rahmen dieser Ausarbeitung verzichtet.
2.2 Business/IT-Alignment
53
werden“ (Heinrich et al. 2014, S. 148). Sie betonen dabei, dass die IT-Strategie vielmehr lediglich die Richtung vorgibt, als dass detaillierte Maßnahmen zur Zielerreichung vorgegeben werden, was üblicherweise erst auf operativer Ebene in Organisationen geschieht. Daneben verdeutlichen Sie, dass grundsätzlich die IT-Strategie als Teil der Unternehmensstrategie verstanden werden kann. Diese Sichtweise wird jedoch seit den Anfängen und seit dem Aufkommen der Business/IT-Alignment-Thematik immer wieder in Frage gestellt. So stellten insbesondere Henderson und Venkatraman (1993) deutlich heraus, dass Alignment-Bestrebungen auch aus IT-Funktionen heraus entstehen können und damit Impulse für die Geschäftsstrategie setzen (vgl. hierzu insbesondere: Henderson und Venkatraman 1993). Gerade diese damals neuartige Erkenntnis führte in damaliger Zeit zu kontroversen Diskussionen über den strategischen Stellenwert von IT-Funktionen (vgl. Coltman et al. 2015, S. 93). Der in dieser Arbeit in der Betrachtung stehende Schritt einer kontinuierlichen Abstimmung der IT-Strategie mit „Business“-Zielen und -Vorgaben wurde bereits früh durch Heinrich und Pomberger (1999) im Rahmen eines Vorgehensmodells zur Entwicklung von IT-Strategien festgeschrieben. Dieses besteht aus einer Anordnung von Aktivitäten (abgerundete Kästen) und Ergebnissen (eckige graue Kästen) und ist in nachfolgender Abb. 2.3 gezeigt:
Analysieren des Strategieumfelds
Review der IT-Strategie
Formulieren strategischer IT-Ziele
Dokument der IT-Strategie
Identifizieren der Strategie-Objekte
Inkraftsetzen der IT-Strategie
Struktur der IT-Strategie
Anpassen der IT-Strategie
Beschreiben der Strategie-Objekte
Aktuelle IT-Strategie
Entwurf der IT-Strategie
Abb. 2.3 IT-Strategieentwicklung. (In Anlehnung an: Heinrich und Pomberger 1999, S. 114)
54
2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Die Abstimmung mit dem „Business“ ist zunächst in der ersten Phase des Analysierens des Strategieumfelds vorgesehen, in dem die übergeordneten Unternehmensziele dem IT-Strategie-Entwicklungsprozesses zugrunde gelegt werden. In der Phase des Reviews der IT-Strategie ist vorgesehen, dass dieses gemeinsam mit der Unternehmensführung zu erfolgen ist. Insbesondere die Phase der Anpassung der IT-Strategie sieht ein Reagieren auf veränderte Markt- und Unternehmensbedingungen vor, wodurch Abstimmung der IT-Strategie mit der strategischen Ausrichtung der Gesamtorganisation an verschiedenen Stellen des IT-Strategie-Entwicklungsprozesses vorgesehen ist (vgl. Heinrich und Pomberger 1999, S. 113–117). Somit bleibt für diese Ausarbeitung festzuhalten, dass die Abstimmung der IT-Strategie mit der strategischen Ausrichtung der Gesamtorganisation bereits früh als Bestandteil der IT-Strategieentwicklung verstanden wurde, wodurch sich die hohe Bedeutung strategischer Abstimmung für die Qualität der letztlich definierten IT-Strategie erkennen lässt. Die synonyme Begriffsverwendung (Strategic-Alignment und Business/IT-Alignment) kann darauf zurückgeführt werden, dass die strategische Abstimmung in einigen wichtigen AlignmentAnsätzen der Anfangsjahre im Vordergrund stand und in der Konsequenz weitere abzustimmende Bereiche mit in die Betrachtung rückten (vgl. hierzu: Henderson und Venkatraman 1993). Somit kann eine strategische Abstimmung als übergeordnet verstanden werden, die die ohnehin untergeordnete operative Abstimmung mit beinhaltet oder unmittelbar nach sich zieht. In der weiteren zeitlichen Entwicklung der Alignment-Thematik wurden jedoch immer wieder neue Sichtweisen bezüglich der Beziehung von „Business“ und „IT“ mit in die Betrachtung aufgenommen, was insbesondere in den gezeigten Definitionen erkennbar ist (vgl. Abschnitt 2.2.1). Weitere „modernere“ Alignment-Ansätze werden zudem in Abschnitt 2.2.4 dargestellt, wodurch ein weiter gefasstes Verständnis des Alignments vieler sich beeinflussender Komponenten deutlich wird. Zusammenfassend kann also der strengen synonymen Verwendung beider Begriffe – zumindest aus heutiger weiter gefasster Sichtweise – an dieser Stelle widersprochen werden. Auch Bashiri et al. (2010) heben deutlich hervor, dass die Abstimmung der Strategien (IT-Strategie und Geschäftsstrategie) nicht einer Abstimmung von „Business“ und „IT“ in Gänze gleichzusetzen ist (vgl. Bashiri et al. 2010, S. 31).
2.2 Business/IT-Alignment
2.2.3
55
Ansätze des Business/IT-Alignments
Wie bereits herausgestellt, ist es erforderliche Aufgabe, geeignete Instrumente zur Abstimmung von „Business“ und „IT“ in Organisationen zu entwickeln und schließlich anzuwenden. Die Literatur bietet eine Vielzahl an Ansätzen und Modellen, die zur Abstimmung von „Business“ und „IT“ herangezogen werden können. Dabei ist zu beachten, dass, wie bereits die unterschiedlichen Definitionen zeigen, sich diese Modelle hinsichtlich abzustimmender Komponenten teils erheblich voneinander unterscheiden. So sind in erster Linie bekannte Alignment-Ansätze aus den Anfangsjahren dieser Thematik bis in die heutige Zeit weit verbreitet, die auf die Abstimmung von Strategien, also im Sinne des Strategic-Alignment-Begriffes, fokussieren. Oftmals finden solche Modelle auch im Rahmen des weiter gefassten Business/IT-Alignments Anwendung, was auf die bereits thematisierte unklare Verwendung der Begriffe Business/IT- und Strategic Alignment zurückgeführt werden kann.
2.2.3.1 Übersicht über verschiedene Ansätze des Business/IT-Alignments Im Nachfolgenden sind einige Ansätze aufgeführt, die verschiedene Organisationselemente in den Fokus der Abstimmungsbestrebungen stellen. Aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Ansätze kann sich diese Darstellung nur auf eine Auswahl beschränken. Trotzdem sollen damit eine Veränderung des Alignments und eine Aufnahme immer weiterer abzustimmender Elemente im Zeitverlauf erkennbar sein: Tab. 2.1 Exemplarische Übersicht über Ansätze des Business/IT-Alignments Autor/en
Ansatz oder Kontext
Ziel und berücksichtigte Elemente
Henderson/Venkatraman (1993)
Strategic Alignment Model (SAM)
Modell zur Darstellung der Abstimmunsperspektiven zwischen den Elementen: Unternehmensstrategie, IT-Strategie, organisationale Infrastruktur und Prozesse, IT-Infrastruktur und -Prozesse (Fortsetzung)
56
2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Tab. 2.1 (Fortsetzung) Autor/en
Ansatz oder Kontext
Ziel und berücksichtigte Elemente
Teo und King (1997)
Business-Planning (BP) and IS-Planning (ISP)
Betrachtung von Informationsintensitäten und deren Auswirkungen auf das Alignment, insbesondere der Elemente: Produkte/Services, Wertschöpfung, Wahrnehmung des Managements, IT-Kompetenzen, Umwelteinflüsse
Luftman (2000)
Strategic Alignment Modell, das die Dynamik der Maturity Model (SAMM) Alignment-Aktivitäten verdeutlicht und Möglichkeiten zur Bewertung liefert. Elemente: Kommunikation, Wertbeitrag, Governance, Partnerschaften, Anwendungsbereiche und Architekturen, Fähigkeiten
Maes et al. (2000)
Unified Framework for Business/IT-Alignment
Dreidimensionales Modell, das eine Erweiterung des SAM darstellt und um eine Informations- und Kommunikationsperspektive (vertikal zwischen „Business“ und „IT“) und eine Strukturperspektive (horizontal zwischen Strategie- und operativer Ebene) ergänzt ist.
Bergeron et al. (2004)
„Patterns of strategic alignment and business performance“
Untersuchung der Auswirkungen eines Co-Alignments zwischen Geschäftsstrategie, Geschäftsstruktur, IT-Strategie, und IT-Struktur auf den Unternehmenserfolg. Elemente: IT-Umfeldanalysen, strategische Nutzung von IT, Planung und Kontrolle, IT-Akquisition und -Implementierung (Fortsetzung)
2.2 Business/IT-Alignment
57
Tab. 2.1 (Fortsetzung) Autor/en
Ansatz oder Kontext
Ziel und berücksichtigte Elemente
Hussin et al. (2002)
„IT Alignment in small firms“
Modell, das die Besonderheiten kleinerer Firmen, wie die Rolle von Führung und externer IT berücksichtigt. Elemente: Geschäftsstrategie, IT-Strategie, IT-Alignment, IT-Besonderheiten, CEO-Engagement für IT, Expertise externer IT
Masak (2006)
IT-Alignment
Darstellung eines Alignments für große Organisationen. Elemente: Kognitives Alignment, architektonisches Alignment, Organisationsevaluation, Softwareevolution, temporales Alignment, systemisches Alignment, Alignment-Evaluation
Baumöl (2006)
„Methodenkonstruktion für das Business/IT Alignment“
Betrachtung des Alignments als Veränderungsprojekt, das individuelle und situative Methoden benötigt. Elemente: Strategieformation, Prozessarchitektur, Unternehmenskultur, Unternehmensstruktur, Steuerungskonzepte, IT-Architektur
Benbya und McKelvey (2006)
„Coevolutionary IS Alignment-Modell“
Aufnahme zusätzlicher individueller Faktoren. Elemente: Strategische Dimension, Operationale Dimension, Individuelle Dimension (Fortsetzung)
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Tab. 2.1 (Fortsetzung) Autor/en
Ansatz oder Kontext
Ziel und berücksichtigte Elemente
Gerow et al. (2014)
„Six types of IT-business strategic alignment”
Untersuchung verschiedener Alignmnet-Arten und ihrer Auswirkungen auf den Unternehmenserfolg. Elemente: Intellektuelles Alignment, Operatives Alignment, Übergreifendes Alignment (Geschäftsstrategie auf IT-Infrastruktur, IT-Strategie auf Business-Infrastruktur), IT-Alignment, Business, IT, finanzielle Leistung
Schlosser et al. (2015)
„Social alignment between business and IT and IT governance mechanisms“
Aufnahme zusätzlicher sozialer Komponenten. Elemente: Business-Leistungen, IT-Governance-Mechanismen, Soziale Alignment-Mechanismen („Social capital“ zwischen Business und IT, Business-Verständnis des IT-Personals)
Gerow et al. (2016)
“Alignment’s nomological Untersuchung der Beziehung von network” Alignment auf den Unternehmenserfolg. Elemente: Governance-Strukturen, soziales Alignment, intellektuelles Alignment, operatives Alignment, Kundennutzen, Produktivität, finanzielle Auswirkungen (Fortsetzung)
2.2 Business/IT-Alignment
59
Tab. 2.1 (Fortsetzung) Autor/en
Ansatz oder Kontext
Ziel und berücksichtigte Elemente
Alaeddini et al. (2017)
„Leveraging business-IT alignment through enterprise architecture“
Untersuchung des Einflusses von Unternehmens-Architekuren auf den Erfolg von Business/IT-Alignment. Elemente: Kommunikation zwischen Business und IT, gegenseitiges Bewusstsein, Förderung von IT-Verständnis der Business-Seite, Entscheidungsfindung, IT-Priorisierung, IT-Ressourcenverteilung, Beziehung zwischen Businessund IT-Bereichen, Standardisierung, Integration und Management der Business-Anforderungen, Personalentscheidungen, Unternehmensarchitekturen
Yeow et al. (2018)
“Aligning with new digital strategy”
Darstellung dynamischer Eigenschaften eines Alignments mit mit einer digitalen Strategie. Elemente: Erfassen (Scannen, Lernen), Ergreifen (Auswählen, Festschreiben, Entwerfen), Transformieren (Erstellen, Zugreifen, Nutzen, Freigeben)
Horlach et al. (2020)
„Business/IT-alignment in Einbezug „agiler“ Eigenschaften agile contexts“ in die Alignment-Aktivitäten. Elemente: Ökosystem-Alignment, Unternehmensvison-Alignment, Architektur-Alignment, Kontinuierliches Re-Alignment
Neben einer Abstimmung auf der strategischen Ebene gilt es in besonderem Maße, auch die Prozesse in den unterschiedlichen Funktionsbereichen einer Organisation aufeinander abzustimmen (Prozessebene) (vgl. Reinheimer
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
und Robra-Bissantz 2014, S. 521). Auf technischer Ebene sollte die notwendige Infrastruktur so gestaltet werden, dass gesetzte Ziele schließlich erreicht werden können (vgl. Baumöl 2006, S. 319). Auch die Organisationsumwelt kann durch ein Business/IT-Alignment berücksichtigt werden, um auch Schnittstellen mit externen Anspruchsgruppen einer Organisation in die Abstimmungsbemühungen einzubeziehen. Um ein erfolgreiches Business/IT-Alignment schließlich umsetzen zu können, ist es also von entscheidender Bedeutung, den Aufbau bzw. die Strukturen der jeweiligen Organisation genau zu verstehen, die letztlich das Geschäftsmodell umsetzen. Es gilt, eine Vernetzung, bzw. eine gleichzeitige Entwicklung der Anforderungen der Geschäftsstrategie mit den Ausprägungen einer IT-Strategie vorzunehmen (vgl. Baumöl 2006, S. 321). Die gezeigten unterschiedlichen Betrachtungselemente der aufgeführten Business/IT-Alignment-Ansätze lassen erkennen, dass Alignment viele unterschiedliche Bereiche in Organisationen betreffen kann, wodurch sich das zunehmende Verständnis als eine ganzheitliche Managementaufgabe manifestiert (vgl. Alaeddini et al. 2017, S. 56). Auch lassen sich Veränderungen im Zeitverlauf erkennen, die Alignment-Anstrengungen an aktuelle Entwicklungen, wie etwa dem Einfluss sozialer und kultureller Verhaltensweisen im Umgang mit IT, anpassen. Die Abstimmung auf kultureller und sozialer Ebene wird bspw. in diesem Kontext aufgegriffen, da ein gegenseitiges Verständnis und gemeinsame Werte für ein erfolgreiches Business/IT-Alignment unabdingbar erscheinen (vgl. hierzu die Arbeit von Schlosser et al. 2015). Auch Jonathan et al. (2020) verdeutlichen in ihrer Studie den Wandel des Alignments im Zeitverlauf, der zur Einbindung immer weiterer Elemente und zu einem Zuwachs immer neuerer und breiter gefasster Ansätze innerhalb der Alignment-Forschung führt (vgl. Jonathan et al. 2020, S. 5565). Im nachfolgenden sind einige (elementare) Ansätze des Business/ITAlignments genauer aufgezeigt, um das Verständnis der grundsätzlichen Alignment-Idee weiter zu stärken. Auf aktuelle Ansätze, die ein Business/ITAlignment in den Kontext der Digitalisierung stellen, wird im nachfolgenden Kapitel gesondert eingegangen, bevor schließlich im dritten Kapitel nochmals auf die Grenzen des Business/IT-Alignment eingegangen und begründet wird, warum die Weiterentwicklung der Alignment-Idee hin zu der in dieser Ausarbeitung aufgezeigten Neuausrichtung der IT-Funktion vorgenommen werden kann.
2.2.3.2 Strategic Alignment Model (SAM) Als ein wichtiger Vertreter gilt das Strategic Alignment-Modell (SAM) nach Henderson und Venkatraman (1993), das im Kontext des Business/IT-Alignments immer wieder genannt wird und als elementarer Abstimmungsansatz gilt. Gerow
2.2 Business/IT-Alignment
61
et al. (2014) geben bspw. an, dass ein Großteil der wissenschaftlichen Beiträge zum Business/IT-Alignment immer wieder Bezug zu klassischen Konzepten wie dem SAM nehmen, wodurch dieses als eines der bekanntesten und wichtigsten Modelle der Business/IT-Alignment-Forschung verstanden werden kann (vgl. Gerow et al. 2014, S. 2). Ausgehend von den Ideen von Henderson und Venkatraman (1993) werden Abstimmungsbestrebungen im Zeitverlauf immer wieder diskutiert und angepasst, sodass dieses Modell als elementar angesehen werden kann und in der Literatur oft als theoretische Basis für angepasste Modelle und Ansätze dient. Im Rahmen dieses Kapitels soll das SAM kurz vorgestellt werden, da der grundsätzliche Aufbau, der in der Gegenüberstellung von „Business“ und „IT“ liegt, hierin besonders anschaulich dargestellt ist und somit auch als Ausgangsbasis für die in dieser Ausarbeitung vorgenommene Weiterentwicklung der Business/IT-Alignment-Idee angesehen werden kann. Erschienen ist der Beitrag von Henderson und Venkatraman 1993 im eigenen Journal des IT-Unternehmens IBM (IBM Systems Journal), was wiederum die bereits angesprochene hohe Bedeutung dieses Unternehmens für die anfängliche Entwicklung und Verbreitung der Business/IT-Alignment-Methodik verdeutlicht. Henderson und Venkatraman (1993) argumentieren, dass vielmehr organisationale Fähigkeiten bei der Nutzung von Technik zur Abgrenzung im Wettbewerb entscheidend seien, als eine rein technische Zusammensetzung der Funktionen (vgl. hier und im Folgenden: Henderson und Venkatraman 1993, S. 472–484). Das SAM (vgl. Abb. 2.6) stellt in seinem grundsätzlichen Aufbau die Fachbereichsseite (Business) der IT-Seite gegenüber. Auf beiden Seiten wird jeweils weiter in „intern“ und „extern“ unterschieden und somit die Form einer 2×2Matrix gebildet. Auf externer Ebene werden die strategiebezogenen Elemente und die strategische Verknüpfung zwischen der Geschäftsstrategie und der ITStrategie betrachtet. Auf interner Ebene liegen Organisations-Infrastruktur sowie Organisations-Prozesse, die das Handeln der betrachteten Organisation (Business) erklären, als auch die IT-Infrastruktur sowie die IT-Prozesse, die das Handeln der IT-Funktion beschreiben. Henderson und Venkatraman (1993) schlagen nun vier Abstimmungsperspektiven vor, die die Elemente dieser Matrix jeweils in unterschiedlichen Reihenfolgen durchlaufen. Dabei wird in dem Modell die Abstimmung auf externer Ebene, die Abstimmung zwischen Unternehmensund IT-Strategie, als „strategischer Fit“ bezeichnet und die Abstimmung von Unternehmens- und IT-Infrastruktur sowie der jeweiligen Prozesse auf interner Ebene als „funktionale Integration“ beschrieben. Die gezeigte Abb. 2.4 stellt die Zusammenhänge dar.
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Business
IT
IT-Strategie
Unternehmensstrategie
TechnologieBereich
Geschäftsbereich
Extern
Intellectual Alignment
Spezifische Kompetenzen
SystemKompetenz
UnternehmensGovernance
IT-Governance
Cross Domain Alignment Business Alignment
Strategischer Fit
IT Alignment
Administrative Infrastruktur
Intern
Architekturen
Prozesse
Kompetenzen
Operational Alignment
Organisations-Infrastruktur und -Prozesse
Prozesse
Kompetenzen
IT-Infrastruktur und -Prozesse Funktionale Integration
Abb. 2.4 Strategic Alignment Modell (SAM). (Entnommen aus: Henderson und Venkatraman 1993, S. 476)
Die erste Perspektive stellt die sog. Strategieausführung (original: „Strategy execution“) dar. Innerhalb dieser Perspektive werden die Matrix-Felder Unternehmensstrategie, Business- Infrastruktur und –Prozesse sowie IT-Infrastruktur und –Prozesse in dieser Reihenfolge betrachtet. Dabei wird angenommen, dass ausgehend von einer definierten Unternehmensstrategie zunächst die BusinessInfrastruktur und Business-Prozesse entworfen und implementiert werden, bevor wiederum von diesen ausgehend, die IT-Infrastruktur und –Prozesse entworfen und umgesetzt werden können. Henderson und Venkatraman (1993) geben an, dass es sich bei diesem Vorgehen um ein weitgehend verständliches Vorgehen handelt, das dem klassischen Vorgehen des strategischen Managements entspricht, bei dem Strukturen den Strategien nachgelagert entwickelt und umgesetzt werden (vgl. hierzu den Grundsatz „Structures follow Strategy“, bspw. bei: Chandler 1962, S. 14–16). Als Treiber für eine Abstimmung entlang dieser Perspektive nennen Henderson und Venkatraman (1993) die Rolle des Top-Managements sowie
2.2 Business/IT-Alignment
63
die Rolle des IT-Managements. Dabei sollte das Top-Management als „Strategy formulator“ agieren und das IT-Management als Umsetzer dieser Strategie, unter Berücksichtigung IT-spezifischer Anforderungen und Prozesse (original: „Strategy implementor“). Die zweite Perspektive, die sog. Technologie-Transformation (original: „Technology transformation“), betrachtet die Matrix Felder Unternehmensstrategie, IT-Strategie und IT-Infrastruktur und -Prozesse in dieser Reihenfolge. Diesem Vorgehen liegt die Annahme zugrunde, dass die IT-Strategie der Unternehmensstrategie folgt und aus dieser heraus abgeleitet wird. Die IT-Infrastruktur sowie die IT-Prozesse werden dann auf Basis dieser IT-Strategie gebildet. Als Treiber für ein solches Abstimmungsvorgehen definieren Henderson und Venkatraman (1993) erneut die Rolle des Top-Managements sowie die Rolle des IT-Managements. Dem Entwurf der Unternehmensstrategie kommt dabei eine besonders hohe Bedeutung zu, da sie die Ausgangsbasis weiterer Abstimmung darstellt. Das Top-Management sollte eine sog. technologische Vision verfolgen, die die gewählte Unternehmensstrategie bestmöglich unterstützt. Dem ITManagement wird dann die Rolle des Technologie-Architekten zugewiesen, um schließlich Infrastruktur und Prozesse so zu gestalten, dass diese technologische Vision schließlich umgesetzt werden kann. Henderson und Venkatraman (1993) nennen in diesem Zusammenhang den Begriff der „Technology-Leadership“, der die Bedeutung von technologischem Verständnis innerhalb der Unternehmensführung herausstellt. Die dritte Perspektive, das sog. Wettbewerbspotenzial (original: „Competetive potential“), sieht vor, diesmal ausgehend von dem Feld der IT-Strategie, eine Unternehmensstrategie und schließlich die darunter liegende UnternehmensInfrastruktur und die Unternehmens-Prozesse abzuleiten. Dahinter steht die Idee, dass neue IT-getriebene Produkte und Dienstleistungen als wettbewerbskritisch durch die betrachtete Organisation angeboten werden, dies in der entsprechenden Unternehmensstrategie verankert wird und schließlich eine entsprechende Entscheidung über die Gestaltung von Infrastruktur sowie entsprechender Prozesse getroffen wird. Als Treiber für eine solche Abstimmung benennen Henderson und Venkatraman (1993) zunächst die Rolle des Top-Managements, dass die Rolle eines Visionärs einnehmen sollte, der es versteht, die Geschäftsstrategie ausgehend von IT-Kompetenzen und –Funktionen und sich ändernder Vorgaben zu gestalten. Das IT-Management soll in diesem Zusammenhang als Katalysator fungieren, der aktuelle IT-Trends identifizieren und interpretieren soll, um dem Top-Management dabei zu helfen, Potenziale und Möglichkeiten aus einer IT-Perspektive heraus zu erfassen. Damit einher geht die Anforderung
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
an das Führungsverhalten, Marktsituationen einzuschätzen und neue Produkte einzuführen. Die vierte Abstimmungs-Perspektive, das sog. Serviceniveau (original: „Service Level“), sieht vor, zunächst eine IT-Organisation zu schaffen, indem ausgehend vom Matrix-Feld der IT-Strategie die IT-Infrastruktur und IT-Prozesse gebildet werden. Erst dann wird die Business-Seite betrachtet und ausgehend von IT-Infrastruktur und IT-Prozessen festgelegt, wie die Business-Infrastruktur und Business-Prozesse zu bilden sind. Demnach wird das Matrix-Feld der Geschäftsstrategie nur indirekt tangiert. Hinter diesem Vorgehen steht die Idee, die Zufriedenheit der IT-Anwender sicherzustellen, was für einen effektiven IT-Einsatz innerhalb von Organisationen notwendig erscheint. Henderson und Venkatraman (1993) sprechen dem Top-Management dazu die Rolle eines Priorisierers zu, der darüber zu entscheiden hat, wie Ressourcen zwischen Businessund IT-Seite zu verteilen sind. Dem IT-Management wird hingegen die Rolle der entscheidenden Führung (original: „Executive Leadership“) zugesprochen, die die Basis zum wirtschaftlichen Handeln, jedoch unter den Rahmenbedingungen des Top-Managements, darstellt. Die folgende stark vereinfachte Abb. 2.5 des SAM verdeutlicht nochmals die Anordnung der unterschiedlichen Abstimmungs-Perspektiven. Das SAM nach Henderson und Venkatraman (1993) bietet eine wesentliche Grundlage, über die Abstimmung von „Business“ und „IT“ in Unternehmen zu entscheiden. So werden im Wesentlichen vier verschiedene Abstimmungsabfolgen vorgeschlagen, die unterschiedliche Schwerpunkte setzen. So werden innerhalb des Strategic Alignment-Prozesses die vier unterschiedlichen Felder in Beziehung zueinander gesetzt. Jedoch müssen auch kritische Aspekte angemerkt sein. So stellt das SAM die Unternehmensstrategie der IT-Strategie gegenüber und unterscheidet diese, was, gerade im aktuellen Kontext der Digitalisierung, auf Gültigkeit überprüft werden sollte. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird daher überprüft, ob der parallele Bestand von zwei Strategien, einer Geschäfts- als auch einer IT-Strategie, wie sie das SAM vorsieht, in Organisationen mit weitgehend digitalen Geschäftsmodellen sinnvoll erscheint. Reynolds und Yetton (2015) merken an, dass eine einzige Unternehmensstrategie, die es mit der IT-Strategie abzustimmen gilt, nicht repräsentativ sei. Möglicherweise seien in einer Organisation entsprechend der verschiedenen Geschäftsbereiche (Business Units) auch mehrere Strategien mit der IT-Seite abzustimmen (vgl. Reynolds und Yetton 2015, S. 102). Dem SAM, das nach wie vor als bedeutendstes Abstimmungs-Modell gilt, folgten Weiterentwicklungen oder Alternativen, die teils Kritikpunkte aufgriffen oder neue Impulse aus den jeweiligen Zeiten der Entstehung setzten (vgl.
2.2 Business/IT-Alignment
65
Business
IT IT-Strategie
Unternehmensstrategie
Extern
2. Perspektive „Technologie-Transformation“
3. Perspektive „Wettbewerbspotenzial“
Intern
Strategischer Fit
4. Perspektive „Serviceniveau“ 1. Perspektive „Strategieausführung“
IT-Infrastruktur und -Prozesse
Organisations-Infrastruktur und -Prozesse Funktionale Integration
Abb. 2.5 Abstimmungsperspektiven innerhalb des SAM. (In Anlehnung an: Henderson und Venkatraman 1993, S. 476; Krcmar 2015, S. 397)
Jonathan et al. 2020, 5565; Abschnitt 2.2.3). Als wesentlicher Kritikpunkt des SAM gilt jedoch, dass es an konkreten Umsetzungsmaßnahmen fehle, wonach schließlich zu Beginn der 2000er Jahre verstärkt gesucht wurde (vgl. Reinheimer und Robra-Bissantz 2014, S. 529). In diese Zeit lässt sich das nachfolgend vorgestellte Strategic Alignment Maturity Modell (SAMM) nach Luftman (2000) einordnen, das sich noch konkreter auf die jeweiligen Dimensionen in Organisationen anwenden lässt und ein Instrument zur Messung bestimmter Alignment-Ausprägungsformen darstellen kann.
2.2.3.3 Weitere ausgewählte Business/IT-Alignment-Ansätze Luftman war ein früherer IBM-Consultant, wodurch auch seine Überlegungen zum Strategic- bzw. Business/IT-Alignment, die er in Veröffentlichungen in
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
den Anfangsjahren dieser Entwicklungen zeigte, dieser IBM-Community zugesprochen werden können. Mit dem SAMM soll die Dynamik des Business/ITAlignments verdeutlicht werden sowie Möglichkeiten einer Bewertung bzw. Messung der Maßnahmen durch Reifegrad-Kriterien ermöglicht werden. Das vorgeschlagene Modell baut dazu im Wesentlichen auf den Ideen des sog. Capability Maturity Model (CMM) auf, worauf an dieser Stelle jedoch nicht weiter eingegangen wird. Das SAMM stellt sechs Reifegrad-Kriterien gegenüber, anhand derer der aktuelle Grad an Abstimmung in Organisationen gemessen werden kann2 . Darauf aufbauend soll dann ein Soll-Zustand bezüglich eines Abstimmungsgrades definiert werden, den es umzusetzen gilt. Die sechs Kriterien sind Kommunikation, Wertbeitrag, IT-Governance, Partnerschaften, Anwendungsbereiche und Architektur sowie Fähigkeiten (vgl. Luftman 2000, S. 12). In nachfolgender Abb. 2.6 sind diese Reifegrad-Kriterien gegenübergestellt:
Kommunikation • Verständnis von Business durch IT • Verständnis von IT durch Business • Lernen/Bildung • Dokumentation • Verbindungseffekte
Wertbeitrag • Messgrößen definieren • Service Level Agreements • Benchmarking • Systematische Bewertung • Kontinuierliche Erhöhung
Governance • Strategische Business-Planung • Strategische IT-Planung • Organisationale Struktur • Budgetkontrolle • Investitionsmanagement • Lenkungsausschuss • Priorisierung
Business/IT-Alignment-Reifegrad-Kriterien
Partnerschaften • Wahrnehmung IT-Wertbeitrag • Rolle der IT in strategischer BusinessPlanung • Gemeinsame Ziele und Risiken • Gemeinsame Risiken • Gemeinsame Belohnungen und Sanktionen • IT-Programm-Management • Vertrauensvolle Beziehung
Anwendungsbereiche und Architektur • Traditionelle Ermöglicher-Rolle • Externe Standards • Architektonische Integration • Architektonische Transparenz • Management aufkommender Technologien
Fähigkeiten • Innovationen • Unternehmerisches Handeln • Kultureller Machtfaktor • Veränderungsbereitschaft • Vielfältige und übergreifende Karrieremöglichkeiten • Vertrauensvolle Umgebung • Recruiting und Personalentwicklung
Abb. 2.6 Business/IT-Alignment-Reifegrad-Kriterien. (In Anlehnung an: Luftman 2000, S. 12)
2
Als Reifegrad kann im Allgemeinen vertsanden werden, inwieweit (bis zu welchem Grad) eine Organisation Fähigkeiten aufweist, einen Prozess zu planen, zu definieren, zu dokumentieren, zu kontrollieren, zu steuern und kontinuierlich zu überwachen (vgl. Heinrich et al. 2014, S. 527).
2.2 Business/IT-Alignment
67
Es ist erkennbar, dass insbesondere im Vergleich zum zuvor gezeigten SAM nach Henderson und Venkatraman (1993) weitere wichtige Organisationselemente, wie etwa Auswirkungen auf den Wertbeitrag, die Rolle von Partnerschaften zwischen „Business“ und „IT“, oder etwa der Kommunikation als Brücke zwischen „Business“ und „IT“ mit in die Betrachtung rücken und damit weitere Ausprägungen der Abstimmung in Organisationen Berücksichtigung finden, die „Business“ und „IT“ miteinander verbinden und dadurch zielgerichtet auszugestalten sind (vgl. Luftman 2000, S. 14 f.). In einer Folge-Veröffentlichung zum SAMM aus dem Jahre 2007 ergänzten Luftman und Kempaiah (2007) die Ideen des SAMM um eine hierarchische Ordnung von fünf Reifestufen, in die Organisationen mittels Prüfung der oben genannten sechs Kriterien eigeordnet werden können. Somit lässt sich ein Ausprägungsgrad des jeweils implementierten Alignments anhand verschiedener Stufen bestimmen. Geordnet sind diese Stufen von deutlichen Abstimmungsmängeln auf Level 1 bis hin zum optimierten Zustand fortgeschrittener Abstimmung in Level 5 (vgl. Luftman und Kempaiah 2007, S. 167 f.). Nachfolgende Abb. 2.7 zeigt das SAMM: Level 5: Optimierte Prozesse •
Abstimmung zwischen Business und IT ist fortgeschritten und wird organisationsweit umgesetzt.
Level 4: Verbesserte Prozesse •
Prozesse, die für Strategic Alignment erforderlich sind, werden gesteuert und gegenseitiges Verständnis ist hergestellt.
Level 3: Etablierte Prozesse •
IT ist organisationsweit einbezogen und gegenseitiges Verständnis entsteht
Level 2: Notwendige Prozesse •
Beziehung zwischen Business und IT hergestellt, jedoch noch beschränktes gegenseitiges Verständnis
Level 1: Intitiale/Ad-Hoc-Prozesse •
Mängel in Abstimmung und Notwendigkeit für Abstimmungsbemühungen
Abb. 2.7 Reifestufen des Business/IT-Alignments. (In Anlehnung an: Luftman und Kempaiah 2007, S. 168)
Abschließend soll in Kürze das Alignment-Modell nach Benbya und McKelvery (2006) vorgestellt sein. Dieses Modell unterscheidet sich bspw. vom SAM nach Henderson und Venkatraman (1993), indem neben der Abstimmung auf
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
strategischer und operativer Ebene zusätzlich eine individuelle Ebene betrachtet wird. Damit hebt dieser Ansatz Anforderungen der Nutzer hervor, die mit der entsprechenden IT-Infrastruktur (original: „IS infrastructure“) abzustimmen sind (vgl. Benbya und McKelvey 2006, S. 286). Damit werden die Nutzer entsprechender Informationssysteme und IT-Anwendungen zusätzlich in den Fokus von Alignment-Bestrebungen gestellt, was als ein erfolgskritischer Faktor angesehen wird. Als Abstimmung auf individueller Ebene werden das Schaffen von gegenseitigem Verständnis und Berücksichtigung von Erfahrungen und Bedürfnissen bei der Entwicklung und Bereitstellung entsprechender IT-Anwendungen verstanden (vgl. Benbya und McKelvey 2006, S. 286). In nachfolgender Abb. 2.8 ist das sog. „Coevolutionary IS Alignment”-Modell vereinfacht dargestellt:
Business Strategische Ebene IT-Strategie
Gegenseitiges Verständnis
Fachbereiche
IT-Bereich
Operative Ebene
Kommunikation
IT
Nutzer
Individuelle Ebene
Abb. 2.8 Coevolutionary IS Alignment-Modell. (In Anlehnung an: Benbya und McKelvey 2006, S. 288)
Zusammenfassend bleibt anzumerken, dass unterschiedliche Ansätze zur Abstimmung von „Business“ und „IT“ existieren, die unterschiedliche Dimensionen und Elemente der Abstimmung beinhalten und in die Abstimmungsbestrebungen einbetten. Damit wird deutlich, dass sie sich – je nach zeitlicher Einordnung – entweder dem enger gefassten Begriff des Strategic Alignments
2.2 Business/IT-Alignment
69
oder dem weiter gefassten Begriff des Business/IT-Alignments zuordnen lassen. Neben den genannten Modellen existieren weitere Modelle, auf die an dieser Stelle aus Gründen der Fokussierung nicht weiter eingegangen werden kann (vgl. auch nochmals Tab. 2.1). Es gibt immer wieder Bestrebungen, das Business/IT-Alignment aktuellen Entwicklungen anzupassen, was im nachfolgenden Kapitel durch die Betrachtung der Digitalisierung im Alignment-Kontext weiter verdeutlicht werden soll.
2.2.4
Business/IT-Alignment im Kontext der Digitalisierung
Neueste Entwicklungen innerhalb der Alignment-Literatur greifen auch die Digitalisierung und Ihre Auswirkungen auf die Gestaltung entsprechender Ansätze auf, auch wenn hervorgehoben werden muss, dass dies bislang nur in einem eher geringeren Ausmaß erfolgte (vgl. Weingarth et al. 2020; Yeow et al. 2018; Jonathan et al. 2020, S. 5564). Jonathan et al. (2020) gehen in ihrer Literaturstudie zum Business/IT-Alignment im Kontext der Digitalisierung der Frage nach, welche organisationalen und externen Faktoren das Business/IT-Alignment aktuell beeinflussen, und verdeutlichen, dass aktuell nur wenige Ansätze in der akademischen Alignment-Literatur existieren, die sich mit der Veränderung des Business/IT-Alignments im Kontext der Digitalisierung befassen (vgl. hierzu: Jonathan et al. 2020, S. 5568). Auch wenn strenggenommen der Bezug der untersuchten Literatur zur Digitalisierung nicht immer durchgängig erkennbar ist, so decken sie dennoch wichtige und aktuelle Aspekte auf, die die aktuelle Alignment-Forschung bestimmen und zukünftig bestimmen werden. So wird insbesondere die Herausforderung verdeutlicht, dass viele unterschiedliche Alignment-Konzepte existieren und damit verbunden unterschiedliche Verständnisse bestehen, die oftmals die strategische Ebene verstärkt betrachten und es daher auf operationaler Ebene zu Unklarheiten bezüglich einer konkreten Umsetzung kommen kann. Auch ist nach Jonathan et al. (2020) in der Literatur nicht eindeutig erkennbar, ob es sich beim Business/IT-Alignment um ein eher statisches Vorgehen, oder um einen dynamischen Prozess handelt, was im Kontext der Digitalisierung und der Einbettung von Organisationen in komplexe Netzwerke zu entscheiden ist (vgl. Jonathan et al. 2020, S. 5568). Eine weitere Herausforderung bestehe in der häufig recht komplexen Ausgestaltung bestehender Alignment-Modelle, die sich dann wiederum nur erschwert für einen konkreten Fall adaptieren lassen. Im Kontext der Digitalisierung benötigen Organisationen vielmehr verständlichere Ansätze, die es ermöglichen, die komplexen und schnelllebigen Rahmenbedingungen, in denen die Organisationen
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
agieren, abbilden zu können (vgl. hierzu insbesondere die Arbeit von Reynolds und Yetton 2015). Eine weitere Herausforderung stellt der Einbezug weiterer Mechanismen in die Alignment-Bestrebungen dar, die neben der weitreichend durch Literatur attestierten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit Elemente, wie etwa Governance oder veränderte organisationale Strukturen, mit einbeziehen und damit zukünftig verstärkt auch digitale Strategien berücksichtigen sollen (vgl. Jonathan et al. 2020, S. 5568; Ein ähnlicher Aufruf zur Betrachtung digitaler Strategien findet sich auch bei: Coltman et al. 2015, S. 95 f.). Als weitere Frage, die es im Kontext der Digitalisierung innerhalb der Business/IT-Alignment-Literatur zu beantworten gilt, kann die nach der Beziehung von Alignment und Agilität genannt werden (vgl. zum Begriff der Agilität: Conboy 2009, S. 340; Hemon et al. 2020, S. 928, Kapitel 1). Nach Jonathan et al. (2020) ist zu bestimmen, wie ein Alignment organisationale Agilität beeinflussen oder fördern kann, oder wie sich organisationale Agilität wiederum auf Alignment-Bestrebungen auswirken kann. Diese wechselseitige Beziehung von Alignment und Agilität wird auch als Alignment-Agilitäts-Paradoxon bezeichnet (vgl. Jonathan et al. 2020, S. 5567 f.). Neben der Arbeit von Jonathan et al. (2020) werden zukünftige Forschungsfelder des Alignments im Kontext der Digitalisierung durch Coltman et al. (2015) bestimmt. Demzufolge gilt es in zukünftiger Forschung sämtliche Organisationsebenen mit in ein Alignment zu fassen, und sich von einer strategischen makro-Betrachtung hin zu einer kleinteiligeren mikro-Betrachtung zu bewegen, was in ähnlicher Weise auch durch Jonathan et al. (2020) beschrieben ist (vgl. Coltman et al. 2015, S. 95). Daneben schlagen sie vor, die immer weiter zunehmende Entstehung digitaler „Business“-Strategien und ihre Implikationen auf das Business/IT-Alignment zu erforschen. Insbesondere soll in zukünftiger Forschung die Beziehung von IT- und „Business“-Strategien stärker betrachtet werden, und was es für ein Alignment bedeutet, wenn IT selbst die Strategie darstellt (vgl. Coltman et al. 2015, S. 96). Der dritte Schlüsselbereich weiterer Forschung wird in der verstärkten Betrachtung von Ökosystemen und ihrer Auswirkungen auf das Alignment gesehen. Coltman et al. (2020) argumentieren, dass Organisationen in Partnerschaften und in immer komplexeren Netzwerken und Ökosystemen agieren, was unmittelbar ein Business/IT-Alignment beeinflusst und durch verschwimmende Grenzen und komplexe Strukturen erschwert werden kann (vgl. Coltman et al. 2015, S. 96 f.). Konkreten Bezug zu Business/IT-Alignment und Digitalisierung stellen hingegen die Arbeiten her, die Lösungen in Form angepasster Ansätze zur Diskussion stellen. So erarbeiten etwa Weingarth et al. (2020) in Form einer Fallstudie, wie verschiedenen Alignment-Praktiken dynamische Fähigkeiten (original: „Dynamic capabilities“) zugeschrieben werden, um den Anforderungen der Digitalisierung
2.2 Business/IT-Alignment
71
besser gerecht zu werden. Im Kontext der hier geführten Diskussion um eine Weiterentwicklung der Alignment-Idee im Kontext der Digitalisierung können diese Erkenntnisse nicht außer Acht gelassen werden und sind in der Folge kurz dargestellt: Sie betrachten in dieser Fallstudie ein Versicherungsunternehmen und stellen organisationale Agilität als erstrebenswerten Zustand heraus, den sie mit Verweis auf Aghina et al. (2015) als „capability of an organization to rapidly adapt to turbulent environments and to continously renew itself“ definieren (Weingarth et al. 2020, S. 6). Auf der Basis geführter Interviews können Maßnahmen herausgestellt werden, die ein zunehmendes Business/IT-Alignment zur Erreichung höherer organisationaler Agilität in dem betrachteten Unternehmen begünstigen. Zum einen sind dies sog. duale Mandate (original: „Dual mandates“), die eine organisationale Veränderung darstellen und Entscheidungsträgern auf unterschiedlichen Hierarchiestufen neue Verantwortlichkeiten zuschreiben. Waren sie bisher nur für einen bestimmten Bereich (Business) verantwortlich, übernehmen sie nun auch die Verantwortung für die jeweiligen IT-Funktionen. Daneben stellen Weingarth et al. (2020) heraus, dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Business/IT-Alignment und Agilität durch die Befragten gesehen wird. Insbesondere verbesserte Kommunikation, Kollaboration und eine funktionsübergreifende Betrachtung sowie das Auflösen von Funktions-Silos begünstigen die Umsetzung digitaler Transformation (vgl. Weingarth et al. 2020, S. 7). Kritisch kann jedoch betrachtet werden, dass diese Erkenntnisse nur sehr knapp auf der Basis von Befragungen in nur einem Unternehmen herausgestellt wurden. Dennoch werden hier digitalisierungskonforme Grundsätze, wie etwa eine stärkere funktionsübergreifende Zusammenarbeit, Interdisziplinarität und eine engere Verknüpfung von „Business“ und „IT“ durch duale Mandate, die hier in den Ansatz des Business/IT-Alignments übertragen werden, verdeutlicht (vgl. Weingarth et al. 2020, S. 7). Eine umfassendere Untersuchung stellen hingegen Yeow et al. (2018) an, die ebenfalls den Ansatz dynamischer Eigenschaften (original: „Dynamic capapbilites“) heranziehen und einen Alignment-Prozess hinsichtlich einer digitalen Strategie erarbeiten. Dies geschieht jedoch ebenfalls auf der Basis von Interviews mit Befragten nur eines Unternehmens. Im Ergebnis wird festgestellt, dass bei Verfolgung digitaler Strategien zunehmend verstanden werden muss, inwieweit ein Alignment funktionsübergreifende Prozesse begünstigt, die zunehmend als wettbewerbskritisch verstanden werden können. So konzipieren Yeow. et al (2018) das Alignment selbst als dynamische Fähigkeit, die das Erfassen, Ergreifen und Transformieren von Leistungen und speziellen Alignment-Handlungen beschreibt. Kritisch muss jedoch betrachtet werden, dass der gezeigte Alignment-Prozess
72
2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
eher allgemein formulierte Schritte enthält, jedoch auch hier digitalisierungskonforme Grundsätze, wie etwa eine zunehmend übergreifende Ausrichtung und Orientierung an einer übergreifenden Strategie adressiert (vgl. Yeow et al. 2018, S. 12). Ein weiterer Ansatz, das Business/IT-Alignment in den Kontext der Digitalisierung zu stellen, verfolgen Horlach et al. (2020), indem Sie dem Business/ITAlignment-Konzept die Eigenschaft der organisationalen Agilität zuschreiben. Im Ergebnis entwickeln sie auf der Basis einer Befragung von 36 Praktikern das sog. „Business-IT alignment model for agile contexts“, das durch die nachfolgend kurz dargestellten Alignment-Dimensionen geprägt ist (vgl. Horlach et al. 2020, S. 11–13): • Ökosystem-Alignment (original: „Ecosystem alignment“): Dimension, die kontinuierliche Abstimmung mit dem Ökosystem, insbesondere zu Kunden und Partnerorganisationen vorsieht. • Unternehmensvision-Alignment (original: „Enterprise vision alignment“): Strategische Anpassung der Unternehmensvision an Kundennutzen von Produkten und Dienstleistungen. • Architektur-Alignment (original: „Architectural Alignment“): Abstimmung zwischen Service-Strukturen und -Prozessen mit Service-Business- und -ITKomponenten. Interdisziplinäre Teams oder Bereiche schaffen funktionale Konvergenz durch Zusammenführung von Business- und IT-Fähigkeiten. • Kontinuierliches Re-Alignment (original: „Continous Re-Alignment“): Dimension, die innerhalb des gesamten Unternehmens wiederkehrende Abstimmung vorsieht, um kontinuierlich auf Veränderungen im Ökosystem reagieren zu können. Im Ergebnis schlagen Horlach et al. (2020, S. 11) also ein Alignment vor, das als „continuous and rapid, reactive and proactive (re)fitting and (re)converging of internal business and IT capabilities, structures, and processes across all organizational levels“ verstanden werden kann. Innerhalb der Dimension des Architektur-Alignments wird bereits eine funktionale Integration von Businessund IT-Fähigkeiten auf Ebene der Services angenommen, die es wiederum als Einheit (Business- und IT-Fähigkeiten vereint) mit den übrigen Komponenten des Modells abzustimmen gilt. Auch wenn dieser Gedanke, zumindest auf Service-Ebene, mit der Grundidee dieser Ausarbeitung übereinstimmt, ergeben sich entscheidende Unterschiede in den Herangehensweisen. So wird bspw. diese Integration als gegeben angesehen, ohne deren systematische und schrittweise
2.2 Business/IT-Alignment
73
Umsetzung zu forcieren, was wiederum in dieser Arbeit aus ganzheitlicher Organisationssicht vorgenommen werden soll. Auch kann der in dieser Ausarbeitung entwickelte Ansatz als weitreichender betrachtet werden, da nicht versucht wird, das bestehende Business/IT-Alignment in Organisationen anzupassen, sondern vielmehr durch einen gänzlich neuen Ansatz weiterzuführen und schließlich zu ersetzen. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass bei der Betrachtung erster Arbeiten zum Business/IT-Alignment im Kontext der Digitalisierung durchaus praktikable Empfehlungen ausgesprochen werden, die etwa funktionsübergreifende Handlungen, Orientierung an Kundennutzen und Ökosystemen, Interdisziplinarität oder Verfolgung einer digitalen Strategie vorschlagen. An dieser Stelle soll nochmals darauf hingewiesen werden, dass der Alignment-Gedanke zunehmend als sich ständig wiederholend und dynamisch angesehen werden soll, um auf Veränderungen in den Rahmenbedingungen reagieren zu können. Allerdings herrscht über Statik und Dynamik – wie beschrieben – bis heute keine vollständige Einigkeit, was in den verschiedenen existierenden Ansätzen erkennbar ist. Business/IT-Alignment wird dennoch durch die meisten Autoren als sich ständig weiterentwickelnd verstanden, das immer dynamischen Anpassungen im Zeitverlauf unterliegen und offen gestaltet sein muss, um stetig neue Anforderungen in die Überlegungen einfließen zu lassen (vgl. Coltman et al. 2015, S. 97) – Diese Sichtweise wird auch in dieser Ausarbeitung geteilt. Die kurze Darstellung der Arbeiten von Weingarth et al. (2020), Yeow et al. (2018) und Horlach et al. (2020) zeigt im Wesentlichen solche Anpassungen, die wichtige und relevante aktuelle Einflüsse und neue Schwerpunktsetzungen in die Alignment-Bestrebungen von Organisationen übertragen. Dennoch existieren im Kontext der Digitalisierung offene Fragen und zu diskutierende Effekte auf das Alignment, wie etwa von Jonathan et al. (2020) oder auch Coltman (2015) herausgearbeitet. Diese begründen eine Weiterführung des Business/IT-Alignments hin zu einem neuen Ansatz, der das Alignment schließlich durch vollständige Integration ersetzen kann. Die dargestellten Ansätze in diesem Unterkapitel fokussieren dem gegenüber auf Ergänzung oder Anpassung bestehender Alignment-Bestrebungen in den jeweils betrachteten Organisationen, auch wenn in einzelnen Dimensionen durchaus erste Formen weitreichenderer Zusammenlegung oder Konvergenz bestimmter Fähigkeiten (von „Business“ und „IT“) erkannt werden können.
74
2.2.5
2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Zusammenfassung
Innerhalb des zweiten Teils dieses Kapitels wurde auf Grundlagen der Business/IT-Alignment-Thematik eingegangen und aufgezeigt, wie vielseitig die Ausgestaltung dieser Abstimmung zwischen „Business“ und „IT“ vorgenommen werden kann. Auch wurde dargestellt, dass sich das Business/IT-Alignment im Zeitverlauf stetig weiterentwickelte und nach wie vor weiterentwickelt. So wird dieses immer wieder um neue Elemente erweitert oder ergänzt, die es in die Abstimmungsbemühungen in Organisationen aufzunehmen gilt. Das in dieser Arbeit gezeigte SAM nach Henderson und Venkatraman (1993) entstand bereits Anfang der 90er Jahre, als erste Erklärungsmodelle und Methoden für die Abstimmung von „Business“ und „IT“ erforderlich schienen. Weitere gezeigte Ansätze verdeutlichen die Entwicklung dieser Thematik bis in die Zeit der Digitalisierung hinein, wobei nochmals deutlich hervorgehoben werden muss, dass nur wenige Arbeiten diesen Kontext in die Alignment-Forschung heben und entsprechender Handlungsbedarf attestiert werden kann. Nachfolgend widmet sich dieses Kapitel dem Begriff der Integration und wie dieser innerhalb der Wirtschaftsinformatik verstanden werden kann, um ein grundlegendes Integrationsverständnis für die in dieser Ausarbeitung erarbeitete Business/IT-Integrationsidee zu schaffen.
2.3
Zum Begriff der Integration
Um die Fortführung eines Business/IT-Alignments hin zum Ansatz der Business/IT-Integration vornehmen zu können, bedarf es einer Auseinandersetzung mit dem Begriff der Integration. Dazu ist es erforderlich, den Begriff der Integration zunächst im Allgemeinen, aus Sicht der Betriebswirtschaftslehre und anschließend differenzierter aus der Perspektive der Wirtschaftsinformatik zu betrachten. Aus dem lateinischen Wort „integrare“ im Sinne von „wiederherstellen“ oder „erneuern“ ist der Begriff der Integration abgeleitet. Unter Integration wird allgemein zunächst die (Wieder-)Herstellung eines Ganzen oder einer Einheit verstanden. So bedeutet Integration immer eine Tätigkeit oder ein Prozess zum Erreichen eines Zustands, z. B. das Herstellen einer Einheit, das Zusammenführen von Elementen oder Schaffen von Beziehungen. Daneben muss herausgestellt werden, dass Integration ebenfalls einen Zustand im Sinne eines Ergebnisses dieser Tätigkeiten bezeichnen kann. Daneben kann Integration im Allgemeinen auch als Vervollständigung eines beliebigen Gefüges verstanden werden, als auch als
2.3 Zum Begriff der Integration
75
Einbeziehung oder Eingliederung in ein größeres Ganzes (vgl. Kaib 2002, S. 10; Mertens 2013, S. 13; Heinrich et al. 2014, S. 3). Es bleibt festzustellen, dass unterschiedliche Verständnisse des Integrationsbegriffes in verschiedenen Zusammenhängen und Wissenschaftsdisziplinen existieren und daher auch unterschiedliche Definitionen je nach betrachtetem Kontext Verwendung finden (vgl. Heinrich et al. 2014, S. 3). Integration dient also dazu, Elemente zu einer Einheit zusammenzuführen, die in Gesamtheit einen höheren Nutzen erzeugen als die Elemente im Einzelnen (vgl. Linß 1995, S. 5). Als zu integrierende Elemente können innerhalb der Betriebswirtschaftslehre grundsätzlich Aufgaben, Bereiche oder Abteilungen als auch gesamte Organisationen im Kontext von Fusionen, Übernahmen, Unternehmenskäufen oder Kooperationen betrachtet werden (vgl. Baker und Niederman 2014, S. 113). Integration beschreibt dann einen Vorgang, der bspw. Strukturen unterschiedlicher Unternehmen zusammenführt und im Rahmen einer neu geschaffenen Organisation (bspw. nach erfolgter Übernahme) auf eine „neue“ Einheit im Sinne der oben genannten Integrationsdefinition fokussiert (vgl. zur Integration im Rahmen von Übernahmen: Schonewille 2010). Daneben findet der Integrationsbegriff innerhalb der Organisationslehre in besonderem Maße Anwendung (vgl. Steinmann et al. 2013, S. 399–415). Als Organisation wird die „integrierte Strukturierung von Ganzheit“ verstanden (Kosiol 1976, S. 21), die notwendig ist, um eine übergeordnete Zielsetzung, etwa die Umsetzung eines Geschäftsmodells, durch Zusammenwirken von Ressourcen, Aufgaben und Akteuren erreichen zu können (vgl. Kieser 1992, S. 2). Steinmann et al. (2013) verdeutlichen, dass Integration zur Komplexitätsreduktion beitrage, die aufgrund von Differenzierung und Spezialisierung vieler unterschiedlicher Fachbereiche in Organisationen existiere. In diesem Zusammenhang muss Integration „nicht nur als ein mechanisches Problem des Zusammenfügens“ unterschiedlicher Aufgabenbereiche, sondern ebenfalls als „Problem der auseinanderdriftenden Orientierungen der Stelleninhaber und Abteilungen“ verstanden werden (Steinmann et al. 2013, S. 399) Somit kann herausgestellt werden, dass eine Organisation als Einheit unterschiedlicher Elemente verstanden werden kann, die einen gemeinsamen Zweck erfüllen. Die Zusammenlegung der einzelnen Elemente, aus denen eine Gesamtorganisation schließlich bestehet und funktioniert, stellt die Ganzheit dar, die i.S. des Integrationsbegriffes zu erschaffen ist.
76
2.3.1
2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Der Integrationsbegriff in der Wirtschaftsinformatik
Nach der kurzen Darstellung des allgemeinen und betriebswirtschaftlichen Verständnisses von Integration soll nun der Fokus auf den Integrationsbegriff innerhalb der Disziplin der Wirtschaftsinformatik gelegt werden. An dieser Stelle muss jedoch gleich auf eine gewisse Einschränkung auf einige wenige Begriffsverständnisse verwiesen werden, da dieser Begriff auch innerhalb der Wirtschaftsinformatik vielseitig und in unterschiedlichen Teilbereichen Verwendung findet, auf die im Rahmen dieser Ausarbeitung nicht vollumfänglich eingegangen werden kann. Auch innerhalb der Wirtschaftsinformatik wird der Begriff der Integration umfangreich und vornehmlich im Kontext von Fusionen, Übernahmen, Unternehmenskäufen oder Kooperationen (Mergers & Acquisitions) verwendet. Dies ist bspw. der Fall, wenn IT-Funktionen zweier Unternehmen nach Zusammenschluss zu einem (neuen) Unternehmen ineinander überführt werden und so eine neue Einheit, bspw. eine neue IT-Funktion, geschaffen werden muss. Die einzelnen Elemente, wie bspw. Prozesse, Aufgaben, Verantwortlichkeiten, eingesetzte Systeme oder Architekturen gilt es dann zu einer neuen Einheit zusammenzuführen, die wiederum ein neues gemeinsames Ziel verfolgt (vgl. Baker und Niederman 2014, S. 115). Neben dieser Sichtweise findet der Integrationsbegriff innerhalb der Wirtschaftsinformatik häufig Anwendung im Kontext der Gestaltung von Informationssystemen (vgl. hierzu etwa: Mertens 2013; Holten 2003). Als Informationssysteme werden Subsysteme eines Gesamtsystems, wie bspw. einer Organisation, verstanden, die durch Zusammenführen von Menschen, Aufgaben und Anwendungssysteme einer sozio-technischen Ausrichtung folgen. Als Anwendungssysteme werden wiederum die (technischen) Subsysteme des Informationssystems verstanden, die bspw. Anwendungssoftware, Hard- und Software und Kommunikationstechniken beinhalten können (vgl. Krcmar 2015, S. 23). Mit Blick auf den dargestellten Begriff der Systemintegration kann die Schaffung der Einheit eines betrieblichen Informationssystems durch Zusammenführen und Gestalten der einzelnen Elemente diesem zugeordnet werden. Picot et al. (2003) bezeichnen Integration im Kontext von Anwendungssystemen als Zusammenführung bestimmter funktionaler Eigenschaften (vgl. Picot et al. 2003, S. 180). Mertens (2013) zeigen im Rahmen der integrierten Informationsverarbeitung als zu integrierende Elemente Menschen, Techniken und Aufgaben auf, wodurch ein sozio-technisches, und mit Blick auf die verschiedenen Elemente und Akteure innerhalb einer Organisation, auch ganzheitliches Begriffsverständnis eingenommen wird, dem auch in dieser Ausarbeitung gefolgt
2.3 Zum Begriff der Integration
77
werden soll (vgl. Mertens 2013, S. 14; Heilmann 1989, S. 46 f.). Für diese Arbeit wird der Integrationsbegriff daher wie folgt definiert: Integration ist die Herstellung einer Einheit durch Zusammenführung oder Verbinden von zu integrierenden Elementen, die Menschen, Techniken und Aufgaben darstellen können. Damit wird auch an dieser Stelle die ganzheitliche Ausrichtung der in dieser Ausarbeitung vorgeschlagenen Neuausrichtung der IT-Funktion innerhalb von Organisationen nochmals hervorgehoben. An dieser Stelle soll auf die Verwendung des Integrationsbegriffes in den frühen Arbeiten von Teo und King (vgl. 1996, 1997; 1999) hingewiesen werden, die mit dem Konzept einer „Business-planning and IS-planning-Integration“ (BP-ISPIntegration) bereits eine stärkere Verbindung von „Business“ und „IT“ anstrebten. Es muss jedoch herausgestellt werden, dass trotz Verwendung des Integrationsbegriffes in diesem Zusammenhang ein anderes Verständnis als dem in dieser Ausarbeitung zugrunde gelegten Verständnis verfolgt wird. So definieren Teo und King (1996) etwa BP-ISP-Integration als „alignment of IS strategies with business goals and business strategies gained through coordination between the business and IS planning functions and activities“ (Teo und King 1996, S. 1). Damit wird der Integrationsbegriff dem Alignment-Begriff weitgehend gleichgesetzt, was auch an anderen Stellen deutlich wird. Bspw. verdeutlichen sie in einer weiteren Arbeit, dass „alignment (or integration) between strategic business planning (BP) and ISP has been given significant attention in recent years (…)“ (Teo und King 1997, S. 186). Auch hier ist also eine gewisse Gleichsetzung der Begriffe Integration und Alignment erkennbar. Als Grundmodell dieser Arbeiten dient ein vierstufiges Modell, das verschiedene Ausprägungsformen von BP-ISP-integration beschreibt, die durch verschiedene Charakteristika der Organisation und der Umwelt geprägt sind (vgl. Teo und King 1997, S. 186 f.): • Typ 1: Administrative Integration (original: „Administrative integration“): Separate Planung und schwache Beziehung zwischen BP und ISP, geringer Aufwand, um Informations- und Kommunikationstechnik unterstützend zu nutzen. • Typ 2: Sequenzielle Integration (original: „Sequential integration“): Einseitig verknüpfte Planung. BP gibt Richtung für ISP vor, ISP als Unterstützer für BP.
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2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
• Typ 3: Reziproke Integration (original: „Reciprocal integration“): Zweiseitig verknüpfte Planung, wechselseitige Beziehung von BP und ISP. • Typ 4: Volle Integration (original: „Full integration“): Geringe Unterscheidung von BP und ISP, Business- und IT-Strategie werden gleichzeitig in einem gemeinsamen Prozess entwickelt. Integration im Sinne von Vereinigung oder Schaffung einer Einheit, wie sie in dieser Ausarbeitung verstanden wird, kann in diesen Ausprägungsformen nicht vollumfänglich erkannt werden. Allenfalls auf der letzten Ausprägungsstufe wird eine starke Verknüpfung von BP und ISP und damit von „Business“ und „IT“ beschrieben. Insgesamt kann jedoch eine weiter aufrechterhaltene Koexistenz von BP und ISP abgeleitet werden, die zwar aufeinander abzustimmen sind – ein Konzept vollständiger Vereinigung im Sinne der in dieser Ausarbeitung aufgezeigten Business/IT-Integration vor dem Hintergrund der Anforderungen der Digitalisierung, kann diesem frühen Ansatz jedoch nicht zugesprochen werden. Damit können diese Arbeiten, trotz Verwendung des Integrationsbegriffes, eher der grundsätzlichen Alignment-Thematik der Anfangsjahre dieser Forschungsrichtung zugeordnet werden (vgl. insbesondere Abschnitt 2.2.3). Zusammenfassend muss berücksichtigt werden, dass dieser BP-ISP-Integrationsansatz in einer Zeit betrachtet worden ist, in der Digitalisierung als sozio-technisches Phänomen, wie es aktuell verstanden werden kann (vgl. Abschnitt 2.1), Organisationen (noch) nicht vor die heutigen Herausforderungen stellte.
2.3.2
Perspektiven integrierter Informationsverarbeitung
Um sich dem Begriff der Integration innerhalb der Wirtschaftsinformatik noch weiter zu nähern, soll an dieser Stelle auf die verschiedenen Integrationsperspektiven der integrierten Informationsverarbeitung eingegangen werden, aus denen relevante Eigenschaften für die im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung aufgezeigte Ausgestaltung des Business/IT-Integrationsansatzes herangezogen werden. Mertens (2013) hat diese Integrationsperspektiven wesentlich geprägt. Diese Perspektiven setzen sich aus Gegenstand der integrierten Informationsverarbeitung, Integrationsrichtung, Integrationsreichweite, Automatisierungsgrad und Integrationszeitpunkt zusammen, die nachfolgend dargestellt sind (vgl. hierzu: Mertens 2013, S. 13–23):
2.3 Zum Begriff der Integration
79
Gegenstände der integrierten Informationsverarbeitung Als wesentlicher Gegenstand der integrierten Informationsverarbeitung zählt die Integration von Daten, die weiter in einen Austausch von Daten zwischen Systemen und in eine Nutzung einer gemeinsamen Datenbasis unterschieden werden kann (vgl. Heine 1999, S. 65). Neben der Datenintegration wird die Integration von Funktionen als weiterer Gegenstand aufgeführt, worunter die informationstechnische Verknüpfung dieser verstanden wird. Ein weiterer Gegenstand stellt die Prozess- bzw. Vorgangsintegration dar, die relevante Vorgänge entweder zu einer Prozesskette verknüpft oder diese vereinigt. Weiterhin wird die Methodenintegration als weiterer Gegenstand genannt, die vorsieht, wie in einer Organisation angewandte Methoden miteinander kombiniert werden und dann effizienter eingesetzt werden können. Als weiterer Gegenstand wird die Programmintegration unterschieden, die vorsieht, dass einzelne Programme, betrachtet als „Softwarebausteine“, in ein integriertes System überführt werden (vgl. Mertens 2013, S. 13 f.). Integrationsrichtung Diese Integrationsperspektive fokussiert auf die Aufbauorganisation und zeigt, auf welche Weise Integrationsbemühungen innerhalb von Organisationen umgesetzt werden können. Es wird zwischen der vertikalen und horizontalen Integration unterschieden. Eine vertikale Integration bedeutet, dass insbesondere Planungsund Kontrollsysteme mit operativen Systemen integriert werden. Mit Blick auf eine Aufbauorganisation wird hierdurch in gewisser Weise eine Integration strategischer Funktionen mit operativen Funktionen angestrebt, was der nachfolgenden Abbildung zu entnehmen ist. Eine horizontale Integration sieht hingegen vor, eine Integration von Gegenständen (Forschung und Entwicklung, Vertrieb, Beschaffung, Produktion, Versand und Kundendienst als zu integrierende Funktionen) entlang einer innerbetrieblichen Wertschöpfungskette vorzunehmen. Auch diese Integrationsrichtung kann der nachfolgenden Abb. 2.9 entnommen werden (vgl. Mertens 2013, S. 18).
80
2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
Unternehmensführung
Finanzen Rechnungswesen Personal Anlagenmanagement
Planungs- und Kontrollsysteme
Vertikale Integration
Operative Systeme Forschung und Entwicklung
Vertrieb
Beschaffung
Produktion
Versand
Kundendienst
Wertschöpfung
Horizontale Integration
Abb. 2.9 Horizontale und vertikale Integration. (In Anlehnung an: Mertens 2013, S. 19)
Integrationsreichweite Innerhalb dieser Integrationsperspektive wird zunächst eine innerbetriebliche Integration von einer zwischenbetrieblichen Integration unterschieden. Dabei beschränkt sich die innerbetriebliche Integration auf die Organisation selbst, wobei diese Integration entweder innerhalb von einzelnen Organisationsbereichen, als auch bereichsübergreifend ausgestaltet sein kann (bspw. in einem Organigramm über Linienabteilungen hinweg). Daneben wird eine zwischenbetriebliche Integration angestrebt, wenn Integrationsgegenstände organisationsübergreifend zusammengeführt werden sollen. Hierbei kann eine Integration entlang einer organisationsübergreifenden Wertschöpfung (z. B. inklusive Zulieferunternehmen) betrachtet werden, um bspw. eine derivative Nachfrage effizienter befriedigen zu können (vgl. Mertens 2013, S. 20; zum Begriff der derivativen Nachfrage und übergreifender Wertschöpfungsprozesse: Backhaus und Voeth 2011, S. 191–193). Ähnliche Überlegungen finden sich bspw. bei
2.3 Zum Begriff der Integration
81
Schubert und Dettling (2004), die im Kontext der Integration von E-BusinessProzessen ebenfalls zwischen externer und interner Integration unterscheiden und somit zum einen die Integration von Informationssystemen innerhalb einer einzelnen Organisation und zum anderen eine B2B-Applikations-Integration über Organisationsgrenzen hinweg beschreiben (vgl. Schubert und Dettling 2004, S. 1–17). Automationsgrad Unter dem Grad an Automation wird die Aufteilung von Arbeit zwischen Menschen und Maschinen in Organisationen verstanden. So existieren verschiedene Zustände, die zwischen den Extremen vollständiger menschlicher Arbeit und Vollautomation liegen. Bei einer vollautomatischen Verkettung sind Systeme dazu in der Lage, selbstständig mit weiteren Systemen zu kommunizieren und weitere Maßnahmen selbständig einzuleiten bzw. auszulösen (vgl. etwa den Industrie 4.0Begriff, Abschnitt 2.1.3). Hingegen bedeutet eine Teilautomation, dass Menschen und Maschinen in einem Austausch stehen und Integration durch ein gewisses Maß an menschlichem Handeln in einem automatisierten Umfeld vollzogen werden kann (vgl. Mertens 2013, S. 21). An dieser Stelle muss jedoch angemerkt werden, dass auch ein Zustand an Vollautomation mit vollintegrierten Systemen und Maschinen immer auch eine Folge menschlicher Leistung darstellt. Integrationszeitpunkt Die Integrationsperspektive des Zeitpunktes unterscheidet zwischen einer Echtzeit- bzw. Ereignisorientierung und einer Integration mit Zeitverzug. Bei der Echtzeit- bzw. Ereignisorientierung löst ein eingetretenes Ereignis unmittelbar weitere Maßnahmen aus. Unter Integration mit Zeitverzug wird etwa eine „Stapelverarbeitung“ verstanden, die weitere Maßnahmen erst nach Sammlung und Verarbeitung von bspw. neuen Daten auslöst (vgl. Mertens 2013, S. 23). So kann Integration also auch hinsichtlich zeitlicher Faktoren weiter differenziert werden. Neben diesen kurz beschriebenen Integrationsperspektiven nach Mertens (2013) kann der Integrationsbegriff weiter anhand der zu integrierenden Elemente bestimmt und unterschieden werden. Diese Art der Unterscheidung schlägt Mertens (2013) bereits innerhalb der ersten Perspektive „Gegenstand der integrierten Informationsverarbeitung“ vor und nennt Daten, Funktionen, Prozesse, Programme und Methoden als zu integrierende Gegenstände (vgl. Mertens 2013, S. 13 f.). In der Literatur lassen sich weitere zu integrierende Gegenstände identifizieren, die den Integrationsbegriff in unterschiedlichen Zusammenhängen erklären können. Heinrich et al. (2014) betrachten daneben insbesondere Organisationen und Systeme als zentrale zu integrierende Gegenstände (vgl. Heinrich
82
2
Begriffliche und konzeptionelle Grundlagen
et al. 2014, S. 3–5). Im Kontext der Gestaltung „computergestützter Integration funktionaler Arbeitsteilung“ beschreibt Scheer (1992) etwa die Vereinigung verschiedener Vorgänge mit Nutzung verschiedener Daten als zu integrierende „Gegenstände“, bspw. hin zu einem Vorgangskettendiagramm (vgl. Scheer 1992, S. 1042). Bei Betrachtung der unterschiedlichen Integrationsgegenstände zeigt sich, dass diese auch unterschiedlichen Sichten zugeordnet werden können. So beschreiben etwa Herden und Zwanziger (2009) eine Trennung zwischen organisatorischer und technischer Sicht, wodurch sich der jeweilige Zusammenhang der Integrationsgegenstände darstellen lässt (vgl. Herden und Zwanziger 2009, S. 7). Mit Blick auf die in diesem Kapitel dargestellten Integrationsgegenstände kann eine solche Zuordnung vorgenommen werden, wodurch sich bspw. Daten, Funktionen, Programme und Systeme einer technischen Sicht zuordnen lassen und etwa Prozesse, Methoden und Vorgänge einer organisatorischen Sicht zugeordnet werden können. Zur Verrichtung sämtlicher Vorgänge in Organisationen bedarf es der Mitwirkung von Menschen, die Verantwortung übernehmen, was im Sinne des oben gezeigten ganzheitlichen Verständnisses die sozio-technische Dimension des Integrationsbegriffs deutlich macht, dem in dieser Ausarbeitung gefolgt wird.
2.3.3
Zusammenfassung
Die vorigen Ausführungen haben aufgezeigt, dass unterschiedliche Verständnisse des Integrationsbegriffes existieren, die je nach betrachtetem Kontext variieren können. Für diese Ausarbeitung wird Integration als Herstellung einer Einheit durch Zusammenführung oder Verbinden von zu integrierenden Elementen, die Menschen, Techniken und Aufgaben darstellen können, verstanden. Damit werden Elemente aufgenommen, die bei der in dieser Ausarbeitung entwickelten Business/IT-Integration ein sozio-technisches und zudem ganzheitliches Vorgehen innerhalb von Organisationen ermöglichen können. Damit die IT-Funktion somit im Kontext der Digitalisierung neu in Organisationen ausgerichtet werden kann, um die Anforderungen der Digitalisierung adressieren zu können, ist es in den nachfolgenden Schritten in dieser Ausarbeitung erforderlich, Implikationen für dieses Vorgehen zu erheben. Zum einen geschieht dies mit einer Analyse ausgewählter theoretischer Konzepte zur Einbindung der IT-Funktion in Organisationen (Kapitel 3) und zum anderen durch eigene praktische Betrachtung mittels einer quantitativen Online-Umfrage (Kapitel 4).
3
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen aus theoretischen Ansätzen
Innerhalb dieses Kapitels sollen Möglichkeiten und Grenzen für den eigenen Vorschlag einer Neuausrichtung der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung erhoben werden, die sich aus bestehenden etablierten Konzepten ableiten lassen. Hierzu sollen Konzepte betrachtet werden, die innerhalb des IT-Managements prominent – neben der Alignment-Thematik – in Wissenschaft als auch Praxis in der Diskussion stehen und Lösungen für eine Anpassung der IT-Funktion an die Anforderungen der Digitalisierung bereitstellen. Bevor auf exemplarische und prominent diskutierte Ansätze eingegangen werden kann, die versuchen, die IT-Funktion hinsichtlich der Anforderungen der Digitalisierung neu zu positionieren, soll zunächst geklärt werden, welche Rolle die IT als Funktionsbereich in Organisationen für die Umsetzung der Digitalisierung überhaupt einnimmt und einnehmen muss.
3.1
Digitalisierung und die Rolle der IT
Wie in Abschnitt 2.1 dargestellt, ist es für Organisationen von zunehmender Bedeutung, entsprechende Eigenschaften digitaler Produkte, Dienstleistungen und Prozesse zu entwickeln und umzusetzen, wodurch Fragen beantwortet werden müssen, wie eine solche Realisierung dieser Eigenschaften letztlich erreicht werden kann. An dieser Stelle rückt die IT-Funktion in seinem weiter gefassten Verständnis (vgl. Abschnitt 2.2.1) näher in die Betrachtung. IT-Funktionen stehen zunehmend in der Verantwortung, digitale Technologien zu entwickeln, zu fördern, bereitzustellen und zu erweitern, die schließlich in Produkten und Dienstleistungen, aber auch in Prozessen eingebunden werden und diese maßgeblich prägen (vgl. hierzu: Urbach und Ahlemann 2017, S. 3; Setia et al. 2013, S. 583). Die IT-Funktion in Organisationen kann dadurch selbst © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 C. Grawe, Business/IT-Integration, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40132-0_3
83
84
3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
zunehmend als wettbewerbskritischer Teil dieser digitalen Produkte, Dienstleistungen und Prozesse verstanden werden (vgl. Porter und Heppelmann 2014, S. 67). Wie bereits innerhalb des zweiten Kapitels dargestellt, werden digitalen Produkten gewisse Eigenschaften zugerechnet, die innerhalb der Produktentwicklung umgesetzt werden müssen. So gilt es, die immer vorhandenen „physischen“ Komponenten durch „smarte“ und „Vernetzungs“-Komponenten zu erweitern, wodurch Innovationen in Informations- und Kommunikationstechniken bereitgestellt werden müssen (vgl. Porter und Heppelmann 2014, S. 67). Produkte werden so zu „smarten“ Produkten weiterentwickelt, indem diesen eine gewisse Intelligenz, bspw. durch Sensoren und Selbststeuerung zugeführt wird. Yoo et al. (2012) heben hervor, dass die Eigenschaft des „smarten” durch Kombination vieler unterschiedlicher Funktionen innerhalb eines Produktes erreicht wird, wodurch neuartige Entwicklungen in Informations- und Kommunikationstechniken erforderlich sind (vgl. Yoo et al. 2012, S. 1399). Gleiches gilt für die Realisierung von Vernetzungs-Eigenschaften, die Innovationen in Informations- und Kommunikationstechniken, wie bspw. zwischen Sender und Empfänger bereitstellen, erfordern (vgl. Novales et al. 2016, S. 6; Lusch und Nambisan 2015, S. 169; Porter und Heppelmann 2014, S. 67). Analog zum Verständnis digitaler Produkte sind auch digitale Dienstleistungen, wie bereits in Abschnitt 2.1.2 dargestellt, das Ergebnis einer Erweiterung von Leistungen um digitale Technologien, die wiederum durch die IT-Funktion in Organisationen entwickelt, gefördert und erweitert werden können (vgl. Setia et al. 2013, S. 583). Innovationen in Informations- und Kommunikationstechniken sind für die Gestaltung von Dienstleistungen essenziell und werden als fundamental für die Implementierung digitaler Dienstleistungen im Angebotsportfolio von Organisationen angesehen (vgl. Lusch und Nambisan 2015, S. 169; Yoo et al. 2012, S. 1399). Novales et al. (2016) merken an, dass innerhalb der WirtschaftsinformatikLiteratur jedoch der Einfluss der IT-Funktion auf Strategien und Prozesse umfassender diskutiert wird, als ein Einfluss der IT-Funktion auf die Gestaltung digitaler Produkte oder Dienstleistungen (vgl. Novales et al. 2016, S. 1). Innerhalb der Darstellung der Business/IT-Alignment-Thematik in Abschnitt 2.2 wurde in erster Linie auf die Beziehung von „Business“ (bzw. Geschäftsstrategie) und „IT“ (bzw. -Strategie) verwiesen und die Entwicklung im Zeitverlauf dargestellt. Daneben wurde darauf verwiesen, dass in der Literatur unterschiedliche Verständnisse zu unterschiedlichen Zeitpunkten immer wieder beschrieben sind. Auch zeigen neuere Arbeiten, dass es im Kontext der Digitalisierung weiterhin
3.1 Digitalisierung und die Rolle der IT
85
zu untersuchen gilt, wie das Verhältnis von „Business“ und „IT“ auf strategischer Betrachtungsebene zu gestalten ist (vgl. hierzu etwa: Jonathan et al. 2020; Coltman et al. 2015; Chen et al. 2010). So ist es von besonderer Bedeutung, auf die zunehmende Verbreitung digitaler Geschäftsstrategien Bezug zu nehmen und zu überprüfen, wie sich eine solche digitale Strategie auf die Ausrichtung der IT als Funktionsbereich in Organisationen auswirken kann (vgl. Jonathan et al. 2020, S. 5567; Hess et al. 2016, S. 6). Um den Einfluss digitaler Strategien auf die Neuausrichtung der IT-Funktion in die eigene Lösungsentwicklung zu überführen und entsprechende Möglichkeiten und Grenzen dafür ableiten zu können, wird das Konzept der digitalen Strategie (dann: Digital Business Strategy (DBS)) im nachfolgenden Unterkapitel – stellvertretend für die strategische Betrachtungsdimension organisationaler Veränderungen – genauer dargestellt und analysiert. Die Bedeutung der IT-Funktion für die Umsetzung digitaler Produkte, Dienstleistungen und Prozesse, sowie eine zu klärende strategische Neuausrichtung, haben unmittelbaren Einfluss auf organisationale Entscheidungen bezüglich einer strukturellen Einbindung der IT-Funktion. Die Literatur offenbart insbesondere hinsichtlich einer Realisierung von Agilität im Einklang mit einem Alignment von „Business“ und „IT“ Forschungsbedarf (vgl. Coltman et al. 2015, S. 94). So lässt sich der Literatur entnehmen, dass Digitalisierung zu einer veränderten strukturellen Einbindung der IT-Funktion führen wird. Dazu existieren unterschiedliche Ideen, die diese Frage aufgreifen und Lösungen anbieten. Urbach und Ahlemann (2016) formulieren etwa in ihrer Arbeit über das IT-Management im Zeitalter der Digitalisierung die These, dass eigenständige IT-Linienabteilungen im Kontext weit fortgeschrittener Digitalisierung nicht weiter existieren werden und vielmehr eine strukturelle Fusion mit den übrigen Fachbereichen anzustreben sei (vgl. Urbach und Ahlemann 2016, S. 137–144). Ein prominent diskutierter Ansatz, der versucht, der IT-Funktion die für die Digitalisierung notwendigen Eigenschaften zuzuschreiben, kann in dem Konzept der bimodalen IT gesehen werden (vgl. Haffke et al. 2017; Gartner 2014). Dieses Konzept soll exemplarisch in dieser Ausarbeitung hinsichtlich Möglichkeiten und Grenzen für die eigene Lösungsentwicklung dargestellt und hinterfragt werden. Dieser weitreichend in Literatur und Praxis diskutierte Ansatz kann bei der Diskussion um eine Neuausrichtung der IT-Funktion und Fortführung der Alignment-Idee nicht außer Acht gelassen werden. Neben der Rolle der IT für die strategische Positionierung und ihrer strukturellen Eingliederung gilt es, die Rolle für die Digitalisierung von Prozessen zu diskutieren. Neben Prozessen, die vorrangig externen Kunden angeboten werden, werden in besonderem Maße Prozesse digitalisiert, die (bspw. digitale
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3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
Produktions-, Vertriebs- oder Arbeitsprozesse) vorrangig aus interner Perspektive betrachtet werden. Abschnitt 2.1.2 verdeutlichte vornehmlich die Digitalisierung von Produktionsprozessen unter der Thematik einer Industrie 4.0 und wie digitale Technologien in diese eingebettet werden. Aber auch die Einbettung digitaler Technologien und neuartiger sozio-ökonomischer Entwicklungen (bspw. Nachfrage nach veränderten digitalen Kommunikationsprozessen), führen dazu, dass Prozesse nicht weiter isolierte Funktionen und Abläufe abbilden, sondern in ein umfassendes Netzwerk aller beteiligter Instanzen, bspw. durch Anwendung des Internets der Dinge, eingebunden werden (vgl. hierzu etwa: Bharadwaj et al. 2013, S. 457). Die Organisation der Prozesse verändert sich also zunehmend von einer eher funktionsorientierten Gestaltung, welche in praktischer Umsetzung häufig ineffiziente Funktions-Silos betrachtet, hin zu einem holistischen Netzwerk, in das sämtliche Prozesse eingebettet werden können und erforderliche Kompetenzen dynamisch zugeordnet werden können (vgl. Rai et al. 2012, S. 9). Digitale Technologien ermöglichen dann eine Echtzeit-Kommunikation und -Interaktion aller relevanten internen, als auch externen Instanzen, wodurch der Einsatz dieser Technologien im Einklang mit neuen sozio-ökonomischen Entwicklungen steht und diese wiederum auch ermöglicht (vgl. Porter und Heppelmann 2014, S. 68). Um solch digitale Prozess-Eigenschaften, die soziotechnischer Natur sind, bereitzustellen, besteht Nachfrage nach Lösungen und Funktionen, die der IT-Funktion in Organisationen zugesprochen werden können (vgl. Urbach und Ahlemann 2016, S. 21–34). Damit kann die Notwendigkeit nach Diskussion der Ausrichtung der IT-Funktion für die Digitalisierung von Prozessen und der Einbindung dieser in innovationsfördernde komplexe Ökosysteme begründet werden (vgl. Coltman et al. 2015, S. 96). Wie im zweiten Kapitel beschrieben, beschreibt digitale Transformation die Einbettung digitaler Technologien zur Verbesserung gegenüber einem Ausgangszustand und damit zur Nutzensteigerung (vgl. Abschnitt 2.1.1). Diese Verbesserungen erfordern einen verstärkten und weitreichenden Einsatz von IT-Funktionen innerhalb dieses Transformations-Prozesses (vgl. Fitzgerald et al. 2013, S. 2). IT-Funktionen werden also zunehmend als „Ermöglicher“ von Innovationen in Informations- und Kommunikationstechniken, die wiederum zu Bestandteilen von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen avancieren (vgl. Legner et al. 2017, S. 304; Urbach und Ahlemann 2019, S. 125 f.). Dem Verständnis dieser Ausarbeitung folgend, finden solche weitreichenden organisationalen Veränderungen auf strategischer Ebene, auf struktureller Ebene, sowie auf operativer Ebene der Prozesse innerhalb von Organisationen statt, wodurch die dargestellten zukünftig zu untersuchenden Forschungsfelder adressiert werden sollen, die nachfolgend nochmal verdeutlicht sind:
3.1 Digitalisierung und die Rolle der IT
87
• Einbindung digitaler Strategien und Auflösung starker Fokussierung auf Einzel-Strategien, • Überprüfung und Realisierung agiler Formen der Strukturierung, sowie die • Ausgestaltung operativer digitalisierter Prozesse Um eine Organisation in Betrachtungsebenen zu gliedern, um schließlich eine differenzierte Untersuchung von organisationalen Veränderungen systematisch herbeizuführen, haben sich vornehmlich in Management- und besonders ITManagement-Literatur verschiedene Vorgehensweisen etabliert. Als eine Möglichkeit kann der sog. Business Engineering-Ansatz herangezogen werden, der mittels einer sog. „Business Engineering-Landkarte“ vorsieht, eine Organisation als Ganzes in eine strategische Ebene, eine Ebene der Aufbau- und Ablauforganisation, sowie in eine unterstützende Systemebene (IT-Funktionen) zu unterteilen. Umgeben sind diese Ebenen von Elementen, die vornehmlich soziale Eigeschaften abbilden, die es im Rahmen von Transformationsprozessen zu untersuchen gilt. Diese stellen Aspekte der Motivation und Führung, der Machtverhältnisse, des Verhaltens sowie der Kommunikation dar. Auf der Basis dieser Unterscheidungen können schließlich Wirkungen und Zusammenhänge auf und zwischen den jeweiligen Betrachtungsdimensionen systematisiert untersucht werden (vgl. Österle und Winter 2003, S. 6–13). Die nachfolgende Abb. 3.1 zeigt diese Möglichkeit der Ebenen-Aufteilung:
Strategieebene Transformation
Geschäftsstrategie
Aufbau- und Ablauforganisation Funktionen und Geschäftsprozesse
Motivation und Führung Macht Verhalten Kommunikation
Systemebene Informations- und Kommunikationssysteme
Abb. 3.1 Organisationsebenen des Business Engineerings. (In Anlehnung an: Österle und Winter 2003, S. 12)
Da in dieser Ausarbeitung jedoch die IT weiter gefasst als eigenständiger Funktionsbereich inklusive Informations- und Kommunikationstechniken, seinem
88
3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
Management, seiner Mitglieder, Rollen und Verantwortlichkeiten als neu auszurichtend und in sämtliche Bereiche zu integrierend verstanden wird, wird hier von der exakten Aufteilung und Trennung der Ebenen gemäß dem Business Engineering-Modell leicht abgewichen und eine technische Systemebene nicht weiter explizit berücksichtigt. Es soll jedoch die Grundidee der Aufteilung von Organisationen in einzelne Betrachtungsebenen beibehalten werden, wodurch die geforderte Systematik weiterer Untersuchungen (vgl. Abschnitt 1.2) sichergestellt werden kann. Anknüpfend an die Argumentation zur digitalen Transformation und insbesondere zur organisationalen Veränderung, die in Abschnitt 2.1.1.3 gezeigt wurde (vgl. Abb. 2.1), soll an dieser Stelle die zu untersuchende Anpassung auf strategischer, struktureller sowie auf operativer Prozessebene mit in die Argumentationslinie ergänzt werden. Die zu diskutierenden Veränderungen in der Ausrichtung der Fachbereiche der „Business“-Seite sowie insbesondere in der Ausrichtung der IT-Funktion, werden als Teil einer langfristigen organisationalen Anpassung verstanden. Die nachfolgende Abb. 3.2 erweitert die in Abschnitt 2.1.1.3 gezeigte Abbildung um eine differenziertere Darstellung organisationaler Anpassung, bzw. digitaler Transformation:
Organisation Langfristiger organisationaler Wandel (digitale Transformation) Digitale Technologien
Strategische Ebene
Digitale Produkte und Dienstleistungen Anpassungen der Fachbereiche (Business)
Sozio-ökonomische Entwicklungen
Digitale interne und externe Prozesse
Strukturelle Ebene
Anpassungen der ITFunktion
Prozess-Ebene
Abb. 3.2 Erweiterte Darstellung organisationaler Veränderung im Kontext der Digitalisierung. (Eigene Darstellung)
Die Ebene der Aufbau- und Ablauforganisation aus dem gezeigten Business Engineering-Modell wird im Rahmen dieser Ausarbeitung nochmals unterteilt und eine strukturelle Ebene abgebildet, die die Einbindung der IT-Funktion in Organisationsstrukturen untersuchen soll. Daneben wird die Ablauforganisationsebene als operative Prozess-Ebene betrachtet, um neben den dominierenden Überlegungen über die strategische Einbindung der IT-Funktion und Verknüpfung
3.1 Digitalisierung und die Rolle der IT
89
zu Geschäftsstrategien, auch die Anforderung nach stärkerer Berücksichtigung operativer Veränderungen erfüllen zu können (vgl. Abschnitt 2.2.5). Auf die sozialen Elemente, wie Führungsverhalten und Organisationskultur, wird zunächst aus Gründen der Fokussierung vorerst nicht explizit durch Betrachtung eigener Ebenen eingegangen, obwohl die hohe Bedeutung von Führungsverhalten und Kultur für eine erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung und Zusammenarbeit von Fachbereichen und IT-Funktion unabdingbar ist. Auf ausgewählte Aspekte wird im späteren Verlauf dieser Ausarbeitung Bezug genommen, da sie untrennbar mit Veränderungen auf den betrachteten Ebenen verbunden sind. Insbesondere können Auswirkungen von im Kontext der Digitalisierung verändertem Führungsverhalten (Begriff: Digital Leadership) Veränderungen auf struktureller Ebene beeinflussen (vgl. Abschnitt 5.2.4). Kulturelle Aspekte werden im Rahmen der Evaluation und im daraus abgeleiteten Ausblick auf weitere Forschung aufgegriffen (vgl. insbesondere Abschnitt 6.6). Mit Blick auf die oben gezeigte Abb. 3.2 kann die Veränderung der ITFunktion dann auf strategischer und struktureller Ebene betrachtet werden, die wiederum veränderte Prozesse auf operativer Ebene ermöglichen. Im Ergebnis kann also der Annahme gefolgt werden, dass Funktionen und Ergebnisse der IT-Funktion untrennbar mit einer durch Digitalisierung geprägten Wertschöpfung und damit den primären wertschaffenden Fachbereichen (Business) verknüpft verstanden werden müssen (vgl. Legner et al. 2017, S. 304). Die Nachfrage nach digitalen Produkten, Dienstleistungen und Prozessen von außen als auch von innen heraus führt zum Überdenken existierender Geschäfts- als auch IT-Strategien, organisationaler Strukturen und operativer Prozessgestaltung, um langfristig die Anforderungen der Digitalisierung adäquat umsetzen zu können (vgl. Hess et al. 2016, S. 5). Stellvertretend für diese drei Betrachtungsebenen werden in der Folge Ansätze vorgestellt und diskutiert. Es werden stellvertretend für die strategische Ebene der Digital Business Strategy (DBS)-Ansatz, stellvertretend für die strukturelle Ebene der Ansatz der bimodalen IT und stellvertretend für operative Anpassungen die agilen Vorgehensweisen DevOps und Scrum betrachtet. Diese Ansätze stellen nur eine Auswahl dar, werden allerdings herangezogen, da sie in der Literatur einen wichtigen Stellenwert einnehmen und Lösungen anbieten, der IT-Funktion Eigenschaften zuzuschreiben, die für eine erfolgreiche Umsetzung der Digitalisierung als erstrebenswert gelten (vgl. Abschnitt 2.1).
90
3.2
3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
Ansatz der „Digital Business Strategy“
Hinsichtlich möglicher Implikationen für die in dieser Ausarbeitung vorgeschlagene Neuausrichtung der IT-Funktion wird zunächst der Ansatz der Digital Business Strategy (DBS) diskutiert. Im Anschluss soll die Darstellung kurz um Kritik und alternative Formen strategischer Anpassung der IT-Funktion ergänzt werden, um hervorzuheben, dass der DBS-Ansatz nur eine – jedoch prominente – Möglichkeit der Konzeptualisierung strategischer Veränderung innerhalb der Literatur darstellt. Abschließend werden Implikationen für die eigene Lösungsentwicklung tabellarisch zusammengefasst.
3.2.1
Eigenschaften einer „Digital Business Strategy“
Der Vorschlag zur Bildung einer DBS wird vermehrt seit der Publikation einiger relevanter Artikel im Jahre 2013, insbesondere der Arbeit von Bharadwaj et al. (2013) immer wieder aufgegriffen. Das DBS-Konzept stellt häufig die Basis für nachgelagerte Überlegungen innerhalb der wissenschaftlichen Diskussion um Veränderungen strategischer Ausrichtungen dar (vgl. Park und Mithas 2020, S. 85; Kahre et al. 2017, S. 4706). Eine DBS kann zunächst als „organizational strategy formulated and executed by leveraging digital resources to create differential value“ definiert werden (Bharadwaj et al. 2013, S. 472). Der Begriff beschreibt im Wesentlichen eine Vereinigung von Unternehmens- und IT-Strategie hin zu einer gemeinsamen Strategie, wodurch die IT-Strategie nicht länger als der Unternehmensstrategie untergeordnet verstanden wird (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 472; Coltman et al. 2015, S. 96; Kahre et al. 2017, S. 4706). Diese Zusammenlegung der Strategien ermöglicht es, digitalen Kompetenzen in Organisationen eine höhere Priorität in der strategischen Ausrichtung der Gesamtorganisation zuteilwerden zu lassen, um schließlich Anforderungen der Digitalisierung nach stärkerer Einbindung digitaler Innovationen in die Wertschöpfung besser abbilden zu können. Bharadwaj et al. (2013) definieren vier Schlüsselbereiche, die eine DBS beschreiben können: den Umfang einer DBS, das Ausmaß einer DBS, die Geschwindigkeit einer DBS sowie Quellen und Erfassung der Wertschöpfung. Nachfolgendend sind diese vier Schlüsselbereiche dargestellt (vgl. hier und im Folgenden: Bharadwaj et al. 2013, 472–478):
3.2 Ansatz der „Digital Business Strategy“
91
Der Umfang einer DBS (original: „Scope”): Die Bestimmung des Umfangs ist dazu erforderlich, die Beziehungen zwischen Organisationen, Branchen, IT-Infrastrukturen, zum externen Umfeld und hinsichtlich der Zusammensetzung von Funktionen genauer zu konzipieren. Dazu gehört es, die Wettbewerbsstrategie unter Beachtung von Anforderungen der Digitalisierung zu gestalten. Bharadwaj et al. (2013) erläutern, dass sich die DBS insbesondere dadurch von einer traditionellen IT-Strategie unterscheidet, da sie eine funktionsübergreifende Ausrichtung vorsieht. Eine DBS ist dadurch den verschiedenen Fachbereichen in Organisationen übergeordnet und schafft eine Verbindung dieser Fachbereiche an übergeordneten Zielen, die sich aus der Umsetzung der Digitalisierung ableiten lassen. Damit wird eine ständige Verbindung mit der Leistung der internen IT-Funktion hergestellt, was zu einem ständigen Informationsaustausch führen kann. Bharadwaj et al. (2013) beschrieben weiterhin, dass im Zeitverlauf mit fortschreitender Digitalisierung und Vertrautheit mit Informationen, Kommunikation und Vernetzung die DBS eine Geschäftsstrategie nahezu ersetzen kann und damit womöglich keine explizite Unterscheidung mehr zwischen diesen beiden Strategietypen möglich sein wird (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 473). Neben dieser Ausrichtung bestimmt insbesondere das Maß der Digitalisierung von Produkten, Dienstleistungen und Prozessen den Umfang der zu definierenden DBS. Damit bestimmen die angebotenen Produkte und Dienstleistungen die Marktstrategie, die wiederum durch digitale Ressourcen geprägt sind. In Analogie zu den Ausführungen des zweiten Kapitels folgt der Begriff digitaler Ressourcen in diesem Kontext dem Verständnis, dass digitale Technologien aus technischer Sicht heraus, und neuartige Entwicklungen aus sozio-ökonomischer Sicht heraus, digitale Produkte, Dienstleistungen und Prozesse zunehmend bestimmen. Digitale Produkte und Dienstleistungen können das bestehende Angebotsportfolio von Organisationen erweitern oder gar ersetzen, wodurch sich neue Formen von Geschäftsmodellen ergeben, wodurch wiederum veränderte Marktstrategien zu verfolgen sind (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 473; Barrett et al. 2015, S. 135). Als weiteres Merkmal einer DBS, das den Umfang dieser beschreibt, gilt das Ausmaß, in dem Organisationsgrenzen überschritten, und übergreifende Wertschöpfungsketten betrachtet werden sollen (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 474). In Analogie zur Darstellung digitaler Prozesse, die ebenfalls durch „digitale Ressourcen“, bzw. durch digitale Technologien und sozio-ökonomischen Entwicklungen geprägt sind (vgl. Abschnitt 2.1.3), muss zur Bestimmung des Umfangs einer DBS festgelegt sein, inwieweit dynamische Systeme und Plattformen über Funktions- und Organisationsgrenzen hinweg eine traditionelle Funktionsorientierung ablösen können (vgl. Rai et al. 2012, S. 7; Saraf et al.
92
3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
2007, S. 322). Hierunter fällt besonders die bereits thematisierte Betrachtung von Ökosystemen, die der Realisierung von Innovationen dienen können und einen maßgeblichen Einfluss auf die Gestaltung der strategischen Ausrichtung darin eingebetteter Organisationen darstellen (vgl. Coltman et al. 2015, S. 96 f.). Das Ausmaß der DBS (original: „Scale”): Dieser Aspekt gilt als wesentlicher Treiber von Profitabilität und ermöglicht die Senkung von Stückkosten (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 475). Es wird empfohlen, eine Skalierung der strategischen Effekte nicht ausschließlich anhand physischer Faktoren vorzunehmen, sondern sie durch „digitale Faktoren“ (einschließlich sozio-ökonomischer Entwicklungen) zu ergänzen. Beispielsweise kann eine Möglichkeit darin gesehen werden, die zunehmende Verfügbarkeit von Cloud-Computing als Möglichkeit der Bewertung der eigenen Infrastruktur vorzunehmen. Daneben böten Netzwerkeffekte die Möglichkeit einer weiteren Skalierung. Netzwerkeffekte entstehen, wenn der Nutzen eines Gutes für den Nachfrager steigt, je mehr andere Nachfrager ebenfalls dieses Gut nutzen (z. B. im Falle neuer digitaler Kommunikationstechnologien, vgl. Yang und Jiang 2021). Ebenfalls böte sich nach Bharadwaj et al. (2013) die Möglichkeit, das Ausmaß einer DBS durch die Nutzung großer Datenmengen und einer sich daraus ergebenden großen Anzahl an verfügbaren Informationen zu bestimmen. Abschließend werden Partnerschaften und Allianzen, gestützt durch die Nutzung digitaler Technologien, als weitere Möglichkeiten der Bestimmung des Ausmaßes genannt (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 476). Die Geschwindigkeit einer DBS (original: „Speed”): Als weiterer Schlüsselbereich zur Bestimmung einer DBS wird ihre Geschwindigkeit angesehen. Diese setzt sich aus der Geschwindigkeit von Produktveröffentlichungen, der Geschwindigkeit von Entscheidungen und der Wertschöpfungsorchestration sowie der Geschwindigkeit einer Netzwerkbildung zusammen. Besonders die Geschwindigkeit von Produktveröffentlichungen wird durch den Einsatz digitaler Technologien als auch sozio-ökonomischer Entwicklungen geprägt. So können bspw. vernetzte und digitalisierte Fertigungsprozesse Güter hinsichtlich Qualität, Kosten als auch Zeit effizienter realisieren. Auch verändertes Verhalten, etwa auf Seiten der Nachfrager, kann zu beschleunigter Bereitstellung verschiedener Leistungen führen. Daneben fördern besonders Technologieentwicklungen, die auch durch andere Organisationen parallel oder vorgelagert erfolgen können, die beschleunigte Realisierung verschiedenster Leistungen. Eine verfügbare und verbreitete (digitale) Technologie stellt dann die Basis für Innovationen auch anderer Organisationen dar.
3.2 Ansatz der „Digital Business Strategy“
93
Bharadwaj et al. (vgl. 2013, S. 477) nennen als Beispiel den E-Book-Reader Kindle, dessen Smartphone-Version etwa auf die bereits vorhandene AndroidTechnologie zurückgreift. Mit fortschreitender Digitalisierung ist ebenfalls davon auszugehen, dass digitale Technologien, die innerhalb von Organisationen bereits genutzt werden zur weiteren Digitalisierung weiterer verbundener Organisationen beitragen können. Informationen, die zur Entscheidungsfindung benötigt werden, können bspw. durch Echtzeit-Erfassung und -Auswertung den Entscheidungsträgern unmittelbar zur Verfügung gestellt werden (vgl. hierzu etwa: Hamilton und Lynch 2012). Die Geschwindigkeit der Orchestration von Wertschöpfungsketten kann durch den Einsatz digitaler Technologien, wie bspw. „Enterprise Resource Planning-Systemen“ (ERP) effizienter gestaltet werden. Innerhalb eines Netzwerks bietet es sich an, Kompetenzen durch Outsourcing effizient zu verteilen, was zu Wettbewerbsvorteilen führen kann. Digitale Technologien als auch sozio-ökonomische Entwicklungen ermöglichen darüber hinaus die beschleunigte Bildung solcher Netzwerke, die in traditionellen Wirtschaftszweigen üblicherweise über eine lange Zeit hinweg gewachsen sind (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 477). Quellen und Erfassung der Wertschöpfung (original: „Sources and Capture”): Als vierter Schlüsselbereich zur Bildung einer DBS werden Quellen der Wertschöpfung genannt, die ebenfalls durch die Nutzung digitaler Technologien und dem wirtschaftlichen Handeln innerhalb organisationsübergreifender Netzwerke begründet liegen. Insbesondere die Verfügbarkeit von Informationen führt zu neuen Geschäftsmodellen, wie bspw. Social Media-Plattformen, oder verändert Geschäftsmodelle, da sich individuelle Formen der Kundenansprache ergeben und neue Formen von Nutzensteigerungen möglich werden (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 477; Downes und Nunes 2013, S. 45–48). Wertschöpfung entsteht zunehmend aus vielseitigen, sich bedingenden Geschäftsmodellen, in denen Werte durch viele unterschiedliche Angebote generiert werden können (vgl. hierzu: Pagani 2013, S. 625). Traditionelle Produkte oder Dienstleistungen werden um zusätzliche (digitale) Leistungen ergänzt, wodurch Geschäftsmodelle ausgeweitet werden können (vgl. Abschnitt 2.1.2). Ebenfalls erfordern Geschäftsmodelle, die in übergreifenden Netzwerken organisiert sind, einen hohen Abstimmungsbedarf bei der Bestimmung der Wertschöpfung, da Abhängigkeiten und Synergien betrachtet werden müssen (vgl. Lynne Markus und Loebbecke 2013, S. 651; Coltman et al. 2015, S. 97). Zusammenfassend empfehlen Bharadwaj et al. (2013) nicht ausschließlich den Einfluss digitaler Technologien auf die Geschäftsstrategie einzelner Organisationen zu betrachten, sondern vielmehr die Betrachtung sämtlicher Quellen der Wertschöpfung, die zunehmend auch in übergreifenden
94
3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
innovativen Netzwerken und Ökosystemen begründet liegen (vgl. Bharadwaj et al. 2013, S. 478).
3.2.2
Kritik und alternative Ansätze
Trotz der hohen Prominenz dieses Ansatzes in der Literatur zu strategischen Fragestellungen im Kontext der Digitalisierung müssen an dieser Stelle auch Schwächen genannt werden, die es bei weiteren Überlegungen zur Neuausrichtung der IT-Funktion auf strategischer Ebene zu beachten gilt. So kann die Bildung einer DBS als sehr umfassendes Vorhaben angesehen werden, was wiederum zu Herausforderungen in einer konkreten Umsetzung führen kann. Nahezu sämtliche Organisationsbereiche beeinflussen die Bildung einer DBS und der umfassende Einsatz digitaler Ressourcen wiederum führt etwa zu neuen Strukturen von Netzwerken. So kann an dieser Stelle angemerkt werden, dass die allumfassende Darstellung nach Bharadwaj et al. (2013), die eine DBS durch die in den Schlüsselbereichen genannten digitalen Eigenschaften beschreiben, diskutiert werden kann. So ist es denkbar, dass zunächst eine kleinteiligere Strategieformulierung anzustreben ist, aus der sich dann wiederum die weiteren Anpassungen in der jeweiligen Organisation ergeben. Auch Matt et al. (2015) verdeutlichen, dass ein DBS-Ansatz, so wie von Bharadwaj et al. (2013) dargestellt, eher als ein zukünftig erstrebenswerter Zustand weitreichender Digitalisierung zu verstehen ist, und dass es in der Forschung an konkreteren Handlungsempfehlungen zur organisationalen Transformation hin zu einem solchen Zustand mangelt (vgl. Matt et al. 2015, S. 3). Wie aus der Darstellung der Schlüsselbereiche zur Bildung einer DBS erkennbar ist, existieren viele verschiedene Faktoren, die die Bildung dieses Strategietyps letztlich bestimmen. Durch eine solche Betrachtung sämtlicher Bereiche und Funktionen einer Organisation, können sich wiederum Herausforderungen bei der Bestimmung einer DBS ergeben, die insbesondere in der Bewältigung dieser Komplexität liegen (vgl. Park und Mithas 2020, S. 85). Insbesondere die hohen Abstimmungsbemühungen, die in vielseitigen Geschäftsmodellen mit unterschiedlichen in Interaktion stehenden Leistungsangeboten, oder in organisationsübergreifenden Wertschöpfungsnetzwerken bestehen, erschweren oftmals die Entwicklung einer DBS im konkreten Anwendungsfall (vgl. Park und Mithas 2020, S. 86). Auf Basis dieser Überlegung untersuchten Park und Mithas (2020), wie Organisationen ihre organisationalen Fähigkeiten konfigurieren sollten, um Wettbewerbsvorteile innerhalb von komplexen digitalen Strukturen erreichen zu können. Um spezifischere Empfehlungen auszusprechen,
3.2 Ansatz der „Digital Business Strategy“
95
betrachteten Sie dabei die Sektoren Gesundheit, Bildung, Produktion und Dienstleistungen. Auf Basis einer Befragung ließen sich schließlich Auswirkungen der Fähigkeiten „Führung“, „Informationen und Analytics“, „strategische Planung“, „Kundenbezug“, „Personalbezug“ und „Prozessmanagement“ auf finanziellen Erfolg und Erfolg hinsichtlich der Kunden ableiten (original: „Leadership, Information and Analytics, Strategic Planning, Customer Focus, HR Focus“ und „Process Management“) (vgl. Park und Mithas 2020, S. 88–96). Dieser Ansatz, der unterschiedliche Konfigurationen von Fähigkeiten untersucht, wurde ausgewählt, um Abhängigkeiten innerhalb der DBS-bestimmenden Bereiche besser zu verstehen. Park und Mithas (2020) schlagen bspw. für eine erfolgreiche Gestaltung einer DBS vor, IT-gestützte Analyseverfahren nicht isoliert zu betrachten, sondern als Teil konfigurierter Zusammensetzungen verschiedener Fähigkeiten und dem Organisationsumfeld. Daneben merken sie an, dass verschiedene Zusammensetzungen von Fähigkeiten nicht ausschließlich eine Zielgröße beeinflussen, sondern auch ähnliche Auswirkungen auf finanziellen Erfolg und Kundenerfolg aufweisen können (vgl. Park und Mithas 2020, S. 99). Zwar stellen sie Unterschiede in den Anforderungen an Fähigkeiten in den betrachteten Sektoren heraus, verweisen jedoch auf eine individuelle Bestimmung der Konfigurationen dieser Fähigkeiten in den jeweiligen Organisationen (vgl. Park und Mithas 2020, S. 104). Dabei sind einzelne Einflüsse auf eine DBS nicht isoliert zu betrachten, sondern vielmehr Wirkungen und Wechselwirkungen zwischen den betrachteten Fähigkeiten. Obwohl bereits in der weiteren Forschung versucht wurde, konkretere Handlungsempfehlungen, wie bspw. für die Sektoren Gesundheit, Bildung, Produktion und Dienstleistungen abzuleiten, bleibt eine gewisse Allgemeingültigkeit des DBS-Ansatzes nach Bharadwaj et al. (2013) erkennbar. Neben dem Vorschlag zur Bildung einer DBS, existieren daher weitere Überlegungen, die Strategie hinsichtlich der Anforderungen der Digitalisierung anzupassen. Bspw. diskutieren Matt et al. (2015) Möglichkeiten zur Bildung einer sog. „Digital Transformation Strategy“, die ebenfalls auf die Nutzung digitaler Technologien referenziert, Veränderungen in der Wertschöpfung und in Organisationsstrukturen aufgreift sowie finanzielle Aspekte als entscheidende Faktoren betrachtet (vgl. Matt et al. 2015, S. 3; Hess et al. 2016, S. 5–7). Im Gegensatz zum dargestellten Vorgehen nach Bharadwaj et al. (2013) wird die „Digital Transformation Strategy“ nicht als ein zukünftiger (Ideal-) Zustand einer Organisation verstanden, der auf einem vollständigen und weitreichenden Einsatz digitaler Technologien beruht – vielmehr bildet sie die erforderlichen Transformationsbemühungen hin zu einem solchen digitalisierten Zustand ab und soll als die
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3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
digitale Transformation unterstützend verstanden werden (vgl. Matt et al. 2015, S. 3). Diese Transformationsstrategie ist dabei nicht als vollständige Vereinigung von Geschäfts- und IT-Strategien zu verstehen, sondern vielmehr als ein mit den vorhandenen operationalen und funktionalen Strategietypen abzustimmender übergreifender Strategieansatz (vgl. Matt et al. 2015, S. 2). In einer nachgelagerten Arbeit schlagen die Autoren eine Zusammenstellung strategischer Faktoren vor, aus denen einzelne Ausprägungen auszuwählen sind, die die Bildung der „Digital Transformation Strategy“ im konkreten Anwendungsfall bestimmen können. Nachfolgend ist diese Zusammenstellung abgebildet (Abb. 3.3):
Nutzung von Technologien Strategische Rolle der IT? Technologischer Anreiz?
Enabler Innovator
Supporter
Früher Adopter
Nachzügler
Veränderungen in der Wertschöpfung Grad der digitalen Diversifikation?
Elektronische Verkaufskanäle
Ertragserzielung?
Kostenpflichtiger Content
Freemium
Werbung
Schaffung von Content
Aggregation von Content
Distribution von Content
Group CEO
CEO einer Geschäftseinheit
Zukünftige Hauptgeschäftstätigkeit?
Cross-Media
Medienvielfalt
ContentPlattform
Erweiterter Geschäftsbetrieb
Komplementärprodukte Management von ContentPlattformen
Andere
Strukturelle Veränderungen Verantwortlichkeit für digitale Transformationsstrategie? Organisationale Positionierung neuer Geschäftstätigkeiten? Fokus auf operationale Veränderungen? Aufbau von Kompetenzen?
Group CDO
Integriert Produkte und Dienstleistungen
Getrennt
Geschäftsprozesse
Intern
Partnerschaften
Group CIO
Fähigkeiten Unternehmensübern ahmen
Externes Sourcing
Mittel
Hoch
Finanzielle Aspekte Finanzieller Druck auf das aktuelle Kerngeschäft? Finanzierung neuer Geschäftsaktivitäten?
Niedrig Intern
Extern
Abb. 3.3 Entscheidungen für eine „Digital Transformation Strategy“. (Entnommen aus: Hess et al. 2016, S. 126)
Damit soll an dieser Stelle nochmals exemplarisch dargestellt sein, dass neben dem prominent diskutierten DBS-Ansatz nach Bharadwaj et al. (2013), auch
3.2 Ansatz der „Digital Business Strategy“
97
weitere strategische Überlegungen existieren, der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung einen höheren strategischen Stellenwert zuzuschreiben.
3.2.3
Möglichkeiten, Grenzen und Implikationen für das eigene Vorgehen
Der beschriebene Ansatz der DBS zeigt Überlegungen, die im Kontext der Digitalisierung auf strategischer Ebene getroffen werden müssen. Insbesondere die Idee der Zusammenlegung von Geschäfts- und IT-Strategien zur Erreichung langfristiger Erfolge ist dabei herauszustellen. Mit Blick auf die in dieser Ausarbeitung angestrebte Neuausrichtung der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung sollen nochmals die wesentlichen Möglichkeiten des DBS-Ansatzes für dieses Vorgehen herausgestellt sein, auf die im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung Bezug genommen wird. Daneben gilt es, nochmals die Aspekte gegenüberzustellen, die als Grenzen des DBS-Ansatzes bezeichnet werden können. Die nachfolgende Tab. 3.1 fasst diese Möglichkeiten und Grenzen, die sich aus den beschriebenen Eigenschaften und Kritikpunkten zur DBS ableiten lassen, nochmals zusammen. Im Anschluss können dann Implikationen für die Entwicklung eines Business/IT-Integrationsansatzes daraus abgeleitet werden. Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung Der Ansatz der DBS bietet einige Möglichkeiten für die eigene Lösungsentwicklung. Insbesondere die Zusammenlegung von Geschäfts- und IT-Strategien zu einer neuen übergreifenden Strategie stellt einen wesentlichen Ansatzpunkt der weiteren Überlegungen dar. Die Abstimmung von „Business“ und „IT“ im Sinne eines Alignments erfolgt, wie im zweiten Kapitel dargestellt, im Wesentlichen zwischen den entsprechenden Strategietypen beider Seiten „Business“ und „IT“. Die Implementierung einer DBS, die eine Zusammenlegung dieser Strategien vorsieht, stellt ein Business/IT-Alignment vor neue Herausforderungen, die auch in der Literatur als noch nicht gelöst angesehen werden (vgl. Coltman et al. 2015, S. 95; Jonathan et al. 2020, S. 5568). Konsequent weiter gedacht führt dies zu einer Überwindung des Alignment-Ansatzes. Deshalb soll im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung mit der Entwicklung eines Business/IT-Integrationsansatzes an dieser Stelle angesetzt werden. Im Kontext dieser Neuausrichtung der ITFunktion werden auch strategische Überlegungen dargelegt, in die Implikationen, die sich aus den gezeigten Möglichkeiten und Grenzen des DBS-Ansatzes ableiten lassen, einfließen.
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3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
Tab. 3.1 Möglichkeiten und Grenzen des DBS-Ansatzes Möglichkeiten
Grenzen
• Zusammenlegung von Geschäfts- und IT-Strategie zu gemeinsamer Strategie als Grundidee. • Zuschreibung einer erhöhten Priorität digitaler Kompetenzen und Ressourcen. • Orientierung an übergreifender Wertschöpfung. • Herausstellung des Bezugs digitaler Ressourcen auf die Wertschöpfung. • Förderung beschleunigter Produktveröffentlichungen. • Stärkung der Rolle der IT für den Gesamterfolg. • Ausrichtung der DBS erfolgt funktionsübergreifend. • Definition übergeordneter Zielsetzungen. • Überschreitung von Organisationsgrenzen durch zunehmende Bedeutung übergreifender Wertschöpfungsketten und –Netzwerke. • Betrachtung von Ökosystemen mit vielfältigen Akteuren. • Betrachtung von Netzwerkeffekten und Digitalisierung von Partnerorganisationen und Allianzen. • Berücksichtigung von Rollen in Wertschöpfungsnetzwerken.
• Betrachtung der DBS als ein eher allgemein formulierter Ansatz. • Erschwerung konkreter Umsetzung durch Komplexität in Interaktionen und Wechselwirkungen zwischen beteiligten Akteuren. • Betrachtung einer DBS eher als zukünftig erstrebenswerter Idealzustand. • Nicht ausreichende Abbildung erforderlicher Transformationsbemühungen hin zu einem solchen Zustand. • Ableitung konkreter Handlungsempfehlungen für Organisationen nur eingeschränkt möglich. • Betrachtung der DBS als allumfassende Gesamtlösung nicht in allen Fällen für Organisationen sinnvoll. • Berücksichtigung auch kleinteiliger Veränderungen in strategischer Ausrichtung muss zugelassen sein. • Abstimmung in Netzwerken und Ökosystemen kann als sehr komplex und problematisch verstanden werden. • Differenzierung der Wertschöpfung nicht detaillierter vorgenommen.
Der Gedanke der Zusammenlegung von Geschäfts- und IT-Strategien zu einer übergreifenden Strategie, die sich primär an der Wertschöpfung orientiert, ist dabei auf die eigene Lösungsentwicklung zu übertragen. Dies begründet zugleich, den Ansatz des Business/IT-Alignments im Kontext der Digitalisierung, bzw. dann im Kontext übergreifender strategischer Ausrichtung, hinsichtlich seiner Gültigkeit und Aufrechterhaltung zu hinterfragen. Damit verbunden ist es erforderlich, ebenfalls eine starke Orientierung an der Wertschöpfung aller Fachbereiche und Funktionen in Organisationen vorzunehmen. Bei der Betrachtung digitaler Geschäftsmodelle und digitaler Wertschöpfungsketten und -Netzwerke ist es unerlässlich, auch Partnerorganisationen und Allianzen mit zu betrachten und bei der angestrebten Neuausrichtung der IT-Funktion bezüglich ihrer Rollen und Aufgaben für eine Gesamtwertschöpfung mit einzubeziehen. Allerdings
3.2 Ansatz der „Digital Business Strategy“
99
stellen auch die dargestellten Grenzen des DBS-Ansatzes einen Ausgangspunkt für weitere Implikationen dar. So soll eine übergreifende Strategie in der eigenen Lösungsentwicklung nicht als allumfassender Endzustand betrachtet werden, sondern auch kleinteiligere Maßnahmen strategischer Veränderungen mit in der Lösungsentwicklung Berücksichtigung finden. Damit einher geht die Anforderung nach Komplexitätsreduzierung durch eine differenzierte und mehrdimensionale Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes, in der die strategische Anpassung einen wesentlichen Teil darstellt und weitere Betrachtungsdimensionen, wie die der strukturellen Einbindung der IT-Funktion und die der operativen Prozesse, eigenommen werden sollen. Nachfolgend sind die wesentlichen Implikationen für das eigene Vorgehen nochmals zusammengefasst: • Übertragung des Gedankens einer Zusammenlegung von Geschäfts- und ITStrategien. • Ausrichtung der eigenen Lösungsentwicklung an übergreifender Wertschöpfung. • Starke strategische Orientierung an digitalen Kompetenzen und Ressourcen. • Berücksichtigung von Partnerorganisationen und Allianzen, die in Netzwerken organisiert sein können. • Zulassen von kleinteiligeren Schritten strategischer Neuausrichtung der ITFunktion. • Komplexitätsreduktion durch konkrete Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger. • Forcierung einer systematischen Strategieentwicklung. Stellvertretend für die strategische Betrachtungsebene wurde an dieser Stelle der Ansatz der DBS vorgestellt. Dieser Ansatz kann als prominenteste Überlegung strategischer Anpassung an die Anforderungen der Digitalisierung angesehen werden. Immer wieder wird in der Literatur auf die Ideen und Eigenschaften zur DBS nach Bharadwaj et al. (2013) zurückgegriffen. Allerdings sind die Ausführungen nicht frei von Kritik zu betrachten. So existieren weitere strategische Überlegungen, die ein vor allem differenzierteres Vorgehen präferieren. Für die in dieser Ausarbeitung gezeigte zu entwickelnde Neuausrichtung der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung und Weiterführung und Überwindung der klassischen Business/IT-Alignment-Idee ist es unerlässlich, sich diesen Ideen zu widmen und entsprechende Implikationen für die eigene Lösungsentwicklung abzuleiten. Im folgenden Abschnitt soll nun die strategische Betrachtungsebene ein Stück weit
100
3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
verlassen und auf die Idee eigegangen werden, die IT-Funktion aus struktureller Sicht heraus auf die Digitalisierung auszurichten. Dazu sei in der Folge exemplarisch der Ansatz der bimodalen IT genauer aufgezeigt.
3.3
Ansatz der bimodalen IT zur strukturellen Neuausrichtung der IT-Funktion
Der hier betrachtete Ansatz bimodaler IT soll der strukturellen Betrachtungsebene zugeordnet werden, auch wenn sich nicht gänzlich eine saubere Trennung zur strategischen Ebene herstellen lässt. Vielmehr sollen mit der Darstellung dieses Ansatzes Überlegungen aufgezeigt werden, wie die IT-Funktion in Organisationen hinsichtlich der Anforderungen der Digitalisierung aus struktureller Sicht neu ausgerichtet werden kann.
3.3.1
Eigenschaften bimodaler IT
Um den Anforderungen der Digitalisierung in Organisationen besser gerecht zu werden und die geforderten Innovationen in Informations- und Kommunikationstechnik durch die IT-Funktion zielgerichteter entwickeln und umsetzen zu können, fanden in der Mitte der 2010er Jahre Überlegungen statt, diese Funktion in ihrem Aufbau neu zu organisieren. Der Ansatz bimodaler IT, oder auch als „two-speed IT“ bezeichnet, wurde zunehmend in praxisnaher Literatur diskutiert. Geprägt wurde die Idee maßgeblich durch das Marktforschungsunternehmen Gartner sowie durch das Beratungsunternehmen McKinsey, die eigene Publikationen und eigene Forschungsergebnisse über eine solche Neuorganisation der IT-Funktion bereitstellten (vgl. Gartner 2014; Bossert et al. 2014; Badr 2018). Wie aus den Bezeichnungen „bimodal“ oder „two-speed“ bereits hervorgeht, wird die IT-Funktion in zwei verschiedene Modi aufgeteilt (vgl. Gartner 2014, o.S.). Dabei wird zwischen dem Modus der „agilen IT“, der Innovationen durch eine agile und flexible IT-Ausrichtung fördern soll, und dem Modus der „traditionellen IT“, der weiterhin technische und systemische Unterstützung für die Fachbereiche liefern soll, unterschieden (vgl. Haffke et al. 2017, S. 103). Alternative Bezeichnungen stellen den „traditionellen“ Ansatz auch als „core IT“, „industrial IT“ oder auch „heavy IT“ dar (vgl. Gartner 2014, o.S., Horlach et al. 2016, S. 1417, Badr 2018, S. 2). Alternative Bezeichnungen für den Modus der „agilen IT“, wie bspw. „digital IT“ oder „light IT“, lassen eine eher gegensätzliche Ausrichtung beider Modi erkennen (vgl. Badr 2018, S. 2). So wird eine
3.3 Ansatz der bimodalen IT zur strukturellen Neuausrichtung der IT-Funktion
101
zweigeteilte Sichtweise der IT-Rolle eingenommen, die zum einen Innovationen, die die Wertschöpfung von Organisationen positiv beeinflussen, durch Agilität ermöglicht. Zum anderen werden weiterhin klassische technische Aufgaben aufrechterhalten, wie z. B. die Sicherstellung des Betriebes der eingesetzten Systeme oder der Infrastruktur (vgl. Badr 2018, S. 2). Eine genauere Spezifikation beider Modi findet sich etwa basierend auf den Ausführungen von Gartner (2014) bei Horlach et al. (2016), die nachfolgend in Tab. 3.2 dargestellt ist: Tab. 3.2 Charakteristika von traditioneller und agiler IT. (Entnommen aus: Horlach et al. 2016, S. 1421) Modi 1: Traditionelle IT
Modi 2: Agile IT
Ziel
Stabilität
Agilität und Geschwindigkeit
Kultur
IT-orientiert
Business-orientiert
Kundennähe
Vom Endkunden entfernt
Nah am Endkunden
Auslöser
Verbesserung von Leistung und Kurzfristige Markttrends Sicherheit
Wertbeitrag
Leistungsfähigkeit der angebotenen Dienste
Geschäftsmoment und Kunden-Branding
Fokus
Sicherheit und Verlässlichkeit
Innovation
Ansatz
Wasserfall-Entwicklung
Iterative und agile Entwicklung
Anwendungen
Systems of records (SOR)
Systems of engagement (SOE)
Geschwindigkeit
Langsam
Schnell
Aus den gezeigten Charakteristika beider Modi wird nochmals deutlich, welche Aufgaben sie erfüllen sollen (vgl. im Folgenden: Horlach et al. 2016, S. 1420 f.; Gartner 2014, o.S.). Die „traditionelle IT“ verfolgt weiterhin das Ziel, Stabilität in technischen Systemen und Infrastruktur herzustellen, bzw. aufrecht zu erhalten. Die Kultur innerhalb dieser Ausrichtungsform kann als IT-orientiert und somit stark technikgetrieben betrachtet werden, wobei hier dann die ursprüngliche Bedeutung der Abkürzung „IT“ zum Tragen kommt (IT als Informations- und Kommunikationstechnik, vgl. hierzu nochmals die Anmerkungen in Abschnitt 2.2.1). Die dargestellte „Entfernung vom Endkunden“ verdeutlicht nochmals die eher technisch getriebene Unterstützer-Rolle, die in Abgrenzung zur Rolle eines „Ermöglichers“ innovativer Geschäftsmodelle innerhalb des agilen Modus steht (vgl. nochmals Abschnitt 2.2.1). Aktuell bestehende
102
3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
Verbesserungsmöglichkeiten in Leistung und Sicherheit der eingesetzten Systeme stellen den Auslöser dar, die IT-Funktion im traditionellen Modus in einer Organisation einzusetzen. Als Wertbeitrag des traditionellen Modus kann eine gesteigerte Leistungsfähigkeit der durch die IT-Funktion angebotenen Dienste verstanden werden. Die IT-Funktion agiert fokussiert auf langfristige Sicherheit und Verlässlichkeit. Der genannte „Wasserfall-Ansatz“ beschreibt eher systematische sequenzielle Prozesse, in der nachfolgende Schritte erst nach Beendigung der vorherigen Schritte durchgeführt werden (vgl. Krcmar 2015, S. 230–233). Die Nennung dieses Ansatzes als Charakteristik verdeutlicht ein geplantes und strukturiertes Vorgehen, das in Abgrenzung zu flexiblen und experimentellen Vorgehensweisen des agilen Modus steht. Die in der Kategorie „Anwendungen“ genannten „Systems of records“ beschreiben ebenfalls ein planvolles Vorgehen mit dem Ziel langfristiger Stabilität und Sicherheit1 . Zusammenfassend und mit Blick auf die Bezeichnung des Ansatzes nach McKinsey als „two-speed IT“ kann die traditionelle IT als „langsamer“ im Vergleich zur agilen IT angesehen werden (vgl. Bossert et al. 2014, o.S.). Die „agile IT“ soll also eine IT-Organisation darstellen, die schneller auf Trends reagieren kann und in flexibleren Strukturen agiert (vgl. Bossert et al. 2014, o.S.; Horlach et al. 2016, S. 1421). Mit Blick auf die Charakteristika nach Gartner (2014) und Horlach et al. (2016) ist dieser Modus durch eine „Business“orientierte Kultur geprägt, die eine Nähe zu den markt- und somit kundenseitigen Anforderungen an die jeweilige Organisation herstellt. Kurzfristige Markttrends stellen somit den Auslöser für Reaktionen durch eine agile IT dar, die in der schnellen Bereitstellung von Innovationen in Informations- und Kommunikationstechnik (bspw. Apps zusätzlich zu Produkten) liegen können. Dadurch kann eine positive Wertschöpfung durch das Bilden von Geschäftsmomenten erreicht werden, wie es durch Horlach et al. (2016) beschrieben ist. Im Gegensatz zum Wasserfall-Ansatz der traditionellen IT wird ein iteratives und agiles Vorgehen vorgeschlagen. Anwendungen („Systems of engagement“2 ) sind dynamisch und ermöglichen Anspruchsgruppen, die sowohl IT- als auch Business-Funktionen angehörig sein können, eine Mitgestaltung (vgl. Horlach et al. 2016, S. 1420 f.). In der Arbeit von Haffke et al. (2017) werden vier sog. Archetypen vorgeschlagen, wie bimodale IT in Organisationen umgesetzt werden kann. Nachfolgend 1
Der Begriff „Systems of Records“ (SOR) beschreibt zentrale Datensammlungen (z. B. ERP-Systeme), aus denen Daten für Management Informationssysteme bereitgestellt warden, vgl. hierzu: Chen et al. 2015, S. 3 f. 2 Der Begriff „Systems of Engagement“ (SOE) beschreibt einen kollaborativen Einsatz von IT um Interaktion und Partizipation mit verschiedenen Anspruchsgruppen herzustellen. Vgl. hierzu: Chen et al. 2015, S. 3 f.
3.3 Ansatz der bimodalen IT zur strukturellen Neuausrichtung der IT-Funktion
103
soll auf diese Möglichkeiten kurz eingegangen werden (vgl. hierzu: Haffke et al. 2017, S. 105–108): Projektbasierte bimodale IT (original: „Project-by-Project bimodal IT “): Dieser Archetyp geht von einer IT-Funktion aus, in der beide Modi umgesetzt werden können. Es sollte für jedes Projekt innerhalb dieser IT-Funktion separat entschieden werden, welcher der beiden Modi (agil oder traditionell) gewählt werden sollte. So lassen sich einzelne IT-Projekte entweder als agiles IT-Projekt oder aber als traditionell ausgelegtes IT-Projekt auslegen. So können ausgewählte Projekte, die etwa ein innovatives Vorgehen zur Erreichung von Digitalisierungszielen gezielt dem agilen Modus zugewiesen werden, während etwa streng regulierte technische Projekte im traditionellen Modus abgebildet werden (vgl. Haffke et al. 2017, S. 105 f.). Untergliederte bimodale IT (original: „Subdivisional bimodal IT “): Im Gegensatz zum projektbasierten Archetyp sieht der zweite Archetyp vor, innerhalb der IT-Funktion Projekte zu Gruppen je nach Modi zusammenzufassen. So kann die Trennung zwischen traditionellem und agilen Modi auch strukturell abgebildet werden. Entsprechende Ressourcen lassen sich so je nach Anforderungen der Gruppen (traditionell und agil) innerhalb der IT-Funktion gezielter verteilen (vgl. Haffke et al. 2017, S. 106 f.). Nach Abteilungen getrennte bimodale IT (original: „Divisionally separated bimodal IT “): Eine noch stärkere Bimodalität beschreibt dieser Archetyp, der vorsieht die agile IT vollständig außerhalb der eigentlichen IT-Funktion, die dann traditionell ausgelegt ist, zu betrachten. Somit wird ein eigener agiler Funktionsbereich geschaffen, der meist einer eigenständigen Führung unterliegen kann – bspw. in Form eines „Chief Digital Officers“ (CDO) und neben der eigentlichen IT-Funktion agiert (vgl. Haffke et al. 2017, S. 107). Reintegrierte bimodale IT (original: „Reintegrated bimodal IT “): Dieser Archetyp beschreibt eine Organisation der IT, die sich vornehmlich auf die Realisierung der durch Digitalisierung geforderten Innovationen konzentriert. Die IT-Funktion in Organisationen wird hierzu als vollständig agil beschrieben, wodurch eine besonders innovative Wirkung gegenüber Stakeholdern und anderen Adressaten geschaffen werden kann. Die traditionellen Aufgaben liegen im Hintergrund oder werden zu einem gewissen Grad ausgelagert (vgl. Haffke et al. 2017, S. 107 f.). Nachfolgende Abb. 3.4 fasst nochmals die unterschiedlichen Formen der Organisation bimodaler IT zusammen:
104
3
Projektbasierte bimodale IT
IT-Funktion Agiler Modus Projekt A
Nach Abteilungen getrennte bimodale IT
IT-Funktion
Traditioneller Modus Projekt C Agiler Modus Projekt D
Traditioneller Modus Projekt B
Implikationen für eine Neuausrichtung …
Digitaler Fachbereich
Traditioneller Modus
Agiler Modus
Projekt A
Projekt C
Projekt B
Projekt D
Untergliederte bimodale IT
Reintegrierte bimodale IT
IT-Funktion
Agile IT-Funktion
Traditioneller Modus
Agiler Modus
Projekt A
Projekt C
Projekt B
Projekt D
Agiler Modus Projekt A Projekt B
Projekt C Projekt D
Traditioneller Modus Backend-Systeme und technische Infrastruktur
Abb. 3.4 Archetypen bimodaler IT. (In Anlehnung an: Haffke et al. 2017, S. 105)
Auch wenn unterschiedliche Formen dieser Aufteilung durch Haffke et al. (2017) vorgeschlagen werden, so bestehen dennoch deutliche Kritikpunkte am Ansatz bimodaler IT, auf die nachfolgend eingegangen wird.
3.3.2
Kritik am Ansatz bimodaler IT
Während die Idee einer solchen Aufteilung der IT-Funktion zunächst auf Interesse stieß, wird der Ansatz bimodaler IT zunehmend auch kritisch betrachtet und sogar in Frage gestellt. Diese Kritik, die insbesondere durch Vertreter der Praxis geäußert wird, fokussiert insbesondere die Praktikabilität der vorgeschlagenen Aufteilung in zwei verschiedene Modi. So wird hauptsächlich gegen eine Aufteilung der IT-Funktion in zwei Modi argumentiert, da so wiederum erneut eigene Bereiche entstehen, die es wieder aufeinander abzustimmen gilt (vgl. Granito 2017, o.S.). Auch Haffke et al. (2017, S. 110) beschreiben, dass es eines hohes Maßes an Abstimmung (Alignment) zwischen Business- und IT-Funktionen, als auch zwischen beiden IT-Modi bedarf, um mögliche Spannungen zwischen traditioneller und agiler IT lösen zu können. Bloomberg (2015, o.S.) übt dagegen noch deutlichere Kritik an dem Ansatz bimodaler IT aus und bezeichnet diesen als „old wine in new bottles“. Eine Trennung der IT-Funktion in bspw. „alt“ und „neu“ oder etwa „Wartung“ und „Entwicklung“ bestehe nach Bloomberg (2015) schon länger – auch vor der Bezeichnung dieser Aufteilung in „traditionell“ und „agil“. Als
3.3 Ansatz der bimodalen IT zur strukturellen Neuausrichtung der IT-Funktion
105
wesentlicher Kritikpunkt dieser Aufteilung der IT-Funktion wird eine mögliche Vernachlässigung der „traditionellen IT“ gesehen. So werden Auswirkungen auf Rekrutierung und Arbeitsmoral genannt, die sich durch eine höhere Attraktivität des agilen Modus begründen lassen. So kann es für potenzielle Fachkräfte attraktiver sein, innerhalb eines agilen Modus tätig zu sein. Dadurch kann es zu einem Mangel an Fachkräften im traditionellen Modus kommen, dessen Umsetzung jedoch für die Erledigung agiler Aufgaben als Voraussetzung gilt (vgl. Bloomberg 2015, o.S.). Die elementaren Aufgaben des traditionellen Modus könnten also in den Hintergrund geraten, während in Organisationen hauptsächlich auf den agilen Modus fokussiert wird. Neben dieser Kritik muss darauf verwiesen werden, dass eine Zuteilung von Aufgaben zu den jeweiligen Modi nicht immer trennscharf vorgenommen werden kann. So ist es bspw. Voraussetzung für die Umsetzung des traditionellen Modus, dass die eigesetzten Systeme stets aktuell sind und selbst durch Innovationen weiterentwickelt werden. Zwar lassen sich die Modi mit den jeweiligen Charakteristika beschrieben (vgl. Tab. 3.2), eine Etablierung dieses Ansatzes gestaltet sich in Organisationen jedoch oftmals schwierig, da sich nicht alle Aufgaben klar einem jeweiligen Modus zuordnen lassen. Deswegen ist es häufig unklar, wie eine bimodale IT in Organisationen letztlich umgesetzt werden kann. So sind Fragen darüber zu beantworten, welche Personalstrukturen eine solche ITOrganisation abbilden können oder ob zusätzliche Mitarbeitende benötigt werden, die bspw. ausschließlich dem agilen Modi zugeordnet sind, oder ob vielmehr interdisziplinäre Strukturen geschaffen werden müssen (vgl. Bloomberg 2015, o. S.). Auch ist es vorhersehbar, dass die unterschiedlichen Umsetzungsmöglichkeiten bimodaler IT – dargestellt durch die vier Archetypen (vgl. Haffke et al. 2017, S. 105) – wiederum schwierige Entscheidungen verlangen. Bspw. kann es für einzelne Aufgaben sinnvoll sein, bimodale IT auf Projektbasis zu implementieren, während parallel weitere Aufgaben eine weitreichendere Implementierung bimodaler IT, bspw. bezogen auf die gesamte IT-Funktion, erforderlich erscheinen lassen. Zusammenfassend kann für diese Ausarbeitung herausgestellt werden, dass eine Aufteilung der IT-Funktion in zwei Modi dem Streben nach integrierten Strukturen und einer ganzheitlichen Betrachtung digitaler Transformation in gewisser Weise widerspricht. Neue Schnittstellen und damit erforderliche Abstimmungsmaßnahmen zwischen „Business“ und „IT“, sowie zwischen beiden Modi der „IT“, stehen wiederum transparenten und klar definierten End-to-End Prozessen gegenüber, die sämtliche Fachbereiche und Kunden gleichermaßen mit einbeziehen (vgl. Tedder 2016, o.S.). Auch sei an dieser Stelle angemerkt, dass
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3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
mit der Aufteilung der IT-Funktion in zwei Modi eine Sichtweise eingenommen wird, die die agile IT als eine neue, zusätzliche Aufgabe der IT ansieht und dabei verkennt, dass Agilität ein Wesenszug jeder IT-Funktion sein kann und sein soll. Die erkennbare Unterstellung, dass eine traditionelle IT nicht ausreichend innovativ sein kann, erscheint grundsätzlich falsch und gilt es zu hinterfragen. Grundsätzlich zeigt sich, dass der Ansatz bimodaler IT in verschiedenen möglichen Ausprägungsformen erforderliche Maßnahmen liefern kann, die ITFunktionen in Organisationen zu modernisieren und zugleich den Fokus verstärkt auf die Bedeutung von Innovationen zu legen. Gerade in Organisationen mit einer stark technisch geprägten IT, die lediglich die Rolle eines Unterstützers einnimmt (dann nur traditionelle IT-Rolle), kann bimodale IT das Bewusstsein für Flexibilität und Innovationsbereitschaft stärken, wodurch sich IT-Funktionen dann weiterentwickeln können. Trotzdem zeigen sich deutliche Kritikpunkte, die der in dieser Ausarbeitung angestrebten Idee einer Integration von „Business“ und „IT“ und einer eher ganzheitlichen Betrachtung der Wertschöpfung entgegenstehen. Eine Aufteilung der IT-Funktion schafft wiederum neue Teilbereiche, die es abzustimmen gilt. Ein Alignment von „Business“ und „IT“ würde dadurch womöglich weiter erschwert. Gleichzeitig entstehen neue Schnittstellen und organisatorische Herausforderungen, die einer Integration von Funktionen und Verschlankung von Strukturen im Wege stehen. Die Kritik, die vornehmlich von Entscheidungsträgern verschiedener Organisationen vertreten wird und meist auf unnötigen organisatorischen Aufwand in der Umsetzung verweist, wird im Rahmen dieser Ausarbeitung im Wesentlichen geteilt. Bimodale IT führt zu zusätzlicher Abstimmung, die jedoch durch die Weiterentwicklung des Business/IT-Alignment-Ansatzes hin zum Ansatz einer Business/IT-Integration eigentlich abgebaut werden soll.
3.3.3
Möglichkeiten, Grenzen und Implikationen für das eigene Vorgehen
Trotz der umfassenden Kritik, die an den Ansatz bimodaler IT gestellt wird, ist nochmals zu überprüfen, welche Überlegungen dieses Ansatzes für das weitere Vorgehen zur Neuausrichtung der IT-Funktion auf struktureller Ebene Möglichkeiten bieten und welche Überlegungen als problematisch angesehen werden müssen. Dazu werden nachfolgend Möglichkeiten – aber auch Grenzen – des Ansatzes bimodaler IT aus den vorigen Ausführungen abgeleitet und tabellarisch gegenübergestellt. Im Anschluss daran werden Implikationen für
3.3 Ansatz der bimodalen IT zur strukturellen Neuausrichtung der IT-Funktion
107
die eigene Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes aus diesen Möglichkeiten und Grenzen bimodaler IT aufgezeigt. Es ist dabei herauszustellen, dass die Möglichkeiten für die eigene Lösungsentwicklung vornehmlich aus den positiv zu betrachtenden Eigenschaften der beiden Modi gewonnen werden, während Grenzen besonders auf die Aufteilung der IT in zwei Bereiche und den damit verbundenen neuen Anforderungen an Abstimmung i.S. eines Alignments zurückzuführen sind. Dies verdeutlicht die nachfolgend gezeigte Tab. 3.3: Tab. 3.3 Möglichkeiten und Grenzen bimodaler IT Möglichkeiten
Grenzen
• Förderung von Innovationen in Informations- und Kommunikationstechnik. • Verfolgung eines iterativen und agilen Vorgehens im agilen Modus. • Stärkung der Reaktionsfähigkeit auf aktuelle Markttrends. • Stärkung des Bezugs zu Kunden und Kundennutzen. • Berücksichtigung von „Business“-Anforderungen durch agile IT. • Stärkung einer experimentellen Ausrichtung auf Seiten agiler IT. • Ermöglichung schneller Bereitstellung von Innovationen. • Förderung von Kreativität und experimentellen Vorgehens im agilen Modus. • Dennoch Sicherstellung eines hohen Maßes an technischer Sicherheit und Stabilität der Systeme durch traditionellen Modus. • Realisierung von Leistungsfähigkeit der eingesetzten Systeme durch traditionellen Modus. • Fokussierung auf geplantes und strukturiertes Vorgehen im traditionellen Modus.
• Widersprechung der Idee von Integration durch Grundidee der Aufteilung in zwei Modi. • Entstehung wiederum neuer Schnittstellen und Abstimmungsbedarfe. • Erhöhung der Komplexität. • Entscheidungen über Gestaltung bimodaler IT aufgrund unterschiedlicher Umsetzungsmöglichkeiten (Archetypen) erforderlich (hohe Anforderungen an Management). • Entstehung von Problemen und Hindernissen durch Neustrukturierung der (gesamten) IT-Funktion. • Zuordnung von Aufgaben und Funktionen zu jeweiligen Modi nicht trennscharf vornehmbar. • Aufrechterhaltung der technischen Unterstützerrolle bleibt nur im traditionellen Modus explizit definiert. • Dadurch ggf. Weiterentwicklung des traditionellen Modus gebremst (auch Innovationen in traditionellen Aufgaben erforderlich). • Zuordnung von Personal u. U. mit Schwierigkeiten verbunden (Ressourcenkonflikte). • Mangelnde Attraktivität des traditionellen Modus für (potenzielle) Mitarbeitende.
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3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung Zunächst gilt es, mit bimodaler IT eine Innovationsbereitschaft in Organisationen zu fördern, die für die Erreichung von Zielsetzungen der Digitalisierung unerlässlich ist. Digitale Technologien, die insbesondere zu Innovationen in Informationsund Kommunikationstechnik führen können, sollten in Organisationen, bzw. durch Fachbereiche und IT-Funktionen gleichermaßen entwickelt werden, um diese schließlich in Produkten, Dienstleistungen oder Prozessen implementieren zu können (vgl. Abschnitt 3.1). Die Zielsetzung, die Innovationsbereitschaft zu fördern, wird daher als eine zentrale Möglichkeit des Ansatzes der bimodalen IT auch für das eigene Vorgehen angesehen. Damit verbunden soll besonders die Möglichkeit zum experimentellen Entwickeln von Innovationen durch entsprechende flexible Strukturen und Prozesse auf die eigene Lösungsentwicklung übertragen werden. Eine Verbindung zu den Anforderungen eines Marktes, bzw. zu Kunden mittels einer agil organisierten IT-Funktion lässt ebenfalls erkennen, dass sich – zumindest für diesen agilen Modus – die IT-Funktion stärker in Organisationen in Richtung einer „Ermöglicher-Rolle“ weiterentwickeln kann. Damit wird die nach wie vor in vielen Organisationen vorherrschende Ausrichtung an eher technischen und systemischen Zielgrößen ein Stück weit abgelöst. Ein gewisses Verständnis für die Bedeutung der IT-Funktion für die Umsetzung der Digitalisierung, bzw. eines entsprechenden Wertbeitrags, kann somit gestärkt werden. Dieses Verständnis einer unerlässlichen Rollenveränderung wird im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung ein zentraler Aspekt im Kontext der Entwicklung der vorgeschlagenen Neuausrichtung der IT-Funktion sein. Die bereits dargestellten Kritikpunkte lassen jedoch auf der anderen Seite erkennen, dass der Ansatz bimodaler IT als Aufteilung der IT-Funktion in zwei Bereiche als nicht zielführend betrachtet werden muss, obwohl mit den als „Möglichkeiten“ genannten Aspekten durchaus Einigkeit besteht. So widerspricht die Idee einer Aufteilung der Idee einer zunehmenden Integration von „Business“ und „IT“, wodurch wiederum neue (unnötige) Schnittstellen, erhöhte Abstimmungsbemühungen und unklare -Aufgaben und Rollenverteilungen entstehen können, die es eigentlich zu vermeiden gilt. Auch wird als problematisch betrachtet, dass durch die Aufrechterhaltung der technisch geprägten Unterstützerrolle im „traditionellen“ Modus möglicherweise erforderliche Innovationen in diesem Bereich nicht ausreichend berücksichtigt werden. Traditionelle und agile IT hängen unmittelbar zusammen und auch im traditionellen Modus werden entsprechende Innovationen und eine der Digitalisierung gerechte Dynamik unerlässlich. Nachfolgend sind die abgeleiteten Implikationen für das eigene Vorgehen nochmals abschließend zusammengefasst:
3.4 DevOps und Scrum als agile operative Vorgehensweisen
109
• Förderung von Strukturen, die Innovationen und Innovationsbereitschaft durch die IT-Funktion insgesamt stärken. • Entwicklung der Rolle der IT hin zu einem „Ermöglicher“ der durch Digitalisierung geforderten Innovationen. • Stärkung der Bedeutung der IT-Funktion für die Umsetzung der Digitalisierung in Organisationen. • Nähe der IT-Funktion zu Markt und Kunden, bzw. zur Wertschöpfung sicherstellen. • Aufbau von Flexibilität in Strukturen und Prozessen. • Kreativität und experimentelles Vorgehen stärken. • Strukturelle Verschlankung und Abbau abzustimmender Funktionen. • Abbau von Schnittstellen. • Keine Aufrechterhaltung der Trennung der IT-Funktion in zwei unterschiedliche Modi. Der Ansatz der bimodalen IT wurde an dieser Stelle stellvertretend für die Betrachtung der IT-Funktion auf struktureller Ebene vorgestellt und kritisch betrachtet. Es bleibt anzumerken, dass die Literatur zur organisationalen Ausrichtung der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung viele weitere Vorschläge liefert, auf die an dieser Stelle nicht im Detail eingegangen werden kann. Aufgrund der Prominenz der bimodalen IT in der Wirtschaftsinformatikliteratur sowie in der praxisnahen Diskussion, wurde dieser Ansatz ausgewählt und der strukturellen Betrachtungsebene gemäß Abb. 3.2 zugeordnet. Auch hier muss festgestellt werden, dass diese Zuordnung (zur strukturellen Ebene) nicht vollständig trennscharf vorgenommen werden kann, da von den Ideen dieses Ansatzes bspw. auch strategische, aber auch stark operativ geprägte Aspekte berührt werden. Nachdem die Ansätze einer Neuausrichtung der IT-Funktion vor dem Hintergrund der Digitalisierung stellvertretend für die strategische sowie die strukturelle Ebene hinsichtlich ihrer Eignung für die eigene Lösungsentwicklung diskutiert sind, rückt nun die operative Prozessebene in die Betrachtung.
3.4
DevOps und Scrum als agile operative Vorgehensweisen
Als operative agile Ansätze, die der IT-Funktion, aber auch den übrigen beteiligten Fachbereichen in Organisationen, eine höhere Flexibilität zuschreiben können und fest geplante Prozesse, bspw. in Form von Wasserfall-Vorgehensweisen, bei
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3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
diesem die nachfolgende Projektphase erst nach Vollendung der davor liegenden Phase beginnt, abzulösen versuchen, gelten die sog. DevOps-Idee und der Scrum-Ansatz (vgl. zum Begriff der Agilität Kapitel 1). Diese können auch in Kombination zur Anwendung kommen und sind nachfolgend dargestellt.
3.4.1
Eigenschaften des DevOps-Ansatzes
Ihren Ursprung hat diese Idee in der Softwareentwicklung, verfolgt jedoch eine Philosophie der interdisziplinären Zusammenarbeit, die sich auch auf weitere Bereiche in Organisationen, insbesondere auf die operative Ausrichtung der gesamten IT-Funktion, übertragen lassen kann und auch zunehmend übertragen wird (vgl. Costello 2019, o.S.). Aus diesem Grund soll dieser Ansatz im Rahmen dieses Abschnittes kurz erläutert und in die Diskussion um Möglichkeiten und Grenzen sowie Implikationen für die in dieser Ausarbeitung vorgeschlagene Neuausrichtung der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung mit einbezogen werden. DevOps ist ein Kofferwort, das sich zusammensetzt aus den Worten „Development“ (Dev) und „Operations“ (Ops). Übertragen ins Deutsche betrachtet die DevOps-Idee also eine Verbindung von Entwicklung (Development) und Betrieb (Operations), in erster Linie im Rahmen der Softwareentwicklung (vgl. König und Kugel 2019, S. 291; Erich et al. 2017, S. 1; Wiedemann und Wiesche 2018, S. 1). Diese Verbindung soll einen Konflikt lösen, der häufig zwischen Entwicklung und Betrieb besteht und in der Literatur häufig als „Wall of confusion“ bezeichnet wird (König und Kugel 2019, S. 291). Damit ist gemeint, dass innerhalb der Funktionen Entwicklung und Betrieb unterschiedliche Werte verfolgt werden, ähnlich der beiden Modi bimodaler IT. Der Seite der Entwicklung wird dabei der Drang nach Veränderung und Schnelligkeit zugeschrieben, ähnlich dem agilen Modus bimodaler IT, die Betriebs-Seite sorgt hingegen für Stabilität, Sicherheit und Kompatibilität, ähnlich dem traditionellen und technisch orientiertem Modus. Der DevOps-Ansatz, der eine Verbindung dieser Funktionen herzustellen versucht, strebt eine ganzheitliche Sicht an, um den vollumfänglichen Software-Lebenszyklus kontinuierlich zu überwachen und verbessern zu können (vgl. König und Kugel 2019, S. 291; Hemon et al. 2020, S. 928). Der DevOps-Begriff lässt sich dabei wie folgt definieren: „is an organizational approach that stresses empathy and cross-functional collaboration within and between teams – especially development and IT operations – in software development organizations, in order to operate resilient systems and accelerate delivery of changes“ (Dyck et al. 2015, S. 3). Eine weitere Definition zielt bereits auf
3.4 DevOps und Scrum als agile operative Vorgehensweisen
111
die konkrete Umsetzung des DevOps-Ansatzes mittels interdisziplinärer DevOpsTeams: „DevOps combines the activities of software development and operations in one team and enables the continuous deployment of new features in short cycle times“ (Wiedemann und Wiesche 2018, S. 2, in Anlehnung an: Sebastian et al. 2017, S. 205). Aus den genannten Definitionen wird ersichtlich, dass Interdisziplinarität zwischen den technisch orientierten Angehörigen des Betriebs und den Angehörigen der Entwicklung herzustellen ist, denen eine stärkere Business- und Ablauforientierung zugeschrieben werden kann. Interdisziplinäre Teams stellen also die zentrale Eigenschaft der DevOps-Idee dar. Daneben stehen operative Aktivitäten im Vordergrund, die durch diesen Ansatz beschleunigt und neu positioniert werden sollen. Obwohl der DevOps-Ansatz zunächst den operativen Bereich einer Organisation betrifft, muss darauf verwiesen werden, dass hier auch strategische und strukturelle Fragestellungen berührt werden und somit eine trennscharfe Zuordnung zur operativen Betrachtungsebene auch hier nicht durchgängig möglich erscheint. Innerhalb der DevOps-Diskussion werden verschiedene Rollen, aus denen interdisziplinäre Teams gebildet werden, immer wieder genannt. So betrachten etwa Hemon et al. (2020) in ihrer Untersuchung das Zusammenspiel von Rollen, Fähigkeiten und Kompetenzen, die für eine Kollaboration im Sinne interdisziplinärer DevOps-Teams erforderlich erscheinen (vgl. Hemon et al. 2020, S. 927). Eine Übersicht über mögliche Rollenbilder und deren Kollaboration untereinander soll dieser Untersuchung von Hemon et al. (2020) entnommen werden, die bspw. zunächst die Rollen eines „Product Owners“, eines „Release Managers“, eines „Production Engineers“ sowie eines „Department and Project Managers“ unterscheiden (vgl. Hemon et al. 2020, S. 930 f.). Wiedemann und Wiesche (2018) entwickelten auf der Basis eines Workshops verschiedene Fähigkeiten, die ein solches DevOps-Team besitzen sollte, um das grundsätzliche Verständnis des DevOps-Ansatzes zu festigen. Nachfolgend soll kurz auf diese Fähigkeiten, die in Kategorien zusammengefasst sind, kurz eingegangen werden (vgl. hier und im Folgenden: Wiedemann und Wiesche 2018, S. 6–8). Als am wichtigsten für eine ideale DevOps-Team-Arbeit wird demnach die Kategorie der sog. Full-Stack-Entwicklungs-Fähigkeiten (original: „Full-stack development skills“) angesehen. In dieser werden die Entwicklungs-Fähigkeiten des Teams beschrieben. Vorausgesetzt wird Vertrautheit mit allen Ebenen von Software und Plattformen innerhalb des gesamten DevOps-Teams. Hierzu gehört bspw. Wissen über Architekturen von Software-Systemen oder die Kenntnis der Anforderungen, die sich an zu entwickelnde Software durch unterschiedliche
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3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
Anspruchsgruppen stellen. In der zweiten Kategorie der Analyse-Fähigkeiten (original: „Analysis skills“) werden Fähigkeiten im Erkennen von Problemen betrachtet, während die Kategorie der funktionalen Fähigkeiten (original: „Functional skills“) Fähigkeiten des Verstehens von Prozessen, sei es aus technischer als auch aus Sicht der Anwender, beschreibt. Fähigkeiten Entscheidungen zu treffen (original: „Decision making skills“) werden in der nächsten Kategorie dargestellt und fokussieren auf Selbstorganisation und die Bereitschaft, Verantwortung innerhalb des Teams zu tragen. Soziale Fähigkeiten (original: „Social skills“) werden insbesondere im Umgang mit Feedback und im Lernen aus Erfahrungen betrachtet und in einer entsprechenden Kategorie zusammengefasst. Die Fähigkeiten zur Überprüfung neuer Software und der Funktion neuer Eigenschaften werden in der Kategorie der Test-Fähigkeiten (original: „Testing skills“) zusammengefasst. Die Kategorie der Beratungs-Fähigkeiten (original: „Advisory skills“) bildet den Abschluss und beschreibt das Bewusstsein von der Einhaltung von Vereinbarungen, wie etwa sog. Service Level Agreements (SLAs). Nachfolgende Abb. 3.5 stellt die gezeigten Kategorien nochmals dar:
Abb. 3.5 Kategorien von Fähigkeiten für ein ideales DevOps-Team. (Entnommen aus: Wiedemann und Wiesche 2018, S. 10)
3.4 DevOps und Scrum als agile operative Vorgehensweisen
113
Zusammenfassend lässt sich erkennen, dass zur Entwicklung von Software als auch zur Implementierung dieser in Organisationen mit dem DevOps-Ansatz ein Vorgehen existiert, das die Verbindung der technischen und der anwendungsbezogenen Sicht zu stärken vermag. Diese Verbindung kann durch die Bildung von interdisziplinären Teams umgesetzt werden. Der DevOps-Ansatz verfolgt dadurch eine klare Philosophie, die durch eine kollaborative Kultur von Entwicklern und Anwendern gleichermaßen geprägt ist. Mit Blick auf den zuvor dargestellten Ansatz bimodaler IT zeigt sich ein deutlicher Unterschied, der in der grundsätzlichen Ausrichtung dieser Ansätze liegt. Während bimodale IT eine Aufteilung der IT-Funktion in zwei Berieche vorsieht, um neben der traditionellen und technisch geprägten Rolle Flexibilität und Innovationsbereitschaft hervorzubringen, versucht der DevOps-Ansatz durch interdisziplinäre Teams eine Vereinigung von stabilem und sicherem Betrieb auf der einen Seite und flexibler schneller Entwicklung auf der anderen Seite herzustellen.
3.4.2
Kritik am DevOps-Ansatz
Die Implementierung der DevOps-Idee in Organisationen ist nicht frei von Kritik. Es muss angemerkt werden, dass die Schwierigkeiten vielfach nicht dem DevOps-Ansatz selbst zugewiesen werden, sondern vielmehr in personenbezogenen Faktoren zu finden sind. Das Beratungs- und Analyseunternehmen Gartner prognostizierte (im Jahr 2019), dass bis zum Jahr 2022 etwa 75 % der DevOpsInitiativen nicht die Erwartungen der Entscheidungsträger erfüllen werden, was auf Probleme im Zusammenhang mit organisationalem Lernen und Veränderungsprozessen zurückzuführen sei. Hierzu werden fünf verschiedene Gründe aufgeführt, die zu einem Scheitern von DevOps-Initiativen führen können, die nachfolgen kurz aufgeführt sind (vgl. hier und im Folgenden: Costello 2019, o.S.). So wird etwa ein mangelnder Bezug zum Kundennutzen aufgeführt. Denn obwohl der DevOps-Ansatz versucht, durch Interdisziplinarität die verschiedenen Gruppen mit ihren jeweiligen Kompetenzen und Anforderungen zusammenzubringen, kann eine häufige Vernachlässigung von Kundenwünschen beobachtet werden. DevOps-Teams sollten sich stärker an den Business-Ergebnissen orientieren und ein verstärktes Verständnis für die Anforderungen der Kunden entwickeln. Als weiterer Grund wird ein nicht ausreichendes Management organisationaler Veränderung genannt. In Organisationen wird die Wichtigkeit, Mitarbeitende in Veränderungsvorhaben einzubeziehen häufig übersehen und
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3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
stattdessen eine zu technische Fokussierung auf DevOps-Instrumente vorgenommen, obwohl das DevOps-Konzept explizit auf die Gestaltung interdisziplinärer Teams fokussiert. DevOps-Praktiken und Personen sollten Werte wie Teamwork, Verantwortungsbewusstsein und lebenslanges Lernen einnehmen. Eng verbunden mit einem nicht ausreichenden Management von Veränderungen, werden besonders Mängel in der Kollaboration hervorgehoben, die auf Strukturen zurückzuführen sind, die unkoordinierte Silos aufrechterhalten. Vielmehr sollten Barrieren abgebaut und eine entsprechende Atmosphäre für interdisziplinäre Teamarbeit geschaffen werden (vgl. Costello 2019, o.S.). Zum Scheitern von DevOps-Initiativen kann darüber hinaus eine zu hohe Komplexität führen. DevOps umfassen viele Variablen, die eine Umsetzung beeinflussen. Eine Implementierung in einem Schritt ist daher mit einem hohen Risiko des Scheiterns verbunden. Stattdessen soll ein inkrementeller und iterativer Ansatz, um kontinuierliche Verbesserungen umsetzen zu können, angestrebt werden (vgl. Wiedemann und Wiesche 2018, S. 11 f.). Letztlich sind es auch unrealistische Erwartungen an DevOps-Initiativen, die ein Scheitern begründen können. Klar gesetzte Ziele und Metriken zur Messung der Erreichung dieser, sowie ein kontinuierliches Erwartungsmanagement können unrealistischen Erwartungen entgegenwirken (vgl. Costello 2019, o.S.). Auf Gefahren einer zu starken Fokussierung auf technische Aspekte weisen auch Hemon et al. (2020) hin, die neben „Hard Skills“ in ihrer Untersuchung besonders auf erforderliche Veränderungen in den „Soft Skills“ verweisen (vgl. Hemon et al. 2020, S. 934). Flexibilität und zwischenmenschliche Fähigkeiten (original: „Interpersonal skills“), wie Teamwork und eine ausgeprägte Kommunikation seien besonders wichtig für das Arbeiten in agilen Teams (vgl. Hemon et al. 2020, S. 939; Vivian et al. 2015, S. 380). Eine oftmals beobachtbare Vernachlässigung entsprechender „Soft Skills“ führt in der unternehmerischen Praxis immer wieder zu Problemen und zu einem Scheitern angestrebter DevOpsProjekte (vgl. Costello 2019, o.S.; Hemon et al. 2020, S. 939). Möglichkeiten einer Vereinigung von technischen und sozialen Aspekten innerhalb interdisziplinärer DevOps-Teams ist in der Literatur dagegen umfassend erarbeitet worden. Etwa wurden bereits im Jahr 2011 die sog. vier Kernelemente (original: „Core values“) für DevOps durch Humble und Molesky (2011) beschrieben, die neben „Automatization“ auch „Culture“, „Measurement“ und „Sharing“ umfassen (vgl. Humble und Molesky 2011, S. 6). Zusammenfassend zeigt sich, dass die Kritik vornehmlich nicht dem DevOpsAnsatz selbst zugeschrieben wird, sondern vielmehr den Entscheidungsträgern
3.4 DevOps und Scrum als agile operative Vorgehensweisen
115
und Organisationen, die für ein Scheitern von DevOps-Projekten durch Mängel im Management von Veränderungen und organisationalem Lernen in der Verantwortung stehen.
3.4.3
Scrum als weitere agile Vorgehensweise
Als ein weiteres weit verbreitetes agiles Konzept, das aus der projektbasierten Softwareentwicklung stammt, gilt Scrum auf das an dieser Stelle ergänzend eingegangen werden soll. Wie auch die DevOps-Idee lassen sich die Grundideen von Scrum über die projektbasierte Entwicklung von Software oder ähnlichen Produkten hinaus auf andere Aufgaben und Prozesse in Organisationen übertragen. Den Kritikpunkt am DevOps-Ansatz aufgreifend, dass Mitglieder von Organisationen durch das Management oft nicht ausreichend eingebunden werden und eine zu technische Fokussierung erfolgt, kann herausgestellt werden, dass Scrum in erster Linie auf die Steuerung von Menschen und Teams zur Erledigung bestimmter Aufgaben und Prozesse fokussiert (vgl. Schwaber und Sutherland 2020, S. 3). Der Begriff Scrum stammt aus dem Rugby-Sport und bedeutet „Gedränge“. Damit fokussiert Scrum auf eine konzentrierte flexible Organisation und Strukturierung der Erledigung bestimmter Aktivitäten (vgl. Leimeister 2020, S. 97). Als zentral wird das sog. Scrum-Rahmenwerk positioniert, das nachfolgend vereinfacht in Abb. 3.6 dargestellt und kurz erläutert ist:
SprintRetrospective
SM D
PO
D
D
SprintPlanning
Increment Sprint Backlog
SprintReview
D
Produkt Backlog Scrum-Team
SM – Scrum Master PO – Product Owner D – Developer
Abb. 3.6 Scrum-Rahmenwerk. (In Anlehnung an: Scrum.org 2020, o.S.)
Im Zentrum des Rahmenwerkes steht das Scrum-Team, das durch Interdisziplinarität gekennzeichnet ist und sämtliche Kompetenzen, Fähigkeiten und Werte,
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Implikationen für eine Neuausrichtung …
die es zur Erledigung der anvisierten Aufgabe benötigt, versucht zu vereinen. Hierzu werden bestimmte Rollen definiert, um Verantwortlichkeiten innerhalb der Teams festzulegen (vgl. hier und im Folgenden: Schwaber und Sutherland 2020, S. 5–8; Goll und Hommel 2015, S. 88–90). Die sog. „Developer“ stellen die Personen dar, die die Aufgabe letztlich operativ umsetzen und dazu als Experten agieren. Als „Product Owner“ werden diejenigen Personen bezeichnet, die in ihrer Rolle für die Erreichung des Ergebnisses bzw. der Erreichung des angestrebten Wertes eines Produktes Verantwortung übernehmen. Die Rolle des „Scrum Masters“ kann als dem Scrum-Team übergeordnet verstanden werden und trägt die Verantwortung für die Implementierung der Scrum-Vorgehensweise und der Führung der Scrum-Teams innerhalb von Organisationen. Neben diesen Rollen ist das Rahmenwerk durch verschiedene „Events“ gekennzeichnet, die den Ablauf eines Prozesses in verschiedene Schritte untergliedern (vgl. hier und im Folgenden: Schwaber und Sutherland 2020, S. 8–10; Goll und Hommel 2015, S. 98–101). Als „Scrum-Sprints“ werden Phasen bezeichnet, die basierend auf zusammengetragenen Anforderungen aus Sicht der Kunden oder anderen Anspruchsgruppen in Form des sog. „Product Backlogs“ erfolgen. Sie stellen kurze intensive Phasen eines Entwicklungsprozesses von Produkten oder Leistungen dar. Spezielle Anforderungen an einen Sprint werden innerhalb des jeweiligen „Sprint Backlogs“ hinterlegt und priorisiert. Zentral für die Ausgestaltung eines Sprints ist die Nähe zum Kunden bzw. zu dessen Anforderungen. Am Ende eines jeden Sprints steht ein (Teil-)Ergebnis (original: Increment), was durch Verbesserung gekennzeichnet ist. Dies kann etwa ein lauffähiges, getestetes und inkrementell verbessertes System, Produkt oder eine entsprechend entwickelte Leistung darstellen (vgl. Leimeister 2020, S. 98). Eine sich anschließende Review-Phase lässt Verbesserungen für zukünftige Sprints erkennen und entsprechende Ergebnisse fließen wiederum in die Sammlung der Anforderungen, bzw. in die daraus resultierende Planung weiterer Sprints ein (original: „Sprint-Retrospective“). Durch sich wiederholende Sprints stellt Scrum eine interative Vorgehensweise dar. Wie auch innerhalb der DevOps-Idee und der entsprechenden interdisziplinären Teams wird auch bei Scrum der Fokus stark auf die Anforderungen der Empfänger (bzw. Kunden) von (Software-)Produkten oder Leistungen gelegt und diese werden iterativ in Entwicklungsprozesse eingebunden. Das Vorgehen vereint ebenfalls verschiedene Rollenbilder mit den für die Aufgaben benötigten Fähigkeiten in interdisziplinären Teams, die meist sehr klein und damit flexibel gehalten werden sollen. Kritische Aspekte liegen, wie auch bei der DevOps-Idee, oft eher im Management als in der Scrum-Methode selbst begründet. Als problematisch erweist es sich, wenn die Rollenbilder nicht klar definiert werden und
3.4 DevOps und Scrum als agile operative Vorgehensweisen
117
Redundanzen in den jeweiligen Aufgaben bestehen. Auch erfordert die Sammlung und Priorisierung der Kundenforderungen besondere Beachtung, sodass diese stets relevant und aktuell zu halten sind (vgl. Goll und Hommel 2015, S. 108). Zusammenfassend nimmt der Der DevOps-Ansatz eine weiter gefasste Sicht auf das Gesamtsystem und den übergeordneten Wertstrom ein. Die Scrum-Sprints enden jeweils mit (Teil-)Ergebnissen, die wiederum iterativ die nächsten Sprints bestimmen. Eine Kombination dieser Ansätze ist durch bewusste Offenheit in der Festlegung von Prozessen, Anforderungen und Rollen möglich, sodass innerhalb der weitreichenderen Integration verschiedener Bereiche (DevOps: Entwicklung und Betrieb), kleinteiligere und spezifische Entwicklungsprozesse mittels der Ideen von Scrum ausgestaltet werden können (vgl. hierzu insbesondere: Kapetanos 2020, o.S.). Es bleibt anzumerken, dass viele weitere agile Vorgehensweisen existieren, wie etwa Design Thinking oder Kanban, auf die an dieser Stelle aus Gründen der Fokussierung nicht eingegangen werden kann. Die Grundideen agiler Arbeitsweisen zeigen DevOps und Scrum in ausreichendem Maße. Sie wurden aufgrund ihrer Bekanntheit hier stellvertretend ausgewählt. Im Rahmen der Entwicklung des Business/IT Integrationsansatzes und der Ausprägungen auf der strukturellen Betrachtungsebene in Abschnitt 5.2.4 werden zudem agile Organisationsformen (Holakratie und Ansätze aus unternehmerischer Praxis) zugrunde gelegt, die wiederum Elemente (insbesondere die Rollenbilder) beinhalten, die an dieser Stelle im Rahmen der Darstellung von DevOps und Scrum demonstriert wurden.
3.4.4
Möglichkeiten, Grenzen und Implikationen für das eigene Vorgehen
Innerhalb der Diskussion über eine Neuausrichtung der IT-Funktion, die den bestehenden Ansatz des Business/IT-Alignments im Kontext der Digitalisierung weiterführt und überwindet, können Eigenschaften der hier vorgestellten DevOps-Idee, aber auch des Scrum-Ansatzes, aufgegriffen werden und entsprechend bei der Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes berücksichtigt werden. Gleichzeitig lassen sich jedoch auch Grenzen der dargestellten agilen Vorgehensweisen aus den vorigen Ausführungen ableiten, die diesem Vorgehen widerstreben. Die nachfolgende Tab. 3.4 fasst diese Möglichkeiten und Grenzen zusammen:
118
3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
Tab. 3.4 Möglichkeiten und Grenzen der vorgestellten agilen Vorgehensweisen Möglichkeiten
Grenzen
• Vereinigung von innovativer und auf Schnelligkeit ausgerichteter Entwicklung mit technisch orientiertem sicherem Betrieb als Grundidee (insb. DevOps). • Beachtung der jeweiligen Anforderungen beider Seiten (insb. DevOps). • Verbindung unterschiedlicher Sichten. • Förderung einer kollaborativen Kultur. • Fokussierung auf Interdisziplinarität als zentrale Eigenschaft. • Definition entsprechender Rollen in agilen Strukturen und Prozessen. • Orientierung am Lösen von Problemen. • Fokussierung auf Kundenanforderungen (insb. Scrum). • Etablierung eines weitreichenden Verständnisses von Prozessen. • Stärkung von Selbstorganisation und Verantwortungsbewusstsein. • Förderung von gegenseitigem Verständnis. • Fortschreitendes Lernen aus Erfahrungen und Feedbackkultur. • Fokussierung auf Soft Skills, wie Flexibilität, Teamfähigkeit oder Kommunikation.
• Betrachtung von eher kleinen interdisziplinären Teams mit vergleichsweise wenigen Akteuren auf meist operativer Ebene. • Übertragung auf Gesamtorganisation kann zu Herausforderungen führen (insb. bei der Umsetzung von Kollaborationen). • Entstehung von Hindernissen und Problemen, die insbesondere auf Entscheidungsträger und Organisationen selbst zurückgeführt werden können. • Mängel im Management erforderlicher Veränderungen beobachtbar. • Entstehung von Redundanzen und unklaren Aufgabenverteilungen (insb. Scrum). • Beobachtung einer häufig unrealistischen Erwartungshaltung durch Entscheidungsträger (insb. DevOps). • Häufige Vernachlässigung erforderlicher „Soft Skills“ bei konkreter Umsetzung (insb. DevOps). • Bezug zu Kunden oftmals unzureichend (insb. DevOps). • Ausgestaltung häufig zu komplex (insb. DevOps). • Fokussierung zu stark auf technisch geprägte „Hard Skills“ bei konkreter Umsetzung (insb. DevOps).
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung Besonders die DevOps-Grundidee, die eine Vereinigung von innovativer und flexibler Entwicklungsseite mit technisch sicherem und stabilem Betrieb vorsieht, bietet sich an, in die weiteren Überlegungen zur Neuausrichtung der gesamten IT-Funktion in Organisationen eingebunden zu werden. Eine damit einhergehende interdisziplinäre Ausrichtung, die auch der Scrum-Ansatz verfolgt, und die Berücksichtigung der jeweiligen Anforderungen beider Bereiche, können dabei
3.4 DevOps und Scrum als agile operative Vorgehensweisen
119
als wesentliche Möglichkeit betrachtet werden, deren Übertragbarkeit auf die Einbindung der gesamten IT-Funktion in Organisationen diskutiert werden sollte. Die Förderung eines gegenseitigen Verständnisses auf beiden Seiten wird ebenfalls als elementar für eine stärkere Einbindung der IT-Funktion in die Gesamtwertschöpfung von Organisationen angesehen und im weiteren Verlauf bei der Neuausrichtung der Einbindung von „Business“ und „IT“ entsprechend herangezogen. Ebenfalls soll überprüft werden, inwieweit sich selbst organisierende interdisziplinäre Teams, die aus Erfahrungen Schlüsse für zukünftiges Handeln ziehen können, die Neuausrichtung der IT-Funktion innerhalb der Gesamtorganisation tragen und unterstützen können. Die Beschränkung von DevOps auf eher spezifische operative Zwecke (Entwicklung und Implementierung von Software) muss dabei jedoch zunächst als Grenze einer Übertragbarkeit auf die in dieser Ausarbeitung vorgeschlagene Neuausrichtung der IT-Funktion, bezeichnet werden. Bei Übertragung der DevOps-Grundsätze auf eine zu diskutierende stärkere Zusammenarbeit von „Business“ und „IT“ sind weitere, umfassendere Maßnahmen zur Koordination vieler Aufgaben und Akteure notwendig, die in der (zunächst auf Softwareentwicklung beschränkten) DevOps-Idee nicht ausreichend enthalten sind. Scrum kann hier erste Ansatzpunkte, etwa durch iteratives Verbessern von Prozessen und einer klaren Rollendefinition bieten. Allerdings ist Scrum in seinen Ursprüngen stark auf kleine Teams beschränkt, sodass im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung zu ermitteln ist, inwieweit die Ideen auf eine ganzheitliche Integration von Fachbereichen und IT-Funktion in Form neuer Strukturen und Prozesse übertragbar erscheinen. Nachfolgend seien nochmals die wesentlichen Implikationen für das eigene Vorgehen zusammengefasst: • Prüfung einer Übertragbarkeit der DevOps- und Scrum-Grundidee interdisziplinärer Team-Zusammensetzung auf die Prozessorganisation. • Aktive Zusammenführung von Entwicklung und Betrieb, dann ausgeweitet auf Zusammenführung von „Business“- und „IT“-Rollen. • Übertragung der bereichs- und organisationsübergreifenden Ausrichtung agiler Ablauforganisationen auf die eigene Lösungsentwicklung. • Berücksichtigung von Eigenschaften der DevOps- und Scrum-Teams (Selbstorganisation, Lernen aus Erfahrungen, Teamfähigkeit, Kommunikation) bei der Entwicklung des eigenen Ansatzes. Auch aus den aufgezeigten Grenzen der agilen Vorgehensweisen, die jedoch in erster Linie auf Probleme und Hindernisse im Umgang mit DevOps und Scrum auf Seiten des Managements in den jeweiligen Organisationen zurückzuführen sind, lassen sich Implikationen für die eigene Lösungsentwicklung ableiten. Es
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3
Implikationen für eine Neuausrichtung …
kann bereits an dieser Stelle angenommen werden, dass die in dieser Ausarbeitung vorgestellte Neuausrichtung der IT-Funktion womöglich auf ähnliche Herausforderungen in Organisationen stoßen wird, wenn eine konkrete Implementierung der Business/IT-Integrationsidee in die Betrachtung rückt. Daher wird im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung ein Augenmerk auf eben solche Probleme und Hindernisse gelegt, die bereits bei der Darstellung der DevOpsIdee, aber auch des Scrum-Ansatzes, in Erscheinung traten und somit weitere Implikationen begründen: • Verfolgung eines starken Kundenbezugs, bzw. Bezuges zur Gesamtwertschöpfung von Organisationen. • Herausstellen der hohen Bedeutung und Managen weitreichender organisationaler Veränderungen. • Schaffung einer kollaborativen und verantwortungsvollen Kultur. • Fokussierung neben „Hard Skills“ verstärkt auf „Soft Skills“. Zusammenfassend soll an dieser Stelle nochmals verdeutlicht sein, dass in Literatur und Praxis unterschiedliche Ansätze existieren, die Annäherungen zwischen Fachbereichen und IT-Funktion beschreiben. Letztlich werden diese Bereiche in Organisationen jedoch häufig weiterhin als eigenständige Gebiete mit je eigenen Aufgaben und Kompetenzen gedacht, was auch im nachfolgenden Kapitel herausgestellt wird. So ist erkennbar, dass die dargestellten Entwicklungen versuchen, diese zwar immer stärker aufeinander zu beziehen und zumindest auf stark operativer Ebenen zu vereinen (DevOps und Scrum), eine konsequente, gegenseitige Durchdringung dieser Bereiche wird jedoch nicht ausreichend ganzheitlich bedacht, obwohl dies durch die fortschreitende Digitalisierung unerlässlich wird oder gar schon so angelegt ist.
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen aus praktischer Betrachtung
Nachdem im vorigen Kapitel ausgewählte theoretische Ansätze herausgestellt und jeweils Möglichkeiten, Grenzen und Implikationen für das weitere Vorgehen – für die Entwicklung des Business/IT-Integrationsansatzes – abgeleitet wurden, soll nun ergänzend der Blick in die unternehmerische Praxis gerichtet werden.
4.1
Zielsetzung und Wahl der Methodik
Mit einer quantitativen Befragung soll die gegenwärtige Einbindung der ITFunktion innerhalb von Organisationen aus verschiedenen Branchen und Sektoren ergänzend beleuchtet werden. In diesem Zusammenhang gilt es, insbesondere Probleme und Hindernisse einer ausgeprägteren Interaktion zwischen Angehörigen der IT-Funktion und Angehörigen der übrigen Fachbereiche zu identifizieren. Diese sollen dann einen Ausgangspunkt für weitere Überlegungen darstellen, die es im weiteren Forschungsprozess in dieser Ausarbeitung zu berücksichtigen gilt (vgl. Abschnitt 1.2). Um die Idee eines Business/IT-Alignments schließlich weiterzuführen und einen Ansatz der Business/IT-Integration vorschlagen zu können, ist es unabdingbar, sich mit der gegenwärtigen Situation des Zusammenspiels von „Business“ und „IT“ sowie der Ausprägung an gegenseitiger Abstimmung auseinanderzusetzen. Insbesondere soll damit überprüft werden, welchen Stellenwert die IT-Funktion innerhalb von Organisationen gegenwärtig einnimmt und ob Organisationen bereits vollumfänglich in der Lage sind, die Anforderungen Ergänzende Information Die elektronische Version dieses Kapitels enthält Zusatzmaterial, auf das über folgenden Link zugegriffen werden kann https://doi.org/10.1007/978-3-658-40132-0_4.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2022 C. Grawe, Business/IT-Integration, https://doi.org/10.1007/978-3-658-40132-0_4
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Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
der Digitalisierung entsprechend der Befriedigung von Nachfrage nach digitalen Produkten, Dienstleistungen und Prozessen umzusetzen. Anhand dieser eigens durchgeführten empirischen Erhebung soll die eingangs aufgezeigte Problemstellung, die eine zu strikte funktionale aber auch gedankliche Trennung der Bereiche „Business“ und „IT“ propagiert, weiter untermauert werden kann (vgl. hierzu Kapitel 1, 3.1). Um die Einbindung der IT-Funktion in den betrachteten Organisationen genauer beurteilen und Probleme und Hindernisse des Zusammenspiels mit den Fachbereichen aufdecken zu können, gilt es zunächst, die Erhebung entsprechend zu strukturieren und geeignete Dimensionen zur Strukturierung abzuleiten. In Kapitel 1 wurde aufgezeigt, dass die IT-Funktion in Organisationen häufig zu weit entfernt von den übrigen Fachbereichen agiert und dabei eine zu technische Ausrichtung einnimmt, was durch die Befragung weiter gestützt werden soll. Hieraus lässt sich die erste Dimension ableiten, die eine Eischätzung der gegenwärtigen „Rolle der IT“ liefern soll. Wie diese Einbindung der IT-Funktion aus strategischer Sicht derzeit in Organisationen stattfindet, ist Gegenstand der zweiten Dimension, der „strategischen Einbindung“. Um die operative Interkation zwischen den übrigen Fachbereichen und der IT-Funktion näher zu betrachten, wird die dritte Dimension, die „operative Einbindung“, herangezogen. Die Herleitung dieser Dimensionen, sowie der darin enthaltenen zu überprüfenden Aussagen (Items) ist im nachfolgenden Unterkapitel 4.3 ausführlicher dargestellt. In Analogie zu der in Abschnitt 3.1 hergeleiteten Abb. 3.2, die die Argumentationslinie hin zu einer Neuausrichtung der IT-Funktion im Kontext der Digitalisierung aufzeigt und die drei wesentlichen Betrachtungsebenen „strategische Ebene“, „strukturelle Ebene“ und „Prozess-Ebene“ zeigt, soll die Befragung mit ihren Dimensionen ebenfalls dieser Systematik folgen. Ausgehend von digitalen Technologien und sozio-ökonomischen Entwicklungen werden, über die Zunahme von digitalen Produkten, Dienstleistungen und Prozessen, langfristige organisationale Anpassungen angestoßen, die sich wiederum in Anpassungen der Einbindung der IT-Funktion in Organisationen manifestieren (vgl. Abschnitt 3.1, Abb. 3.2). Die gewählten Dimensionen des Fragebogens „Rolle der IT“; „strategische Einbindung“ und „operative Einbindung“ fokussieren also auf gegenwärtig zu beobachtende Phänomene im Zusammenspiel von IT-Funktionen und den übrigen Fachbereichen in der Praxis. Bezogen auf die in Abschnitt 3.1 aufgezeigte Argumentationslinie ist an dieser Stelle anzumerken, dass die strategische und operative Betrachtungsebene durch die Fragebogendimensionen „strategische Einbindung“ und „operative Einbindung“ abgedeckt werden. Die Fragebogendimension der „Rolle der IT“ ermittelt nicht ausschließlich Aspekte, die die
4.2 Aufbau der Befragung und Durchführung
123
gegenwärtige strukturelle Einbindung der IT-Funktion beschreiben, sondern vielmehr eine inhaltliche Positionierung der IT-Funktion. Fragen zur strukturellen Einbindung der IT-Funktion werden jedoch im Rahmen der vorgelagerten Fragen zur Organisation gestellt, sodass auch strukturelle Aspekte einer gegenwärtigen Einbindung der IT-Funktion im Sinne der in Abschnitt 3.1 dargestellten Systematik generiert werden. Um die gezeigte Zielsetzung erreichen zu können, wurde die Methodik einer quantitativen Umfrage mittels standardisiertem Fragebogen gewählt (vgl. hier und im Folgenden: Döring und Bortz 2016, S. 405–416; Iacobucci und Churchill 2018, S. 191–210). Mit dieser Methode ist es möglich, eine große Anzahl an Befragten zu erreichen, um sowohl unterschiedliche Sichtweisen aus vielen unterschiedlichen Organisationen als auch aus unterschiedlichen Bereichen einer Organisation (aus der IT-Funktion und aus den übrigen Fachbereichen heraus) generieren zu können. Auch ermöglicht ein standardisierter Fragebogen eine anonyme Abgabe auch kritischer Einschätzungen über Abläufe innerhalb der eigenen Organisation, die für die befragten Personen sanktionsfrei möglich sind und für die Untersuchung wichtige Erkenntnisse liefern können. Durch die Offenheit der Befragung besteht die Möglichkeit, auf Erfahrungen und Einschätzungen von Mitarbeitenden und Entscheidungsträgern unterschiedlicher Hierarchiestufen in Organisationen zurückgreifen zu können und dadurch ein realistischeres Bild der gegenwärtigen Interaktion von Fachbereichen und IT-Funktion zu erhalten. Im Gegensatz zu qualitativen Interviews, die oftmals auf einige wenige Experten höherer strategischer Hierarchiestufen beschränkt werden, können Einschätzungen von Angehörigen operativer Funktionen ein anderes Bild der gegenwärtigen Einbindung der IT-Funktion liefern.
4.2
Aufbau der Befragung und Durchführung
Der Fragebogen setzt sich zunächst aus Fragen zu Person und Organisation sowie der eigentlichen Untersuchung der Einbindung der IT-Funktion zusammen, die durch die drei bereits im Rahmen der Erläuterung der Zielsetzung genannten Dimensionen abgebildet wird. Die Untersuchung dieser drei Dimensionen „Rolle der IT“, „strategische Einbindung“ und „operative Einbindung“ erfolgte durch zu überprüfende Aussagen, die den Befragten, inhaltlich sortiert nach weiteren Kategorien, vorgelegt wurden. Anhand einer fünf-stufigen LikertSkala, die die Abstufungen „stimme voll und ganz zu“, „stimme eher zu“, „weder noch“, „stimme eher nicht zu“ und „stimme gar nicht zu“ abbildet, sollte ein Maß für die Zustimmung oder Ablehnung der Aussagen ermittelt werden. Durch
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4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
die fünf Abstufungen ergibt sich ein neutrales Feld in der Mitte der Skala, das bei Unsicherheit oder Unklarheit über ein Zutreffen oder Nicht-Zutreffen der jeweiligen Aussagen durch die Befragten gewählt werden kann. Auch stellen die fünf Unterscheidungsstufen eine ausreichende Bandbreite zur Abbildung der Antwortverteilungen dar (vgl. Malhotra 2010, S. 179; Döring und Bortz 2016, S. 269–272). Der Fragebogen wurde um eine Begrüßungsseite und eine Schlusserklärung erweitert (vgl. Iacobucci und Churchill 2018, S. 204 f.). Mit der Begrüßungsseite wurde den Teilnehmenden der Hintergrund und die Absicht der Befragung mitgeteilt und Hinweise auf Datenschutz und Anonymität der Antworten gegeben. Durch die Beantwortung des Fragebogens ließen sich keine Rückschlüsse zur jeweiligen Person herstellen. Durch die bewusst gewählte anonyme Gestaltung kann angenommen werden, dass Befragte auch Einschätzungen abgaben, die nicht immer den in ihren jeweiligen Organisationen vorherrschenden Meinungen entsprechen und auch innerbetriebliche Entwicklungen durchaus kritisch bewerten. Dieses Vorgehen lässt eine realistische Einschätzung zu, die Probleme und Hindernisse in der Zusammenarbeit von Fachbereichen und IT-Funktionen offenbaren können. Daneben wurde auf die Dauer des Ausfüllens des Fragebogens verwiesen (höchstens 5 Minuten), um möglichst wenige Abbrüche aufgrund einer zu langen Bearbeitungszeit zu erlangen (vgl. Iacobucci und Churchill 2018, S. 205). Die Schlusserklärung enthielt eine Dankesformulierung, Kontaktdaten des Autors, sowie ein Freitextfeld, in dem Feedback zur durchgeführten Befragung abgegeben werden konnte. Die nachfolgende Abb. 4.1 zeigt die Strukturierung der Befragung:
„Einbindung der IT-Funktion“
Begrüßungsseite
Fragen zu Organisation und Person
Dimension „Rolle der IT“
Dimension „Strategische Einbindung“
Dimension „Operative Einbindung“
Danksagung und Feedback
Operationalisiert durch zu überprüfende Aussagen (5-stufige Likert-Skala)
Abb. 4.1 Aufbau der Befragung. (Eigene Darstellung)
Der standardisierte Fragebogen wurde mit Hilfe des online verfügbaren Programms Questionstar erstellt und über unterschiedliche Kanäle kommuniziert. Hierzu wurde der in dem Programm generierte Hyperlink in sozialen Netzwerken verbreitet. Unterstützung wurde hierbei durch die Stabstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit der FernUniversität in Hagen gegeben, die die Befragung
4.3 Herleitung der allgemeinen Fragen, Dimensionen und zu überprüfenden … 125
auf den entsprechenden Facebook- und Linkedin-Präsenzen der FernUniversität durch gezielte Postings bewarb. Hierdurch konnte eine hohe Reichweite generiert werden. Zudem wurde die Befragung durch Directmailing mit Erläuterungen zur Teilnahme verbreitet. Hierbei wurden Mitarbeitende aus unterschiedlichen Organisationen unterschiedlicher Hierarchiestufen direkt angeschrieben und um Teilnahme an der Befragung gebeten. Die Befragung wurde schließlich im November und Dezember 2019 durchgeführt. Der Fragebogen ist im Anhang dieser Ausarbeitung einsehbar (vgl. Elektronisches Zusatzmaterial). Bevor die Befragung im Online-Programm Questionstar live geschaltet und aktiv beworben wurde, wurde ein Pretest durchgeführt (vgl. Iacobucci und Churchill 2018, S. 206; Kirchhoff et al. 2008, S. 24; Döring und Bortz 2016, S. 409 f.). Im Rahmen des Pretests wurde der Fragebogen einem kleineren Personenkreis (n = 38) zugänglich gemacht und um Feedback gebeten. Allen Personen wurde der Zugangslink zum Fragebogen per E-Mail übermittelt. Mit dieser E-Mail wurde auf die Pretest-Situation hingewiesen und um Prüfung von technischer Umsetzung, Verständlichkeit der Formulierungen und sonstiger Auffälligkeiten gebeten. Von den kontaktierten 38 Personen gaben 30 Personen Rückmeldungen zur Gestaltung der Befragung. Im Ergebnis führte der Pretest zur Streichung von wenigen zu überprüfenden Aussagen, da sich Redundanzen und Verständnisprobleme, bspw. innerhalb der Dimension „strategische Einbindung“ zeigten. Auch wurden Formulierungen einiger Items angepasst, da sie in der ursprünglichen Form Antworttendenzen zu stark provozierten. Ebenfalls ließen sich durch den Pretest einige Fehler in Formatierung und Sprache beheben und die Ansicht für mobile Endgeräte weiter optimieren.
4.3
Herleitung der allgemeinen Fragen, Dimensionen und zu überprüfenden Aussagen
Im nachfolgenden Unterkapitel wird nun die Herleitung der allgemeinen Fragen zu Person und Organisation, die die Stichprobe beschreiben, und die Herleitung der Dimensionen mit ihren zu überprüfenden Aussagen gezeigt.
4.3.1
Allgemeine Fragen zur Organisation und Person
Die Erhebung von Informationen zu Organisation und Person bildet innerhalb der Befragung den ersten Fragenblock nach der Begrüßungsseite, wodurch sie
126
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
der eigentlichen Untersuchung der Einbindung der IT-Funktion mit ihren weiteren Dimensionen vorgelagert ist (vgl. Abb. 4.1). Dieser Fragenblock lieferte somit zunächst Informationen, die unerlässlich dazu sind, die gezogene Stichprobe entsprechend den Eigenschaften der Befragten und der Organisationen einzuschätzen und im Rahmen der Auswertung Filterungen vornehmen zu können (vgl. hierzu: Döring und Bortz 2016, S. 406). Die Erhebung dieser generellen Informationen gliedert sich zunächst in Informationen zur Organisation und anschließend in Informationen zur Person selbst. Die Befragten sollten in einem ersten Schritt angeben, welche Organisationsform zutrifft. Dabei war mittels Einfachauswahl zwischen einer Organisation der Privatwirtschaft, des öffentlichen Dienstes und einer sog. „Non Profit Organisation“ (NPO) zu wählen. Darüber hinaus bestand die Möglichkeit, bei Unklarheit, die Option „weder noch“ auszuwählen. Diese Aufteilung in drei Formen folgt der verbreiteten Abgrenzung gesellschaftlicher Sektoren. Demnach kann der Staat (Organisationen des öffentlichen Dienstes) durch Erledigung von Aufgaben zur Erreichung von Gemeinwohl mit eher hierarchischen und bürokratischen Strukturen gekennzeichnet werden. Die Privatwirtschaft ist durch Aufgaben zur Verbesserung der Wettbewerbsposition und Gewinnmaximierung geprägt und „Non Profit Organisationen“ durch Werte der Solidarität und Befriedigung von Grundbedürfnissen (vgl. Ellguth und Kohaut 2011, S. 14). Anschließend sollte durch die Befragten die Größe der Organisationen, ebenfalls durch Einfachauswahl, angegeben werden. Dazu konnte zwischen 0–49 Mitarbeitenden, 50–249 Mitarbeitenden und über 250 Mitarbeitenden gewählt werden. Diese Einteilung von Organisationsgrößen anhand der Anzahl der Mitarbeitenden entspricht der Definition der EU-Empfehlung 2003/361, die auch, neben Bilanzsumme und Umsätzen, für das deutsche Handelsrecht ausschlaggebend ist (vgl. hierzu: Institut für Mittelstandsforschung 2020, o.S.). Demnach handelt es sich um Kleinstunternehmen mit bis zu 9 Mitarbeitenden, um kleine Unternehmen mit bis zu 49 Mitarbeitenden, um mittlere Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitenden und großen Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden. Aus Gründen der Vereinfachung wurden im Fragebogen Kleinst- und Kleinunternehmen zusammengefasst, sowie diese Klassifizierung von Unternehmen auch auf andere Organisationsformen übertragbar gestaltet. Auf die Erhebung von Bilanzsummen oder Umsatzangaben wurde aus Gründen der Vereinfachung verzichtet. Die Befragten sollten im nächsten Schritt angeben, welche Leistungsart primär durch die Organisationen erstellt wird. Es konnte zwischen produzierenden Organisationen, Dienstleistungsorganisationen und Vermittlern zwischen Akteuren, bspw. Plattform-Organisationen, unterschieden werden. Die Auswahl erfolgte wiederum durch Markieren einer möglichen Ausprägung, wobei bei Unklarheit
4.3 Herleitung der allgemeinen Fragen, Dimensionen und zu überprüfenden … 127
auch die Möglichkeit bestand, „sonstiges“ auszuwählen. Es bleibt anzumerken, dass durchaus noch weitere spezifischere Unterscheidungen hätten berücksichtigt werden können, auf die jedoch aus Vereinfachungsgründen verzichtet werden musste. Bspw. lassen sich Dienstleistungsorganisationen weiter aufteilen in etwa wissensintensive Dienstleistungen oder produktionsnahe Dienstleistungen, wodurch auch Überschneidungen in den Zuordnungen in Kauf genommen werden mussten (Eine weitere Einteilung des Dienstleistungssektors findet sich etwa bei: Gotsch 2012, S. 14–16). Zusätzlich sollten die Befragten die Branche zuordnen, der die jeweilige Organisation angehörig ist. Hierzu fanden die Befragten ein Drop-Down-Menü vor, in diesem die zutreffende Branche ausgewählt werden konnte. Unterschieden wurden dabei die Branchen Automobilbau, allgemeine Dienstleistungen, Finanzen, Gesundheit, Industriegüter, Infrastruktur/Logistik, IT, Konsumgüter/Handel, Landwirtschaft und öffentlicher Dienst. Zusätzlich konnte „weder noch“ bei keiner zutreffenden Branche ausgewählt werden. Eine genauere Klassifikation von Branchen findet sich bspw. bei Statista, die der eigenen Auswahl zugrunde lag (vgl. Statista 2020, o.S.). Allerdings wurden zur Vereinfachung dort aufgeführte Branchen zu einer beschränkteren Auswahl zusammengefasst. Nachdem diese allgemeinen Informationen über die jeweiligen Organisationen erhoben wurden, sollte überprüft werden, wie die IT-Funktion innerhalb dieser Organisationen strukturell eingebunden ist. Durch Einfachauswahl konnten die Befragten zwischen Linienabteilung, Stabstelle, einer Kombination aus Linienabteilung und Stabstelle, einer übergreifenden Organisationsform (Projektorganisation, Gremien oder ähnlich), sowie einer Auslagerung (Outsourcing) wählen. Zudem bestand bei Unklarheit die Möglichkeit, „weder noch“ auszuwählen. Bei der Erstellung dieser Auswahl wurden die unterschiedlichen Organisationsformen der IT gemäß der Darstellung in Vieweg et al. (2012) zugrunde gelegt und die entsprechenden Bezeichnungen für die Verständlichkeit innerhalb des Fragebogens angepasst. Demnach lässt sich die IT-Funktion zentral und als Stabstelle organisieren, als selbständige Linienabteilung gleichrangig mit den übrigen Abteilungen der gleichen Hierarchiestufe, als bereits gezielt integrierter Teil einer Fachabteilung oder als Mischform (vgl. hierzu: Vieweg et al. 2012, S. 235). Abschließend wurde innerhalb des ersten Frageblocks erhoben, welchem Fachbereich innerhalb von Organisationen die Befragten zugehörig sind. Hierzu konnten über ein Drop-Down-Menü verschiedene Funktionen ausgewählt werden. So konnte zwischen „Finanzen/Controlling, Einkauf/Beschaffung, Forschung/Entwicklung, Produktion, Vertrieb/Marketing, Personal“ und „IT“ unterschieden werden. Bei Unklarheit ließe sich „weder noch“ angeben.
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4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
Zusammenfassend liefert der erste Fragenblock Einschätzungen über die Stichprobe und Daten zur späteren Separierung der Ergebnisse, bspw. in Ergebnisse von Angehörigen der IT-Funktion selbst und Ergebnisse von Angehörigen der übrigen Fachbereiche. Die eigentliche Erhebung der Einbindung der IT-Funktion in Organisationen erfolgte anschließend anhand der nachfolgend beschriebenen Fragenblöcke.
4.3.2
Herleitung der zu überprüfenden Aussagen der Dimension „Rolle der IT“
Die erste Dimension soll vornehmlich die aktuell eingenommene „Rolle der IT“ in den jeweiligen Organisationen näher betrachten und beschreiben. In Bezug auf das in dieser Ausarbeitung verfolgte Verständnis einer Weiterentwicklung eines Business/IT-Alignments hin zu einem Business/IT-Integrationsansatzes repräsentiert die Erhebung des Rollenverständnisses und damit einer (inhaltlichen) Positionierung der IT-Funktion in gewisser Weise einen Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen. Begründen lässt sich die Auswahl dieser Dimension mit der eingangs in der Problemstellung erläuterten Annahme, dass sich das Rollenverständnis der IT in Organisationen von einer eher technisch orientierten Unterstützungsfunktion hin zu einem wettbewerbskritischen Teil der Wertschöpfung weiterentwickeln muss, um den Anforderungen der Digitalisierung letztlich gerecht werden zu können (vgl. hierzu insbesondere Kapitel 1, 3.1). Diese Anforderungen können durch das Streben nach Realisierung der dargestellten Eigenschaften digitaler Produkte, Dienstleistungen und Prozesse beschrieben werden, wodurch sich wiederum weitreichende Veränderungen in der Rolle der IT begründen lassen (vgl. Porter und Heppelmann 2014, S. 86; Urbach et al. 2018, S. 124). Mittels der durchgeführten Befragung galt es also zunächst zu ermitteln, inwieweit die Rolle der IT, bzw. die inhaltliche Positionierung dieser, innerhalb der berücksichtigten Organisationen eher eine technisch geprägte Unterstützerfunktion einnimmt, als dass sie bereits eine innovationstreibende wettbewerbskritische Kernfunktion darstellt. Um dies durch die Befragung erreichen zu können, wurden innerhalb der ersten Dimension zwei weitere Unterkategorien gebildet: „Aufgaben der IT“ und „Innovationsbereitschaft“. Die Überprüfung von Aussagen zu den aktuellen Aufgaben der IT-Funktion soll erkennen lassen, welche Aufgaben primär die IT-Funktion in den jeweiligen Organisationen zu erledigen hat und inwieweit ihr ein eher technisch geprägtes Rollenverständnis zugesprochen werden kann. Insbesondere ist es von Interesse,
4.3 Herleitung der allgemeinen Fragen, Dimensionen und zu überprüfenden … 129
Erkenntnisse bezüglich einer inflexiblen und eher technisch positionierten ITFunktion zu erhalten, wodurch die Notwendigkeit einer veränderten Rolle auch durch die eigene Untersuchung evaluiert werden soll. Womöglich ist eine solche Positionierung hinderlich, die Digitalisierung in Organisationen umzusetzen und entsprechende Innovationen in Informations- und Kommunikationstechnologien zu generieren und diese zu implementieren (vgl. Urbach et al. 2018, S. 125; insbesondere zu Gründen, die eine fortschreitende Digitalisierung behindern können: Fitzgerald et al. 2014). Um die in dieser Ausarbeitung vorgeschlagene weitere Entwicklung der IT-Ausrichtung zu einem der Digitalisierung gerechteren Ansatz fortzuführen, erscheint es notwendig, der IT-Funktion ein gewisses Maß an Flexibilität und Innovationsbereitschaft zuzuschreiben (vgl. Legner et al. 2017, S. 307; Horlach et al. 2020, S. 8). Mängel in der Innovationsbereitschaft hindern Organisationen daran, die durch Digitalisierung geforderte engere Verbindung der IT-Funktionen zu den geschäftlichen Anforderungen herzustellen. Die Realisierung von Innovationen in Informations- und Kommunikationstechnologien ist für die Gestaltung digitaler Produkte, Dienstleistungen und Prozesse als elementar anzusehen (vgl. insbesondere Abschnitt 2.1 und 3.1; Legner et al. 2017, S. 306; Zott und Amit 2017, S. 19; Porter und Heppelmann 2014, S. 80). Aus diesem Grund wurde die Kategorie der „Innovationsbereitschaft“ gebildet und der ersten Dimension zugeschrieben. Im Ergebnis sollte erhoben werden, ob IT-Funktionen gegenwärtig bereits die notwendigen Kompetenzen besitzen, um neue Formen technischer Innovationen für interne und externe Nutzung zu entwickeln und einzubinden (vgl. Chen et al. 2010, S. 243; weiterführend zum Begriff der Innovation im organisationalen Kontext vgl. Baregheh et al. 2009). Dabei sollen zwei zu überprüfende Annahmen für die erste Dimension „Rolle der IT“ aufgestellt sein, die es zu überprüfen gilt: A1:
A2:
Die IT-Funktion in den betrachteten Organisationen folgt eher einer technisch orientierten Unterstützungsrolle, als dass sie einen wettbewerbskritischen Teil der Wertschöpfung einnimmt. Zur Umsetzung der Digitalisierung werden Innovationen der IT-Funktion als erforderlich angesehen, die jedoch gegenwärtig nur schwer realisiert werden können.
Die den Kategorien „Aufgaben der IT“ und „Innovationsbereitschaft“ zugeordneten und mit Likert-Skala zu bewertenden Aussagen lassen sich der nachfolgend dargestellten Tab. 4.1 entnehmen.
130
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
Tab. 4.1 Zu überprüfende Aussagen der Dimension „Rolle der IT“ Kategorie
Item
Code
Aufgaben der IT Der IT-Bereich stellt den Betrieb Rol. 1 der eingesetzten Systeme und die Funktionsfähigkeit der Arbeitsprozesse sicher. Die IT-Anwendungen der täglichen Arbeit sind standardisiert statt für die Organisation individualisiert. Innovationsbereitschaft
4.3.3
Rol. 2
Literatur Horlach et al. 2016
El Sawy et al. 2010aEl Sawy et al. 2010b
Für das Erreichen der Rol. 3 Organisationsziele sind Innovationen, die aus dem IT-Bereich induziert werden, für die interne Anwendung (bspw. in Prozessen) wichtig.
Rogers 2003; Zott und Amit 2017; Nan und Tanriverdi 2017; Chen et al. 2010
Der IT-Bereich ist meiner Ansicht nach dazu in der Lage, Innovationen zu entwickeln, die intern Anwendung (bspw. in Prozessen) finden.
Rol. 4
Baregheh et al. 2009; Holotiuk und Beimborn 2017; Legner et al. 2017
Für das Erreichen der Organisationsziele sind Innovationen, die aus dem IT-Bereich induziert werden, für die zukünftige Gestaltung von Produkten und/oder Dienstleistungen wichtig.
Rol. 5
Zott und Amit 2017; Nan und Tanriverdi 2017; Chen et al. 2010
Der IT-Bereich ist meiner Ansicht Rol. 6 dazu in der Lage, Innovationen zu entwickeln, die als Produkte oder Dienstleistungen (auch deren Bestandteile) angeboten werden können.
Baregheh et al. 2009; Holotiuk und Beimborn 2017; Legner et al. 2017
Herleitung der zu überprüfenden Aussagen der Dimension „strategische Einbindung“
Nachdem die erste Dimension die gegenwärtige Rolle der IT in den betrachteten Organisationen näher untersucht, wird die strategische Einbindung in einem
4.3 Herleitung der allgemeinen Fragen, Dimensionen und zu überprüfenden … 131
zweiten Schritt in den Vordergrund gestellt. Bezogen auf die Frage nach der Notwendigkeit, den Business/IT-Alignment-Ansatz hin zur Business/IT-Integration weiterzuführen, sollen zunächst die Strategietypen der Geschäftsstrategie und einer IT-Strategie entsprechend der einschlägigen (klassischen) AlignmentLiteratur (vgl. Abschnitt 2.2.3) differenziert betrachtet werden (vgl. hierzu etwa: Henderson und Venkatraman 1993; Luftman und Kempaiah 2007; Benbya und McKelvey 2006). Um eine vollständige Vereinigung dieser Strategien im weiteren Verlauf dieser Ausarbeitung vorschlagen zu können, ist es erforderlich zu untersuchen, welchen Stellewert diese Strategietypen in Organisationen einnehmen und wie bekannt diese den unterschiedlichen Organisationsangehörigen sind. Um also den aktuellen Stand der Einbindung dieser Strategietypen in die Organisationen ermitteln zu können, wurden die jeweiligen zu überprüfenden Aussagen in zwei entsprechende Kategorien, „Geschäftsstrategie“ und „IT-Strategie“, aufgeteilt. Hierzu wurde zunächst überprüft, inwieweit die Geschäftsstrategie den Mitgliedern der jeweiligen Organisation überhaupt bekannt ist und inwieweit diese (bereits) von der Digitalisierung beeinflusst wird (vgl. Holotiuk und Beimborn 2017, S. 991 f.; Bharadwaj et al. 2013, S. 472; vgl. weiterführend zu den Eigenschaften einer IT-Strategie: Chen et al. 2010, S. 238–242). In einem nächsten Schritt wurde dann ermittelt, ob die Geschäftsstrategie auch diesem Einfluss der Digitalisierung angepasst wurde oder noch werden soll (vgl. hierzu insbesondere: Morakanyane et al. 2017). Strategische Anpassungen hinsichtlich der Entwicklung der Digitalisierung stellen einen Indikator dafür dar, inwieweit Organisationen die Fähigkeit besitzen, definierte Strategien fortlaufend zu überprüfen und sie ggf. an Veränderungen kontinuierlich anpassen zu können. Um die Anforderungen der Digitalisierung, die sich in entsprechenden Eigenschaften digitaler Produkte, Dienstleistungen und Prozessen wiederfinden, erfüllen zu können, wird eine solche Fähigkeit zur strategischen Veränderung als elementar betrachtet (vgl. hierzu etwa: El Sawy et al. 2010a, S. 842–845; Bharadwaj et al. 2013, S. 472). Innerhalb der zweiten Kategorie wurden analog zur Geschäftsstrategie ebenfalls die Bekanntheit einer IT-Strategie unter den Befragten und die Anpassung dieser an Anforderungen der Digitalisierung überprüft. Es wurde dabei angenommen, dass den Befragten die Geschäftsstrategien der jeweiligen Organisationen bekannter sind als die jeweiligen IT-Strategien, sofern solche überhaupt explizit in den Organisationen definiert sind. Für eine Neuausrichtung der IT-Funktion in Organisationen soll im weiteren Verlauf eine Zusammenführung getrennter Geschäfts- und IT-Strategien, bzw. eine einheitlich übergreifende Strategie, die sich an Zielen der Digitalisierung ausrichtet, diskutiert werden. Um entsprechende Handlungsempfehlungen ableiten zu können, erscheint es unerlässlich, zunächst den Status quo strategischer Ausrichtung in Geschäfts- und IT-Strategie
132
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
innerhalb der betrachteten Organisationen zu ermitteln. Aus den vorigen Ausführungen lassen sich die nachfolgend genannten Annahmen aufstellen, die es dabei zu überprüfen gilt: A3:
A4:
Um auf die Anforderungen der Digitalisierung reagieren zu können, müssen Organisationen strategische Anpassungen (in Geschäfts- als auch IT-Strategie) vornehmen. Die Geschäftsstrategie ist den Befragten insgesamt vertrauter als die ITStrategie.
Die nachfolgende Tab. 4.2 zeigt nochmals die in der Befragung zu überprüfenden Aussagen der Dimension „strategische Einbindung“. Tab. 4.2 Zu überprüfende Aussagen der Dimension „strategische Einbindung“ Kategorie
Item
Code
Literatur
Geschäftsstrategie
Die der Geschäftsstrategie zugrunde liegenden Inhalte sind mir bekannt.
Strat. 1
Henderson und Venkatraman 1993; Luftman und Brier 1999
Die Digitalisierung führt in unserer Branche zu verändertem Nachfrageverhalten (z. B. nach digitalen Produkteigenschaften), auf das die Organisation reagieren muss.
Strat. 2
Fitzgerald et al. 2014; Holotiuk und Beimborn 2017
Die Geschäftsstrategie wurde oder wird zukünftig an Veränderungen der Digitalisierung angepasst.
Strat. 3
Morakanyane et al. 2017; Mithas et al. 2013
Die der IT-Strategie zugrunde liegenden Inhalte sind mir bekannt.
Strat. 4
Luftman und Brier 1999; Chen et al. 2010
Die IT-Strategie wurde oder Strat. 5 wird zukünftig an Veränderungen der Digitalisierung angepasst
El Sawy et al. 2010a; Morakanyane et al. 2017
ITStrategie
4.3 Herleitung der allgemeinen Fragen, Dimensionen und zu überprüfenden … 133
4.3.4
Herleitung der zu überprüfenden Aussagen der Dimension „operative Einbindung“
Neben der Rolle der IT-Funktion und der strategischen Einbindung soll nun die operative Ebene betrachtet und herausgearbeitet werden, wie Zusammenarbeit und Interaktion zwischen den Seiten „Business“ und „IT“ aktuell tatsächlich in Organisationen stattfindet. Hierzu gilt es, die operativen Prozesse innerhalb der betrachteten Organisationen, die Fachbereiche und IT-Funktion miteinander verknüpfen, näher zu betrachten. Um eine erfolgreiche und stärkere Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten erreichen zu können, ist es unerlässlich, dass IT-Funktionen in Organisationen die Anforderungen der übrigen Fachbereiche weitgehend erfüllen (vgl. Urbach et al. 2018, S. 123; Schonewille 2010, S. 7). Zur Untersuchung der operativen Einbindung wurden daher die Kategorien der Kollaboration und der Wissensverteilung herangezogen und entsprechende zu überprüfende Aussagen formuliert. Um die Aufmerksamkeit innerhalb der jeweiligen Organisationen stärker auf neue Rollenverständnisse und veränderte Aufgaben in den IT-Bereichen zu richten, spielt Kommunikation eine entscheidende Rolle (vgl. Benbya und McKelvey 2006, S. 288; Luftman und Kempaiah 2007, S. 174; zur Bedeutung von Kommunikation im Rahmen organisationaler Veränderungen: Petrou et al. 2016). Das erfolgreiche Umsetzen von weitreichenden Veränderungen in Organisationen, wie sie bspw. in der Disziplin des Change-Managements diskutiert werden, steht in Abhängigkeit zur Art und Weise der in Organisationen stattfindenden Kommunikation. Aus diesem Grund stellt Kommunikation auch im Kontext der hier betrachteten Neuausrichtung der IT-Funktion einen wesentlichen Faktor dar, den es hinsichtlich aktuell möglicher Probleme und Hindernisse zu untersuchen gilt. Somit wird die Zufriedenheit mit der Kommunikation zwischen Fachbereichen und IT-Funktion im Rahmen dieser Dimension überprüft. Um die operative Einbindung der IT-Funktion weiter hinsichtlich eins Erfüllens von Geschäftsanforderungen überprüfen zu können, fungiert die Zufriedenheit der Befragten mit den Ergebnissen der jeweiligen IT-Funktion als ein Indikator. So ist es insbesondere die Verknüpfung der IT zu den BusinessAnforderungen, die so zu gestalten ist, dass eine hohe Zufriedenheit mit den Leistungen erreicht werden kann (vgl. Luftman und Brier 1999, S. 115–119). Neben einer Beurteilung der Kommunikation sowie der Zufriedenheit mit den Leistungen der IT-Funktion ist es für die erfolgreiche Umsetzung von organisationalen Veränderungen essenziell, gegenseitiges Verständnis und eine hohe
134
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
Wissensverteilung anzustreben. Es wird an dieser Stelle die Annahme verfolgt, dass gegenseitiges und übergreifend verteiltes Wissen über sämtliche an Prozessen beteiligte Instanzen eine stärkere Zusammenarbeit hinsichtlich gemeinsamer Ziele (zentrale Organisationsziele statt dezentrale Abteilungsziele) fördert (vgl. Urbach et al. 2018, S. 127; Novales et al. 2016, S. 7; Luftman und Brier 1999, S. 115). Daher wurde innerhalb der Befragung die Verteilung von Wissen als zweite Kategorie aufgenommen. Innerhalb dieser Kategorie soll überprüft werden, inwieweit Mitglieder der primär wertschöpfenden Fachbereiche (Business) Wissen über die Prozesse innerhalb der IT-Funktionen besitzen – und umgekehrt, inwieweit Mitglieder der IT-Bereiche Wissen über primär wertschöpfende Prozesse besitzen (Op. 3 und 4). Gegenseitiges Verständnis und Transparenz kann dazu führen, dass Ängste und Vorbehalte gegenüber Veränderungen, wie bspw. neue Rollen und Aufgaben, abgebaut, bzw. vermindert werden können (vgl. Baumöl und Winter 2003, S. 49 f.; Petrou et al. 2016). Zusammenfassend können die nachfolgenden Annahmen aufgestellt werden, die es mittels der Befragung zu überprüfen gilt: A5:
A6:
Die Kollaboration zwischen Fachbereichen und IT-Funktion ist durch Mängel in Kommunikation und Unzufriedenheit mit den Ergebnissen der IT-Bereiche beeinflusst. Wissen ist in Organisationen ungleich verteilt (zwischen Fachbereichen und IT-Funktion), was die Fähigkeit der Umsetzung organisationaler Veränderungen belastet.
Die nachfolgende Tab. 4.3 zeigt nochmals die Herleitung der zu überprüfenden Aussagen innerhalb der dritten Dimension „operative Einbindung“.
4.4 Ergebnisse der Befragung
135
Tab. 4.3 Zu überprüfende Aussagen der Dimension „operative Einbindung“ Kategorie
Item
Code
Literatur
Kollaboration
Mit der Kommunikation zwischen IT-Bereich und anderen Organisationsbereichen bin ich zufrieden.
Op. 1
Petrou et al. 2016; Luftman und Kempaiah 2007; Benbya und McKelvey 2006
Mit den Arbeitsergebnissen des IT-Bereichs (Service, Leistung, Qualität) bin ich zufrieden.
Op. 2
Luftman und Brier 1999; Luftman und Kempaiah 2007
Mitglieder der IT-Bereiche verfügen über umfassendes Wissen über wertschöpfende Prozesse der Organisation.
Op. 3
Urbach et al. 2018; Schonewille 2010
Mitglieder der primär wertschöpfenden Organisationsbereiche verfügen über umfassendes Wissen über Prozesse der IT-Bereiche.
Op. 4
Urbach et al. 2018; Schonewille 2010
Wissensverteilung
4.4
Ergebnisse der Befragung
In diesem Abschnitt werden Ergebnisse dem Aufbau der Befragung folgend (vgl. Abb. 4.1) dargestellt. Die Ergebnisse der Befragung werden dazu zunächst einer deskriptiven Analyse unterzogen, bevor im Anschluss auf bedeutsame Korrelationen zwischen den einzelnen Items jeder Betrachtungsdimension Bezug genommen wird. So ist es möglich, einen Überblick über den aktuellen Stand einer Einbindung der IT-Funktion in den betrachteten Organisationen, bzw. einen Einblick in den Zustand „vor“ einer zu diskutierenden Neuausrichtung der ITFunktion, zu erkennen. Nachdem die Ergebnisse strukturiert anhand der einzelnen Betrachtungsdimensionen dargestellt sind, werden abschließend Implikationen für das eigene Vorgehen – die Konstruktion einer IT-Neuausrichtung im Kontext der Digitalisierung – abgeleitet und den Implikationen der ausgewählten theoretischen Ansätze im dritten Kapitel ergänzend nachgestellt. Insgesamt konnten 225 ausgefüllte Fragebögen der näheren Untersuchung unterzogen werden. Insgesamt wurde die Befragung jedoch 300-mal gestartet,
136
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
woraus eine Abbruchquote von 25 % ableitbar ist. Damit wurden 75 % der gestarteten Befragungen beendet und die Antworten abgesendet, auch wenn in wenigen Fällen dennoch zu einzelnen Items keine Angaben abgegeben wurden. Damit kann erklärt werden, dass die Gesamtantwortzahlen N der jeweiligen Items in den nachfolgenden Auswertungstabellen vereinzelt auch geringere Werte als N = 225 aufweisen.
4.4.1
Ergebnisse der Fragen zur Organisation und Person
Wie bereits in Abschnitt 4.3.1 dargestellt, dient dieser erste Fragenblock in erster Linie der Beschreibung der gezogenen Stichprobe und möglichen Filterungen der Antworten nach entsprechenden Eigenschaften oder Ausprägungen der Organisationen oder Personen. Bezogen auf die erste Frage, welche Organisationsform zutrifft, ergab sich in den meisten Fällen, dass die entsprechende Organisation der Privatwirtschaft zugesprochen wird (62,7 %), gefolgt von Organisationen des öffentlichen Dienstes (29,8 %). Das Ergebnis der zweiten Frage, wie groß, gemessen an der Anzahl der Mitarbeitenden, die Organisation ist, lässt erkennen, dass in 72,2 % der Fälle eine große Organisation mit mehr als 250 Mitarbeitenden vorliegt. Mittelgroße Organisationen (50–249 Mitarbeitende) liegen in 15,8 % und kleine Organisationen (unter 50 Mitarbeitende) in 11,4 % der Fälle vor. Auffällig im Rahmen der Frage nach der primär erstellten Leistung durch die jeweilige Organisation ist, dass in über der Hälfte der Fälle (55,1 %) immaterielle Leistungen angegeben wurden, gefolgt von materiellen Leistungen (30,4 %). Der hohe Wert für immaterielle Leistungen lässt zunächst eine hohe Anzahl an Dienstleistungsorganisationen erkennen. Die Branchen, denen die betrachteten Organisationen zugeordnet werden können, sind gleichmäßig verteilt. Keine der Auswahlmöglichkeiten überwiegt hier deutlich. Allerdings ist zu beachten, dass in den meisten Fällen (39,9 %) keine Antwort angegeben wurde, was darauf zurückgeführt werden kann, dass die jeweils zutreffende Branche dann nicht zur Auswahl stand.
4.4 Ergebnisse der Befragung
137
Nachfolgend sollte durch die Befragten angegeben werden, wie die ITFunktion strukturell eingebunden ist. Gemäß den Ausführungen in Abschnitt 4.3.1 dient diese Frage insbesondere einer Art Einschätzung der Ausgangssituation für weitere Überlegungen. Auffallend ist, dass die IT-Bereiche in den meisten Fällen (41,8 %) als eigenständige Linienabteilung und in 19 % der Fälle als Kombination aus Linienabteilung und Stabstelle organisiert sind. Eine abteilungsübergreifende Organisationsform liegt in 17,1 % der Fälle vor, ausgelagert ist die IT-Funktion in lediglich rund 6 % der Fälle. Eine Besonderheit der Stichprobe zeigt sich in der Frage nach dem Fachbereich, dem die Befragten angehörig sind. In 46,8 % der Fälle wurde angegeben, dass die Befragten dem IT-Bereich angehörig sind. Die anderen zur Auswahl stehenden Fachbereiche sind in geringerem Maße vertreten (29,7 %). In 22,8 % der Fälle ist „weder noch“ ausgewählt, was erkennen lässt, dass Fachbereiche vertreten sind, die nicht durch die Auswahlmöglichkeiten abgedeckt wurden. Demnach stehen also mit 46,8 % Mitglieder aus der IT-Funktion selbst 52,5 % Mitglieder aus den übrigen Fachbereichen gegenüber, was für die Untersuchung der organisationalen Einbindung der IT-Funktion als besonders geeignet scheint. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Stichprobe einen eher heterogenen Charakter aufweist und keine Anhäufung von bestimmten Eigenschaften besonders schwer ins Gewicht fällt. Lediglich der hohe Anteil an Mitgliedern aus der IT-Funktion im Vergleich zu den übrigen zur Auswahl stehenden Fachbereichen zeigt hier eine auffällige Häufung. In den nachfolgenden Abschnitten werden nun die Ergebnisse der zu überprüfenden Aussagen der drei Dimensionen „Rolle der IT“, „strategische Einbindung“ und „operative Einbindung“ dargestellt.
4.4.2
Deskriptive Statistik zur Dimension „Rolle der IT“
Die erste Dimension „Rolle der IT“ soll mittels der entsprechenden zu überprüfenden Aussagen insbesondere Rückschlüsse auf die aktuelle (inhaltliche) Positionierung der IT hinsichtlich Aufgaben und Innovationsbereitschaft (vgl. Abschnitt 4.3.2) zulassen. Die Einschätzungen der Befragten anhand der relativen Häufigkeiten der Auswahlmöglichkeiten sind der Abb. 4.2 zu entnehmen
138
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
Balken jeweils von links nach rechts: stimme voll und ganz zu, stimme eher zu, weder noch, stimme eher nicht zu, stimme gar nicht zu Rol. 1 Rol. 2 Rol. 3 Rol. 4 Rol. 5 Rol. 6
Der IT-Bereich stellt den Betrieb der eingesetzten Systeme und die Funktionsfähigkeit der Arbeitsprozesse sicher. Die IT-Anwendungen der täglichen Arbeit sind standardisiert statt für die Organisation individualisiert. Für das Erreichen der Organisationsziele sind Innovationen, die aus dem IT-Bereich induziert werden, für die interne Anwendung (bspw. in Prozessen) wichtig. Der IT-Bereich ist meiner Ansicht nach dazu in der Lage, Innovationen zu entwickeln, die intern Anwendung (bspw. in Prozessen) finden. Für das Erreichen der Organisationsziele sind Innovationen, die aus dem IT-Bereich induziert werden, für die zukünftige Gestaltung von Produkten und/oder Dienstleistungen wichtig. Der IT-Bereich ist meiner Ansicht dazu in der Lage, Innovationen zu entwickeln, die als Produkte oder Dienstleistungen (auch deren Bestandteile) angeboten werden können.
Abb. 4.2 Häufigkeiten der Angaben zur Dimension „Rolle der IT“ in %
Die nachfolgende Tab. 4.4 zeigt die Auswertung der zu überprüfenden Aussagen der ersten Dimension „Rolle der IT“, bezogen auf alle Befragten. Bezogen auf die Aufgaben der IT-Bereiche innerhalb der betrachteten Organisationen gaben die meisten Befragten zunächst an, dass die IT den Betrieb der eingesetzten Systeme und die Funktionsfähigkeit der Arbeitsprozesse sicherstellt (Rol.1). 51,27 % der Befragten stimmten hier voll und ganz zu, gefolgt von einer schwächeren Zustimmung in 31,65 % der Fälle. Eine sehr spitze Verteilung, die bei voller Zustimmung nach oben hinausschlägt, verdeutlichen die Werte Mittelwert (1,68), Median (1,0) und insbesondere Wölbung (,244) und Schiefe (1,030).
4.4 Ergebnisse der Befragung
139
Tab. 4.4 Ergebnisse der Dimension „Rolle der IT“ Code
N
Mittelwert
Median
Rol.1
225
1,68
1,00
Varianz ,700
S.D. ,837
Schiefe 1,030
Wölbung ,244
Rol.2
225
2,64
3,00
1,075
1,037
,241
–,448
Rol.3
222
2,20
2,00
1,352
1,163
,903
–,043
Rol.4
224
2,73
3,00
1,572
1,254
,048
–1,157
Rol.5
225
2,04
2,00
1,297
1,139
,994
,066
Rol.6
225
2,85
3,00
1,808
1,345
,071
–1,193
Bezogen auf die Anwendungen der täglichen Arbeit (Rol. 2) kann der Befragung entnommen werden, dass diese in vielen Fällen eher standardisiert (30,38 % „stimme eher zu“, 13,92 % „stimme voll und ganz zu“), als für die Organisation individualisiert ausgestaltet sind, wobei die neutrale Antwortmöglichkeit am häufigsten ausgewählt worden ist (34,81 %). Damit wurden individualisierte Anwendungen nur in wenigen Fällen (15,82 % „stimme eher nicht zu“, 4,43 % „stimme gar nicht zu“) attestiert. Die deutliche Verschiebung hin zur Zustimmung standardisierter Leistungen kann auch im Mittelwert (2,64) und in der Schiefe (,241) gesehen werden, während der Median (3,0) auf der neutralen AntwortOption „teils teils“ liegt. Varianz und Standardabweichung beschreiben hier eine geringere Streuung in der Verteilung. Bei Betrachtung der zweiten Kategorie, die auf die Innovationsbereitschaft fokussiert (vgl. Abschnitt 4.3.2), kann in den meisten Fällen eine hohe Bedeutung von Innovationen, die durch den IT-Bereich induziert werden, für eine interne Anwendung, bspw. in Prozessen, attestiert werden (Rol. 3). So stimmten 30,38 % der Befragten „voll und ganz“ einer entsprechenden Bedeutung zu, während 39,87 % der Befragten „eher zustimmten“. Alle übrigen Antwortmöglichkeiten wurden deutlich seltener gewählt, woraus sich eine starke Verschiebung der Verteilung hin zur Zustimmung (Mittelwert = 2,20, Median = 2,0) erklärt, die zudem sehr spitz im Bereich der abgeschwächten Zustimmung („stimme eher zu“) ausgeprägt ist (Schiefe = ,903; Wölbung = –,043). In einem nächsten Schritt wird überprüft, ob diese für die internen Abläufe als wichtig erachteten Innovationen durch die IT-Bereiche auch realisiert werden können, bzw. ob eine solche Realisierung durch die IT von den Befragten als realistisch eingeschätzt wird. Hier zeigt sich deutlich, dass IT-Bereiche nicht vollumfänglich als fähig bewertet wurden, diese Innovationen für eine interne Nutzung auch realisieren zu können (Rol. 4). Die häufigste Antwort stellte hier
140
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
die schwache Ablehnung dar (27,22 %, gefolgt von der neutralen Antwortoption „teils teils“ (22,78). Dennoch gaben viele der Befragten an, dass die IT diese Innovationen realisieren könne (20,89 % und 21,52 %). Entsprechend liegt der Mittelwert bei 2,73 und der Median bei 3,0. Schiefe (,048) und Wölbung (–1,157) beschreiben die leichte Verschiebung der Verteilung hin zur schwachen Ablehnung. Auffallend ist jedoch, dass die starke Ablehnung („stimme gar nicht zu“) „nur“ in 6,33 % der Fälle angegeben worden ist. Insgesamt kann festgestellt werden, dass zwar einerseits die hohe Bedeutung von IT-Funktionen induzierten Innovationen für die Anwendung innerhalb der Organisationen durch die Befragten erkannt und entsprechend bewertet worden ist. Zum anderen wurde die Fähigkeit einer tatsächlichen Entwicklung dieser Innovationen durch die IT-Funktion nur von einem, wenn auch einem beachtlichen, Teil der Befragten gesehen. Sehr ähnlich zeigt sich die Betrachtung der durch die IT-Funktion induzierten Innovationen, die Produkte und/oder Dienstleistungen betreffen. Auch solche Innovationen wurden durch die Befragten in den meisten Fällen als wichtig für das Erreichen der Organisationsziele angesehen (Rol. 5: Mittelwert = 2,04; Median = 2,0), allerdings kann erkannt werden, dass ITBereiche in vielen Fällen noch nicht in der Lage seien, diese Innovationen auch umsetzen zu können (Rol. 6: Mittelwert = 2,85; Median = 3,0). Die entsprechenden Verteilungen (Rol. 5: Schiefe = ,994; Wölbung = ,066 und Rol. 6: Schiefe = ,071; Wölbung = –1,193) zeigen ein ähnliches Bild, wie die Verteilungen bezüglich der Prozessinnovationen (Rol. 3 und Rol. 4), was durch die entsprechenden statistischen Werte beschrieben werden kann. An dieser Stelle soll eine differenzierte Betrachtung der Ergebnisse vorgenommen werden. Es empfiehlt sich eine Filterung der Befragten in eine Gruppe, die selbst der IT-Funktion zugehörig sind. So wurde die Fähigkeit der IT-Funktion, die Innovationen in internen Prozessen als auch Produkten und Dienstleistungen realisieren zu können, von Angehörigen aus der IT-Funktion selbst deutlich positiver eingeschätzt. So stimmten jeweils die meisten IT-Angehörigen „voll und ganz“ der Fähigkeit der Realisierung zu (Rol. 4: 29,90 % und Rol. 6: 32,10 %). Es muss jedoch festgestellt werden, dass die volle Zustimmung zwar jeweils die häufigsten Antworten darstellte, die Verteilungen der Antworten jedoch auch weniger stark ausgeprägte Zustimmungen und auch wesentliche Ablehnungen erkennen ließen. Im Vergleich zu den Ergebnissen aller Befragten (vgl. Abb. 4.2) fällt jedoch auf, dass die Angehörigen der IT-Funktion selbst einer Realisierung von Innovationen deutlich positiver gegenüberstehen, als die Befragten der übrigen Fachbereiche.
4.4 Ergebnisse der Befragung
141
Eine weitere Filterung offenbart ebenfalls eine weitere interessante Erkenntnis. Betrachtet seien nur die Befragten, die angaben, Organisationen des öffentlichen Sektors sowie Non-Profit-Organisationen anzugehören. Innovationen in internen Prozessen als auch in den angebotenen Leistungen (diese können sich hier von Produkten und Dienstleistungen im klassischen Sinne unterscheiden) werden ebenfalls als wichtig für die jeweiligen Organisationen angesehen (Rol. 3: Mittelwert = 2,22; Rol. 5: Mittelwert = 2,19). Jedoch dominiert unter den Befragten des öffentlichen Sektors sowie NPO’s eine Ablehnung der Aussagen, die die Fähigkeit der IT-Funktion, die Innovationen auch zu realisieren, überprüfen (Rol. 4 und Rol. 6). So gaben die meisten Befragten jeweils eine schwache Ablehnung an (Rol. 4: 33,9 %; Rol. 6: 27,1 %), was auch die statistischen Werte zeigen (Rol. 4: Mittelwert = 3,01, Median = 4,0; Rol. 6: Mittelwert 3,08, Median = 4,0). Zusammenfassend zeigt sich, dass die IT-Funktion in den betrachteten Organisationen häufig eine eher technisch geprägte Rolle einnimmt und eher standardisierte Anwendungen für die Arbeitsabläufe in den Organisationen bereitstellt. Die Befragten sahen mehrheitlich eine hohe Bedeutung von Innovationen in Prozessen, Produkten und Dienstleistungen für das Erreichen der Organisationsziele, ließen jedoch gleichzeitig erkennen, dass in vielen Fällen der IT-Funktion nicht die nötige Kompetenz zugesprochen wird, diese Innovationen auch realisieren zu können. Dabei fiel auf, dass Befragte, die der IT-Funktion selbst angehörig sind, eine positivere Innovationsbereitschaft attestierten. Auch konnte festgestellt werden, dass im Vergleich zu den Antworten aller Befragten eine stärkere Ablehnung solcher Fähigkeiten, Innovationen zu realisieren, innerhalb des öffentlichen Sektors und NPO’s bestehe.
4.4.3
Deskriptive Statistik zur Dimension „strategische Einbindung“
Wie bereits in Abschnitt 4.3.3 dargelegt, soll im Rahmen der zweiten Fragebogendimension die gegenwärtige strategische Einbindung der IT in die Gesamtorganisation in zwei Kategorien betrachtet werden. Zum einen werden die Geschäftsstrategie und zum anderen die IT-Strategie differenziert betrachtet. Die relativen Häufigkeiten der ausgewählten Ausprägungen der Likert-Skalen können nachfolgender Abb. 4.3 entnommen werden:
142
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
Balken jeweils von links nach rechts: stimme voll und ganz zu, stimme eher zu, weder noch, stimme eher nicht zu, stimme gar nicht zu Strat. 1
Die der Geschäftsstrategie zugrunde liegenden Inhalte sind mir bekannt.
Strat. 2
Die Digitalisierung führt in unserer Branche zu verändertem Nachfrageverhalten (z.B. nach digitalen Produkteigenschaften), auf das die Organisation reagieren muss. Die Geschäftsstrategie wurde oder wird zukünftig an Veränderungen der Digitalisierung angepasst. Die der IT-Strategie zugrunde liegenden Inhalte sind mir bekannt. Die IT-Strategie wurde oder wird zukünftig an Veränderungen der Digitalisierung angepasst
Strat. 3 Strat. 4 Strat. 5
Abb. 4.3 Häufigkeiten der Angaben zur Dimension „strategische Einbindung“ in %
Die weiteren statistischen Werte, die die Verteilungen der Antworten aller Befragten näher beschreiben, können der nachfolgenden Tab. 4.5 entnommen werden. Tab. 4.5 Ergebnisse der Dimension „strategische Einbindung“ Code
N
Mittelwert
Median
Varianz
S.D.
Schiefe
Wölbung
Strat.1
220
2,17
2,00
1,228
1,108
,862
–,030
Strat.2
219
1,92
2,00
1,157
1,076
,962
–,018
Strat.3
219
2,20
2,00
,947
,973
,420
–,602
Strat.4
218
2,62
2,00
1,846
1,359
,464
–1,003
Strat.5
218
2,34
2,00
1,314
1,146
,579
–,443
4.4 Ergebnisse der Befragung
143
Die Überprüfungen der Aussagen zur Ausrichtung von Geschäfts- und ITStrategie lassen einige Auffälligkeiten erkennen. So kann aus der Befragung abgeleitet werden, dass die Geschäftsstrategie in den betrachteten Organisationen den Befragten zunächst besser bekannt ist als die IT-Strategie (Strat. 1 und Strat. 4). So gaben 41,14 % der Befragten an, dass sie „eher“ einer Bekanntheit der Geschäftsstrategie zustimmen und 31,01 % gaben an, dass sie einer Bekanntheit voll und ganz zustimmen. Nur rund 15 % der Befragten stimmten einer Bekanntheit eher nicht (10,76 %) und gar nicht (3,8 %) zu. Die Verteilung der Antworten bezüglich der Bekanntheit der Geschäftsstrategie verdeutlicht eine starke Verschiebung hin zu zustimmenden Einschätzungen, was die Werte der Schiefe (,862) und der Wölbung (–0,030) widerspiegeln. So liegt auch der Mittelwert bei 2,17 und auch der Median erfasst die Antwortmöglichkeit „stimme eher zu“ (2,0). Ein starker Einfluss der Digitalisierung auf die strategische Ausrichtung der Organisationen kann durch die Befragung insgesamt nachgewiesen werden (Strat. 2). So gaben die Befragten an, dass die Digitalisierung zu einem veränderten Nachfrageverhalten führt, sei es nach Produkten oder Dienstleistungen, auf das die Organisation reagieren muss, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben (46,2 % „stimme voll und ganz zu“ und 25,95 % „stimme eher zu“). Die starke Verschiebung der Verteilung hin zur vollen Zustimmung beschreiben auch die Werte Mittelwert (1,92) und Median (2,0). Eine recht spitze Verteilung, die zur Zustimmung geneigt und am Wert der vollen Zustimmung nach oben ausbricht, beschreibt eine positive Wölbung (,962) sowie eine leicht negative Schiefe (–,018). Die Aussage, dass die Geschäftsstrategie bereits an diese Veränderungen angepasst wurde oder noch wird (Strat. 3), erfuhr ebenfalls in vielen Fällen Zustimmung (26,58 % „voll und ganz“, 36,71 „stimme eher zu“). Die Verschiebung der Verteilung hin zur Zustimmung spiegeln auch Mittelwert (2,2), Median (2,0) und Schiefe (,420) wider. Es ist zu beachten, dass dennoch auch einige neutrale (25,32 %) und eher ablehnende Einschätzungen (10,13 %) verzeichnet wurden. Neben der bestätigten Bekanntheit der Geschäftsstrategie in den überwiegenden Fällen, konnte auch festgestellt werden, dass die IT-Strategie ebenfalls eine hohe Bekanntheit unter den Befragten aufweist (Strat. 4). Allerdings fiel diese Zustimmung deutlich geringer aus als bei der Geschäftsstrategie. Mittelwert (2,62), Median (2,0) und Schiefe (0,420) bestätigen die leicht zur Zustimmung verschobene Verteilung. Auffallend ist jedoch, dass auch ablehnende Einschätzungen bezüglich der Bekanntheit der IT-Strategie verzeichnet wurden, wovon einige deutlich im Bereich völliger Ablehnung lagen (13,29 %).
144
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
Die folgende zu überprüfende Aussage zielt darauf ab, herauszufinden, inwieweit die jeweiligen Organisationen in der Lage dazu sind, auch die IT-Strategie an veränderte Anforderungen der Digitalisierung anzupassen (Strat. 5). Die Antworten fielen hierbei sehr ähnlich zu den Einschätzungen bezüglich Anpassungen der Geschäftsstrategie aus, was sich in ähnlichen statistischen Werten zeigt. So liegt auch hier eine Verschiebung hin zur Zustimmung vor, was durch Mittelwert (2,34), Median (2,0) und Schiefe (,579) beschrieben werden kann. Varianz (1,314), Standardabweichung (1,146) und Wölbung (–,443) beschreiben auch hier eine eher gleichmäßige Verteilung um den Mittelwert mit entsprechender Neigung zur Zustimmung. Abschließend sollen auch innerhalb der strategischen Betrachtungsdimension kurz Filterungen der Befragten betrachtet sein. So stimmten die Befragten, die der IT-Funktion selbst zugehörig sind, der Bekanntheit, sowie einer Veränderung einer IT-Strategie deutlich häufiger zu, als es die Ergebnisse aller Befragten zeigen (Strat. 4: 41,30 % stimme voll und ganz zu, 34,70 % stimme eher zu; Strat. 5: 38,70 % stimme voll und ganz zu; 33,30 % stimme ehr zu). Dies ist nicht überraschend, zeigt jedoch auch hier eine gewisse Diskrepanz unterschiedlicher Wahrnehmungen von Angehörigen der IT-Funktion und der übrigen Fachbereiche. Die Filterung der Befragten in die Gruppe, die dem öffentlichen Sektor, sowie NPO´s zugehörig sind, offenbart die Auffälligkeit, dass eine IT-Strategie etwas weniger bekannt und dessen Veränderung etwas geringer eingeschätzt wird, als es in den Ergebnissen aller Befragter erkennbar ist (Strat 4: häufigste Antwort 27,30 % „stimme ehr zu“, gefolgt von 21,80 % „teils teils“; Mittelwert = 2,71; Strat. 5: häufigste Antwort 34,50 % „teils teils“, Mittelwert = 2,58, Median = 3,0). Zusammenfassend zeigt sich, dass Auswirkungen der Digitalisierung auf die strategische Ausrichtung der Organisationen, sei es auf Geschäfts- als auch IT-Strategie in den meisten Fällen durch die Befragten erkannt wurden. Die Geschäftsstrategie ist den Befragten dabei bekannter als die IT-Strategie. Allerdings wurden Veränderungen dieser Strategien zwar noch in beachtlicher Zahl angegeben, jedoch existieren dennoch viele Fälle, in denen diesen Veränderungen, insbesondere der IT-Strategien, nur in einem geringen Maße attestiert werden konnten.
4.4 Ergebnisse der Befragung
4.4.4
145
Deskriptive Statistik zur Dimension „operative Einbindung“
Die dritte Dimension dient der näheren Betrachtung der operativen Zusammenarbeit von Fachbereichen und IT-Funktion in den jeweiligen Organisationen (vgl. Abschnitt 4.3.4). Insbesondere die Kommunikation zwischen diesen Bereichen, sowie die Verteilung von Wissen sind Gegenstand der Betrachtung. Die relativen Häufigkeiten der ausgewählten Ausprägungen der Likert-Skalen kann der nachfolgenden Abb. 4.4 entnommen werden, eine genauere Beschreibung der Verteilungen findet sich analog zu den beiden anderen Dimensionen in untenstehender Tab. 4.6:
Balken jeweils von links nach rechts: stimme voll und ganz zu, stimme eher zu, weder noch, stimme eher nicht zu, stimme gar nicht zu Op. 1
Mit der Kommunikation zwischen IT-Bereich und anderen Organisationsbereichen bin in zufrieden
Op. 2 Op. 3
Mit den Arbeitsergebnissen des IT-Bereichs (Service, Leistung, Qualität) bin ich zufrieden. Mitglieder der IT-Bereiche verfügen über umfassendes Wissen über wertschöpfende Prozesse der Organisation. Mitglieder der primär wertschöpfenden Organisationsbereiche verfügen über umfassendes Wissen über Prozesse der IT-Bereiche.
Op. 4
Abb. 4.4 Häufigkeiten der Angaben zur Dimension „operative Einbindung“ in %
146
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
Die Verteilungen der Antworten aller Befragten, die in Abb. 4.4 dargestellt ist, lassen sich anhand der nachfolgend zusammengefassten statistischen Werte, nochmals genauer beschreiben. Tab. 4.6 Ergebnisse der Dimension „operative Einbindung“ Code
N
Mittelwert
Median
Op. 1
218
3,04
3,00
Varianz ,999
S.D. ,999
Schiefe
Wölbung
–,153
–,577
Op .2
217
2,77
3,00
1,154
Op .3
217
2,86
3,00
1,390
1,074
,074
–,746
1,179
–,009
Op. 4
217
3,68
4,00
,953
–,905
,976
–,763
,342
Bezogen auf die dritte Dimension lassen sich Besonderheiten durch die Befragung erkennen, die nachfolgend dargestellt sind. So lässt die Befragung erkennen, dass die Kommunikation zwischen Fachbereichen und IT-Funktion in den betrachteten Organisationen nicht zur Zufriedenheit der meisten Befragten stattfindet. Lediglich 6,33 % der Befragten stimmten voll und ganz der Aussage zu, sie seien mit der Kommunikation zufrieden. 23,42 % gaben an, eher zufrieden zu sein. Die häufigste gewählte Antwort stellt jedoch die neutrale Antwortmöglichkeit „teils teils“ dar, gefolgt von einer schwachen Ablehnung (Op. 1). Hieraus lässt sich schließen, dass die Kommunikation in vielen Fällen verbesserungswürdig ist und dann nicht die Ansprüche der jeweiligen Befragten erfüllt. Auch die Verteilung der Antworten spiegelt dies wider. So liegen der Mittelwert = 3,04 nah bei und der Median = 3,0 genau auf der neutralen Antwortmöglichkeit „teils teils“. Eine nur geringe Standardabweichung (=,999), sowie eine geringe Varianz (=,999), lassen eine recht gleichmäßige Verteilung um den Mittelwert erkennen. Die leichte Verschiebung der Verteilung hin zu ablehnenden Einschätzungen kann durch den Wert der Schiefe (=–,153) beschrieben werden. Die Wölbung beschreibt der Verteilung mit einem Wert von –,577 hier als flach und eher gleichmäßig gestreut. Neben der Kommunikation kann auch die Zufriedenheit mit den Leistungen der IT-Bereiche (Op. 2), nur in einem Teil der Fälle attestiert werden. Auch hier überwiegt die neutrale Antwort „teils teils“ (zugleich Median = 3,0) und eine schwache Zustimmung zur Zufriedenheit. Dennoch stimmen 22,78 % „eher nicht“ und 4,43 % „gar nicht“ einer Zufriedenheit mit den Ergebnissen der ITFunktion zu. Die Verteilung ist leicht in den Bereich der Zustimmung geneigt, was durch die Werte Mittelwert = 2,77 sowie einer positiven Schiefe von,074 beschrieben wird. Die Verteilung ist ebenfalls eher flach und gleichmäßig um
4.4 Ergebnisse der Befragung
147
den Mittelwert gestreut, was durch die negative Wölbung von –,746 beschrieben ist. Daraus lassen sich dennoch Verbesserungsmöglichkeiten in der Erfüllung von Anforderungen durch die IT-Bereiche erkennen. Zwar wird an dieser Stelle nicht weiter in unterschiedliche Leistungsarten differenziert, allerdings können Maßnahmen zur besseren Abstimmung zwischen den Seiten dennoch vorgeschlagen werden. Ergänzend soll an dieser Stelle eine Filterung der Befragten vorgenommen werden. Die Zufriedenheit mit der Kommunikation und den Ergebnissen der ITFunktion wird innerhalb von Organisationen des öffentlichen Sektors und NPO’s etwas geringer eingeschätzt als in den Antworten aller Befragten erkennbar. So gaben von den Befragten des öffentlichen Sektors und NPO’s 33,3 % der Befragten an, sie stimmten einer Zufriedenheit mit der Kommunikation „eher nicht zu“, gefolgt von der neutralen Antwortoption „teils teils“ mit 21,7 % der Antworten (Op. 1: Mittelwert = 3,36, Median = 4,0). Auch in Bezug auf die Einschätzung der Zufriedenheit mit den Leistungen der IT-Funktion fielen die Antworten unter den Angehörigen des öffentlichen Sektors vornehmlich neutral aus (% teils teils), gefolgt von % mit schwacher Ablehnung (Op. 2: Mittelwert = , Median = 3,0). Die Wissensverteilung zwischen den Bereichen innerhalb der betrachteten Organisationen stellt die zweite Kategorie dar und lässt einen deutlichen Trend erkennen. Demnach kann erkannt werden, dass in vielen Fällen die IT-Funktion nicht über umfassendes Wissen über die Prozesse der übrigen primär wertschöpfenden Fachbereiche verfügen (Op. 3). Zwar existiert eine hohe Anzahl an Fällen, in denen der IT-Funktion Wissen über die übrigen Prozesse zugesprochen werden kann (14,56 % „volle Zustimmung“ und 23,42 % „eher Zustimmung“), jedoch ist die Anzahl an neutralen Antworten (28,48 %) und ablehnenden Einschätzungen (24,68 % „eher nicht“ und 7,59 % „gar nicht“) beachtlich. Die nur sehr leichte Verschiebung hin zu einer Zustimmung eines umfangreich vorhandenen Wissens der IT über Business-Prozesse kann aus den statistischen Werten gelesen werden. Mit einem Mittelwert von 2,86 (Median bei 3,0) und einer Schiefe von –,009 kann die relativ flache Verteilung (Wölbung = –,905) beschrieben werden. Eine etwas höhere Varianz von 1,390 beschreibt das entsprechende Auftreten der unterschiedlichen Einschätzungen. Sehr deutlich fällt die Überprüfung der Aussage, die primär wertschöpfenden Fachbereiche verfügen über umfassendes Wissen über die Prozesse der IT-Funktion (Op. 4), aus. 48,73 % der Befragten gaben hier an, sie würden einer solchen Wissensverteilung „eher nicht“ zustimmen. Zweithäufigste Antwort stellt die neutrale Antwortoption „teils teils“ dar (20,89 %), gefolgt von voller Ablehnung (17,72 %). Lediglich ein geringer Teil der Befragten stimmte einer solchen Wissensverteilung zu (3,16 % „voll und ganz“, 9,49 % „eher“). Die statistischen
148
4
Implikationen für eine Neuausrichtung der IT-Funktion …
Werte beschreiben die deutlichen Auffälligkeiten in der Verteilung entsprechend. So kann die Verteilung als sehr spitz mit einem Ausbruch an der Antwortoption „stimme eher nicht zu“ beschrieben werden, was positive Wölbung (,342) und negative Schiefe (–,763) beschreiben. Der Mittelwert liegt mit 3,68 ebenfalls nahe bei dieser Antwortoption, der Median (4,0) erfasst diese sogar. Geringere Varianz (,953) und Standardabweichung (,976) lassen zudem erkennen, dass die übrigen Antworten um diesen Wert nur in einem geringeren Verhältnis auftraten. Auch im Rahmen der Betrachtung der Wissensverteilung soll eine differenzierte Betrachtung von Befragten, die zum einen der IT-Funktion und zum anderen den übrigen Fachbereichen angehörig sind, ergänzend gezeigt werden. Die Befragten der IT-Funktion gaben demnach an, dass sie selbst in vielen Fällen Wissen über die Abläufe der Fachbereiche besitzen (Op. 3: 33,8 % „stimme eher zu“, Mittelwert = 2,57). Demgegenüber schätzten die IT-Angehörigen in der Mehrheit „eher nicht“ einem hohen Maß an Wissen der Mitglieder der Fachbereiche über die Abläufe innerhalb der IT zu (Op. 4: 46,7 % „stimme eher nicht zu“, Mittelwert = 3,69). Umgekehrt schätzten die Befragten der übrigen Fachbereiche „eher nicht zu“, dass die Mitglieder der IT-Funktion über ein hohes Wissen über die Abläufe in den Fachbereichen verfügen (Op. 3: 34,10 % „stimme eher nicht zu“, Mittelwert = 3,22, Median = 4,0). Bezogen auf ihr eigenes Wissen über die Abläufe der IT-Funktion (Op. 4) gaben sie an, dass sie über dieses „eher nicht“ verfügen (50,6 %, Mittelwert = 3,65, Median = 4,0). Im Ergebnis zeigt sich eine deutliche Diskrepanz in der Wahrnehmung des Wissens der jeweils gegenüberstehenden Seiten „Business“ und „IT“ mit fast gegensätzlichen Einschätzungen. So gaben die IT-Angehörigen an, sie verfügen über umfassendes Wissen über die Abläufe der Fachbereiche, was wiederum von den Angehörigen der Fachbereiche nicht bestätigt wurde. Eine breitere und gleichmäßigere Wissensverteilung, sodass sich Fachbereiche und IT-Funktion gleichermaßen über die Abläufe und Besonderheiten der jeweils anderen Seite bewusst sind, kann eine Einbindung von Innovationen in Informations- und Kommunikationstechniken in Leistungen und Prozesse vereinfachen. Wissensbarrieren gilt es daher abzubauen. Der im Rahmen dieser Ausarbeitung entwickelte Integrationsansatz trägt dazu bei, einheitliches Wissen zu fördern, indem strukturelle Schnittstellen und Barrieren zwischen den Bereichen weitgehend aufgelöst und neu bedacht werden.
4.4 Ergebnisse der Befragung
4.4.5
149
Ausgewählte Korrelationen
Innerhalb dieses Abschnitts soll auf ausgewählte Korrelationen eingegangen werden, die im Rahmen der Befragung festgestellt werden konnten. Es ist zu beachten, dass an dieser Stelle aus Gründen der Vereinfachung nur wenige Auffälligkeiten Beachtung finden können. Eine umfassende Übersicht über die Korrelationskoeffizienten kann den Korrelationstabellen entnommen werden, die jeweils für die Dimensionen „Rolle der IT“, „strategische Einbindung“ und „operative Einbindung“ dargestellt sind. Auch beschränkt sich die Darstellung innerhalb dieses Abschnitts auf Korrelationen, die sich aus den Antworten der gesamten Stichprobe ergeben, d. h. es wird auf die Darstellung von Korrelationen innerhalb bestimmter gefilterter Gruppen von Befragten aus Gründen der Fokussierung verzichtet. Der Zusammenhang zwischen zwei Items soll anhand einer bivariaten Überprüfung erfolgen. Dabei wird durch die Korrelationskoeffizienten (r, Werte zwischen –1 und 1) angegeben, wie stark ein Zusammenhang zwischen zwei Items ausgeprägt ist und in welche Richtung dieser wirkt. So geben positive Korrelationskoeffizienten (>0) einen gleichsinnigen Zusammenhang an (z. B. hohe Zustimmung bei Item 1 geht mit hoher Zustimmung bei Item 2 einher). Negative Korrelationskoeffizienten (