Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag [1 ed.] 9783428521647, 9783428121649

Die Möglichkeit tarifvertraglicher Gestaltung der Betriebsverfassung eröffnet "der Tarifautonomie der Verbände ein

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German Pages 325 Year 2007

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Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag [1 ed.]
 9783428521647, 9783428121649

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 257

Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag Von Thorsten Schmiege

Duncker & Humblot · Berlin

THORSTEN SCHMIEGE

Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 257

Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag

Von

Thorsten Schmiege

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-12164-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde von der Juristischen Fakultät der Universität Regensburg im Wintersemester 2004/2005 als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis August 2005 berücksichtigt. Mein Dank gilt zunächst Herrn Prof. Dr. Reinhard Richardi für die Anregung der Arbeit und für die wissenschaftliche Begleitung. Herrn PD Dr. Georg Annuß danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Nicht unerwähnt sollen an dieser Stelle meine Kollegen im Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie bleiben. Insbesondere Herrn Regierungsrat Andreas Würth danke ich für seine Korrekturen am Manuskript und Herrn Regierungsrat Dr. Stephan Wagner für die redaktionellen Anregungen im Zusammenhang mit der Veröffentlichung. Ohne die finanzielle und sonstige Unterstützung meiner Eltern wäre es nicht zu dieser Arbeit gekommen. Für die großzügige Förderung aber auch für die Durchsicht des Manuskripts schulde ich Ihnen mehr als Dank. Meine erste und beste Kritikerin ist und bleibt meine Frau Antje. Ihre fachlichen Hinweise und Anregungen waren für das Gelingen der Arbeit ebenso wichtig wie ihr grenzenloses Verständnis und ihre Geduld, mit der sie mir in allen Phasen liebevoll zur Seite gestanden hat. München, im Oktober 2006

Thorsten Schmiege

Inhaltsverzeichnis Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Grundlage tarifautonomer Regelungsbefugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herkunft privater Normsetzungsbefugnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Delegationstheorien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsgeschäftliche Theorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Theorien von der originären Rechtsetzungsmacht. . . . . . . . . . . . . . . d) Geltungsbefehlslehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . f) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Bewertung der unterschiedlichen Erklärungsmodelle. . . . . . . . . . . . aa) Einwände gegen die Delegationstheorien . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Staatliches Rechtsnormsetzungsmonopol. . . . . . . . . . . . . . . (2) Unvereinbarkeit von Autonomie und Delegation . . . . . . . (a) Autonomie und Delegation als Begriffe. . . . . . . . . . . . (b) Erfordernis von Inhaltsbindung und Staatsaufsicht . . bb) Einwände gegen die rechtsgeschäftlichen Theorien . . . . . . . . . cc) Bewertung der Theorien von der originären Rechtsetzungsmacht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Geltungsbefehlslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Anerkennungsmonopol des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Geltungsbefehlslehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Mittelbare Grundrechtsbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tarifautonomie als Regelungsgrundlage für Normsetzungsbefugnisse a) Tarifautonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Regelungsgrundlage tarifautonomer Normsetzungsbefugnisse . . . . c) Zweck der Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sog. Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verhandlungsparität als Voraussetzung der Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Koalitionsfreiheit zur Erzielung von Verhandlungsparität (3) Relative Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ordnungsfunktion und Gesamtrepräsentation. . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundlage tarifautonomer Regelungen der Betriebsverfassung . . . . . . a) Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis b) Betriebsverfassung als Teil der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. . . . . . . . . . . . . bb) Funktionales Verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Begrenzung durch den Koalitionszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Bezug zum Arbeitsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Einordnung der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Persönlicher Umfang der Tarifautonomie in der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Postulat der Einheitlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erweiterte Autonomie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Umfang der Legitimation der Tarifvertragsparteien . . . . . . . . . (1) Legitimation gegenüber Mitgliedern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Legitimation und Richtigkeitsgewähr . . . . . . . . . . . . . . (b) Mitgliedschaftliche Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Legitimation gegenüber Außenseitern. . . . . . . . . . . . (3) Legitimatorische Rechtfertigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Betriebsverfassungsrechtliche Normsetzungsbefugnisse im TVG. . . . . a) §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 TVG als eigene Regelungsgrundlage. . . . . . b) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Funktion des TVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfassungsrechtliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhaltlich unbestimmte Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Legitimatorisches Defizit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verfassungskonforme Auslegung von § 3 Abs. 2 TVG . . . . . . e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung. . . . . . . . . . . 1. Verhältnis vom BetrVG zum TVG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tarifdispositivität des BetrVG. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eingriff des BetrVG in die Koalitionsbetätigungsfreiheit. . . . . . . . . . . . a) Konkurrierende Befugnisse als Beeinträchtigung der Tarifautonomie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtfertigung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sozialstaatsprinzip als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Ausgleich zwischen Koalitionsfreiheit und Sozialstaatsprinzip durch Einfluss der Tarifvertragsparteien auf die gesetzliche Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Mischcharakter von betriebsverfassungsrechtlichen Zulassungsnormen für eine tarifvertragliche Gestaltung der gesetzlichen Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis a) Abgrenzung von staatlichem Eingriff und gesetzlicher Ausgestaltung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen als Ausgestaltungsnorm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen als Delegationsnorm . d) Betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen als Normen mit Mischcharakter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Reform von § 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unternehmenseinheitlicher Betriebsrat (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) . . a) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Einbeziehung gemeinsamer Betriebe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einbeziehung von betriebsratslosen Betrieben. . . . . . . . . . . . . . cc) Aufteilung von Betrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zusammenfassung von Kleinstbetrieben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Einheitlicher Betriebsrat auf Unternehmensebene (Nr. 1a). . . . . . . c) Zusammenfassung von Betrieben (Nr. 1b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Erleichterte Betriebsratsbildung oder sachgerechte Interessenwahrnehmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Erleichterte Betriebsratsbildung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der sachgerechten Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen dienlich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnis beider Alternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verhältnis zwischen vereinbarter und gesetzlicher Struktur . . . . . . 2. Spartenbetriebsrat (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung des produkt- oder projektbezogenen Spartenbegriffs c) Spartenorganisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats . . . . . e) Verhältnis zwischen vereinbarter und gesetzlicher Struktur . . . . . . aa) Alternative oder komplementäre Vertretungsstruktur . . . . . . . . bb) Bildung eines Gesamtbetriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Sinnhaftigkeit der Norm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Organisationsstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirksame und zweckmäßige Interessenvertretung der Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Verhältnis von Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit . . . . . . (2) Auslegung von Wirksamkeit und Zweckmäßgkeit . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis (a) Wortlautauslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Norminterpretatorische Auslegung . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gleichordnungskonzern. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Beschränkung der Gestaltungsbefugnis auf die unterste Ebene . . . aa) Ziel der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Methodisches Vorgehen bei der Normauslegung . . . . . . . . . . . . cc) Grammatikalische Auslegung von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. dd) Systematische Auslegung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verhältnis zur gesetzlichen Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Kompetenz zur Zuständigkeitsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Arbeitsgemeinschaften (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit und Befugnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Demokratische“ Legitimation als Voraussetzung . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsstellung der Mitglieder einer Arbeitsgemeinschaft . . . . . . . . 5. Zusätzliche Arbeitnehmervertretungen (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) . . . a) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Existenz eines Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Erleichterung der Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Aufgaben und Rechtsstellung einer zusätzlichen Arbeitnehmervertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeiten und Befugnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Stimmrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Teilnahmerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Beratungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bestimmung der Mitglieder einer Vertretung . . . . . . . . . . . . . . . (1) Aufgabenbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Legitimation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Entscheidungsmaßstab. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Rechtsstellung der Mitglieder einer zusätzlichen Arbeitnehmervertretung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Unbestimmte Rechtsbegriffe und Wertungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bestimmte Rechtsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unbestimmte Rechtsbegriffe und Wertungsfragen . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sachgerechtigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG) . . . . . bb) Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit, § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. (1) Beurteilungsspielraum bezüglich des „Ob“ eines Tarifvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Beurteilungsspielraum bezüglich des „Wie“ des Tarifvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Zweckmäßigkeitsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Einzelfallentscheidung anhand eines Zweckmäßigkeitsmaßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105 106 107 108 108 109 109 111 113 113 115 115 117 119 119 119 119 120 122 122 122 123 124 124 124 125 126 127 127 128 128 129 129 130 130 131 131 132

Inhaltsverzeichnis

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(3) Wortlaut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Gesetzgeberisches Anliegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Tarifvertrag als Mittel zur freien Gestaltung . . . . . . . . . . . c) Ergebnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Fehlerfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anfechtungsmöglichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nichtigkeit der Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Zusammenfassende Bewertung der neuen Gestaltungsmöglichkeiten III. Tarifvorbehalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Betriebsvereinbarung (§ 3 Abs. 2 BetrVG). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gestaltungsbefugnis durch Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . b) Tarifvorbehalt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Normzweck. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Umfang des Tarifvorranges . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Tarifliche Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Arbeitsvertragliche Einbeziehungsabrede . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Allgemeinverbindlicherklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zweck der Allgemeinverbindlicherklärung . . . . . . . . . . . . . (2) Zweck des Tarifvorrangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Regelung durch Arbeitnehmerbeschluss (§ 3 Abs. 3 BetrVG). . . . . . . IV. Betriebsfiktion, § 3 Abs. 5 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. „Gesetzlicher Betriebsbegriff“ (§ 1 Abs. 1 BetrVG) . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Vertraglicher Betriebsbegriff“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Reichweite der Fiktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Tarifdispositivität. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Auswirkungen auf Gesamt- und Konzernbetriebsrat. . . . . . . . . . . . . . . . a) Ersetzung von Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarung nach § 3 BetrVG als Grundlage für Gesamtbetriebsrat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Abweichende Regelung auf Gesamt- bzw. Konzernbetriebsratsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Tarifrechtliche Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Parteien des Tarifvertrags/Tarifzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betrieblich-branchenmäßige Tarifzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Persönliche Tarifzuständigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kollisionsfälle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Tarifpluralität und Tarifkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Lösung der Tarifkonkurrenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erstreikbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Betriebsverfassung und Arbeitskampfverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitergehende Begründung eines Arbeitskampfverbotes . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis c) Herkunft der Regelungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorzeitige Beendigung der Amtszeit der Organisationsstruktur . . . . . . a) Neuabschluss eines Tarifvertrages nach § 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . b) Beendigung von Tarifverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Nachträgliches Entfallen der Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Beendigung des Amts des Betriebsrats. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Übergangsmandat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Bei Vereinbarung eines Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 BetrVG . . b) Bei Wegfall des Tarifvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Bei Betriebsänderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Betriebsspaltung (§ 21a Abs. 1 BetrVG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Betriebszusammenfassung (§ 21a Abs. 2 BetrVG) . . . . . . . . . . Rechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Firmentarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Gesamtrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einzelrechtsnachfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Kollektivrechtliche Weitergeltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Individualrechtliche Weitergeltung nach § 613a BGB . . . (3) EG-Richtlinie 2001/23/EG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verbandstarifverträge i. S. v. § 3 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Konstruktionen zur Einzelrechtsnachfolge bei Tarifverträgen. . . . . d) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Nachwirkung von Tarifverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachwirkung und Tarifvorbehalt in § 3 Abs. 2 und 3 BetrVG . . . b) Nachwirkung und gesetzliche Regelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kartellrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anwendbarkeit des GWB auf Tarifverträge nach § 3 BetrVG . . . b) Bewirken einer Wettbewerbsbeschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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C. § 3 Abs. 1 BetrVG als Legitimations- und Legitimitätsproblem . . . . . . . . I. § 3 Abs. 1 BetrVG als Delegation staatlicher Normsetzung . . . . . . . . . . . . 1. Rechtsnormcharakter von Tarifverträgen nach § 3 BetrVG. . . . . . . . . . a) Eingriffscharakter betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) § 3 BetrVG als relativer, unselbstständiger Eingriff? . . . . . . . . . . . . c) Lehre vom Betriebsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Grenzen der Delegation von Normsetzungsbefugnissen an Private . . . a) Verfassungsrechtliche Begrenzung der Delegation an Private (Art. 80 GG) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

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aa) Subjektbezogenes Delegationsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Legitimation delegierter Normsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Legitimationserfordernis bei staatlicher Normsetzung . . . . . . . (1) Funktion von Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Legitimationssubjekt. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Legitimationsgegenstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Demokratie als Ausgleich von Selbstbestimmung und Herrschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Instrumente staatsvermittelnder Legitimation . . . . . . . . . . . . . . cc) Richterliche Kontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Legitimationsniveau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsstaatsprinzip und Delegation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Elemente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Gewaltenteilungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Rechtssicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Verfassungsstaatlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Instrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Klare Zuständigkeitsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Einhaltung von Gesetz und Verfassungsmäßigkeit . . . . . (3) Gesetzesvorbehalt und Wesentlichkeitsvorbehalt . . . . . . . . d) Verhältnis Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verfassungsrechtliche Anforderungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Facharztbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bergmannsversorgungsschein-Beschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Subjektives Delegationsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnis von Delegation und inhaltlicher Verweisung . . . . . (1) Statische Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Dynamische Verweisung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Unzulässiger Verzicht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Allgemeinverbindlicherklärung als zulässige Außenseitererstreckung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Allgemeinverbindlicherklärungs-Beschluss. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Schlussfolgerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Legitimation und Legitimität delegierter Normsetzung durch Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kompensationslehre und Grundrechtskollision . . . . . . . . . . . . . . . . . II. § 3 BetrVG zwischen Koalitionsfreiheit, Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. § 3 BetrVG als betriebsverfassungsrechtlicher Delegationsakt . . . . . .

189 190 190 191 191 192 193 193 194 195 197 198 200 201 201 202 202 203 204 204 204 205 206 208 208 209 209 210 210 210 211 213 213 215 215 217 218 219

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Inhaltsverzeichnis a) § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG als „im Wesentlichen bestimmte“ Regelung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inkorporation der tarifvertraglichen Regelung durch § 3 Abs. 5 BetrVG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingriff in den Schutzbereich von Artt. 20 Abs. 1 und 2, Abs. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Staatliche Letztverantwortung durch Lenkungs- bzw. Kontrollinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Legitimationsdefizit der Tarifvertragsparteien gegenüber Außenseitern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Koalitionsbetätigungsfreiheit als Abwägungsposition . . . . . . . . . . . . b) Selbstbestimmung der Außenseiter als Gegenposition . . . . . . . . . . . c) Einseitiger Ausgleich zu Lasten von Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung als Problem der Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Koalitionsrechtliche Dimension des Außenseiterproblems . . . . . . . . . . . . . II. Schutzbereich der Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Art. 9 Abs. 3 GG als positives Individualgrundrecht . . . . . . . . . . . . . . . a) Umfassender Schutz des Vereinigungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Recht auf Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Individuelles Recht auf Teilhabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eingriff durch fremde Normsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Eingriff in die Freiheit der Mitgliedschaftsentscheidung . . . . . . . . . b) Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Art. 9 Abs. 3 GG als positives Kollektivgrundrecht . . . . . . . . . . . . . . . . a) Grundlage der kollektiven Koalitionsfreiheit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Kollektivrecht als „Annex der individuellen Koalitionsfreiheit“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Lehre von der institutionellen Garantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kollektive Koalitionsfreiheit als Institutsgarantie . . . . . . . . . . . dd) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. . . . . . . . . . . . . ee) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Elemente der Grundrechtsgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Bestandsgarantie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Betätigungsgarantie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Eingriff durch fremde Normsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundlage der negativen Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

219 220 222 222 223 223 224 225 225 228 229 230 230 231 231 232 232 232 233 233 234 235 236 236 236 237 237 238 239 239 240 241 241 242 242

Inhaltsverzeichnis a) Negative Koalitionsfreiheit als Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Schutz der negativen Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 GG . . . . c) Differenzierende Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Differenzierende Ansätze zur negativen Koalitionsfreiheit. . . . . . . b) Aufgabe der Kernbereichslehre durch das Bundesverfassungsgericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Inhalt der Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abwägungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Verhältnis zwischen Abwägungsformel und Kernbereichslehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) „Klarstellung“ der Kernbereichslehre. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Konsequenzen für die Bestimmung der Grenzen der negativen Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Negative Seite als Bestandteil von Freiheitsrechten . . . . . . . . . . . . . aa) Negativität und „status negativus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Negative Grundfreiheit als freiheitliche Form der Grundrechtsausübung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Legitimatorische Notwendigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Negative Koalitionsfreiheit als Ersatz eines Koalitionspluralismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Die legitimatorische Funktion der negativen Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der materielle Gehalt der negativen Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . a) Der materielle Gehalt in Rechtsprechung und Literatur . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Maßgeblichkeit der positiven für die negative Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Fernbleiberecht als Korrelat der Vereinigungsfreiheit . . . . . . cc) Freiheit vor fremder Koalitionsbetätigung . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Negative Koalitionsfreiheit der Andersorganisierten . . . . . . . . . . . . . . . 5. Die negative Dimension der Kollektivgewährleistung . . . . . . . . . . . . . . IV. § 3 BetrVG zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit . . . . . . . 1. Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit durch § 3 BetrVG . . . . . . 2. Rechtfertigung des Eingriffs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konkurrenz von negativer und positiver Koalitionsfreiheit . . . . . . b) Gleichrangigkeit von positiver und negativer Koalitionsfreiheit . . aa) Vorrang der positiven Koalitionsbetätigung . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gleichrang von positiver und negativer Koalitionsfreiheit . . . c) Schutzintensität der Koalitionsbetätigungsfreiheit in der Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Ausgleich von negativer und positiver Koalitionsfreiheit . . . . . . . .

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243 244 246 246 246 247 247 247 248 248 249 251 251 252 253 254 255 256 256 257 257 258 258 260 261 262 262 263 263 264 264 265 266 267

18

Inhaltsverzeichnis aa) Kompensationsmaxime . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kein unaufhebbarer Gegensatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Einseitiger Ausgleich zu Lasten der negativen Koalitionsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E. Alternative Formen tarifvertraglicher Befugnisse zur abweichenden Gestaltung der gesetzlichen Betriebsverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Einfach-gesetzliche Konkretisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Genehmigungserfordernis – § 3 BetrVG 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Grundsätzliche Möglichkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung. . . . 2. Allgemeinverbindlicherklärung auf Grundlage von § 5 TVG . . . . . . . . 3. Allgemeinverbindlicherklärung auf Grundlage des BetrVG . . . . . . . . . a) BetrVG als Grundlage für einen betriebsverfassungsrechtlichen Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) BetrVG auch als Grundlage für die Allgemeinverbindlicherklärung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

267 268 269 270 270 271 271 274 277 278 278 279 280 280

Gesetzestexte. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Entscheidungsregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. E. ABl. Abs. AcP a. F. AiB AK-GG Alt. AR ArbRdGgw Art./Artt. AT AuA AuR AVE BAG BayVwGH BB Bd. BetrVG BetrVRG BGB BGBl. BGH BK BR BR-Drucks. BSG BT-Drucks. BVerfG BVerwG bzw. d.h.

anderer Ansicht am Ende Amtsblatt Absatz Archiv für die civilistische Praxis (Zeitschrift) alte Fassung Arbeitsrecht im Betrieb (Zeitschrift) Alternativkommentar zum Grundgesetz (Hrsg.: u. a. Bäumlin) Alternative Arbeitsrecht Arbeitsrecht der Gegenwart (Zeitschrift) Artikel Allgemeiner Teil Arbeit und Arbeitsrecht (Zeitschrift) Arbeit und Recht (Zeitschrift) Allgemeinverbindlicherklärung Bundesarbeitsgericht Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Betriebs-Berater (Zeitschrift für Recht und Wirtschaft) Band Betriebsverfassungsgesetz Betriebsverfassungsreformgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bonner Kommentar (Hrsg.: u. a. Dolzer) Bürgerliches Recht Bundesrats-Drucksache Bundessozialgericht Bundestags-Drucksache Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht beziehungsweise das heißt

20 DAG ders. DGB dies. Diss. DJT D/K/K D/M/P/S DÖV Drucks. DVBl. DZWir E EBRG EG e. V. Einl. EKrG etc. EzA f. FAZ ff. FFG

Fn. FS GewO GG ggf. GK-BetrVG GWB Habil. HdbStR HdbVfR h. M. Hrsg. H/S/G

Abkürzungsverzeichnis Deutsche Angestellten Gewerkschaft derselbe Deutscher Gewerkschaftsbund dieselbe Dissertation Deutscher Juristentag Däubler/Kittner/Klebe (Kommentar) Dietricht/Müller-Glöge/Preis/Schaub (Kommentar) Die öffentliche Verwaltung (Zeitschrift) Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt (Zeitschrift) Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Entscheidungssammlung Gesetz über Europäische Betriebsräte vom 28. Oktober 1996 (BGBl. I 1996, 1548, 2022) Europäische Gemeinschaft eingetragener Verein Einleitung Eisenbahnkreuzungsgesetz et cetera Entscheidungssammlung zum Arbeitsrecht folgende Frankfurter Allgemeine Zeitung folgende Gesetz zur Förderung von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundesverwaltung und den Gerichten des Bundes Fußnote Festschrift Gewerbeordnung Grundgesetz gegebenenfalls Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz (Hrsg.: u. a. Fabricius) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Habilitation Handbuch des Staatsrechts Handbuch des Verfassungsrechts (Hrsg.: Benda) herrschende Meinung Herausgeber Hess/Schlochauer/Glaubitz (Kommentar)

Abkürzungsverzeichnis H/S/W/G i. d. R. i. S. v. i. V. m. JÖR LAG LG m. w. N. M/D/H/S M/K/S MünchArbR MüKo n. F. n. Folg. Nr./Nrn. NZA OLG RdA RegE RG Rn. S. s. SAE Sp. SprAuG st. Rspr. StR S/W/S SZ TVG TVO TVR UA u. a. Uni VerwArch VerwR vgl. VO

21

Hess/Schlochauer/Worzalla/Glaubitz (Kommentar) in der Regel im Sinne von in Verbindung mit Jahrbuch des öffentlichen Rechts (Zeitschrift) Landesarbeitsgericht Landgericht mit weiteren Nachweisen Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Kommentar) v. Mangoldt/Klein/Starck (Kommentar) Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht (Hrsg.: Richardi) Münchener Kommentar (Hrsg.: Rebmann u. a.) neue Fassung neue Folge Nummer/Nummern Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht Oberlandesgericht Recht der Arbeit (Zeitschrift) Regierungsentwurf Reichsgericht Randnummer Seite siehe Sammlung arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) Spalte Sprecherausschussgesetz ständige Rechtsprechung Staatsrecht Stege/Weinspach/Schiefer (Kommentar) Süddeutsche Zeitung Tarifvertragsgesetz Tarifvertragsverordnung Tarifvertragsrecht Unterabsatz unter anderem Universität Verwaltungsarchiv (Zeitschrift für Verwaltungslehre, Verwaltungsrechtund Verwaltungspolitik) Verwaltungsrecht vergleiche Verordnung

22 v. v. VVDStRL VwVfG WRV z. B. z. T. ZAS ZAS Öst ZfA zit. ZTR

Abkürzungsverzeichnis vice versa Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtler Verwaltungsverfahrensgesetz Weimarer Reichsverfassung zum Beispiel zum Teil Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Österreich Zeitschrift für Arbeitsrecht zitiert Zeitschrift für Tarif-, Arbeits- und Sozialrecht des öffentlichen Dienstes

Einleitung und Gang der Untersuchung Die Möglichkeit tarifvertraglicher Gestaltung der Betriebsverfassung eröffnet „der Tarifautonomie der Verbände ein bedeutsames Feld für fruchtbare Arbeit“.1 Diesen formulierten Gedanken aus der Zeit vor Schaffung einer gesetzlichen Regelung der Betriebsverfassung hat der Gesetzgeber wohl wieder beleben wollen, als er das Betriebsverfassungsgesetz, das in den vorhergehenden drei Jahrzehnten im Wesentlichen unverändert geblieben war, einer grundlegenden Reform unterzogen hat, die den Tarifvertragsparteien wieder stärkere Regelungsspielräume auf dem Gebiet der Betriebsverfassung einräumt. Die (verfassungs-)rechtliche Problematik der Möglichkeit, betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag zu schaffen, dreht sich vor allem um den Widerspruch, den es bedeutet, dass mitgliedschaftlich organisierte (und legitimierte) Gewerkschaften Tarifverträge abschließen, die sich im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung zwangsläufig für die Gesamtbelegschaft auswirken, unabhängig von deren Mitgliedschaft in der vertragsschließenden Koalition. Dieses als Legitimationsdefizit2 überschriebene Problem erweist sich als Diskussionsfeld, das „auf den ersten Blick einleuchtend zu beschreiben und zu begreifen ist (Tarifverträge mit Wirkung für Nichtverbandsmitglieder), (sich aber) anhaltend einer allgemeinen Meinungsbildung zu entziehen vermag.“3 Nicht nur die hoch umstrittenen rechtlichen Grundlagen, sondern auch die Unschärfe des Begriffes der „Legitimation“4 machen ein näheres Eingehen auf die strukturellen Erfordernisse bei der (tarifvertraglichen) Normsetzung erforderlich. Die entscheidende Frage lautet zunächst, auf welcher Grundlage tarifvertragliche Regelungen der Betriebsverfassung erfolgen. In Kapitel A werden daher allgemein die rechtlichen Grundlagen betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag untersucht. Ausgehend von den unterschiedlichen Erklärungsmodellen über die Herkunft tarifautonomer Regelungs- und Normsetzungsbefugnisse (A.I.1.) ist die Tarifautonomie unter Berücksichtigung des Koalitionszwecks als Regelungsgrundlage für Norm1 2 3 4

Nipperdey, RdA 1949, 81, 86. Picker, RdA 2001, 257, 288; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 12. Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 565 (Ergänzungen des Verfassers). So auch: Giesen, Normsetzung, S. 186 f.

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Einleitung und Gang der Untersuchung

setzungsbefugnisse näher zu bestimmen (A.I.2.). Danach wird untersucht, in welchem Umfang betriebsverfassungsrechtliche Fragen allgemein grundrechtlichen Schutz im Rahmen der Tarifautonomie genießen (A.I.3.) und welche Bedeutung dabei der Ausgestaltung der tarifvertraglichen Regelungsbefugnisse im TVG auch im Verhältnis zu den Außenseitern zukommt (A.I.4.). Von den Befugnissen, auf tarifautonomer Grundlage eine Ordnung auf betrieblicher Ebene zu schaffen, lassen sich die tarifvertraglichen Gestaltungsbefugnisse im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung unterscheiden, da sie schon rein formal nicht auf Art. 9 Abs. 3 GG, sondern unmittelbar auf dem BetrVG beruhen. Die Begründung entsprechender Zulassungsnormen muss insbesondere das Verhältnis von Tarifautonomie und Zwangsrepräsentation im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung, aber auch das zwischen BetrVG und TVG klären (A.II.). Während Kapitel A noch die betriebsverfassungsrechtlichen Gestaltungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien allgemein und losgelöst von der konkreten Ausgestaltung im BetrVG behandelt, wendet sich Kapitel B unmittelbar § 3 BetrVG zu, der nach der Reform des BetrVG im Jahr 2001 die zentrale Zulassungsnorm tarifvertraglicher Normsetzungsbefugnisse darstellt (vgl. B.I.). Es beginnt mit einer kurzen Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten von § 3 Abs. 1 BetrVG (B.II.) auch unter dem Aspekt, wie es dem Gesetzgeber gelungen ist, die entgegengerichteten Wertungskriterien „Entscheidungsnähe“ und „Belegschaftsnähe“ bzw. Flexibilität und Rechtssicherheit angemessen in Ausgleich zu bringen. Es schließt sich eine Erläuterung des neu vorgesehenen Tarifvorranges in § 3 Abs. 2 und 3 BetrVG (B.III.) sowie der Betriebsfiktion in § 3 Abs. 5 BetrVG (B.IV.) an. Die bereits bei § 3 BetrVG 1972 aufgetretenen und im Rahmen der Reform weiter verschärften tarifrechtlichen Probleme werden anschließend thematisiert (B.V.). In § 3 Abs. 2 BetrVG 1972 waren tarifvertragliche Gestaltungsbefugnisse der Betriebsverfassungsorganisation an ein Genehmigungserfordernis als Kontrollinstrument einer repressiven Staatsaufsicht geknüpft. Mit dem Wegfall des Genehmigungserfordernisses in § 3 BetrVG n. F. fehlt es an dieser staatlichen Mitwirkung. In der damit verbundenen Verschärfung des Legitimationsproblems liegt die besondere verfassungsrechtliche Problematik von § 3 BetrVG 2001, der sich Kapitel C widmet. Legitimation und Legitimität sind dabei typische Normsetzungsprobleme, deren Lösung in einem größeren Kontext zu finden ist. Tarifautonome Regelungen sind Teil der allgemeinen Rechtsordnung und der Tarifvertrag ist ein Gestaltungsmittel, auf das die Strukturprinzipien (privater) Normsetzung anzuwenden sind.5 Es handelt sich also um eine Fragestellung, die nicht auf das Tarif- oder Betriebsverfassungsrecht beschränkt werden kann, sondern die immer dann 5

Vgl. auch: Kirchhof, Private Rechtssetzung, S. 1 ff.

Einleitung und Gang der Untersuchung

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auftaucht, wenn die Rechtfertigung der Ausübung von Herrschaft durch Private in Frage steht. Eine Auseinandersetzung mit dem sog. Legitimationsproblem ist nur möglich, wenn man sich mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben bei delegierten Normsetzungsbefugnissen beschäftigt, wie sie aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip resultieren (C.I.). Aus den (staatsrechtlichen) Grundlagen und der Funktion von Legitimation und Legitimität bei der Normsetzung (C.I.2) werden dann die verfassungsrechtlichen Anforderungen im Einzelnen abgeleitet (C.I.3.). Anhand der gewonnenen Erkenntnisse wird § 3 BetrVG auf seine verfassungsrechtliche Zulässigkeit hin geprüft (C.II.). Während in Kapitel C das Legitimationsdefizit von § 3 BetrVG als Normsetzungsproblem vor dem Hintergrund von Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip untersucht wird, geht es in Kapitel D um die koalitionsrechtliche Dimension des Außenseiterproblems (D.I.). Auf Grundlage von Art. 9 Abs. 3 GG als positivem Individual- und Kollektivgrundrecht (D.II.) wird der materielle Gehalt der negativen Koalitionsfreiheit entwickelt (D.III.). Basierend auf diesen Ergebnissen wird schließlich die Vereinbarkeit von § 3 BetrVG mit Art. 9 Abs. 3 GG geprüft (D.IV.). Schließlich wird in Kapitel E anhand der entwickelten verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag ein Ausblick gewagt, bei dem alternative Vereinbarungsformen auf ihre verfassungsrechtliche Vereinbarkeit hin untersucht werden.

A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag I. Grundlage tarifautonomer Regelungsbefugnisse 1. Herkunft privater Normsetzungsbefugnisse Für das Problem, ob und in welchem Umfang (private) Koalitionen betriebsverfassungsrechtliche Regelungen mit normativer Wirkung treffen können, wie es sonst dem Staat vorbehalten ist, stellen Ursprung und Rechtsgrundlage der privaten Normsetzungsbefugnisse eine entscheidende Frage dar. Gerade die Bestimmung, innerhalb welcher Grenzen tarifautonome Normen zulässig sind, ist im Gesamtzusammenhang mit anderen Bereichen privater Normsetzung zu sehen.1 a) Delegationstheorien2 Eine Mehrheit in der Literatur geht davon aus, dass private Normen nur auf Grund einer staatlichen Delegation zur Rechtsetzung entstehen. Zum Teil3 wird verteten, dass der Staat im Wege einer gesetzgeberischen Ermächtigung einen Teil seiner Regelungsbefugnis an die Tarifparteien abtrete. Die Rechtsetzung behalte so ihren öffentlich-rechtlichen Charakter, auch wenn sie auf private Personen und Verbände übertragen werde. Andere Vertreter4 beschränken die „Abspaltung“ der Regelungsbefugnis von der staatlichen Hoheitsgewalt auf die materielle Gesetzesqualität des Tarif1

Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 133 ff., 181 ff. Nach Adomeit (Rechtsquellenfragen, S. 155; ders., RdA 1967, 297, 303) auch sog. delega(ta)risches Modell. 3 Sog. öffentlich-rechtliche Delegationstheorien: Hertwig, RdA 1985, 282, 286; Hinz, Tarifhoheit, S. 106 f.; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. II, S. 431 ff.; Krüger, NJW 1956, 1217, 1220; Meissinger, RdA 1956, 401, 403; Mennacher, Hoheitsträger des Privatrechts, S. 69 ff.; Nikisch AR Bd. II, S. 43 ff., 216 ff., 237; Peters/Ossenbühl, Übertragung, S. 13 ff.; Reuss, AuR 1963, 1, 7; Terrahe, Beleihung, S. 110; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 73 ff.; Westecker, Rechtsnatur, S. 156. 4 Sog. privatrechtliche Delegationstheorien: Gamillscheg, AR Bd. I, S. 557 ff.; Hueck/Nipperdey Bd. II/1, S. 339 ff.; Peters/Ossenbühl, Übertragung, S. 13 ff.; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 74; ders., ZfA 1994, 1 ff., 4; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 102 ff. 2

I. Grundlage tarifautonomer Regelungsbefugnisse

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vertrages. Dieser sei daher nicht mehr dem öffentlichen Recht zuzuordnen.5 Die Anhänger dieser privatrechtlichen Delegationstheorien erklären die geringeren rechtsstaatlichen Anforderungen an die Ausübung der delegierten Regelungsbefugnisse mit einem Wechsel der Rechtsnatur der ausgeübten Regelungsbefugnis. So liege es allein im Ermessen des Staates, Träger, Art und Form der delegierten Rechtsetzungsbefugnis zu bestimmen.6 b) Rechtsgeschäftliche Theorien7 Die rechtsgeschäftlichen Theorien wählen als Ansatzpunkt den Unterwerfungswillen des Tarifgebundenen. Teilweise wird der Tarifvertrag als Ergebnis einer kollektiven Vertragschließung gedeutet.8 Der einzelne Arbeitnehmer übertrage der Gewerkschaft die Befugnis, für ihn den Tarifvertrag abzuschließen. Dieser wirke dann unmittelbar auf jedes einzelne Arbeitsverhältnis, weil es dem Willen der Beteiligten entspreche.9 Ein anderer Ansatz arbeitet direkt mit zivilrechtlichen Vertretungskonstruktionen10: Die Arbeitgeberverbände würden aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Bevollmächtigung für den Arbeitgeber tätig, der Arbeitnehmer dagegen verliere durch eine Art unwiderruflicher, verdrängender Vollmacht für die Dauer seiner Gewerkschaftszugehörigkeit partiell seine Vertragsfreiheit. Der Arbeitgeber werde damit direkt Partei des Tarifvertrages. Auf der anderen Seite begebe sich der Arbeitnehmer in eine auf dem Sozialstaat beruhende „soziale Vormundschaft“, die einem abweichenden Willen des Vertretenen keinen Raum lasse. Insofern stelle diese „soziale Vormundschaft“ eine Zwischenform zwischen gesetzlicher und gewillkürter Vertretung dar, da sie einerseits auf dem Willen des Vertretenen beruhe, andererseits zu einer partiellen Entmündigung führe. Die Legitimation liege in der durch das Sozialstaatsprinzip vollzogenen Anerkennung der sozialen Aufgabe und Verantwortung der Koalitionen.11 Angedacht wird auch, die bindende Wirkung des Tarifvertrages damit zu erklären, dass der Tarifgebundene sich mit dem Koalitionsbeitritt einer Leistungsbestimmungsbefugnis durch die Tarifvertragsparteien nach § 317 BGB unterwirft.12 Mit dem Koalitionsbeitritt könne ohne die 5

BAGE 4, 133, 138. Hueck/Nipperdey Bd. II/1, S. 347 Fn. 35. 7 Nach Adomeit (Rechtsquellenfragen, S. 155; ders., RdA 1967, 297, 302) auch sog. mandatarisches Modell. 8 Lotmar, Arbeitsvertrag Bd. I, S. 756. 9 Jacobi, Grundlehren des Arbeitsrechts, S. 277. 10 Ramm, Die Parteien des Tarifvertrags, S. 88 ff.; ders., JZ 1962, 78 ff. 11 Ramm, Die Parteien des Tarifvertrags, S. 89. 12 Bötticher (Gestaltungsrecht, S. 18 ff., 24 ff.): sog. Rechtsnorm kraft eigenen Rechts. 6

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

Zustimmung der beiden Tarifvertragsparteien nicht von deren Rechtsgestaltung abgewichen werden. Der Tarifvertrag hätte so einen rechtsgeschäftlichen Charakter. c) Theorien von der originären Rechtsetzungsmacht13 Dem Problem normativer Rechtsquellen nicht staatlichen Ursprungs wird auch mit der Erklärung als Rechtsetzung kraft eigenen Rechts begegnet: Nach den genossenschaftlichen Rechtstheorien kann Gesetzgeber nicht nur der Staat sein, sondern jede organisierte Genossenschaft. Träger der autonomen Rechtsetzungsgewalt14 seien die Parteien des Tarifvertrages, die sich zu einer Tarifgemeinschaft im Sinne einer „kollektiven Einheit der Verbundenen“ zusammengeschlossen und organisiert hätten. Nach der Theorie der gesellschaftlichen Normsetzung beruht die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien nicht auf einem staatlichen Regelungsauftrag, sondern ist aus der staatlichen Anerkennung eines vorgefundenen sozialen Handlungssystems abzuleiten.15 Schließlich wird die Rechtsetzungsbefugnis auch unmittelbar aus der Verfassung hergeleitet. Nicht § 1 TVG, sondern Art. 9 Abs. 3 GG begründe die Fähigkeit zur Normsetzung als negative Kompetenzregel zu Lasten des Staates.16 Eine Delegation setze schon begrifflich voraus, dass der Staat die Gesetzgebungsgewalt in dem delegierten Bereich noch besitze.17 Nach dem allgemein geteilten Verständnis von Art. 9 Abs. 3 GG ist die Normsetzungsbefugnis der Tarifparteien in ihrem Kernbereich dem Staat aber gerade entzogen. Mit der Schaffung eines Tarifvertragssystems erfülle der Gesetzgeber daher lediglich seine verfassungsrechtliche Verpflichtung.18 Zwar sei es Sache des Gesetzgebers, die Befugnisse der Koalitionen auszugestalten. § 1 TVG regele aber keine Normsetzungsbefugnis, sondern konkretisiere nur die verfassungsrechtlich gewährleistete, grundsätzliche Zuständigkeit der Tarifparteien. Die Tarifautonomie sei also als Regelungsbefugnis unter dem Vorbehalt näherer Ausgestaltung durch den Gesetzgeber zu verstehen.19 13

Adomeit (Rechtsquellenfragen, S. 155): sog. Modell der Autonomie. v. Gierke, Privatrecht, S. 604 f.; sog. Autonomietheorie (Richardi in: MünchArbR § 234 RdNr. 11); vgl. a.: Molitor, TVO, Einl. C. S. 12 f. 15 Reuter, ZfA 1978, 1, 16. 16 Sog. Integrationstheorie: Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 102, 104; Däubler, TVR, Rn. 19; Galperin in: FS für Molitor, S. 143, 156; Herschel in: FS für Bogs, S. 125, 130; Singer, ZfA, 1995, 611, 619; Schnorr, JR 1966, 327, 329 f.; Söllner, AuR 1966, 257, 260 f.; Waltermann, Rechtsetzung durch Betriebsvereinbarung, S. 123; Weber, Koalitionsfreiheit, S. 24. 17 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 102; Gamillscheg, AR Bd. I, S. 668. 18 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 104. 19 Schnorr, JR 1966, 327, 330. 14

I. Grundlage tarifautonomer Regelungsbefugnisse

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d) Geltungsbefehlslehre Ausgehend von einer originären Rechtsetzungsmacht entsteht nach der Geltungsbefehlslehre privates Recht zweigleisig.20 Zunächst werde eine gesellschaftliche Regelung geschaffen, die entweder auf einer originär-autonomen oder einer derivativ-delegierten Regelungszuständigkeit beruhe. Mit dem staatlichen Geltungsbefehl erkenne der Gesetzgeber diese Regelung dann in distanzierter Form und ohne Rücksicht auf den Einzelfall mit einem allgemeinen Geltungsbefehl als Teil der Rechtsordnung an, d.h. er stattet die Norm mit dem entsprechenden Rechtscharakter aus. e) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich kein eindeutiges Votum für die eine oder andere Deutungsweise entnehmen.21 Manchen Entscheidungen scheint die Vorstellung eines delegatarischen Modells zugrunde zu liegen. So spricht das Bundesverfassungsgericht davon, dass den Koalitionen durch Art. 9 Abs. 3 GG die Aufgabe zugewiesen sei, den von staatlicher Rechtsetzung frei gelassenen Raum durch unabdingbare Gesamtvereinbarungen sinnvoll zu ordnen.22 Der Staat habe im Rahmen des Art. 9 Abs. 3 GG seine Rechtsetzungszuständigkeit zurückgenommen und die Ausgestaltung der Rechtsordnung in weitem Maße den Tarifvertragsparteien überlassen.23 Diese Formulierungen implizieren, dass die Rechtsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien durch den Tarifvertrag auf eine gesetzgeberische Entscheidung bzw. einen Übertragungsakt zurückzuführen ist.24 Auf der anderen Seite formuliert das Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle, dass die Tarifvertragsparteien eine „aus Art. 9 Abs. 3 GG abgeleitete Normsetzungsbefugnis“25 hätten. Die historische Entwicklung habe dazu geführt, dass solche Vereinbarungen in Gestalt geschützter Tarifverträge mit Normativcharakter und Unabdingbarkeit geschlossen werden könnten.26 Die Verwirklichung der von der Verfassung intendierten Ordnung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen erfolge durch autonome Rechtsnormen.27 Diese 20

Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 139 f. A. A. wohl: Meik, Kernbereich der Tarifautonomie, S. 29. 22 BVerfGE 4, 96, 106 f.; E 18, 18, 26, 28; E 20, 312, 317; E 28, 295, 304; E 38, 281, 306. 23 BVerfGE 64, 215. 24 Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rn. 25. 25 BVerfGE 55, 7, 23. 26 BVerfGE 4, 96, 106. 21

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

seien „Rechtsregeln („normative Bestandteile des Tarifvertrages“) kraft Anerkennung durch die staatliche Gewalt, vorbehaltlich ihrer hier nicht weiter interessierenden Begrenzung durch die staatlichen Gesetze“.28 In diesen Äußerungen wird teilweise ein Votum für die Integrationstheorie im oben dargestellten Sinne gesehen.29 Dafür spricht auch die Aussage des Bundesverfassungsgerichts, dass Art. 9 Abs. 3 GG den Tarifvertragsparteien in seinem Anwendungsbereich ein Normsetzungsrecht verleihe.30 Insgesamt lässt sich der Rechtsprechung nur ein klares Bekenntnis gegen die rechtsgeschäftlichen Theorien entnehmen. So verlasse der Tarifvertrag das Gebiet des privaten Arbeitsrechts und äußere als unabdingbarer Kollektivvertrag normative Wirkung.31 Normsetzung durch die Tarifparteien ist Gesetzgebung im materiellen Sinne, die Normen im rechtstechnischen Sinne erzeugt.32 f) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts Im Gegensatz zum Bundesverfassungsgericht hat das Bundesarbeitsgericht in der Vergangenheit eindeutig Stellung zugunsten der privatrechtlichen Delegationstheorien bezogen, nicht zuletzt auch, um damit die unmittelbare Bindung der Tarifvertragsparteien an die Grundrechte gemäß Art. 1 Abs. 3 GG zu erklären.33 Das Bundesarbeitsgericht geht dabei in Übereinstimmung mit dem Bundesverfassungsgericht davon aus, dass es sich bei der normativen Wirkung des Tarifvertrages um Gesetzgebung nur im materiellen Sinn handele34, auf die allerdings Art. 1 Abs. 3 GG anzuwenden sei. Die Tarifvertragsparteien würden ihre Autonomie zur Rechtsetzung aus der ausdrücklichen Übertragung im TVG ableiten, ohne die es die normative Wirkung nicht gebe. Die Tarifautonomie gehe damit auf die hoheitliche Gewalt zurück.35 Trotzdem legt sich das Bundesarbeitsgericht auch auf den privatrechtlichen Charakter des Tarifvertrages fest.36 27

BVerfGE 28, 295, 305. BVerfGE 34, 307, 317; vgl. a. BVerfGE 44, 322, 346. 29 Stern, StR, S. 1277; Starck in: M/K/S, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 221. 30 BVerfGE 94, 268, 284. 31 BVerfGE 4, 96, 108. 32 So insbesondere: BVerfGE 44, 322, 341; ähnlich: E 4, 96, 106; E 18, 18, 26; E 28, 295, 304 f. 33 BAGE 1, 258, 262 ff.; E 4, 133, 140; E 4, 240, 250; E 20, 175, 225; E 59, 217, 221. 34 BAGE 1, 258, 262 ff.; E 20, 175, 225. 35 BAGE 1, 258, 264. 36 BAGE 4, 133, 138. 28

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g) Bewertung der unterschiedlichen Erklärungsmodelle

#aa) Einwände gegen die Delegationstheorien Als besonderer Vorzug der Delegationstheorien wird es gewertet, dass die Rechtswirkungen des Tarifvertrages gegenüber Organisierten und „Außenseitern“ einheitlich erklärt werden können.37 Die Vertreter der Delegationstheorien mit den unterschiedlichen Nuancierungen gehen alle von der gleichen Prämisse aus: Die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien ist auf eine staatliche Delegation zurückzuführen. Die zwingende Ableitung privater Regelungsbefugnisse aus einer staatlichen Ermächtigung begegnet indes staatsrechtlichen Bedenken. (1) Staatliches Rechtsnormsetzungsmonopol Gegen die Zulässigkeit originär privater Rechtsetzungsbefugnisse wird häufig eingewandt, dass die normative Wirkung des Tarifvertrages mit dem Rechtsetzungsmonopol des Staates unvereinbar sei.38 In einem souveränen Staat obliege ausschließlich diesem die verbindliche Rechtsetzung.39 Erfolge diese durch Dritte, könne dies nur auf derivativen Befugnissen beruhen.40 Zutreffend ist, dass – das Bestehen eines staatlichen Rechtsetzungsmonopols unterstellt – es sich dann auch bei der tarifautonomen Rechtsetzung um staatliche Rechtsetzung handeln müsste, die zwangsläufig vom Staat abgeleitet wäre.41 Tatsächlich ist aber ein solches staatliches Rechtsetzungsmonopol keineswegs „grundsätzlich unumstritten“.42 Zunächst erweist sich bereits der Begriff „Rechtsetzungsmonopol“ als ungenau, da die Rechtsetzung als Vorgang zur Schaffung von Rechtsakten mit verbindlichen Rechtsfolgen alle Quellen umfasst, die Teil der Rechtsordnung sein können. Somit wäre auch der Vertrag als zentrale Rechtsquelle des Zivilrechts von dem staatlichen Rechtsetzungsmonopol mitumfasst – ein offensichtlich „realitätsfremdes Postulat“.43 Aber selbst wenn man diese individuellen, 37

Bötticher, Gestaltungsrecht, S. 22 f. Lieb, Allgemeinverbindlicherklärung, S. 46 ff., 57 ff. 39 Für die Annahme eines staatlichen Rechtsetzungsmonopol: Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 55 ff., 82 ff.; Lieb, Allgemeinverbindlicherklärung, S. 46 ff., 57 ff.; May, Bindung von Außenseitern, S. 37 f.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 32 ff. 40 Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 87. 41 Ebenso: Waltermann, Rechtsetzung, S. 122. 42 So aber: Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 92 Rn. 154. 38

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typischerweise privatautonomen Rechtsquellen ausscheidet und das Rechtsetzungsmonopol des Staates auf die Erzeugung von Rechtsnormen beschränkt (also ein staatliches Rechtsnormsetzungsmonopol44), so bleibt der Nachweis darüber unerbracht, woraus zwingend zu folgern ist, dass der Staat ein Monopol auf die Normsetzung besitzt, auch bzw. insbesondere im Verhältnis zu den Tarifvertragsparteien.45 Die These vom staatlichen Normsetzungsmonopol wird bereits dadurch erschüttert, dass beispielsweise mit dem Gewohnheitsrecht Rechtsquellen mit anerkannter Normsatzqualität existieren, bei denen sich „sowohl Übung als auch Rechtsüberzeugung ausschließlich im privaten Bereich und ohne Beteiligung staatlicher Stellen bilden können“46. Vor allem aber weist Kirchhof zutreffend nach, dass weder aus dem Demokratiegebot noch aus dem Grundsatz der Menschenwürde oder aus ungeschriebenen Verfassungsgrundsätzen sich eine derartige Notwendigkeit ergibt.47 Zwar folgt aus der Souveränität als Wesensmerkmal des Staates48 die „Kompetenz des Staates zur Letztentscheidung“49, so dass sich jede verbindliche Normsetzung auf den Staat zurückführen lassen muss.50 Letztverbindliche Entscheidungsgewalt in diesem Sinne bedeutet allerdings nicht die Letztentscheidung bei jeder konkreten Regelung und damit die (behauptete) Ausschließlichkeit staatlicher Normsetzung, sondern setzt lediglich voraus, dass die staatliche gleichzeitig die höchste Rechtsordnung darstellt.51 Die Postulierung eines unabdingbaren Erfordernisses der höchsten Rechtsetzungsmacht52, das dem Staat die Herrschaft höchsten Ranges zuweist, ist gleichzeitig auch in der Lage, Bedenken auszuräumen, die gegen die Anerkennung originär autonomer Rechtsetzungsbefugnisse erhoben werden.53 Eine „Gefährdung der Grundkonstituanten der geltenden Ordnung“ durch sog. „intermediäre“ Autonomien zwischen Individuum und

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Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 108 f. Vgl. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 109. 45 Kritisch auch: Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1215. 46 Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 141; Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 54. 47 Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 112 ff.; Müller-Franken, Eingriffe, S. 126 ff.; Waltermann, Rechtsetzung, S. 122 f. 48 Biberacher sieht darin sogar eine „zivilisatorische Errungenschaft“: Betriebliche Rechtsetzungsmacht, S. 39. 49 Hillgruber, JZ 2002, 1072, 1073; ebenso: Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 117. 50 Zöllner, Rechtsnatur, S. 14. 51 Kelsen, Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. III, S. 278, 280; H. Krüger, Staatslehre, S. 852; Müller-Franken, Eingriffe, S. 124 ff. 52 A. Krüger, Souveränität, S. 1; Quaritsch, Souveränität, S. 255, 510. 53 Picker, NZA 2002, 761, 762 f. 44

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Staat ist erst dann zu befürchten, wenn der Staat den grundsätzlichen Vorrang gegenüber privaten Rechtsquellen aufgibt. (2) Unvereinbarkeit von Autonomie und Delegation (a) Autonomie und Delegation als Begriffe Ausgehend vom Wortsinn handelt es sich bei autonomen Rechtsakten wörtlich um „Selbstgesetze“.54 Allen Autonomiebereichen ist gemeinsam, dass sie „aus eigenem Recht“ bestehen.55 Alle Autonomiebereiche sind folglich dadurch gekennzeichnet, dass die Regelungsbefugnis auf eigener, originärer Grundlage beruht. Die Definition von Autonomie als selbstständiger, staatsunabhängiger Befugnis zur Selbstregelung der eigenen Angelegenheiten56 stellt demgegenüber eine zu weite Einschränkung dar. Dass der Autonomieträger bei der Ausübung seiner Befugnisse „selbstständig“ bzw. „staatsunabhängig“ agiert,57 ist Folge und nicht Definitionsbestandteil des Autonomiebegriffes: Indem der Staat einen Autonomiebereich anerkennt, beruhen Regelungen im Rahmen dieses Bereiches nicht mehr auf staatlicher Grundlage, sind also selbstständig. Der Staat gibt seine unmittelbare Einflussmöglichkeit auf, Regelungen erfolgen staatsunabhängig.58 Ausgehend vom lateinischen Ursprung59 des Begriffes ist unter Delegation im Sinne des öffentlichen Rechts der Rechtsakt zu verstehen, durch den der Inhaber einer staatlichen Zuständigkeit (der sog. Delegant60) ganz oder zum Teil auf ein anderes Subjekt (sog. Delegatar) übertragen wird.61 Es kommt zu einer Zuständigkeitsverschiebung (bestehend aus Ab- und Zuschiebung62), die auf einem Übertragungsakt desjenigen beruht, der an Zuständigkeit verliert. Eine Delegationsnorm ist somit konstitutiv, nicht dekla54 Vgl. Bakopoulos, Normsetzung, S. 28; Galperin in: FS für Molitor, S. 143; Waltermann, Rechtsetzung, S. 55. 55 Waltermann, Rechtsetzung, S. 55. 56 Waltermann, Rechtsetzung, S. 54 ff., 117. 57 Kluge, Etymologisches Wörterbuch, S. 51. 58 Privatautonomie als der wichtigste Bereich autonomer Regelungen bezieht die Rechtsgestaltung „aus eigenem Recht“ zusätzlich auf die privaten, d.h. eigenen Angelegenheiten des Individuums. 59 Der Begriff „Delegation“ entstammt dem lateinischen „delegare“ und bedeutet so viel wie „abgeben“, „abordnen“ oder auch „übertragen“; vgl. Köbler, Ethymologisches Wörterbuch, S. 77. 60 Vgl. Endemann, Delegation, S. 6. 61 Triepel, Delegation und Mandat, S. 23 mit ausführlicher Darstellung der rechtsgeschichtlichen Wurzeln. 62 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 203.

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ratorisch.63 Erforderlich ist zunächst, dass der Delegierende eine originäre Zuständigkeit besitzt.64 Bei der Delegation ist eine Kollision der Zuständigkeiten nicht denkbar, weil der Delegatar nicht neben, sondern für den Deleganten bzw. an dessen Stelle tätig wird.65 Trotzdem erfolgt die Ausübung der delegierten Zuständigkeit zur Erfüllung einer fremden Aufgabe.66 Dabei behält die übertragene Befugnis ihren Charakter und unterliegt den gleichen Bindungen.67 Die eigentliche Verantwortung muss daher beim Deleganten verbleiben, der sich dieser nicht durch Delegation entledigen darf.68 Die Rechtsgrundlage, auf der die Regelungsbefugnis letztlich beruht, bleibt unverändert. Ebenfalls zu berücksichtigen ist, dass eine Delegation sich nur auf eine Zuständigkeit bezieht, also lediglich eine neue subjektbezoge Zuordnung der Zuständigkeit auf den Delegatar erfolgt. Danach ist eine Delegation Grundlage einer rein derivativen Zuständigkeit und ist mit Autonomie bereits wegen deren originären Charakters unvereinbar. Aber selbst die Definition von Autonomie als selbstständiger, staatsunabhängiger Befugnis zur Selbstregelung der eigenen Angelegenheiten69 ist mit der Vorstellung einer Delegation unvereinbar. Die Ausübung einer delegierten staatlichen Zuständigkeit im eigenen Namen, aber in fremder Verantwortung kann und darf nicht selbstständig und schon gar nicht staatsunabhängig sein. (b) Erfordernis von Inhaltsbindung und Staatsaufsicht Bei der Delegation ergibt sich der Umfang der Rechtsmacht aus dem übertragenen Recht. Eine Entäußerung staatlicher Rechtsetzungsmacht an Private darf aber nur inhaltlich begrenzt und zweckgebunden erfolgen.70 Dem Staat ist es verwehrt, sich seinen Bindungen durch eine „Flucht in 63 Triepel, Delegation und Mandat, S. 56; ebenso: Baumann, Delegation, S. 37; BAGE 1, 258, 264. 64 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 104. 65 Baumann, Delegation, S. 37. 66 Schwarze, Betriebsrat, S. 288. 67 Letzteres stellt vor allem das BAG (E 1, 258, 264) als notwendige Folge staatlicher Delegation explizit fest. Ebenso: BAGE 4, 240, 251 f.; Küchenhoff in: FS für Nipperdey Bd. II, 317, 340 f.; Eine Delegation unterscheidet sich von einem Mandat folglich durch die Aufgabenerfüllung in eigenem Namen. 68 Diese aus der Definition von Delegation als reine Zuständigkeitsübertragung zu entnehmende Folgerung ergibt sich für die Delegation staatlicher Regelungszuständigkeiten ebenfalls aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfGE 9, 268, 282; E 33 125, 158; eingehend: C.I.2. 69 Waltermann, Rechtsetzung, S. 54 ff., 117. 70 Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 173.

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die Delegation“ zu begeben und sich so seiner Verantwortung zu entziehen. Gleichzeitig verpflichtet die Überlassung hoheitlicher Befugnisse an Dritte, die Gesetzmäßigkeit und Zweckmäßigkeit durch Kontrolle sicherzustellen. Auch ist die Ausübung von delegierter Staatsgewalt an bestimmte, feststehende Ordnungsprinzipien gebunden.71 Daraus wird – teilweise unter Hinweis auf Art. 80 GG – das unabdingbare Erfordernis einer Staatsaufsicht bzw. einer wie immer gearteten Kontrolle als notwendiges Korrelat der Delegation abgeleitet.72 Dem Staat ist es nur im Rahmen einer umfassenden Aufsicht möglich, die Verantwortung für den Inhalt von Normen zu übernehmen, die er selbst nicht geschaffen hat. Eine Delegation setzt also voraus, dass die Ausübung der entsprechenden Zuständigkeiten inhaltlich gebunden ist und einer umfassenden Kontrolle unterliegt. Dem Unterwerfungswillen der Normgebundenen kommt nach den Delegationstheorien über die Funktion eines Merkmals hinaus keine selbstständige Bedeutung für die Geltung der Rechtsnormen zu.73 Sinn und Zweck von Autonomiebereichen ist es aber gerade, den Autonomieträgern die eigenverantwortliche Regelung der eigenen Angelegenheiten zu ermöglichen, um den Abstand zwischen Normgeber und -adressat zu verringern.74 Auch soll die inhaltliche Verantwortung auf den unmittelbar Betroffenen verlagert werden, um die Entscheidung, was „richtig“ oder „vernünftig“ ist, der Selbstbestimmung des Einzelnen zu überlassen und um sich dadurch einer Inhaltskontrolle weitgehend zu enthalten. Denn die „unmittelbar Betroffenen können am besten wissen und aushandeln, was ihren beiderseitigen und gemeinsamen Interessen entspricht“75. Autonome Repräsentation und Delegation sind also völlig unabhängig voneinander.76 „Delegierte Autonomie“ ist ein Widerspruch in sich77, da fremdverantwortliche Delegationsbefugnisse nicht zugleich eigenverantwortlich ausgeübt werden können. Die für autonome Regelungen erforderliche inhaltliche Freiheit und Entbindung von staatlichen Zwecken ist unver71

Wagenitz, Personelle Grenzen, S. 38. Richardi, Kollektivgewalt, S. 148; Wagenitz, Personelle Grenzen, S. 39; Zöllner, RdA 1964, 443, 446. 73 Kritisch: Bauer, Rechtsstellung, S. 81; Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 38, 52; Richardi, Kollektivgewalt, S. 144 ff.; ders., MünchArbR, § 241 RdNr. 10; Waltermann, Rechtsetzung, S. 115 ff.; A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 44, 66 ff.; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 28 f. 74 BVerfGE 33, 125, 156 f. 75 BVerfGE 34, 307, 317; zur sog. „Richtigkeitsgewähr“: A.I.2.c)aa). 76 Triepel, Delegation und Mandat, S. 129. 77 Kreutz, Grenzen der Betriebsautonomie, S. 77 ff., 98; Waltermann, Rechtsetzung, S. 128. 72

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einbar mit den rechtsstaatlichen Grenzen für die Verleihung und Ausübung staatlicher Rechtsetzungsgewalt.78 bb) Einwände gegen die rechtsgeschäftlichen Theorien Die insbesondere auf die Tarifautonomie zugeschnittenen rechtgeschäftlichen Theorien versuchen die normative Wirkung als privatautonome Handlungsform herzuleiten. Mit dem Verständnis der Tarifautonomie als rechtsgeschäftliche Gestaltungsbefugnis wird die Zerlegung des Tarifvertrages in einen schuldrechtlichen und einen normativen Teil überflüssig. Gemeinsam ist aber allen rechtsgeschäftlichen Theorien, dass sie sich nur unzureichend mit der zwingenden und vor allem unmittelbaren Wirkung des Tarifvertrages (§ 4 Abs. 1 TVG) und der grundsätzlichen Unabdingbarkeit79 entstandener tariflicher Rechte (§ 4 Abs. 4 TVG) auseinandersetzen. Alle Ansätze führen stets zu einer bloß mittelbaren Einwirkungsbefugnis auf das fremde Arbeitsverhältnis, ohne jedoch eine unmittelbare Regelungsbefugnis erklären zu können.80 Auch aus dem Erklärungsmodell der privatautonomen Leistungsbestimmung kann nur eine rechtsnormähnliche Tarifwirkung konstruiert werden.81 Zwar dient Koalitionsfreiheit und damit die Tarifautonomie der Verwirklichung von Selbstbestimmung82, tarifvertragliche Regelungen sind aber auch gegenüber den Mitgliedern ein Akt von Fremdbestimmung.83 cc) Bewertung der Theorien von der originären Rechtsetzungsmacht Gemeinsam ist den Delegationstheorien und rechtsgeschäftlichen Theorien, dass als Rechtsgrundlage für private Normsetzungsbefugnisse entweder nur die (delegierte) Staatsgewalt als Ausdruck von willensunabhängiger Fremdherrschaft oder nur Privatautonomie als Form unmittelbarer Selbstbestimmung in Betracht kommen. Beide Ansichten sind der Prämisse verhaftet, dass aus der Geltungswirkung zwingende Folgen auf den Geltungsgrund und umgekehrt zu ziehen sind84 und die Frage des Charakters von 78

BVerfGE 33, 125, 157 f. Zur uneinheitlichen Verwendung des Ausdruckes der Unabdingbarkeit: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 301. 80 Ebenso: Bauer, Rechtsstellung, S. 71; Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 31 f., 35; Lieb, AVE, S. 54; Schwarze, Betriebsrat, S. 79 f., 123. 81 Ebenso: Zöllner, RdA 1964, 443 f. Aus diesem Grund zieht sich selbst Bötticher für das geltende Recht auf die h. L. zurück, vgl. Gestaltungsrecht, S. 22. 82 Zum Koalitionszweck: B.I.2.c). 83 Löwisch, ZfA 1996, 293, 296, 300; Möstl, JZ 1999, 202, 203; Söllner, NZA 1996, 897, 901. 79

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Regelungsgrundlage und Gestaltungsmittel einheitlich zu beantworten ist.85 Während die Delegationstheorien aus dem Rechtsnormcharakter auf die staatliche Herkunft schließen, versuchen die Rechtsgeschäftstheorien, die normative Wirkung mit privatautonomen Instrumenten zu konstruieren. Es zeigt sich, dass private Normsetzung in diesem streng dualistischen System nicht erklärbar ist.86 Zutreffend an den originären Theorien ist, dass private Normsetzungsbefugnisse auf eine eigene, autonome und dem Grunde nach staatsunabhängige Regelungsgrundlage gestellt und Autonomie als Rechtsgrundlage „aus eigenem Recht“87 aufgefasst werden. In einer verfassungsmäßigen Grundordnung, die als Herrschaftsgrundlagen nur die individuelle Freiheit des Einzelnen oder den Willen des Volkes kennt88, beziehen die Autonomieträger ihre Regelungsbefugnis also aus der (grundrechtlichen) Freiheit ihrer Autonomieangehörigen, „sich zu betätigen, zu organisieren und gemeinsame Interessen oder Auffassungen zu vertreten und zur Geltung zu bringen“.89 Die Integrationstheorien eröffnen mit dieser differenzierten Betrachtung von Geltungsgrund und -art die Möglichkeit, die scheinbare Antimonie aufzulösen und private Rechtsnormen auf eigener Rechtsgrundlage zu schaffen. Allerdings bleibt auch nach den Integrationstheorien das Verhältnis zur staatlichen Rechtsetzungsmacht unklar.90 Eine Herleitung autonomer Befugnisse unmittelbar aus der Verfassung91 begegnet dem Einwand, dass die staatliche Souveränität in diesem Autonomiebereich in Frage gestellt wird.92 Auch wenn ein staatliches Normsetzungsmonopol weder verfassungsrechtlich noch im Hinblick auf die staatliche Souveränität geboten ist, erstreckt sich souveräne staatliche Herrschaft grundsätzlich auf alle Regelungsbereiche. Der souveräne Staat kann keine souveräne Rechtsordnung 84 Kritisch auch: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 40; vgl. a. Bauer, Rechtsstellung, S. 65; Nikisch AR II, S. 215; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1194 ff.; Zöllner, Rechtsnatur, S. 10. 85 Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 159. 86 Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 47 mit Beispielen; Wiethölter, Rechtswissenschaft, S. 295. 87 Waltermann, Rechtsetzung, S. 55; A.I.1.g)aa)(2)(a). 88 Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 9; ders., Der Staat Bd. 20, S. 161, 162. 89 Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 29, vgl. a. Zöllner, RdA 1962, 453, 459. 90 Ebenso: Müller-Franken, Eingriffe, S. 135 ff. 91 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 102 ff., 121 ff. 92 Picker, NZA 2002, 761, 762; Richardi, Arbeitsrecht als Teil freiheitlicher Ordnung, S. 254 f.

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„in sich“ sich dulden.93 Der Souverän hat lediglich die Möglichkeit, sich durch Anerkennung von Autonomiebereichen bei der Ausübung seiner Herrschaft zu beschränken. Autonome Regelungen können also nicht „aus sich selbst heraus“ einen Vorrang oder eine Konkurrenz zum staatlichen Herrschaftsanspruch beanspruchen. dd) Geltungsbefehlslehre (1) Anerkennungsmonopol des Staates Der Staat hat kein umfassendes94 Monopol – weder auf die Erzeugung von Rechtsquellen noch auf die von Rechtsnormen. Aus der Souveränität des Staates, aber auch der rechtsstaatlichen Verpflichtung zur Gewährleistung von Rechtssicherheit und -voraussehbarkeit resultiert indes das Monopol, unterschiedliche Rechtsquellen zu einer einheitlichen Rechtsordnung zusammenzufügen, insbesondere die formellen Grundbedingungen des gesamten Rechtssystems aufzustellen und nicht zuletzt auch das (Rang-)Verhältnis unterschiedlicher Rechtsquellen zueinander festzulegen.95 Damit eine Rechtsquelle Geltung als Teil der Rechtsordnung für sich beanspruchen kann, ist erforderlich, dass sie – in welcher Form und mit welchem Rang auch immer – durch den Staat anerkannt und ihre Durchsetzung garantiert wird.96 Dieses Erfordernis bezieht sich daher nicht nur auf Rechtsnormen, sondern allgemein auf jegliche Formen der Rechtsetzung – mithin auch auf alle privatautonomen und tarifautonomen Regelungsinstrumente.97 93 Biberacher, Betriebliche Rechtsetzungsmacht, S. 39 f.; Müller-Franken, Eingriffe, S. 135 ff., 139; Richardi, Kollektivgewalt, S. 44. Diese führt zu dem Erfordernis eines Anerkennungsmonopols, mit dem Rang und Stellung partikulärer Rechtsquellen in der Rechtsordnung staatlich bestimmt und die Souveränität gewahrt wird. 94 Zu vermeintlichen „sektoralen Monopolen“: Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 126 ff. 95 Waltermann, Rechtsetzung, S. 123 f.; sog. Zuordnungsentscheidung, vgl. Müller-Franken, Eingriff, S. 140. 96 Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 133; Müller-Franken, Eingriffe, S. 140 ff., Richardi, Kollektivgewalt, S. 44 f., 143; Zöllner, Rechtsnatur, S. 14. 97 Über dieses Anerkennungsmonopol hinaus noch ein umfassendes staatliches Aberkennungs- und Zugriffsrecht auf diese private Rechtsetzung zu konstuieren (sog. Rechtsaberkennungsmonopol, vgl. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 135), ist nicht notwendig. Die Aufgliederung in einen Anerkennungsvorgang und einen davon zu trennenden Aberkennungsvorgang erscheint konstruiert, ist aber auch rechtstechnisch nicht geboten. Der staatliche Zugriff auf den Inhalt privater Normen wird vielmehr bereits dadurch gewährleistet, dass die Anerkennung der Verbindlichkeit einer Rechtsquelle von bestimmten, z. B. inhaltlichen Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann (so auch: Richardi, Kollektivgewalt, S. 45 f.). So wird einem

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(2) Geltungsbefehlslehre Die Widersprüche, die daher auch den Integrationstheorien anhaften, lassen sich mit Hilfe der Geltungsbefehle auflösen. Nur mit Hilfe der Geltungsbefehlslehre gelingt es, die Rechtsordnung, die sowohl auf privaten als auch auf staatlichen Rechtsquellen beruht, in ein „einheitliches, gestuftes System, modellhaft und dogmatisch geschlossen“98 zusammenzufügen. Gerade bei der privaten Normsetzung stellt die staatliche Anerkennung die Brücke zwischen privatem Ursprung einer Rechtsnorm und dem souveränen Herrschaftsanspruch des Staates dar. (3) Mittelbare Grundrechtsbindung In diese Geltungsbefehlslehre fügt sich schließlich auch die Erklärung der Bindung von Privatrechtssubjekten an die Grundrechte ein: So betont das Bundesverfassungsgericht, dass sich die Grundrechte in erster Linie an den Staat richten.99 Eine unmittelbare verfassungsrechtliche Verpflichtung der Tarifvertragsparteien, die Freiheitsrechte der Normadressaten zu gewährleisten, würde zudem den freiheitlichen Charakter der tarifautonomen Normsetzung gefährden.100 In einem souveränen Staat ist es aber möglich, die Anerkennung einer partikulären Rechtsordnung von der Beachtung der Grundrechte abhängig zu machen.101 So trifft nach der Schutztheorie102 des Bundesverfassungsgerichts den Gesetzgeber aus dessen umfassender Bindung an die verfassungsrechtliche Grundordnung sogar die Pflicht, die Anerkennung partikulärer Rechtsordnungen unter die Bedingung der Achtung der Grundrechte zu stellen. Bei der Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen der Staat die Rechtsverbindlichkeit partikulärer Ordnungen anerkennen darf, ist der Gesetzgeber also nicht frei, sondern hat den Schutz der Grundrechte auch im Rahmen autonomer Normsetzung zu gewährleisten.103 Vertrag, der seinem Inhalt nach gegen die guten Sitten verstößt, durch seine „extunc“-Nichtigkeit von Anfang an die Anerkennung als Quelle der Rechtsordnung versagt, vgl. § 138 BGB. Ebenso bedarf ein Vertrag unter Umständen zu seiner staatlichen Anerkennung der Erfüllung bestimmter Formerfordernisse, vgl. § 313 BGB. Die Vorstellung, dass diese Normen als Wahrnehmung des staatlichen Aberkennungsrechtes zu verstehen sind, wirkt umständlich und konstruiert. 98 Vgl. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 159. 99 BVerfGE 7, 198 ff., 205; Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 87, 94 ff.; A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 106 ff. 100 Reuter, RdA 1994, 152, 156. 101 Richardi, Kollektivgewalt, S. 46. 102 Vgl. BVerfGE 39 1, 41 ff.; E 81, 242, 254; E 88, 203, 254. 103 Richardi, Kollektivgewalt, S. 46.

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Diese von der Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte gegen den Staat ausgehende Vorstellung ist aber gleichzeitig auch mit der vor allem in der Zivilrechtsprechung und Literatur verbreiteten sog. „mittelbaren Drittwirkung“ vereinbar. Danach wirken die Grundrechte auf die Beziehungen zwischen Privatrechtssubjekten nur mittelbar, indem über ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe grundrechtliche Wertungen in die Auslegung privatrechtlicher Normen einfließen.104 Der Staat garantiert über diese Rechtsbegriffe im Rahmen des jeweiligen Anerkennungsbefehls die rechtliche Verbindlichkeit nur für die Regelungen, die sich im Rahmen dieser Werteordnung halten.105 Trotz dieses unterschiedlichen Ansatzes sind auf Grundlage des Anerkennungsmodells beide Ansätze miteinander vereinbar.

2. Tarifautonomie als Regelungsgrundlage für Normsetzungsbefugnisse a) Tarifautonomie Die allgemeine Definition von Tarifautonomie als der „Befugnis der Arbeitgeber(-verbände) und Gewerkschaften, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder in kollektiven Verträgen mit zwingender Wirkung selbstständig und selbstverantwortlich zu regeln“106 enthält eine Beschränkung der tarifautonomen Betätigung auf die Schaffung von Verträgen mit zwingender Wirkung. Dies erweist sich insofern als problematisch, als die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG die Tarifautonomie ganz allgemein umfasst und nicht in der besonderen Ausprägung, die das Tarifvertragssystem im TVG erhalten hat.107 Art. 9 Abs. 3 GG verpflichtet den Staat, den Koalitionen einen von staatlicher Rechtsetzung freien Raum zu überlassen, um in eigener Verantwortung und im Wesentlichen ohne staatliche Einflussnahme die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens zu verwirklichen.108 Tarifautonomie ist daher weiter und allgemein zu definieren als die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Befugnis der Tarifvertragsparteien, die Arbeits- und 104 BAGE 3, 296, 301; Dürig, DÖV 1958, 194 ff.; Starck, JuS 1981, 237, 243 ff.; kritisch: Flume, AT Bd. II, S. 21 f. 105 Während das Bundesverfassungsgericht die Wirkung der Grundrechte also vor allem nach deren Schutzfunktion beurteilt und es letztendlich dem Gesetzgeber frei stellt, wie er dieser entspricht, betrachtet die herrschende Lehre diese vor allem nach ihrer Wirkungsweise. 106 Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 1. 107 BVerfGE 18, 18, 32; E 20, 312, 317; E 50, 290, 369; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, Rn. 204; a. A.: Eich in: FS für Weinspach, S. 17, 24. 108 BVerfGE 44, 322, 341.

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Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder auf eigener Regelungsgrundlage zu regeln.109 Die Wahl der Mittel, die die Koalitionen zur Erreichung dieses Zwecks für geeignet halten, überlässt ihnen Art. 9 Abs. 3 GG grundsätzlich selbst.110 Tarifvertragliche Regelungsbefugnisse stellen also nur einen – wenn auch den wesentlichsten – Teilbereich der Tarifautonomie dar.111 Um die Grundlagen dieser tarifautonomen Normsetzungsbefugnisse und deren Grenzen geht es im Folgenden. b) Regelungsgrundlage tarifautonomer Normsetzungsbefugnisse Auf Grundlage der vorzugswürdigen Geltungsbefehlslehre ist tarifautonome Normsetzung die auf originär autonomer Rechtsgrundlage beruhende, staatlich anerkannte Befugnis der Tarifvertragsparteien, Rechtsnormen mit normativer Wirkung für ihre Mitglieder zu schaffen. Die Tarifvertragsparteien als autonome Verbände beziehen ihre tarifautonome Normsetzungsbefugnis grundsätzlich aus der Freiheit der Einzelnen, sich zu organisieren und gemeinsame Interessen oder Auffassungen zu vertreten und zur Geltung zu bringen.112 Tarifautonomie ist damit eine Form der Selbstbestimmung in Freiheit und Gleichheit.113 Diese Freiheit der Tarifautonomie findet in Art. 9 Abs. 3 GG eine spezielle grundrechtliche Ausprägung. Die Freiheit des Einzelnen, sich zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu Vereinigungen zusammenzuschließen, wird ausdrücklich geschützt. Die Tarifautonomie i. S. v. Art. 9 Abs. 3 GG beruht auf dem Grundsatz der Selbstbestimmung.114 Die Koalitionsfreiheit des Einzelnen ist also außer dem Recht, sich mit anderen zusammenzuschließen, zugleich die verfassungsrechtlich geschützte Grundlage tarifautonomer Normsetzung. Art. 9 Abs. 3 GG enthält somit nicht „aus sich selbst heraus“ eine originäre, nicht-staatliche Herrschaftsgrundlage, sondern setzt diese voraus. Dies 109 Diese Definition von Tarifautonomie enthält einerseits eine Beschränkung auf die autonome Rechtsgrundlage und andererseits eine Beschränkung der möglichen Wirkungen auf die Rechtsverhältnisse ihrer Mitglieder. Ebenso wie das Rechtsgeschäft bei der Privatautonomie ist der Tarifvertrag als solcher nicht unmittelbarer Bestandteil der Definition. Daher kommen grundsätzlich auch andere Gestaltungsmittel zur Ausübung der autonomen Regelungsbefugnis in Betracht. 110 BVerfGE 50, 290, 367; E 92, 365, 393. 111 Meik, Tarifautonomie, S. 19. 112 Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 29. 113 Menzel, Legitimation, S. 54. 114 Koller, ZfA 1978, 45, 58 f.; vgl. a.: Däubler, TVR, Rn. 18; Picker in: Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, S. 879, 889 f.; Reuter, ZfA 1978, 1, 23 f.; Säcker, Gruppenautonomie, S. 330 f.; A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 61 f.

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bedeutet zugleich, dass tarifautonomen Regelungen kein grundgesetzlicher Vorrang gegenüber staatlichen Gesetzen zukommt.115 Vielmehr wird die allen autonomen Regelungsbefugnissen zugrunde liegende Freiheit im Fall der Koalitionsfreiheit besonders verfassungsrechtlich geschützt. Dieser besondere Schutz führt für den Bereich der Tarifautonomie zur Verpflichtung des Staates, diese Freiheit zur Selbstregelung vor Eingriffen zu schützen und sie näher auszugestalten.116 c) Zweck der Koalitionsfreiheit Zwischen Koalitionsfreiheit und tarifautonomer Regelungsbefugnis besteht folglich ein direkter Zusammenhang. Die objektiven und subjektiven Grenzen der Tarifautonomie resultieren aus der immanenten Funktionsgrenze des Koalitionszweckes.117 Vor den Grenzen der Tarifautonomie auf dem Gebiet der Betriebsverfassung sind daher zunächst die des Koalitionszweckes zu bestimmen. aa) Sog. Richtigkeitsgewähr Maßgebliche Herrschaftsgrundlage und zugleich Legitimationsgrund aller autonomen Normsetzungsbefugnisse ist die Selbstbestimmung des Einzelnen.118 Die Anerkennung entsprechender Befugnisse kann nur innerhalb der Grenzen dieser Herrschaftsgrundlage erfolgen. Denn die Selbstbestimmung des Einzelnen ist letztlich die Rechtfertigung für den staatlichen Gesetzgeber, Autonomiebefugnisse anzuerkennen und auf eine staatliche Regelung dieses Bereiches zu verzichten.119 So liegt (privat-)autonomen Bestimmungen der eigenen Angelegenheiten der Gedanke zugrunde, dass sie deshalb „richtig“ und „vernünftig“ sind, weil sie von der (beiderseitigen) Selbstbestimmung der Beteiligten getragen werden.120 Während der parlamentarische Gesetzgeber dem Volk gegenüber verantwortlich für den Inhalt staatlicher Normen ist, übernimmt bei autonomen Regelungen der Einzelne diese

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So aber: Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 178 ff. BVerfGE 4, 96, 104; E 92, 365, 393. 117 Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 299, 357; vgl. a. Picker, Tarifautonomie, S. 52 f.; Zöllner, DB 1989, 2121 f. 118 Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 9; ders., Der Staat 20, S. 161, 162; Menzel, Legitimation, S. 54; vgl. A.I.3.c)cc)(1). 119 Ganz abgesehen davon, dass der Staat mit dieser Aufgabe auch maßlos überfordert wäre; zur Ordnungsfunktion: A.I.2.c)bb). 120 BAGE 22, 144 ff.; Flume, Rechtsgeschäft, S. 8; Hensche in: FS für Nipperdey Bd. I, S. 509 ff.; Schmidt-Rimpler in: FS für Raiser, S. 3, 5 f. 116

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Verantwortung.121 Dies ist Voraussetzung und zugleich Inhalt der Richtigkeitsgewähr. (1) Verhandlungsparität als Voraussetzung der Richtigkeitsgewähr Bestandteil der Privatautonomie ist es, dass sich der Staat einer inhaltlichen Bewertung der getroffenen Vereinbarungen zwischen Privatrechtssubjekten weitgehend122 zu enthalten hat.123 Auf eine objektive Richtigkeit oder Gerechtigkeit kommt es grundsätzlich nicht an, es gilt die Vermutung eines gerechten Interessenausgleichs durch Kompromissfindung.124 Richtigerweise handelt es sich eigentlich nicht um eine „materielle Richtigkeitsgewähr“125, sondern um eine Richtigkeitschance.126 Außer der Rationalität bei der Entscheidung in eigenen Angelegenheiten setzt dies vor allem weitgehende Verhandlungsparität voraus.127 Die Vertragsfreiheit bedarf daher dort Korrekturen, wo dieses Kräftegleichgewicht der Marktteilnehmer gestört ist und ein sachgerechter Ausgleich der Interessen nicht zu erwarten ist. Das verpflichtet den Gesetzgeber, auf dem Gebiet der allgemeinen Vertragsfreiheit zu deren Sicherung ausgleichend in die Privatautonomie einzugreifen und damit zugleich zur Verwirklichung des grundgesetzlichen Sozialstaatsprinzips (Artt. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1 GG) beizutragen.128

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vgl. BVerfGE 64, 208, 215. Ausnahmen werden zugelassen, wenn eine Vereinbarung den Allgemeininteressen zuwiderzulaufen (Gesetzliches Verbot, vgl. § 134 BGB) oder eine Vertragspartei die andere in erkennbarer Weise zu übervorteilen droht (z. B. Verstoß gegen die guten Sinnen, § 138 BGB, AGB-Kontrolle). 123 Richardi, Kollektivgewalt, S. 43. 124 Käppler, NZA 1991, 745, 747. 125 Löwisch/Rieble, TVG, Grundl. Rn. 48; dies, TVG 1. Aufl., § 3 Rn. 115; Preis, ZIP 1989, 885, 886 f.; Schmidt-Rimpler, AcP 147, 130, 153 ff.; Zachert, AuR 1988, 245, 249 f. 126 Käppler, NZA 1991, 745, 747; Kempen/Zachert/Zilius, TVG, Grundlagen Rn. 88 f.; Kemper, Koalitionsfreiheit, S. 183 ff.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 37 ff.; Schmidt-Rimpler in: FS für Raiser, S. 3, 5 f.; Schüren, AuR 1988, 245, 246 ff.; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 220. 127 Kemper, Koalitionsfreiheit, S. 178 ff.; „Gleich- oder Gegengewichtsprinzip“: Wiedemann, TVG § 1 Rn. 216 m. w. N. 128 BVerfGE 81, 242, 254 f. Beispiele für derartige gesetzliche Eingriffe in die Privatautonomie sind Regelungen des Verbraucherschutzes oder zum sozialen Mietrecht; allgemein zum Zusammenhang vom Schutz der Selbstbestimmung durch Fremdbestimmung: Löwisch, ZfA 1996, 293 ff.; kritisch: Picker in: Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, S. 879, 928 ff. („Preisgabe der Individualautonomie“). 122

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(2) Koalitionsfreiheit zur Erzielung von Verhandlungsparität Diese Grundprinzipien der Vertragsfreiheit sind teilweise auch auf die Koalitionsfreiheit übertragbar. Insbesondere das Gleichgewichtsprinzip ist als geltendes Strukturprinzip des kollektiven Arbeitsrechts durch das Bundesverfassungsgericht129 und das Bundesarbeitsgericht130 anerkannt. So ist bereits Ende des 19. Jahrhunderts der Glaube an die „Selbstheilungskräfte“ des Marktes der Erkenntnis gewichen, dass jedenfalls auf dem Gebiet der abhängigen Arbeit Wettbewerb und formale Vertragsfreiheit allein nicht zur Gewährleistung einer Verhandlungsparität und zur Richtigkeitsgewähr des danach vertraglich Vereinbarten genügen.131 Diese auch als „Funktionsdefizite“ bezeichneten132 Besonderheiten des Arbeitsmarktes lassen sich auch heute noch vor allem an Faktoren wie Arbeitsplatzknappheit, Mobilitätshemmnissen, Informationsdefiziten und wirtschaftlicher Imparität von Arbeitnehmer und Arbeitgeber festmachen. Die zuletzt genannten Faktoren sind Folge der Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers im Rahmen des Arbeitsverhältnisses.133 Bei diesen greift die Koalitionsfreiheit regulierend ein. Der Gedanke, dass die eigenverantwortliche Regelung der Rechtsbeziehungen durch die unmittelbar Betroffenen i. d. R. zu den interessengerechtesten, da selbstbestimmten Ergebnissen führt, setzt sich allerdings auch auf dem Gebiet der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen fort.134 Der Ausgleich zwischen der wirtschaftlichen Überlegenheit des Arbeitgebers gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer erfordert jedoch eine Gegenmacht.135 Deren Bildung wird durch das in Art. 9 Abs. 3 GG garantierte Recht zur kollektiven Interessenwahrnehmung auf Arbeitnehmer-, aber auch auf Arbeitgeberseite geschützt. So ist die Tarifautonomie darauf angelegt, „die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer beim Abschluss von 129

BVerfGE 18, 18, 32; E 84, 212, 229; E 88 103, 107; E 92, 352, 393. BAGE 1, 291, 308 f.; E 2, 75, 77; E 14, 52, 56 f.; E 16, 117, 119 ff.; E 23, 292, 306 ff.; AP Nr. 6 zu Art. 9 GG Arbeitskampf. 131 Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 64 f.; eingehend: Richardi, RdA 1966, 241, 245; ders., Kollektivgewalt, S. 82 ff.; ders., AöR 93, 243, 268; Picker, Tarifautonomie, S. 21 ff.; ders. in: Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, S. 879, 880 ff.; LAG Hamm, NJW 2002, 1970, 1971; „unausweichliches Machtungleichgewicht“: Waltermann, Rechtsetzung, S. 126 ff. 132 Käppler, NZA 1991, 745, 747; vgl. a. Jahnke, Tarifautonomie, S. 119. 133 Richardi, AöR 93, 243, 268; Picker in: Gedächtnisschrift für Knobbe-Keuk, S. 879, 883 f. 134 Vgl. BVerfGE 34, 307, 317. 135 Richardi, Kollektivgewalt, S. 122. 130

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Arbeitsverträgen durch kollektives Handeln auszugleichen und damit ein annähernd gleichgewichtiges Aushandeln der Löhne und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen“.136 Zweck der Koalitionsfreiheit ist also, das Verhandlungsgleichgewicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber zur „Rechtsgestaltung auf der Grundlage autonomer Gegnerbezogenheit“ sicherzustellen.137 Die Tarifautonomie verfolgt somit den Zweck, den einzelnen Arbeitnehmer vor Missbrauch der Vormachtstellung des Arbeitgebers zu schützen138 und dient damit mittelbar der Verwirklichung privatautonomer Selbstbestimmung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts ohne selbst ein Teil der Privatautonomie zu sein.139 Durch die kollektive Regelung der Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen werden die Voraussetzungen geschaffen, dass jeder Einzelne eine mitbestimmte Regelung seiner Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen herbeiführen kann, die deshalb richtig ist, weil sie im Rahmen eines Interessenausgleichs nach dem Prinzip der Vertragsgerechtigkeit zustande gekommen ist, und nicht etwa weil sie objektiv angemessen oder zweckmäßig ist.140 Damit liegt auch der Tarifautonomie der Gedanke der Richtigkeitsgewähr zugrunde, und allein dieser rechtfertigt es, tarifvertragliche Regelungen einer weitgehenden staatlichen Inhaltskontrolle zu entziehen.141 (3) Relative Richtigkeitsgewähr Der Zusammenhang von Inhaltskontrolle und Richtigkeitschance zeigt sich auch in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.142 So ist die Richtigkeitschance einer Betriebsvereinbarung gegenüber der eines Tarif136 BVerfGE 84, 212, 229; Giesen, Rechtsgestaltung, S. 248 f. m. w. N. Inwiefern sich die Unterlegenheit des Arbeitnehmers als eine rechtstatsächliche Abhängigkeit, eine wirtschaftliche, soziale oder gar strukturelle Unterlegenheit darstellt, spielt an dieser Stelle keine Rolle und kann daher offengelassen werden. Zweifelnd: Richardi, Kollektivgewalt, S. 301 ff., 336 ff., ders., Arbeitsrecht als Teil freiheitlicher Ordnung, S. 254. 137 Bötticher, Waffengleichheit, S. 5; Knebel, Koalitionsfreiheit, S. 50 f.; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 246 Rn. 52. 138 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 75; Forsthoff, BB 1965, 381, 386; Hensche RdA 1971, 9, 15; Hensche, DB 1965, S. 32; Hueck/Nipperdey, AR Bd. II/1, S. 39 ff.; Nikisch, AR, Bd. II, S. 295; Radke, DB 1965, 1176; Schelb in: FS Nipperdey Bd. II, S. 579, 590; Scholz, ZfA 1990, 377, 382. 139 Zutreffend bezeichnet Däubler (Koalitionsfreiheit, S. 47 ff.) deshalb Art. 9 Abs. 3 GG auch als „Konkretisierung der Verfassungsentscheidung für Selbst- und Mitbestimmung“; ders.: Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 174 ff. 140 Richardi in: FS für Wißmann, 159, 167 f. 141 H.M.: BAG AP Nr. 32 zu § 620 BGB befristeter Arbeitsvertrag; BAGE 22, 144, 151 f.; E 23, 460, 464 ff.; Richardi in: Gedächtnisschrift für Dietz, S. 269; a. A.: Rüfner, RdA 1985, 193 ff.; einschränkend: Schlodder, Arbeitsvertrag, S. 209 f.

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vertrages deshalb geringer, weil die Betriebspartner nicht über die gleiche Unabhängigkeit und Verhandlungsmacht wie die Tarifvertragsparteien verfügen. Damit entscheidet die Stärke einer Verhandlungsposition beim Aushandeln einer Vereinbarung nicht nur über den Grad erzielbarer Richtigkeitsgewähr, sondern auch über den Umfang richterlicher Kontrolle. Die Richtigkeitschance wird insofern relativiert. bb) Ordnungsfunktion und Gesamtrepräsentation Indem jeder Tarifvertrag die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien des Arbeitsverhältnisses regelt, kommt ihm eine ordnende und zugleich befriedende143 Funktion zu. Der staatliche Gesetzgeber wäre überfordert, wenn er den gesamten gesellschaftlichen Bereich in allen Einzelheiten regeln müsste.144 Der Tarifvertrag ist unter den privatrechtlichen Gestaltungsmitteln um der Ordnung der Arbeitsverhältnisse willen privilegiert.145 Auch das Bundesverfassungsgericht hat verschiedentlich darauf hingewiesen, dass Sinn und Zweck der Tarifautonomie eine „sinnvolle Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens“146 sei. Dem wird teilweise ein Bekenntnis zur allgemeinen Ordnungsfunktion als maßgeblichem Zweck der Tarifautonomie entnommen.147 Die Tarifvertragsparteien sollten über die Repräsentation ih142

BAG AP Nr. 63 zu § 611 BGB Gratifikation (Gamillscheg); ähnlich auch Richardi (Betriebsverfassung und Privatautonomie, S. 13), der im Hinblick auf den individualrechtlichen Unterwerfungsakt die Tarifautonomie als dem Gedanken der Privatautonomie für näher stehend hält als die Betriebsautonomie. Unterstellt man, dass die Verhandlungsmacht des Betriebsrats tatsächlich geringer ist als die der Tarifvertragsparteien, wird man wohl der Tarifautonomie gegenüber der Betriebsautonomie einen generellen Vorrang zugestehen müssen; zutreffend: Richardi, Betriebsverfassung und Privatautonomie, S. 12 ff.; kritisch: Jahnke, Tarifautonomie S. 120 ff.; Zöllner, AcP Bd. 176, 221, 237 f. 143 Für eine Differenzierung zwischen Friedens- und Ordnungsfunktion: Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 27. 144 Ganter, Tarifvertragliche Regelung betrieblicher Fragen, S. 83; Herzog in: M/D/H/S GG, Art. 20 Rn. 58 f., 63. 145 Richardi, Kollektivgewalt, S. 179. 146 BVerfGE 4, 96, 107; E 18, 18, 27; E 20, 312, 317; E 50, 290, 371; noch angedeutet: E 58, 233, 248. 147 Badura, ArbRdGgw 15, S. 17, 19 ff.; Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 120 ff. 126; Galperin in: FS für Molitor, 143, 157; Gamillscheg, AR Bd. I, S. 474 f., 567 ff.; Ganter, Tarifvertragliche Regelung betrieblicher Fragen, S. 97 ff., 109 ff.; E. R. Huber, Wirtschaftverwaltungsrecht Bd. II, S. 369; Knebel, Koalitionsfreiheit, S. 121 f.; Meik, Tarifautonomie, S. 163 ff.; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 264; Schmidt-Eriksen, Tarifvertragliche Betriebsnormen, S. 150 f.; Siebert, Arbeitsverfassung, S. 82 ff., 85 f.; Stahlhacke, RdA 1959, 266, 267 f.; Wagenitz, Tarifmacht, S. 45 f.; Weyand, Tarifvertragliche Mitbestimmung, S. 92 f.; Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 13, 27 ff.

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rer Mitglieder hinaus mit der Verwirklichung einer autonomen Ordnung des Arbeitslebens mittels der Tarifautonomie den Staat von dessen Ordnungsaufgabe entlasten.148 Sie würden heute eine „gesetzgeberische“ Funktion im Arbeitsleben wahrnehmen, die auch mit dem Rechtsstaatsprinzip vereinbar sei.149 Diese gesellschaftsgerichtete kollektive Ausstrahlung des Art. 9 Abs. 3 GG finde ihre Rechtfertigung letztlich in einem sozialstaatlichen Grundrechtsverständnis.150 Die Koalitionen seien so zu „Mitträgern und Mitgestaltern der freiheitlichen demokratischen Gesellschaftsordnung“ geworden.151 Man könne auch von „verfassungsrechtlich anerkannten öffentlichen Verbänden“152 sprechen. Die Tarifpartner würden schon nichts vereinbaren, was den Arbeitnehmern schade, und sie hätten jedenfalls einen besseren Überblick als der „zufällig damit befasste Richter“.153 Dies entspreche zudem der Rechtswirklichkeit, da tarifliche Normen ohnehin für den Großteil der Außenseiter wirken.154 Diese Schlussfolgerungen erweisen sich aus mehreren Gründen als problematisch:155 Das auch aus dem Sozialstaatsprinzip resultierende Motiv, die Koalitionsfreiheit einem besonderen verfassungsrechtlichen Schutz zu unterstellen, ist kein unmittelbares Ziel der Koalitionsfreiheit selbst. Die (faktische) Ordnungsfunktion der tarifautonomen Betätigung stellt den Grund dafür dar, autonome Regelungsbereiche anzuerkennen, beschreibt also die (sozialen und politischen) Motive staatlichen Handelns.156 Die Einbeziehung einer Ordnungsfunktion in den Aufgabenbereich der Koalitionen würde diese aber zugleich zum Ziel tarifautonomen Handelns erheben.157 148 Gamillscheg, Differenzierung, S. 36 ff.; ders., Kollektives AR, S. 474 ff.; Müller, ArbRdGgw 17, 19, 25. 149 Leventis, Differenzierungsklauseln, S. 83, 85 ff.; vgl. a.: Gamillscheg, Differenzierung, S. 97. 150 Rüthers, RdA 1968, 161, 168; Wagenitz, Tarifmacht, S. 46. 151 Säcker, ZfA 1994, 1, 4. Insbesondere die Gewerkschaften, jedenfalls sofern sie unter dem Dach des Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vereint sind, verstehen sich „als Interessenvertreter der Arbeitnehmer, Schutzschild der Schwachen, Solidargemeinschaft über Standesgrenzen hinweg“ (vgl. FAZ vom 28. Mai 2002, S. 2; insofern unvollständig: SZ vom 28. Mai 2002, S. 6). 152 Lerche, Zentralfrage, S. 28 f. 153 Gamillscheg in: FS für Karl Molitor S. 133, 143; Zacher in: FS Berber, 549, 554; weitere Nachweise: Ganter, Tarifvertragliche Regelung betrieblicher Fragen, S. 87 Fn. 15; kritisch: Abeln, AuA 2004, 170 ff. 154 Gamillscheg, Differenzierung, S. 43 f.; Leventis, Differenzierungsklauseln, S. 79, 80; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 70; Wiedemann, RdA 1969, 321, 328. 155 Vgl. a.: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 199 ff.; Richardi, Arbeitsrecht als Teil freiheitlicher Ordnung, S. 256 ff. 156 Kemper, Koalitionsfreiheit S. 113. Nur aus diesem Grund wird das Sozialstaatsprinzip vom BVerfG (E 4, 96, 102; E 19, 303, 319) bei Art. 9 Abs. 3 GG zur Auslegung der Grenzen des Schutzbereiches herangezogen.

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Die Tarifvertragsparteien wären nicht mehr nur ihren Mitgliederinteressen verpflichtet, sondern wären auch der Ordnungsfunktion als einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben verpflichtet. Die Ausübung garantierter Freiheiten hat jedoch nicht staatlichen Zielen zu dienen, sondern ist davon gerade frei und unabhängig.158 Eine Bindung der Tarifautonomie an staatliche Zwecke würde die Koalitionsfreiheit vom Mitgliederwillen und so von ihrer autonomen Regelungsgrundlage lösen und damit den freiheitlichen Charakter in den Hintergrund treten lassen.159 Tatsächlich handelt es sich bei einer derartigen gemeinwohlorientierten Interpretation der Koalitionsfreiheit um eine Funktionsabweichung im System der Freiheitsgrundrechte, die sich weder mit dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 GG noch mit seiner Stellung im Grundrechtskatalog vereinbaren lässt.160 Im Übrigen dient jedes privatrechtliche Rechtsgeschäft gleichfalls der sinnvollen Ordnung und erfüllt so eine staatsentlastende Ordnungsfunktion161, ohne dass man dies zu einem Ziel privatautonomer Betätigung überhöhen würde. Die ordnende Wirkung autonomer Regelungen ist also nicht Ziel ihrer Ausübung, wie bereits das Günstigkeitsprinzip in § 4 Abs. 3 TVG zum Ausdruck bringt162, sondern nur erwünschte Folge bzw. Reflex daraus.163 Aus diesem Grund ist auch allen Tendenzen eine Absage zu erteilen, die die Gewerkschaften wegen ihrer sozialen Mächtigkeit und der gesamtwirtschaftlichen Wirkungen an gesamtgesellschaftliche Belange binden wollen.164 Wegen des autonomen Charakters der Tarifautonomie haben die Ta157 Da die Betonung einer Ordnungsaufgabe neben der Erschließung weiterer Regelungsbereiche auch entsprechende Pflichten begründen würde, würde eine Bindung an eine Ordnungsfunktion tarifautonomer Betätigung auch zusätzliche Grenzen setzen, als dies bei einer ausschließlichen Bindung an die Mitgliederinteressen der Fall wäre. 158 Böckenförde, NJW 1974, 1529, 1537 f.; Giesen, Rechtsgestaltung, S. 201; Kemper, Tarifautonomie, S. 113. 159 Scholz, ZfA 1990, 377 ff., 381 f.; A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 54, 59, 61; Zöllner, DB 1967, 334, 335 f. Die Bindung an staatliche Ziele wäre nur dann möglich, wenn die ausgeübte Befugnis auf staatlicher Grundlage beruhen würde. 160 Picker, ZfA 1998, 573, 588 ff.; Richardi, Arbeitsrecht als Teil freiheitlicher Ordnung, S. 258 ff.; ebenso: Friese, Koalitionsfreiheit, S. 50; Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 67 f.; vgl. a. Däubler AuR 1981, 257 f. 161 Dorndorf, AuR 1988, 1, 12; Rieble, RdA 1993, 140, 142. 162 Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 138. 163 Däubler, TVR, Rn. 18; vgl. auch Biedenkopf, Gutachten für den 46. DJT 1966, Bd. I/1 S. 113; Friese, Koalitionsfreiheit, S. 53; Herschel, Verhandlungen zum 46. DJT, Bd. II/2 D. 7 ff.; Kempen/Zachert/Zilius, TVG Grdl. Rn. 91; Richardi, ZfA 1970, 85, 87; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1307 f.; Schwarze, Betriebsrat, S. 98; A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 59; Zöllner, DB 1989, 2121, 2122. 164 Rieble (Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1118 ff.) spricht in diesem Zusammenhang zutreffend von „Verklärung der Koalitionsaufgaben“.

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rifvertragsparteien weder das Recht noch die Pflicht, „neben dem Schutz ihrer Mitglieder auch den Schutz der ganzen Unternehmensbranchen und des gesamten Berufsstandes und darüber hinaus beschäftigungsrelevante Interessen der Gesamtbevölkerung wahrzunehmen“.165 Aber selbst das Vorliegen einer umfassenden Interessenidentität unterstellt, handelt es sich nicht um eine eigene Repräsentationskompetenz der Tarifvertragsparteien, wie sie zur Schließung der Legitimationslücke erforderlich wäre166, sondern nur um eine „abgeleitete Repräsentationsfunktion“. Vor allem darf der Gedanke der Gesamtrepräsentation nicht dazu führen, die Gewerkschaften nach den Vorstellungen ihrer Mitglieder über die Angemessenheit der Interessen von Außenseitern befinden zu lassen.167 Die Legitimation der Tarifvertragsparteien beruht auf der Repräsentanz der Mitgliederinteressen168, nicht auf einer Kompetenz zur Beurteilung gesamtwirtschaftlicher oder ordnungspolitischer Fragen. Schließlich bleibt auch zweifelhaft, ob der Mitgliedschaft auf diese Weise überhaupt legitimatorische Wirkung zukäme.169 Denn Voraussetzung jeglicher Legitimation ist, jedem Normunterworfenen einen mittelbaren Einfluss auf die Normsetzung zu gewährleisten, so dass die Normsetzung letztlich auf die Selbstbestimmung des Einzelnen zurückgeführt werden kann.170 Weder eine bei der Gesamtrepräsentation unterstellte Homogenität der Arbeitnehmerinteressen als eine Art potentielle Legitimation noch eine zur Erfüllung einer Ordnungsfunktion erforderliche Notwendigkeit einheitlicher Regelungen können es nämlich rechtfertigen, dass ein ansonsten nicht legitimierter Normgeber gegenüber Außenseitern Herrschaft ausüben darf. Auch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes kann zur Begründung einer solchen Ordnungsfunktion aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht (mehr) zurückgegriffen werden.171 So stellt das Bundesverfassungsgericht mittlerweile172 nur noch auf die Schutzfunktion173 und den Charakter von Art. 9 Abs. 3 GG als Freiheitsrecht ab.174 Auch im Selbstverständnis der 165 So aber: Gamillscheg, AR Bd. I, S. 474 f.; ablehnend: Loritz, Tarifautonomie, S. 56 ff.; Zöllner, DB 1989, 2121, 2122. 166 Zutreffend: Wagenitz, Tarifmacht, S. 16 f.; vgl. Friese, Koalitionsfreiheit, S. 41 ff. 167 Koller, ZfA 1978, 45, 60. 168 Loritz, Tarifautonomie, S. 56 ff. 169 Ebenso: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 200 f.; Schwarze, RdA 2001, 208, 209 ff.; A. Wiedemann, Bindung der Tarifnormen, S. 93; kritisch auch: Koller, ZfA 1978, 45, 61 f.; Loritz, Tarifautonomie, S. 58 f. 170 Zur Legitimation eingehend: C.I.2.b). 171 Friese, Koalitionsfreiheit, S. 45; Reuter, RdA 1994, 152, 163. 172 Eingehend zu dieser Entwicklung: Friese, Koalitionsfreiheit, S. 45 ff. 173 BVerfGE 34, 307, 316; E 84, 212, 229; E 92, 365, 394. 174 BVerfGE 50, 190, 367; E 58, 23, 246 f.

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Koalitionen findet sich kein tragfähiger Anhaltspunkt für einen weitergehenden Rechtsetzungsauftrag, der alle am Arbeitsleben beteiligten Personen ohne weiteres umgreift. Indem das TVG die Tarifgebundenheit grundsätzlich auf die Mitglieder der Tarifparteien beschränkt, trägt es in § 3 Abs. 1 dem Grundsatz Rechnung, dass der Staat seine Normsetzungsbefugnis nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stellen überlassen und den Bürger nicht schrankenlos der normsetzenden Gewalt autonomer Gremien ausliefern dürfe, die ihm gegenüber nicht demokratisch bzw. mitgliedschaftlich legitimiert seien.175

3. Grundlage tarifautonomer Regelungen der Betriebsverfassung Im Folgenden geht es um die für die unterschiedlichen (verfassungs-) rechtlichen Anforderungen entscheidende Frage, ob die Schaffung abweichender betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag in Wahrnehmung tarifautonomer (privater Normsetzung) oder delegierter (Normsetzung durch Private) Regelungsbefugnis erfolgt. a) Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht hat zu dieser Problematik bislang nicht eindeutig Stellung genommen.176 Der Feststellung, dass mit Art. 9 Abs. 3 GG ein Kernbereich der Koalitionsbetätigung im Bereich der Betriebsverfassung gewährleistet ist177 bzw. dass die Tätigkeit der Koaltionen im Personalvertretungswesen in den durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Bereich fällt178, lassen sich keine eindeutigen Erkenntnisse entnehmen. Denn in beiden Entscheidungen geht es um das Verhältnis von betrieblicher Mitbestimmung und tarifautonomer Betätigung als Nebeneinander unterschiedlicher Arbeitnehmervertretungen.179 Vorliegend geht es allerdings darum, ob tarifvertragliche Regelungen aufgrund (tarif)autonomer oder delegierter (staatlicher) Regelungsbefugnis erfolgen.

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BVerfGE 44, 322, 347 f. So auch: Friese, Koalitionsfreiheit, S. 233; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 100; Schwarze, Betriebsrat, S. 89. 177 BVerfGE 50, 290, 372; zur zwischenzeitlichen Aufgabe der Kernbereichslehre: D.III.2.b. 178 BVerfGE 19, 303, 313 f. 179 BVerfGE 50, 290, 373. 176

I. Grundlage tarifautonomer Regelungsbefugnisse

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b) Betriebsverfassung als Teil der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Als Teil der verfassungsrechtlich geschützten Koalitionsbetätigungsfreiheit ist für die Bestimmung der Grenzen der autonomen Regelungsbefugnis auf Art. 9 Abs. 3 GG abzustellen.180 Tarifautonome Befugnisse zur Schaffung von tariflichen Rechtsnormen sind dabei in sachlicher und personeller Hinsicht einzugrenzen.181 Die Koalitionsbetätigung gehört zum Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG mit dem Ziel der „Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“.182 Tarifautonomie ist die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder auf eigener Rechtsgrundlage zu regeln.183 Ob Regelungen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen zum geschützten Bereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu rechnen sind, ist dabei nicht eindeutig geklärt.184 aa) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Eine eindeutige Aussage darüber, was zum sachlich-gegenständlichen Bereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zählt, kann der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht entnommen werden. Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist den Tarifvertragsparteien die Bestimmung über alle regelungsbedürftigen Einzelheiten des Arbeitsvertrages überlassen.185 Ihnen sei die im öffentlichen Interesse liegende Aufgabe zugewiesen und im Kernbereich garantiert, „insbesondere Löhne und sonstige materielle Arbeitsbedingungen (. . .) sinnvoll zu ordnen“.186 Der Zweck der Koalitionen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern, werde von den Gewerkschaften vorwiegend dadurch erfüllt, 180 So auch: Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 140; Loritz, ZTR 1990, 455, 495; Rüthers, Tarifmacht, S. 14 ff.; Söllner, ArbRdGgw 16, S. 19, 27; Weyand, AuR 1991, 65, 67; Wiedemann, TVG, Einl. 99; Zöllner, RdA 1962, 453, 459; kritisch: Löwisch/Rieble in: MünchArbR § 246 Rn. 53. 181 Schmidt-Eriksen, Tarifvertragliche Betriebsnormen, S. 126. 182 BVerfGE 94, 268, 283; E 50, 290, 373 f.; E 84, 232, 224; Rüthers, Tarifmacht, S. 14. 183 Vgl. A.I.2.a). 184 Zu den unterschiedlichen in der Literatur vertretenen Ansichten zur Auslegung dieses Begriffes: Friese, Koalitionsfreiheit, S. 234 ff.; Meyer-Krenz, Erweiterung der Beteiligungsrechte, S. 32 ff. 185 BVerfGE 34, 307, 316. 186 BVerfGE 18, 18, 28; E 28, 295, 305.

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

dass sie in der Auseinandersetzung über Löhne und Arbeitsbedingungen mit dem sozialen Gegenspieler, den Arbeitgebern, für die Arbeitnehmer möglichst günstige Tarifverträge abschließen und, wenn nötig, in Arbeitskämpfen durchsetzen.187 Hier liege das eigentliche Betätigungsfeld der Gewerkschaften.188 Deutlich wird nur, dass eine Beschränkung der Tarifautonomie auf die unmittelbaren Lohnbedingungen189 ebensowenig vom Bundesverfassungsgericht vertreten wird wie eine extensive Auslegung als allgemeines wirtschaftspolitisches Mandat ohne spezifischen arbeitsrechtlichen Bezug.190 Die materiellen Arbeitsbedingungen stellen zwar das zentrale Betätigungsfeld für tarifautonome Normsetzung dar, eine strikte Begrenzung auf bestimmte Regelungsmaterien wird aber bewusst vermieden. Eine Begriffsbestimmung muss der Wandelbarkeit tariflicher Ziele gerecht werden unter besonderer Berücksichtigung der Funktion tariflicher Vereinbarungsgewalt.191 bb) Funktionales Verständnis Die generalklauselartige Formulierung in Art. 9 Abs. 3 GG ist wegen der Ausfüllungsbedürftigkeit der darin enthaltenen Begriffe nicht in der Lage, eine eindeutige, sich aus dem Wortlaut ergebende Einordung betriebsverfassungsrechtlicher Normen in die Tarifautonomie zu ermöglichen.192 Auch historische Entwicklung193 oder systematischer Zusammenhang lassen keine eindeutige Aussage zu, welcher Auslegung des Schutzbereiches der Vorzug zu geben ist194, und dienen als Indiz sowohl für die eine195 als auch für die andere196 Auffassung. Aus dem „systematischen Zusammenhang zu anderen Grundrechtsnormen“ und dem „Gesamtzusammenhang der verfassungsmäßigen Ordnung“ folgt ebenfalls keine Präzisierung.197 Es ist daher wenig 187

BVerfGE 38, 281, 306. BVerfGE 28, 295, 304. 189 So: Forsthoff, BB 1965, 381 ff.; Nipperdey in: FS für Küchenhoff, S. 146 f.; Weber, Koalitionsfreiheit 1965, S. 22; Zöllner/Loritz, AR, S. 111 f. 190 So: Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 187. 191 May, Bindung von Außenseitern, S. 51; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 64 m. w. N. 192 Richardi, Kollektivgewalt, S. 180; ausführlich dazu: Picker, ZfA 1998, 573, 615 ff. 193 Kritisch bezüglich einer historischen Verfassungsauslegung vor allem: Rupp, JZ 1998, 919, 923. 194 Loritz, ZTR 1990, 455, 495; Weyand, AuR 1991, 65, 68; Wiedemann/Stumpf, TVG 5. Aufl., Einl. Rn. 160. 195 Söllner, ArbRdGgw 16, 19, 23 f. 196 Forsthoff, BB 1965, 381, 385. 197 So aber: Söllner, ArbRdGgw 16, 19, 24 f. 188

I. Grundlage tarifautonomer Regelungsbefugnisse

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sinnvoll, die Bestimmung der Grenzen der Tarifautonomie ausschließlich am Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 GG festzumachen. Zwar stellen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts historische Entwicklung und Entstehungsgeschichte „Anhaltspunkte für eine Konkretisierung“ dar198, diese unterliegen aber andererseits auch einer „gewissen Wandelbarkeit“.199 Deutlich wird nur, dass für die Bestimmung von Umfang und Grenzen der Tarifautonomie ein funktionales Verständnis von Art. 9 Abs. 3 GG ausschlaggebend ist.200 cc) Begrenzung durch den Koalitionszweck201 Der Tarifvertrag ist Gestaltungsmittel zur Verwirklichung individueller Selbstbestimmung,202 wobei die Schutzbedürftigkeit des einzelnen Arbeitnehmers die verfassungsrechtliche Absicherung der Koalitionsfreiheit rechtfertigt.203 Der Kollektivmacht sind jedoch Grenzen gezogen, die sich aus der Funktion ihrer Kartellwirkung ergeben.204 Eine darüber hinausgehende Ordnungsfunktion folgt nicht aus der verfassungsrechtlichen Garantie in Art. 9 Abs. 3 GG.205 Aus der Kombination von „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“ wird teilweise der Schluss gezogen, dass die Tarifautonomie alle Regelungen erfasst, die Bedingungen festlegen, unter denen überhaupt gelebt und gearbeitet wird.206 Mit dem Verzicht auf einen Bezug zum individuellen Arbeitsverhältnis würden davon auch Unternehmensentscheidungen erfasst, sofern sie auf die Arbeitsbedingungen zurückwirkten.207 Nach allgemeinem Verständnis wird ein solches, auf die Regelung der Arbeitsund Lebensbedingungen der Arbeitnehmer ausgerichtetes, umfassendes Mandat allerdings abgelehnt. Die Tarifautonomie würde sich zu sehr von 198

BVerfGE 50, 290, 367. Zur Maxime der „offenenen“ Verfassungsinterpretation: Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 64 ff. Das Verständnis von Art. 9 Abs. 3 GG als „offener“ Tatbestand bedeutet danach, dass auch bislang nicht wahrgenommene Sachmaterien in den Schutzbereich einbezogen werde können. Unbeantwortet bleibt die in diesem Zusammenhang wohl ebenfalls relevante Frage, ob dieses offene Verständnis auch umgekehrt zum Verlust bislang wahrgenommener Sachmaterien führen kann. 200 Loritz, ZTR 1990, 455, 495; Weyand, AuR 1991, 65; Waltermann, NZA 1991, 754; A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 149. 201 Zum Koalitionszweck: A.I.2.c). 202 Richardi, Kollektivgewalt, S. 182. 203 Richardi, AöR 93, 243, 268; vgl. a. LAG Hamm, NJW 2002, 1970, 1971; A.I.2.c). 204 Richardi, Kollektivgewalt, S. 179. 205 Friese, Koalitionsfreiheit, S. 499; vgl. bereits: A.I.2.c)bb). 206 Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 187; Däubler, TVR, Rn. 175 b. 207 Gamillscheg, Differenzierung, S. 83 f. 199

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

ihrem Koalitionszweck entfernen.208 Der Bereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ist stattdessen als Einheitsbegriff mit Bezug auf das Arbeitsverhältnis zu verstehen209, also ein allgemeiner Hinweis auf die Freiheit bei der Wahl der Mittel zur interessengerechten Mitgliedervertretung.210 Tarifpolitische Regelungsgegenstände müssen daher stets einen spezifischen Bezug zum Arbeitsverhältnis besitzen.211 dd) Bezug zum Arbeitsverhältnis Auch wenn die Rechtfertigung der verfassungsrechtlichen Absicherung der Koalitionsfreiheit in der Schutzbedürftigkeit des einzelnen Arbeitnehmers gegenüber dem wirtschaftlich überlegenen Arbeitgeber zu sehen ist212, belegt die Kombination von „Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen“, dass kollektivvertragliche Vereinbarungen sich nicht in Fragen erschöpfen, „die in Zusammenhang mit dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber stehen“.213 Auch wenn die Koalitionsfreiheit ihre Berechtigung dem (partiellen) Versagen des Individualvertrages im Arbeitsrecht verdankt, ist der Bereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht individualrechtlich vom einzelnen Arbeitsverhältnis aus bestimmbar.214 Eine unmittelbare Beschränkung der Tarifautonomie auf die materiellen Arbeitsbedingungen ist also offensichtlich zu eng.215 Die Bestimmung der Tarifautonomie als „alles, was Gegenstand eines individuellen Arbeitsvertages sein kann“216, führt gleichfalls zu keiner sachgerechten Lösung. Denn ein Kern unternehmerischer Planung und Organisation ist auch vor dem Zugriff 208

Badura, RdA 1974, 129 f.; Wiedemann/Stumpf, TVG 5. Aufl., Einl. Rn. 168. Wohl h. M.: Badura, ArbRdGegw 15, 17, 27; Beuthien, ZfA 1984, 1, 9 f.; Biedenkopf, Gutachten für den 46. DJT 1966 Bd. I/1 S. 97, 163; Kempen, AuR 1980, 193, 195; Konzen, ZfA 1980, 77, 90; Nipperdey, AR. II S. 190; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 42 ff.; Scholz, ZfA 1990, 377, 395; Söllner, ArbRdGgw 16, 19, 23. 210 „Sinnzusammenhang mit der Regelung des Arbeitsverhältnisses“: vgl. Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 43. 211 Wohl h. M.: Biedenkopf, Gutachten für den 46. DJT Bd. I/1, S. 7, 39 ff.; Gamillscheg, Differenzierung, S. 81 f.: Rüthers, Tarifmacht, S. 17; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 40 ff.; Söllner, ArbRdGgw 16, 19, 24; Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 99. 212 Dazu eingehend: Richardi, AöR 93, 243, 268; vgl. a. unter A.I.2.c)aa)(2). 213 Sog. Schutztheorie: vgl. Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 75; Forsthoff, BB 1965, 381 ff.; Nipperdey in: Festgabe für Küchenhoff, S. 133, 146; Schelb in: FS für Nipperdey Bd. II, S. 579, 592; für eine auf die Arbeitsbedingungen beschränkte Zuständigkeit: Zöllner, AR, S. 341 ff.; dagegen: Richardi, Kollektivgewalt, S. 183. 214 Richardi, Kollektivgewalt, S. 180. 215 Damit werden nicht die Grenzen, sondern allenfalls der Wesensgehalt der Tarifautonomie im Sinne der allgemeinen Grundrechtslehre umrissen, also der Bereich, dessen Antastung verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen ist; dazu: Stein/Frank, StR, § 29 VI. 209

I. Grundlage tarifautonomer Regelungsbefugnisse

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durch die Tarifvertragsparteien geschützt.217 Ein angemessener Spielraum zur Entfaltung der Unternehmerinitiative ist unantastbar.218 Die Beschreibungen, dass nur solche Regelungen der kollektiven Vereinbarung zugänglich sind, „die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in eben dieser ihrer Eigenschaft betreffen“219 führt ebenso wenig zu einer definitorischen Präzisierung wie die Feststellung, dass von Art. 9 Abs. 3 GG „die Gesamtheit der Bedingungen, unter denen abhängige Arbeit geleistet wird“ umfasst wird.220 Derartige Definitionen werden zudem dem Einzelfall nicht gerecht. Die tarifautonome Regelungsbefugnis bewegt sich vielmehr im Spannungsfeld zwischen staatlicher Souveränität221, individueller Selbstbestimmung des Einzelnen222 und Unternehmensautonomie.223 Die Grenzen sind naturgemäß fließend und von den Besonderheiten des Einzelfalls abhängig.224 Der Schutz der Unternehmensautonomie nimmt zu, wenn dadurch Bedingungen geregelt werden, die den Kern unternehmerischer Planung und Organisation betreffen225, d.h. wo der innere Zusammenhang mit der Teilhabe der abhängigen Arbeit am gesamtwirtschaftlichen Geschehen verloren geht.226 Es handelt sich somit um konkurrierende Zuständigkeiten, die im Rahmen praktischer Konkordanz nach den Maßstäben von Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit in Ausgleich zu bringen sind.227 216 Hueck/Nipperdey/Stahlhacke, TVG, § 1 Rn. 47; vgl. Herschel, Verhandlungen zum 46. DJT Bd. II/2 D. S. 7, 21; Käppler, NZA 1991, 745, 750; a. A.: Hueck/Nipperdey, AR Bd. II/1 S. 251; Richardi, Kollektivgewalt, S. 180. 217 BVerfGE 50, 290, 366; Jahnke, Tarifautonomie, S. 82 f.; Weyand, AuR 1991, 65, 70; Wiedemann, RdA 1986, 231. 218 BVerfGE 29, 260, 267. 219 Gift, BB 1959, 43, 47. 220 Badura, ArbRdGgw 15, 17, 27; Dütz, JA 1987, 405, 410; Weyand, Tarifvertragliche Mitbestimmung, S. 75; Wiedemann, RdA 1986, 231. 221 Sog. wirtschaftsverfassungsrechtliche Legitimation: vgl. Richardi, Kollektivgewalt, S. 180. 222 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 222; Siebert in: FS für Nipperdey, S. 119, 128 f., 139 ff. 223 Biedenkopf, Gutachten für den 46. DJT Bd. I/1, S. 97, 114; Richardi, Kollektivgewalt, S. 181; Schwarze, Betriebsrat, S. 94; zum Schutz der Unternehmensautonomie: BVerfGE 25, 371, 407; E 50, 290, 366; E 97, 67, 83. 224 Richardi, Kollektivgewalt, S. 183. 225 Vgl. BVerfGE 50, 290, 366; Wiedemann, RdA 1986, 231. 226 Richardi, Kollektivgewalt, S. 180; Wiedemann, TVG, Einl. 456. Im Einzelfall können sich allerdings engere Grenzen im Verhältnis zu Staat, Individuum oder zur Unternehmensautonomie ergeben. Eine klare Abgrenzung gerade zum Bereich der unternehmerischen Entscheidungen, die keinerlei Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen in diesem Sinne haben, erweist sich jedoch als schwierig; vgl. Loritz, Tarifautonomie, S. 72; Rüthers, Tarifmacht, S. 16; Wiedemann, RdA 1986, 231, 238. 227 Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 456; ders., RdA 1986, 231, 240.

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

ee) Einordnung der Betriebsverfassung Das „eigentliche Betätigungsfeld der Gewerkschaften“228 liegt in der Vereinbarung der materiellen Arbeitsbedingungen, also der Bedingungen, die grundsätzlich auch individualvertraglich geregelt werden.229 Bei Regelungen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen – insbesondere über die Organisation der Betriebsverfassung – handelt es sich aber gerade um Angelegenheiten, die über das einzelne Arbeitsverhältnis hinaus wirken230, da sie sinnvoll nur einheitlich getroffen werden können.231 Betriebsverfassungsrechtliche Fragen gehören folglich nicht zu diesem Zentralbereich der Arbeitsbedingungen.232 Andererseits ist Gegenstand der Betriebsverfassung eine „nach dem Prinzip der Gruppenautonomie organisierte Beteiligung der Arbeitnehmer an Maßnahmen der privatrechtlich organisierten Betriebs- und Unternehmensleitung“.233 Die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung ist eine Form der arbeitsrechtlichen Mitbestimmung, knüpft also unmittelbar an das Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis an.234 Ebenso wie die Tätigkeit der Personalräte235 dient auch die der Betriebsräte236 der Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen. Die Tätigkeit der Gewerkschaften im Rahmen der Betriebsverfassung stellt demnach eine mittelbare Einflussnahme auf die Arbeitsbedingungen dar.237 Zumindest theoretisch ließen sich auch betriebsverfassungsrechtliche Materien im Individualvertrag regeln.238 Die Betriebsverfassung(-sorganisation) weist mithin einen mittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis auf, der für die Zuordnung zur tarifautonomen Regelungsbefugnis erforderlich, aber auch ausreichend ist. Die betriebsverfassungsrechtliche Mitbestimmung als von der Tarifautonomie wesensverschiedene Form der Gruppenautonomie239 betrifft eine Materie, die – in sachlicher Hinsicht – der Regelung durch die Tarifvertragspartner zugänglich ist. Die mittelbare Einflussnahme bei betrieblichen 228

BVerfGE 28, 295, 304. BVerfGE 18, 18, 28; E 28, 295, 305. 230 Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 142. 231 Richardi, Kollektivgewalt, S. 240; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 142 f. 232 Friese, Koalitionsfreiheit, S. 258 f. 233 Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 129. 234 Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 4. 235 BVerfGE 19, 303, 313. 236 Vgl. BVerfGE 50, 290, 372. 237 Friese, Koalitionsfreiheit, S. 89; vgl. a. BVerfGE 19, 303, 312. 238 Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 142. 239 Vgl. Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 137; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1411 ff. 229

I. Grundlage tarifautonomer Regelungsbefugnisse

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Regelungen ist also eine zum Tarifvertrag alternative Form der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen und wird damit auch von der Garantie der Tarifautonomie umfasst. Regelungen zur Schaffung einer betrieblichen Mitbestimmung können daher nicht grundsätzlich aus dem inhaltlich-gegenständlichen Bereich der tarifautonomen Regelungszuständigkeit ausgenommen werden.240 Die Tarifvertragsparteien können somit in Wahrnehmung ihrer tarifautonomen Regelungsbefugnis eine dem BetrVG entsprechende Mitbestimmung der Arbeitnehmer im Betrieb vereinbaren.241 Durch betriebsverfassungsrechtliche Regelungen erfüllen die Gewerkschaften über die Betriebsräte folglich mittelbar die Aufgabe, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern.242 Aus der Garantie der Koalitionszweckfreiheit ergibt sich ein nach Bedeutung der Grundrechtsausübung für die Funktionsfähigkeit des Grundrechts unterschiedlicher Grad an Schutzbedürftigkeit.243 Entsprechend ist „der Grundrechtsschutz des Art. 9 Abs. 3 GG nicht für jede koalitionsgemäße Betätigung der Tarifvertragsparteien gleich intensiv“.244 Die Wirkkraft des Grundrechts nimmt vielmehr in dem Maße zu, in dem eine Materie aus Sachgründen am besten von den Tarifvertragsparteien geregelt wird, weil sie nach der Art. 9 Abs. 3 GG zugrundeliegenden Vorstellung des Verfassungsgebers die gegenseitigen Interessen angemessener zum Ausgleich bringen könne als der Staat. Das gilt jedenfalls für die Festsetzung der Löhne und der anderen materiellen Arbeitsbedingungen.245 Die Schutzintensität der Tarifautonomie nimmt folglich in dem Maße ab, in dem Bereiche betroffen sind, denen dieser unmittelbare Bezug zum Arbeitsverhältnis fehlt. Inwiefern eine autonome Normsetzungsbefugnis in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen danach überhaupt garantiert ist, hängt also davon ab, ob diese für die Existenz eines funktionsfähigen Tarifvertragssystems als notwendig eingestuft werden muss.246 Jedenfalls bleibt das Schutzbedürfnis betriebsverfassungsrechtlicher Normsetzungsbefugnisse wegen des nur mittelbaren Bezugs zum Arbeitsverhältnis hinter dem der eigentlichen „Kernaufgaben“ – d.h. der Vereinbarung der materiellen Arbeitsbedingungen – weit zurück.

240 241 242 243 244 245 246

165.

Schwarze, Betriebsrat, S. 90 f. Meyer-Krenz, Erweiterung von Beteiligungsrechten, S. 34 f. Vgl. a.: Schwarze, Betriebsrat, S. 91 ff. Friese, Koalitionsfreiheit, S. 255 ff. BVerfGE 94, 268 ff. Leitsatz Nr. 3. BVerfGE 94, 268, 285. Zweifelnd: Friese, Koalitionsfreiheit, S. 258 ff., 263; Reuter, RdA 1994, 151,

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

c) Persönlicher Umfang der Tarifautonomie in der Betriebsverfassung aa) Postulat der Einheitlichkeit Die Wurzel der Kontroverse über die persönlichen Grenzen der tariflichen Gestaltungsbefugnis auf dem Gebiet der Betriebsverfassung liegt darin begründet, dass es sich bei Regelungen über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen – insbesondere über die Betriebsverfassungsorganisation – um Angelegenheiten handelt, die über das einzelne Arbeitsverhältnis hinausreichen.247 Während die Inhaltsnormen eines Tarifvertrages mit ihrem Bezug zum Individualvertragsverhältnis eine klare Differenzierung nach der Mitgliedschaft des jeweiligen Arbeitnehmers erlauben, können betriebsverfassungsrechtliche Regelungen sinnvoll nur einheitlich gegenüber der Gesamtbetriebsbelegschaft erfolgen.248 Um keinen dieser Grundsätze zu verletzen, können betriebsverfassungsrechtliche Regelungen von den Gewerkschaften nur dann vereinbart werden, wenn sie neben der sachlich-gegenständlichen auch die personelle Zuständigkeit für die gesamte Belegschaft für sich beanspruchen können. Dies wäre auf den Fall beschränkt, dass eine gesamte Betriebsbelegschaft ausnahmslos einer Gewerkschaft angehört. Im Regelfall wird es den Koalitionen aber gerade an dieser persönlichen Zuständigkeit für betriebsverfassungsrechtliche Regelungen fehlen. bb) Erweiterte Autonomie Aus dem Umstand, dass einerseits mit den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in Art. 9 Abs. 3 GG auch die Koalitionsbetätigung auf dem Gebiet der Betriebsverfassung geschützt ist, andererseits betriebsverfassungsrechtliche Regelungen aber einheitlich gegenüber der Betriebsbelegschaft zu erfolgen haben, wird teilweise geschlossen, dass die betriebsverfassungsrechtliche Normsetzungsbefugnis eine Art erweiterte Autonomie darstelle.249 Auch der Gesetzgeber geht offensichtlich davon aus, dass die Tarifpartner bei Wahrnehmung der ihnen durch das Gesetz eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten auch gegenüber den Nichtmitgliedern im Rahmen 247

Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 142. Richardi, Kollektivgewalt, S. 240; vgl. a.: Löwisch/Rieble in: MünchArbR § 261 Rn. 7 ff.; Meik, Tarifautonomie, S. 163 f.; Hanau, NZA 1985, 83, 76; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 142 f. 249 So explizit: Bogs in: FS für Gierke, S. 39, 60 ff.; ebenso: Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 128 ff.; Schmidt-Eriksen, Tarifvertragliche Betriebsnormen, S. 149 ff.; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 23 ff. 248

I. Grundlage tarifautonomer Regelungsbefugnisse

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ihrer tarifautonomen Zuständigkeit handeln250 und ihre Regelungszuständigkeit auch den Außenseiter mitumfasst.251 Das hierbei erkannte Legitimationsdefizit soll unter Berufung auf die Ordnungsfunktion der Koalitionsfreiheit bzw. die Gesamtrepräsentation durch die Koalitionen seine „innere Rechtfertigung“ finden.252 Die erforderliche Legitimation sei Art. 9 Abs. 3 GG immanent.253 Der Gesetzgeber habe die Ordnungsfunktion des Tarifvertrages in § 3 Abs. 2 TVG und damit die Erweiterung der persönlichen Grenzen der Tarifmacht anerkannt.254 Tatsächlich handelt es sich aber bei einer derartigen gemeinwohlorientierten Interpretation der Koalitionsfreiheit um eine Abweichung im System der freiheitlichen Funktion der Grundrechte, die sich weder mit dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 GG noch mit seiner Stellung im Grundrechtskatalog vereinbaren lässt.255

cc) Umfang der Legitimation der Tarifvertragsparteien (1) Legitimation gegenüber Mitgliedern Bei tarifautonomer Normsetzung handelt es sich um private Normsetzung, d.h. um solche auf originärer Grundlage der Koalitionen. Die strengen Anforderungen, die im Hinblick auf das Demokratieprinzip an die demokratische Legitimation staatlicher Normsetzungsbefugnisse zu stellen sind, gelten daher für sie nicht.256 Allerdings kann auch bei autonomen Regelungsbefugnissen auf eine Legitimation zur Ausübung von Herrschaftsbefugnissen nicht verzichtet werden. Substantieller Legitimationsgrund ist die Selbstbestimmung des Einzelnen in Freiheit und Gleichheit257, die Gel250 Vgl. Begründung des RegE zum BetrVRG, BR-Drucks. 140/01, S. 54; es wird nicht einmal deutlich, ob der Gesetzgeber sich der jahrzehntelangen Kontroverse über dieses Problem überhaupt bewusst ist; vgl. auch: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 10. 251 Gamillscheg, AR Bd. I, S. 474 f., Kempen in: FS für Hanau, S. 542 f.; MeierKrenz, DB 1988, 2149 f.; Meik, Kernbereich der Tarifautonomie, S. 163 ff.; weitere Nachweise bei: Zöllner, Rechtsnatur, S. 23 Fn. 69a. 252 Dellmann, AuR 1967, 138, 140 f.; Gamillscheg, Differenzierung, S. 36 ff.; ders., Kollektives AR, S. 474 ff.; Kunze, Koalitionsfreiheit, S. 108 f.; Leventis, Differenzierungsklauseln, S. 79, 82 ff.; Müller, ArbRdGgw 17, 19, 25. 253 Söllner, AuR 1966, 257, 263. 254 Söllner, AuR 1966, 257, 261; zu § 3 Abs. 2 TVG: A.I.4. 255 BVerfGE 44, 322, 344; Picker, ZfA 1998, 573, 588 ff.; Richardi, Arbeitsrecht als Teil freiheitlicher Ordnung, S. 258 ff.; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 42; Zöllner, DB 1967, 334, 335 f. 256 Vgl. nur: BVerfGE 33, 125, 159. 257 Menzel, Legitimation, S. 54; ebenso: Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 9.

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tung der Tarifnormen ist auf den Willen der Betroffenen zurückzuführen.258 Die staatliche Anerkennung von tarifautonomen Normsetzungsbefugnissen muss dabei zur Verwirklichung des demokratischen Prinzips die freiheitlichen Grenzen der Tarifautonomie gewährleisten.259 (a) Legitimation und Richtigkeitsgewähr Zweck der Koalitionsfreiheit ist, das Verhandlungsgleichgewicht zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Voraussetzung einer Richtigkeitsgewähr des Tarifvertrages sicherzustellen.260 Von einer selbst(mit)bestimmten Regelung kann aber nur die Rede sein, wenn der Einzelne noch eine Steuerungsmöglichkeit auf die Wirkungen der Normsetzung besitzt. Eine effektive Legitimation ist folglich Voraussetzung dafür, einem Tarifvertrag eine Richtigkeitsgewähr zu unterstellen. Dass der Staat sich wegen dieser Richtigkeitsgewähr einer inhaltlichen Prüfung von Tarifnormen weitgehend enthalten darf, hängt also auch maßgeblich von der Qualität der Legitimation ab.261 (b) Mitgliedschaftliche Legitimation Legitime Ausübung von Normsetzungsbefugnissen setzt somit die mitgliedschaftliche Legitimation der Tarifvertragsparteien voraus.262 Die freiwillige Mitgliedschaft im Verband ist die einzige Legitimationsgrundlage für die Mitgliederrepräsentation263 und damit eine wesentliche Schranke der tarifvertraglichen Regelungsbefugnis.264 Nach § 3 Abs. 1 TVG ist die Tarifgebundenheit grundsätzlich untrennbar mit der Mitgliedschaft ver258

A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 62. Vgl. a.: A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 61 f. 260 Knebel, Koalitionsfreiheit, S. 50 f.; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 246 Rn. 52.; A.I.2.c)aa). 261 H.M.: BAG AP Nr. 32 zu § 620 BGB befristeter Arbeitsvertrag (Richardi); BAGE 22, 144, 151 f.; E 23, 460, 464 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, Grundl. Rn. 47 ff.; Richardi in: Gedächtnisschrift Dietz, S. 269; a. A.: Rüfner, RdA 1985, 193 ff.; einschränkend: Schlodder, Arbeitsvertrag, S. 209 f. 262 BVerfGE 44, 322, 347 f.; E 64, 208, 215; Richardi in: MünchArbR, § 240, Rn. 25. 263 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 51; Picker, NZA 2002, 761, 768; Richardi, AöR 93, 243, 266; Rittstieg, JZ 1968, 412; Schüren, RdA 1988, 138. 264 Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 55 ff., 67 ff.; H. Hanau, RdA 1996, 158, 166; Lieb, Rechtsnatur, S. 75; Loritz, ZTR 1990, 455, 462; ders. in: FS für Zöllner, S. 865, 870 f.; Picker, ZfA 1998, 573 ff., 604 ff., 690 ff.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 214 f.; ders., ZfA 1990, 211 ff., 217; ders., DB 1990, 1613 ff., 1614; Rieble, RdA 1993, 140, 142; Schwarze, Betriebsrat, S. 197; Schüren, RdA 1988, 259

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knüpft.265 Mit dem Koalitionsbeitritt unterwirft sich das einzelne Mitglied u. a.266 der Regelungsbefugnis über seine Vertragsbeziehungen267, durch den Austritt aus dem Verband erklärt es, dass es diese Unterwerfung zukünftig nicht mehr will.268 Diese Unterwerfungserklärung ist somit kein „zusätzliches Erfordernis“ neben der Mitgliedschaft269, sondern ihr eigentlicher Zweck.270 Durch die Gewährleistung der freien Entscheidung über die Mitgliedschaft hat es der Einzelne in der Hand, die Geltung von Tarifnormen zu begrenzen. Mit dem Verbandsbeitritt verpflichtet er sich, die zukünftigen und aktuellen Beschränkungen seiner individuellen Vertragsfreiheit zu dulden, und begibt sich damit partiell seiner Privatautonomie zu Gunsten der Tarifvertragsparteien. Nach dem TVG ist die Mitgliedschaft die einzige individuelle Einflussnahmemöglichkeit, indem der Einzelne über die persönliche Reichweite der Normsetzung individuell entscheiden kann. Diese Legitimation der Verbandsspitze erneuert sich stetig solange, wie der Einzelne durch sein Verbleiben im Verband ausdrückt, dass er mit der Art der Wahrnehmung seiner Interessen durch die Koalition einverstanden ist.271 Nur die Garantie der absoluten Freiheit, mit der Mitgliedschaft auch über die Anwendbarkeit der Tarifnormen eines bestimmten Verbandes entscheiden zu können, gewährleistet, dass für den Einzelnen keine Tarifnormen gelten, deren Geltung er nicht will.272 Ansonsten würde die Freiheit gegenüber den Arbeitgebern mit der Unfreiheit gegenüber den Verbänden bezahlt.273 (2) Keine Legitimation gegenüber Außenseitern Die Mitgliedschaft ist für die tarifautonomen Regelungsbefugnisse nach der gesetzgeberischen Ausgestaltung die einzige legitimatorische Vorausset138, 142 ff.; Wagenitz, Tarifmacht, S. 36, ff., 41 ff., 45; A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 87 ff., 95 f., 205. 265 Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 41; zu § 3 Abs. 2 TVG: A.I.4. 266 Daneben werden außerdem verbandsrechtliche Bindungen begründet. Vgl. Feichtinger, Regelungsbefugnis, S. 35; Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 10 ff.; Zöllner, RdA 1962, 453, 458; eingehend zu den mitgliedschaftlichen Rechten und Pflichten: Habersack, Mitgliedschaft, S. 78 ff., 93 ff. 267 Richardi, Betriebsverfassung und Privatautonomie, S. 13; ders. in: MünchArbR, § 240, Rn. 43. 268 LAG Hamm, NJW-RR 2003, 144 (Leitsatz), 145. 269 So aber: Glaubitz, NZA 2003, 140, 143. 270 Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 60; Feichtinger, Regelungsbefugnis, S. 35; Wagenitz, Tarifmacht, S. 44. 271 Knebel, Koalitionsfreiheit, S. 116. 272 Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 20 II Abschnitt Rn. 54. 273 Vgl. Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 66; Nell-Breuning, Freiheit und Bindung, S. 27, 31.

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zung ihrer Anerkennung.274 Die Tarifvertragsparteien verfügen daher gegenüber den Außenseitern über keinerlei Legitimation.275 (3) Legitimatorische Rechtfertigung Die Erweiterung der Normsetzungsbefugnis auf die Außenseiter stellt eine vermeintlich notwendige Folge aus dem Postulat der Einheitlichkeit für betriebsverfassungsrechtliche Fragen dar. Auf der anderen Seite kann die tatsächliche bzw. rechtliche Notwendigkeit einer betriebseinheitlichen Normwirkung nicht zu einem Verzicht auf verfassungsrechtliche Grundsätze führen.276 Diese Feststellung stellt grundsätzlich auch keine Einschränkung der positiven Koalitionsfreiheit dar, da diese die sog. erweiterte Autonomie der Tarifvertragsparteien gerade nicht umfasst.277 In Ermangelung einer mitgliedschaftlichen Legitimation bedarf es einer zusätzlichen legitimatorischen „Rechtfertigung“278, da die Rechtsnormen des Tarifvertrags grundsätzlich nur zwischen beiderseits Tarifgebundenen Anwendung finden. Dem Koalitionszweck lässt sich diese Rechtfertigung allerdings nicht entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht tritt dem in aller nur zu wünschenden Deutlichkeit entgegen, wenn es feststellt, dass die Tarifvertragsparteien gegenüber den Außenseitern keine demokratische oder mitgliedschaftliche Legitimation besitzen und für diese auch nicht verantwortlich sind.279 So umfasst die Tarifautonomie nur die Befugnis der Gewerkschaften, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern.280 Eine darüber hinausgehende Gesamtrepräsentation oder Ordnungsfunktion ist der Koalitionsbetätigung der Tarifvertragsparteien nicht immanent.281 Mögliche Anknüpfungspunkte wären (staatliche) Lenkungs- und Kontrollbefugnisse als Instrumente zur Legitimationsmittlung.282 Staatliche Aufsicht 274

Richardi in: FS für Wißmann, S. 159, 172; eingehend dazu: A.I.4.c)cc). BVerfGE 44, 322, 343; E 64, 203, 215. 276 H. Hanau, RdA 1996, 158, 171; Reuter, ZfA 1995, 1, 46; a. A.: BAGE 64, 368, 383; Oppermann, Tarifvertragsregelungen, S. 172; Wiedemann/Stumpf, TVG 5. Aufl., § 3 Rn. 69. 277 BVerfGE 44, 322, 341; zustimmend: Reuter, DZWir 1995, 353, 356. 278 Loritz, Tarifautonomie, S. 55 ff.; Picker, ZfA 1998, 573, 615 ff. 279 BVerfGE, 44, 322, 342 f. 280 BVerfGE 17, 319, 333; E 18, 18, 26; vertiefend zur Koalitionsfreiheit: Kapitel D. 281 Insbesondere bleibt unklar, warum sich bei Betriebsnormen die Richtigkeitsgewähr in gleicher Weise auch auf die Außenseiter erstrecken sollte; so aber: Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 229 f. 282 Schwarze, Betriebsrat, S. 162 f. 275

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und gerichtliche Kontrolle widersprechen allerdings Art. 9 Abs. 3 GG, der den Staat verpflichtet, den Koalitionen einen von staatlicher Rechtsetzung frei gelassenen Raum zu überlassen, um in eigener Verantwortung und im Wesentlichen ohne staatliche Einflussnahme die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens zu verwirklichen.283 Auch die gegenseitige Kontrolle durch das vertragliche Verfahren der Normsetzung284 ist ohne verfahrensmäßige Absicherung kein verlässliches Instrument zum Schutz der Interessen der Außenseiter.285 Ebenso schließt das Günstigkeitsprinzip interessenwidrige Normsetzung nicht aus.286 Bei betriebsverfassungsrechtlichen Normen kann aber nur ein kollektiver Günstigkeitsvergleich erfolgen287, so dass die individuell-legitimatorische Wirkung von § 4 Abs. 3 TVG bei betriebsverfassungsrechtlichen Normen nicht zur Geltung kommt. Zum Teil wird der Außenseiter auch auf die Möglichkeit des Koalitionsbeitritts verwiesen.288 So könne sich der Außenseiter jeder Zeit durch Koalitionsbeitritt in den Entscheidungsprozess einschalten. Bei Verzicht auf diese Möglichkeit könne den Tarifvertragsparteien die demokratische Legitimation dem Außenseiter gegenüber nicht abgesprochen werden. Diese Begründung ist bereits deshalb problematisch, weil ein Einfluss auf den Entscheidungsprozess selbst kein zwingendes Element der autonomen Legitimation ist. Eine Form von „aufgedrängter mitgliedschaftlicher Legitimation“ würde die Mitgliedschaft zudem jeglicher legitimationsstiftenden Wirkung berauben, ist mit dem Freiheitscharakter von Art. 9 Abs. 3 GG unvereinbar und würde einen klaren Verstoß gegen die negative Koalitionsfreiheit der Außenseiter darstellen.289 Die Koalitionsfreiheit ist in Art. 9 Abs. 3 GG als Vereinigungsrecht ausgestaltet. Die mitgliedschaftliche Legitimation der Koalitionen stellt damit eine verfassungsimmanente Beschränkung dar.290 Denn während bei anderen Grundrechten – wie z. B. Art. 4 Abs. 2 GG – die Ausübungsfreiheit ausdrücklich geschützt ist, umfasst der Schutz von Art. 9 Abs. 3 GG seinem Wortlaut nach nur den Zusammenschluss zur Ausübung der Koalitionsfrei283

BVerfGE 44, 322, 341; E 64, 208, 215. BVerfGE 55, 7, 22. 285 Schwarze, Betriebsrat, S. 163; Wagenitz, Tarifmacht, S. 40 f.; Zöllner, RdA 1962, 453, 458. 286 Schwarze, Betriebsrat, S. 164 f. 287 Hablitzel, Verbands- und Betriebsratskompetenzen, S. 61; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 193 f., 295; Wlotzke, Günstigkeitsprinzip, S. 28 f. 288 Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 282 ff. 289 Schwarze, Betriebsrat, S. 165; eingehend dazu: D.III. 290 Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 192, 200; vgl. a. Anderson, Verbandsrechtliche Stellung, S. 71 ff., 80. 284

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heit. Gewährleistungsvoraussetzung von Art. 9 Abs. 3 GG auch für weitere Elemente der Freiheitsverbürgung ist also stets die Freiheit des Einzelnen zur zweckgerichteten Kollektivbildung.291 Grundlage der dadurch geschützten Tarifautonomie ist die das gesamte Tarifsystem prägende Freiwilligkeit des Verbandsbeitritts.292 Eine Erstreckung der Tarifnormen auf nichtorganisierte Arbeitnehmer als Ausdruck einer übergeordenten Gesamtrepräsentation lässt sich somit weder mit dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 GG noch mit seiner systematischen Stellung vereinbaren.293 d) Zwischenergebnis Wegen des mittelbaren Bezugs zum Arbeitsverhältnis gehört die Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen zu den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen i. S. v. Art. 9 Abs. 3 GG. Eine entsprechende Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien ist Teil der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie. Diese Normsetzungsautonomie besteht aber nur gegenüber den Verbandsmitgliedern.294 Jede Lockerung des mitgliedschaftlichen Bezuges bedeutet eine Lösung von den freiheitlichen Grundlagen der Tarifautonomie. Eine legitime Normsetzung gegenüber den Außenseitern im Sinne einer Repräsentanz oder Berufsorganschaft würde eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Ausnahme zur rechtsstaatlichen Legitimationsgarantie darstellen.295

291 So v. a.: Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 175 ff., vgl. a. Friese, Koalitionsfreiheit, S. 48 ff. 292 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 309; Nikisch, AR Bd. II, S. 54; Richardi, NZA 1988, 673, 676; Zöllner, RdA 1962, 453, 459. 293 Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 55 ff., 67, ff.; H. Hanau, RdA 1996, 158, 166; Lieb, Rechtsnatur, S. 75; Loritz, ZTR 1990, 462; ders. in: FS für Zöllner, S. 865, 870 f.; Picker, ZfA 1998, 573 ff., 604 ff., 690 ff.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 214 f.; ders., ZfA 1990, 211 ff., 217; ders., DB 1990, 1613 ff., 1614; Rieble, RdA 1993, 140, 142; Schwarze, Betriebsrat, S. 197; Schüren, RdA 1988, 138, 142 ff.; Wagenitz, Tarifmacht, S. 36 ff., 41 ff., 45; A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 87 ff., 95 f.; vgl. unter A.I.2.c)bb). 294 Richardi, NZA 1988, 673, 676; Zöllner, RdA 1962, 453, 458. 295 Beuthien, ZfA 1984, 1, 18; Kraft, ZfA 1973, 243, 249; Püttner, BB 1987, 1122, 1125; Richardi, Kollektivgewalt, S. 243, 247 ff.; Schwarze, Betriebsrat, S. 198.

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4. Betriebsverfassungsrechtliche Normsetzungsbefugnisse im TVG Dass betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen nur betriebseinheitlich normiert werden können und es den Arbeitnehmerkoalitionen i. d. R. an der notwendigen mitgliedschaftlichen Legitimation durch jeden einzelnen Belegschaftsangehörigen (und damit an der notwendigen autonomen Regelungsgrundlage) fehlen wird, bedeutet allerdings nicht, dass tarifvertragliche Normsetzungsbefugnisse auf dem Gebiet der Betriebsverfassung grundsätzlich ausgeschlossen sind. So können privat gesetzte Rechtsnormen nicht nur auf autonomer, originärer Rechtsgrundlage geschaffen werden („private Normsetzung“), sondern auch auf delegierter, derivativer Grundlage („Normsetzung durch Private“) beruhen. Nach weit verbreiteter Ansicht stellt das TVG die Grundlage einer solchen betriebsverfassungsrechtlichen Regelungskompetenz dar.296 a) §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 TVG als eigene Regelungsgrundlage Teilweise wird die sachlich-gegenständliche Regelungszuständigkeit unter Hinweis auf den Wortlaut aus § 1 Abs. 1 TVG abgeleitet, indem alles, was Gegenstand eines Tarifvertrages sein kann, zu den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen i. S. v. Art. 9 Abs. 3 GG gezählt wird.297 Durch § 1 Abs. 1 TVG werde unmittelbar der Umfang der Tarifautonomie sachlich-gegenständlich begrenzt.298 § 1 Abs. 1 TVG sei die ausdrückliche Ermächtigung zur Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen299 und damit der staatliche Delegationsakt, mit dem den Tarifvertragsparteien zumindest die aufgeführten Bereiche zur Regelung übertragen seien.300 Die persönliche Normsetzungsbefugnis resultiert nach dieser Ansicht aus § 3 Abs. 2 TVG, der folglich eine Ausnahme vom Grundsatz darstellen würde, dass die tarifautonome Normsetzungsbefugnis ihre Grenzen im eige296 Beuthien, ZfA 1986, 131, 135; Däubler, TVR, Rn. 1032; Feichtinger, Regelungsbefugnis, S. 80; Herschel, AcP 170, 556, 558; Meier-Krenz, DB 1988, 2149; Oetker in: Wiedemann, TVG § 1 Rn. 591; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 8. 297 Gamillscheg, AR Bd. I, S. 219; Knebel, Koalitionsfreiheit, S. 53. 298 Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 246 Rn. 53; Peters/Ossenbühl, Übertragung, S. 13 ff. 299 Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 100 ff.; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 29; Zöllner/Loritz, AR, S. 337. 300 BAGE 1, 258, 262, E 4, 240, 250; E 59, 217, 221; Friese, Koalitionsfreiheit, S. 120 ff., 123; Hueck/Nipperdey, AR II S. 346 ff.; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 246 Rn. 53; Peters/Ossenbühl, Übertragung, S. 13 ff.; Säcker/Oetker Tarifautonomie, S. 100 ff.; Söllner, NZA 1996, 897, 899.

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nen Mitgliederbestand findet.301 Die Tarifgebundenheit wird als generelle Allgemeinverbindlicherklärung auf die Außenseiter erstreckt302 bzw. durch § 3 Abs. 2 TVG an die Tarifvertragsparteien delegiert.303 Dies folge aus dem Wortlaut, nach dem die Tarifbindung der Arbeitnehmer in einem Betrieb für die normative Geltung unerheblich sei. b) Wortlaut Tatsächlich ist der Wortlaut von §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 TVG wenig eindeutig.304 So wird in § 1 Abs. 1 TVG lediglich bestimmt, was Inhalt eines Tarifvertrages sein kann. Diese distanzierte Formulierung belegt, dass der Gesetzgeber diese Bestimmung nicht als konstitutive Norm zur Regelung der Grenzen der Tarifmacht oder gar zur Befugnisdelegation ausgestaltet hat. Auch dem Wortlaut von § 3 Abs. 2 TVG ist nicht entnehmbar, dass damit eine Ausweitung der Regelungsbefugnis mit unmittelbarer Wirkung für Außenseiter verbunden ist.305 Der Wortlautvergleich mit § 5 Abs. 4 TVG, der die Wirkung der tarifvertraglichen Rechtsnormen ausdrücklich auf die nicht tarifgebundenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ausweitet, zeigt, dass § 3 Abs. 2 TVG mit der Formulierung, dass Tarifnormen für alle Betriebe gelten, gerade keine Ausweitung der Tarifgebundenheit anordnet. Der nur vage und unpräzise Wortlaut spricht eher gegen als für die Annahme, dass nach dem Willen des Gesetzgebers mit §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 TVG eine umfassende Befugnisdelegation verbunden ist.306 c) Funktion des TVG Art. 9 Abs. 3 GG verpflichtet den Staat, den Koalitionen einen Raum frei von staatlicher Rechtssetzung zu belassen, um in eigener Verantwortung und im Wesentlichen ohne staatliche Einflussnahme die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens zu verwirklichen.307 Art. 9 Abs. 3 GG ist also nicht nur Abwehrrecht, sondern enthält auch 301

Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 127. E. R. Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht Bd. II, S. 437; Kempen/Zachert/ Zilius, TVG, § 3 Rn. 12; Nikisch, AR II, S. 300; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 135; Schneider in: FS für Möhring, S. 521, 535; Thüsing, ZIP 2003, 693, 698. 303 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 298 f. 304 Schwarze, Betriebsrat, S. 58, Wagenitz, Tarifmacht, S. 52. 305 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 297; Reuter, RdA 1994, 251, 265; Wiedemann, TVG § 3 Rn. 128. 306 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 297. 307 BVerfGE 44, 322, 341; A.I.2.a). 302

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einen Gestaltungsauftrag, ein funktionierendes Tarifvertragssystem zu schaffen, damit die Koalitionen ihre Funktion sinnvoll erfüllen können.308 Mit der Schaffung des TVG entspricht der Gesetzgeber diesem Verfassungsauftrag309 und erkennt die tarifautonome Regelungsbefugnis im Sinne der Geltungsbefehlslehre an. Mit dem TVG existiert eine gesetzliche Regelung, in der Umfang und Grenzen tarifvertraglicher Normsetzung bestimmt werden. Es handelt sich indes nicht um eine Delegations-, sondern um eine Ausgestaltungsnorm.310 Dabei wird allerdings nicht die Regelungsbefugnis selbst311, sondern nur der Tarifvertrag als ein Regelungsinstrument anerkannt.312 Die Ausgestaltung erfolgt somit nicht unmittelbar, sondern nur in distanzierter Form, indem der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien lediglich ein Instrument zur Ausübung ihrer (tarifautonomen) Befugnisse an die Hand gibt. § 1 Abs. 1 TVG gibt also nur an, was Gegenstand eines solchen Tarifvertrages sein kann.313 Ob die Tarifvertragsparteien tatsächlich die Befugnis besitzen, diese möglichen Bereiche zu regeln, wird nicht bestimmt, sondern vorausgesetzt.314 Ebenso wird in § 3 Abs. 2 TVG lediglich festgelegt, unter welchen personellen Voraussetzungen ein Tarifvertrag Normen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen enthalten kann.315 Das TVG ist somit nicht die tarifautonome Regelungsgrundlage, sondern lediglich die Anordnung des normativen Geltungsbefehls für bestimmte Regelungsmaterien.316 Seiner Funktion nach ist dem TVG für die Bestimmung der Grenzen der autonomen Regelungsbefugnis somit keine Aussage zu entneh308 BVerfGE 4, 96, 108; E 18, 18, 28; E 20, 312, 317; E 38, 281, 305 f.; E 44, 322, 341 f.; E 50, 290, 369; zu den Grundrechtsnormen als Verkörperung einer objektiven Werteordnung: BVerfGE 7, 198, 204 (sog. Lüth-Urteil). 309 BVerfGE 4, 96, 108 f.; E 20, 312, 317; E 50, 290, 369; E 57, 220, 246; Weyand, Tarifvertragliche Mitbestimmung, S. 84; Unerheblich ist dabei, dass bereits zur Zeit des Inkrafttretens des Grundgesetzes das Tarifvertragssystem in dem damals bereits geltenden TVG enthalten war, vgl. BVerfGE 20, 312, 317. 310 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 167 f. 311 Zöllner (AR, S. 375) sieht dagegen das TVG als Grundlage der Tarifautonomie; vgl. a.: Loritz, Tarifautonomie, S. 71 f. 312 Es geht also um die „Festlegung des Modus“, so: Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 32. 313 Vgl. Wortlaut; so auch: Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 140. 314 Das TVG setzt also dem Gestaltungsmittel „Tarifvertrag“ (sachliche und persönliche) Grenzen, unabhängig von den Grenzen der Gestaltungsbefugnis. Es ist nach der tarifvertraglichen Regelungsbefugnis und der tarifautonomen Regelungsbefugnis zu unterscheiden. Im ersten Fall ist die Befugnis durch das Regelungsmittel beschrieben, im zweiten durch ihre Regelungsgrundlage. So wie tarifautonome Befugnisse auch mit anderen Mitteln als durch Tarifvertrag ausgeübt werden können, so können tarifvertragliche Regelungen auch auf anderen als tarifautonomen (d.h. delegierten) Befugnissen beruhen; dazu: C.I.2.b). 315 So auch Oetker in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 128. 316 Rupp, JZ 1989, 919, 922; Weyand, AuR 1991, 65, 67.

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men.317 Ein extensives Verständnis von §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 TVG steht somit im Widerspruch zur Funktion des TVG. d) Verfassungsrechtliche Bedenken aa) Inhaltlich unbestimmte Delegation Das auf der Delegationstheorie318 aufbauende Verständnis des TVG als eigenständige Regelungsgrundlage begegnet darüber hinaus verfassungsrechtlichen Bedenken.319 Denn wie bereits erläutert, sind an die einfachgesetzliche Delegation von staatlichen Normsetzungsbefugnissen strenge, aus dem Rechtsstaatsprinzip resultierende verfassungsrechtliche Maßstäbe anzulegen. Bereits wegen ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit hinsichtlich der Grenzen für die Normsetzungsbefugnis betriebsverfassungsrechtlicher Fragen können §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 2 TVG diese Anforderungen als derivative Regelungsgrundlage nicht erfüllen. Auch andere Instrumente zur inhaltlichen Rückführbarkeit auf den parlamentarischen Gesetzgeber oder zur inhaltlichen Kontrolle bestehen nicht.320 Weder § 1 Abs. 1 noch § 3 Abs. 2 TVG können also die rechtsstaatlichen Voraussetzungen einer Delegationsnorm erfüllen.321 bb) Legitimatorisches Defizit Bei § 3 Abs. 2 TVG kommt noch hinzu, dass mit der Ausweitung der Regelungsbefugnis auf die Außenseiter die Legitimationsfrage aufgeworfen wird. Die Auslegung von § 3 Abs. 2 TVG als konstitutive Ausweitung der personellen Reichweite begegnet den gleichen legitimationsrechtlichen Bedenken322, wie sie auch gegen die Delegationstheorien bestehen.323 Da 317

Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 140; vgl. a. Weyand, AuR 1991, 65, 67; Zöllner, RdA 1962, 453, 459. 318 Dazu eingehend: A.I.1.a). 319 Reuter (RdA 1994, 251, 265) kritisiert zutreffend, dass die Legitimationsfrage in den entsprechenden Entscheidungen des BAG (BAGE 56, 18 ff., E 57, 317 ff.) nicht problematisiert wurde. 320 Zöllner, RdA 1962, 453, 456 f. 321 Richardi, Kollektivgewalt, S. 243, 247 ff.; ders., NZA 1988, 673, 676; Püttner, BB 1987, 1122, 1125; Reuter in: FS für Schaub, S. 605, 618 f.; Zöllner, RdA 1962, 453, 459. 322 Vor allem: Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 67 ff.; vgl. a. Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 307 ff.; Lieb, RdA 1967, 441; Richardi, Kollektivgewalt, S. 229 ff.; Zöllner, RdA 1964, 443, 446 f. 323 Vgl. A.I.1.g)aa).

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lediglich auf die einheitliche Geltung im Betrieb abgestellt wird, würde § 3 Abs. 2 TVG noch nicht einmal die Tarifgebundenheit eines einzigen Betriebsangehörigen voraussetzen.324 Es geht tatsächlich also nicht um die Ausdehnung der Tarifmacht auf die Außenseiter im Interesse der koalitionsangehörigen Belegschaftsmitglieder.325 § 3 Abs. 2 TVG fehlt es auch an der legitimationsrechtlich erforderlichen Bestimmtheit sowie an den entsprechenden Lenkungs- und Kontrollinstrumenten zur Wahrung des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips. Keinesfalls ist es mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vereinbar, dass § 3 Abs. 2 TVG als eine „gerechtfertigte dynamische Verweisung“ von den Außenseitern hingenommen werden muss.326 Durch § 3 Abs. 2 TVG werden keine auf Art. 9 Abs. 3 GG beruhenden Regelungsbefugnisse auf nicht organisierte Arbeitnehmer erstreckt.327 Alle befugniserweiternden Ansätze führen nur zu einer Loslösung der tarifautonomen Normsetzungsbefugnis von ihrer freiheitlichen Regelungsgrundlage und stellen somit einen Verstoß gegen geltendes Verfassungsrecht328 dar. § 3 Abs. 2 TVG stünde bei derartiger Auslegung im eklatanten Widerspruch zu der das Tarifsystem prägenden, freiheitlichen Regelungsgrundlage.329 Die Auslegung von § 3 Abs. 2 TVG als staatliche Delegation zur Erweiterung der Tarifmacht auf Außenseiter ist aus Verfassungssicht daher ebenso unhaltbar wie die Deutung als Anerkennung einer umfassenden autonomen Regelungsbefugnis.330 cc) Verfassungskonforme Auslegung von § 3 Abs. 2 TVG Angesichts des nicht eindeutigen Wortlauts hat vor der Annahme der Verfassungswidrigkeit der Versuch zu stehen, § 3 Abs. 2 TVG verfassungskon324 Darauf weist Thüsing (ZIP 2003, 693, 698) zutreffend hin, zieht daraus aber ohne weitere Begründung den Schluss, dass es sich bei betriebsverfassungsrechtlichen Normen um einen Bereich handele, in dem Legitimation nicht erforderlich sei. 325 So aber: Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 42 ff.; Wagenitz Tarifmacht, S. 47. 326 So aber: Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 245 Rn. 46; eingehend dazu: C.I.2., C.I.3. 327 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 310 f. 328 Zu den Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips bei autonomer Normsetzung: C.I.; zum verfassungsrechtlichen Konflikt von fremder Normsetzung mit der negativen Koalitionsfreiheit: D.III.2.d), D.III.3. 329 Richardi, NZA 1988, 673, 676. 330 Buchner (TVG und Koalitionsfreiheit, S. 67 ff.) kommt in seiner Untersuchung daher zum Ergebnis, dass die herrschende Auslegung von § 3 Abs. 2 TVG verfassungswidrig sei, allerdings nicht wegen eines Verstoßes gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. Vielmehr führt er ein entsprechendes Legitimationserfordernis auf die negative Koalitionsfreiheit zurück. Vgl. a.: H. Hanau, RdA 1996, 158, 166.

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

form auszulegen.331 Die obigen Ausführungen haben gezeigt, dass das TVG in erster Linie eine Ausgestaltungsregelung ist, die keine eigene Regelungsgrundlage schafft. Die Festlegung, was und wie in einem Tarifvertrag geregelt werden kann, setzt eine entsprechende Befugnis voraus. Eine Normsetzungskompetenz gegenüber Außenseitern kann der Gesetzesfassung unmittelbar nicht entnommen werden. Keiner verfassungskonformen Auslegung bedarf die Lehre vom Betriebsverhältnis.332 So stellt § 3 Abs. 2 TVG lediglich auf die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers ab, dessen Weisungsrecht dieser Ansicht nach als Brücke für die Inhaltswirkung bei den Außenseitern diene. Der Eingriff in Freiheitsrechte des Außenseiters erfolge also auf Grund des Arbeitsvertrags, mittels dessen der Arbeitgeber berechtigt sei, formelle Arbeitsbedingungen einseitig festzulegen. Auch wenn die Lehre vom Betriebsverhältnis die Tarifmacht der Gewerkschaften nicht in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise auf die Außenseiter ausweitet, ist sie aber mit dem Wortlaut von § 3 Abs. 2 TVG unvereinbar. Eine Zweiteilung der Rechtswirkungen betriebsverfassungsrechtlicher Tarifverträge wäre damit zwar verfassungskonform, ist allerdings nicht vom TVG vorgesehen.333 Die Formulierung von § 3 Abs. 2 TVG, dass betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen „für alle Betriebe gelten, deren Arbeitgeber tarifgebunden sind“, bringt zum Ausdruck, dass anders als bei § 3 Abs. 1 TVG Differenzierungen nach der Tarifgebundenheit des einzelnen betriebsangehörigen Arbeitnehmers ausgeschlossen sind. Die dem Wortlaut nach einzige Voraussetzung ist die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers. Adressat auf Arbeitnehmerseite ist die Betriebsbelegschaft als Ganzes, so dass betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen betriebseinheitlich gelten.334 Die h. M. zieht daraus den Schluss, dass die Tarifgebundenheit der Arbeitnehmer entbehrlich sei. § 3 Abs. 2 TVG würde so konstitutiv die Tarifmacht der Gewerkschaften erweitern. Dies folgt aber gerade nicht aus dem Wortlaut und würde stattdessen einen verfassungsrechtlich unzulässigen Verzicht auf die für die Außenseitererstreckung erforderliche Legitimation bedeuten. Es wäre im Gegenteil atypisch, wenn das TVG mit seiner Funktion als Ausgestaltung des Gestaltungsmittels „Tarifvertrag“ und dessen Wirkungen in § 3 Abs. 2 TVG gleichzeitig eine Erweiterung der Regelungsgrundlage enthielte. Rege331 Zöllner, RdA 1962, 453, 459; ders., RdA 1964, 443, 446 f.; vgl. a.: Schwarze, Betriebsrat, S. 60; allgemein zur verfassungskonformen Auslegung: BVerfGE 2, 266, 282; E 59, 350 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 339 m. w. N. 332 Richardi, Kollektivgewalt, S. 229 ff., 237; zur Lehre vom Betriebsverhältnis: C.I.1.c). 333 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 299. 334 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 297.

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lungsbefugnis und Regelungsinstrument sind gerade nicht deckungsgleich. So wie die Tarifautonomie auch mit anderen Gestaltungsmitteln als dem Tarifvertrag ausgeübt werden kann, können auch Bereiche tarifvertraglich geregelt werden, die nicht von der Tarifautonomie umfasst sind.335 Die betriebseinheitliche Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen ist daher nicht nur sinnvoll336, sondern ist so auch gesetzlich vorgeschrieben. e) Zwischenergebnis Die Regelung betriebsverfassungsrechtlicher Fragen erfolgt gegenüber Mitgliedern der Gewerkschaft grundsätzlich in Wahrnehmung tarifautonomer Regelungsbefugnisse. Regelungen gegenüber Außenseitern können nur aufgrund delegierter Befugnis erfolgen, für die das TVG keine Delegationsgrundlage darstellt.337 Die tarifautonomen Regelungsbefugnisse werden durch die Anerkennung des normativ wirkenden Tarifvertrags im TVG ausgestaltet, ohne jedoch die Voraussetzungen für eine bestimmte Form der Legitimation vorzuschreiben. Ausreichende Legitimation wird vielmehr vorausgesetzt, indem die Tarifgebundenheit in § 3 Abs. 1 TVG auf den Mitgliederkreis begrenzt wird. Die Mitgliedschaft338 ist für die tarifautonomen Regelungsbefugnisse nach der gesetzgeberischen Ausgestaltung die einzige legitimatorische Voraussetzung ihrer Anerkennung.339 § 3 Abs. 2 TVG erweitert nicht die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien auf die Außenseiter, sondern beschränkt die Tarifmacht, indem die betriebseinheitliche Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen angeordnet wird.340

335 § 3 Abs. 2 TVG legt also nicht die persönliche Grenze der Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien fest, sondern grenzt die möglichen Regelungsbereiche des Tarifvertrags ein. 336 Dazu, dass betriebsverfassungsrechtliche Regelungen sinnvoll nur einheitlich gegenüber der Gesamtbetriebsbelegschaft erfolgen können (Postulat der Einheitlichkeit): A.I.3.c)aa). 337 Zutreffend: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 189. 338 Zum Begriff: Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 30 ff. 339 So auch: Richardi in: FS für Wißmann, S. 159, 172. 340 Ähnlich: Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1514 ff.

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

II. Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung Die Beschränkung tarifautonomer Regelungsbefugnisse für die Betriebsverfassung auf den eigenen Mitgliederkreis und das strikte Erfordernis einer betriebseinheitlichen Geltung stehen in einem scheinbar unüberbrückbaren Gegensatz.341 Möglich ist aber, dass tarifvertragliche Befugnisse auch auf anderer Grundlage als der Tarifautonomie beruhen. Gerade das BetrVG enthält zahlreiche Normen, in denen den Tarifvertragsparteien betriebsverfassungsrechtliche Befugnisse eingeräumt werden.342 Diese bestehen neben den betriebsverfassungsrechtlichen Befugnissen i. S. v. § 3 Abs. 2 TVG, ohne Normen in diesem Sinne zu sein.343

1. Verhältnis vom BetrVG zum TVG Wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – mit der h. M. annimmt, dass bereits das TVG eine umfassende betriebsverfassungsrechtliche Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien enthält, bleibt unklar, welche Funktion das BetrVG in Bezug auf diese Befugnisse erfüllt. Soweit das BetrVG nicht eingreift, kommt die tarifliche Regelungsbefugnis über betriebsverfassungsrechtliche Fragen nach § 3 Abs. 2 TVG voll zur Geltung.344 Das BetrVG mit seinen zahlreichen Zulassungstatbeständen tarifvertraglicher Regelungen würde diese umfassende Aufgabendelegation des TVG in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen mit seinen begrenzten Zulassungstatbeständen aber wieder entziehen und nur unter eng begrenzten Voraussetzungen wieder aufleben lassen.345 Dies ist aber schon mit dem Wortlaut von § 2 Abs. 3 BetrVG nur schwer vereinbar, nachdem die Aufgaben der Tarifvertragsparteien durch das BetrVG noch nicht einmal berührt werden sollen.346 Mag das TVG his341 So betrachtet erweist sich § 3 Abs. 2 TVG als eine Beschränkung der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien. 342 Vgl. Giesen, Rechtsgestaltung, S. 307. 343 So: Eich in: FS für Weinspach, S. 17, 22; Picker, RdA 2001, 259, 286; ablehnend: Thüsing, ZIP 2003, 693, 698. 344 Däubler in: D/K/K, BetrVG, Einl. Rn. 73; ders., Grundrecht, S. 381 ff.; Kempen/Zachert/Zilius, TVG § 1 Rn. 297 f. 345 Das BetrVG wäre eine Rückdelegation der Befugnisse, die durch das TVG bereits übertragen wären. 346 Vgl. Richardi, BetrVG, § 2 Rn. 38, 139 ff.

II. Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen

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torisch bedingt als Grundlage einer umfassenden betriebsverfassungsrechtlichen Befugnis gegolten haben,347 spätestens mit der Regelung des BetrVG vom 11. Oktober 1952 ist diese Befugnis wieder entfallen („lex posterior derogat legi priori“).348 Geht man von einer Trennung der Regelungsgegenstände von TVG und BetrVG aus, ergeben sich zwischen BetrVG und TVG keine unmittelbaren Konflikte: Das TVG als Ausgestaltung des Regelungsinstrumentes „Tarifvertrag“ enthält lediglich allgemeine Regelungen zu den Wirkungen betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen und die abstrakte Erteilung des staatlichen Geltungsbefehles als Voraussetzung für die Ausübung solcher Befugnisse durch Tarifvertrag. Sofern die Tarifvertragsparteien also die entsprechende Befugnis besitzen, betriebsverfassungsrechtliche Regelungen auch gegenüber der Gesamtbelegschaft zu treffen, können sie sich dafür des Gestaltungsmittels des Tarifvertrages in der Ausgestaltung des TVG bedienen. Über welche Regelungsbefugnisse die Tarifvertragsparteien im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung verfügen, lässt sich dagegen ausschließlich dem BetrVG entnehmen. Sofern das BetrVG dabei auf den Tarifvertrag als Gestaltungsmittel verweist (wie z. B. in § 3 BetrVG), kommt – sofern ausdrücklich nichts Abweichendes bestimmt ist – das TVG zu Geltung.

2. Tarifdispositivität des BetrVG Während die Frage der Tarifdispositivität im Zusammenhang mit der Erweiterung der Mitbestimmungsrechte umstritten ist349, herrscht bei der zu behandelnden Problematik der Regelung der Betriebsorganisation weitgehend Einigkeit, dass der Gesetzgeber mit dem BetrVG diesbezüglich eine abschließende und zwingende Regelung geschaffen hat. Tarifvertragliche Regelungen sind deshalb nur nach Maßgabe des BetrVG zulässig.350 Jedenfalls im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassungsorganisation stehen 347 Zur Entwicklung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifvorschriften: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 7 ff., 86 ff.; Richardi, Kollektivgewalt, S. 242 f. 348 Richardi, Kollektivgewalt, S. 243, 246 ff.; vgl. a.: Püttner, BB 1987, 1122, 1125; Reuter in: FS für Schaub, S. 605, 618 f. 349 Däubler, TVR, Rn. 1053 ff.; Gamillscheg, AR Bd. I S. 596 f.; Löwisch/ Rieble, TVG, § 1 Rn. 137, Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 200 ff.; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 598 m. w. N.; dagegen: Richardi, Kollektivgewalt, S. 251 ff., 256 f.; Zöllner/Loritz, Arbeitsrecht, S. 349 f. 350 BAGE 25, 60, 69 f.; E 27, 33, 41 f.; Däubler, TVR, Rn. 1034; Jahnke, Tarifautonomie, S. 192; v. Hoyningen-Huene in: MünchArbR, § 297 Rn. 93; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 596; „Differenzierte Auflösung des Konkurrenzverhältnisses“, so: Säcker/Oetker, Tarifautonomie S. 173 f.

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

den Tarifvertragsparteien Regelungsbefugnisse damit nur insoweit zu, als dies ausdrücklich zugelassen ist.351

3. Eingriff des BetrVG in die Koalitionsbetätigungsfreiheit a) Konkurrierende Befugnisse als Beeinträchtigung der Tarifautonomie Jede staatliche Regelung im sachlichen Anwendungsbereich der Tarifautonomie tritt in deren Konkurrenz und beeinträchtigt grundsätzlich die Koalitionsbetätigungsfreiheit. Das Verhältnis staatlicher zu tarifautonomer Regelungsbefugnis stellt sich im Sinne der allgemeinen Grundrechtsdogmatik als Eingriff des Staates in eine verfassungsrechtlich geschützte Position dar.352 Da einerseits betriebsverfassungsrechtliche Fragen wegen ihres Bezuges zum Arbeitsverhältnis der tarifautonomen Betätigungsgarantie unterliegen353 und andererseits die gesetzliche Betriebsverfassungsorganisation allgemein für nicht tarifdispositiv erachet wird, wird teilweise vertreten, dass das BetrVG in verfassungsrechtlich bedenklicher Weise in Art. 9 Abs. 3 GG eingreifen würde.354 Diese Ansicht basiert aber darauf, dass die Tarifvertragsparteien Regelungen im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung nur aufgrund ihrer tarifautonomen Regelungsgrundlage in Art. 9 Abs. 3 GG treffen. Betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeit als Teil der Tarifautonomie bedeutet allerdings gerade nicht, dass die Tarifvertragsparteien in diesem Bereich ein Monopol haben. Es ist dem Gesetzgeber daher unbenommen, auf diesem Gebiet selbst tätig zu werden.355 Zwar schützt Art. 9 Abs. 3 GG auch die auf den eigenen Mitgliederkreis beschränkten, tarifautonomen Regelungsbefugnisse auf dem Gebiet der Betriebsverfassungsorganisation.356 Auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte wie Art. 9 Abs. 3 GG können durch Gesetz eingeschränkt werden, wenn der gesetzgeberische Eingriff „zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten“ ist.357 Der staatliche Gesetzgeber ist bei der Ausübung seiner Befugnisse gehalten, die tarifautonomen Regelungsbefugnisse zu berücksichtigen und seine Befugnisse nur auszuüben, wenn der darin liegende Eingriff in 351 Zu den „Zulässigkeitsvoraussetzungen“ zweiseitig zwingender Normen: Heise, Zulässigkeit, S. 188 ff., 223. 352 Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 271. 353 Vgl. A.I.3.b). 354 Kittner, AK-GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 68. Insbesondere der noch in § 3 Abs. 2 BetrVG 1972 vorgesehene Genehmigungsvorbehalt sei mit der verfassungsrechtlichen Garantie der Tarifautonomie nicht vereinbar. 355 BVerfGE 50, 290, 371 f.; Döttger, Normsetzung, S. 151 f. 356 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 23 ff.; vgl. o. A.I.3.b)ee).

II. Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen

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Art. 9 Abs. 3 GG „zum Schutze anderer in der Verfassung niedergelegter Rechtsgüter“358 gerechtfertigt ist. Regelungen, die nicht in dieser Weise gerechtfertigt sind, greifen in den durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Schutzbereich der Koalitionsbetätigung ein.359 Grundsätzlich setzt ein Eingriff in die positive Koalitionsbetätigungsfreiheit aber voraus, dass die funktionsgerechte Ausübung beeinträchtigt bzw. unmöglich gemacht wird.360 Fraglich ist also, ob durch das BetrVG eine tarifautonome Gestaltung der Betriebsverfassung tatsächlich unmöglich gemacht wird.361 Wenn man die gesetzliche Betriebsverfassung als (rechtswidrigen) Eingriff in die verfassungsmäßig geschützte Koalitionsfreiheit versteht, wird dies stillschweigend vorausgesetzt. Tatsächlich hängt die Frage der Tarifdispositivität aber nur scheinbar mit dem so unterstellten Ausschließlichkeitsanspruch des BetrVG zusammen.362 Zwar wird – soweit dies nicht ausdrücklich geregelt ist – in einem souveränen Staat anzunehmen sein, dass eine gesetzliche Regelung andere autonome Bestimmungen auf diesem Gebiet ausschließt. Im BetrVG ist allerdings in § 2 Abs. 3 ausdrücklich bestimmt, dass durch das BetrVG die Aufgaben der Tarifvertragsparteien nicht berührt werden. Es handelt sich also nicht um die Anordnung eines Tarifvorbehaltes oder eines Tarifvorranges, wie er beispielsweise in § 77 Abs. 3363 oder § 87 Abs. 1364 BetrVG enthalten ist. So dient § 77 Abs. 3 BetrVG der Sicherung der ausgeübten und aktualisierten Tarifautonomie, soll die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gewährleisten365 und hat damit seine Grundlage unmittelbar in Art. 9 Abs. 3 GG.366 Das BetrVG enthält indes Regelungen, die an die Ausübung tarifvertraglicher Normsetzungsbefugnisse bestimmte Voraussetzungen knüpfen.367 Gerade § 2 Abs. 3 BetrVG hat nur dann einen Sinn, wenn die tarifautonome Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien auf 357

BVerfGE 50, 290, 369; E 57, 220, 246; allgemein zu den verfassungsimmanenten Schranken vorbehaltlos gewährter Grundrechte: BVerfGE 28, 243, 261; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 301 ff. 358 BVerfG NZA 2001, 777, 778; BVerfGE 84, 212, 228; BVerfG AuR 1996, 111; BVerfGE 94, 268, 284 f. 359 BVerfGE 31, 297, 306; vgl. a. E 19, 303, 322; E 50, 290, 369; E 57, 220, 246. 360 Friese, Koalitionsfreiheit, S. 255; eingehend zur Koalitionsbetätigungsfreiheit siehe unter: D.II.3.b)aa). 361 Schwarze, Betriebsrat, S. 121 f. 362 A. A.: Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 103. 363 Richardi, BetrVG, § 77, Rn. 239 ff.; ders. in: FS für Schaub, S. 639 ff.; Waltermann, Rechtsetzung, S. 263. 364 Richardi, BetrVG, § 87, 143 f., 150 ff.; ders. in: FS für Schaub, S. 639, 642 ff. 365 BAGE 54, 191, 199 ff.; kritisch: Richardi in: FS für Schaub, S. 639, 646 ff. 366 Moll, Tarifvorrang, S. 20 m. w. N. 367 Kritisch daher auch: Friese, Koalitionsfreiheit, S. 239 f.

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

dem Gebiet der Betriebsverfassung neben der gesetztlichen Ausgestaltung im BetrVG fortbesteht.368 Eine nicht tarifdispositive, gesetzliche Betriebsverfassung macht die Ausübung daneben bestehender tarifautonomer Regelungsbefugnisse also nicht unmöglich, tritt aber in Konkurrenz dazu.369 Mittelbar wird die Tarifautonomie in zweierlei Hinsicht beeinträchtigt: Zum einen werden auf dem Gebiet der Betriebsverfassung staatliche Regelungen vorgegeben, ohne Rücksicht darauf, ob eine Koalition überhaupt für ihre Mitglieder eine entsprechende Ordnung zu treffen beabsichtigt.370 Zum anderen verliert die Mitgliedschaft in einer Koalition an Attraktivität, wenn staatlicherseits bereits ein funktionierendes System einer betrieblichen Mitbestimmung vorgegeben wird und die Tätigkeit der Tarifvertragsparteien auf dem Gebiet der Betriebsverfassung nicht selbstständig ist, sondern sich auf den mittelbaren Einfluss innerhalb der gesetzlichen Ausgestaltung beschränkt.371 Auch wenn nicht unmittelbar in tarifautonome Regelungsbefugnisse eingegriffen wird372, birgt 368 In diesem Sinne wohl auch: Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 41; Betriebsverfassungsrechtliche Normsetzungsbefugnis bedeutet also nicht eine umfassende Änderungsbefugnis für die gesetzliche Betriebsverfassung, sondern dass die Tarifvertragsparteien diesen Bereich grundsätzlich auch selbstständig regeln können. Es ist somit durchaus möglich, in einem Tarifvertrag die gleichen oder weitergehende Mitbestimmungsrechte oder betriebliche Mitbestimmungsorgane zu vereinbaren, wie sich im Übrigen auch aus dem TVG ergibt. Das Problem der Tarifvertragsparteien ist es aber, eine derartige Vereinbarung im Betrieb auch gegenüber den Außenseitern durchzusetzen. Denn nur, wenn zu der sachlichen und personellen Regelungszuständigkeit auch die Kompetenz zu deren Durchsetzung hinzukommt, besitzt die Gewerkschaft die Normsetzungsbefugnis, um eine entsprechende Vereinbarung umzusetzen. Dies folgt zum einen aus dem Postulat der Einheitlichkeit zum anderen aber auch aus § 3 Abs. 2 TVG, der die einheitliche Geltung in allen Betrieben voraussetzt, vgl. A.I.3.c)aa) bzw. A.I.4.d)cc). 369 Plander, AiB 1988, 272, 273; Waltermann, Rechtsetzung, S. 262 ff. 370 Zur Relevanz dieser Frage im Rahmen der positiven oder negativen Koalitionsfreiheit: D.II.4., D.III.5. 371 Ob das BetrVG die Einrichtung einer tariflichen Betriebsvertretung der Arbeitnehmer damit „praktisch überflüssig“ (Schwarze, Betriebsrat, S. 103) macht, sei dahingestellt. Der wesentliche Hinderungsgrund einer „tarifautonomen Betriebsverfassung“ ist wohl eher die notwendig betriebseinheitliche Regelung einerseits und die fehlende Normsetzungsbefugnis der Gewerkschaften gegenüber der gesamten Betriebsbelegschaft andererseits. 372 Nur sofern im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen – z. B. durch Betriebsvereinbarung – unmittelbar geregelt werden, wird direkt in die tarifautonome Regelungsbefugnis der Koalitionen eingegriffen. Durch § 2 Abs. 3 BetrVG wird klargestellt, dass die Aufgabe der Gewerkschaften zur unmittelbaren Wahrnehmung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht berührt wird. Parallel sichern Tarifvorbehalte zugunsten des Tarifvertrages diesen Vorrang tarifautomer Betätigung ab (vgl. § 77 Abs. 3 BetrVG); vgl. dazu auch: B.III.

II. Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen

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eine konkurrierende gesetzliche Betriebsverfassung die Gefahr einer Aushöhlung der Koalitionsfreiheit.373 b) Rechtfertigung Jede staatliche Regelung im Bereich des sachlichen Anwendungsbereiches der Tarifautonomie tritt in Konkurrenz zur Koalitionsbetätigungsfreiheit und beeinträchtigt diese grundsätzlich. Art. 9 Abs. 3 GG enthält keine Aussage über den Vorrang der tarifautonomen Regelungsbefugnis gegenüber der staatlichen. Er bindet den staatlichen Gesetzgeber aber insofern bei der Ausübung seiner Befugnisse, als die tarifautonomen Regelungsbefugnisse zu berücksichtigen sind. Grenzen dürfen der Koalitionsbetätigung nur gesetzt werden, wenn dies zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten ist.374 Andererseits können Beschränkungen der Tarifautonomie zulässig sein, wenn diese im Prinzip erhalten und funktionsfähig bleibt.375 aa) Sozialstaatsprinzip als Ausgangspunkt Als Rechtfertigungsgrund von Verfassungsrang findet sich das Sozialstaatsprinzip (Artt. 20 Abs. 1, 28 Abs. 2 GG).376 Die betriebliche Mitbestimmung ist für den Arbeitnehmerschutz von ganz zentraler Bedeutung, indem sie die Chance der Selbstbestimmung der Arbeitnehmer in Bereichen ermöglicht, die sonst einseitig durch den Arbeitgeber bestimmt werden. Unabhängig davon, ob die auf Grundlage des BetrVG geschaffene Betriebsautonomie grundrechtlichen Schutz genießt377, „legitimiert“ das Sozialstaatsprinzip den Gesetzgeber, ein Recht der Mitbestimmung zu schaffen, um den Gedanken der Selbstbestimmung zu verwirklichen.378 Dabei sind 373

Schwarze, Betriebsrat, S. 103 ff. BVerfGE 31, 297, 306; vgl. a. E 19, 303, 322; E 50, 290, 369; E 57, 220, 246; E 84, 212, 228 f.; E 93, 352, 357; E 94, 268, 284 f.; BVerfGE AP Nr. 2 zu § 10 BUrlG Kur; Schwerdtfeger, Koalitionsfreiheit, S. 66. 375 BVerfGE 50, 290, 371 f., 376 ff.; Richardi, Verhandlungen zum 61. DJT Bd. 1 B S. 29. 376 Eingehend: Heise, Zulässigkeit, S. 190 ff. 377 Dagegen: Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 294; Friese, Koalitionsfreiheit, S. 268 ff.; Kreutz, Betriebsautonomie, S. 80 ff., Richardi in: Staudinger, BGB, vor §§ 611 Rn. 976; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1411 ff.; Waltermann, Rechtsetzung, S. 59 f. Für einen verfassungsrechtlichlichen Schutz durch Art. 9 Abs. 3 GG: Meik, Tarifautonomie, S. 107; unter Berufung auf Art. 9 Abs. 1 GG: Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 182 ff., 224; Reuter, ZfA 1995, 1, 61 f.; Reichold, Betriebsverfassung, S. 486 ff. 374

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

allerdings die Grundrechte zu respektieren379, die den Gesetzgeber insbesondere an die Grundentscheidungen von Art. 9 Abs. 3 GG binden.380 Das BetrVG als weitere Form der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen steht Art. 9 Abs. 3 GG also nicht (grundsätzlich) entgegen381, erfordert es aber, dass der Gesetzgeber der damit verbundenen Beeinträchtigung der Koalitionsfreiheit Rechnung trägt.382 bb) Ausgleich zwischen Koalitionsfreiheit und Sozialstaatsprinzip durch Einfluss der Tarifvertragsparteien auf die gesetzliche Betriebsverfassung Die gewerkschaftliche Betätigung ist somit auch in der Betriebsverfassung zu gewährleisten.383 Trotz der Feststellung der verfassungsrechtlichen Garantie eines Vorrangs tarifautonomer Gestaltung ist dessen Inhalt im Hinblick auf die Vorgaben für die gesetzgeberische Gestaltung der Betriebsverfassung konkretisierungsbedürftig.384 Wegen der inhaltlichen Unbestimmtheit des Sozialstaatsprinzips ist grundsätzlich eine restriktive Auslegung geboten.385 Deshalb sind aus dem Sozialstaatsprinzip hinsichtlich des notwendigen und zulässigen Umfangs der Verbandsbeteiligung nur Schlüsse geringer Tragweite zu ziehen.386 Insbesondere ist fraglich, wie Koalitionsfreiheit und Sozialsstaatsprinzip im Einzelnen im Rahmen der praktischen Konkordanz in Ausgleich zu bringen sind.387 Bei der Erfüllung der Pflicht des Staates, für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen388, kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu.389 Wie § 2 Abs. 3 BetrVG im Grundsatz feststellt, 378

Richardi in: Staudinger, BGB, vor §§ 611 Rn. 977 ff.; vgl. a. Müller-Franken, Eingriffe, S. 131; Söllner, NZA 1996, 897, 899; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 104 f.; siehe auch Art. 74 Abs. 2 Nr. 12 GG. 379 Richardi in: Staudinger, BGB, vor §§ 611 Rn. 977, 980 ff. 380 BVerfGE 44, 322, 340 ff.; E 94, 268, 284; E 103, 293, 306. 381 BVerfGE 50, 290, 371 ff. 382 Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 64; Schwarze, Betriebsrat, S. 113 f.: sog. „kompensatorischer Charakter“. 383 BVerfGE 19, 303, 312 ff.; E 50, 290, 372; Richardi in: Staudinger, BGB, vor § 611, Rn. 981. 384 Döttger, Normsetzung, S. 163; Heinze, NZA 1989, 41 f. 385 BVerfGE 27, 253, 283 ff.; BSGE 6, 213, 219. 386 BVerfGE, 59, 231, 263; Hess in: H/S/G, BetrVG, § 2 Rn. 51. 387 Eingehend dazu: Hesse, Grundzüge, Rn. 317 ff.; vgl. a. BVerfGE 59, 231, 262 f. 388 Vgl. BVerfGE 5, 85, 198; E 22, 180, 204; E 27, 253, 283, E 35, 202, 235 f. 389 BVerfGE 18, 257, 273; E 29, 221, 235; E 59, 231, 263.

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soll das BetrVG nicht die Koalitionsbetätigungsfreiheit begrenzen, sondern gewährt ihr einen grundsätzlichen Vorrang, der in den §§ 77 Abs. 3 und 87 Abs. 1 BetrVG konkretisiert worden ist.390 Die Ausgestaltung der Betriebsverfassung ohne jede Möglichkeit zu tarifautonomer Regelung würde folglich einen Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG darstellen.391 Entscheidend für die tarifautonome Regelungsbefugnis auf dem Gebiet der Betriebsverfassung – die Tarifvorbehalte betreffen vor allem den Regelungsbereich der materiellen Arbeitsbedingungen392 – dürfte allerdings sein, inwiefern es dem Gesetzgeber konkret gelungen ist, bei der Einräumung von Aufgaben und Befugnissen in der gesetzlichen Betriebsverfassung für die Tarifvertragsparteien der Koalitionsfreiheit in angemessener Weise Rechnung zu tragen. Dies ist nicht abstrakt, sondern nur konkret anhand der einzelnen Regelung – vorliegend § 3 BetrVG – zu beurteilen.393

4. Mischcharakter von betriebsverfassungsrechtlichen Zulassungsnormen für eine tarifvertragliche Gestaltung der gesetzlichen Betriebsverfassung a) Abgrenzung von staatlichem Eingriff und gesetzlicher Ausgestaltung Das Bundesverfassungsgericht grenzt einen rechtfertigungsbedürftigen Eingriff, der nur „zum Schutze anderer in der Verfassung niedergelegter Rechtsgüter“ gerechtfertigt ist394, von der stets zulässigen Ausgestaltung eines Autonomiebereiches ab.395 Für die Tarifautonomie folge aus Art. 9 Abs. 3 GG nicht nur der Schutz der tarifautonomen Regelungsbefugnisse, sondern auch ein Gestaltungsauftrag an den Gesetzgeber, den Tarifvertragsparteien ein funktionierendes Tarifvertragssystem zur Verfügung zu stellen.396 Da der Gesetzgeber damit erst die Voraussetzungen der Freiheitsausübung regelt, unterlägen derartige Regelungen anderen Anforderungen der Rechtfertigung.397 Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung einen nur eingeschränkt kontrollierbaren Ermessensspielraum.398 Maßstab sei ledig390

Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 52. Däubler, TVR, Rn. 1040, 1055; Trümner, GKK, § 3 Rn. 11. 392 Umstritten; vgl. dazu: B.III. 393 Dazu eingehend: C.II. 394 BVerfG NZA 2001, 777, 778; BVerfGE 84, 212, 228; BVerfG AuR 1996, 111; BVerfGE 94, 268, 284 f.; vgl. A.I.2. 395 BVerfGE 88, 103, 115; E, 92, 26, 41; E 92, 365, 394; vgl. a. Richardi in: Staudinger, BGB, vor §§ 611 ff. Rn. 542. 396 BVerfGE 4, 96, 106; E 44, 322, 341 f. 397 BVerfGE 92, 26, 43. 391

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

lich, dass „die freie Entwicklung der Koalitionen und damit ihr Entscheidungsrecht über ihre Organisationsform nicht sachwidrig gehemmt oder in ihrem Kern angetastet“399 werde. Eindeutige Kriterien, wie die Kategorien von „Freiheitsermöglichung“ und „Freiheitsverkürzung“ voneinander abzugrenzen sind, werden vom Bundesverfassungsgericht allerdings nicht entwickelt.400 Die Ausgestaltung habe sich lediglich am Normziel von Art. 9 Abs. 3 GG zu orientieren und dürfe die Parität der Tarifpartner nicht verfälschen.401 Es besteht ein substantieller Unterschied zwischen der staatlichen Ausgestaltungsbefugnis und der tarifautonomen Regelungsbefugnis402, der eine Konkurrenz von vornherein ausschließt: Regelungsziel einer ausgestaltenden Regelung ist nicht, eine staatliche Regelung zu treffen, die eine Koalition auch für ihre Mitglieder treffen könnte (Eingriffs- bzw. Konkurrenzverhältnis), sondern „der Tarifautonomie ein Gebäude zu errichten“ (Erfüllung des Gestaltungsauftrages).403 Auch der Regelungsgegenstand bei der Ausgestaltung ist unterschiedlich, da keine mit der Tarifautonomie konkurrierenden Regelungen getroffen, sondern vielmehr erst die Grundlage zur Ausübung der tarifautonomen Befugnisse geschaffen wird. Auch wenn dem Gesetzgeber durch die Verfassung im Einzelnen Grenzen und Vorgaben bei der Ausgestaltung auferlegt sind404, liegt darin kein Eingriff in die autonome Regelungsbefugnis. Die Ausgestaltung ist somit freiheitsbegründend (bzw. -ermöglichend) und nicht wie ein Eingriff freiheitsbeschränkend(-verkürzend). Wie bei anderen Grundrechten auch405, kann allerdings auch die Ausgestaltung den Grundrechtsinhaber belasten406, indem der Grundrechtsausübung Grenzen gesetzt werden.407 Derartige Belastungen, die im Einzelfall 398

BVerfGE 4, 96, 108; E 50, 290, 369; E 57, 220, 246. BVerfGE 4, 96, 109. 400 Kritisch: Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 130; vgl. a. Henssler, ZfA 1998, 1, 11 f.; Schwarze, JuS 1994, 653, 658. 401 BVerfGE 92, 26, 41. 402 A. A.: Schwarze, JuS 1994, 653, 658. 403 Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 134. 404 Zur Ausgestaltung der Tarifautonomie durch das TVG: A.I.4.c). 405 Vgl. Bethge in: Sachs, GG, Art. 5, Rn. 154 ff., 158. 406 BVerfGE 12, 45, 53; E, 28, 243, 259; Hesse, Grundzüge, Rn. 306; Jarass, AöR 110, 363, 390 ff.; Löwer in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 24; Ruck, AöR 117, 543, 547. 407 Die Ausgestaltung ist also nicht vollkommen „freiheitsindifferent“ (so auch: Schwarze, JuS 1994, 653, 658). Denkbar sind im Einzelfall aber Grauzonen, in denen die Grenzziehung Schwierigkeiten bereitet. Überzogen dürfte allerdings der Vorwurf sein, diese Differenzierung sei durch die Praxis als „künstliches Konstrukt“ 399

II. Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen

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eine eingriffsgleiche Wirkung für den Grundrechtsinhaber entfalten können, resultieren aus der Aufgabe an den Gesetzgeber, bei der Ausgestaltung widerstreitende Interessen in Ausgleich zu bringen.408 Die unterschiedlichen Maßstäbe, die an die Rechtfertigung von Eingriffen bzw. die Bewertung der Zulässigkeit einer Ausgestaltung zu legen sind, erklären sich aber mit der grundsätzlichen Einzelfallbezogenheit eines Eingriffs, der die Grenzen der tarifautonomen Regelungsbefugnis im Übrigen respektiert, und der generellen Wirkung einer Ausgestaltung, mit der die Grenzen als solche definiert werden. Zwar muss im Gegensatz zur Eingriffsrechtfertigung bei der Ausgestaltung nicht der Schutz von Rechtsgütern von Verfassungsrang verfolgt werden.409 Dafür müssen es die zur Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes angeführten Belange über den Einzelfall hinaus aber rechtfertigen, ganze Regelungsbereiche aus der tarifautonomen Regelungsbefugnis auszugrenzen. b) Betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen als Ausgestaltungsnorm Wenn der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien in Ansehung der Koalitionsbetätigungsfreiheit im BetrVG Befugnisse zur tarifvertraglichen Regelung einräumt, um dafür einen Ausgleich zu schaffen, dass die gesetzliche Betriebsverfassung in Konkurrenz zu den tarifautonomen Regelungsbefugnissen tritt, dann stellen diese Zulassungsnormen nach dieser Definition eindeutig eine Ausgestaltungsnorm der Tarifautonomie dar. c) Betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen als Delegationsnorm Die Annahme, dass betriebsverfassungsrechtliche Zulassungsnormen für eine tarifvertragliche Gestaltung der gesetzlichen Betriebsverfassung ausschließlich auf autonomer Rechtsgrundlage beruhen, ließe allerdings unberücksichtigt, dass den Tarifpartnern mit der Anerkennung der tarifautonomen Befugnisse im BetrVG auch im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung nicht nur eine Gestaltungsbefugnis gegenüber ihren Mitgliedern, sondern auch gegenüber den Außenseitern eingeräumt wird. Durch die beentlarvt, eine präzise Grenzziehung sei (generell) nicht möglich (so aber: Henssler, ZfA 1998, 1, 11). 408 Vgl. BVerfGE 92, 365, 394. 409 Zu den nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts maßgeblichen Gesichpunkten gehören unter anderem schutzbedürftige Belange Dritter oder öffentliche Interessen, vgl. BVerfGE 50, 290, 354, 368; E 84, 372, 378 f.; E 92, 26, 41; E 92, 365, 394; E 94, 268, 284.

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

sondere Zuständigkeitserweiterungen des BetrVG werden die auf Art. 9 Abs. 3 GG beruhenden Regelungsbefugnisse nicht auf nicht organisierte Arbeitnehmer erstreckt.410 Tarifautonome Normsetzungsbefugnisse finden ihre strikte Begrenzung stets im eigenen Mitgliederbestand, so dass sie wegen der notwendigen Betriebseinheitlichkeit i. d. R. nicht ausgeübt werden können.411 Tarifvertragliche Normsetzung gegenüber Außenseitern ist zwar nicht generell ausgeschlossen, sie bedarf jedoch einer zusätzlichen Rechtfertigung.412 Die Konstruktion einer erweiterten Autonomie ist abzulehen.413 So kann private Normsetzung nicht nur auf autonomen Normsetzungsbefugnissen, sondern auch auf staatlicher Rechtssetzungsermächtigung, d.h. auf einem Delegationakt (Normsetzung durch Private) beruhen.414 Gegenüber Dritten bzw. Außenseitern stellt dies in einer freiheitlichen Grundordnung die einzige zulässige Regelungsgrundlage dar.415 Indem der Gesetzgeber im BetrVG den Tarifvertragsparteien eine derartige, in personeller Sicht umfassende Regelungsbefugnis an die Hand gegeben hat, werden die entsprechenden staatlichen Normsetzungsbefugnisse an die Tarifpartner delegiert. Tarifvertragliche Normsetzungsbefugnisse innerhalb der gesetzlichen Betriebsverfassung beruhen, sofern sie gegenüber Außenseitern wirken, zwingend auf delegierter Rechtsgrundlage. Entsprechende Zulassungsnormen müssen also Delegationsnormen sein. d) Betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen als Normen mit Mischcharakter Diese beiden Feststellungen führen zu einem scheinbar unüberbrückbaren Widerspruch: Zulassungsnormen für eine tarifvertragliche Gestaltung der gesetzlichen Betriebsverfassung müssen Ausgestaltungsnormen im Verhältnis zu den eigenen Mitgliedern einer Koalition und zugleich Delegationsnormen im Verhältnis zu den Außenseitern sein. Die Annahme einer reinen Ausgestaltungsnorm ist nicht möglich, weil auf autonomer Grundlage keine Außenseiterbefugnisse begründet werden können. Für eine reine Delegationsnorm müssten Zulassungsnormen mit einer strikten Inhaltsbindung und Staatsaufsicht versehen werden. Dies wiederum würde den Einfluss der Ta410

Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 310 f. Vgl. A.I.3.c). 412 BVerfGE 44, 322, 347 ff.; Seiter, AöR 109, 88, 124 f. 413 Siehe A.I.4.c)bb). 414 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 189 ff.; vgl. A.I.3. 415 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 189 ff.; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1496 ff.; Schlüter in: FS für Lukes, S. 564. 411

II. Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen

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rifvertragsparteien auf die gesetzliche Betriebsverfassung zu stark begrenzen, da tarifvertragliche Strukturregelungen im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung sich in einem Spannungsverhältnis zwischen der Tarifautonomie der organisierten Belegschaftsmitglieder und der Freiheit der Nicht- oder Andersorganisierten befinden.416 Die Tarifvertragsparteien nehmen nicht ihre tarifautonome, sondern eine gesonderte betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeit wahr.417 Bislang wurde bei der Darstellung stets zwischen autonomen Normsetzungsbefugnissen, die auf originärer Grundlage beruhen und lediglich der Anerkennug durch den staatlichen Gesetzgeber bedürfen, sowie derivativen Normsetzungsbefugnissen unterschieden, die einen staatlichen Delegationsakt voraussetzen. Als Regelungsgrundlage für Abweichungen von der gesetzlichen Betriebsverfassung muss die tarifvertragliche Regelungsbefugnis in Ausgestaltung der Tarifautonomie allerdings notwendigerweise mit einer Delegation verbunden werden. Dies ist nicht zwingend ein Widerspruch, da es sich bei einem solchen Mischcharakter weder um eine delegierte Autonomie handelt, noch die übertragene Befugnis ihren Charakter verliert.418 Denn eine Differenzierung nach den jeweiligen Personenverhältnissen (Mitglied oder Außenseiter) ist auch dann möglich, wenn diese Befugnis in einer einheitlichen Norm geregelt wird und damit auf eine gemeinsame rechtliche Grundlage gestellt wird. Bei betriebsverfassungsrechtlichen Zulassungsnormen für eine tarifvertragliche Gestaltung der gesetzlichen Betriebsverfassung handelt es sich also um Normen mit Mischcharakter und damit eine einheitliche Normsetzungsbefugnis auf zwei unterschiedlichen Regelungsgrundlagen. Mischnormen sind insofern freiheitsverkürzend, als einer im Verhältnis zu den Koalitionsmitgliedern autonomen Befugnis zusätzliche Grenzen gezogen werden. Gleichzeitig enthalten sie freiheitsermöglichende Elemente, indem den Tarifvertragsparteien über ihre gemäß § 2 BetrVG ohnehin weiter bestehenden betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenzen hinaus auch in der gesetzlichen Betriebsverfassung weitgehende Befugnisse zur Gestaltung der Betriebsorganisation mit Wirkung für Nichtmitglieder eingeräumt werden. Die ohnehin schwierige Abgrenzung419 der beiden Kategorien „Freiheitsbegründung“ und „Freiheitsverkürzung“, die im Hinblick auf die unter416

Loritz, Tarifautonomie, S. 52 ff. Biedenkopf, Tarifatuonomie, S. 310. 418 Letzteres stellt vor allem das BAG (E 1, 258, 264) als notwendige Folge staatlicher Delegation explizit fest. Ebenso: BAGE 4, 240, 251 f.; Küchenhoff in: FS für Nipperdey Bd. II, 317, 340 f.; Eine Delegation unterscheidet sich von einem Mandat durch die Aufgabenerfüllung in eigenem Namen. 419 Henssler, ZfA 1998, 1, 11 f.; Schwarze, JuS 1994, 653, 658; Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 130. 417

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A. Betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen

schiedliche Rechtfertigung420 entscheidend ist, wird zwar so unmöglich. Tatsächlich bedarf es ihrer bei einer Mischnorm aber auch gar nicht mehr. Es ist vielmehr nicht mehr abzugrenzen, sondern die Norm in ihren Gesamtwirkungen abzuwägen, ob die Erfordernisse von Koalitionsfreiheit und Außenseiter optimal miteinander in Ausgleich gebracht worden sind.421

420

BVerfGE 4, 96, 108; E 50, 290, 369; E 57, 220, 246; E 92, 26, 43. Es handelt sich somit um einen Anwendungsfall der praktischen Konkordanz, bei denen gegensätzliche Position nach den Maßstäben von Verhältnismäßigkeit und Erforderlichkeit in Ausgleich zu bringen sind, vgl.: A.II.3.b)bb) und C.I.4)b). Inwiefern dies bei einer konkreten Norm zulässigerweise gelungen ist, kann allerdings nicht pauschal, sondern nur im Einzelfall beurteilt werden; Eingehend zu § 3 BetrVG: Kapitel C und D, im Besonderen: C.IV und D.IV. 421

B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung der Betriebsverfassung Die maßgebliche Ausprägung erhält die gesetzliche Betriebsverfassungsorganisation in § 1 BetrVG mit der Anknüpfung an den Betrieb als Grundlage einer Arbeitgeber bezogenen Repräsentation der Arbeitnehmer.1 Bestehen in einem Unternehmen mehrere Betriebsräte, ist ein Gesamtbetriebsrat zu bilden (§ 47 Abs. 1 BetrVG). Ein Konzernbetriebsrat wiederum kann durch Beschluss der einzelnen Gesamtbetriebsräte gebildet werden (§ 54 Abs. 1 BetrVG). Maßgebliche Regelungsgrundlage für eine abweichende tarifvertragliche Regelung der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsstruktur innerhalb des BetrVG ist sein § 3.2 So hat der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien (Abs. 1), subsidiär den Betriebspartnern (Abs. 2) bzw. der Betriebsbelegschaft (Abs. 3) im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassungsstruktur Befugnisse eingeräumt, davon abweichende Strukturen zu schaffen. Im Hinblick auf den Tarifvorrang3 werden für die zu beantwortende Frage, ob die gesetzliche Betriebsverfassungsorganisation die Koalitionsbetätigungsfreiheit ausreichend berücksichtigt, nur die tarifvertraglichen Gestaltungsbefugnisse in § 3 Abs. 1 BetrVG näher betrachtet. Indem der Gesetzgeber den Koalitionen wie in § 3 BetrVG betriebsverfassungsrechtliche Befugnisse im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung einräumt, kommt er seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung zur Ausgestaltung der tarifautonomen Befugnisse auf dem Gebiet der Betriebsverfassung nach.4 Die den Tarifvertragsparteien eingeräumten Befugnisse, von der gesetzlichen Betriebsverfassungsorganisation abweichende Strukturen vereinbaren zu können, sind gerade im Vergleich zur ursprünglichen 1

Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 8 ff. So: Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 65. Daneben ergeben sich ähnliche Gestaltungbefugnisse aus § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, sowie aus dem EBRG oder dem SprAuG. Zur Darstellung der sich daraus eröffneten Vereinbarungsmöglichkeiten: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 307 ff.; Spinner, Betriebsverfassung, S. 148 ff. 3 Vgl. unter B.III. 4 Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 60; ders., BB 1972, 1197, 1198; vgl. a. BVerfGE 19, 302, 321. 2

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

Regelung in § 3 BetrVG 1972 sehr weitreichend. Der Tarifautonomie wird geradezu unbegrenzt Geltung verschafft, indem zwar spezifische Voraussetzungen für die Schaffung formuliert werden, diese allerdings im Hinblick auf ihre inhaltliche Unbestimmtheit gar nicht bzw. nur sehr eingeschränkt justitiabel sind.5 Zusätzlich ist das bisherige Genehmigungserfordnis in § 3 Abs. 2 BetrVG 1972 entfallen. Auch ist zu berücksichtigen, dass es den Tarifvertragsparteien in aller Regel zur Ausübung ihrer tarifautonomen Regelungsbefugnis an der umfassenden mitgliedschaftlichen Legitimation und damit an der erforderlichen Regelungskompetenz mangelt. Die Beeinträchtigung der Koalitionsbetätigungsfreiheit ist daher eher theoretischer Natur als eine reale Bedrohung, da auch ohne eine gesetzliche Betriebsverfassung es nach hier vertretener Ansicht den Tarifpartnern i. d. R. an der erforderlichen Tarifmacht zur Durchsetzung betriebsverfassungsrechtlicher Vereinbarungen für die Gesamtbelegschaft fehlt. Der mittelbaren Beeinträchtigung der Tarifautonomie durch die nicht tarifdispositive Betriebsverfassung steht die durch § 3 BetrVG eingeräumte unmittelbare und maßgebliche Einflussmöglichkeit der Tarifvertragsparteien auf die gesetzliche Betriebsverfassung gegenüber. Die ohnehin nur mittelbaren Beeinträchtigungen der Tarifautonomie werden somit durch die tarifvertraglichen Befugnisse im Rahmen der ausgewogenen Gesamtordnung des BetrVG mehr als kompensiert.6

I. Die Reform von § 3 BetrVG Mit dem Reformgesetz zum BetrVG vom 23. Juli 20017 wurde die Betriebsverfassung zahlreichen Änderungen unterworfen, um „das BetrVG zu modernisieren und Arbeitgeber und Betriebsräten eine tragfähige Grundlage für die zukünftige Zusammenarbeit zu geben.“8 Das Ergebnis des ehrgeizigen Reformvorhabens ist neben Änderungen der Arbeitnehmergrenzen für Freistellungen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen in der Öffentlichkeit deutlich mehr Beachtung gefunden haben, u. a. eine vollkommene Neugestaltung der tarifvertraglichen Gestaltungsbefugnisse der betriebsverfassungsrechtlichen Organisationsstruktur in § 3 BetrVG. Mit Hilfe der in § 3 BetrVG eröffneten tarifvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien soll es gelingen, auf die vielfältigen modernen Unternehmensstrukturen besser zu reagieren, als dies durch die starre An5

Siehe dazu: B.II.6. Richardi/Dietz, BetrVG, § 1 Rn. 46; Richardi, Kollektivgewalt, S. 253; Schwarze, Betriebsrat, S. 113 f.; v. Hoyningen-Huene, NZA 1985, 169. 7 Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/5741 = BR-Drucks. 140/01. 8 Begründung des RegE zum BetrVRG, BR-Drucks. 140/01, S. 54. 6

I. Die Reform von § 3 BetrVG

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bindung des Betriebsrates an den Betrieb im Rahmen des als zu eng empfundenen bisherigen § 3 BetrVG möglich war.9 Durch eine Kombination von gesetzlicher und vertraglicher Lösung soll eine verlässliche und tragfähige Betriebsverfassung geschaffen werden, „die in der Lage ist, die bestehende Wirklichkeit in den Unternehmen und Betrieben einzufangen, Spielraum auch für die Zukunft zu geben und die zunehmende Erosion der betrieblichen Mitbestimmung zu stoppen“.10 Das Betriebsverfassungsreformgesetz (BetrVRG) vom 23. Juli 2001, das in Umsetzung der Koalitionsvereinbarung von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 20. Oktober 1998 erfolgte, wurde von einer Fülle von Reformvorschlägen und -initiativen vor allem von DGB und DAG beeinflusst.11 Die tarifvertragliche Abänderbarkeit der Betriebsvertretungen in § 3 BetrVG findet sich insbesondere in diesen gewerkschaftlichen Initiativen wieder12 und konnte sich beim Gesetzgeber auch gegen die Bedenken aus der arbeitsrechtlichen Literatur durchsetzen.13 Die Resonanz in der Rechtswissenschaft auf die vollkommene Umgestaltung von § 3 BetrVG ist indes überwiegend kritisch ausgefallen: Einerseits wird die Flexibilisierung der Betriebsverfassung gelobt14, andererseits wird die Verstärkung der tarifvertraglichen Regelungsmacht als „Freiheitsverlust der Inkorporierten“, als Vereitelung der ordnungspolitischen Ziele von Gesetz und Novelle15 oder als Abbau von Rechtssicherheit und Legitimation16 kritisiert. Die Änderungen würden weit hinter dem wirklichen Reformbedarf zurückbleiben und seien darüber hinaus im Innersten missglückt.17 § 3 BetrVG setzt mit seiner Ausweitung der Tarifmacht auch gegenüber sog. „Außenseitern“ an einer Schnittstelle von Betriebsverfassung und Tarifautonomie, aber auch von Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip an. Denn 9

Begründung des RegE zum BetrVRG, BR-Drucks. 140/01, S. 73. Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 140/01, S. 2. 11 Beispielhaft: DGB, Novellierungsvorschläge zum BetrVG 1972 vom Juni 1998, AIB 2000, 62; DAG, Novellierungsvorschlag zum BetrVG 1972 vom Juni 1998, im Internet abrufbar unter: www.dag.de/dag/hmtl/download/novellierung_betrvg.pdf; weitere Nachweise bei: Konzen, RdA 2001, 76, 77. 12 Vgl. § 1 Abs. 2 und Abs. 3 der Novellierungsvorschläge zum BetrVG 1972 vom Juni 1998, AiB 2000, 62. 13 Franzen, ZfA 2000, 285 ff.; Kort, ZfA 2000, 329 ff.; Löwisch, DB 1999, 2209 ff.; Reichold, NZA 1999, 561 ff.; Richardi, NZA 2000, 161 ff. 14 DGB, NZA 2001, 135 f.; Leßmann/Liersch, DStR 2001, 1302, 1312; zur „Flexibilisierung der Arbeitswelt“: Spinner, Betriebsverfassung, S. 1 ff. 15 Picker, RdA 2001, 259, 282 („Doppeleffekt der Gewerkschaftsstärkung und Belegschaftsschwächung“). 16 Däubler in: FS für Wißmann, S. 275, 284; Hanau, RdA 2001, 65, 66. 17 Wolf in: FS für Wißman, S. 489, 494. 10

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

die Ausweitung der Gestaltungsmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien im Rahmen der Betriebsverfassungsorganisation ist aus rechtlicher Sicht nicht das einzig Problematische am BetrVRG. Vielmehr hat mit dem Wegfall der staatlichen Beteiligung bei tarifvertraglichen Änderungen, wie sie noch in § 3 BetrVG 1972 vorgesehen war, ein „Paradigmenwechsel“18 stattgefunden. Eine Auseinandersetzung mit dieser verfassungsrechtlich relevanten Problemlage, die bereits in § 3 BetrVG 1972 latent vorhanden war, wurde allgemein unter Hinweis auf den nach altem Recht vorgesehenen Vorbehalt der Zustimmung der obersten Landes- oder Bundesbehörde (§ 3 Abs. 2 BetrVG 1972) für tarifvertragliche Regelungen der Betriebsverfassungsorganisation vermieden.19 Mit Wegfall des Genehmigungserfordernisses wird die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip, aber auch mit der Koalitionsfreiheit nun virulent.

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten 1. Unternehmenseinheitlicher Betriebsrat (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG kann für Unternehmen mit mehreren Betrieben entweder ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat oder die Zusammenfassung einzelner Betriebe vereinbart werden, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient. a) Allgemeine Voraussetzungen Ein Unternehmen mit mehreren Betrieben liegt immer dann vor, wenn demselben Unternehmensträger mehrere Betriebe i. S. v. § 1 Abs. 1 BetrVG zugeordnet sind. Im Einzelfall kann jedoch problematisch sein, wann dies tatsächlich der Fall ist. aa) Einbeziehung gemeinsamer Betriebe Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG wird ein Betrieb, an dem ein Unternehmen zusammen mit anderen Unternehmen beteiligt ist (sog. gemein18

Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 9. Löwisch, BB 2001, 1734, 1736; Picker, RdA 2001, 257, 279; Reuter in: FS für Schaub, S. 605, 619; Richardi, BetrVG 7. Aufl., Einl. Rn. 139, § 3 Rn. 48; Spinner, Betriebsverfassung, S. 114 ff. 19

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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samer Betrieb), sonstigen Betrieben eines Unternehmens gleichgestellt.20 Denkbar wäre daher, dass auch derartige gemeinsame Betriebe mit sonstigen Betrieben eines Unternehmens betriebsverfassungsrechtlich zusammengefasst werden können.21 Die Unternehmensgrenze stellt aber eine strikte Grenze möglicher Integration unterschiedlicher Betriebe dar.22 Eine Vereinbarungsmöglichkeit zur Zusammenfassung eines gemeinsamen Betriebes mit anderen Betrieben dieses Unternehmens kann sich deshalb auch dann nicht aus § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ergeben, wenn ein entsprechender Tarifvertrag mit allen anderen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen abgeschlossen würde.23 Für das vereinbarende Unternehmen würde eine solche Maßnahme eine Unternehmensvereinheitlichung mit seinen anderen Betrieben bedeuten. Die Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes würden dann nur noch gegenüber dem vereinheitlichenden Unternehmen vertreten. Da ein derartiger Betriebsrat jedoch bestehende Vertretungsstrukturen ersetzt24, bestehende Arbeitnehmervertretungen des gemeinsamen Betriebes also entfallen, hat dies für die anderen am gemeinsamen Betrieb beteiligten Unternehmen eine „betriebsverfassungsrechtliche Ausgliederung“ der Arbeitnehmer des gemeinsamen Betriebes aus diesen Unternehmen zur Folge. Das gesetzgeberische Ziel von § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, eine den Entscheidungskompetenzen eines Unternehmens folgende Betriebsratsstruktur zu schaffen25, würde als tragende Begründung seine Bedeutung verlieren. bb) Einbeziehung von betriebsratslosen Betrieben Das besondere gesetzgeberische Anliegen einer Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG besteht für die Arbeitnehmerseite darin, bisher betriebsratslose Betriebe durch ihre Zusammenfassung einer Arbeitnehmervertretung zugänglich zu machen.26 Anders als in § 47 Abs. 1 BetrVG ist Voraussetzung für eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht das 20 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 21; Joost in: MünchArbR, § 313 Rn. 21 m. w. N. 21 Eisenmann in: D/M/P/S, ErfK, § 3 BetrVG Rn. 3; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 21; zur alten Rechtslage: Gamillscheg in: FS für Molitor, S. 133, 144 f. 22 Fitting, BetrVG 21. Aufl., § 3 Rn. 33; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 18. 23 Ebenso: Fitting, BetrVG, § 3 Rn 27; Kraft in: GK-BetrVG 6. Aufl., § 3 Rn. 25; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 18.; a. A.: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 21. 24 Dazu: B.II.1.e). 25 Begründung RegE, BR-Drucks. 140/01, S. 74. 26 Begründung RegE, BR-Drucks. 140/01, S. 73 f.; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 22.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

Vorliegen mehrerer Betriebsräte im Unternehmen. Vielmehr ist das Bestehen mehrerer Betriebe ausreichend. Die Möglichkeit, dass die Arbeitnehmer des bislang betriebsratslosen Betriebes möglicherweise bewusst auf die Einrichtung eines Betriebsrats verzichtet haben27, es also den Arbeitnehmerinteressen entspricht, gerade nicht betriebsverfassungsrechtlich vertreten zu werden, wird vom Gesetzgeber nicht in Betracht gezogen. So ist für eine Vereinbarung einer Struktur nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unerheblich, ob dies tatsächlich den Interessen der Betriebsbelegschaft entspricht. Voraussetzung ist lediglich, dass der unternehmenseinheitliche Betriebsrat der sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen dient.28 Es ist also möglich, dass eine Betriebsbelegschaft auch gegen ihren Willen durch eine entsprechende Regelung der betrieblichen Mitbestimmung unterworfen werden kann. cc) Aufteilung von Betrieben Nicht zugelassen wird durch § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine Vereinbarung zur Aufteilung eines Betriebes.29 Eine entsprechende Auslegung wird durch den Wortlaut der Norm nicht gedeckt.30 Es ging dem Gesetzgeber bei § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ersichtlich darum, nur eine Grundlage zur Vereinbarung zusammenfassender Betriebsverfassungsstrukturen zu schaffen. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass die Wirksamkeit der Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen durch die zunehmende Professionalisierung der Mandatsträger gesteigert wird.31 Dass es im Einzelfall für eine wirksame Vertretung der Arbeitnehmerinteressen zweckmäßig sein kann, das Vertretungsorgan innerhalb eines Betriebes oder Betriebsteiles in mehrere getrennte Strukturen aufzuteilen, rechtfertigt es nicht, über den insofern eindeutigen Wortlaut der Norm hinwegzugehen. In dem Fall, dass eine Aufteilung einer wirksamen und zweckmäßigen Arbeitnehmervertretung dient, steht den Tarifvertragsparteien zudem mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG eine Regelungsgrundlage für eine solche „Aufteilungsvereinbarung“ zur Verfügung. 27

So ist zu befürchten, dass durch die Einrichtung eines Betriebsrats eine künstliche Distanz in das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern gebracht wird. 28 Dazu sogleich: B.II.1.d)bb). 29 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 36; Kort, AG 2003, 13, 18; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 25; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 21; a. A.: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 34 ff.; so bereits zu § 3 BetrVG a. F.: Gamillscheg, Arbeitsrecht Bd. I, S. 605. 30 Insofern auch: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 34. 31 Näher dazu: vgl. B.II.1.d)bb).

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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Dieses generelle Verbot zur Teilung erscheint auch dann nicht zweifelhaft, wenn von einer Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a zu einer Struktur nach Nr. 1b BetrVG übergegangen werden soll.32 Existiert ein nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a BetrVG vereinbarter unternehmenseinheitlicher Betriebsrat, sind die Tarifvertragsparteien für die Dauer einer derartigen Vereinbarung daran gebunden. Besteht ein Interesse daran, eine derartige Vereinbarung bereits vor Ende der Laufzeit durch kleinere Vertretungseinheiten zu ersetzen, muss diese Bindungswirkung des ursprünglichen Tarifvertrages beendet werden, z. B. indem die Tarifpartner diesen einvernehmlich aufheben oder einseitig kündigen.33 Dabei handelt es sich nicht um einen bürokratischen „Umweg“34, sondern um einen allgemeinen Grundsatz des Tarifvertragsrechts, der selbstverständlich auch für Vereinbarungen nach § 3 BetrVG gilt. dd) Zusammenfassung von Kleinstbetrieben Von der grundsätzlichen Möglichkeit, Kleinstbetriebe, welche die Voraussetzungen von § 1 Abs. 1 BetrVG nicht erfüllen, durch Tarifvertrag anders als in § 4 Abs. 2 BetrVG zuzuordnen, ist vor allem auch der Gesetzgeber ausgegangen.35 An § 4 Abs. 2 BetrVG zeigt sich auch, dass Kleinstbetriebe, die selbst nicht betriebsratsfähig sind, durch Zusammenfassung in größeren Einheiten betriebsratsfähig werden können. Fraglich ist lediglich, ob eine entsprechende tarifvertragliche Vereinbarung auf der Grundlage und unter den Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 Nr. 1b36 oder Nr. 3 BetrVG zu erfolgen hat.37 Dabei sind zwei Fallgestaltungen zu unterscheiden: Ist der Kleinstbetrieb nach § 4 Abs. 2 BetrVG einem Hauptbetrieb zuzuordnen, setzt eine davon abweichende betriebsverfassungsrechtliche Zusammenfassung zunächst eine organisatorische Abspaltung vom Hauptbetrieb voraus. Da § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG aber gerade keine Grundlage für eine solche Aufteilung darstellt38, ist eine abweichende Zuordnung nur nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG möglich. Eine solche Sichtweise kann indirekt den in der Begründung zum 32

So aber: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 36. Zu den Beendigungsgründen eines Tarifvertrages: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 10 ff.; vgl. a.: B.V.4.b). 34 So: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 36. 35 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 77. 36 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 6; Rieble, Arbeitsrecht 2001, 26, 30; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 22. 37 Diese Frage bleibt in der Begründung zu § 4 (Begründung zum RegE, BRDrucks. 140/04, S. 76 f.) unbeantwortet; a. A.: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 22. 33

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

Gesetzentwurf anklingenden Willen des Gesetzgebers für sich beanspruchen39: So soll eine von § 4 Abs. 2 BetrVG abweichende Zuordnung (nur) erfolgen, wenn die gesetzliche Zuordnung zum Hauptbetrieb im Einzelfall „nicht sinnvoll“ ist. Inwiefern dies einer wirksamen Interessenwahrnehmung dient (vgl. § 3 Abs.1 Nr. 1 BetrVG)40, ist also nicht unerheblich. Entscheidend ist, ob die Zusammenfassung eine sinnvolle (bzw. zweckmäßige) Vertretung der Arbeitnehmerinteressen zum Ziel hat, wie es auch in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vorgesehen ist. Nur wenn eine Zuordnung des Kleinstbetriebes zu einem Hauptbetrieb nach § 4 Abs. 2 BetrVG wegen der „Verfolgung eigenständiger arbeitstechnischer Zwecke“ nicht möglich ist41, kommt übehaupt eine Zusammenfassung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG in Betracht.42 In diesem Fall ist § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dann die gegenüber § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG speziellere Regelung und ist die für die Zusammenfassung der Kleinstbetriebe maßgebliche Regelungsgrundlage. b) Einheitlicher Betriebsrat auf Unternehmensebene (Nr. 1a) Im Falle der Schaffung eines einheitlichen Betriebsrats auf Unternehmensebene besteht kein Bedürfnis mehr für einen Gesamtbetriebsrat, der für die überbetrieblichen Angelegenheiten zuständig ist, die sonst durch die einzelnen Betriebsräte nicht geregelt werden können (vgl. § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Eine Vereinbarung gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1a BetrVG ersetzt einen bestehenden Gesamtbetriebsrat43, so dass diese „zweite“ Ebene in der Vertretungsorganisation entfällt. c) Zusammenfassung von Betrieben (Nr. 1b) Alternativ zur betriebsverfassungsrechtlichen Zusammenfassung aller Betriebe eines Unternehmens ist auch nur die Zusammenfassung einzelner Betriebe möglich. Nach Vorstellung des Gesetzgebers liegt ein möglicher 38 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 36; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 25; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 21; a. A.: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 34 ff. m. w. N.; vgl. B.II.1.a)cc). 39 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 77. 40 Eine wirksame Interessenvertretung setzt der Gesetzgeber in seiner Zuordnung nach § 4 Abs. 2 BetrVG stillschweigend voraus. 41 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 4 Rn. 12. 42 An dieser Stelle zeigt sich auch, dass die Aussage, Kleinstbetriebe würden vom BetrVG nicht erfasst werden, ungenau ist. Denn Kleinstbetriebe werden über Regelungen wie § 4 Abs. 2 BetrVG oder § 3 Abs. 1 BetrVG vom BetrVG erfasst, auch wenn sie selbst nicht betriebsratsfähig sind. 43 Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 9; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 23.

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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Anwendungsbereich in der Bildung von Regionalbetriebsräten44 oder von Filialbetriebsräten.45 Damit verbleibt für einen Gesamtbetriebsrat ein eigener Zuständigkeitsbereich i. S. v. § 50 Abs. 1 BetrVG. Die zweistufige Vertretungsstruktur bleibt also grundsätzlich aufrechterhalten.46 d) Erleichterte Betriebsratsbildung oder sachgerechte Interessenwahrnehmung Die Zulässigkeit von Abweichungen durch Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG wird davon abhängig gemacht, ob sie die Betriebsratsbildung erleichtern oder einer sachgerechten Interessenwahrnehmung der Arbeitnehmer dienen. Es handelt sich dabei um eine echte Zulässigkeitsvoraussetzung („wenn“).47 aa) Erleichterte Betriebsratsbildung Im Hinblick auf die nahezu identische Übernahme des Wortlauts von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG 1972 kann man auf die diesbezüglich h. M. zurückgreifen. Danach ist die erste Alternative bereits erfüllt, wenn von einer Regelung Unternehmensbereiche erfasst werden, in denen bisher kein Betriebsrat bestanden hat.48 Eine Erleichterung ist sogar bereits dann anzunehmen, wenn auf Grund der tatsächlichen Gegebenheiten zweifelhaft war, ob ein erfasster Betriebsteil oder Kleinstbetrieb überhaupt betriebsratsfähig ist.49 Ausgeschlossen ist allerdings eine Erleichterungswirkung eines Tarifvertrags, der ausschließlich Betriebe mit bereits länger bestehenden, funktionsfähigen Betriebsräten zusammenfasst. In diesem Fall kann sich die Zulässigkeit nur aus der zweiten Alternative ergeben.

44 Explizit: Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74; vgl. a.: Gnade, BetrVG, § 3 Rn. 3. 45 Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 533. 46 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 20; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 25. 47 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 22. 48 Trümner in: D/K/K, BetrVG, 7. Aufl., § 3 Rn. 29; Fitting, BetrVG, 20. Aufl., § 3 Rn. 48; Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 3 Rn. 43 m. w. N.; zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG n. F.: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 29; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 22, Trümner in: D/K/K, BetrVG § 3 Rn. 29. 49 Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 3 Rn. 43; zu § 3 Abs. 1 Nr.1 BetrVG n. F.: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 29.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

bb) Der sachgerechten Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen dienlich Die Fälle, deren Zulässigkeit sich nicht bereits aus der insofern klareren ersten Alternative ergibt, sind daran zu messen, ob sie der sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dienen. Als unbestimmter Rechtsbegriff ist der normative Begriff der Sachgerechtigkeit ohne ein ergänzendes Werturteil nicht anwendbar.50 Zwar ist mit dem Erfordernis der Sachgerechtigkeit kein Ermessen zur freien Auswahl zwischen mehreren gleichwertigen Möglichkeiten verbunden. Eindeutige Ergebnisse sind allerdings nicht immer möglich, so dass den Tarifvertragsparteien in diesen Fällen ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Was „einer sachgerechten Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen dient“, ist derart vage, dass sich nur mutmaßen lässt, ob und gegebenenfalls welche eigenständige Bedeutung der zweiten Alternative zukommen könnte51: Denkbare Optimierungswirkungen für die Wahrnehmung von Arbeitnehmerinteressen werden in der Überschreitung von betriebsbezogenen Schwellenwerten gesehen, insbesondere, wenn dadurch Freistellungsgrenzen überschritten werden (§ 38 BetrVG).52 Stillschweigend vorausgesetzt wird dabei, dass die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfolgende Aufgabe der untersten Ebene der Arbeitnehmervertretung und die damit entstehende erhöhte Distanz zu den Repräsentanten in den Vertretungsorganen durch die höhere „Professionalität“53 kompensiert wird.54 Die Gesetzesbegründung spricht davon, dass eine Regelung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a BetrVG sich insbesondere dann anbiete, „wenn die Beteiligungskompetenzen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten zentral auf Unternehmensebene angesiedelt sind“. Sofern es sich tatsächlich um den Regelfall handeln würde, in dem eine sachgerechte Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen vorliege, wird jedoch zu Recht eingewandt, dass in diesem Fall der Anwendungsbereich von § 3 Abs. 1 Nr. 1a BetrVG stark reduziert wäre. Denn in dem Fall, dass der wesentliche Kern der Mitbestimung in der Hand der Unternehmensleitung liegt, stellt dieses Unternehmen bereits aufgrund des einheitlichen Leitungsapparats einen eigenen Betrieb i. S. v. § 1 Abs. 1 BetrVG dar.55 Vom Ausnahmefall des § 4 Abs. 1 BetrVG abgesehen, in dem die Entscheidungskompetenz für mitbestimmungspflichte Angelegenheiten zen50

Ule/Laubinger, Verwaltungsrecht, § 55 Rn. 3. Vgl. Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 32. 52 In diesem Sinne auch: LAG Düsseldorf, LAGE § 3 BetrVG 1972 Nr. 4, S. 5. 53 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 32. 54 Dazu: zusammenfassende Bewertung unter B.II.8. 55 Hanau, NJW 2001, 2513 f.; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 122; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 45. 51

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tral beim Hauptbetrieb des Unternehmens und nicht beim Nebenbetrieb liegt56, würde also eine Regelung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a BetrVG in der Regel nicht der sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen in diesem, vom Gesetzgeber beabsichtigten Sinn dienen. Die unklare Formulierung von § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist aber vor allem auch deshalb besonders problematisch, weil sie sich „zum Kristallisationspunkt für den Streit um die Wirksamkeit solcher Tarifverträge“57 entwickeln kann. Das Zusammentreffen einer als strikte Bedingung formulierten Anforderung mit dem schwer überprüfbaren Begriff der Wirksamkeit, der seiner Natur nach einen weiten Bereich unterschiedlichster Interpretationen eröffnet, kann zu Lasten von Rechtssicherheit und -klarheit wohl nur dadurch gelöst werden, dass man den Tarifvertragsparteien bei der Beurteilung dieser unbestimmten Begriffe einen weiten Spielraum einräumt.58 Diese Einschätzung wird dadurch gestützt, dass durch die „Dienlichkeitsklausel“ im Gegensatz zur ersten Alternative das (subjektive) Ziel und nicht die tatsächliche Wirkung entscheidend ist. So wird auch in der Begründung zum Gesetzentwurf hervorgehoben, dass es nur das Ziel derartiger Verträge sein müsse, entweder die Bildung von Betriebsräten zu erleichtern oder eine sachgerechte Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer zu bewirken.59 Dies wird man wohl nur dann in Abrede stellen können, wenn das gewählte Mittel (Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG) zur sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen absolut untauglich ist, die Erreichung dieses Ziels also von vornherein ausgeschlossen ist. cc) Verhältnis beider Alternativen Eine Regelung zur Erleichterung der Betriebsratsbildung dient nach Vorstellung des Gesetzgebers60 stets auch der wirksamen Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen.61 Eines Rückgriffs auf die zweite Alternative be56

Richardi, BetrVG, § 4 Rn. 14 f. Richardi, DB 2001, 41, 42; ders., NZA 2001, 346, 350; vgl. a.: Däubler, AiB 2001, 313, 315; Diringer, AuA 2001, 172, 174. 58 So auch: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 33; eingehend zu diesem Problem: siehe unter B.II.6.b). 59 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74 (Hervorhebung durch den Verfasser). 60 So das in der Begründung zum Gesetzentwurf (BR-Drucks. 140/04, S. 74) zum wortlautgleichen § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG angegebene Beispiel für eine der sachgerechten Interessenwahrnehmung dienende Vereinbarung. 61 Bestimmende Motivation zum Abschluss eines Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dürfte im Regelfall ohnehin die Zusammenfassung von bzw. mit bisher betriebsratslosen Betrieben sein, ein Fall, der bereits unter die erste Alternative zu subsumieren ist (vgl. o. B.II.1.a)aa)). Es wird dabei unterstellt, dass eine Wahr57

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

darf es nur, sofern sich die Wirksamkeit der Interessenwahrnehmung nicht bereits aus der Erfassung bislang betriebsratsloser Betriebe ergibt. Die zweite Alternative erfüllt damit im Verhältnis zur ersten Alternative die Aufgabe eines Auffangtatbestandes. e) Verhältnis zwischen vereinbarter und gesetzlicher Struktur In Bezug auf das Verhältnis zwischen der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG vereinbarten und der gesetzlichen Struktur wird es als selbstverständlich vorausgesetzt, dass die geschaffene Struktur den bisherigen Betriebsrat verdrängt.62 Zum einen spricht der sachliche Regelungsgehalt für eine ersetzende Wirkung.63 Von einem nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a BetrVG gebildeten „unternehmenseinheitlichen Betriebsrat“ kann wohl nur schwerlich gesprochen werden, wenn der bzw. die ursprünglichen Betriebsräte daneben weiterbestehen würden. Auch ein Vergleich zu den § 3 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 BetrVG, bei denen ausdrücklich das Wort „zusätzlich“ eingefügt wurde, lässt den Umkehrschluss zu, dass die Strukturen nach Nr. 1 bis 3 nicht suplementär, sondern alternativ wirken.64 Dies belegt auch § 3 Abs. 4 BetrVG, der den Zeitpunkt der erstmaligen Geltung eines entsprechenden Tarifvertrages im Verhältnis zum Mandat des ursprünglichen Betriebsrats betrifft. Der Gesetzgeber geht also davon aus, dass bisherige Betriebsräte durch eine nach Abs. 1 Nr. 1 bis 3 vereinbarte Struktur entfallen.65 Der alternative Charakter von Nr. 1 folgt vor allem aus § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG. Danach gilt eine nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG vereinbarte Organisationsstruktur als „Betrieb im Sinne dieses Gesetzes“.66 Während es bei einer Fiktion der gebildeten Organisationsstruktur als Betriebsrat durchaus noch möglich gewesen wäre, daneben einen auf dem herkömmlichen Betrieb aufbauenden Betriebsrat als Doppelstruktur treten zu lassen, kommt mit der Fiktion der Organisationseinheit als Betrieb zum Ausdruck, dass der für den Betriebsbegriff ausschlaggebende Leitungsapparat als Anknüpfung für § 1 Abs. 1 BetrVG unerheblich ist. § 3 Abs. 5 BetrVG schließt also aus, nehmung der Arbeitnehmerinteressen nur im Rahmen der Betriebsverfassung möglich ist. 62 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 24, 52; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2499; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 3, 15 ff.; S/W/S, BetrVG, § 3 Rn. 26; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 21 ff. 63 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 55. 64 Diringer, AuA 2001, 172, 174; Picker, RdA 2001, 258, 258 Fn. 158; a. A.: Friese, RdA 2003, 92, 96; Kort, AG 2003, 13, 17. 65 Thüsing, ZIP 2003, 693, 702; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 56. 66 Eingehend zur Betriebsfiktion: siehe unter B.IV.

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dass neben einem nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gebildeten Betriebsrat noch ein weiterer existiert, der an die herkömmliche Betriebsstruktur anknüpft. Eine nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG geschaffene Struktur wird somit gemäß § 3 Abs. 5 BetrVG stets zur untersten Ebene der betrieblichen Mitbestimmung.67 Diese „restriktive“ Sichtweise steht nicht zuletzt auch im Einklang mit dem bereits in § 3 Abs. 1 BetrVG 1972 enthaltenen Schutzzweck, das betriebsverfassungsrechtliche Vertretungsmonpol des Betriebsrats als dem Basisvertretungsorgan der betrieblichen Arbeitnehmermitbestimmung vor einer Unterminierung durch „Nebenvertretungen“ zu bewahren.68 Weder aus dem Gesetzestext noch aus der Begründung geht hervor, dass dieser Schutzzweck nach der Novellierung entfallen ist.

2. Spartenbetriebsrat (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) In Unternehmen und Konzernen, die nach produkt- oder projektbezogenen Geschäftsbereichen (Sparten) organisiert sind und deren Leitung Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten trifft, kann die Vertretungsstruktur entsprechend diesen Sparten vereinbart werden, sofern dies der sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen dient. a) Allgemeine Voraussetzungen Während nach hier vertretener Auffassung eine Aufteilung von Betrieben auf Grundlage von § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG nicht möglich ist69, ergibt sich aus dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG keine derartige Beschränkung. Die ausschließliche Anknüpfung an die Spartenorganisation lässt es vielmehr zu, verschiedene Betriebe unternehmensübergreifend zusammenzufassen. Zulässig ist aber auch deren spartenmäßige Zergliederung, so dass innerhalb eines Betriebes mehrere Spartenbetriebsräte errichtet werden können.70 Inwiefern dadurch eine Struktur geschaffen wird, bei der „ein unfruchtbares Nebeneinanderherarbeiten“ und „eine unerquickliche Rivalität“ der Betriebsräte ausgeschlossen ist71, ist allein im Rahmen der Frage zu berücksichtigen, ob dadurch noch der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats gedient ist.72 Grundsätzliche Bedenken gegen die Zulässigkeit „betriebsinterner“ Spartenbetriebsräte bestehen somit nicht.73 67 68 69 70 71 72

Zur Frage der Tarifdipositivität von § 3 Abs. 5 BetrVG: B.IV.4. Vgl. Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 106 a. E. Vgl. B.I.1.a)cc). Buchner, NZA 2001, 633, 634. Vgl. BAGE 14, 82, 90. Vgl. B.II.1.d).

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

b) Bestimmung des produkt- oder projektbezogenen Spartenbegriffs Die gegenüber § 3 BetrVG 1972 vollkommen neu geschaffene Organisation nach Sparten wirft zunächst die Frage auf, was unter Sparten in diesem Sinne zu verstehen ist.74 Wie die Beschränkung auf nach Produkten bzw. Projekten organisierte Sparten belegt, ist es dem Gesetzgeber im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nur auf den Bezug zum Ergebnis der Geschäftstätigkeit angekommen. Damit wird der Anwendungsbereich der Norm aber stärker eingeschränkt als dies der Gesetzgeber möglicherweise beabsichtigt hat. Denn die Ausrichtung der Arbeitnehmervertretung nach Sparten ist wohl nur dann sinnvoll, wenn es sich um Betriebe mit langfristig ausgerichtetem Produktbezug bzw. um industrielle Großprojekte handelt.75 Zwar sind an das Vorliegen eines Produkt- bzw. Projektbezuges angesichts des gesetzgeberischen Anliegens keine all zu strengen Maßstäbe anzulegen. Jedoch begegnet angesichts des klaren Wortlauts bereits die Ausrichtung der Organisation an mittels „artspezifischer Gegebenheiten“ zu bestimmende Produktgruppen76 insofern Bedenken, als dies zu einer nur schwer begrenzbaren Ausweitung der Norm führen würde.77 Fraglich ist insbesondere, wann noch von einer „Produktgruppe“ und wann bereits von einem als Bezugsmerkmal unzulässigen Marktsegment78 gesprochen werden kann. Auch die Anwendung auf „typischerweise projektförmig organisierte“79 Geschäftsbereiche entfernt sich in zu beanstandender Weise vom Wortlaut der Norm, die eindeutig auf einen Bezug zu (konkreten) Projekten abstellt.80 Letztendlich ist es jedoch müßig, der Frage, wann ein Produkt bzw. Projekt 73

Zweifelnd: Buchner, NZA 2001, 633, 634. Neben dem Bezug zu Produkten und Projekten wäre auch eine Spartenausrichtung an anderen Kriterien denkbar bzw. sogar sinnvoll gewesen (z. B. nach bestimmten Märkten, Kundenkreisen oder nach Funktionen innerhalb der Unternehmensorganisation; vgl.: Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 122 ff.; Kort, AG 2003, 13, 19 f.). 75 Nur so wird sich im Übrigen die Organisation am Produkt bzw. Projekt ausrichten; vgl. Kort, AG 2003, 13, 19. 76 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 38. 77 Die Aufteilung nach den Sparten „Wasser-, Kern- und Braunkohlekraftwerke“ mag der üblichen Organisation in Versorgerunternehmen entsprechen. In Wirklichkeit handelt es sich aber nicht „Produktgruppen“ (Produkt = Strom), sondern um Produktionsformen. Die Produktionsform ist nach § 3 BetrVG aber gerade kein Spartenkriterium. Derartigen produktionsbezogenen Sparten nachempfundene Vertretungsstrukturen können daher nur nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG vereinbart werden; vgl. a. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74. 78 So auch: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 38. 79 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 38. 80 Anknüpfungspunkt wäre nicht mehr ein Projekt, sondern die Form der Projektbearbeitung. 74

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG vorliegt, all zu viel Aufmerksamkeit zu widmen. Denn in den Fällen, in denen eine produkt- bzw. projektbezogene Organisation abzulehnen ist, wird jedenfalls eine abweichende Regelung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG in Betracht kommen.81 Insgesamt gesehen stellt sich danach die Konkretisierung des Spartenbegriffes im Sinne eines produkt- bzw. projektbezogenen Geschäftsbereiches als eine wegen ihrer starken Einengung fragwürdige Beschränkung dar. Es ist nicht nachvollziehbar, warum nach anderen Merkmalen organisierte Sparten (z. B. Produktionsformen) nicht ebenfalls sinnvolle Anknüpfungspunkte für eine Arbeitnehmervertretung sein sollten, sofern diese ebenfalls der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dienen. c) Spartenorganisation § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG setzt voraus, dass sich die Unternehmens- bzw. Konzernorganisation an dem produkt- bzw. projektbezogenen Geschäftbereich orientiert und die Spartenleitung Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten trifft.82 Von einer derartigen Spartenorganisation sind die Fälle abzugrenzen, in denen der wesentliche Kern der Mitbestimmung ohnehin in der Hand der „Spartenleitung“ liegt. Die Abgrenzung, ob es sich dann noch um eine produkt- bzw. projektbezogene Sparte handelt, erübrigt sich in diesem Fall, da eine derartig organisierte „Sparte“ bereits aufgrund des einheitlichen Leitungsapparats einen eigenen Betrieb i. S. v. § 1 Abs. 1 BetrVG darstellt.83 Ähnliche Überlegungen treffen für eine unternehmensübergreifende Sparte zu. Liegt der Kern der beteiligungspflichtigen Angelegenheiten bei der gemeinsamen Spartenleitung, gilt diese „Sparte“ bereits nach § 1 Abs. 1 Satz 2 BetrVG als gemeinsamer Betrieb mehrerer Unternehmen.84 Ein eigenständiger Anwendungsbereich der Regelung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG besteht daher nur in den Fällen, in denen ein Teil, jedoch nicht der Kern der beteiligungspflichtigen Befugnisse bei der Spartenleitung liegt. In diesem Sinne dürfte sogar ausreichend sein, wenn die Spartenleitung diese Angelegenheiten nur in geringem Umfang regelt.85

81 Zum Kriterium der Sachgerechtigkeit bzw. Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit: B.II.6. 82 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 46. 83 Hanau, NJW 2001, 2513 f.; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 122; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 45. 84 Konzen, RdA 2001, 76, 87; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 11. 85 Ebenso: Hanau, NJW 2001, 2513 f.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

d) Sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats Die Einrichtung eines Spartenbetriebsrats muss der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dienen. Ausweislich der Begründung des Gesetzgebers soll dies vor allem dort der Fall sein, wo dem Betriebsrat ein kompetenter Ansprechpartner und Entscheidungsträger gegenüber steht.86 Auch wenn im Letzten den Tarifvertragsparteien diesbezüglich ein gewisser Beurteilungsspielraum für den konkreten Einzelfall zugestanden werden muss, ist der Umfang an Leitungsbefugnissen in der Spartenorganisation zentraler Maßstab für die Bewertung der Sachgerechtigkeit. Eine sachgerechte Wahrnehmung der Aufgaben wird daher nur zu bejahen sein, wenn die Spartenorganisation im überwiegenden Teil der beteiligungspflichtigen Angelegenheiten zuständig ist. Bemerkenswert ist daran, dass Anknüpfungsobjekt nicht wie in Abs. 1 Nr. 1 die sachgerechte Wahrnehmung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer, sondern die Aufgabenwahrnehmung des Betriebsrats ist. Ungewöhnlich ist dies vor allem deshalb, weil die Tarifvertragsparteien so vom Gesetzgeber als befähigt angesehen werden, nicht nur die Interessen der Arbeitnehmer, sondern auch die des Betriebsrats beurteilen und vertreten zu können. e) Verhältnis zwischen vereinbarter und gesetzlicher Struktur Ähnlich wie im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG stellt sich auch für den Spartenbetriebsrat die Frage nach dem Verhältnis zur gesetzlichen Struktur. Für § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG wird teilweise die Möglichkeit einer Doppelstruktur vertreten.87 Ein Arbeitnehmer soll danach nicht nur im Spartenbetriebsrat, sondern auch im daneben weiterbestehenden Betriebsrat vertreten und damit auf der untersten Ebene in unterschiedlichen betriebsverfassungsrechtlichen Organen repräsentiert werden.88 aa) Alternative oder komplementäre Vertretungsstruktur Da ein Spartenbetriebsrat – wie ausgeführt – nur in Betracht kommt, wenn sich ein Teil, aber nicht der Kern der Entscheidungen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten bei der Spartenleitung befindet89, wäre 86

Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74. Däubler, AuR 2001, 285, 288; Friese, RdA 2003, 92, 96; Kort, AG 2003, 13, 19; a. A.: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 37, 52; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2499; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 11; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 3, 15 ff.; S/W/S, BetrVG, § 3 Rn. 26; im Grundsatz auch, allerdings mit Einschränkung für „Mitbestimmungswahrnehmungslücken“: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 54 ff., 61. 88 Unklar: Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 11. 87

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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zu vermuten, dass ein Spartenbetriebsrat nur für die Entscheidungen zuständig ist, die tatsächlich bei der Spartenleitung liegen, im Übrigen aber der eigentliche Betriebsrat verantwortlich bleibt.90 Diese am Normzweck orientierte Interpretation steht allerdings in Widerspruch zu Wortlaut und Systematik von § 3 BetrVG. Wie bereits erläutert, folgt vor allem aus § 3 Abs. 4 und Abs. 5 BetrVG, dass Strukturen, die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gebildet werden, den ursprünglichen Betriebsrat verdrängen.91 Das Verhältnis zur gesetzlichen Struktur ist grundsätzlich für § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG einheitlich zu beurteilen.92 Differenzierte Lösungen finden im Wortlaut, aber auch in der Systematik der Norm, die nur nach anderen (Nr. 1 bis 3) und zusätzlichen (Nr. 4 und 5) betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen unterscheidet, keinen Anhaltspunkt. Auch ist das Auftreten etwaiger Zuständigkeitskonflikte nur bei einem Spartenbetriebsrat als Ersatz für die gesetzliche Struktur weitgehend ausgeschlossen.93 bb) Bildung eines Gesamtbetriebsrats Die Vereinbarung eines Spartenbetriebsrats als Organisationsstruktur der Arbeitnehmervertretung kann dazu führen, dass in einem Betrieb mit mehreren Sparten, in dem § 1 Abs. 1 BetrVG grundsätzlich nur die Bildung eines einzigen Betriebsrats zulässt, über § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG mehrere Spartenbetriebsräte gebildet werden.94 Damit entsteht gleichzeitig das Bedürfnis nach einem Gesamtbetriebsrat.95 Während es insbesondere im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nr. 1a BetrVG als besonderer Vorteil bewertet wird, die zweistufige Arbeitnehmervertretung durch einen einheitlichen Unternehmensbetriebsrat zu ersetzen96 und damit mehrstufige Vertretungen zu vermeiden, kann es im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG somit zu einer „spartenmäßigen Zergliederung der Belegschaft“97 kommen. 89

Sonst läge bereits ein Betrieb i. S. v. § 1 Abs. 1 BetrVG vor; dazu: B.IV.1. So: Däubler, AuR 2001, 285, 288; ders., AiB 2001, 313, 315; Friese, RdA 2003, 92, 96; Leßmann/Liersch, DStR 2001, 1302, 1303. 91 Diringer, AuA 2001, 172, 174; Picker, RdA 2001, 258, 258 Fn. 158; vgl. B.II.1.e), B.II.3.d). 92 Zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG erfolgte Erläuterungen gelten also entsprechend auch für Nr. 2; vgl. B.I.1.e). 93 Picker, RdA 2001, 258, 278; S/W/S, BetrVG, § 3 Rn. 26; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 54; so auch: Friese, RdA 2003, 92, 97. 94 Buchner, NZA 2001, 633, 634; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2499. 95 Die Rechtsgrundlage hierfür ist ausschließlich in den §§ 47 ff. BetrVG zu sehen. Die Bildung eines „Spartengesamtbetriebsrat“ wird angesichts des insofern klaren Wortlauts durch § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht eröffnet, vgl. Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 52 f. 96 Vgl. B.II.1.b). 90

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

cc) Sinnhaftigkeit der Norm Der alternative Charakter von § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG führt bei näherer Betrachtung zu einer in sich widersprüchlichen Regelung, die letztlich die Sinnhaftigkeit der gesamten Norm in Frage stellt. Denn die Bildung eines Spartenbetriebsrats kommt nur in dem Fall in Betracht, in dem der wesentliche Kern der Entscheidungen in mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten gerade nicht durch die Spartenleitung getroffen wird, da sonst bereits ein Betrieb i. S. v. § 1 Abs. 1 BetrVG vorläge.98 Als Folge der ersetzenden Wirkung werden mit der Vereinbarung eines Spartenbetriebsrats dann auch die übrigen Mitbestimmungsbefugnisse von der ursprünglichen Betriebsebene auf den Spartenbetriebsrat übertragen. Voraussetzung eines Spartenbetriebsrat ist jedoch gleichzeitig, dass seine Errichtung der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dient (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG), ein Betriebsrat also nur dort errichtet wird, wo ihm ein kompetenter Ansprechpartner und Entscheidungsträger gegenüber steht.99 Mit der Spartenleitung steht dem Spartenbetriebsrat aber eine Stelle gegenüber, die für den Kern der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten gerade nicht zuständig ist. Die Errichtung von Spartenbetriebsräten i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG wird folglich nie sachgerecht und daher stets unzulässig sein.100 Wenn man die Vereinbarung eines Spartenbetriebsrates demgegenüber davon abhängig macht, dass die Spartenleitung für den Kern der mitbestimmungsrelevanten Angelegenheiten zuständig ist, wäre dies zwar sachgerecht. Eine so organisierte Sparte stellt aber ohnehin einen Betrieb im Sinne von § 1 Abs. 1 BetrVG dar. Es bedürfte keiner entsprechenden abweichenden Vereinbarung mehr, so dass § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG überflüssig wäre.101

3. Andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG können andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen bestimmt werden, soweit dies insbesondere aufgrund der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder aufgrund anderer 97

Buchner, NZA 2001, 633, 634. Hanau, NJW 2001, 2513 f.; vgl. oben B.II.2.c). 99 Vgl. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74; vgl. oben B.II.2.d). 100 So auch: Kort, AG 2003, 13, 20 f. 101 Mit gleicher Begründung zu § 3 Abs. 1 Nr. 1a BetrVG: Konzen, RdA 2001, 76, 87; vgl. oben: B.II.1.b)bb). 98

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient. a) Voraussetzungen aa) Organisationsstruktur Anders als bei § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG wird in Nr. 3 nicht das Ergebnis einer denkbaren Gestaltungsmöglichkeit vorgegeben, sondern nur erläutert („insbesondere“), welche Gründe nach Vorstellung des Gesetzgebers in erster Linie das Bedürfnis nach einer anderen Arbeitnehmervertretungsstruktur auslösen können. Der Bezug zur Betriebs-, Unternehmensbzw. Konzernorganisation oder zu anderen Formen der Zusammenarbeit stellt somit keine Beschränkung der Gestaltungsmöglichkeiten dar, sondern konkretisiert lediglich den Bezugspunkt, an dem die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der gebildeten Struktur zu messen ist. Nach der Begründung zum Gesetzentwurf soll eine Vereinbarung nur erfolgen, wenn konkrete Besonderheiten in der betrieblichen Organisation oder besondere Schwierigkeiten bei der Interessenvertretung der Arbeitnehmer bestehen.102 Anders als bei § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG ist dies dem Normwortlaut aber nicht zu entnehmen und daher auch nicht als Voraussetzung für eine Vereinbarung anzusehen.103 Auch in einem „Normbetrieb“, wie er dem BetrVG idealtypisch zugrunde liegt, ist es grundsätzlich denkbar, eine abweichende Arbeitnehmervertretungsstruktur nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zu vereinbaren, auch wenn sich die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der Vereinbarung mithin nicht aus der Organisationsstruktur ergibt. Den wichtigsten Ansatzpunkt für eine wirksame und zweckmäßige Arbeitnehmervertretung sieht das Gesetz wie auch in § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG bei den Organisationsstrukturen auf Arbeitgeberseite, an denen sich auch die Arbeitnehmervertretung ausrichten soll. Insbesondere die in der Begründung zum Gesetzentwurf konkretisierten Beispiele denkbarer Organisationsformen104, die eine deutliche Prägung durch aktuelle Entwicklungen in 102 So aber: Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74; vgl. auch: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 75 ff. 103 Konzen (RdA 2001, 76, 87) bezeichnet diesen Hinweis daher auch als „nichtssagend“. 104 Dazu gehören neben der Organisation entlang von Produktionsketten („just in time“) auch organisatorische Sonderformen bezüglich Produktion, Dienstleistung und Zusammenarbeit von Unternehmen wie die „fraktale Fabrik“, die „shop in shop“-Produktion und vor allem der Konzernverbund; vgl. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74; weitere denkbare Beispiele bei: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 75 f.

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der Arbeitsorganisation aufweisen, unterstreichen die Offenheit der Norm im Hinblick auf zukünftige Entwicklungen, aber auch ihren generalklauselartigen Charakter.105 § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nimmt daher auch den sachlichen Gehalt der Nrn. 1 und 2 in sich auf106, ohne allerdings in einem echten Subsidiaritätsverhältnis zu diesen Bestimmungen zu stehen.107 Vor allem § 3 Abs. 1 Nr. 3 2. Alt. verdeutlicht schließlich, dass eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG weder an die Schranken des konkreten Betriebes oder Unternehmens gebunden ist, noch das Vorliegen eines einheitlichen Konzerns voraussetzt.108 Ob die Geheimhaltungspflicht nach § 79 BetrVG zum Schutz vor der Weitergabe betriebs- und unternehmenswichtiger Informationen zwischen konkurrierenden Unternehmen ausreichend ist, wird dabei zu Recht bezweifelt109, vom Gesetzgeber aber wohl bewusst in Kauf genommen. Dies gilt um so mehr, als es teilweise im Eigeninteresse eines Betriebsratsmitgliedes liegen kann, diese Informationen dem „eigenen“ Unternehmen zugänglich zu machen und diesem so Vorteile gegenüber den Konkurrenten zu verschaffen. bb) Wirksame und zweckmäßige Interessenvertretung der Arbeitnehmer Einzige echte Vereinbarungsvoraussetzung ist, dass die vereinbarte Struktur der wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient. Die Schwierigkeiten bei der Bestimmung der Sachgerechtigkeit abweichender Strukturen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BetrVG werden bei § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG noch gesteigert, da zwei unbestimmte Begriffe miteinander kombiniert werden.110 (1) Verhältnis von Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit Zunächst stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit zueinander stehen. Nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG muss die gebildete Struktur einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dienen. Beide Bedingungen müssen also kumulativ 105

Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 35, 37. Annuß, NZA 2002, 290, 292, Fn. 28. 107 Trümner in: D/K/K, BetrVG § 3 Rn. 74. 108 Picker, RdA 2001, 258, 288. 109 Vgl. Picker, RdA 2001, 258, 288. 110 „Konglomerat kaum noch präzise deutbarer unbestimmter Begriffe“, so: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 85; „gesteigerte Unklarheit“, so: Hanau, NJW 2001, 2513, 2514. 106

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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vorliegen. Bei näherer Überlegung, inwieweit sich Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit unterscheiden, gelangt man zu der Erkenntnis, dass der Begriff der Zweckmäßigkeit einer Interessenvertretung die Frage nach deren Wirksamkeit mitumfasst. So wird im Verwaltungsrecht die Wirksamkeit bzw. Zulänglichkeit eines Handelns als „ein durch vollständige Zweckerreichung sich auszeichnender Zweckmäßigkeitsgrad“ definiert111 und stellt damit eines von mehreren Kriterien bei der Zweckmäßigkeitsprüfung dar. Ein absolut unwirksames Mittel kann somit ohnehin nie zweckmäßig sein. Problematischer sind jedoch die Fälle, in denen einer weniger wirksamen Struktur aufgrund anderer Gesichtspunkte ein „Mehr“ an Zweckmäßigkeit gegenübersteht. In diesem Fall ist den Tarifvertragsparteien bei der Abwägung von Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit ein umfassender Beurteilungsspielraum zur wertenden Abwägung zuzubilligen.112 Die adjektivische Kombination ist mithin allenfalls Ausdruck dafür, dass der Frage der Wirksamkeit im Rahmen der allgemeinen Zweckmäßigkeitsbeurteilung durch die Tarifpartner nach dem Willen des Gesetzgebers ein besonderes Gewicht eingeräumt ist. (2) Auslegung von Wirksamkeit und Zweckmäßgkeit Da der sachliche Anwendungsbereich von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auch den der Nrn. 1 und 2 umfasst113, ist aus gesetzessystematischen Gründen zunächst zu vermuten, dass die inhaltlichen Anforderungen, die an eine „wirksame und zweckmäßige“ Interessenvertretung nach Nr. 3 zu stellen sind, strengeren Anforderungen unterliegen, als diejenigen, die an die Wirksamkeit von Regelungen nach Nr. 1 und Nr. 2 geknüpft sind. Diese Vermutung wird aber weder im Rahmen eines semantischen Wortvergleichs gestützt, noch enthält die Begründung zum Gesetzentwurf entsprechende Anhaltspunkte. (a) Wortlautauslegung Auf der einen Seite stellen sowohl Zweckmäßigkeit als auch Sachgerechtigkeit Maximen dar, für die jeweils charakteristisch ist, dass sie die Erzielung eines größtmöglichen Erfolges bei vergleichsweise geringstem Aufwand verfolgen.114 Beide Grundsätze stellen also Ausprägungen des glei111 Bender, DVBl. 1957, 279; Lohmann, Zweckmäßigkeit, S. 26 in Anlehnung an: Jellinek, Gesetz, S. 298 f. 112 Ebenso: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 156; zur Frage der gerichtlichen Überprüfbarkeit: B.II.6. 113 Vgl. bereits: B.II.3.a)aa).

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

chen Prinzips dar115, auch wenn die Zielsetzung eine unterschiedliche ist. Der Beurteilungsmaßstab für die Frage der Sachgerechtigkeit ist dabei ebenso weit bzw. eng wie der für die Bestimmung der Zweckmäßigkeit. Er ergibt sich im Wesentlichen aus dem konkreten Bezugsobjekt in der jeweiligen Normalternative („Zweckmäßig wozu?“). In dieser Beziehung weist § 3 Abs.1 Nr. 3 BetrVG durch die nur exemplarische Determination möglicher Zweckmäßigkeitsgründe ein erhöhtes Maß an Unsicherheit auf. Indem nicht abschließend geregelt ist, aus welchen Gründen eine abweichende Arbeitnehmervertretungsstruktur der zweckmäßigen Arbeitnehmervertretung dient, wird den Tarifvertragsparteien auch diesbezüglich ein weiter Beurteilungsspielraum eröffnet. Die Tarifvertragsparteien können zwar nicht die Voraussetzungen selbst für die Schaffung neuer Strukturen bestimmen116, der Vielfalt möglicher Gründe sind aber keine Grenzen gesetzt. Auffällig ist dabei gerade im Vergleich zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972, dass es keineswegs erforderlich ist, dass die gefundene Gestaltung tatsächlich ein höheres Maß an Zweckmäßigkeit aufweist als die gesetzliche Struktur.117 (b) Norminterpretatorische Auslegung Die in der Begründung zum Gesetzentwurf angegebenen Beispiele betreffen vor allem denkbare Gestaltungsmöglichkeiten einer anderen Interessenvertretung, ohne damit einen eindeutigen Wirksamkeits- und Zweckmäßigkeitsmaßstab aufzustellen. Unbestimmt bleibt, wann z. B. eine „Vertretungsstruktur entlang der Produktionskette“ im Einzelfall auch wirksam und zweckmäßig ist. Vielmehr obliegt die Ausgestaltung im Einzelnen den Tarifvertragsparteien.118 Allerdings zeigt sich, dass ähnliche Überlegungen wie auch im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BetrVG eine Rolle spielen können. Der Bezug zur Organisation legt nahe, dass die Zweckmäßigkeit – und damit auch die Wirksamkeit – insbesondere danach zu beurteilen ist, inwiefern die Vertretungsstrukturen sich an der Leitungsmacht in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten orientieren.119 Darüber hinaus lassen sich für die Beurteilung der Zweckmäßigkeit jedoch keine weiteren allgemeingültigen Prüfungskri114

Heller, Staatslehre, S. 212. Ähnlich: Lohmann, Zweckmäßigkeit, S. 1 f. 116 So aber: Diringer, AuA 2001, 172, 175; kritisch: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 85. 117 Zum Zweckmäßigkeitsbegriff: siehe B.II.6.b)bb)(2). 118 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74. 119 Ebenso: Konzen, RdA 2001, 76, 87; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 13; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 85. 115

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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terien aufstellen, ohne auf die Besonderheiten des einzelnen Betriebes einzugehen. Teilweise wird die Zusammenfassung zu größeren Vertretungseinheiten und die damit verbundene Überschreitung von Schwellenwerten als Orientierungsmaßstab betrachtet.120 Zutreffend ist daran, dass dies wohl zu einer Effektivierung und Professionalisierung der Arbeit des Betriebsrats führen121 und damit der sachgerechteren Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats dienen kann. Andererseits kann eine zweckmäßige Interessenvertretung sich gerade dadurch auszeichnen, dass sie besonders kleine Einheiten schafft, um durch die Belegschaftsnähe besser auf Besonderheiten des einzelnen Betriebs eingehen122 und den einzelnen Arbeitnehmer stärker in Entscheidungsprozesse einbinden zu können.123 Bei der Aufstellung allgemeiner Kriterien mit Gültigkeit für den Einzelfall ist daher Zurückhaltung zu üben. Wenn es den Tarifvertragsparteien obliegt, die Arbeitnehmervertretungsstruktur im Einzelfall auszugestalten124, dann wird man ihnen auch bei der Begründung, warum eine abweichende Gestaltung zweckmäßig für die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen ist, einen umfassenden Beurteilungsspielraum zugestehen müssen.125 b) Gleichordnungskonzern Der im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bestehende Streit, ob der in der ersten Alternative verwendete Konzernbegriff auch den Gleichordnungskonzern i. S. v. § 18 Abs. 2 AktG126 oder nur – entsprechend dem Verweis von § 54 BetrVG – den Unterordnungskonzern i. S. v. § 18 Abs. 1 AktG127 erfasst, ist angesichts der „generalklauselartigen Offenheit des Tatbestandes“128 wohl nur von akademischer Natur. Eine Gestaltung entsprechend der Organisation im Gleichordnungskonzern ist jedenfalls als „andere Form der Zusammenarbeit von Unternehmen“ regelbar.129 Zudem lassen 120

So aber: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 85. Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 85. 122 Thüsing, ZIP 2003, 693, 700. 123 Die Integration der Arbeitnehmer in Mitbestimmungsprozesse ist eines der Hauptanliegen des Reformvorhabens; vgl. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 55. 124 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74. 125 Vgl. noch: Fitting, BetrVG 20. Aufl., § 3 Rn. 48. 126 Diringer, AuA 2001, 172, 174; Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 523, 535; Trümner in: D/K/K, BetrVG § 3 Rn. 71. 127 Annuß, NZA 2002, 290, 292 Fn. 30; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 28, 41 und § 54 Rn. 3. 128 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 35 ff.; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 65. 121

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

sich aus § 54 BetrVG keine Rückschlüsse ziehen130, da dieser sich auf den Konzernbetriebsrat und nicht auf den Betriebsrat auf Konzernebene bezieht. Ebenso schafft die Begründung zum Gesetzentwurf keine Klarheit, da sie lediglich erläutert, dass nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein Konzernbetriebsrat im Gleichordnungskonzern errichtet werden kann, nicht aber nach welcher Alternative. c) Beschränkung der Gestaltungsbefugnis auf die unterste Ebene Aus der generalklauselartigen Norm des § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG sind Beschränkungen für die Vereinbarung von abweichenden Strukturen nur sehr begrenzt abzuleiten. Die gesetzliche Organisation der Betriebsverfassung ist weitgehend zur Disposition der Tarifvertragsparteien gestellt.131 Fraglich ist vor allem, ob auch Arbeitnehmervertretungsstrukturen höherer Ebenen einer abweichenden Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zugänglich sind oder ob die Gestaltungsbefugnis horizontal auf die unterste betriebliche Stufe beschränkt ist.132 Im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 BetrVG, in denen ausdrücklich die Bildung eines Betriebsrates vorgegeben ist, ergibt sich aus § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG keine solche Begrenzung. aa) Ziel der Neuregelung Für eine „vertikale“ Gestaltungsbefugnis133 spricht, dass es das erklärte Ziel der Neuregelung ist, unter anderem auch in einem Gleichordnungskonzern134 die Errichtung eines Konzernbetriebsrats zu ermöglichen. Der Gesetzgeber ist also selbst davon ausgegangen, dass im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG abweichende Strukturen isoliert auf Konzernebene unter Beibehaltung der Betriebsratsstrukturen auf den Ebenen darunter vereinbart werden können.135 129

Annuß, NZA 2002, 290, 292 Fn. 28; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 41; a. A. (ohne Differenzierung): Kort, AG 2003, 13, 14. 130 A. A.: Richardi, NZA 2001, 346, 350. 131 Zutreffend: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 37. 132 Abzugrenzen ist dies vom Problem der Doppelstruktur [dazu B.II.3.d)]. Als Doppelstruktur wird das Bestehen von mehreren Vertretungsorganen auf einer Stufe bezeichnet; vgl. Leßmann/Liersch, DStR 2001, 1302, 1303. 133 Annuß, NZA 2002, 290, 292; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 66. 134 Nach herrschendem Verständins ermöglicht § 54 BetrVG die Bildung eines Konzernbetriebsrats nur im Unterordnungskonzern; vgl. Richardi/Annuß in: Richardi, BetrVG, § 54 Rn. 2 m. w. N. 135 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74.

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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bb) Methodisches Vorgehen bei der Normauslegung Entscheidend für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen sind aber nicht die subjektiven Vorstellungen der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe, sondern der in der Gesetzesbestimmung zum Ausdruck kommende, objektivierte Wille des Gesetzgebers.136 Um diesen objektivierten Willen des Gesetzgebers zu erfassen, sind neben der historischen vor allem die grammatikalische, systematische und teleologische Auslegungsmethode zu bemühen.137 Nur soweit Wortsinn und Bedeutungszusammenhang des Gesetzes Raum für verschiedene Auslegungen lassen, ist diejenige Auslegung vorzuziehen, die der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem Zweck der betreffenden Norm am ehesten gerecht wird.138 Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können.139 Die Normvorstellungen der an der Vorbereitung und Abfassung des Gesetzes beteiligten Personen stellen in diesem Fall zwar eine Hilfe bei der Auslegung des Norminhalts dar. Da sie aber in der Regel nicht sämtlich vom Willen des tatsächlichen Gesetzgebers umfasst werden, sind sie für den Auslegenden auch nicht verbindlich.140 Der Wille des Gesetzgebers kann somit nur insoweit berücksichtigt werden, als er in dem Gesetz selbst einen hinreichend bestimmten Ausdruck gefunden hat.141 cc) Grammatikalische Auslegung von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG Ein Beleg für eine vertikale Gestaltungsbefugnis wird teilweise142 in der Formulierung von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gesehen, wonach die Vereinbarung anderer Arbeitnehmervertretungsstrukturen und nicht anderer Arbeitnehmervertretungen ermöglicht werde. Während es sich bei einer Vertretungsstruktur um die Organisation der Arbeitnehmervertretung auch auf den unterschiedlichen Ebenen handele, stelle eine Vertretung eigentlich et136 BVerfGE 1, 299, 312; E 71, 81, 106; anders die subjektive Theorie: vgl. Enneccerus/Nipperdey, AT Bd. I, S. 324 ff. m. w. N. 137 BVerfGE 11, 126, 130; im Einzelnen: Bydlinski, Methodenlehre, S. 437 ff. 138 Larenz, Methodenlehre, S. 333. 139 BVerfGE 1, 299, 312. 140 Larenz, Methodenlehre, S. 328 ff. 141 BVerfGE 11, 126, 130. 142 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 66 ff.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

was anderes dar, indem dadurch (nur) das Gremium der konkreten Repräsentation bezeichnet zu werden scheine.143 Konsequent wird auf Grundlage dieser „engen Wortlautinterpretation“ die Möglichkeit zur Bildung von Betriebsräten nach Nr. 3, die über den Anwendungsbereich von § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG hinausgeht, bezweifelt, da es sich dabei gerade um eine Arbeitnehmervertretung handele. Dem Gesetzgeber wird somit bei der Wahl des Wortes „Arbeitnehmervertretungsstruktur“ ein besonderer Differenzierungswille in Abgrenzung zu Arbeitnehmervertretungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG unterstellt, der weder in der Gesetzesbegründung noch an einer anderen Stelle im Gesetz (z. B. § 3 Abs. 4 und 5 BetrVG) so beibehalten worden wäre. Als selbstverständlich wird weiter vorausgesetzt, dass mit dem einleitenden „andere“ in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein Hinweis auf den alternativen Charakter gegenüber gesetzlich vorgesehenen Arbeitnehmervertretungsstrukturen zum Ausdruck komme.144 Dies ist allerdings keineswegs zwingend. Ebenso gut kann der Zusatz „andere“ auf die zuvor geregelten Alternativen in Nr. 1 und Nr. 2 bezogen werden145, um auszudrücken, dass durch § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG über die in Nr. 1 oder Nr. 2 genannten speziellen Fälle hinaus andere betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen geschaffen werden können.146 Diese Überlegung wird vor allem dadurch gestützt, dass die Alternativen nach Nr. 1 bis 3 in Abs. 4 und 5 stets einheitlich behandelt werden. Letztendlich wird der Begriff der Vertretung bzw. der Struktur ohne Not überinterpretiert.147 Es spricht viel dafür, dass der Gesetzgeber mit der Wahl des neutralen Begriffes der „Vertretungsstruktur“ gerade keine Gestaltungsmöglichkeit von vornherein ausschließen wollte. Das bedeutet aber nicht, dass daraus eine umfassende Gestaltungsbefugnis abzuleiten ist, sondern vielmehr nur, dass aus dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG keinerlei Aussage über Art und Umfang der Gestaltungsbefugnisse entnommen werden kann. Die grammatikalische Auslegung von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG hilft folglich bei der Frage nicht weiter, ob Vereinbarungen der Tarifvertragsparteien auf die unterste Ebene betriebsverfassungsrechtlicher Organe beschränkt sind oder ob § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auch eine vertikale Gestaltungsbefugnis enthält. 143 Trümner (D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 67) geht offensichtlich von einem AliudVerhältnis zwischen anderen Arbeitnehmervertretungen und Arbeitnehmervertretungsstrukturen aus. 144 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 55, 73. 145 Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 11; im Übrigen auch: Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74. 146 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 46, 52. 147 Ähnlich: Annuß, NZA 2002, 290, 292.

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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dd) Systematische Auslegung Als kritisch erweist sich die Annahme einer vertikalen Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien jedoch wegen der Rechtswirkungen, die an die Schaffung einer Struktur nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG in Abs. 5 geknüpft werden.148 Nach § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG gelten aufgrund Tarifvertrag nach Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 gebildete betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheiten ausnahmslos als Betriebe im Sinne des BetrVG.149 Zu einem anderen Ergebnis kann man wohl nur gelangen, wenn man entweder die Tarifdispositivität von § 3 Abs. 5 BetrVG unterstellt150 oder den Anwendungsbereich von vornherein reduziert.151 Es ist aber nicht nachvollziehbar, warum die gesetzliche Folge des § 3 Abs. 5 BetrVG für „nur strukturregelnde Tarifverträge“152 nicht eintreten sollte. Eine derartige Differenzierung findet Anhaltspunkte weder im Wortlaut von § 3 Abs. 5 BetrVG, nach dem bei jeder Änderung der Betriebsverfassungsstruktur nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG ein Übergang auch der Zuständigkeit erfolgt153, noch in der Gesetzesbegründung, die Abs. 5 sogar nur klarstellenden Charakter bescheinigt.154 Die vereinbarte Struktur – egal ob auf Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernebene – wird zur untersten Ebene der Betriebsverfassung. Ebenso wie durch Abs. 5 das Bestehen einer Doppelstruktur ausgeschlossen wird155, folgt daraus auch eine Beschränkung der Gestaltungsbefugnis auf die unterste Ebene.156 Kein Argument für eine vertikale Gestaltungsbefugnis ist das in der Begründung zum Gesetzentwurf angegebene Ziel, in kleinen Konzernen einstufige Vertretungsstrukturen zu bilden.157 Eine einstufige Arbeitnehmervertretungsorganisation setzt nämlich keine vertikale Gestaltungsbefugnis voraus, sondern beweist, dass auch konzerneinheitliche Vertretungsstrukturen betriebsersetzende Wirkung haben können und damit letztlich Vereinbarun148 149

Zweifelnd deshalb auch: Löwisch, BB, 2002, 1366, 1370. Thüsing, ZIP 2003, 693, 701 ff.; eingehend zur Betriebsfiktion nach Abs. 5:

B.IV. 150 So wohl: Annuß, NZA 2002, 290, 292; zur Frage der Tarifdispositivität von Abs. 5: B.IV.4. 151 So vor allem: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 67, 69. 152 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 69. 153 Vgl. unten: B.IV.2. 154 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 74. 155 Vgl.: B.II.1 bis 3. 156 Ebenso: Giesen, BB 2002, 1480, 1481; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 342; Thüsing, ZIP 2003, 693, 703 f. 157 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 73 unter Verweis auf die Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04 S. 74.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

gen auf der untersten Ebene darstellen. Denn durch eine abweichende Regelung zur Struktur auf Gesamt- bzw. Konzernbetriebsratsebene würden diese Ebenen gerade nicht entfallen. Das Anliegen des Gesetzgebers, mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG die Möglichkeit der Errichtung zwei- oder sogar einstufiger Interessenvertretungen in überschaubaren Unternehmen bzw. Konzernen zu schaffen, bleibt damit auf die Gestaltung beschränkt, sämtliche Betriebe auf Unternehmens- bzw. Konzernebene zusammenzufassen158, also „die Repräsentationsbereiche auf unterster Ebene abzustecken“.159 Auch wäre eine klare Abgrenzung erforderlich, wann eine abweichende Organisationsstruktur der Betriebsfiktion unterliegt und damit bestehende Betriebsräte ersetzt und wann sie gerade nur in überbetrieblichen Angelegenheiten die Arbeit der ursprünglichen Betriebsräte flankieren soll. Daraus resultierende Kompetenzkonflikte versucht Trümner zu vermeiden, indem er den Tarifvertragsparteien eine Gestaltungsbefugnis zur „tariflichen Zuständigkeitsregelung“ zubilligt. Worauf diese tarifliche Befugnis zur Zuständigkeitsgestaltung – „etwa nach Art des § 50 BetrVG“160 – beruhen soll, bleibt allerdings im Unklaren. Aus § 3 BetrVG kann sie jedenfalls nicht resultieren. Sonst würde entgegen der Systematik, dem insofern eindeutigen Wortlaut und der Gesetzesbegründung161, die ausschließlich Abweichungen der Vertretungsstrukturen und nicht auch von entsprechenden Zuständigkeiten erlauben, § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zum Einfallstor einer umfassenden tariflichen Disposition der gesamten Zuständigkeitsverteilung der betrieblichen Mitbestimmung mutieren. Ebensowenig, wie es den Tarifvertragsparteien möglich ist, einzelne Aufgaben der betrieblichen Mitbestimmung ohne Rücksicht auf die betriebliche Struktur zu verteilen, kann dies durch die Schaffung eigener Organe erfolgen. Ein Ergebnis, das nicht zuletzt auch aus verfassungsrechtlicher Sicht geboten ist.162 Für dieses Ergebnis spricht nicht zuletzt auch, dass sonst nur schwer erklärbar wäre, warum der Gesetzgeber in § 47 Abs. 4163 bzw. Abs. 9164 BetrVG die Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien strengen Beschränkungen unterwirft, die bei einer sehr viel weiter reichenden Abänderung im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG mühelos umgangen werden könnten.

158 159 160 161 162 163 164

Thüsing, ZIP 2003, 693, 704. Giesen, BB 2002, 1480, 1481; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 38 ff. Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 69. So auch: Thüsing, ZIP 2003, 693, 703 f. Ebenso: Annuß, NZA 2002, 290, 292 f. Löwisch, BB 2002, 1366, 1369. Vgl. Thüsing, ZIP 2003, 693, 704.

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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d) Verhältnis zur gesetzlichen Struktur Die Frage, ob die vereinbarte Struktur neben oder an Stelle der gesetzlichen Regelung tritt, hat sich bereits bei § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG gestellt.165 Die bereits dort ausgeführten Rückschlüsse aus Abs. 4 und Abs. 5 gelten entsprechend für Nr. 3 und belegen ihren alternativen Charakter. Unzutreffend ist es jedoch, diesen alternativen Charakter bereits aus dem einleitenden „andere“ von Nr. 3 zu schließen.166 Der Zusatz „andere“ bezieht sich in diesem Zusammenhang nur auf die zuvor geregelten Alternativen in Nr. 1 und Nr. 2, nicht aber auf den nach der gesetzlichen Struktur vorgesehenen Betriebsrat.167 Grundsätzlich gehen auch die Vertreter einer vertikalen Gestaltungsbefugnis von einer Verdrängung der gesetzlichen Struktur aus.168 Ist das für Regelungen der untersten Ebene noch widerspruchsfrei möglich, ist diese Annahme für das Verhältnis von Strukturen auf einer höheren Ebene gegenüber den gesetzlichen problematisch. Die Annahme einer vertikalen Gestaltungsbefugnis ist nur zulässig, wenn man für derartige Vereinbarungen § 3 Abs. 4 und Abs. 5 BetrVG – entgegen dem Wortlaut – für unanwendbar hält.169 Damit fällt für diese Vereinbarungen aber auch das zentrale Argument für die Ersetzung weg. Konsequenterweise müsste man dann für Regelungen höherer Ebenen von einem komplementären Charakter ausgehen.170 e) Kompetenz zur Zuständigkeitsregelung Unklar ist schließlich, ob die tarifliche Gestaltungsbefugnis sich in der Abgrenzung von Repräsentationsbereichen erschöpft oder auch die Errichtung von Vertretungen erlaubt, die in jeder Hinsicht von den gesetzlichen 165

B.II.1.e); B.II.2.e). Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 11; anders wohl: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 55. 167 So bereits oben: B.II.3.c)cc). 168 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 52; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 66. 169 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 69; B.I.3.c). 170 Mit einer vertikalen Vereinbarungsbefugnis könnten die Tarifvertragsparteien so auch „Zwischenstufen“ zwischen Betriebsrat und Gesamtbetriebsrat bzw. zwischen Gesamtbetriebsrat und Konzernbetriebsrat bilden. Es wäre beispielsweise möglich, in einer Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG nur einige Betriebsräte eines Unternehmens zusammenzufassen. Die gesetzliche Struktur mit dem Betriebsrat als unterster Ebene und einem Gesamtbetriebrat, der alle Betriebe eines Unternehmens erfasst, bliebe daneben erhalten. Ein „unfruchtbares Nebeneinanderherarbeiten“ und „eine unerquickliche Rivalität“ (vgl. BAGE 14, 82, 90) dieser Strukturen auf den unterschiedlichsten Ebenen wäre die Folge – ein weiteres Argument gegen eine vertikale Vereinbarungsbefugnis. 166

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

Regeln abweichen. So könnten vor allem Zuständigkeitsregelungen Gegenstand tariflicher Vereinbarungen sein.171 Ein Bedürfnis nach einer derartigen Regelungsbefugnis besteht nur dann, wenn Vereinbarungen von abweichenden Vertretungsstrukturen zu Kompetenzüberschneidungen führen können. Nach der hier vertretenen Ansicht, die eine vertikale Gestaltungsbefugnis ebenso ablehnt wie eine Doppelstruktur, können sich von vorneherein derartige Kompetenzunklarheiten nicht ergeben: Eine vereinbarte Struktur tritt ausnahmslos gemäß § 3 Abs. 5 BetrVG an die Stelle der vom Geltungsbereich erfassten Betriebsräte und stellt so immer die unterste Ebene der Arbeitnehmervertretung dar. Immer dann, wenn die Entstehung von Doppelstrukturen nach § 3 Abs. 1 BetrVG für zulässig erachtet wird172, besteht aber die Gefahr, dass ohne derartige „tarifliche Klarstellungen“173 wegen des Nebeneinanders mehrerer gleichzuständiger Vertretungsorgane, die vereinbarte Struktur nicht mehr einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient. Aus dieser Gefahr heraus bejaht vor allem Trümner174, dass die tarifliche Kompetenz zur Vereinbarung abweichender Strukturen auch die Kompetenz zur abweichenden Zuständigkeitsregelung – etwa nach Art des § 50 BetrVG – mitumfasst. Eine derartige „Annexkompetenz“ zur Zuständigkeitsabgrenzung ist aber keineswegs zwingend, selbst wenn man von einer vertikalen Vereinbarungsbefugnis ausgeht.175 So finden sich weder im Gesetzeswortlaut noch in der Gesetzesbegründung Hinweise für eine derartige Auslegung. Auch bliebe unklar, weshalb die gesetzlichen Regelungen für die Arbeitnehmervertretungen unterster Ebene im Hinblick auf § 3 Abs. 5 Satz 2 BetrVG zwingend zu beachten wären, während auf höheren Ebenen die Zuständigkeiten – möglicherweise auch zu Lasten des Betriebsrats – bis hin zur Willkür tarifdispositiv sein sollten.176 Zudem stellt § 50 BetrVG keine besonders geeignete Orientierungsnorm dar. Während § 50 Abs. 2 BetrVG die Delegation einzelner bestimmter bzw. bestimmbarer Angelegenheiten durch den Delegant – d.h. den in der Angelegenheit selbst Zuständigen177 – ermög171

Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 69; ebenso noch: Fitting, BetrVG 21. Aufl., § 3 Rn. 56. 172 Damit erschöpft sich die vorliegend behandelte Problematik nicht im Anwendungsbereich von Abs. 1 Nr. 3, sondern stellt sich auch bei Nr. 1 und Nr. 2, wenn man diesen Strukturen komplementäre Wirkung zugesteht; vgl. B.II.1.e), B.II.2.e). 173 Vgl. Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 69. 174 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 69. 175 Kritisch insbesondere: Annuß, NZA 2002, 290, 292. 176 Annuß, NZA 2002, 290, 292. 177 Begriff der Delegation: A.I.1.g)aa)(2)(a).

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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licht178, würde eine Zuständigkeitsregelung zur Kompetenzabgrenzung weder eine Übertragung zum Gegenstand haben noch einzelne Aufgaben betreffen und dazu noch durch einen für die Aufgabenerfüllung Unzuständigen erfolgen. Eine derartig weitreichende Vereinbarungsbefugnis würde jeder Beliebigkeit Tür und Tor öffnen und damit nicht zuletzt auch zusätzliche verfassungsrechtliche Bedenken auslösen.179

4. Arbeitsgemeinschaften (§ 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG) Nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG können zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Gremien (Arbeitsgemeinschaften) bestimmt werden, die der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit von Arbeitnehmervertretungen dienen. a) Zuständigkeit und Befugnisse Die auch für anschließende Probleme bestimmende Frage bei § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG ist, welche Befugnisse den danach gebildeten Gremien zukommen sollen. Eine Zuständigkeitsumschreibung lässt sich nur der Zweckbestimmung in § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG entnehmen, nach der Gremien der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit von Arbeitnehmervertretungen dienen sollen. Gerade im Vergleich zur Konditionalisierung der Dienlichkeitsformel in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG („wenn“) zeigt sich, dass es sich dabei aber nicht um eine Voraussetzung für die Schaffung des Gremiums handelt. Vielmehr wird dadurch das Aufgabenfeld der gebildeten Gremien eingegrenzt. Aus der Charakterisierung als betriebsverfassungsrechtliche Gremien ergibt sich weiterhin, dass die Aufgaben einen Bezug zur Betriebsverfassung aufzuweisen haben. Ob und welche betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenzen mit der Bildung einer Arbeitsgemeinschaft verbunden sind, folgt daraus aber nicht. Dem lässt sich lediglich ein mittelbarer Bezug auf allgemeine gesetzliche Grundprinzipien entnehmen, die für betriebsverfassungsrechtliche Gremien insgesamt zur Anwendung kommen.180 Ausweislich des eindeutigen Wortlauts handelt es sich bei diesen Gremien um „zusätzliche“ Organe.181 Gremien nach Nr. 4 werden auch weder 178

Vgl. Annuß in: Richardi, BetrVG, § 50 Rn. 53 ff. m. w. N. Annuß, NZA 2002, 290, 292 f.; Hanau, NJW 2001, 2513, 2514; Giesen, BB 2002, 1480, 1481; Kort, AG 2003, 13, 21; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 35, 37; bereits die „enge“ Interpretation von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ist verfassungsrechtlich problematisch; C.II.3.d); D.IV.2.e). 180 Vgl. Trümner in: FS für Däubler, S. 295, 306. 181 Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 14. 179

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

von Abs. 4 noch von Abs. 5 Satz 2 erfasst, so dass sie nicht die Befugnisse anderer Organe in beteiligungs- und mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten182, sondern allenfalls zusätzliche Zuständigkeiten im Verhältnis zu anderen Vertretungsorganen der Betriebsverfassung wahrnehmen. So kommen Arbeitsgemeinschaften nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur als Ergänzung zu Regelungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG in Betracht, um z. B. einen Erfahrungsaustausch der Arbeitnehmervertreter über gleichgelagerte oder ähnliche Probleme und die gefundenen Lösungen zu sichern.183 Auch der Gesetzgeber sieht also in § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG keine Rechtsgrundlage für die Ausübung von über bloß beratende Tätigkeiten hinausgehende Kompetenzen. Angesichts der ausdrücklichen Normierung von Teilnahmerechten (§ 67 Abs. 1 BetrVG), Antragsrechten (§ 66 Abs. 1 oder entsprechend § 80 Abs. 1 Nr. 2a BetrVG) und Unterrichtungsrechten (§ 70 Abs. 2 BetrVG), beispielsweise für die Jugend- und Auszubildendenvertretung, ist überhaupt fraglich, ob irgendwelche Rechte und Pflichten mit der Mitgliedschaft in einer Arbeitsgemeinschaft verbunden sind. Abzulehnen ist auch eine Verpflichtung zur Kooperation der Arbeitnehmervertretungen, deren Zusammenarbeit durch eine Arbeitsgemeinschaft nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG gefördert werden soll. Ein erzwungener Informations- und Erfahrungsaustausch gegen den Willen der Beteiligten dürfte der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit nicht förderlich sein.184 Äußerst kritisch wäre es andererseits zu bewerten, wenn man die Regelbarkeit der Kompetenzen dem Tarifvertrag überließe.185 Eine Absicht, mit § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG den Tarifvertragsparteien die Befugnis zu eröffnen, eigene Kompetenzen über die gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsrechte zu schaffen, kann dem Gesetzgeber nur schwerlich unterstellt werden. Anhaltspunkte dafür, dass mit der Schaffung zusätzlicher Gremien auch zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Rechte vereinbart werden könnten, finden sich weder im Normwortlaut noch in der Gesetzesbegründung und würden zu einer problematischen Konkurrenz der gesetzlichen Vertretungsorgane führen. Eine für eine derartige Regelungskompetenz erforderliche Rechtsgrundlage wird in § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG mithin nicht eröffnet. Mit der Zuweisung der Kooperationsaufgabe an die Arbeitsgemeinschaft besitzt diese mithin eine betriebsverfassungsrechtliche Regelungszuständigkeit. Allerdings ist mit dieser Zuständigkeit keine Kompetenz zur Einwir182 183 184 185

Hanau, RdA 2001, 65, 66; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 44. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04 S. 74. Trümner in: D/K/K BetrVG, § 3 Rn. 117a. So: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 88.

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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kung auf bzw. zur Ausübung von fremden Rechten186 in der Betriebsverfassung verbunden. Bei den Gremien nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG handelt es sich also tatsächlich um Einrichtungen mit Zuständigkeiten, allerdings ohne richtige Befugnisse.187 Es zeigt sich, dass mit der Übertragung einer Zuständigkeit an ein Gremium nicht zwingend auch eine entsprechende Kompetenz verbunden sein muss.188 Wenn sich aber der Tätigkeitsschwerpunkt im Erfahrungsaustausch zwischen Arbeitnehmervertretungen oder in lediglich beratenden Aufgaben erschöpft, stellt sich die Frage, warum es der Schaffung eines bestimmten Gremiums bedarf. Auch der Tarifvorbehalt in § 3 Abs. 2 BetrVG ist für Gremien nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG nur wenig sinnvoll. Der Kooperationszweck legt es eigentlich nahe, den Vertretungsorganen selbst die vorrangige Entscheidung darüber einzuräumen, ob und wie man unternehmensübergreifend zusammenzuarbeiten beabsichtigt. Denn so wie es nur schwer vorstellbar ist, eine Kooperation gegen den Willen der Beteiligten zu vereinbaren, lässt sich andererseits eine Zusammenarbeit durch § 3 Abs. 2 BetrVG auch nicht verhindern.189 Damit bleibt allerdings vollkommen unklar, worin der besondere Zweck einer gesetzlichen Verankerung der Arbeitsgemeinschaft in § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG besteht. Als bloße Anregung zur Einrichtung von bereits früher in der Praxis – auch ohne gesetzliche oder tarifvertragliche Grundlage – anzutreffenden Gremien190 stellt sich die Regelung nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG allenfalls als ein Beleg für eine Entwicklung zur Bürokratisierung und Institutionalisierung in der Betriebsverfassung dar.191 Insgesamt erweist sie sich als zusätzlicher Belastungsfaktor.192 b) „Demokratische“ Legitimation als Voraussetzung Aus der Bezeichnung als „betriebsverfassungsrechtliche“ Gremien wird teilweise ein Legitimationserfordernis nach demokratischen Grundsätzen abgeleitet.193 Anstoß zu nehmen ist dabei zunächst daran, dass das demokrati186

Vgl. Wolf, Vertretung, S. 237; „Betroffenheit bei Normen“ vgl. Schwarze, Betriebsrat, S. 185 ff. 187 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 311; Friese, RdA 2003, 92, 96; Hanau, RdA 2001, 65, 67 f.; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 87, 97. 188 Eingehend dazu: Terrahe, Beleihung, S. 10 ff. 189 Wenn beispielsweise ein Tarifvertrag festlegt, dass keine unternehmensübergreifenden Arbeitsgemeinschaften gebildet werden, kann man daraus schwerlich ein Verbot jeglichen Austausches oder Kontaktes ableiten. 190 Vgl. Fitting, BetrVG 20. Aufl., § 3 Rn. 59. 191 Picker, RdA 2001, 257, 288. 192 Buchner, NZA 2001, 633, 635.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

sche Prinzip auf die Arbeitnehmervertretung angewandt wird. Das Erfordernis einer „demokratischen Legitimation“ ist in diesem Zusammenhang verfehlt, da der Vorgang der demokratischen Legitimation sich grundsätzlich auf die Beziehung des Trägers staatlicher Gewalt zum gesamten Staatsvolk beschränkt.194 Zum anderen ist das Erfordernis einer wie auch immer gearteten Legitimation jedenfalls nicht aus der Qualifizierung als „betriebsverfassungsrechtlich“ abzuleiten. Zwar ist der Betriebsrat der „durch das demokratische Prinzip legitimierte Repräsentant der Belegschaft“.195 In der Betriebsverfassung sind aber auch Gremien vorgesehen, die nach anderen Prinzipien als durch Wahl besetzt werden.196 Die Wahl von betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen durch die Belegschaft kann somit nicht als für das gesamte BetrVG typisch angesehen werden.197 Das Erfordernis der Rückführbarkeit auf eine in einem Wahlakt zum Ausdruck gekommene Willensentscheidung der Betriebsbelegschaft besteht vor allem für die Betriebsräte und die besonderen Arbeitnehmervertretungen unterster Stufe (§ 94 SGB IX; §§ 60 ff. BetrVG). Im Gegensatz zu diesen Vertretungen und deren gesetzlich eingeräumten Kompetenzen ist eine Legitimation der Arbeitsgemeinschaften durch die Betriebsangehörigen angesichts der „kompetenzlosen Zuständigkeiten“ aber nicht zwingend erforderlich.198 Im Hinblick auf den damit verbundenen Aufwand erweist sie sich eher als belastend: Zum einen werden durch die Arbeitsgemeinschaften weder beteiligungs- noch mitbestimmungspflichtige (noch sonst irgendwelche) Kompetenzen nach dem BetrVG wahrgenommen. Zum anderen soll die Zusammenarbeit der Arbeitnehmervertretungen gestärkt werden, um deren Arbeit zu erleichtern und ihre Interessen zu vertreten. Es ist also ebenfalls denkbar, dass die Mitglieder einer Arbeitsgemeinschaft direkt von den jeweiligen Vertretungsorganen entsandt werden.199 193 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 89; so noch: Fitting, BetrVG 21. Aufl., § 3 Rn. 67; zur alten Rechtslage: Fitting, BetrVG 20. Aufl., § 3 Rn. 20. 194 BVerfGE 107, 59, 89; Müller-Franken, Eingriffe, S. 196; zu den besonderen Schwierigkeiten, aus dem demokratischen Prinzip Anforderungen für Gesellschaftsordnungen zu ziehen: C. I.2.b). 195 Richardi in: Staudinger, BGB, vor §§ 611 Rn. 1012. 196 Vgl. § 47 Abs. 2 BetrVG für den Gesamtbetriebsrat bzw. § 55 BetrVG für den Konzernbetriebsrat. 197 In diesem Sinne auch: Brors, NZA 2004, 472, 473 f. 198 Ähnlich: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 333. 199 Kritisch auch: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 56; Hanau, NJW 2001, 2513, 2514. Bereits rein praktisch ist es schwer vorstellbar, wie durch ein Gremium, in dem die Betriebsräte gar nicht vertreten sind, ein Erfahrungsaustausch zwischen zwei Betriebsräten stattfinden soll, ohne die Arbeitsgemeinschaft zu einer Art „Moderatorenrolle“ zu degradieren.

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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c) Rechtsstellung der Mitglieder einer Arbeitsgemeinschaft Da auf Arbeitnehmervertretungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG im Umkehrschluss aus § 3 Abs. 5 BetrVG die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats keine Anwendung finden, stellt die Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft die Wahrnehmung eines Ehrenamtes ohne den besonderen Kündigungsschutz aus § 103 BetrVG i. V. m. § 15 Abs. 1 Satz 1 KSchG dar. Aus dem Behinderungs- und Benachteiligungsverbot in § 78 BetrVG, das auch für die Mitglieder der in § 3 Abs. 1 BetrVG genannten Vertretungen Anwendung findet, wird aber ein Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen und ein relativer Kündigungsschutz abgeleitet.200 Aus § 79 Abs. 2 BetrVG folgt die sinngemäße Anwendung der Geheimhaltungspflicht (§ 79 Abs. 1 BetrVG) auch für Mitglieder einer Arbeitsgemeinschaft.

5. Zusätzliche Arbeitnehmervertretungen (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG) Schließlich können gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG durch Tarifvertrag „zusätzliche Vertretungen der Arbeitnehmer“ vereinbart werden, „die die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern erleichtern“. Die Norm ist § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972 nachgebildet201, wobei die Beschränkung auf eine Regelung nur für Arbeitnehmer bestimmter Beschäftigungsarten oder Arbeitsbereiche entfallen ist. In begrenztem Maße kann daher auf die einschlägigen Kommentierungen zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972 auch im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG n. F. als Auslegungshilfe zurückgegriffen werden. a) Voraussetzungen aa) Existenz eines Betriebsrats Indem die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern erleichtert werden soll, wird im Betrieb das Bestehen eines Betriebsrats voraussetzt.202 Diese Voraussetzung ist insofern erweiternd auszulegen, als es 200

Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 57; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 22; Hess in: H/S/W/G, BetrVG, § 3 Rn. 44; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 70, Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 104. 201 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 75; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 75; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 48; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 97; a. A. noch: Fitting, BetrVG 21. Aufl., § 3 Rn. 75.

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auch ausreichend ist, wenn eine betriebsverfassungsrechtliche Vertretungsstruktur nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG im Betrieb vereinbart worden ist.203 Zwar handelt es sich dabei nach strenger Wortlautauslegung nicht um einen Betriebsrat, sondern nur um eine Arbeitnehmervertretung, die gemäß § 3 Abs. 5 BetrVG lediglich als Betrieb im Sinne des BetrVG gilt und auf die die Rechte und Pflichten des Betriebsrats über § 3 Abs. 5 Satz 2 BetrVG anzuwenden sind. Aus dem Normzweck, die Zusammenarbeit zwischen Mitbestimmungsorganen und Belegschaft zu verbessern, und der Normbegründung wird jedoch deutlich, dass unter Betriebsrat i. S. v. § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG auch die Vertretungen zu subsumieren sind, die den Betriebsrat auf unterster Stufe ersetzen. Eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG könnte also auch mit der Einrichtung einer zusätzlichen Vertretung verbunden werden, wenn bereits bei Vereinbarung absehbar ist, dass damit ein Bedarf zur Zusammenarbeit besteht.204 Missverständlich ist jedoch die Aussage, dass nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG auch auf der Unternehmens- oder Konzernebene zusätzliche Interessenvertretungen geschaffen werden können.205 Dies dürfte nur in den Fällen zutreffend sein, in denen – beispielsweise aufgrund einer Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG – ein unternehmenseinheitlicher Betriebsrat oder nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein konzerneinheitlicher Betriebsrat gebildet worden ist. Eine extensive Normauslegung dergestalt, dass § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG auch auf die Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmervertretungen höherer Stufen anwendbar ist – also auf das Verhältnis zwischen Gesamtbetriebsrat bzw. Konzernbetriebsrat (§§ 47 ff., 54 ff. BetrVG) und der Belegschaft –, wird durch den Gesetzeszweck nicht gedeckt. Die Betreuung der Arbeitnehmer erfolgt ausschließlich durch die Vertretungsorgane unterster Stufe. Für eine erleichterte Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Betriebsräten höherer Ebenen am bestehenden Betriebsrat vorbei besteht dagegen kein Bedürfnis, da die Stellung der regulären Betriebsräte dadurch beeinträchtigt würde. bb) Erleichterung der Zusammenarbeit Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist das Interesse an einer Regelung gemäß § 3 Abs.1 Nr. 5 BetrVG vor allem bei einem unternehmenseinheitlichen Betriebsrat bundesweit tätiger Unternehmen oder auch in Regio202 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 60; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 17; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 52; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 97. 203 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 52. 204 So auch: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 100. 205 So noch: Fitting, BetrVG 21. Aufl., § 3 Rn. 74.

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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nalbetriebsräten vorhanden, in denen Betriebe bzw. Betriebsteile nicht durch ein Betriebsratsmitglied vertreten sind.206 Das Erfordernis eines zusätzlichen Vertretungsgremiums besteht also vor allem dann, wenn wegen der Betriebsgröße oder Betriebsstruktur, aber auch wegen der Zusammensetzung des Betriebsrats Kommunikationsschwierigkeiten zu den Arbeitnehmern entstehen können.207 Ebenso wie schon im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972 ist ein Anwendungsfall zur Förderung der Zusammenarbeit von Betriebsrat und Arbeitnehmern, dass der Betriebsrat entgegen § 15 BetrVG nicht aus Arbeitnehmern der einzelnen Organisationsbereiche zusammengesetzt ist.208 Normzweck ist folglich, den mit der Zusammenfassung von Betriebsratsstrukturen einhergehenden Verlust an Basisnähe dieses Mitbestimmungsorgans zu kompensieren.209 Wie die sprachliche Veränderung im Vergleich zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972210 und § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG n. F.211 („wenn“) belegt, stellt die durch die zusätzliche Arbeitnehmervertretung zu bewirkende Erleichterung der Zusammenarbeit keine echte Voraussetzung, sondern lediglich eine Eingrenzung des „Geschäftsgegenstandes“ dar.212 Auch wenn der Kontakt zwischen Belegschaft und Betriebsrat erst ab einer bestimmten Größe tatsächlich gestört sein dürfte, ist eine bestimmte Mindestgröße nach dem Gesetzeswortlaut nicht erforderlich. Folglich kann von einer Vereinbarungsmöglichkeit nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG auch in kleineren Betrieben Gebrauch gemacht werden. Ebenfalls weggefallen ist die noch in § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972 vorgesehene Beschränkung zur Gestaltung von Vertretungen lediglich für Arbeitnehmer bestimmter Beschäftigungsarten oder Arbeitsbereiche.213 Möglich ist daher auch die Vereinbarung einer einheitlichen Arbeitnehmervertretung für einen gesamten Betrieb oder Betriebsteil.

206 207 208 209 210 211 212 213

Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 75. So bereits zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 a. F.: Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 11. Zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 a. F.: Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 11. Vgl. a.: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 108. Vgl. Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 8. Vgl. B.II.1.d). Ebenso: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 109. Vgl. Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 48.

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b) Aufgaben und Rechtsstellung einer zusätzlichen Arbeitnehmervertretung Entscheidend auch für die Bewertung von § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ist, welche Kompetenzen einer solchen Arbeitnehmervertretung in der Betriebsverfassung zugedacht sind. aa) Zuständigkeiten und Befugnisse Aus der fehlenden Erwähnung von § 3 Abs. 1 Nr. 5 in § 3 Abs. 5 BetrVG sowie aus der Bezeichnung als zusätzliche Vertretung folgt wie bei Nr. 4, dass einer Vertretung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG weder Mitbestimmungs- oder Beteiligungsrechte, die nach dem BetrVG durch den Betriebsrat ausgeübt werden, noch sonstige Vertretungsbefugnisse gegenüber dem Arbeitgeber zustehen.214 Die betriebsverfassungsrechtliche Interessenvertretung erfolgt ausschließlich durch den Betriebsrat. Tatsächlich erfüllt eine zusätzliche Arbeitnehmervertretung keine Aufgaben im Sinne einer Interessenwahrnehmung, sondern ist ihrem Zweck entsprechend lediglich Bestandteil einer Kommunikationsbeziehung.215 Sie fungiert also als eine Art „Sprachrohr“ der Belegschaft zum Betriebsrat für dessen sachgerechte Interessenvertretung.216 (1) Stimmrecht Insbesondere bei § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972 war umstritten, ob tarifvertraglich für eine derartige Arbeitnehmervertretung ein Stimmrecht im Betriebsrat vorgesehen werden kann.217 Jedenfalls für § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ist diese Möglichkeit bereits aus Gründen der Wahlgleichheit abzulehnen, da sonst einzelne Arbeitnehmer betriebsverfassungsrechtlich mehrfach vertreten sein könnten.218 Dies hätte außerdem zur Folge, dass es der tarifvertraglichen Gestaltungsbefugnis unterläge, ob Vertretungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG nicht doch zu Mitbestimmungsorganen zu Lasten des Betriebsrats würden. Für ein der Jugend- und Auszubildendenvertretung entsprechendes Stimmrecht im Betriebsrat (vgl. § 67 Abs. 2 BetrVG) hätte 214 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 58; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 20; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 97. 215 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 75; Kloppenburg in: Düwell, BetrVG, § 3 Rn. 20; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 109. 216 Daher auch die Bezeichnung als „Stammtische zum Meinungsaustausch“, vgl.: Hanau, AuA 2001, 211, 212. 217 Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 17. 218 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 61; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 109.

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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es wegen dieser Wirkung zu Lasten des Entscheidungsgewichts der übrigen Arbeitnehmer einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft.219 (2) Teilnahmerecht Weniger eindeutig dürfte die Frage eines selbstständigen Teilnahmerechts an Betriebsratssitzungen zu beurteilen sein. Denn die Einrichtung von Vertretungen für bestimmte Arbeitnehmergruppen umfasst teilweise auch das generelle Recht, an Betriebsratssitzungen teilzunehmen220, zum Teil beschränkt auf die Fälle, in denen die Ausübung eigener Kompetenzen und Befugnisse betroffen ist.221 Aus dem Umstand, dass nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG für bestimmte Arbeitnehmergruppen, aber auch für die Arbeitnehmerschaft eines gesamten Betriebes eine zusätzliche Vertretung vereinbart werden kann, ließe sich also in entsprechender Anwendung dieser Normen ebenfalls ein selbstständiges Teilnahmerecht ableiten.222 Andererseits stellen selbstständige Teilnahmerechte stets einen Eingriff in den Grundsatz der Nichtöffentlichkeit von Betriebsratssitzungen dar (§ 30 Satz 4 BetrVG). Ausnahmen gelten nur, wenn das Gesetz anderen Personen eine ausdrückliche Teilnahmebefugnis einräumt.223 Nicht einmal Mitglieder von Konzern- oder Gesamtbetriebsräten haben ein entsprechendes Teilnahmerecht. Es wäre daher schwer zu begründen, weshalb im Rahmen von § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG eine gesetzliche Anordnung entbehrlich sein und es vielmehr der Gestaltungsbefugnis der Tarifvertragsparteien unterliegen sollte, ein Teilnahmerecht zu vereinbaren. Denn selbst die Gewerkschaften dürfen nach § 31 BetrVG nur aufgrund eines Antrages aus der Mitte des Betriebsrats an Betriebsratssitzungen teilnehmen. Auch erfüllen Vertretungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG nicht § 70 BetrVG entsprechende Kontrollaufgaben, sondern sollen lediglich die Kommunikation erleichtern. Diese Aufgabenwahrnehmung erfordert nicht die Teilnahme an Betriebsratssitzungen. Ein selbstständiges Teilnahmerecht der Vertretung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG ist abzulehnen.224 219 Bereits für den Schwerbehindertenvertreter wird ein Stimmrecht bei Betriebsratsabstimmungen abgelehnt. 220 Ausdrücklich geregelt in: § 32 BetrVG i. V. m. § 95 Abs. 1 SGB IX. 221 Für die Jugend- und Auszubildendenvertretung: § 67 Abs. 1 BetrVG; für die Zivildienstleistendenvertretung: § 3 Abs. 1 ZDVG; für den Sprecherausschuss: § 2 Abs. 2 Satz 2 SprAuG. 222 In diesem Sinne: Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 17; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 110. 223 Vgl. dazu: Richardi, BetrVG, § 30 Rn. 10 f.; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 30 Rn. 11. 224 Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 20, 30.

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(3) Beratungsfunktion Dem Zweck entsprechend, die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmern zu erleichtern, dürfte es ausreichen, die Mitglieder der zusätzlichen Arbeitnehmervertretungen als Auskunftspersonen bzw. als beratende Stimme zu Betriebsratssitzungen hinzuzuziehen.225 Ihre Teilnahme an Betriebsratssitzungen hängt dann wie bei Sachverständigen oder sonstigen Auskunftspersonen226 von der Einladung des Betriebsrats ab.227 bb) Bestimmung der Mitglieder einer Vertretung Für den Bereich des § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG fehlt es an einer besonderen Regelung für sonstige anwendbare Vorschriften. Insbesondere wird nicht die entsprechende Anwendbarkeit anderer Vorschriften des BetrVG angeordnet.228 Grundsätzlich ist daher davon auszugehen, dass sich Größe, Zusammensetzung, Organisation und Geschäftsführung dieser betriebsverfassungsrechtlichen Einrichtungen nach dem Tarifvertrag richten.229 Beschränkungen der tarifvertraglichen Gestaltungsbefugnis bedürfen einer besonderen Begründung ihrer Erforderlichkeit. Unklar ist vor allem, wie Mitglieder einer Vertretung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG bestimmt werden. (1) Aufgabenbereich Aus der Bezeichnung als „betriebsverfassungsrechtliche“ Vertretung lässt sich über die Bedeutung zur Beschränkung des Aufgabenbereichs hinaus lediglich eine mittelbare Bezugnahme auf allgemeine gesetzliche Grundprinzipien entnehmen, die für betriebsverfassungsrechtliche Gremien insgesamt zur Anwendung kommen.230 Dazu wird insbesondere zu rechnen sein, dass die Vertretung der Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft erfolgt. Ein Wahlerfordernis folgt daraus jedoch nicht zwingend.231 225

Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 61. Vgl. dazu: Richardi, BetrVG, § 30 Rn. 12. 227 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 61; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 20. 228 Wie für § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 in Abs. 5 BetrVG. 229 Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 17; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 60; Trebinger, Betriebsverfassungsrecht, S. 9. 230 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 49; Trümner in: FS für Däubler, S. 295, 306. 231 Vgl. B.II.4.b); a. A.: Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 28, 37; widersprüchlich ist es aber wohl, aus der Bezeichnung „betriebsverfassungsrechtlich“ grundsätzlich ein Wahlerfordernis abzuleiten, andere „betriebsverfassungsrechtliche“ Gremien wie 226

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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(2) Legitimation Aus der Funktion als Arbeitnehmervertretung könnte allerdings abgeleitet werden, dass zu einer Repräsentation der von ihr vertretenen Arbeitnehmer ein legitimationsstiftender Vorgang erforderlich ist.232 Ob eine „Vertretung“ die Wahl durch die betroffenen Arbeitnehmer zwingend erfordert, bestimmt sich nach den mit der Amtsausübung verbundenen Befugnissen. Teilweise werden als entscheidende Merkmale einer betriebsverfassungsrechtlichen Vertretung eine Zwangsrepräsentation der Wahlberechtigten und rechtlich gesicherte Mitwirkungsrechte bzw. Einflussmöglichkeiten auf die Willensentscheidung des Betriebsrats bzw. des Arbeitgebers beschrieben.233 Bei der (selbstständigen) Wahrnehmung fremder Rechte in Vertretung des Rechtsinhabers würde in der Tat wegen der damit verbundenen Fremdbestimmung die Legitimationsfrage aufgeworfen werden.234 Allerdings nimmt eine Arbeitnehmervertretung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG gerade nicht stellvertretend Rechte der durch sie „vertretenen“ Arbeitnehmer wahr, stellt also gerade keine betriebsverfassungsrechtliche Vertretung im obigen Sinne dar. Ihre Aufgabe erschöpft sich stattdessen in der eines Kommunikationsorganes, als Sprachrohr und zentrale Anlaufstelle vor Ort, ohne rechtlich abgesicherte Mitwirkungsrechte. Ein zwingendes Erfordernis nach Legitimation wird damit nicht ausgelöst.235 Dies zeigt sich beispielsweise auch bei einem Vergleich mit der Bestellung einer Frauenbeauftragten nach §§ 15 ff. FFG.236 Denn obwohl diese im Gegensatz zur Arbeitnehmervertretung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG umfangreiche Beteiligungsrechte im Rahmen der Personalvertretung auszufüllen hat, erfolgt ihre Bestellung nicht zwangsläufig aufgrund einer Wahl der weiblichen Beschäftigten. Auch der Umstand, dass beispielsweise mit der Schwerbehindertenvertretung oder der Jugendlichen- und Auszubildendenvertretung ähnlich strukturierte Arbeitnehmervertretungsorgane existieren, die nur durch Wahl bestimmt werden können, löst nicht zwangsläufig auch für § 3 Abs. 1 Nr. 5 z. B. nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG einem derartigen Wahlerfordernis aber nicht zu unterwerfen. 232 Vgl. Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 37; Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 16. 233 Vgl. Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 37 m. w. N. 234 Vgl. C.II.1. 235 Auch das demokratische Prinzip würde im Rahmen der Ausübung staatlicher Aufgaben über die Maßen strapaziert werden, wenn man auch beratende Gremien einer unmittelbaren demokratischen Legitimation unterwerfen würde. 236 Gesetz zur Förderung von Frauen und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Bundesverwaltung und den Gerichten des Bundes vom 24.6.1994, BGBl I S. 1406 ff.

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BetrVG ein Wahlerfordernis aus: Zum einen werden den oben genannten Vertretungen besondere, über bloß beratende Befugnisse hinausgehende Aufgaben gesetzlich zugewiesen. Zum anderen legen es die ausdrückliche gesetzliche Regelung (z. B. in §§ 60 ff. BetrVG) und das Fehlen einer entsprechenden Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG nahe, dass auch in dieser Frage den Tarifvertragsparteien ein Beurteilungsspielraum vom Gesetzgeber zugedacht worden ist. Da die Arbeitnehmervertretungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG keine eigenen Kompetenzen wahrnehmen – insbesondere nicht in beteiligungs- oder mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten – folgt aus der Legitimation nicht ein obligatorisches Wahlerfordernis. Das Verfahren der Entsendung der Mitglieder ist im Grundsatz der Vereinbarungsbefugnis der Tarifvertragsparteien überlassen. Auch aus § 119 Abs. 1 BetrVG, der die Beeinflussung einer Wahl zu einer Vertretung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG unter Strafe stellt, lässt sich kein anderes Ergebnis ableiten.237 Daraus folgt allenfalls, dass, wenn eine Arbeitnehmervertretung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG gewählt wird, diese Wahl frei von jeglicher Behinderung oder Einflussnahme vorzunehmen ist (3) Entscheidungsmaßstab Maßstab für eine Entscheidung der Tarifvertragsparteien, wie die Mitglieder einer Vertretung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG bestimmt werden, ist allein dessen Normzweck, die Zusammenarbeit zwischen Arbeitnehmern und Betriebsrat zu erleichtern. In diesem Sinne wird Belegschaftsnähe sinnvollerweise durch eine unmittelbare Legitimation durch die Betriebsangehörigen erreicht. Auf der anderen Seite ist es ebenso denkbar, dass eine Entsendung durch den Betriebsrat erfolgt. Neben dem geringeren Aufwand hätte eine derartige Lösung den Vorteil, dass mit einem Betriebsratsmitglied der Betriebsbelegschaft ein kompetenter und zugleich auch im Betriebsrat stimmberechtigter Ansprechpartner zur Verfügung stünde. Dem Gedanken der Entscheidungsnähe würde es so am ehesten entsprechen, eine direkte Entsendung aus dem Betriebsrat zu vereinbaren. Zudem kann sich der Betriebsrat auf die unmittelbare Legitimation durch die Arbeitnehmerschaft berufen. Wenn die Arbeitnehmervertretung durch den Betriebsrat besetzt würde, könnte sich das Gremium mittelbar auf diese Legitimation berufen. Aber nicht einmal die direkte Bestimmung der Mitglieder in der Vereinbarung scheint im Interesse der Verfahrensökonomie grundsätzlich ausgeschlossen.

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So aber: Brecht, BetrVG, § 3 Rn. 11.

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cc) Rechtsstellung der Mitglieder einer zusätzlichen Arbeitnehmervertretung Trotz des klaren Wortlauts von § 3 Abs. 5 Satz 2 BetrVG, der die entsprechende Anwendbarkeit der Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats nur auf Vereinbarungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG beschränkt, wird vereinzelt propagiert238, die besondere Rechtsstellung von Betriebsratsmitgliedern auch auf Mitglieder in Arbeitnehmervertretungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG zu übertragen. Tatsächlich folgt jedoch aus § 3 Abs. 5 BetrVG wie bei § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG auch für Vertretungen nach Nr. 5, dass deren Mitglieder nur durch das Behinderungs- bzw. Benachteiligungsverbot (§ 78 BetrVG) geschützt werden und der Geheimhaltungspflicht (§ 79 BetrVG) unterliegen.239 Auch wenn eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG sinnvollerweise mit einer nach Nr. 1 bis 3 verbunden werden kann240, ist sie dennoch nicht nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gebildet. Damit sind weder die §§ 37 f. BetrVG anwendbar noch besteht ein besonderer Kündigungsschutz nach §§ 15 KSchG, 103 BetrVG. c) Zwischenergebnis Als Gremium zur Förderung der Kommunikation zwischen Arbeitnehmern und Betriebsrat stehen einer Vertretung nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG außer beratenden Befugnissen keine echten Kompetenzen im Rahmen der Betriebsverfassung zu.241 Die Einzelheiten einer zusätzlichen Arbeitnehmervertretung – insbesondere auch deren Zusammensetzung – unterliegen der Vereinbarungsbefugnis der Tarifvertragsparteien. Ein Wahlerfordernis ist nur dann zu vereinbaren, wenn dies für eine sinnvolle Zusammenarbeit von Betriebsrat und Arbeitnehmern unverzichtbar wäre.242 Durch § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG erhalten die Tarifvertragsparteien die Befugnis, dem Betriebsrat einen „Unterbau zu verschaffen“.243 Der besondere Normzweck, den 238

Gamillscheg, AR Bd.I, S. 601; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 100. H.M.: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 64; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 22; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 29; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 63; zur alten Rechtslage: ders., BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 20 m. w. N.; vgl. B.II.4.c). 240 B.II.5.a). 241 Vgl. a. Giesen, Rechtsgestaltung, S. 311. 242 Kriterium, wie Belegschafts- und Entscheidungsnähe an dieser Stelle am besten in Ausgleich gebracht werden, kann dabei die betriebliche Vertretungsstruktur selbst sein: Je umfassender der Betriebsrat unterschiedlichste Betriebe in sich vereinigt und sich damit von der individuellen Vertretung des einzelnen Arbeitnehmers entfernt, um so höher ist der Bedarf nach einer die Belegschaftsnähe erhöhenden Wahlbestimmung. 243 Däubler, AuR 2001, 285, 289. 239

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mit der Zusammenfassung von Betriebsratsstrukturen einhergehenden Verlust an Basisnähe wieder auszugleichen244, ist dabei Bestandteil des allgemeinen Zieles des Gesetzgebers, den einzelnen Arbeitnehmer in Prozesse zu integrieren und Themen mitbestimmen zu lassen.245

6. Unbestimmte Rechtsbegriffe und Wertungsfragen Weitgehend wird eine Inhaltskontrolle von Tarifverträgen in Rechtsprechung und Literatur im Hinblick auf die unterstellte Richtigkeitsgewähr abgelehnt.246 Der Tarifvertrag ist durch das Gericht allein daraufhin zu überprüfen, ob er zwingendes Gesetzesrecht verletzt.247 Bei dieser im Ergebnis zu bejahenden Rechtskontrolle durch die Gerichte besteht allerdings – angesichts der Unschärfe der Kriterien wie z. B. der Sachgerechtigkeit oder Zweckmäßigkeit – eine erhebliche Rechtsunsicherheit über den Bestand der gewählten Betriebsräte.248 Problematisch ist vor allem, wie weit die Prüfungsbefugnis der Arbeitsgerichte bezüglich des Inhalts abweichender Tarifverträge reicht. Außer einer umfassenden Inhaltskontrolle, bei der das Gericht eigene Abwägungen von Sachgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit an Stelle der Tarifvertragsparteien trifft, wäre auch eine Rechtskontrolle denkbar249 mit einer Beschränkung auf die Feststellung grober Fehler. Zunächst ist bei den Voraussetzungen nach bestimmten und unbestimmten Rechtsbegriffen im Ermessen der Tarifvertragsparteien zu unterscheiden. a) Bestimmte Rechtsbegriffe Bei bestimmten Rechtsbegriffen ist eine gerichtliche Überprüfung uneingeschränkt möglich. Auch wenn beispielsweise der Begriff einer produktoder projektbezogenen Sparte nicht im Gesetzeswortlaut definiert ist250, steht den Tarifvertragsparteien diesbezüglich kein Beurteilungsspielraum zu.251 Es handelt sich um reine Rechtsanwendungsprobleme. Die vom Bun244

Vgl. o.: B.II.5.a)bb). Vgl. Begründung des RegE zum BetrVG, BR-Drucks. 140/01, S. 52, 55. 246 Eich in: FS für Weinspach, S. 17, 30; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 216 ff.; zur Richtigkeitsgewähr: A.I.2.c)aa). 247 BAGE 22, 144, 151 f.; E 22, 252, 266 ff.; Richardi in: Gedächtnisschrift Dietz, S. 269, 278 f. 248 Eich in: FS für Weinspach, S. 17, 30; Reichold NZA 2001, 859. 249 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 156. 250 Vgl. B.II.2.b). 251 Ebenso: Friese, ZfA, 2003, 237, 253. 245

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desarbeitsgericht für die Kontrolle eines Tarifvertrages nach § 3 BetrVG 1972 geübte „Zurückhaltung“252 ist auf Fragen der reinen Rechtskontrolle nicht anzuwenden. b) Unbestimmte Rechtsbegriffe und Wertungsfragen Die Überprüfung von unbestimmten Rechtsbegriffen wie Fragen der Sachgerechtigkeit und Zweckmäßigkeit wird dagegen bei Tarifnormen im Allgemeinen abgelehnt.253 Grundsätzlich ist eine gerichtliche Kontrolle einer Zweckmäßigkeitsentscheidung ausgeschlossen.254 Häufig fehlt es tarifvertraglichen Regelungen dafür bereits an einem im Gesetz verankerten Anknüpfungspunkt. Bei § 3 BetrVG ist eine Vereinbarung jedoch an Kriterien wie Wirksamkeit, Sachgerechtigkeit bzw. Zweckmäßigkeit geknüpft. Es geht also im Folgenden nicht um eine allgemeine Sach- und Zweckmäßigkeitskontrolle, sondern um eine „Normkontrolle am Maßstab des § 3 Abs. 1 BetrVG“.255 Ausgangspunkt ist daher der im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers. aa) Sachgerechtigkeit (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG) Grundsätzlich erfordert der unbestimmte Rechtsbegriff der Sachgerechtigkeit von dem jeweiligen Entscheidungsträger, diesen mit einem eigenen Werturteil zu versehen.256 In eindeutigen Fällen verdichtet sich dies zu einer einzigen zulässigen Entscheidung. In Grenzfällen kann die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffes jedoch dazu führen, dass jede der möglichen Entscheidungen, die durch den unbestimmten Begriff gedeckt ist, als vertretbar und damit als zulässig anzusehen ist.257 Dies gilt im Rahmen der § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BetrVG um so mehr, als der unbestimmte Begriff der „Sachgerechtigkeit“ im Rahmen der „Dienstbarkeitsformel“ lediglich als Ziel vorgegeben ist, insofern also in gewissem Umfang eine 252 BAGE 97, 31, 40. Fraglich war dabei vor allem, ob die vom BetrVG abweichende Zuordnung von Betriebsteilen und Nebenbetrieben die Bildung von Vertretungen der Arbeitnehmer erleichtert; vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG 1972. Dies wurde mit dem in § 3 Abs. 2 BetrVG 1972 vorgesehenen behördlichen Zustimmungserfordernis begründet, vgl. auch Friese, ZfA 2003, 237, 252. 253 Gamillscheg, AR Bd. I, S. 697; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 246, Rn. 90 ff.; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 226; zur Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts: vgl. Nachweise bei Friese, ZfA 2003, 237, 254 Fn. 75. 254 So: Rieble, Die Kontrolle des Ermessens, S. 42 f. 255 Friese, ZfA 2003, 237, 255. 256 Ule/Laubinger, Verwaltungsrecht, § 55 Rn. 3 f. 257 Sog. Vertretbarkeitslehre, vgl. Ule/Laubinger, Verwaltungsrecht, § 55 Rn. 8.

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Prognoseentscheidung durch die Tarifvertragsparteien beinhaltet. Bei Streitigkeiten darüber, ob diese Voraussetzung erfüllt ist oder nicht, ist das Gericht im Regelfall auf die Prüfung beschränkt, ob das gewählte Mittel (konkrete Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BetrVG) zur Erreichung des angestrebten Zieles (sachgerechte Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen bzw. der Aufgaben des Betriebsrats) von vornherein untauglich ist oder nicht.258 bb) Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit, § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG Besondere Schwierigkeiten sind damit verbunden, dass der Gesetzgeber in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG die Schaffung abweichender Strukturen an die Kriterien von Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit geknüpft259 und damit gleich zwei unbestimmte Rechtsbegriffe miteinander kombiniert hat. Teilweise wird befürchtet, dass dieses „Konglomerat kaum noch präzise deutbarer unbestimmter Begrifflichkeiten“260 zu einer weitgehenden inhaltlichen Kontrolle genutzt werden könnte.261 Fraglich ist, ob und vor allem inwieweit den Tarifvertragsparteien bei der Ausfüllung dieser unbestimmten Begriffe ein Beurteilungsspielraum zusteht oder nicht.262 (1) Beurteilungsspielraum bezüglich des „Ob“ eines Tarifvertrages Unbestritten dürfte sein, dass durch das § 3 BetrVG einleitende „Können“ das „Ob“ eines Tarifvertragsabschlusses in das freie Ermessen der Tarifvertragsparteien gestellt ist. Würde bereits diesbezüglich ein Beurteilungsspielraum bestritten werden, müsste folgerichtig bei der Möglichkeit einer wirksameren und zweckmäßigeren Repräsentationsstruktur als dem gesetzlichen Vertretungsmodell eine Pflicht zum Abschluss eines Tarifvertrages angenommen werden: ein im Hinblick auf Wortlaut und Zweck der Norm, aber auch mit Blick auf Art. 9 Abs. 3 GG unvertretbares Ergebnis.

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Vgl. B.II.1.d)bb). Vgl. B.II.3.a)bb). 260 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 85. 261 Kritisch bereits vor Verkündung: Richardi/Annuß, DB 2001, 41, 42; Richardi, NZA 2001, 346, 350. 262 Für einen umfassenden Beurteilungsspielraum: Fitting, BetrVG 21. Aufl., § 3 Rn. 47; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 85, 156; zweifelnd: Annuß, NZA 2002, 290, 292; nunmehr auch: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 48. 259

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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(2) Beurteilungsspielraum bezüglich des „Wie“ des Tarifvertrages Unklar bleibt weiter, wie ein Maßstab zur Beurteilung der Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit auszusehen hat. § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG gibt mit den Interessen der Arbeitnehmer zwar den maßgeblichen Bezugspunkt an. Kritisch ist es aber, anhand vermeintlich typischer Fallkonstellationen allgemeintaugliche Prüfkriterien aufzustellen, die Gültigkeit über den Einzelfall hinaus beanspruchen können.263 (a) Zweckmäßigkeitsmaßstab Zur Wahrung des Bestimmtheitsgebotes müsste sich, um dem Gebot der Rechtssicherheit, Vorhersehbarkeit und Normklarheit zu genügen, ein derartiger Zweckmäßigkeitsmaßstab klar und unzweideutig der entsprechenden Norm, zumindest aber dem BetrVG entnehmen lassen. Soweit ersichtlich, ist weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur ein erfolgreicher Versuch unternommen worden, einen derartigen Maßstab zu entwickeln, geschweige denn, dass er bereits in eindeutiger und allgemeingültiger Form existierte. Zwar ist auf die Entscheidungsnähe einerseits und die Belegschaftsnähe andererseits als Wertungskriterium für die Gestaltung der Betriebsverfassungsorganisation eingegangen worden.264 In diesem Zusammenhang ist aber bereits festgestellt worden, dass sich diese beiden Kriterien fundamental widersprechen können und gerade bei Strukturregelungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG in aller Regel die Entscheidung zu Gunsten des einen Kriteriums zu Lasten des anderen wirkt. Wie eine zwischen diesen beiden geradezu antagonistischen Zielen zu erfolgende Abwägung im Grundsatz auszufallen hat, kann dem BetrVG nicht entnommen werden.265 Ein Zweckmäßigkeitsmaßstab müsste diese Relation jedoch zumindest ungefähr vorgeben. Selbst der Begründung zum BetrVG, die sich eingehend mit den unterschiedlichen Zielsetzungen der Novellierung auseinandersetzt, ist eine Gewichtung dieser Ziele untereinander nicht zu entnehmen. Die Vereinbarung einer bestimmten Vertretungsstruktur kann also lediglich darauf geprüft werden, wie die Tarifvertragsparteien in diesem Einzelfall die Abwägung vorgenommen haben und ob diese Abwägung im Rahmen der Vertretbarkeit geblieben ist. 263 So aber: Trümner in D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 85; kritisch bereits: B.I.3.a) bb)(2)(a). 264 Eingehend dazu: B.II.6. 265 A. A.: Annuß, NZA 2002, 290, 292.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

(b) Einzelfallentscheidung anhand eines Zweckmäßigkeitsmaßstabes Aber selbst die Möglichkeit unterstellt, dass dem BetrVG ein eindeutiger und zweifelsfreier Beurteilungsmaßstab für die Zweckmäßigkeit zu entnehmen sei266, wäre weiter fraglich, ob auf Grundlage dieses Maßstabes eine eindeutige Abwägung von Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der vereinbarten Arbeitnehmervertretungsstruktur gelingt. Wie bereits erläutert267, sind Konstellationen denkbar, in denen ein weniger wirksames Mittel zweckmäßiger i. S. d. BetrVG ist als ein anderes (und umgekehrt). Dieser weite Beurteilungsspielraum der Tarifvertragsparteien wird durch die bestehende Regelung weder ausgefüllt noch vorweggenommen. (3) Wortlaut Neben den zuvor dargestellten Schwierigkeiten, für die Beurteilung von Wirk- und Zweckmäßigkeit überhaupt einen Maßstab zu entwickeln und anhand diesem im konkreten Einzelfall eine klare Entscheidung zu treffen, ergibt sich aber auch aus dem Normwortlaut, dass der Gesetzgeber keine gebundene Entscheidung vorgeben, sondern den Tarifpartnern bewusst einen weiten Beurteilungsspielraum eröffnen wollte. Mit der gewählten Terminologie (Zweckmäßigkeit etc.) wird grundsätzlich zum Ausdruck gebracht, dass sich in solchen Fällen die gerichtliche Kontrolldichte mindert.268 Auch kommt im Wortlaut zum Ausdruck, dass eine abweichende Regelung nicht wirksamer oder zweckmäßiger (sog. relativer Zweckmäßigkeitsbegriff269) als eine bestehende Arbeitnehmervertretungsstruktur sein muss, und schon gar nicht, dass die gewählte Struktur tatsächlich die wirksamste und zweckmäßigste sein muss (absoluter Zweckmäßigkeitsbegriff270). Gerade der Vergleich mit § 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG 1972, in dem eine zweckmäßigere Gestaltung erforderlich war, zeigt, dass der Gesetzgeber mit der Wortwahl in § 3 BetrVG keinen Vergleich mit der gesetzlichen Regelung vorschreibt, sondern ganz allgemein auf die Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit abstellt.271 Dies wird lediglich dann abzulehnen sein, wenn die Möglichkeit 266 Fraglich ist daran bereits, ob allein die Bestimmbarkeit eines derartigen Maßstabs ausreicht, um den Bestimmtheitserfordernissen zur Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns zu genügen; vgl. C.I.2.c). 267 B.II.3.d)bb). 268 Ehlers in: Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 1 V 6 (Rn. 45). 269 Zur Unterscheidung von relativer und absoluter Zweckmäßigkeit: Jellinek, Gesetz, S. 77 ff. 270 Vgl. Jellinek, Gesetz, S. 86 f. 271 A. A.: Annuß (NZA 2002, 290, 291), der in der neuen Fassung von § 3 BetrVG eine stärkere Beschränkung gegenüber § 3 BetrVG 1972 erkennt.

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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der Zweckerreichung bei dem gewählten Mittel von vornherein ausgeschlossen ist.272 Des Weiteren statuiert § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG, dass eine entsprechende Struktur nur zulässig ist, „soweit dies (. . .) einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient“. Nicht erforderlich ist also, dass diese Struktur tatsächlich wirksam bzw. zweckmäßig ist. Sie muss vielmehr nur – subjektiv – darauf angelegt sein, im Sinne einer allgemeinen Funktionsbestimmung zu wirken, d.h. entsprechend förderlich zu sein. Auch diese Formulierung im Gesetz deutet daraufhin, dass den Tarifvertragsparteien ein umfangreicher Gestaltungsspielraum verbleibt. (4) Gesetzgeberisches Anliegen Bei der Auslegung, inwiefern eine Norm ausreichend bestimmt ist oder nicht, ist auch der Gesetzesbegründung ein maßgebliches Gewicht beizumessen.273 Aus der Begründung zum Gesetzentwurf des BetrVG wird deutlich, dass der (begrenzte) Beurteilungsspielraum nach der ursprünglichen Fassung des § 3 BetrVG, der letztlich das Erfordernis einer staatlichen Zustimmung notwendig gemacht hat274, nicht weiter begrenzt, sondern vielmehr der alleinigen Beurteilung der Tarifvertragsparteien unterstellt werden sollte. So soll den Tarifvertragsparteien „mehr Spielraum (. . .) über den bisherigen Rahmen des bewährten § 3 BetrVG hinaus“ eingeräumt werden, insbesondere um „derzeit noch nicht absehbare Betriebs- und Unternehmensstrukturen“ zu berücksichtigen.275 Aus der Begründung wird also deutlich, dass sich der Gesetzgeber aus seiner Verantwortung weitgehend zurückzieht. Von dem Erfordernis einer staatlichen Zustimmung wird nicht deshalb abgesehen, weil der Gesetzgeber abweichend regelbare Arbeitnehmerstrukturen als durch den Gesetzeswortlaut ausreichend vorbestimmt betrachtet. Vielmehr könnten die Tarifvertragsparteien angesichts der Vielgestaltigkeit der zu regelnden Sachverhalte die Sachgerechtigkeit vor Ort „besser beurteilen als staatliche Stellen“.276 Der Zweck der Regelung liegt nach dem Willen des Gesetzgebers folglich darin, dass den Tarifvertragsparteien die ausschließliche Beurteilung der Zweckmäßigkeit überlassen ist. Die Auslegung von § 3 BetrVG in Richtung einer strikten Zweckmäßigkeitsbindung, die einer umfassenden richterlichen Kontrolle unterliegt, steht daher im Widerspruch zu diesem gesetzgeberischen Anliegen. 272 273 274 275 276

Vgl. Lohmann, Zweckmäßigkeit, S. 26. Vgl. nur: BVerfGE 8, 274, 313. So auch: Annuß, NZA 2002, 290 f. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 56. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 54, 73.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

(5) Tarifvertrag als Mittel zur freien Gestaltung Der Tarifvertrag ist das zentrale Gestaltungsmittel zur Ausübung tarifautonomer Regelungsbefugnisse. Eine der wichtigsten Folgerungen aus dem Vertragscharakter ist die These der Richtigkeitschance.277 Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine nach Überwindung eines Interessengegensatzes der unmittelbar Beteiligten durch Tarifvertrag getroffene Regelung deshalb „richtig“ und „vernünftig“ ist, weil sie staatsunabhängig und selbstbestimmt278 und nicht etwa, weil sie objektiv angemessen oder zweckmäßig ist. Diese Annahme rechtfertigt es letztlich, den Tarifvertrag einer weitgehenden staatlichen Inhaltskontrolle zu entziehen.279 Die sog. Richtigkeitsgewähr als beherrschendes Grundprinzip des Tarifvertrags setzt also mehrere Handlungsalternativen und einen damit verbundenen Beurteilungsspielraum voraus. Eine strikte Bindung an einen festen Zweckmäßigkeitsmaßstab ohne eigenen Beurteilungsspielraum überließe den Tarifvertragsparteien lediglich die Ausführung einer gesetzgeberischen Entscheidung i. S. eines „gebundenen Ermessens“. Die Tarifvertragsparteien könnten einen derartigen Tarifvertrag nicht aushandeln, da das Ergebnis zwischen den Tarifvertragsparteien nicht disponibel, sondern von vornherein festgelegt wäre. Auch würde es sich bei der getroffenen Regelung nicht um selbstbestimmte, sondern um staatliche Entscheidungen handeln, lediglich in der Form eines Tarifvertrages. Es fragt sich dann, weshalb ausgerechnet die Tarifvertragsparteien zum Vollzug dieser Entscheidung berufen sein sollten. Der Zweck des Tarifvertrages besteht somit nicht darin, eine ohnehin schon im Wesentlichen festgelegte gesetzgeberische Entscheidung zu vollziehen. Ansonsten würde der Tarifvertrag zum bloß deklaratorischen Feststellungsmittel degradiert werden. Der Tarifvertrag ist aber gerade Gestaltungsmittel zur Wahrnehmung eigener Interessen in Bereichen, in denen der Einzelne besser als der Staat in der Lage ist zu beurteilen, was er für sich für zweckmäßig hält. Nur eine in diesem Sinne absolut zweckwidrige Entscheidung ist rechtswidrig.

277

Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 216; zur sog. Richtigkeitsgewähr: A.I.2.c)aa). Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 225. 279 H.M.: BAG AP Nr. 32 zu § 620 BGB befristeter Arbeitsvertrag (Richardi); BAGE 22, 144, 151 f.; E 22, 252, 266 ff.; E 23, 460, 464 ff.; Eich in: FS für Weinspach, S. 17, 30; Löwisch/Rieble, TVG, Grundl. Rn. 47 ff.; Richardi in: Gedächtnisschrift Dietz, S. 269, 278 ff.; a. A.: Rüfner, RdA 1985, 193, 198 f.; Wiedemann/ Stumpf, TVG 5. Aufl., Einl. Rn. 130; einschränkend: Schlodder, Arbeitsvertrag, S. 209 f. 278

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

135

c) Ergebnis Es stellt eine reine Wertungsfrage dar, ob eine vom gesetzlichen Leitbild abweichende Vertretungsstruktur der wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient. Es wird ein weiter Ermessensspielraum eröffnet, der nur einer auf eine Überprüfung der Einhaltung der Grenzen der Vertretbarkeit beschränkten Rechtskontrolle unterliegt, auch wenn das Gericht zur Überzeugung gelangt, eine andere Lösung wäre zweckmäßiger gewesen.280

7. Fehlerfolgen Gerade bei den neuen Gestaltungsmöglichkeiten von § 3 BetrVG ist mangels einschlägiger Präzidienzien vor allem in der Anfangszeit noch vermehrt mit Subsumtions- bzw. Rechtsanwendungsfehlern zu rechnen (z. B. durch Verkennung des Spartenbegriffs).281 Aber auch bei der Ausfüllung der unbestimmten Rechtsbegriffe erscheint es trotz der weiten Beurteilungsspielräume282 nicht ausgeschlossen, dass dabei die Grenzen des Vertretbaren überschritten werden. Streitigkeiten über die Rechtswirksamkeit einer vom Gesetz abweichenden Tarifvertragsregelung entscheidet das Arbeitsgericht im Beschlussverfahren (§ 2a Abs. 1 Nr. 1 Abs. 2 i. V. m. §§ 80 ff. ArbGG). Obwohl es um die Wirksamkeit eines Tarifvertrages geht, handelt es sich dennoch um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit.283 Unklar ist allerdings, welche Auswirkungen die Feststellung der Unwirksamkeit einer entsprechenden tarifvertraglichen Regelung auf das danach geschaffene Vertretungsorgan und die von diesem getroffenen Entscheidungen hat. Ein Verstoß gegen zwingende Voraussetzungen von § 3 BetrVG bedeutet, dass die Tarifvertragsparteien die ihnen eingeräumte Regelungsbefugnis überschreiten.284 Sie setzen Rechtsnormen, die von ihrer Normsetzungsbefugnis nicht mehr gedeckt sind. Andere Vertretungsstrukturen als die, welche die zwingenden Voraussetzungen von § 3 BetrVG erfüllen, können nicht vereinbart werden. Eine solche Vereinbarung in einem Tarifvertrag ist wegen Verstoßes gegen die ermächtigende Vorschrift des § 3 BetrVG unwirksam.285

280

So allgemein zur Nachprüfung von Ermessensentscheidungen: Kopp, VwGO, § 114 Rn. 1a. 281 Vgl. B.II.6.a). 282 Vgl. B.II.6.b). 283 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 101; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 92. 284 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 23.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

a) Anfechtungsmöglichkeit Eine Anfechtungsmöglichkeit nach § 19 BetrVG berechtigt lediglich innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses (§ 19 Abs. 2 Satz 2 BetrVG) zu dessen Anfechtung. Die Anfechtung wirkt nur für die Zukunft (ex nunc), so dass getroffene Entscheidungen ihre Wirksamkeit behalten. b) Nichtigkeit der Wahl Ist eine Wahl dagegen nichtig, gilt der Betrieb als von Anfang an betriebsratslos.286 Die Geltendmachung der Nichtigkeit einer Betriebsratswahl ist nicht form- oder fristgebunden, die entsprechende Feststellung vor dem Arbeitsgericht hat nur deklaratorische Wirkung.287 Aus diesem Grund ist es auch unerheblich, ob sich eine Betriebspartei in Kenntnis der die Nichtigkeit begründenden Umstände in der Vergangenheit darauf berufen hat.288 Alle bis dahin getroffenen Entscheidungen sind gegenstandslos, es besteht grundsätzlich kein Vertrauensschutz.289 c) Stellungnahme Die Nichtigkeit einer Betriebsratswahl kommt nur bei groben und offensichtlichen Verstößen in Betracht.290 Schon aus Gründen der Rechtssicherheit ist diese Voraussetzung eng auszulegen.291 Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße vestoßen wurde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt292, z. B. weil die Voraussetzungen 285

Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 23; zu § 3 BetrVG 1972: BAGE 27, 33 ff.; Richardi, Anmerkung zu BAG AP Nr. 9 und 10 zu § 5 BetrVG 1972. 286 BAGE 46, 363, 365 f. 287 Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 81. 288 Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 77; a. A. Fitting, BetrVG, § 19 Rn. 8 f.; Schneider in: D/K/K, BetrVG, § 19 Rn. 44. 289 BAGE 14, 82, 88; E 15, 235, 237 f.; E 30, 12, 19 f.; E 46, 363, 365 f.; BAGE 95, 15, 19; AP Nr. 4 zu § 19 BetrVG 1972. Im Einzelfall kann sich eine Partei jedoch in Widerspruch zum bisherigen Verhalten setzen, so dass das Berufen auf die Nichtigkeit der Betriebswahl unter das Verbot des „venire contra factum proprium“ fallen kann; so: Däubler in: FS für Wißmann, S. 275, 284; kritisch: Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 77 f. 290 BAGE 1, 317, 319; E 4, 63, 67; E 11, 318, 321; E 14, 82, 88; E 15, 235, 237 f.; E 16, 1, 6; E 29, 392, 295; E 44, 57, 59 f.; Fitting, BetrVG, § 19 Rn. 4; Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 72. 291 Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 72.

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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einer Betriebsratswahl überhaupt nicht erfüllt sind, indem ein Betrieb dem BetrVG nicht unterliegt.293 Nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit führen hingegen reine Rechtsanwendungsfehler, wie z. B. bei der Verkennung des Betriebsbegriffs durch den Wahlvorstand.294 Angesichts der Unbestimmtheit einiger Rechtsbegriffe würde bei § 3 BetrVG die Nichtigkeitsfolge die Beteiligten einer mitunter lange währenden Unsicherheit über die Bestandswirksamkeit der vereinbarten Struktur aussetzen. Bei den bestimmten und damit uneingeschränkt gerichtlich überprüfbaren Rechtsbegriffen würde dies bedeuten, dass bereits geringe Abweichungen die Nichtigkeitsfolge begründen könnten. Bei den unbestimmten Rechtsbegriffen kommt dagegen nur eine Rechtskontrolle in Betracht, die sich darauf beschränkt, die Überschreitung der durch § 3 BetrVG vorgegebenen Grenzen der Vertretbarkeit festzustellen.295 Bei § 3 BetrVG ist daher die Fehlerfolge danach zu differenzieren, ob ein Anwendungsfehler bei einem bestimmten Rechtsbegriff oder die Überschreitung eines nur eingeschränkt kontrollierbaren Beurteilungsspielraums bei einem unbestimmten Rechtsbegriff für den Verstoß ursächlich ist: Während Anwendungsfehler nur zur Anfechtung berechtigen, führt eine Vereinbarung nach § 3 BetrVG, die die Grenzen der Vereinbarungsbefugnis überschreitet, zur Nichtigkeit der Wahl der betreffenden Arbeitnehmervertretung.296 Dieser nach Art des Verstoßes differenzierte Ansatz ist auch gerechtfertigt, wenn man die Folgen der Nichtigkeit gegenüber denen der bloßen Anfechtbarkeit – d.h. möglicherweise dauerhafte Wirksamkeit trotz eines Verstoßes gegen § 3 BetrVG – im Einzelfall gegeneinander abwägt. Werden beispielsweise die Grenzen einer Sparte verkannt, ähnelt die Rechtslage der bei Verkennung des Betriebsbegriffes297: Die Beeinträchtigungen für den einzelnen Arbeitnehmer, in einer fehlerhaften Organisationsstruktur vertreten zu werden, sind überschaubar und zumutbar. Wird jedoch eine Organisationsstruktur vereinbart, die über die Grenzen der Vertretbarkeit hinaus einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer entgegensteht, so müsste bei bloßer Anfechtbarkeit eine solche zweckwidrige Regelung möglicherweise aufrecht erhalten werden. Die Beeinträchtigungen für eine funktionierende betriebliche Mitbestimmung wären wesentlich größer. 292

BAGE 94, 144, 147; Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 19 Rn. 3. BAGE 42, 5 ff.; E 88, 322 ff. 294 BAGE 14, 82, 88; E 15, 246, 237 f.; E 30, 12, 19 f.; E 46, 363, 365 f.; E 95, 15, 19. 295 Vgl. B.I. 6.b). 296 A. A.: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 23; Thüsing, ZIP 2003, 700 f. 297 BAGE 46, 363, 365 f. 293

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

Insofern zeigt sich, dass der Wegfall des (staatlichen) Genehmigungserfordernisses direkt mit einem Verlust an Rechtssicherheit verbunden ist: War die Erteilung einer Zustimmung nach § 3 Abs. 2 BetrVG 1972 auch rechtsfehlerhaft, konnten die Betriebsparteien dennoch auf deren Bestandskraft vertrauen.298 Diese Sicherheit zu Lasten der Betriebspartner ist jetzt zugunsten der größeren Gestaltungsbefugnisse der Tarifpartner aufgegeben worden.299

8. Zusammenfassende Bewertung der neuen Gestaltungsmöglichkeiten Der Gesetzgeber hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, durch die umfassenden Gestaltungsmöglichkeiten in § 3 Abs. 1 BetrVG sowohl die Wirksamkeit der Arbeitnehmervertretung in der Betriebsverfassung durch eine Orientierung an den Leitungsbefugnissen im Unternehmen zu erhöhen, als auch die Selbstständigkeit und Eigeninitiative des einzelnen Arbeitnehmers durch eine stärkere Einbindung zu erreichen. Tatsächlich offenbart sich, dass das Problem einer sachgerechten und zweckmäßigen betrieblichen Mitbestimmung nicht gelöst, sondern in die Verantwortung der Tarifvertragsparteien verlagert worden ist. Es wird lediglich die grobe „Marschrichtung“ für eine sachgerechte und zweckmäßige Mitbestimmung vorgegeben: So sollen sich abweichende Strukturen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG, die die Beteiligungs- und Mitbestimmungsrechte des gesetzlichen Betriebsrats ausüben, an den Leitungsbefugnissen des Arbeitgebers orientieren. Es gilt als zweckmäßig, dass Betriebsräte entsprechend der Betriebs-, Unternehmens- bzw. Konzernorganisation dort gebildet werden können, wo auch die unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden. Die Zusammenfassung von Vertretungsstrukturen bis hin zur einstufigen konzerneinheitlichen Vertretung soll vor allem die Durchsetzungswirksamkeit der Arbeitnehmerinteressen durch die damit verbundene Interessenbündelung steigern. Allerdings erfolgt diese „Professionalisierung“ in größeren Strukturen auf Kosten der Belegschaftsnähe.300 Hauptaufgabe einer gesetzlichen Ausgestaltung der Betriebsverfassung ist es, die entgegengerichteten Wertungskriterien „Entscheidungsnähe“ und 298

Vgl. Richardi, BetrVG, 7. Aufl., § 3 Rn. 62. Es liegt mithin in der Verantwortungssphäre der Tarifvertragsparteien, durch Regelungen an der Grenze der Vertretbarkeit zu riskieren, dass ein Betrieb auch für die Vergangenheit betriebsratslos gestellt wird. Der weite Beurteilungsspielraum bei den unbestimmten Wertungsfragen ist also mit dem Risiko der Nichtigkeitsfolge bei Überschreitung dieses Ermessens behaftet. 300 Ebenso: Wolf, FS für Wißmann, S. 489, 494. 299

II. Darstellung der Gestaltungsmöglichkeiten

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„Belegschaftsnähe“ durch eine angepasste, betriebsindividuelle Struktur angemessen in Ausgleich zu bringen. Dies ist dem Gesetzgeber mit § 3 BetrVG nur unzureichend gelungen: Um dem Phänomen der Entfremdung und Anonymisierung entgegenzuwirken, ist es erforderlich, der Rückführbarkeit der betrieblichen Mitbestimmung auf den individuellen Willen des Einzelnen Vorrang vor der Wirkkraft einzuräumen.301 Die Faustformel „soviel Entscheidungsnähe wie nötig, soviel Belegschaftsnähe wie möglich“ belegt, dass Hauptziel einer Betriebsverfassung die Belegschaftsnähe bei einem Mindestmaß an Durchsetzbarkeit sein sollte.302 Mit § 3 Abs. 1 BetrVG wird aber der Verlagerung von Entscheidungskompetenzen weg von der Belegschaftsebene hin zu größeren, möglichst einstufigen Strukturen Vorschub geleistet. Der Gesetzgeber räumt der kollektiven Wirksamkeit bei der Durchsetzung den grundsätzlichen Vorrang ein. Der Einfluss des Einzelnen auf Bestimmungsprozesse wird zunehmend eingeschränkt. Eine Norm wie § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG stellt dafür nur einen sehr unzureichenden Ausgleich dar. Sie dient lediglich der Kommunikation von auf höheren Ebenen getroffenen Entscheidungen und verbessert nicht die Einbeziehung des Einzelnen in diese Entscheidungsprozesse. Der Gesetzgeber dokumentiert damit ein erhebliches Maß an Misstrauen in die Fähigkeit der Belegschaft, über die eigene Betriebsverfassungsorganisation zu entscheiden.303 Tatsächlich ist so von den Änderungen in § 3 BetrVG gerade keine stärkere Einbeziehung des einzelnen Arbeitnehmers zu erwarten.304 Mit zunehmender Entfernung von der Basis steigt die Gefahr, dass nicht mehr die Interessen der Betriebsbelegschaft vertreten werden, sondern zunehmend andere Faktoren die Entscheidungsträger beeinflussen. Diese Gefahr besteht umso mehr, als mit § 3 Abs. 1 BetrVG den Tarifvertragsparteien ein weiter Spielraum bei der Beurteilung von Begriffen wie Sachgerechtigkeit, Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der betrieblichen Interessenvertretung eingeräumt wird.305 Die Einflussmöglichkeiten der Interessenverbände werden durch den tarifvertraglichen Zugriff auf die Strukturen 301 So auch: Thüsing, ZIP 2003, 693, 699; a. A.: Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 92 f. 302 Auch der Gesetzgeber erkennt, dass eine „offene Betriebsverfassung“ den einzelnen Arbeitnehmer stärker in die Verantwortung einer betrieblichen Interessenvertretung miteinbeziehen muss; vgl. Begründung des RegE, BR-Drucks. 140/01, S. 52, 55.; a. A.: Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 92 f. 303 Hanau, NJW 2001, 2513, 2514; Thüsing, ZIP 2003, 693, 700.; vgl. B.II.8. a. E. 304 So aber: Begründung des RegE, BR-Drucks. 140/01, S. 55. 305 Vgl. dazu v. a.: B.II.1.d)bb); B.II.2.d); B.II.3.a)bb).

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

zusätzlich erhöht. Den Gewerkschaften wird die Funktion zur Gesamtrepräsentation der Betriebsbelegschaft zugebilligt, die sie in Wirklichkeit gar nicht erfüllen (können).306 Unklar bleibt auch, warum die Gewerkschaften ein Interesse an einer effektiven und durchsetzungsfähigen betrieblichen Mitbestimmung haben sollten, obwohl diese in Wirklichkeit eine ernsthafte Konkurrenz für die gewerkschaftliche Tätigkeit bedeutet.307 Dies führt schließlich zu der Frage, wessen Interessen § 3 Abs. 1 BetrVG zur Durchsetzung verhelfen soll.

III. Tarifvorbehalt 1. Betriebsvereinbarung (§ 3 Abs. 2 BetrVG) a) Gestaltungsbefugnis durch Betriebsvereinbarung Nach § 3 Abs. 2 BetrVG kann für den Fall, dass keine tarifliche Regelung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 BetrVG und auch kein anderer Tarifvertrag besteht, eine Regelung durch Betriebsvereinbarung getroffen werden. Bedeutsam ist daran, dass sich die in § 3 Abs. 2 BetrVG enthaltene betriebsautonome Gestaltungsbefugnis für die Betriebsverfassung nicht auf § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG bezieht. Dies wird damit begründet, dass „wegen der besonderen Tragweite dieser Regelung eine Vereinbarungslösung nur durch Tarifvertrag zulässig“ sei. Nach der Gesetzesbegründung soll in Unternehmen, in denen ein Tarifvertrag über Entgelte oder sonstige Arbeitsbedingungen gilt, dieser auch für Vereinbarungen über betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen „das maßgebliche Regelungsinstrument“ sein.308 b) Tarifvorbehalt § 3 Abs. 2 BetrVG entscheidet das Verhältnis zwischen Tarifvertrag und Betriebsvereinbarung zugunsten eines umfassenden Vorranges des Tarifvertrages. Bereits das Bestehen irgendeines Tarifvertrages verhindert eine Regelung durch Betriebsvereinbarung. Eine andere Auslegung scheidet ange306

Zur Gesamtrepräsentation der Koalitionen: A.I.2.c)bb). Dazu: A.II.3.a). 308 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04 S. 74. Fraglich ist daran vor allem, warum die Tarifvertragsparteien über weitergehende Regelungsbefugnisse für strukturregelnde Änderungen der Betriebsverfassung verfügen als die Betriebspartner selbst und ob diese auf ihrer gegenüber den Betriebspartnern höheren Kompetenz, auf ihrer höheren Legitimation oder auf dem verfassungsrechtlichen Schutz in Art. 9 Abs. 3 GG beruhen sollen. 307

III. Tarifvorbehalt

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sichts des eindeutigen Wortlauts aus.309 Auch auf die mitgliedschaftliche Legitimation wird bewusst verzichtet.310 Es ist daher nicht einmal erforderlich, dass auch nur ein Arbeitnehmer des betroffenen Betriebes Mitglied in der tarifschließenden Gewerkschaft ist.311 Das Nichtbestehen eines Tarifvertrages ist Voraussetzung einer Regelungsbefugnis der Betriebspartner. Es handelt sich somit ebenso wie in § 77 Abs. 3 BetrVG um eine Zuständigkeitsabgrenzung.312 § 3 Abs. 2 BetrVG stellt also für betriebsverfassungsrechtliche Strukturregelungen eine Entsprechung des auf materielle Arbeitsbedingungen beschränkten Tarifvorbehalts in § 77 Abs. 3 BetrVG dar.313 Die §§ 3 Abs. 2 und 77 Abs. 3 BetrVG ergänzen sich daher und stehen so nicht in einem Konkurrenzverhältnis.314 aa) Normzweck Mangels eindeutiger Aussagen in der Gesetzesbegründung ist davon auszugehen, dass der Normzweck von § 3 Abs. 2 BetrVG wie bei § 77 Abs. 3 BetrVG315 in der Sicherung der verfassungsrechtlich gewährleisteten Tarifautonomie besteht. Ebenso wie bei § 77 Abs. 3 BetrVG316 stellt sich deshalb auch bei § 3 Abs. 2 BetrVG grundsätzlich die Frage nach der Verhältnismäßigkeit317, weil der Tarifvorbehalt wegen der „aus tatsächlichen oder 309 So aber aus verfassungsrechtlichen Gründen: S/W/S, BetrVG, § 3 Rn. 9 ff.; dazu sogleich: B.III.1.b)bb). 310 Annuß, NZA 2002, 290, 293; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 21; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 57; Thüsing, ZIP 2003, 693, 697 f. 311 Annuß, NZA 2002, 290, 293; Eisenmann in: D/M/P/S, ErfK, § 3 BetrVG Rn. 2; Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 3 Rn. 12; Oetker in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 130; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 57; Thüsing, ZIP 2003, 693, 697 f.; insofern a. A.: Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 21; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 267 Rn. 34. 312 Vgl. Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 244. 313 So jedenfalls die zu § 59 BetrVG 1952 herrschende Meinung in Rechtssprechung und Literatur (BAGE 54, 191, 199 ff.; Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 255 m. w. N.; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 572 f. Der bisherigen Mindermeinung (v. a. Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 285) haben sich allerdings nun auch das Bundesarbeitsgericht (BAGE 67, 377, 383) und mit mit ihm große Teile der Literatur (Fitting, BetrVG, § 77 Rn. 71 m. w. N.; Kania in: D/M/P/S, ErfK § 77 BetrVG Rn. 52) angeschlossen. 314 Im Rahmen der nun herrschenden Vorrangtheorie müssen dagegen die beiden Normen in ihrem Anwendungsbereich voneinander abgegrenzt werden. 315 Heyer, Betriebliche Normsetzung, S. 62 ff.; Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 244 m. w. N. 316 Reuter, DZWiR 1991, 221, 225. 317 Düwell, BetrVG, § 3 Rn. 25; Löwisch, BB 2001, 1734, 1736.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

rechtlichen Gründen notwendig einheitlichen Geltung derartiger Normen im Betrieb“318 auch gegenüber Außenseitern wirkt.319 Denn es ist zu berücksichtigen, dass die Tarifvertragsparteien bei einer tarifvertraglichen Regelung nach § 3 Abs. 1 BetrVG zwar auch, aber nicht ausschließlich auf tarifautonomer Regelungsbefugnis tätig werden.320 Es ist fraglich, ob der Normzweck von § 3 Abs. 2 BetrVG einen so weitgehenden Schutz erfordert, wie es in seiner Ausgestaltung der Fall ist. bb) Umfang des Tarifvorranges Voraussetzung für die Sperrwirkung ist, dass entweder ein Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 besteht, oder sonst ein Tarifvertrag gilt. Geltung kann ein Tarifvertrag unmittelbar nur aufgrund seiner normativen Wirkung nach § 4 Abs. 1 TVG beanspruchen. Für § 3 Abs. 2 1. Alt BetrVG (tatsächliches Bestehen eines Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 und 5 BetrVG) ist die Tarifbindung des Arbeitgebers mithin allgemeine Grundvoraussetzung (§ 3 Abs. 2 TVG).321 In Umfang und Reichweite geht der Tarifvorrang aber noch über den Schutz von § 77 Abs. 3 BetrVG hinaus.322 Die Sperrwirkung tritt nicht nur ein, wenn eine tarifvertragliche Strukturregelung vereinbart ist (§ 3 Abs. 2 1. Alt. BetrVG), sondern selbst dann, wenn überhaupt irgendein Tarifvertrag im Betrieb gilt – auch ohne eine Regelung zur Betriebsverfassungsorganisation (§ 3 Abs. 2 2. Alt.BetrVG).323 Sogar bestehende vortarifliche Betriebsvereinbarungen verlieren mit Abschluss eines Tarifvertrages ihre Wirkung.324 Abzustellen ist dabei auf sämtliche von einer Regelung nach § 3 BetrVG erfassten Betriebe, so dass selbst bei unternehmensübergreifenden Strukturen die Tarifbindung auch nur eines Arbeitgebers eine abweichende Regelung durch Betriebsvereinbarung hindert. Eine Begrenzung dahingehend, dass die Sperre nur soweit wirkt, wie der Tarifvertrag eine organisatorische Regelung trifft, so dass neben einer tarifvertraglichen Regelung 318

BAGE 64, 368, 383. Kritisch insbesondere: Löwisch BB 2001, 1734, 1736; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 18 f. 320 vgl. oben unter A.II.4. 321 Hanau, NJW 2001, 2513, 2514; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 54; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 117. 322 Buchner, NZA 2001, 633, 635; Hanau, RdA 2001, 65, 66; ders., NJW 2001, 2513, 2514; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 6 m. w. N.; a. A. wohl: Gnade (BetrVG, § 3 Rn. 8), der wie bei § 77 Abs. 3 BetrVG auf die Üblichkeit abstellt. 323 Hanau, NJW 2001, 2513, 2514. 324 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 120; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4, Rn. 578. 319

III. Tarifvorbehalt

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nach § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG durch Betriebsvereinbarung möglich wäre325, wird durch den Wortlaut nicht gedeckt.326 Der Gesetzgeber erkennt mithin bereits dann ein Bedürfnis nach einem Tarifvorrang, wenn ein Tarifvertrag die gesetzliche Struktur gerade nicht abändert. Es wird damit unterstellt, dass die Tarifpartner die Möglichkeit einer abweichenden Regelung prüfen, so dass eine tarifvertragliche Regelung der Betriebsverfassung üblicherweise immer erfolge, wenn ein Bedarf dafür besteht bzw. die Voraussetzungen dafür vorliegen. Wenn aber die Tarifpartner einen Tarifvertrag abschließen, ohne eine abweichende Betriebsverfassungsstruktur zu vereinbaren, verzichten sie – so die gesetzgeberische Annahme – mit Absicht auf eine tarifliche Regelung. Auch wenn auf den ersten Blick kein Sachgrund für diesen weitreichenden Tarifvorbehalt erkennbar zu sein scheint327, dokumentiert der Gesetzgeber damit, dass der Schutz der Tarifautonomie nicht dort endet, wo durch normative Regelungen von ihr Gebrauch gemacht worden ist (positive Koalitionsfreiheit), sondern bereits dann eingreifen kann, wenn das Koalitionsbetätigungsrecht nicht ausgeübt wird.328 Kritisch ist allerdings, dass der Gesetzgeber die tarifvertragliche Gestaltungsbefugnis auf dem Gebiet der Betriebsverfassung bedenkenlos zur tarifautonomen Koalitionsbetätigung rechnet. Konsequent ist es aber, wenn der Tarifvorbehalt dann auch seinen Schutz entfaltet, wenn keine Regelung getroffen worden ist. cc) Tarifliche Öffnungsklausel Fraglich ist, ob die Sperrwirkung in § 3 Abs. 2 BetrVG auch dann eingreift, wenn der Tarifvertrag ausdrücklich eine Öffnungsklausel in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen zugunsten der Betriebspartner enthält. Dies hätte zur Folge, dass die Tarifvertragsparteien zur Regelung nach § 3 BetrVG auch gegen ihren Willen „in die Pflicht genommen werden“.329 Eine so verstandene „Verpflichtung“ zur Regelung ist zunächst vor dem Hintergrund der (negativen) Koalitionsbetätigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 325

So: Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 19. Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 118. 327 Vgl. Hanau, RdA 2001, 65, 66; kritisch auch: Buchner, NZA 2001, 633, 635; Richardi, NZA 2001, 346, 350. 328 Dieser Gedanke liegt unter anderem dem Schutz der negativen Koalitionsfreiheit zu Grunde; dazu: D.III. 329 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 117a. 326

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

GG als problematisch anzusehen.330 Gesetzgeberischer Zweck des Tarifvorbehaltes ist zudem der Schutz der Tarifautonomie. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Tarifvertragsparteien nicht auf diesen Schutz zugunsten der Betriebspartner verzichten können sollten.331 Auch eine (möglicherweise unzulässige) Subdelegation ist darin nicht zu sehen, da die Tarifpartner keine eigene Befugnis übertragen, sondern nur bewusst auf ihre vorrangige Befugnis verzichten. Das Fehlen einer ausdrücklichen, § 77 Abs. 3 Satz 2 BetrVG entsprechenden Regelung zur Vereinbarung von Öffnungsklauseln332 tritt als Argument dahinter zurück. Danach ist § 3 Abs. 2 BetrVG tarifdispositiv. dd) Arbeitsvertragliche Einbeziehungsabrede Im Hinblick auf die zweite Alternative von § 3 Abs. 2 BetrVG, nach der bereits das Bestehen eines Tarifvertrages über sonstige Arbeitsbedingungen die Sperrwirkung auslöst. Fraglich ist daran, ob ein Tarifvertrag auch dann „gilt“, wenn seine Anwendbarkeit nur auf einer Bezugnahmeklausel in den Arbeitsverträgen beruht. Die Ansicht, die bereits bei Vorliegen einer arbeitsvertraglichen Einbeziehungsabrede annimmt333, dass damit der Tarifvorbehalt ausgelöst werde, verkennt allerdings den Unterschied zwischen Geltungsgrund und Regelungsinhalt. Ein Tarifvertrag entfaltet unmittelbaren Geltungsanspruch auf fremde Arbeitsverhältnisse ausschließlich aufgrund seiner normativen Wirkung, § 4 Abs. 1 TVG. Rechtstechnisch liegt dagegen bei einer Bezugnahmeklausel lediglich eine Inkorporation des Inhalts eines Tarifvertrages in den Arbeitsvertrag vor.334 Geltungsgrund ist nicht der Tarifvertrag, sondern ausschließlich der Arbeitsvertrag.335 Letztendlich deckt sich diese Auslegung auch mit dem Normzweck. Eine Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Koalitionsbetätigungsrechts aus Art. 9 Abs. 3 GG scheidet aus, wenn eine Gewerkschaft in einem Betrieb überhaupt nicht vertreten ist und ein Tarifvertrag nur mittels Bezugnahmeklausel anwendbar ist. 330

Zur negativen Dimension der Koalitionsbetätigungsfreiheit: D.III.4. So auch: Hanau, NJW 2001, 2513, 2514. 332 Däubler, TVR, Rn. 224; Thüsing, ZIP 2003, 693, 701; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 117a; a.A: Hanau, NJW 2001, 2513, 2514.; Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2500; Plander, NZA 2002, 483, 488; allgemein zum Problem tariflicher Öffnungsklauseln: Friese, Koalitionsfreiheit, S. 157 ff. 333 So: Trümmner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 122; für eine Art „Rechtswahl“: Däubler, TVR, Rn. 338. 334 Zur Inkorporation fremden Rechts: C.I.3.b)bb). 335 Annuß, BB 1999, 2558 ff.; Giesen, Rechtsgestaltung, S. 193; Reichel, Bezugnahme, S. 9 ff. 331

III. Tarifvorbehalt

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ee) Allgemeinverbindlicherklärung Weiter ist fraglich, ob die Sperrwirkung von § 3 Abs. 2 2. Alt. BetrVG eingreift, wenn ein Tarifvertrag im Betrieb nur aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung „gilt“.336 Wenn § 3 Abs. 2 BetrVG die „Geltung eines Tarifvertrages“ voraussetzt, kann damit grundsätzlich nur die normative Geltung i. S. v. § 4 TVG gemeint sein. Entscheidend ist also, auf welcher Grundlage ein Tarifvertrag im Falle einer Allgemeinverbindlicherklärung seine Wirkung entfaltet. Im Verhältnis zu den nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ist die Allgemeinverbindlicherklärung ein Rechtsetzungsakt eigener Art.337 Geltungsgrund eines für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrages ist also nicht der Tarifvertrag, sondern die Allgemeinverbindlicherklärung. Nach § 5 Abs. 4 TVG „erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrages“ mit der Allgemeinverbindlicherklärung „auch die nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer“. Fraglich ist, ob dieses „Erfassen“ für eine Geltung im Sinne von § 3 Abs. 2 2. Alt. BetrVG ausreicht. (1) Zweck der Allgemeinverbindlicherklärung Die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrages verfolgt den Zweck, durch die Bewirkung der Verbindlichkeit von tarifvertraglichen Rechtsnormen auch für Nichtverbandsmitglieder alle Arbeitsverhältnisse im Geltungsbereich eines Tarifvertrags inhaltlich gleich zu gestalten und die von Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens abzustützen.338 Einer Allgemeinverbindlicherklärung eines die Betriebsverfassung abändernden Tarifvertrages bedarf es nach dem Verständnis des Gesetzgebers, wie es § 3 BetrVG zugrundeliegt, allerdings ohnehin nicht, da sich die Tarifmacht in diesem Bereich auch auf die Nichtmitglieder erstreckt.339 (2) Zweck des Tarifvorrangs Auf der anderen Seite liegt der Grund für die Sperrwirkung in § 3 Abs. 2 BetrVG darin, die Entscheidungsfreiheit über den Abschluss eines Tarifver336 Düwell, BetrVG, § 3 Rn. 27; Engels/Trebinger/Löhr-Steinhaus, DB 2001, 532, 533; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 121. 337 BVerfGE 44, 322, 340. 338 BVerfGE 44, 322, 342; vgl. zum Allgemeinverbindlichkeits-Beschluss des Bunderverfassungsgerichts: C.I.3.c). 339 Dazu: B.III.1.b)aa).

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

trages nach § 3 Abs. 1 BetrVG zu schützen. Es wird unterstellt, dass im Falle des Fehlens einer Regelung nach § 3 Abs. 1 BetrVG die Tarifvertragsparteien darauf bewusst verzichtet und der gesetzlichen gegenüber einer abweichenden Regelung den Vorzug gegeben haben. Eine entsprechende Prüfung erfolgt allerdings nur für die Betriebe, in denen die Tarifvertragsparteien mitgliedschaftlich vertreten sind. In Betrieben, in denen ein Tarifvertrag ausschließlich aufgrund einer Allgemeinverbindlicherklärung gilt, hat ein Interesse der Tarifpartner, die Vereinbarungsmöglichkeit anlässlich eines Tarifabschlusses zu prüfen, zu keinem Zeitpunkt bestanden. Eine Sperrwirkung ist daher auch nicht durch Art. 9 Abs. 3 GG geboten. Seinem Zweck nach stellt § 3 Abs. 2 BetrVG ausschließlich auf die unmittelbare Wirkung i. S. v. § 4 Abs. 1 TVG ab, der seinerseits die Tarifgebundenheit voraussetzt.340 Ein Tarifvertrag, dessen Wirkung für die Betriebsbelegschaft ausschließlich auf einer Allgemeinverbindlicherklärung beruht, löst daher keine Sperrwirkung gegenüber einer Betriebsvereinbarung aus.

2. Regelung durch Arbeitnehmerbeschluss (§ 3 Abs. 3 BetrVG) Besteht im Falle des § 3 Abs. 1 Nr. 1a BetrVG keine tarifliche Regelung und besteht auch sonst in dem Unternehmen kein Betriebsrat, können die Arbeitnehmer gem. § 3 Abs. 3 BetrVG mit Stimmenmehrheit die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen. Damit enthält auch § 3 Abs. 3 BetrVG einen Tarifvorbehalt, der noch wesentlich weiter reicht als der in Abs. 2. Eine Regelung durch die Arbeitnehmer kommt nur in Betracht, wenn weder eine gesetzliche noch eine tarifliche Interessenvertretung existiert. Und selbst dann ist die Belegschaft auf den Beschluss eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschränkt. Inwiefern diese Bestimmung überhaupt zur Anwendung kommen wird, ist äußerst fraglich. Weshalb in einem Unternehmen, in dem bislang überhaupt kein Betriebsrat existiert hat, eine Mehrheit der Mitarbeiter für einen unternehmenseinheitlichen Betriebsrat stimmen sollte, bleibt ein Rätsel. Wahrscheinlicher ist, dass mit der Regelung nur der Schein gewahrt werden soll, dass formal auch die Belegschaft ein Initiativrecht bei der Bestimmung der Betriebsverfassungsorganisation besitzt. Insgesamt kommt in der Regelung ein erhebliches Maß an Mißtrauen in die Fähigkeit der Belegschaft zum Ausdruck, die eigene Betriebsverfas340 Im Ergebnis auch: Richardi/Annuß (DB 2001, 41, 42) die für eine „Klarstellung“ plädieren.

IV. Betriebsfiktion, § 3 Abs. 5 BetrVG

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sungsorganisation selbst zu bestimmen.341 Die unmittelbar selbstbestimmte Betriebsverfassungsorganisation wird lediglich in den Fällen zugelassen, in denen das Unternehmen sonst vollkommen vertretungslos wäre. Das in der Gesetzesbegründung erklärte Ziel, den einzelnen Arbeitnehmer in die Betriebsverfassung einzubeziehen, indem er sich stärker als bisher einbringen kann342, erweist sich auch hier wieder als Leerformel.

IV. Betriebsfiktion, § 3 Abs. 5 BetrVG Erklärtes Ziel der Novellierung des BetrVG war nicht ein Systemwechsel in der Betriebsverfassung, sondern eine auf dem bisherigen bewährten System der betrieblichen Mitbestimmung aufbauende Reform zu „ihrer Modernisierung“.343 Der Gesetzgeber hat es im Hinblick auf die Unmöglichkeit einer Antizipation zukünftiger Entwicklungen bewusst unterlassen, dem Gesetz eine Neudefinition des Betriebsbegriffs beizufügen.344 Vielmehr soll die angestrebte Flexibilisierung durch eine „Kombination aus gesetzlicher und vertraglicher Lösung“ erreicht werden.345

1. „Gesetzlicher Betriebsbegriff“ (§ 1 Abs. 1 BetrVG) Auch nach der Novellierung durch das BetrVRG wird die Organisation der Betriebsverfassung über § 1 Abs. 1 BetrVG zunächst an dem als bekannt vorausgesetzten346 Betriebsbegriff ausgerichtet und knüpft damit an einer der unternehmerischen Disposition unterliegenden Bezugsgröße an. Ausgangspunkt ist also nach wie vor der von der Rechtsprechung aus der Rechtslehre übernommene Betriebsbegriff.347 Als „Betrieb“ im Sinne des BetrVG gilt danach „die organisatorische Einheit, innerhalb derer ein Unternehmer allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe sächlicher und immaterieller Mittel bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt“.348 Diese Begriffsbestimmung hat sich am Zweck des BetrVG zu ori341

Dazu bereits: B.II.8. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 54. 343 Vgl. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 54. 344 Vgl. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 56; zustimmend: Kort, AG 2003, 13. 345 Vgl. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 45. 346 Kort, AG 2003, 13, 14; Löwisch, BB 2001, 1734; Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 15; ders., NZA 2001, 346, 348. 347 BAGE 14, 82, 90; Löwisch, BB 2001, 1734. 348 BAG in st. Rspr.: BAGE 59, 319, 324 m. w. N.; BAGE 95, 15, 20; Lit.: Hueck/ Nipperdey, AR I, S. 93; Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 22 ff. m. w. N.; eingehend auch: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 335 ff. 342

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

entieren, den Arbeitnehmer an den ihn betreffenden betrieblichen Entscheidungen zu beteiligen.349 Andererseits muss der Betriebsrat dort errichtet werden, wo die Entscheidungen des Arbeitgebers fallen.350 Entscheidendes Begriffsmerkmal ist dabei vor allem die Einheit der betrieblichen Organisation, die einen einheitlichen Leitungsapparat voraussetzt.351 Bei der Bestimmung betriebskonstituierender Leitungsbefugnisse ist darauf abzustellen, inwiefern eine selbstständige Leitung in mitbestimmungserheblichen Sachverhalten vor allem bei personellen und sozialen Fragen übertragen ist.352 Entscheidend ist daher nicht die Ausrichtung am wirtschaftlichen Zweck, sondern ausschließlich die Orientierung an arbeitstechnischen Zwecken.353

2. „Vertraglicher Betriebsbegriff“ Mit einem auf Grundlage von § 3 BetrVG geschlossenen Tarifvertrag ändert sich nicht die betriebliche Struktur.354 Gemäß § 3 Abs. 5 Satz 1 BetrVG wird die vereinbarte betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit lediglich als Betrieb im Sinne des BetrVG fingiert und wird damit zum in der Betriebsverfassung maßgeblichen Anknüpfungspunkt.355 Die Vorschriften über Rechte und Pflichten des Betriebsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder finden aber auch auf diese Arbeitnehmervertretungen Anwendung (§ 3 Abs. 5 Satz 2 BetrVG). Durch diese Fiktion wird einerseits klargestellt, dass sich für bestimmte Beteiligungs- und Organisationsrechte entscheidende Größenordnungen – z. B. in §§ 9, 27 Abs. 1, 28 Abs. 1, 38 Abs. 1 BetrVG – nur nach der Größe der neu geschaffenen Organisationseinheit richten.356 Soweit Beteiligungsrechte von einer bestimmten Zahl im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer abhängen, ist also die durch Zusammenfassung bzw. Aufspaltung entstandene Einheit maßgeblich.357 Des Weiteren wird deutlich, dass sämtliche Rechte und Pflichten des gesetzlichen Betriebsrats auf die neue Vertretungs349

Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 239; Preis, RdA 2000, 257, 278. Fitting, BetrVG, § 1 Rn. 61. 351 H.M.: BAGE 68, 67, 72 m. w. N.; Dietz in: FS für Nikisch, S. 23, 27 f.; Konzen, Unternehmensaufspaltung, S. 76 ff.; Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 27 m. w. N.; a. A.: Trümner (in: D/K/K, BetrVG, § 1 Rn. 46 ff.), der bei einer Begriffsbestimmung auch auf die arbeitnehmerbezogenen Aufgaben abstellt. 352 BAGE 40, 163, 167. 353 Jacobi, FS für Ehrenberg, 1, 20; Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 18, 22 ff. m. w. N.; Zöllner/Loritz, AR, S. 491 f. 354 Kort, AG 2003, 13, 14; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 62. 355 Kort, AG 2003, 13, 14; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 61. 356 So ausdrücklich: Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 76; vgl. Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 62. 350

IV. Betriebsfiktion, § 3 Abs. 5 BetrVG

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struktur übergehen. Eine Strukturänderung führt daher zwangsläufig zum Übergang der Zuständigkeiten des Betriebsrats auf die neu geschaffene Struktur. Sie tritt nicht neben den ursprünglichen Betriebsrat, sondern ersetzt diesen.358

3. Reichweite der Fiktion Klärungsbedürftig ist weiterhin die Reichweite von § 3 Abs. 5 BetrVG. Teilweise wird vertreten, dass die kollektivrechtlichen Vereinbarungen über § 102 BetrVG auch auf das Kündigungsschutzrecht ausstrahlen.359 So wird in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff teilweise auch anderen Bereichen wie z. B. dem Kündigungsschutzrecht zugrunde gelegt.360 Eine andere Ansicht beschränkt den betriebsverfassungsrechtlichen Betriebsbegriff – und damit auch die Reichweite der Betriebsfiktion des § 3 Abs. 5 BetrVG – auf das Betriebsverfassungsrecht.361 Für die Maßgeblichkeit auch für andere Gesetze sprechen vor allem Praktikabilitätserwägungen.362 Zum einen ließe sich nur so ausschließen, dass die betriebsverfassungsrechtliche Zuständigkeit des Betriebsrats nach § 102 BetrVG und die Reichweite der Sozialauswahl nach § 1 KSchG auseinander fallen können. Der Betriebsrat wäre entweder gezwungen, bei der Sozialauswahl auch Arbeitnehmer zu berücksichtigen, die zu repräsentieren er nicht befugt ist, oder es wäre eine Abstimmung mehrerer Betriebsräte erforderlich. Betriebsverfassungsrecht und Kündigungsschutzrecht sind sowohl historisch als auch systematisch miteinander verzahnt.363 357 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 76 f.; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 9; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 61 ff.; Thüsing, ZIP 2003, 693, 702 f.; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 148. 358 So auch: Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 27; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 149, der sich damit in Widerspruch zu seinen eigenen Ausführungen in § 3 Rn. 56 setzt. 359 Däubler, AuR 2001 285, 288; Hanau, NJW 2001 2513, 2514; allgemein: Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 337 m. w. N. 360 BAG AP Nr. 2 zu § 21 KSchG mit zustimmender Anmerkung Hueck; BAGE 55, 117, 129 f.; BAG NZA 2001, 831, 832; differenzierend dagegen: BAGE 14, 82, 88 ff.; BAG AP Nr. 16 zu § 1 BetrVG 1972. 361 Franzen, ZfA 2000, 285, 304 f.; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 337 ff., 341 ff.; Leßmann/Liersch, DStR 2001, 1302; Plander, NZA 2002, 483, 489 ff.; Preis, RdA 2000, 257 ff.; Richardi, NZA 2001, 346, 348; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 152. 362 Däubler, AuR 2001, 285, 288; Franzen, ZfA 2000, 285, 304 f.; Plander, NZA 2002, 483, 489. 363 Preis, Arbeitsrecht 2001, S. 83, 100.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

Das Bundesverfassungsgericht364 orientiert sich andererseits bei der Interpretation des Betriebsbegriffs ausschließlich am jeweiligen Gesetzeszweck. Es wäre daher schon „Zufall“, wenn kündigungsschutz- und betriebsverfassungsrechtlicher Betriebsbegriff deckungsgleich wären.365 Auch der Wortlaut („Betrieb im Sinne dieses Gesetzes“) belegt, dass andere Gesetze – wie z. B. das KSchG – nicht von der Fiktion erfasst werden, sondern der für diese Gesetze jeweils zu bestimmende Betriebsbegriff relevant bleibt.366 Die systematisch erforderliche Beschränkung der Gestaltungsbefugnis auf die unterste Ebene367 führt ebenfalls zu einer Begrenzung der Fiktionswirkung auf das BetrVG. Schließlich spricht auch ein rechtstheoretischer Grund dafür, dass eine tarifvertragliche Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 BetrVG nur für die Betriebsbestimmung i. S. d. BetrVG maßgeblich sein kann: Bei der Vereinbarung einer abweichenden Betriebsverfassungsstruktur nach § 3 Abs. 1, 5 BetrVG handeln die Tarifvertragsparteien in Ausübung einer auf betriebsverfassungsrechtliche Fragen beschränkten Regelungskompetenz.368 Wenn die Tarifvertragsparteien damit zugleich wesentliche Fragen in anderen Rechtsbereichen regeln würden, die grundsätzlich nicht tarifdispositiv sind – insbesondere eine Veränderung der individualrechtlichen Risikoverteilung im Kündigungsschutzrecht369–, hätte es diesbezüglich einer ausdrücklichen gesetzlichen Übertragung bzw. dahingehenden Klarstellung durch den Gesetzgeber bedurft.370

4. Tarifdispositivität Die Betriebsfiktion gilt – ihrem Wortlaut nach ohne Ausnahme – für alle Vereinbarungen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG. Damit ist der Betriebsbegriff selbst nicht tarifdispositiv. Die Tarifpartner können über § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG lediglich die Repräsentationsbereiche neu definieren.371 Bezüglich der Aufgaben, des Tätigkeitsbereiches, der Zusammensetzung und der Organisation der vereinbarten Strukturen ordnet § 3 Abs. 5 TVG die entsprechende Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über den Be364

BVerfGE 97, 169, 182 ff. Plander, NZA 2002, 483, 490. 366 Leßmann/Liersch, DStR 2001, 1302. 367 Ebenso: Giesen, BB 2002, 1480, 1481; Joost, Betrieb und Unternehmen, S. 342; Thüsing, ZIP 2003, 693, 703 f.; vgl. B.II.3.c)dd). 368 Unerheblich ist dabei, ob es sich um eine tarifautonome (d.h. originäre) oder eine staatliche (d.h. delegierte) Kompetenz handelt. Sachlich bleibt sie in jedem Falle auf das Betriebsverfassungsrecht beschränkt. 369 Preis, RdA 2000, 257, 264. 370 Deren Verfassungsmäßigkeit wäre ihrerseits durchaus problematisch. 371 Richardi, NZA 2001, 346, 349 ff. 365

IV. Betriebsfiktion, § 3 Abs. 5 BetrVG

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triebsrat an. So wenig die Tarifvertragsparteien unmittelbar die Kompetenzen des Betriebsrats bestimmen können, ist ihnen dies auch nicht mittelbar im Rahmen einer Regelung über die Anwendbarkeit der Betriebsfiktion nach § 3 Abs. 5 BetrVG gestattet. Für eine solche Abweichung vom BetrVG bedarf es vielmehr einer ausdrücklichen gesetzlichen Zulassung.372

5. Auswirkungen auf Gesamt- und Konzernbetriebsrat a) Ersetzung von Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat Als Folge der gesetzlichen Fiktionswirkung von § 3 Abs. 5 BetrVG können die Voraussetzungen eines Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrats nach §§ 47 ff., 54 ff. BetrVG entfallen. Dies ist dann der Fall, wenn sämtliche Betriebsräte eines Unternehmens bzw. eines Konzerns in der neuen Struktur zusammengefasst werden, also der Umfang des gemäß § 3 Abs. 5 BetrVG fingierten Betriebes und Unternehmens- bzw. Konzerngröße identisch sind.373 Vereinbarungen nach § 3 Abs. 1 BetrVG können so den Gesamtbzw. Konzernbetriebsrat mittelbar ersetzen.374 b) Vereinbarung nach § 3 BetrVG als Grundlage für Gesamtbetriebsrat Die gesetzlichen Regelungen über den Gesamtbetriebsrat knüpfen an das Bestehen eines Betriebsrats an (§ 47 Abs. 1 BetrVG). Durch die Betriebsfiktion des § 3 Abs. 5 BetrVG wird klargestellt, dass die vereinbarte Struktur an die Stelle eines bis dahin bestehenden Betriebsrats tritt. Dies bezieht sich auch auf Normen wie § 47 Abs. 1 BetrVG, die an das Bestehen eines Betriebsrats anknüpfen. Sind also in einem Unternehmen mehrere Arbeitnehmervertretungen nach § 3 Abs. 1 BetrVG vereinbart, können diese durch einen Gesamtbetriebsrat zusammengefasst werden. c) Abweichende Regelung auf Gesamt- bzw. Konzernbetriebsratsebene Kontrovers wird die Frage behandelt, ob § 3 Abs. 1 – insbesondere in Nr. 3 – BetrVG eine Gestaltungsbefugnis nicht nur in horizontaler, sondern auch in vertikaler Hinsicht ermöglicht. Problematisch ist, ob eine Regelung 372

Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 26. Thüsing, ZIP 2003, 693, 703. 374 Diese Ersetzungswirkung ist von der (unmittelbaren) vertikalen Gestaltungsbefugnis zu unterscheiden; B.IV.5.c). 373

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

nach § 3 Abs. 1 BetrVG stets nur die unterste Ebene der betrieblichen Interessenvertretung abweichend vom Gesetz regelt375 oder auch direkt und isoliert auf Vertretungsstrukturen auf höherer (Unternehmens- bzw. Konzern-) Ebene zugegriffen und ein bestehender Gesamt- bzw. Konzernbetriebsrat unmittelbar ersetzt werden kann.376 Eine vertikale Regelungsbefugnis ist allerdings im Hinblick auf die Betriebsfiktion in § 3 Abs. 5 BetrVG abzulehnen.377 Wenn die Tarifvertragsparteien eine zwei- oder nur einstufige Interessenvertretung im Konzern erreichen wollen, bleibt ihnen daher nur die Möglichkeit, dies durch eine Zusammenfassung sämtlicher Betriebe eines Konzerns – also mittelbar auf unterster Ebene – zu erreichen.378 Eine Gestaltungsmacht der Tarifvertragsparteien zur unmittelbaren Regelung auf der Ebene des Gesamtbetriebsrats bleibt somit an die limitierten Vorgaben des § 47 Abs. 9 BetrVG gebunden.379

V. Tarifrechtliche Probleme 1. Parteien des Tarifvertrags/Tarifzuständigkeit Einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG kann auf Arbeitnehmerseite nur eine tarifzuständige Gewerkschaft schließen380, während auf Arbeitgeberseite sowohl der tarifzuständige Arbeitgeberverband als auch der Arbeitgeber selbst zum Tarifabschluss befugt sind.381 Die Tarifzuständigkeit muss sich auf sämtliche vom Tarifvertrag erfassten Betriebe erstrecken.382 Die Tarifzuständigkeit legt den Geschäftsbereich fest, innerhalb dessen eine tariffähige Partei Tarifverträge abschließen kann.383 Der maximale tarifliche Geltungsbereich wird dabei in räumlicher, betrieblich-branchenmäßiger, beruflich-fachlicher und persönlicher Hinsicht eingegrenzt.384 375

Giesen, BB 2002, 1480, 1481; Thüsing, ZIP 2003, 693, 703 f. Annuß, NZA 2002, 290, 292 f.; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 69. 377 Vgl. o. B.II.3.c). 378 So auch: Thüsing, ZIP 2003, 693, 704. 379 Thüsing, ZIP 2003, 693, 704. 380 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 56; Thüsing, ZIP 2003, 693, 697; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn.6. 381 vgl. a. Thüsing, ZIP 2003, 693, 697. 382 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 56; Thüsing, ZIP 2003, 693, 699. 383 BAGE 16, 329, 334; E 22, 295; E 50, 179; E 84, 314, 320; AP Nr. 7, 8 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit; Oetker in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 47. 384 Richardi in: Staudinger, BGB, Vor §§ 611 ff. Rn. 614. 376

V. Tarifrechtliche Probleme

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a) Betrieblich-branchenmäßige Tarifzuständigkeit Auf dem Gebiet betriebsverfassungsrechtlicher Fragen ergeben sich für die Tarifzuständigkeit weder in räumlicher, betrieblich-branchenmäßiger noch in beruflich-fachlicher Sicht Besonderheiten gegenüber anderen Tarifverträgen i. S. v. § 1 Abs. 1 TVG.385 Als Folge des Industrieverbandsprinzips kann es daher dazu kommen, dass eine Gewerkschaft zwar für einen überwiegenden Teil der Betriebe eines Unternehmens oder im Konzern zuständig ist, jedoch einzelne Betriebe aus dem Zuständigkeitsbereich herausfallen.386 Für eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 BetrVG ist dann auf der Arbeitnehmerseite ein mehrgliedriger Tarifvertrag unter Beteiligung mehrerer Gewerkschaften erforderlich. Das gleiche Problem besteht bei der Tarifzuständigkeit eines Arbeitgeberverbandes, die sich im Einzelfall ebenfalls nur auf einzelne Betriebe erstreckt.387 Die Tarifzuständigkeit zum Abschluss von Tarifverträgen nach § 3 Abs. 1 BetrVG beschränkt sich dann auf abändernde Vereinbarungen mit Wirkung für diesen Betrieb. b) Persönliche Tarifzuständigkeit Die persönliche Tarifzuständigkeit ist von der Tarifgebundenheit und dem persönlichen Geltungsbereich abzugrenzen.388 Die Tarifgebundenheit i. S. v. § 3 Abs. 1 TVG legt abstrakt den Personenkreis fest, der potentiell durch eine normative Regelung unmittelbar erfasst werden kann389, während der persönliche Geltungsbereich (vgl. § 4 TVG) die Rechtsverhältnisse angibt, die von einem konkreten Tarifvertrag erfasst werden.390 Ob ein bestimmter Tarifvertrag diesen Geltungsbereich haben kann, beantwortet die Tarifzuständigkeit. Die Tarifzuständigkeit betrifft also unmittelbar die Frage nach der satzungsmäßigen Regelungszuständigkeit, d.h. den konkreten Geschäftsbereich einer tariffähigen Tarifvertragspartei, innerhalb dessen sie Tarifverträge abschließen kann. Tariffähigkeit setzt die Tarifzuständigkeit voraus, so dass der Tarifzuständigkeit nicht die Funktion eines eigenständigen Wirksamkeitserfordernisses zukommt.391 Unvereinbar mit der in Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Satzungsautonomie ist es, die Ta385 386 387 388 389 390

BAGE 16, 329, 334 ff.; Oetker in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 18 ff. Hanau/Wackerbarth in: FS für Ulmer, S. 1303, 1308 f. BAGE 5, 130, 136 f. Richardi, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 611 ff., Rn. 614. Oetker in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 52; Wiedemann, RdA 1975, 78, 79. Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 104 f.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

rifzuständigkeit auf die wirklich vorhandenen Mitglieder zu begrenzen.392 Vielmehr kann eine Koalition satzungsmäßig ihre Regelungszuständigkeit auf alle Arbeitnehmer erstrecken, die ihr als Mitglied beitreten können.393 Da auf Arbeitgeberseite sowohl der einzelne Arbeitgeber als auch die Arbeitgebervereinigungen tariffähig sind, können Regelungen nach § 3 BetrVG Gegenstand sowohl eines Haustarifvetrages als auch eines (firmenbezogenen) Verbandstarifvertrages sein, sofern der betroffene Arbeitgeber tarifgebunden ist.394 Da die Konzernmutter als solche nicht ohne weiteres die Befugnis besitzt, einen Konzerntarifvertrag mit normativer Wirkung für die Tochtergesellschaften abzuschließen, hat sich an der bislang h. M. nichts geändert, dass Tarifverträge nur mit dem herrschenden Unternehmen abgeschlossen werden können.395 Da auf eine mitgliedschaftliche Legitimation durch die Arbeitnehmer bewusst verzichtet wird, ist auf Arbeitnehmerseite nicht einmal erforderlich, dass überhaupt ein Arbeitnehmer des betroffenen Betriebes Mitglied in der tarifschließenden Gewerkschaft ist.396 § 3 BetrVG verzichtet bewusst auf die Organisationszugehörigkeit der Arbeitnehmerseite.397 Erforderlich ist lediglich, dass sich die satzungsmäßige Tarifzuständigkeit auf sämtliche Arbeitnehmer des vom Tarifvertrag erfassten Betriebs erstreckt.398 391 Richardi, in: Staudinger, BGB, Vor §§ 611 ff. Rn. 615 ff.; vgl. a.: Kraft in: FS für Schnorr v. Carolsfeld, S. 255 ff.; einschränkend: Wiedemann, RdA 1975, 78, 79 f.; a. A.: Oetker in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 51 f. 392 So aber: Wiedemann, RdA 1975, 78, 82. 393 Richardi in: Staudinger, BGB, Vor §§ 611 ff. Rn. 617. Inwiefern die Koalition auch die Regelungskompetenz besitzt, diese Arbeitnehmer durch tarifvertragliche Regelungen zu binden, ist nicht Gegenstand der Tarifzuständigkeit, sondern der Tarifgebundenheit, die wiederum die mitgliedschaftliche Legitimation voraussetzt, § 3 Abs. 1 TVG. 394 Thüsing, ZIP 2003, 693, 697. 395 Hanau/Wackerbarth in: FS für Ulmer, S. 1303, 1310; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 55; Thüsing, ZIP 2003, 693, 698; Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 167 f.; a. A. Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 444. 396 Annuß, NZA 2002, 290, 293; Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 3 Rn. 12; Oetker in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 130; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 57; Thüsing, ZIP 2003, 693, 697 f.; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 6; a. A.: Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 21; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 267 Rn. 34; für die Mitgliedschaft zumindest eines Belegschaftsmitgliedes: Gnade, BetrVG, § 3 Rn. 9; vgl. bereits oben: B.III.1.b). 397 Es geht in § 3 BetrVG also nicht um die persönliche Ausdehnung einer konkreten Regelungsbefugnis der Gewerkschaften auf die betrieblichen Außenseiter, sondern um die generelle Ausdehnung der Tarifmacht in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen ohne Rücksicht auf die mitgliedschaftliche Legitimation. 398 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 53 ff.; Thüsing, ZIP 2003, 693, 699.

V. Tarifrechtliche Probleme

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2. Kollisionsfälle Nach diesen Ausführungen ist es möglich, dass verschiedene Gewerkschaften für das gleiche Unternehmen tarifzuständig sind.399 Auf der anderen Seite wird durch die Mitgliedschaft eines Arbeitgebers in einem Arbeitgeberverband dessen Tariffähigkeit zum Abschluss von Tarifverträgen nicht berührt.400 Trotzdem lässt das Gesetz die Möglichkeit unberücksichtigt, dass verschiedene Tarifverträge für denselben Betrieb bzw. dasselbe Unternehmen abgeschlossen werden.401 a) Tarifpluralität und Tarifkonkurrenz Die Gefahr der Kollision von Tarifverträgen besteht immer dann, wenn innerhalb eines Betriebes unterschiedliche Tarifverträge mit Geltung für einen Teil der oder sogar für die gesamte Betriebsbelegschaft abgeschlossen werden. Durch die Möglichkeit einer unterschiedlichen Gewerkschaftszugehörigkeit der Arbeitnehmer eines Betriebes stellt die Tarifpluralität den wahrscheinlichsten Fall der Tarifkollision dar. Sie betrifft jedenfalls die Konstellation, dass innerhalb eines Betriebes (oder Unternehmens bzw. Konzerns) mehrere Tarifverträge nebeneinander gelten, ohne auf das einzelne Arbeitsverhältnis gleichzeitig anwendbar zu sein.402 Im Hinblick auf die notwendig betriebseinheitliche Geltung, wie sie in § 3 Abs. 2 TVG zum Ausdruck kommt403, sind Fälle der Tarifpluralität von Normen zur Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen jedoch nicht denkbar.404 Die umstrittene405 Lösung der Tarifpluralität durch das Bundesarbeitsgericht nach den Grundsätzen der Tarifkonkurrenz406 bedarf daher keiner näheren Auseinandersetzung. Dagegen liegt nach herrschendem Verständnis ein Fall der Tarifkonkurrenz nur dann vor, wenn dasselbe Sachgebiet 407 in mehreren Tarifverträgen 399

Siehe: B.V.1. H.M.: BAGE 16, 329, 334 ff.; Oetker in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 112 m. w. N. 401 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 58. 402 Schaub, AR, § 203 VII.1 S. 1695; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 270 m. w. N. 403 Näher dazu: A.I.4.d). 404 Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 536 f. 405 Vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 132 ff. 406 Vgl. Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 274 m. w. N. 407 Däubler, TVR, Rn. 1482. 400

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unterschiedlicher Tarifvertragsparteien geregelt ist bzw. mehrere Tarifverträge ein und dasselbe Arbeitsverhältnis erfassen.408 Ein Fall der sog. „scheinbaren Tarifkonkurrenz“ ist dagegen gegeben, wenn sich bereits durch Auslegung der fraglichen Tarifverträge der Vorrang des einen oder anderen für einen bestimmten Bereich bestimmen lässt.409 Die Möglichkeit der Arbeitnehmer, innerhalb eines Betriebs unterschiedlich organisiert zu sein, kann über § 3 Abs. 1 TVG ein Nebeneinander mehrerer Tarifverträge zur Folge haben. Auf dem Gebiet der Betriebsverfassung führt dies insofern zu einem „echten“ Konkurrenzproblem410, als nur die eine oder die andere Regelung gelten kann.411 b) Lösung der Tarifkonkurrenz Gängige Varianten, eine Tarifkonkurrenz aufzulösen, stellen das Günstigkeits-, das Prioritäts-, das Spezialitäts- und das Mehrheits- bzw. Quantitätsprinzip dar. Das auf den einzelnen Arbeitnehmer bezogene Günstigkeitsprinzip412 analog § 4 Abs. 3 TVG ist für die Frage der Geltung betriebsverfassungsrechtlicher Normen keine Alternative.413 Auch das Prioritätsprinzip414 wird zu Recht allgemein abgelehnt. Das nach der h. M. im Fall einer Tarifkonkurrenz bei Individualnormen vorrangige Spezialitätsprinzip415 408 BAGE 3, 351 ff.; E 4, 37 ff.; E 35, 239 ff.; Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 533; Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 117; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 115 ff.; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 270. 409 Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 122 ff.; Wiedemann/Arnold, ZTR 1994, 399, 400; vgl. a. BAG AP Nr. 1 zu § 1 TVG Papierindustrie; AP Nr. 11 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz (Wiedemann); Thüsing ZIP 2003, 693, 699. 410 Giesen, BB 2002, 1480, 1483; Zu einer Konkurrenz im weiteren Sinne kommt es auch, wenn mehrere Tarifvertragsparteien als Konkurrenten auftreten, d.h. um Mitglieder werben, indem sie möglichst günstige Vereinbarungen treffen. Diese Konkurrenz ist im Rahmen der Koalitionsfreiheit beabsichtigt und stellt darüber hinaus einen wichtigen Bestandteil der Legitimation dar; vgl. a. Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 253. Diese grundsätzliche Konzeption versagt allerdings im Tarifvertragssystem, so dass in Ermangelung eines effektiven, machtbegrenzenden Wettbewers zwischen den Tarifvertragsparteien derselben Seite ein faktischer Einigungszwang besteht, Löwisch/Rieble in: MüchArbR, § 246 Rn. 106; dies, TVG, § 1 Rn. 1. 411 Zur notwendig einheitlichen Geltung: siehe A.I.3.c)aa). 412 Für § 3 Abs. 1 TVG: Däubler, TVR, Rn. 1493 f.; kritisch: Wiedemann/Arnold, ZTR 1994, 399, 402 f. 413 Zutreffend: Friese, ZfA 2003, 237, 273; Jacobs, Tarifeinheit, S. 267 f., 308; Memminger, Konkurrenz, S. 71 f. 414 Dietz, BetrVG, 4. Aufl., § 49 Rn. 11, § 57 Rn. 26; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 15. 415 Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 289 m. w. N. (Fn. 47 und 48).

V. Tarifrechtliche Probleme

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wird auf dem Gebiet der Betriebsverfassung allgemein vernachlässigt.416 Die h. M.417 wendet das Mehrheits- oder Quantitätsprinzip an, das außerhalb der Betriebsverfassung nur subsidiär zur Anwendung kommt. Als Argument wird angeführt, dass sich die Legitimation der getroffenen Regelung gegenüber der Gesamtbelegschaft erhöhe.418 Dieser Gedanke ist insofern widersprüchlich419, als gerade diejenigen, die im Rahmen von § 3 Abs. 2 TVG auf jegliche Legitimation gegenüber Außenseitern verzichten, an dieser Stelle die Frage der Legitimation als wesentliches Argument heranziehen.420 Auch kann Legitimation nur durch den bzw. gegenüber dem einzelnen Regelungsunterworfenen selbst erfolgen.421 Voraussetzung dafür ist eine wie auch immer geartete Einflussnahmemöglichkeit des Einzelnen auf den Normsetzenden und eine damit korrespondierende Verantwortlichkeit gegenüber dem Normunterworfenen. Von einer Mehrheitsentscheidung kann nur dann gesprochen werden, wenn alle Betroffenen eine Mitwirkungschance besitzen.422 Daran fehlt es bei Andersbzw. Nichtorganisierten. Das individuelle Legitimationsdefizit kann durch eine breite mitgliedschaftliche Basis der normsetzenden Koalition nicht ausgeglichen werden.423 Die Berufung auf die angeblich höhere Legitimation ist also nicht nur im Hinblick auf § 3 Abs. 2 TVG widersprüchlich, sondern vor allem rechtsdogmatisch nicht haltbar. Einen vor allem auf die Regelungsbefugnis konkurrierender Tarifvertragsparteien und damit an Art. 9 Abs. 3 GG ausgerichteten Weg wählt Annuß424, wenn er die strikte Unwirksamkeit sämtlicher sich widersprechender Regelungen von Tarifverträgen im Bereich der Betriebsverfassung annimmt. Die Entscheidung, welcher von zwei gleichrangigen kollidierenden Normen 416 Ausnahme: Friese, ZfA 2003, 237, 275 ff.; Memminger, Konkurrenz, S. 95 ff.; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 276 Rn. 23; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 21. 417 Däubler, AuR 2001, 285, 288; Fitting, BetrVG 21. Aufl., § 3 Rn. 15; Jacobs, Tarifeinheit, S. 317 m. w. N.; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 144 ff.; Nikisch, AR II, § 86 III.6, S. 487; Plander, NZA 2002, 483, 486; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 157; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 298. 418 So jedenfalls: Hohenstatt/Dzida, DB 2001, 2498, 2500; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 144 ff.; 151;Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 157; nach Jacobs (Tarifeinheit, S. 309, 314) soll sich dadurch sogar die demokratische Legitimation erhöhen; dagegen auch: Müller-Franken, Eingriffe, S. 196. 419 Einschränkend auch: Friese, ZfA 2003, 237, 274. 420 Kritisch auch: Annuß, NZA 2002, 290, 293. 421 Eingehend dazu: C.I.2.b). 422 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 92. 423 So aber: Jacobs, Tarifeinheit, S. 309; dazu: C.I.2.b)aa)(2). 424 Annuß, NZA 2002, 290, 293; Giesen, BB 2002, 1480, 1480; vgl. auch: Biedenkopf (Tarifautonomie, S. 317 f.), der allerdings als Folge ein Letztentscheidungsrecht des Betriebsrats annimmt.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

der Vorrang zu geben sei, könne im Bereich der Betriebsverfassung nur vom Gesetzgeber getroffen werden, der davon ersichtlich keinen Gebrauch gemacht habe. Fraglich ist aber bereits, ob ein allgemeiner Grundsatz existiert, nach dem aus einer Kollision zweier Regelungen einer Rechtsstufe zwangsläufig die Unwirksamkeit beider Regelungen folgt. Wäre dies der Fall, bestünde eine evidente Gefahr von rechtsmissbräuchlichen Tarifabschlüssen, einzig zum Zweck der Verhinderung von abweichenden Regelungen im Sinne von § 3 BetrVG.425 Die Annahme einer Unwirksamkeit jeglicher kollidierender Regelungen wäre zudem geeignet, die Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien auf diesem Gebiet gänzlich zu blockieren, ein auch im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG fragwürdiges Ergebnis. Jedenfalls lässt sich im Fall von § 3 BetrVG als der maßgeblichen Befugnisnorm durch Auslegung ein gegenteiliger gesetzgeberischer Wille entnehmen. Der auch im Wortlaut der Norm zum Ausdruck kommendende Gesetzeszweck lässt erkennen, dass es dem Gesetzgeber mit dieser Regelung maßgeblich um eine Effektivierung der Interessenvertretung der Arbeitnehmer und der Wahrnehmung der Aufgaben des Betriebsrats geht426. Es dürfte daher am Ehesten dem gesetzgeberischen Anliegen entsprechen, dass im Kollisionsfall diejenige tarifliche Regelung den Vorrang für sich in Anspruch nehmen kann, die diesen Gesetzeszweck am Weitesten verwirklicht427 bzw. „der Eigenart und den besonderen Bedürfnissen des Betriebes und der in ihm beschäftigen Arbeitnehmer (. . .) am ehesten entspricht“.428 Dabei ist auf die Besonderheiten des einzelnen Betriebes einzugehen.429 Eine Kollisionsregel im Sinne einer Regelvermutung für diejenige Vereinbarung, durch die die kleinere Einheit geschaffen wird, ist dem Gesetz indes nicht zu entnehmen.430 425 Friese, ZfA 2003, 237, 275; Giesen, Rechtsgestaltung, S. 307; ders., BB 2002, 1480, 1484 Fn. 30; Thüsing, ZIP 2003, 693, 700. 426 Thüsing, ZIP 2003, 693, 699 f. 427 Ähnlich: Thüsing, ZIP 2003, 693, 699 f. 428 BAGE 4, 37, 40; Richardi, BetrVG, § 2 Rn. 26; Gerade wenn man annimmt, dass § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG ein der Rechtskontrolle zugänglicher Maßstab zu entnehmen ist (vgl. Annuß, NZA 2002, 290, 292), sollte es eigentlich möglich, von zwei kollidierenden Regelungen die im Einzelfall „sachgerechtere“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 2 BetrVG) oder die „wirksamere“ bzw. „zweckmäßigere“ (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG) im Sinne des BetrVG zu ermitteln. 429 Buchner, NZA 2001, 633, 635; Thüsing, ZIP 2003, 693, 700. 430 Anderenfalls wäre auch nur schwer begründbar, wie die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats oder die Zusammenfassung von Betrieben nach § 3 Abs. 1 Nr. 1a bzw. b BetrVG gleichzeitig der sachgerechten Wahrnehmung der Arbeitnehmerinteressen dienen kann; a. A.: Thüsing, ZIP 2003, 693, 700.

V. Tarifrechtliche Probleme

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Diese am Gesetzeszweck orientierte Lösung einer Tarifkonkurrenz begegnet allerdings schwerwiegenden Problemen.431 Unter Berücksichtigung der besonderen Schwierigkeiten bei der Überprüfung von Sachgerechtigkeit, Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit432 dürfte es in der Regel nicht möglich sein, im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung eine eindeutig „zweckmäßigere“ (sachgerechtere bzw. wirksamere) Regelung zu bestimmen.433 Es fehlt an eindeutig bestimmten bzw. bestimmbaren Kriterien. Der Gesetzgeber hat es bewusst den Tarifvertragsparteien überlassen, die damit verbundenen Wertungsfragen im eigenen Ermessen zu entscheiden.434 Im Zweifel wird jede Tarifpartei für ihre Regelung beanspruchen, die zweckmäßigere zu sein. Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit ist eklatant. Im Fall der Tarifkonkurrenz sollte daher keiner der in Frage stehenden tariflichen Regelungen ein Vorrang eingeräumt und stets auf die gesetzlichen Normen zur Betriebsverfassungorganisation zurückgegriffen werden.435

3. Erstreikbarkeit a) Betriebsverfassung und Arbeitskampfverbot Ob Tarifverträge nach § 3 BetrVG erstreikbar sind, ist umstritten. Fraglich ist, inwiefern das Kampfverbot, das auf betriebsverfassungsrechtlicher Ebene gilt, auch auf Koalitionen anwendbar ist, die einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG durchsetzen wollen. So sind nach h. M. im Rahmen der Betriebsverfassung Arbeitskämpfe wegen der Gefahr der Umgehung der Friedenspflicht der Betriebsparteien (§ 74 Abs. 2 Satz 1 1. HS, Satz 2 BetrVG) unzulässig.436 Das Kampfverbot besteht allerdings nur für den Arbeitgeber in seiner betriebsverfassungsrechtlichen Funktion und den Betriebsrat, nicht dagegen für den einzelnen Arbeitnehmer. Da möglicher Gegenstand eines Arbeits431

Eich in: FS für Weinspach, S. 17, 23. Vgl. unter B.II.6. 433 Sollte es im Einzelfall dennoch möglich sein, eine eindeutig zweckmäßigere Regelung zu bestimmen, ist fraglich, ob die andere Regelungen überhaupt zweckmäßig (sachgerecht, wirksam) im Sinne von § 3 Abs. 1 BetrVG und nicht bereits aus diesem Grund von vorneherein unwirksam ist. 434 vgl. B.II.6.b)bb)(4). 435 So im Ergebnis auch: Annuß, NZA 2002, 290, 293; diese Lösung verhindet zudem verfassungsrechtliche Probleme im Zusammenhang mit der positiven Koalitionsfreiheit der konkurrierenden Koalitionen, vgl. D.II.2. und 4. 436 BAGE 28, 302, 306; Hanau/Wackerbarth in: FS für Ulmer, S. 1311, 1303; Richardi, BetrVG, § 74 Rn. 16 f. m. w. N.; einschränkend: Schumann in: Däubler, Arbeitskampfrecht, Rn. 178 ff. 432

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

kampfes grundsätzlich alles ist, was Gegenstand eines Tarifvertrags bzw. was normativ regelbarer Tarifinhalt sein kann437, bedarf es daher für § 3 BetrVG einer weitergehenden Begründung, warum entsprechende betriebsverfassungsrechtliche Tarifverträge nicht erstreikbar sein sollten. b) Weitergehende Begründung eines Arbeitskampfverbotes Teilweise wird die strikte Freiwilligkeit einer tarifvertraglichen Vereinbarung als im Hinblick auf Artt. 2, 12, 14 GG für verfassungsrechtlich geboten erachtet.438 Offen bleibt allerdings, weshalb dem Arbeitgeber durch das BetrVG in verfassungskonformer Weise eine Vertretungsstruktur vorgegeben werden kann, während bei der zwangsweisen Durchsetzung einer tarifvertraglichen Regelung durch die Tarifvertragsparteien darin ein Verfassungsverstoß gesehen werden soll.439 Dass aus „wettbewerbsrechtlichen Gründen“ eine restriktive Auslegung geboten ist, richtet sich nicht gegen die grundsätzliche Erstreikbarkeit, sondern eher gegen den Gestaltungsspielraum bei der Regelung unternehmensübergreifender Vertretungsstrukturen.440 Die Freiwilligkeit eines entsprechenden Abschlusses allein wäre auch nicht geeignet, allen Gefahren für den Wettbewerb vorzubeugen. So kann „Zwangskartellierung“ durchaus ein wünschenswertes Ziel der Arbeitgeber sein, um unerwünschten Wettbewerb auszuschalten.441 Ein zwingendes Erfordernis eines Arbeitskampfverbotes lässt sich daraus also nicht ableiten. Ein weiteres Argument gegen die Erstreikbarkeit von Tarifverträgen nach § 3 BetrVG ist, dass die Vorgaben an Sach- bzw. Zweckdienlichkeit, wie sie aus § 3 BetrVG hervorgehen, im Rahmen eines Arbeitskampfes nur schwer Berücksichtigung finden können.442 Die unpräzise Beschreibung der Regelungsgegenstände macht die Erkämpfbarkeit um so bedenklicher.443 Durch den Wegfall des Genehmigungserfordernisses in § 3 Abs. 2 BetrVG 1972, 437 BAGE 46, 322, 346 ff.; Otto in: MünchArbR, § 285 Rn. 4; Wohlgemuth, BB 1983, 1103, 1105; kritisch: Buchner, NZA 2001, 633, 635. 438 Buchner, NZA 2001, 633, 635; Eich in: FS für Weinspach, S. 17, 24 f.; Franzen, NZA 2000, 285, 297 f.; Hess in: H/S/W/G, BetrVG, § 3 Rn. 13; Kraft in: GKBetrVG, § 3 Rn. 23; Reichold, NZA 2001, 857, 859; Thüsing, ZIP 2003, 693, 701; zu § 3 BetrVG 1972: Umnuß, Organisation der Betriebsverfassung, S. 272. 439 So auch im Hinblick auf das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip: Thüsing ZIP 2003, 693, 694 f. 440 Vgl. Rieble, ZIP 2001, 133, 138 f. 441 Picker, RdA 2001, 257, 288 f.; Reichold, NZA 2001, 857, 859; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 42. 442 Insofern konsequent: Annuß, NZA 2002, 290, 294; vgl. aber: B.II.6. 443 Konzen, RdA 2001, 76, 86.

V. Tarifrechtliche Probleme

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das verschiedentlich als Argument für die Erstreikbarkeit herangezogen wurde444, verschärft sich diese Problematik noch weiter, da eine staatliche Präventivkontrolle der Einhaltung der Vorgaben entfallen ist. Tatsächlich sind diese Probleme nicht Folge der Erstreikbarkeit, sondern betreffen die Frage, welche Ziele nach § 3 BetrVG tarifvertraglich regelbar sind445, also den Umfang der tarifvertraglichen Regelungsbefugnis. Schwierigkeiten bei der Beurteilung, ob die mit einem Streik angestrebten Ziele rechtmäßig sind oder nicht, schließen die Zulässigkeit von Arbeitskampfmaßnahmen jedoch nicht grundsätzlich aus. c) Herkunft der Regelungsbefugnis Nach hiesigem Verständnis stellt § 3 BetrVG eine Norm mit Mischcharakter dar, da eine Zulassungsnorm für tarifvertragliche Betriebsverfassungsstrukturen nur sowohl auf autonomer als auch auf delegierter Grundlage beruhen kann.446 Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 BetVG werden somit auch auf tarifautonomer Grundlage abgeschlossen, deren grundrechtlicher Schutz auch den Einsatz von Arbeitskampfmitteln mitumfasst (Art. 9 Abs. 3 Satz 3 GG). Der Umfang der Tarifautonomie entscheidet lediglich darüber, ob und inwiefern die Wahrnehmung einer Regelungsbefugnis in Ausübung des Grundrechtes des Art. 9 Abs. 3 GG erfolgt. Der Arbeitskampf ist dann im gleichen Umfang wie die tarifvertragliche Regelungsbefugnis als Teil der Tarifautonomie verfassungsrechtlich geschützt.447 Anhaltspunkte, weshalb dies nur für materielle Arbeitsbedingungen gelten sollte, sind nicht ersichtlich.448 Die rechtliche Einordnung der betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsmacht als delegierte bzw. originäre Normsetzungsbefugnis ist für die Frage der Erstreikbarkeit aber wohl weniger erheblich als dies aus dem verfassunsrechtlichen Schutz der entsprechenden Arbeitskampfmittel den Anschein hat. Auch wenn man die Regelungsbefugnis betriebsverfassungsrechtlicher Arbeitnehmerstrukturen nicht als Teil der Tarifautonomie, sondern als ausschließlich vom Staat delegiert ansieht449, kann daraus noch 444

Däubler, AuR 2001, 285, 288. So zutreffend: Annuß, NZA 2002, 290, 294; ähnlich: Spinner, Vereinbarte Betriebsverfassung, S. 75 f. 446 Eingehend: A.II.4.d). 447 BVerfGE 84, 212, 225; BAGE 23, 292, 308 ff.; AP Nr. 82 zu Art. 9 GG Arbeitskampf; Löwisch/Rieble TVG, Rn. 55; Brox/Rüthers, AR, Rn. 307; a. A.: Däubler, Der Streik im öffentlichen Dienst, Rn. 147 ff. 448 So aber unter Ablehnung des Streikrechts für § 3 BetrVG: Kraft in: GKBetrVG, § 3 Rn. 23. 449 Richardi, BetrVG § 3 Rn. 59; dazu: A.II.4. 445

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

keine Aussage über die Erstreikbarkeit eines entsprechenden Tarifvertrages abgeleitet werden.450 Denn auch jenseits der Grenzen der Tarifautonomie sind grundsätzliche Bedenken gegen die Durchsetzung derartiger Tarifverträge im Rahmen eines Arbeitskampfes nicht ersichtlich. So dient der (rechtmäßige) Arbeitskampf als Zwangsmittel zur Durchsetzung bestimmter Tarifverträge und der Gestaltung kollektiver Arbeitsbedingungen.451 Ebenso wenig wie der Tarifvertrag als Regelungsinstrument auf den tarifautonomen Regelungsbereich beschränkt ist, gilt eine solche Begrenzung für den Arbeitskampf als Mittel zur Durchsetzung eines Abschlusses. Der Arbeitskampf ist also ein tarifvertragsspezifisches und nicht bloß ein tarifautonomes Durchsetzungsinstrument.452 In diesem Fall ist ausschließlich auf den Willen des Gesetzgebers abzustellen, inwiefern mit der Übertragung der Befugnis zur Regelung durch Tarifvertrag auch die Möglichkeit zu dessen zwangsweisem Abschluss verbunden sein soll oder nicht. Wenn der Gesetzgeber in § 3 BetrVG den Tarifvertragsparteien Regelungsbefugnisse im Rahmen der Betriebsverfassung einräumt und ihnen dafür den Tarifvertrag zur Verfügung stellt, hätte es eines ausdrücklichen Ausschlusses des Streikrechts im BetrVG bedurft (z. B. wie in §§ 74 Abs. 2 oder 76 Abs. 8 BetrVG).453 Es ist daher nicht gerechtfertigt, ein Arbeitskampfverbot auch für die Bereiche der Betriebsverfassung anzunehmen, die der tariflichen Normierung zugänglich sind und die Friedenspflicht der Betriebsparteien weder unmittelbar noch mittelbar betreffen.454 Fehlt – wie vorliegend – eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, ist im Zweifelsfall von der Erstreikbarkeit auszugehen.455 d) Ergebnis Durchgreifende Einwände gegen die grundsätzliche Erstreikbarkeit von Tarifverträgen, die auf einen zulässigen Regelungsinhalt gerichtet sind, kön450

A. A.: S/W/S, BetrVG, § 3 Rn. 12. So in Abgrenzung zum tarifwidrigen Arbeitskampf: Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, § 193 II.5 und 10. 452 Der Arbeitskampf ist also seinem Wesen nach nicht charakteristisch für die Tarifautonomie als solche, sondern für den Tarifvertrag als zentrales Gestaltungsmittel der Tarifvertragsparteien; a. A.: Friese, ZfA 2003, 237, 268; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 20. 453 So aber: Friese, ZfA 2003, 237, 265; für eine entsprechende Anwendung von § 76 Abs. 8 BetrVG: Konzen, RdA 2001, 76, 86. 454 Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 563; vgl. a. § 74 Abs. 2 Satz 1 2. HS BetrVG. 455 Ebenso: Däubler, AuR 2001, 286, 288; Giesen, Rechtsgestaltung, S. 563; Konzen, RdA 2001, 76, 86; Trümmner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 154; A. A.: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 59; S/W/S, BetrVG, § 3 Rn. 12. 451

V. Tarifrechtliche Probleme

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nen nicht geltend gemacht werden.456 Die Frage, welche tariflichen Regelungen zulässige Arbeitskampfziele darstellen können, beantwortet sich ausschließlich aus dem Umfang der Regelungsbefugnis in § 3 BetrVG, betrifft aber nicht die Erstreikbarkeit als solche.

4. Vorzeitige Beendigung der Amtszeit der Organisationsstruktur Grundsätzlich bestehen bei einer nach § 3 BetrVG gebildeten Organisationsstruktur die gleichen Möglichkeiten zur vorzeitigen Beendigung der Amtszeit wie bei einem Betriebsrat nach § 1 Abs. 1 BetrVG.457 Da allerdings entsprechende Stukturen auf Tarifvertrag und nicht unmittelbar auf dem BetrVG als Rechtsgrundlage beruhen, ergeben sich damit zusammenhängende Sonderprobleme. a) Neuabschluss eines Tarifvertrages nach § 3 BetrVG Einen vorzeitigen Beendigungstatbestand stellt der Neuabschluss eines Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 BetrVG dar.458 Dies gilt über § 3 Abs. 5 BetrVG auch für eine nach § 3 Abs. 1 BetrVG vereinbarte Struktur selbst.459 Das Ende der Amtszeit richtet sich allerdings nach § 3 Abs. 4 BetrVG, d.h. dass die Vereinbarung erst bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl anzuwenden ist.460 Sollte sich durch den Neuabschluss eines Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 BetrVG Tarifkonkurrenz mit einem bestehenden Tarifvertrag ergeben, kann der Neuabschluss auch zur Unwirksamkeit beider Regelungen und damit zu einer sofortigen Rückkehr zum gesetzlichen Betriebsrat führen.

456 Ebenso: Däubler, AuR 2001, 285, 288; Düwell, BetrVG, § 3 Rn. 9; Fitting, BetrVG 21. Aufl., § 3 Rn. 17; Rieble, ZIP 2001, 133, 139; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 155; Wißman, AiB 2000, 320, 322; a. A.: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 20; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 59. 457 Vgl. zu den einzelnen Beendigungstatbeständen: Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 18 ff. 458 Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 22. 459 Zur Tarifkonkurrenz: B.V.2. 460 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 84; Trümner in: D/K/K, BetrVG, Rn. 141 ff.; etwas anderes gilt dann, wenn der ursprüngliche Tarifvertrag seine Wirksamkeit verloren hat, z. B. durch Beendigung oder durch nachträgliches Entfallen der Voraussetzungen von § 3 BetrVG, dazu im Anschluss unter B.V.4.c).

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

b) Beendigung von Tarifverträgen Eine Möglichkeit, die Amtszeit einer nach § 3 BetrVG gebildeten Organisationsstruktur zu beenden, ist es, den ihr zugrundeliegenden Tarifvertrag zu beenden. Als Tarifvertrag bestehen für eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 BetrVG die gleichen Möglichkeiten zur Beendigung wie für andere Tarifverträge auch. Solche Beendigungstatbestände sind neben der Vereinbarung einer zeitlichen Befristung die außerordentliche Kündigung oder die einvernehmliche Aufhebung.461 Insbesondere ist nicht einsichtig, warum für Tarifverträge nach § 3 BetrVG den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit vewehrt sein sollte, ein ordentliches Kündigungsrecht zu vereinbaren.462 Es ist zwar sicherlich zutreffend, dass die Vereinbarung eines solchen jederzeitigen Kündigungsrechts dem Arbeitgeber ein Druckmittel eröffnen würde, die Kooperation der Betriebsratsstruktur herbeizuführen, weil anderenfalls die Vereinbarung gekündigt werden könnte. Es liegt aber in der Hand der Tarifpartner, diese Drohkulisse – wenn überhaupt ein Kündigungsrecht vorgesehen wird – durch die Vereinbarung einer entsprechend langen Kündigungsfrist oder von Übergangsregelungen zur Wahrung der Vertretungskontinuität zu entschärfen. Endet der Tarifvertrag, so entfällt die Rechtsgrundlage für eine tarifvertragliche Betriebsratsstruktur und es ist zur gesetzlichen Regelung zurückzukehren.463 c) Nachträgliches Entfallen der Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 BetrVG Liegen die Voraussetzungen von § 3 BetrVG bei Abschluss eines Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 BetrVG nicht vor, so überschreiten die Tarifvertragsparteien die Grenzen der ihnen eingeräumten Vereinbarungsbefugnis. Dies führt nicht nur zur Unwirksamkeit des Tarifvertrages, sondern auch zur Nichtigkeit der Wahl.464 Problematisch ist allerdings der Fall, dass die Voraussetzungen des § 3 BetrVG nachträglich entfallen, indem z. B. durch Umstrukturierungen im Betrieb, Unternehmen oder Konzern sich die Leitungsbefugnisse in mitbestimmungsrelevanten Angelegenheiten verändern und sich auf andere Ebenen verlagern. Möglicherweise wird eine nach § 3 Abs. 1 BetrVG vereinbarte Struktur damit nachträglich unzweckmäßig oder unwirksam. Nach dem Wortlaut von § 3 BetrVG ist bei der Beurteilung des Vorliegens seiner Voraussetzungen grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Verein461 Zu den Beendigungsgründen eines Tarifvertrages: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 10 ff.; vgl. a. Fitting, § 3 Rn. 84. 462 So aber: Spinner, Betriebsverfassung, S. 165. 463 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65. 464 Vgl. oben B.II.7.

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barung abzustellen. Das Schicksal einer Vereinbarung nach § 3 BetrVG, deren Voraussetzung nachträglich entfallen, ist nicht ausdrücklich normiert. aa) Anpassung nach den Grundsätzen der Störung der Geschäftsgrundlage Die bei Rechtsgeschäften maßgeblichen Vorschriften über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) passen auf diesen Fall nicht: Weder gibt es einen Schuldner einer vertraglichen Leistung, noch ist eine Umstrukturierung unvorhersehbar. Zudem beruht die Veränderung auf dem freien Willensentschluss einer Partei. Die Voraussetzungen eines Wegfalls der Geschäftsgrundlage liegen also in der Regel nicht vor. bb) Beendigung des Amts des Betriebsrats Der Grundsatz der Kontinuität der Betriebsratsarbeit spricht dafür, dass Änderungen bei einer Vereinbarung nach § 3 BetrVG erst bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl berücksichtigt werden.465 Andererseits bezweckt § 3 BetrVG vor allem die Flexibilisierung der Betriebsverfassungsorganisation im Interesse einer effektiven Interessenvertretung der Arbeitnehmer im Betrieb.466 Ein starres Festhalten an der einmal vereinbarten Struktur würde diesem Gesetzeszweck zuwiderlaufen.467 Es ist daher notwendig, dass die Sachgerechtigkeit bzw. Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit der Vertretungsstruktur erhalten bleibt und diese an die neuen Gegebenheiten angepasst wird. Das Vorliegen der Voraussetzungen von § 3 BetrVG ist daher nicht nur Erfordernis für die Wahl, sondern auch für den Bestand der Organisationseinheit. Die Kontinuität der betriebsverfassungsrechtlichen Arbeitnehmerrepräsentation wird gesichert, indem auch § 16 BetrVG für die Ersetzung der gesetzlichen durch eine tarifvertragliche Betriebsratsstruktur anwendbar ist, nach dem es zu den Pflichten eines Betriebsrats gehört, vor Ablauf seiner Amtszeit einen Wahlvorstand zu bestellen.468 465

B.V.4.a); vgl. Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 84. Vgl. B.I. 467 An einem starren Festhalten an der ursprünglichen Vereinbarung besteht weder auf Seiten der Arbeitnehmer noch aus Sicht des Gesetzgebers und wohl auch nicht auf Seiten der Arbeitgeber ein Interesse. Das Ziel, das auch § 3 BetrVG zugrundeliegt, ist eine Anpassung an die neuen Strukturen. Sollte allerdings trotzdem keine Einigung über eine neue Vereinbarung erzielt werden, besteht die Gefahr, dass eine zweckwidrig gewordene Organisationsstruktur für die Zukunft fortbesteht. Dieser Gefahr wäre nur durch entsprechende vertragliche Klauseln vorzubeugen, nach denen ggf. zur gesetzlichen Struktur zurückzugekehrt oder bei vorhersehbaren Änderungen eine automatische Anpassung vorgenommen wird. 466

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

Die Interessenlage ist somit vergleichbar mit der, wenn der Betriebsrat seine Betriebsratsfähigkeit infolge der Unterschreitung der Grenze in § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG verliert469 oder wenn die betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit durch den Untergang des Betriebs aufhört zu bestehen.470 Bestätigt wird dies mittelbar durch § 21 a Abs. 1 Satz 1 BetrVG, der vorsieht, dass der Betriebsrat bei Betriebsspaltung kein Übergangsmandat hat, wenn der aus der Betriebsspaltung hervorgegangene Betrieb nicht die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG erfüllt. Dies führt auch nicht zu unkalkulierbarer Rechtsunsicherheit oder zu einer Auslieferung in die Willkür unternehmerischer Entscheidungen. Denn ein Entfallen der Voraussetzungen von § 3 BetrVG setzt angesichts der weiten Beurteilungsspielräume eine grundlegende Änderung der Organisation voraus, die zugleich Auswirkungen auf die Entscheidungsbefugnisse in mitbestimmungsrelevanten Angelegenheiten besitzt. Bei grundlegenden Änderungen der Betriebsorganisation ist wiederum der Betriebsrat umfassend zu unterrichten und die geplante Betriebsänderung mit ihm zu beraten (vgl. § 111 Satz 1 i. V. m. Satz 3 Nr. 1–5 BetrVG). Entfallen danach die Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 BetrVG nachträglich, wird die entsprechende Vereinbarung ex nunc unwirksam und das Amt des Betriebsrats endet.471

5. Übergangsmandat a) Bei Vereinbarung eines Tarifvertrages nach § 3 Abs. 1 BetrVG Für die Bestimmung einer tarifvertraglichen Arbeitnehmervertretung i. S. v. § 3 Abs. 1 BetrVG enthält § 3 Abs. 4 BetrVG eine Sonderregelung. Regelungen nach § 3 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 BetrVG sind erstmals bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl anzuwenden, es sei denn es besteht kein Betriebsrat oder es ist aus anderen Gründen eine Neuwahl erforderlich (§ 3 Abs. 4 Satz 1 BetrVG). Sieht der Tarifvertrag einen anderen Wahlzeitpunkt vor, endet die Amtszeit mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses (§ 3 Abs. 4 Satz 2 BetrVG). Ein Übergangsmandat ist daneben nicht erfor468

Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65. Vgl. Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 130; Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 23 ff. 470 Vgl. Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 21 Rn. 27. 471 Ebenso: Thüsing, ZIP 2003, 683, 704; unerheblich ist insbesondere, welches Anliegen der Tarifvertrag verfolgt (so aber: Däubler, DB 2005, S. 666, 668). Denn da die einzelnen Voraussetzungen von § 3 BetrVG nicht tarifdispositiv sind, kann ein Tarifvertrag den Maßstab zur Beurteilung der Voraussetzungen nicht verändern. 469

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derlich472, da es an der Schutzlücke fehlt, deren Schließung § 21a BetrVG bezweckt.473 b) Bei Wegfall des Tarifvertrages Für die Beendigung der Amtszeit des auf Grundlage des § 3 Abs. 1 BetrVG gebildeten Betriebsrats enthält das Gesetz keine Regelung. Die §§ 21 ff. BetrVG sind entsprechend anwendbar474, d.h. die tarifvertraglich gebildete Arbeitnehmervertretung hat ein Übergangsmandat bis die Betriebsräte auf Grund des Gesetzes neu gewählt werden. c) Bei Betriebsänderungen Im Fall, dass die Voraussetzungen von § 3 BetrVG im Zuge eine Betriebsänderung entfallen, ist die Rechtsfolge insofern eindeutig, als über § 3 Abs. 5 BetrVG der § 21a BetrVG unmittelbar anwendbar ist. Danach ist nach Art der Strukturänderung zu unterscheiden: aa) Betriebsspaltung (§ 21a Abs. 1 BetrVG) Wird durch Ausgliederung oder Teilübertragung ein Betrieb aufgespalten, so bleibt nach § 21 a Abs. 1 Satz 2 BetrVG dessen Betriebsrat im Amt und führt die Geschäfte für die ihm bislang zugeordneten Betriebsteile weiter.475 Das Übergangsmandat endet grundsätzlich476, sobald in den Betriebsteilen ein neuer Betriebsrat oder eine nach § 3 BetrVG zu vereinbarende Arbeitnehmervertretung gewält und das Wahlergebnis bekannt gegeben ist. Ob für den Betriebsrat eine Neuwahl stattfindet, richtet sich nach § 13 Abs. 2 472 Die nach dem Gesetz gebildeten Betriebsräte verlieren ihr Amt also nicht schon mit dem Inkrafttreten des Tarifvertrags, sondern entweder mit Ablauf der gesetzlich vorgesehenen Amtszeit oder vorher mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses für die nach dem Tarifvertrag gebildeten Vertretungsstruktur, Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 60; a. A.: Thüsing, ZIP 2003, 693, 702. 473 Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 2. 474 Im Ergebnis auch: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704; Trümner in: D/K/K, BetrVG § 3 Rn. 145. 475 Eine Spaltung kann damit auch umgekehrt durch eine Vereinbarung einer abweichenden Struktur nach § 3 BetrVG bzw. durch deren Auflösung und Rückkehr zu gesetzlichen Struktur erfolgen; Buschmann in: D/K/K, BetrVG, § 21 a, Rn. 30; Fitting, BetrVG, § 21a Rn. 9. 476 Innerhalb einer 6 Monatsfrist nach Wirksamwerden der Spaltung (§ 21a Abs. 1 Satz 3 BetrVG), sofern das Mandat nicht um weitere 6 Monate durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung verlängert wird (§ 21 a Abs. 1 Satz 4 BetrVG).

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

Nrn. 1 und 2 BetrVG.477 Über § 3 Abs. 5 BetrVG ist § 21a BetrVG auch auf abweichende Vertretungsstrukturen nach § 3 BetrVG anwendbar. In diesem Fall wird das Übergangsmandat durch den kraft abweichender Struktur gewählten Betriebsrat wahrgenommen.478 Die Notwendigkeit eines Übergangsmandats besteht allerdings dann nicht, wenn die nach Aufspaltung entstandenen Betriebsteile von der Vereinbarung nach § 3 BetrVG unverändert erfasst werden und die Voraussetzungen von § 3 BetrVG nicht durch die Betriebsspaltung entfallen.479 bb) Betriebszusammenfassung (§ 21a Abs. 2 BetrVG)480 Entsteht durch die Zusammenlegung mehrerer Betriebe ein neuer Betrieb, der nicht eine Fortsetzung des einen oder anderen der ehemaligen Betriebe darstellt, ist für den neuen Betrieb ein Betriebsrat zu wählen.481 Gemäß § 21a Abs. 2 Satz 1 BetrVG nimmt der gemessen an der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größte Betrieb das in § 21a Abs. 1 BetrVG geregelte Übergangsmandat wahr.482 Diese Regelungen sind über § 3 Abs. 5 BetrVG auch auf eine nach § 3 Abs. 1 BetrVG vereinbarte Vertretungsstruktur anwendbar, allerdings nur dann, wenn mehrere Betriebe zusammengelegt werden, für die nicht bereits eine einheitliche Vertretung nach § 3 BetrVG besteht, bzw. wenn die Voraussetzungen nach § 3 Abs. 1 BetrVG für diese gemeinsame Vertretung infolge der Zusammenfassung entfallen, da nur dann die Notwendigkeit eines Übergangsmandats besteht. Ansonsten entsteht ein Übergangsmandat sowohl dann, wenn in dem (oder den) kleineren Betrieb(en) eine Struktur nach § 3 Abs. 1 BetrVG besteht, wenn für den größten Betrieb eine Regelung nach § 3 BetrVG existiert oder auch dann, wenn so mehrere Strukturen nach § 3 BetrVG aufeinandertreffen. Dieses Ergebnis ist nicht unproblematisch, da so ein nur durch einen Teil der Belegschaft legitimierter Betriebsrat in der Übergangszeit über die Ge477

Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2163. Thüsing, ZIP 2003, 693, 704; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 145. 479 Insofern kann die Vereinbarung eines Unternehmens- oder Konzerneinheitlichen Betriebsrats nach § 3 Abs. 1 BetrVG dazu führen, dass Umstrukturierungen auf der betrieblichen Ebene erleichtert werden, als nicht das Erfordernis nach Neuwahlen ausgelöst wird. 480 Ob die Eingliederung eines Betriebs auch unter § 21a Abs. 2 BetrVG fällt, ist umstritten; dafür: Fitting, BetrVG, § 21a Rn. 19; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 21a Rn. 39; ablehnend: Eisenmann in: D/M/P/S, ErfK, § 21 BetrVG Rn. 9; Feudner, DB 2003, 882 ff.; Thüsing in: Richardi, BetrVG § 3 Rn. 10. 481 Worzalla in: H/S/W/G, BetrVG, § 21a Rn. 10. 482 Fitting, BetrVG, § 21a Rn. 18; Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 10; Worzalla in: H/S/W/G, BetrVG, § 21a Rn. 25. 478

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samtinteressen der Belegschaft befindet. Diese Bedenken werden allerdings im Hinblick auf die alsbaldige Durchführung von neuen Wahlen verworfen.483 Im speziellen Fall von § 3 BetrVG kann so einer fremden Betriebsbelegschaft, aber auch einem bislang möglicherweise nicht tarifgebundenen Arbeitgeber eine betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstruktur aufgezwungen werden. Auch in diesem Fall wird nach der gesetzlichen Konzeption auf eine Legitimation bis zur Neuwahl gänzlich verzichtet. Ein Sonderproblem stellt sich bei § 3 BetrVG insofern, als nach dem Wortlaut von § 21a BetrVG stets die einzelnen Betriebe miteinander verglichen werden. Tatsächlich wird durch § 3 Abs. 1 BetrVG gerade die betriebliche Ebene als Anknüpfungspunkt für die Betriebsverfassung verändert. Nicht mehr der Betrieb und der entsprechende Betriebsrat stellen die unterste Ebene der Arbeitnehmervertretung dar, vielmehr gelten die betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten als „Betriebe im Sinne dieses Gesetzes“ (§ 3 Abs. 5 BetrVG).484 Diese folgen aber gerade nicht den betrieblichen Grenzen, sondern sind unternehmenseinheitlich (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 lit. a. BetrVG), an einer Sparte orientiert (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) oder entsprechen einer sonstigen Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernstruktur (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG). Es stellt sich also die Frage, ob entscheidend für einen Größenvergleich die in der abweichenden Struktur oder die in den Einzelbetrieben der abweichenden Struktur Zahl der vertretenen Arbeitnehmer maßgeblich ist. Für letzteres würde der Wortlaut von § 21a BetrVG sprechen. Andererseits gilt nach § 3 Abs. 5 BetrVG die vereinbarte Struktur gerade als Betrieb im Sinne des BetrVG, mithin auch im Sinne von § 21a BetrVG.485 Für das Abstellen auf die Struktur nach § 3 BetrVG und nicht auf ihre Einzelbetriebe spricht auch die Praktikabilität dieser Lösung, die eine einfachere Feststellung erlaubt. Schließlich aber ist es auch gerade der Zweck von § 3 BetrVG, dass die abweichende Struktur die gesetzliche Struktur umfassend ersetzt. Anderenfalls könnte es infolge der Zusammenfassung zu einer starken Zergliederung der Arbeitnehmervertretung kommen, die dem Zweck von § 3 BetrVG eindeutig zuwiderlaufen würde.

6. Rechtsnachfolge § 3 BetrVG verzichtet auf eine legitimatorische Beziehung der Arbeitnehmer zur den Tarifvertrag schließenden Gewerkschaft. Erforderlich ist lediglich, dass der Arbeitnehmervertretung ein tarifgebundener bzw. tariffähi483 Fitting, BetrVG, § 21a Rn. 18; Löwisch/Schmidt-Kessel, BB 2001, 2162, 2164; Thüsing in: Richardi, BetrVG, § 21a Rn. 11. 484 Vgl. Zur Betriebsfiktion: B.IV. 485 So auch: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 20 a. E.

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ger Arbeitgeber gegenübersteht. Fraglich ist, wie sich ein Wechsel auf der Arbeitgeberseite auf Vereinbarungen nach § 3 BetrVG auswirkt. Voraussetzung ist stets, dass der Inhaberwechsel nicht zu einem Verlust der Betriebsidentität führt.486 a) Firmentarifvertrag Im Hinblick auf die Notwendigkeit einer auf den Einzelfall bezogenen Beurteilung der Sachgerechtigkeit, Wirksamkeit bzw. Zweckmäßigkeit werden Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 BetrVG in aller Regel als Firmentarifverträge abgeschlossen.487 Die unterschiedlichen Rechtswirkungen unterscheiden sich dabei vor allem danach, ob der Inhaberwechsel rechtsgeschäftlicher oder universalsukzessorischer Natur ist.488 aa) Gesamtrechtsnachfolge Bei universalsukzessorischen Spaltungen oder Übertragungen tritt der neue Arbeitgeber beim Firmentarifvertrag ohne weiteres als Vertragspartei an die Stelle des bisherigen Arbeitgebers.489 Voraussetzung für die kollektivrechtliche Weitergeltung eines Firmentarifvertrages ist allerdings, dass der bisherige Regelungszusammenhang nicht verloren geht und der Betrieb in seiner Identität fortbesteht. bb) Einzelrechtsnachfolge (1) Kollektivrechtliche Weitergeltung § 613 a BGB stellt lediglich eine Auffangregelung dar. Bei der Einzelrechtsnachfolge ist vorrangig eine kollektivrechtliche Weitergeltung eines Tarifvertrages zu prüfen.490 Wichtigste Bedingung für eine kollektivrecht486

So zur Betriebsvereinbarung: BAG AP 118 zu § 613a BGB; in diesem Fall löst der Betriebsinhaberwechsel unabhängig von der Frage der Fortgeltung die Rechtsfolgen aus wie beim nachträglichen Entfallen der Voraussetzungen von § 3 BetrVG; vgl. B.V.4. 487 So auch: Däubler, DB 2005, 666. 488 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 158. 489 BAGE 89, 193, 198 f.; E 99, 10, 17; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 88; Kempen BB 1991, 2006, 2010 f.; Kempen/Zachert, TVG § 3 Rn. 57; Oetker in: Wiedemann, TVG § 3 Rn. 153; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 162; a. A.: Wank in: MünchArbR § 124 Rn. 182. 490 BAG AP Nr. 118 zu § 613a BGB; E 89, 193, 199; E 99, 10, 17, 19; Hanau/ Vossen, FS für Hilger/Stumpf, S. 271, 272; Kreft in: FS für Wißmann, S. 347 f.; Kreutz in: GK-BetrVG, § 77 Rn. 390; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 198; Müller-

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liche Fortgeltung ist abgesehen von der Allgemeinverbindlicherklärung, dass der Betriebserwerber an denselben Tarifvertrag gebunden ist wie der bisherige Inhaber.491 Im Falle der rechtsgeschäftlichen Übetragung fehlt es492 allerdings an einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die kollektivrechtliche Weitergeltung ergeben könnte.493 Es besteht allerdings die Möglichkeit, dass der Erwerber im Wege der Vertragsübernahme rechtsgeschäftlich Partei des Firmentarifvertrages wird.494 Einer darüber hinausgehenden vertraglichen Nebenpflicht, Neueingestellte in die Regelung einzubeziehen495, bedarf es dabei nicht, da bei Tarifverträgen nach § 3 Abs. 1 BetrVG nach der gesetzlichen Konzeption die Tarifbindung der Arbeitnehmer unerheblich ist. (2) Individualrechtliche Weitergeltung nach § 613a BGB § 613 a Abs. 1 Satz 2 BGB ordnet für den rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang an, dass Rechte und Pflichten, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs beim Veräußerer durch Rechtsnormen eines Tarifvertrages geregelt sind, zum „Inhalt des Arbeitsverhältnisses“ werden.496 Es muss sich dabei aber um Inhaltsnormen handeln, d.h. Rechtnormen, die tatsächlich Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis regeln.497 Jedenfalls bei betriebsverfassungsrechtlichen Normen wie § 3 BetrVG ist eine solche Transformation nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen.498 Glöge in: MüKo, § 613 a Rn. 139; Niebler/Förschner, Betriebsveräußerung, Rn. 336 f.; Richardi/Annuß in: Staudinger, BGB § 613 a, Rn. 175; Schaub in: MüKo 3. Aufl. § 613 a Rn. 145; a. A.: Däubler, TVR Rn. 1530 ff.; Gussen, Fortgelung, S. 64 ff., 70 f.; Kemper, BB 1990, 784 ff. 491 BAGE 99, 10, 19. 492 Abgesehen von § 613 a BGB, der allerdings gerade keine kollektivrechtliche, sondern eine individualrechtliche Lösung enthält; dazu sogleich unter B.V.6.a) bb)(2). 493 BAGE 32, 113, 119; E 89, 193, 199; die §§ 3 Abs. 1; Abs. 3, 4 Abs. 1 oder Abs. 5 TVG finden keine unmittelbar Anwendung. Zur analogen Anwendung sogleich unter B.V.6.a)bb)(4); a. A.: Kempen, BB 1991, 2006, 2008. 494 Hanau/Vossen in: FS Hilger/Stumpf, S. 271, 297; Niebler/Förschner, Betriebsveräußerung, Rn. 342; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 91; Wank, NZA 1989, 505, 507; ders. in: MünchArbR Bd. II, § 124 Rn. 182. Die Möglichkeit, den Inhalt von Tarifverträgen nach § 3 Abs. 1 BetrVG durch Neuabschluss eines inhaltsgleichen Firmentarifvertrages zu übernehmen, gilt als Selbstverständlichkeit. Es handelt sich dann allerdings nicht um einen Fall der kollektivrechtlichen Weitergeltung, da die Tarifnormen auf eine neue Grundlage gestellt werden; missverständlich insofern: Wank, NZA 1989, 505, 507; ders. in: MünchArbR Bd. II, § 124 Rn. 182. 495 So aber: Däubler, DB 2005, 666, 667. 496 Richardi/Annuß in: Staudinger, BGB § 613 a, Rn. 173. 497 Richardi/Annuß in: Staudinger, BGB § 613 a, Rn. 179; einschränkend: Moll, RdA 1996, 275, 277.

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(3) EG-Richtlinie 2001/23/EG Dieses nach dem Wortlaut eindeutige Ergebnis wird im Hinblick auf die mit § 613 a BGB umzusetzende EG-Richtlinie 2001/23/EG vom 12. März 2001499 in Frage gestellt.500 Kollektivvertraglich vereinbarte Arbeitsbedingungen sind vom Erwerber dann aufrecht zu erhalten, wenn sie in einem Kollektivvertrag mit dem Veräußerer vorgesehen waren (Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie). Daraus folgt aber gerade nicht, dass die kollektivvertraglichen Normen aufrechterhalten bleiben, sondern lediglich die darin geregelten Arbeitsbedingungen. Sinn und Zweck der EG-Richtlinie 2001/23/EG ist es, den Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel zu schützen und insbesondere die Wahrung seiner Ansprüche zu gewährleisten.501 Eine kollektivrechtliche Weitergeltung der Tarifnormen selbst ist gerade nicht Gegenstand der Richtlinie.502 Entscheidend bei einer Regelung nach § 3 BetrVG ist folglich, ob sich beim Rückfall von der kollektivrechtlich vereinbarten zur gesetzlichen Vertretungsstruktur die individualrechtliche Position des Arbeitnehmers verschlechtert. Anders als im Rahmen der Bestimmung dessen, was der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dient (Art. 9 Abs. 3 GG)503, geht es also nicht um den Schutz der Selbstbestimmung des Arbeitnehmers, sondern um einen statischen Bestandsschutz seiner materiellen Rechtspositionen.504 Bestandteil der Selbstbestimmung ist nicht nur der mitbestimmte Gegenstand, über den der Betriebsrat stellvertretend für die Betriebsbelegschaft mitbestimmt, sondern auch durch welche Organe dies erfolgt.505 Schutzzweck der Richtlinie ist dagegen nur der Erhalt der Bestimmungen, die sich unmittelbar auf die Arbeitsbedingungen auswirken.506 Artikel 6 UA 1 der Richtlinie schreibt vor, dass die Rechtsstellung und die Funktion der Vertreter oder der Vertretung der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer unter den gleichen Bedingungen erhalten bleiben, wie sie vor dem Zeitpunkt des Übergangs aufgrund einer Rechts- und Verwaltungs498 Müller-Glöge in: MüKo, § 613 a Rn. 135; Richardi/Annuß in: Staudinger, BGB § 613 a, Rn. 179; so auch: Moll, RdA 1996, 275, 277. 499 ABl. der EG, 22.3.2001, L 82/16 ff. 500 Däubler, DB 2005, 666 f.; Thüsing, ZIP 2003, 693, 705; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 160; Zöllner, DB 1995, 1401, 1402. 501 ABl. der EG, 22.3.2001, L 82/16, Ziff. 3. 502 BAGE 50, 158, 162 f.; BAG AP Nr. 18 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag. 503 Vgl. oben A.I.3.b). 504 So auch: BAG AP Nr. 18 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag. 505 Eingehend dazu: C.I.1.a). 506 Ebenso: Hanau/Vossen, FS für Hilger/Stumpf, S. 271, 290; Schaub in: MüKo, 3. Aufl. § 613 a Rn. 155; a. A.: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 160.

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vorschrift oder aufgrund einer Vereinbarung bestanden haben. Voraussetzung dafür ist, dass die Bedingungen für die Bildung der Arbeitnehmervertretung erfüllt sind und der Betrieb, das Unternehmen oder der Betriebsbzw. Unternehmensteil seine Selbstständigkeit behält. Daraus folgt allerdings nicht eine zwingende Fortgeltung von Tarifverträgen nach § 3 Abs. 1 BetrVG.507 Denn Artikel 6 UA 2 zufolge findet UA 1 keine Anwendung, wenn gemäß Rechts- und Verwaltungsvorschrift oder der Praxis der Mitgliedstaaten oder durch Vereinbarung mit den Vertretern der betroffenen Arbeitnehmer die Bedingungen für die Neubestellung der Vertreter der Arbeitnehmer oder die Neubildung der Vertretung der Arbeitnehmer erfüllt sind. Eine Arbeitnehmervertretung – gleich, ob sie gesetzlich vorgesehen oder (tarif-)vertraglich vereinbart wurde – ist also nach Betriebsübergang nur dann in ihrem Bestand geschützt, wenn nicht gewährleistet ist, dass eine Arbeitnehmervertretung neu gebildet werden kann.508 Im Rahmen des BetrVG ist dies allerdings gesichert, da bei Wegfall einer Regelung nach § 3 BetrVG das BetrVG wieder unmittelbar zur Anwendung kommt. Eine korrigierende Auslegung durch die EG-Richtlinie 2001/23/EG ist mithin nicht geboten. Vielmehr weisen die Bestimmungen der Richtlinie ausschließlich Individualbezug auf, weshalb eine Fortgeltung der Solidarnormen europarechtlich nicht geboten ist.509 b) Verbandstarifverträge i. S. v. § 3 BetrVG Eine Vereinbarung nach § 3 BetrVG setzt eine auf die davon betroffene Organisationseinheit bezogene Einzelfallprüfung voraus, inwiefern eine Abweichung von der gesetzlichen Organisationsstruktur der sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG), der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG) oder einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient. Ein vom individuellen Betrieb, Unternehmen oder Konzern losgelöster Flächentarifvertrag510 ist danach nicht denkbar. Bei Verbandstarifverträgen kommt eine kollektivrechtliche Weitergeltung nur dann in Betracht, wenn der neue Rechtsträger Mitglied im tarifschlie507

A. A.: Däubler, DB 2005, 666, 667. Entscheidend ist, ob die Bedingungen für eine Neubildung erfüllt sind und nicht, ob tatsächlich eine neue Vertretung gebildet wird; a. A.: Däubler, DB 2005, 666 f. 509 Hanau/Vossen, FS für Hilger/Stumpf, S. 271, 290; Richardi/Annuß in: Staudinger, BGB, § 613 a Rn. 179. 510 Ebenso: Eich in: FS für Weinspach, S. 17, 20; a. A.: Däubler, DB 2005, 666; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 13. 508

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

ßenden Arbeitsgeberverband ist.511 Auch bei der Gesamtrechtsnachfolge geht die Mitgliedschaft als höchstpersönliches Recht nicht über.512 Eine Übertragbarkeit der Mitgliedschaft in der Verbandssatzung gemäß §§ 38 Satz 2, 40 BGB513 ist vor dem Hintergrund der negativen bzw. positiven Koalitionsfreiheit des Rechtsnachfolgers514, aber auch aus legitimatorischer Sicht problematisch. Vielmehr muss ein Tarifvertrag unmittelbar mitgliedschaftlich (d.h. durch die Neubegründung) legitimiert sein.515 c) Konstruktionen zur Einzelrechtsnachfolge bei Tarifverträgen Das Ergebnis, dass Tarifnormen im Rahmen der Einzelrechtsnachfolge nicht automatisch auf den Erwerber übergehen, wird teilweise als Lücke bei der Umsetzung der Richtlinie 2001/23/EG angesehen. Neben einer analogen Anwendung von § 613a BGB516 werden zur Kompensation dieses angeblichen Umsetzungsdefizits bei § 613a BGB auch Konstruktionen in entsprechender Anwendung von § 3 Abs. 1, 3 TVG517 oder § 4 Abs. 5 TVG vertreten.518 Für eine analoge Anwendung von § 613a BGB auf betriebsverfassungsrechtliche Tarifverträge fehlt es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.519 Gegen die kollektivrechtliche Weitergeltung über §§ 3 Abs. 3 oder 4 Abs. 5 TVG wird angeführt, dass diese wegen der insofern spezielleren Regelung in § 613a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BGB ausgeschlossen sei.520 Be511

Däubler, DB 2005, 666. BAG AP Nr. 13 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit. 513 So: Däubler, DB 2005, 666; Kempen, BB 1991, 2006, 2008; Quander, Betriebsinhaberwechsel, S. 254; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 164. 514 BAG AP Nr. 42 zu § 1 BetrAVG Zusatzversorgungskassen; kritisch auch: Quander, Betriebsinhaberwechsel, S. 254 f. m. w. N.; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 143 f. 515 BAG AP Nr. 13 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit. 516 Birk, AuR 1975, 312, 317; Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 1541; Kempen, BB 1991, 2006, 2008; ders. in: Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 3 Rn. 36; Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 162 ff. 517 Birk, AuR 1975, 312, 314; Däubler, DB 2005, 666, 668; ders. in: TVR Rn. 1541. 518 Röder, DB 1981, 1980, 1981; ähnlich: Bepler in: Däubler, TVG, § 4 Rn. 843, 875. 519 BAGE 99, 10, 18. 520 BAGE 99, 10, 18; Hanau/Vossen, FS für Hilger/Stumpf, S. 271, 272; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 168; Richardi/Annuß in: Staudinger, BGB § 613 a, Rn. 175; Schaub in: MüKo, 3. Aufl. § 613 a Rn. 145; a. A.: Däubler, TVR Rn. 1534; Kempen/Zachert, TVG § 3 Rn. 57; Seiter, Betriebsinhaberwechsel, S. 94. 512

V. Tarifrechtliche Probleme

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denklich erscheinen diese Ansätze auch insofern, als sie zahlreichen rechtstatsächlichen Hindernissen begegnen.521 Vor allem sind diese Konstruktionen deshalb problematisch, als auf diese Weise ein Tarifvertrag Geltung beansprucht ohne Rücksicht auf die Legitimation durch den Erwerber. Gegen eine erweiternde Auslegung bestehender Vorschriften sprechen – jedenfalls beim Verbandstarifvertrag – darüber hinaus verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick auf die negative Koalitionsfreiheit des Erwerbers.522 d) Rechtsfolgen Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 BetrVG gehen ohne mitgliedschaftliche Legitimation oder vertragliche Übernahme nicht auf den Rechtsnachfolger über. Auch aus den einschlägigen EU-Richtlinien folgt kein anderes Ergebnis. Wird im Rahmen einer Rechtsnachfolge ein Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 BetrVG nicht übertragen, so entfällt die Rechtsgrundlage der abweichenden Organisationseinheit. Es treten die gleichen Rechtsfolgen wie beim nachträglichen Entfallen der Voraussetzungen vo^n § 3 BetrVG ein.523

7. Nachwirkung von Tarifverträgen Ein weiteres Problem stellt die Nachwirkung eines Tarifvertrages dar. Gemäß § 4 Abs. 5 TVG wirken die Rechtsnormen eines Tarifvertrages weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Sie verlieren damit zwar ihre zwingende Wirkung, ihre unmittelbare Geltung bleibt aber erhalten.524 Zweck von § 4 Abs. 5 TVG ist es, eine regelungslose Zeit nach Ende der Wirksamkeit eines Tarifvertrags zu verhindern.525 Fraglich ist, ob dies auch für Tarifverträge gilt, soweit sie abweichende Betriebsverfassungsstrukturen nach § 3 BetrVG zum Gegenstand haben. Diese Frage spielt nicht nur im Rahmen des Tarifvorbehaltes nach § 3 Abs. 2 und 3 BetrVG eine Rolle, da ein Tarifvertrag nach § 3 BetrVG möglicherweise auch während seiner Nachwirkung Betriebsvereinbarungen 521 Binkert, JZ 1979, 747, 751; Seiter, DB 1980, 877, 878; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704. 522 BAGE 32, 113, 119; AP Nr. 2 zu § 3 TVG; AP Nr. 18 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag; E 99, 10, 17; Gussen, Fortgeltung, S. 63, 67; Kempen BB 1991, 2006, 2007 f.; Niebler/Förschner, Betriebsveräußerung, Rn. 334.; Quander, Betriebsinhaberwechsel, S. 254 f.; dagegen: Däubler, Anmerkung zu BAGE 99, 10 ff.; ders., RdA 2002, 303, 304; Trümner in: D/K/K, BetrVG § 3 Rn. 160. 523 Dazu: B.V.4.; a. A.: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 89 i. V. m. 84. 524 BAGE 27, 22, 25 ff.; BAGE 37, 83, 91 f. 525 Sog. „Überbrückungsfunktion“; vgl. Bundesarbeitsgericht, DB 1990, 1919, 1921; Behrens/Hohenstatt, DB 1991, 1877, 1878; Zöllner/Loritz, AR, S. 409.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

und Arbeitnehmerbeschlüsse sperrt.526 Auch das Verhältnis von vereinbarter und gesetzlicher Struktur wird davon unmittelbar betroffen, indem das Ende der Wirkung eines Tarifvertrages über die Rückkehr zur gesetzlichen Struktur in der Betriebsverfassung entscheidet. a) Nachwirkung und Tarifvorbehalt in § 3 Abs. 2 und 3 BetrVG Unter „Abmachung“ im Sinne von § 4 Abs. 5 TVG ist grundsätzlich jeder andere Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder auch eine einzelvertragliche Regelung zu verstehen.527 § 4 Abs. 5 TVG setzt also voraus, dass der Abschluss einer Betriebsvereinbarung durch die Nachwirkung des Tarifvertrages nicht gesperrt wird, und findet folglich auf den Tarifvorbehalt nach § 3 Abs. 2 und 3 BetrVG keine Anwendung. Die Sperrwirkung endet daher mit Beendigung des Tarifvertrags, sei es durch Zeitablauf, Kündigung oder einvernehmliche Aufhebung.528 b) Nachwirkung und gesetzliche Regelung Durch eine Vereinbarung nach § 3 Abs. 1 BetrVG wird die gesetzliche Regelung verdrängt bzw. ergänzt.529 Ob die Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG ebenfalls diese verdrängende Wirkung entfaltet, ist gesetzlich nicht geregelt.530 Sowohl in der tarifrechtlichen Kommentarliteratur als auch der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist eine Tendenz in Richtung einer Nachwirkung auch für betriebsverfassungsrechtliche Normen erkennbar.531 So sei der Gesetzeszweck auch bei Betriebsverfassungsnormen einschlägig.532 Die betriebsverfassungsrechtliche Kommentarliteratur lehnt dagegen eine Anwendung von § 4 Abs. 5 TVG auf betriebsverfassungsrechtliche Normen 526

Vgl. B.III. Däubler, TVR, Rn. 1449. 528 Vgl. oben B.V.4. 529 Vgl. zum Verhältnis der vereinbarten Struktur zur gesetzlichen Struktur: B.II.1.e), B.II.2.e); B.II.3.d). 530 Dazu: Kempen in: FS für Schaub, S. 357, 368 ff.; Oetker in: FS für Schaub, S. 535, 537 ff., 547 f. 531 BAGE 29, 182 ff.; BAG AP Nr. 52 zu Art. 9 GG; Bepler in: Däubler, TVG, § 4 Rn. 863 ff., 873 ff.; Galperin/Löwisch, BetrVG, § 3 Rn. 4; H/S/G, BetrVG § 3 Rn. 4; Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 4 Rn. 300; Löwisch/Rieble, TVG 1. Aufl., § 3 Rn. 237; Oetker in: FS für Schaub, S. 535, 547; Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 344 m. w. N. 532 Oetker in: FS für Schaub, S. 535, 547 ff., 549; vgl. a. Kempen in: FS für Schaub, S. 357, 369 f. 527

V. Tarifrechtliche Probleme

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ab.533 Wenn sogar rangniedrigere Rechtsquellen die Nachwirkung eines Tarifvertrages beenden könnten, müsse dies erst recht für das ranghöhere Gesetz gelten.534 Ansonsten wäre zu befürchten, dass – sofern kein anderer Tarifvertrag mehr zustande käme – ein Zustand aufrechterhalten bliebe, der nicht mehr vom Willen der Tarifpartner getragen werde.535 Das Gesetz beanspruche im Bereich des tarifdispositiven Rechts grundsätzlich seine volle Geltung und nehme diesen Anspruch nur im Falle einer vollwirksamen tarifvertraglichen Vereinbarung zurück.536 Entscheidend ist letztlich, dass im Fall von § 3 BetrVG kein Grund besteht, § 4 Abs. 5 TVG zur Überbrückung eines regelungslosen Zeitraums anzuwenden.537 Mit dem BetrVG besteht eine gesetzliche Regelung, zu der im Fall der Beendigung tariflicher oder sonstiger Regelungen jederzeit zurückgekehrt werden kann.538 Die Amtszeit eines Betriebsratsmitglieds endet dann entsprechend § 3 Abs. 4 Satz 2539 bzw. § 22 BetrVG540 mit dem Beginn der Amtszeit eines nachfolgend auf gesetzlicher Grundlage gewählten Betriebsrats, also mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses der auf die Beendigung des Tarifvertrages nachfolgenden Betriebsratswahl. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird unter Berufung auf die „Überbrückungsfunktion“ von § 4 Abs. 5 TVG für den Fall angenommen, dass die Verhandlungen über einen Nachfolgetarifvertrag noch schweben.541 Um zwischen zwei Tarifverträgen nicht die gesetzliche Regelung aufleben zu lassen, solle die gesetzliche Regelung erst gelten, wenn die Verhandlungen endgültig gescheitert seien.542 533 Eisenmann in: D/M/P/S, ErfK, § 3 BetrVG Rn. 2; Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 84; Herschel, DB 1980, 687 ff.; Hueck/Nipperdey, AR II/2, S. 1223 f.; Kraft in: GKBetrVG, § 3 Rn. 31; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65; Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 166; differenzierend: Löwisch/Rieble, TVG § 4 Rn. 392; unklar: Heyer, Betriebliche Normsetzung, S. 63; bereits zur alten Rechtslage: Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 37 m. w. N.; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 175 f. 534 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 165; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 175; kritisch: Kempen in: FS für Schaub, S. 357, 369 f. 535 Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 31; ähnlich: Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 175. 536 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 175; ähnlich: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 84; Kraft in: GK-BetrVG, § 3 Rn. 31. 537 Eich in: FS für Weinspach, S. 17, 30 f.; Hanau/Wackerbarth in: FS für Ulmer, S. 1303; 312; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704; a. A.: Graune, Nachwirkung, S. 26, 33. 538 Ebenso: Behrens/Hohenstatt, DB 1991, 1877, 1878; Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 175; Zöllner/Loritz, AR, S. 409. 539 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 166. 540 Wißmann, Tarifvertragliche Gestaltung, S. 176. 541 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 166. 542 Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 166.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

Eine derartige Annahme birgt allerdings die Gefahr einer nicht unerheblichen Rechtsunsicherheit. Denn einerseits muss sichergestellt sein, dass gerade über eine Regelung nach § 3 BetrVG verhandelt wird.543 Zum anderen besteht eine vergleichbare Interessenlage nicht nur beim Übergang zwischen zwei Tarifverträgen, sondern auch, wenn von einer tarifvertraglichen Regelung auf eine durch Betriebsvereinbarung geregelte Struktur übergegangen werden soll. Konsequenterweise müsste daher eine „verdrängende Nachwirkung“ im Rahmen von § 3 BetrVG immer dann angenommen werden, wenn über eine „andere Abmachung“ i. S. v. § 4 Abs. 5 TVG, § 3 BetrVG bereits verhandelt würde. Die Feststellung im Einzelfall, ob tatsächlich sämtliche Verhandlungen endgültig gescheitert sind, würde an einer Stelle Raum für Rechtsunsicherheiten schaffen, wo eine klare Zuordnung zu einer vereinbarten oder der gesetzlichen Regelung geboten ist. Diese Probleme lassen sich zudem durch eine entsprechend vorausschauende Vertragsgestaltung vermeiden. Denn um den kurzfristigen Übergang zur gesetzlichen Regelung zwischen zwei Vereinbarungen nach § 3 BetrVG zu verhindern, besteht die Möglichkeit, die zwingende Wirkung des Tarifvertrages zu erhalten, z. B. durch Vereinbarung einer Verlängerungsklausel für den erwarteten Zeitraum üblicher Vertragsverhandlungen über einen neuen Tarifvertrag nach § 3 BetrVG oder auch für die konkrete Zeit der Verhandlungen der Vertragspartner.544 In diesem Fall bliebe die zwingende Wirkung des Tarifvertrages bis zur Vereinbarung bzw. deren Scheitern bestehen.545 § 4 Abs. 5 TVG ist also auf Tarifverträge nach § 3 Abs. 1 BetrVG nicht anwendbar, der Tarifvertrag kann das zwingende Gesetzesrecht nur während seiner normativen Geltung verdrängen.546

8. Kartellrechtliche Zulässigkeit Gegen die Zulässigkeit insbesondere von § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG wird eingewandt, dass unternehmensübergreifende Vertretungen unzulässige Wettbewerbsabsprachen wesentlich erleichtern und dadurch den Wettbewerb gefährden würden.547 Das wirft die Frage auf, ob Vereinbarungen nach § 3 543

Fehlt es daran, besteht von vornherein kein Bedürfnis nach einer „überbrückenden“ Nachwirkung. 544 Ähnlich: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 166. 545 Vgl. Wank in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 13. 546 Ebenso: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 21, 84; Kraft in: GK-BetrVG § 3 Rn. 31; Kraft in GK-BetrVG, § 3 Rn. 31; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65; Thüsing, ZIP 2003, 693, 704; im Ergebnis auch: Eich, FS Weinspach, S. 17, 30 f.; einschränkend: Trümner in: D/K/K, BetrVG, § 3 Rn. 166. 547 So: Picker, RdA 2001, 258, 288, ähnlich: Rieble, ZIP 2001, 133, 138.

V. Tarifrechtliche Probleme

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Abs. 1 BetrVG gegen das Kartellverbot des § 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verstoßen.548 a) Anwendbarkeit des GWB auf Tarifverträge nach § 3 BetrVG Vor allem seit der Leitentscheidung des Bundesarbeitsgerichts zum GWB549 gilt als „im Grundsatz unbestritten“, dass Verträge, die den Arbeitsmarkt betreffen, dem Kartellrecht entzogen sind.550 Zwar werde der Arbeitsmarkt nicht in den Bereichsausnahmen der §§ 98 ff. GWB aufgeführt.551 Tarifverträge würden aber bereits vom Wortlaut von § 1 GWB nicht erfasst, da Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände auch bei einem funktionalen Verständnis des Unternehmensbegriffs in § 1 GWB nicht als Wettbewerber auf dem Güter- und Dienstleistungsmarkt, sondern als Koalitionen tätig würden.552 Dass der Arbeitsmarkt als ungeschriebener Ausnahmebereich von den Regelungen des GWB ausgenommen sei, folge auch aus der amtlichen Begründung für den Entwurf des GWB.553 Die komplette Herausnahme wird vor allem seit der 6. GWB-Novelle, bei der der Bezug zum Wettbewerb um Waren und Dienstleistungen entfallen ist, in Zweifel gezogen.554 § 1 GWB sei grundsätzlich auch auf den Arbeitsmarkt anwendbar, allerdings könnten tarifvertragliche Regelungen zulässig sein, sofern dies aus dem Tarifvertragsrecht als lex specialis zu entnehmen sei.555 So gelte das GWB nicht für Tarifverträge mit einem nach § 1 Abs. 1 TVG zulässigen Inhalt, also auch nicht für Tarifverträge, die betriebsverfassungsrechtliche Fragen regeln.556 Zu diesem Ergebnis kommt zwar auch das Bundesarbeitsgericht, es stellt dabei aber maßgeblich auf die Tarifautonomie ab, die mit dem TVG ausgestaltet wird.557 548 Unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen können auch zwischen Unternehmen eines Konzernes auftreten; vgl. Bechthold, GBW, § 1 Rn. 33; Zimmer in: Immenga/ Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 147 ff. 549 BAGE 62, 171 ff. 550 Immenga in: Immenga/Mestmäcker, GWB, 2. Aufl. § 1 Rn. 321 ff.; vgl. a. Bechtold, GWB, § 1 Rn. 58; Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 379; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, S. 136; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 211 ff.; Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 371. 551 BAGE, 62, 171, 184. 552 BAGE, 62, 171, 185 f.; Bechthold, RdA 1983, S. 99. 553 Vgl. BT-Drucks. II/1158, S. 30. 554 Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 303 f. m. w. N. 555 Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 304. 556 Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 304. 557 BAGE, 62, 171, 184.

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B. § 3 BetrVG als Regelung zur tarifvertraglichen Gestaltung

Übertragen auf Tarifverträge nach § 3 BetrVG würde dies bedeuten, dass sich – auch nach Änderung des Wortlauts im Rahmen der 6. GWB-Novelle – nach keinem der beiden Begründungsansätze die Anwendbarkeit von § 1 GWB auf Tarifverträge nach § 3 BetrVG ergäbe. Denn einerseits stellt vor allem § 3 BetrVG eine spezialgesetzliche Befugnis dar, die gerade die tarifvertragliche Vereinbarung von unternehmensübergreifenden Organisationsstrukturen in der Betriebsverfassung vorsieht. Andererseits gestaltet § 3 BetrVG – zumindest auch – einen Teil der verfassungsrechtlich gewährleisteten Tarifautonomie aus.558 Die kartellmäßigen Nebenwirkungen von derartigen Kollektivverträgen müssen in Kauf genommen werden.559 b) Bewirken einer Wettbewerbsbeschränkung Aber auch wenn man § 3 BetrVG grundsätzlich an § 1 GWB misst, ist fraglich, ob Tarifverträge über betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen überhaupt den Tatbestand einer dadurch bewirkten Wettbewerbsbeschränkung erfüllen. So ist mit der Neufassung zwar die Auslegungsschwierigkeit, in welchem Verhältnis Vereinbarung und Wettbewerbsbeschränkung stehen müssen, insofern beseitigt, als nach § 1 GWB nun Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerb stehenden Unternehmen verboten sind, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder auch nur bewirken.560 Entscheidend wäre danach, dass mit der Vereinbarung einer unternehmensübergreifenden Arbeitnehmervertretungsstruktur die subjektiven Wirkungen einer Wettbewerbsverzerrung bezweckt oder deren objektiven Wirkungen infolge dieser Verhaltensabstimmung eintreten. Aber selbst wenn man zur Zurechnung einer wettbewerbsbeeinträchtigenden Wirkung bereits die Adäquanz ihrer Verursachung durch die Vereinbarung ausreichen lässt561, wäre diese Adäquanz im Falle von § 3 BetrVG nur schwer zu begründen. So ist bei tarifvertraglichen Abreden im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung zu unterscheiden zwischen solchen, die die Organisation betreffen, und solchen, die in Ausübung gewisser Mitbestimmungsrechte die konkrete Unternehmerentscheidung betreffen.562 Während bei letzterer das unmittelbare Bewirken von Wettbewerbsbeschränkungen im Einzelfall nicht von vornherein auszuschließen ist, besteht zwischen der Vereinbarung einer unter558

Vgl. oben A.I.3.b). Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 371; vgl. a. Bechthold, RdA 1983, 99, 100 f.; Richardi, Kollektivgewalt S. 179; Rüthers, Tarifmacht S. 15. 560 Sog. Gegenstands-, Zweck bzw. Folgetheorie: vgl. Zusammenfassung des Meinungsstreits bei: Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 240. 561 Vgl. Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 251 f. 562 Vaubel, Anwendbarkeit des GWB auf Tarifvertragsklauseln, S. 105. 559

V. Tarifrechtliche Probleme

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nehmensübergreifenden Arbeitnehmervertretung und marktbeeinflussenden Wirkungen, die möglicherweise von der koordinierten Ausübung der Mitbestimmungsrechte ausgehen können, kein „sachangemessener Zurechnungszusammenhang“563. Die Arbeitgeber vereinheitlichen lediglich ihre Entscheidung bezüglich der Mitbestimmung, nicht aber hinsichtlich eines gemeinsamen Auftretens am Markt.564

563 564

Vgl. Zimmer in: Immenga/Mestmäcker, GWB, § 1 Rn. 254 f. Hendriks, Arbeitsrechtliche Vereinbarungen und Kartellrecht, S. 129 f.

C. § 3 Abs. 1 BetrVG als Legitimations- und Legitimitätsproblem Im Zentrum der Kritik an § 3 BetrVG steht im juristischen Schrifttum vor allem, dass trotz umfangreicher Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten das in § 3 BetrVG a. F. vorgesehene Erfordernis einer staatlichen Genehmigung ersatzlos gestrichen wurde. Auf eine staatliche Beteiligung am Normsetzungsverfahren wird verzichtet, weil nach Ansicht des Gesetzgebers die Tarifvertragsparteien die Sachgerechtigkeit unternehmensspezifischer Arbeitnehmerstrukturen besser beurteilen könnten als staatliche Stellen und zudem sehr viel schneller auf Umstrukturierungen im Unternehmen reagieren könnten.1 Die Erörterung der damit verbundenen rechtlichen Probleme erfolgt allerdings nicht. Da eine personelle Spaltung der Mitbestimmung nicht möglich ist,2 entfalten tarifvertragliche Vereinbarungen über abweichende Betriebsverfassungsstrukturen nicht nur Wirkung für die Mitglieder der entsprechenden tarifschließenden Gewerkschaft, sondern gelten notwendig betriebseinheitlich, also auch gegenüber Nicht- und Andersorganisierten – sog. Außenseitern. Zwischen Koalition und Außenseitern fehlt es an einer mitgliedschaftlichen Beziehung. Die Tarifvertragsparteien verfügen gegenüber den Außenseitern über keinerlei Legitimation.3 Es besteht ein Verhältnis wie zwischen beliebigen Privatrechtssubjekten. Dieses Legitimationsproblem4 ist weder typisch betriebsverfassungsrechtlich noch spezifisch tarifrechtlich. Es betrifft vielmehr alle Bereiche, in denen Rechtssätze mit Normativwirkung gelten, also Herrschaft über Dritte ausgeübt wird. Die verfassungsrechtliche Frage nach Begründung und Umfang von Legitimation hängt also vor allem mit der Normwirkung einer Regelung zusammen.5 Danach richtet sich, ob und wie die mit der Normsetzung verbundene Ausübung von Herrschaft gegenüber den Normunterworfenen gerechtfertigt werden kann und damit legitimiert ist.

1 2 3 4 5

Begründung des RegE, BT-Drucks. 14/5741, S. 26. Picker, RdA 2001, 258, 282. BVerfGE 44, 322, 343; E 64, 203, 215; A.I.3.c)cc). Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 138 f.; Picker, RdA 2001, 258, 282. Vgl. Alexy, Grundrechte, S. 41; Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 28.

I. § 3 Abs. 1 BetrVG als Delegation staatlicher Normsetzung

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I. § 3 Abs. 1 BetrVG als Delegation staatlicher Normsetzung Allgemein legt § 4 Abs. 1 Satz 2 TVG für Tarifvertragsnormen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen fest, dass deren Rechtsnormen entsprechend § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG unmittelbar und zwingend gelten. Damit haben betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen grundsätzlich normative Wirkung.6 Fraglich ist, ob dies auch für tarifvertragliche Normen der Betriebsverfassungsorganisation nach § 3 BetrVG gilt.

1. Rechtsnormcharakter von Tarifverträgen nach § 3 BetrVG Ob tarifvertraglichen Regelungen im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung7 tatsächlich normative Wirkung zukommt, richtet sich maßgeblich nach dem Willen des Gesetzgebers und ist grundsätzlich den einzelnen Bestimmungen selbst – gegebenenfalls im Zuge der Auslegung – zu entnehmen. Eine ausdrückliche Regelung, welchen Charakter Tarifnormen nach § 3 BetrVG besitzen, besteht indes nicht. Allgemein gelten als Indiz für eine normative Geltung entsprechender Tarifnormen die historische Auslegung8 und der Umstand, dass mit dem Tarifvertrag ein Gestaltungsmittel zur Verfügung gestellt wird, das im TVG seine konkrete Ausgestaltung mit zwingender und unmittelbarer Wirkung erfahren hat. a) Eingriffscharakter betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsnormen Zum Teil wird dennoch bezweifelt, dass betriebsverfassungsrechtliche Organisationsnormen überhaupt in Freiheitsrechte Dritter eingreifen und für diese einen Akt der Fremdbestimmung bedeuten würden.9 Eine Umgestaltung des organisatorischen Rahmens zur Ausübung betrieblicher Mitbestimmung wirke für den tarifungebundenen Arbeitnehmer nur mittelbar. Denn Belastungen für die Arbeitnehmer seien nicht mit einer Änderung der Be6

Giesen, Rechtsgestaltung, S. 72 ff., 133. Eingehende Darstellung bei: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 290, 306 ff. 8 Außer in § 3 BetrVG sieht das BetrVG in zahlreichen weiteren Normen Normsetzungsbefugnisse der Tarifvertragsparteien vor; vgl. Giesen, Rechtsgestaltung, S. 72 ff. 9 Friese, Koalitionsfreiheit, S. 266; dies., ZfA 2003, 237, 248. Organisatorischen Regelungen im Rahmen der Betriebsverfassung wird dabei grundsätzlich der Eingriffscharakter abgesprochen. 7

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C. § 3 Abs. 1 BetrVG als Legitimations- und Legitimitätsproblem

triebsverfassungsorganisation verbunden, sondern hätten ihre Grundlage lediglich in den Gestaltungsrechten des Betriebsrats.10 Zutreffend ist daran, dass ein Legitimationsproblem denknotwendig ausscheidet, wenn von privaten Normen überhaupt keine Eingriffswirkung auf Freiheitsrechte ausgeht.11 Abweichungen von den gesetzlich vorgesehenen Betriebsverfassungstrukturen stellen allerdings sehr wohl einen Eingriff in eine rechtlich geschützte Position des einzelnen Arbeitnehmers dar.12 Sinn und Zweck einer betrieblichen Mitbestimmung ist es, den Gedanken der Selbstbestimmung für die Arbeitnehmer im Betrieb zu verwirklichen.13 Bestandteil dieser Selbstbestimmung ist nicht nur der Gegenstand als solcher, über den der Betriebsrat stellvertretend für die Betriebsbelegschaft mitbestimmt, sondern auch wie und durch wen, d.h. durch welche Organe, dies erfolgt. Diesem Bereich der Selbstbestimmung werden insofern enge Grenzen gesetzt, als die Repräsentation der Belegschaft im BetrVG zwingend geregelt ist und nur in den engen Grenzen des § 3 BetrVG unmittelbar der Betriebsbelegschaft unterliegen.14 Es stellt einen gravierenden Unterschied dar, ob die Interessen des Einzelnen im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung auf Betriebs-, Unternehmensebene oder in einer anderen Vertretungsstruktur wahrgenommen werden. Die Leugnung bereits der Eingriffswirkung von organisationsrechtlichen Normen würde zur Folge haben, dass es nicht nur den Tarifvertragsparteien, sondern jedem beliebigen Dritten übertragen werden könnte, abweichende Vertretungsstrukturen zu bestimmen.15 Jede Regelung, durch die die gesetzliche Grundordnung abgeändert wird, stellt damit einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht dar, indem die betriebliche Mitbestimmung auf eine neue, nicht mehr unmittelbar auf dem BetrVG beruhende Rechtsgrundlage gestellt wird.16 Eine Eingriffswirkung wird bereits dann begründet, wenn eine Norm Voraussetzungen für Regelungen auf Betriebsebene vorgibt, welche ihrerseits Rechtswir10

Thüsing, ZIP 2003, 693, 695; ebenso: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 10. Vgl. auch: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 306, 310 f.; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 12. 12 Schwarze, Betriebsrat, S. 174 ff.; Spilger, Tarifvertragliches Betriebsverfassungsrecht, S. 86 f., 117 ff. 13 Däubler, BetrVG, § 1 Rn. 4; Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 38. 14 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 139; Richardi, BetrVG, Einl. Rn. 132, 134. 15 Zum Legitimationsdefizit der Tarifvertragsparteien gegenüber den Außenseitern: vgl. C.II.2.c). 16 Ebenso: Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 139; Eine Eingriffswirkung in Freiheitsrechte setzt vor allem nicht voraus, dass der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Repräsentation auf Betriebsebene besitzt (so aber: Friese, ZfA 2003, 237, 250). Vielmehr stellt die Ausübung von Herrschaftsbefugnissen durch einen nicht entsprechend legitimierten Normgeber bereits einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip dar. 11

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kungen für den Außenseiter nach sich ziehen.17 Hinzu kommt, dass im Fall von § 3 BetrVG durch den umfassenden Tarifvorrang die Möglichkeit einer Regelung durch Betriebsvereinbarung oder Belegschaftsbeschluss ausgeschlossen und die Selbstbestimmung des Belegschaftsmitglieds auch insofern eingeschränkt wird. b) § 3 BetrVG als relativer, unselbstständiger Eingriff? Gegen den Rechtsnormcharakter eines Tarifvertrages nach § 3 BetrVG wird ebenfalls angeführt, dass der Gesetzgeber durch die Vorgaben einer betrieblichen Mitbestimmung im BetrVG bereits in die Rechtsstellung des Belegschaftsmitglieds eingegriffen habe, so dass tarifvertragliche Veränderungen dieser Betriebsratsstrukturen keinen zusätzlichen, von der staatlichen Regelung unabhängigen Eingriff darstellen würden.18 Normsetzende Gewalt gegenüber der Belegschaft seien nicht die Tarifvertragsparteien, sondern nur der Staat. Es sei daher uneingeschränkt möglich, die Belegschaftsmitglieder beliebig einer betriebsverfassungsrechtlichen Einheit zuzuordnen.19 Dem liegt die Vorstellung zu Grunde, dass in Bereichen, in denen der staatliche Gesetzgeber bereits eine Regelung mit Eingriffscharakter geschaffen hat, Privaten in diesem Bereich beliebig Gestaltungsbefugnisse eingeräumt werden können, solange die Eingriffsqualität den ansonsten geltenden staatlichen Eingriff nicht überschreitet. Ein derartiges „relatives Eingriffsverständnis“ ist jedoch der grundrechtlichen Ordung fremd. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Übertragung von Normsetzungsbefugnissen an Private20 ist die Relation von staatlicher und privater Eingriffsqualität ohne Belang. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip geht es nicht um die subjektive Rechtsbetroffenheit, sondern vielmehr darum, dass jede Ordnung eines Lebensbereiches durch Sätze objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muss.21 Maßgeblich ist, wer die Letztentscheidungsbefugnis zur konkreten Normgestaltung im Sinne einer Letztverantwortung besitzt.22 Bei Verweisungen auf private Rechtsetzung ist ein selbstständiger 17

Giesen, Rechtsgetaltung, S. 306; Schwarze, Betriebsrat, S. 185. Thüsing, ZIP 2003, 693, 695. 19 Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 10. 20 Eingehend: C.I.3. 21 BVerfGE 33, 125, 158. 22 So grenzt das BVerfG im Bergmannsversorgungsschein-Beschluss (BVerfGE 64, 208 ff.) nur nach dynamischer und statischer Verweisung und nicht nach selbstständigen und unselbstständigen Eingriffen ab, vgl. u. C.I.3.b)bb). 18

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Eingriff daher immer dann zu bejahen, wenn der privaten Regelung konstitutive Wirkung zukommt.23 Eine Relativierung würde ansonsten zu einer bedenklichen Aushebelung aller Anforderungen führen, die für die Normsetzungsdelegation aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip entwickelt worden sind.24 Dem Missbrauch bei der Übertragung von Normsetzungsbefugnissen wäre Tür und Tor geöffnet. c) Lehre vom Betriebsverhältnis Ausgehend von den mit einer umfassenden Regelungsbefugnis der Tarifvertragsparteien auch für Außenseiter verbundenen verfassungsrechtlichen Problemen25 wird bei der Normwirkung auf dem Gebiet der betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen teilweise nach tarifgebundenen Arbeitnehmern und Außenseitern differenziert.26 Während gegenüber den Koalitionsmitgliedern die entsprechende Tarifmacht zur unmittelbaren Regelung auch mit belastender Wirkung vorhanden sei, würde es bei den Außenseitern des Weisungsrechts des Arbeitgebers als dogmatischer Brücke bedürfen.27 Tarifnormen über betriebsverfassunsrechtliche Fragen würden nur den Arbeitgeber normativ binden, diese im Betrieb auch gegenüber den Außenseitern durchzusetzen. Der Eingriff in Freiheitsrechte des Außenseiters erfolge auf Grundlage des Arbeitsvertrags, mittels dessen der Arbeitgeber berechtigt sei, formelle Arbeitsbedingungen einseitig festzulegen. Der Tarifvertrag entfalte lediglich schuldrechtliche Reflexwirkung ohne direkten Eingriff. Dieser für die tarifvertragliche Regelungsbefugnis in betriebsverfassungsrechtlichen wie auch in betrieblichen Fragen entwickelte Ansatz weist zu Recht auf den verfassungsrechtlich relevanten Zusammenhang von Fremdbestimmung und Legitimationserfordernis hin.28 Offen bleibt jedoch, ob Regelungen zur Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen als belastende Solidarnormen einzustufen sind oder als Vertrag zugunsten Dritter auch gegenüber Außenseitern unmittelbare Rechtswirkungen entfalten können.29 Vor allem aber ist weder § 4 Abs. 1 TVG noch § 3 23

Scholz in: FS für Müller, S. 509, 525. Dazu sogleich unter: C.I.2. 25 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 294. 26 Richardi, Kollektivgewalt, S. 229 ff.; Wagenitz, Tarifmacht, S. 52 ff., 61 f.; Zöllner, RdA 1962, 453, 459. 27 Richardi, Kollektivgewalt, S. 236 f. 28 Vgl. Loritz, Tarifautonomie, S. 45 ff. 29 Vgl. Richardi, Kollektivgewalt, S. 237; Reuter, ZfA 1978, 1, 32; insofern hat diese Ansicht Berührungspunkte mit dem Ansatz, der den Eingriffscharakter von betriebsverfassungsrechtlichen Organistationsnormen ablehnt. Kritisch auch: Giesen, 24

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BetrVG bzw. den entsprechenden Gesetzesbegründungen zu entnehmen, dass betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen nach dem Organisationsstatus der Arbeitnehmer differenzierte Wirkungen entfalten. So ist der Gesetzgeber bei § 3 BetrVG von einer für die Gesamtbelegschaft einheitlichen Normsetzungsbefugnis der Tarifvertragsparteien ausgegangen. Normative und schuldrechtliche Tarifwirkung sind in ihren unterschiedlichen Folgen scharf voneinander abzugrenzen.30 Die Erkenntnis des verfassungsrechtlich relevanten Legitimationsdefizits gegenüber Außenseitern darf nicht zu einer verfassungskonformen Gesetzesauslegung führen, die dem zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers widerspricht.31 Teilweise bestehen zudem Zweifel an der prinzipiellen Zulässigkeit dieser mittelbaren Einbeziehung des Außenseiters, für den auch dies einen Akt von Fremdbestimmung bedeutet.32 Auch wäre dies eine unzulässige Umgehung der Erfordernisse für eine Delegation staatlicher Normsetzungsbefugnisse.33

2. Grenzen der Delegation von Normsetzungsbefugnissen an Private Tarifvertragliche Regelungen der Betriebsverfassungsorganisation nach § 3 Abs. 1 BetrVG entfalten also normative Geltung gegenüber der Betriebsbelegschaft34 unabhängig von deren mitgliedschaftlicher Organisation. Eine rechtliche Betroffenheit ergibt sich für alle Normen, durch die oder auf deren Grundlage in Freiheitsrechte eingegriffen wird oder eingegriffen werden kann.35 Da den Tarifvertragsparteien zur Schaffung betriebseinheitlicher Normen die autonome Regelungsgrundlage gegenüber den Außenseitern fehlt, handelt es sich bei betriebsverfassungsrechtlichen Zulassungsnormen für eine tarifvertragliche Gestaltung der gesetzlichen Betriebsverfassung um Normen mit Mischcharakter auf teilweise autonomer und teilweise delegierter Regelungsgrundlage.36 Während § 3 BetrVG als Ausgestaltungsnorm der tarifautonomen Gestaltungsbefugnisse auf dem Gebiet der Betriebsverfassung Rechtsgestaltung, S. 298; Kraft in: GK-BetrVG, § 1 Rn. 80; Zöllner/Loritz, AR, § 11 II 10. 30 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 198. 31 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 299; H. Hanau, RdA 1996, 158, 164 f.; Ingelfinger, Arbeitsplatzgestaltung, S. 47 f.; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1526; zur Methode der Normauslegung: A.I.4.d)cc). 32 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 227. 33 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 227; ähnlich: H. Hanau, RdA 1996, 185, 163 f. 34 So auch: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 65. 35 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 307. 36 Vgl. eingehend: A.II.4.

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im Hinblick auf das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip unproblematisch ist, wirft die damit verbundene Delegation von Normsetzungsbefugnissen zahlreiche verfassungsrechtliche Probleme auf.37 a) Verfassungsrechtliche Begrenzung der Delegation an Private (Art. 80 GG) Verfassungsrechtlich wird die Delegation von Normsetzungsbefugnissen durch Art. 80 GG beschränkt. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG muss die Ermächtigung in dem Gesetz, auf dem eine Delegation beruht, nach Inhalt, Zweck und Ausmaß bestimmt sein.38 Das bedeutet, dass bereits aus dem ermächtigenden Gesetz selbst hinreichend deutlich vorhersehbar sein muss, „in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die (. . .) Verordnungen haben können“.39 Neben diesem Bestimmtheitsmaßstab hängt das erforderliche Maß von der Eigenart der jeweiligen Regelungsmaterie ab. Inhaltliche Bestimmtheit hat je nach Eingriffsintensität insbesondere in grundrechtssensiblen Bereichen unterschiedlichen Anforderungen zu genügen.40 Dieses in Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG konkretisierte Bestimmtheitsgebot dient dem Rechtsstaatsprinzip also gleich in zweifacher Hinsicht, indem sowohl der Gewaltenteilungsgrundsatz als auch der Grundsatz von Rechtssicherheit, Bestimmtheit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns verfahrensmäßig abgesichert sein müssen. Art. 80 Abs.1 Satz 2 GG ist gleichzeitig auch Ausfluss des Demokratieprinzips41. Dem Gesetzgeber wird abverlangt, durch eine Bestimmung von Inhalt, Zweck und Ausmaß die Gestaltungsspielräume durch eine Entscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers weitgehend einzugrenzen. Die Delegationsnorm hat damit neben der Aufgabe, Legitimation zu mitteln, auch die Funktion, bereits im Voraus Einfluss auf die materielle Rechtsgestaltung42 und damit grundlegende Verantwortung für die aufgrund der Delegation möglichen Gestaltungen zu übernehmen.43 37

Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 138 f. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG wird daher auch als „delegationsrechtliches Bestimmheitgebot“ bezeichnet, vgl. Nierhaus in: BK, GG, Art. 80 Abs. 1 Rn. 89. 39 BVerfGE 1, 14, 60; E 58, 257, 277. 40 BVerfGE 41, 251, 266; E 56, 1, 13. Die Ausführungen zum allgemeinen Bestimmtheitsgebot [C.I.2.c)bb)] gelten entsprechend auch im Rahmen von Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG. 41 BVerfGE 49, 89, 126 f. m. w. N.; vgl. a. BVerfGE 40, 237, 248 ff.; E 41, 251, 165 f.; E 57, 295, 320 ff., 323. Zur nur zögerlichen Durchsetzung dieser Erkenntnis in der Rechtsprechung des BVerfG: Stern, StR Bd. I, S. 811 f. 42 BVerfGE 18, 407, 416. 38

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Indem konkrete Anforderungen für die Bestimmtheit der Delegationsnorm formuliert werden, ist Art. 80 Abs. 1 GG also nicht Delegationsgrundlage, sondern deren Begrenzung.44 Art. 80 Abs. 1 GG stellt tatsächlich nur eine verfassungsrechtliche Präzisierung der Anforderungen dar, wie sie zuvor bereits in allgemeiner Weise aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip entwickelt wurden. Die spezifische Bedeutung von Art. 80 GG besteht darin, dass in seinem Anwendungsbereich bestimmte Legitimationselemente vorgeschrieben und damit unverzichtbar sind.45 aa) Subjektbezogenes Delegationsverbot In Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG werden nach h. M. die möglichen Adressaten abschließend aufgeführt.46 Daraus wird überwiegend ein generelles, subjektbezogenes Delegationsverbot von Normsetzungsbefugnissen an Private abgeleitet.47 Dies folge zum einen aus dem Regelungsziel von Art. 80 GG, den Kreis möglicher Delegatare überschaubar zu halten.48 Zudem betreffe die Vorschrift nur das Verhältnis der Legislative zur Exekutive. Das Schweigen des Grundgesetzes schließe eine Übertragung von Rechtsetzungsmacht aus.49 Eine Ausnahme wird nur für autonome Normsetzungsbefugnisse juristischer Personen zugelassen50, ohne allerdings für den Ausnahmecharakter eine nähere Begründung zu liefern.

43

Nierhaus in: BK, GG, Art. 80 Abs. 1 Rn. 83; Dennoch ist in der Ermächtigung gemäß Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG eine Übertragung von Rechtsetzungsbefugnissen zu sehen, da sich der Bundesgesetzgeber bzgl. des eingeräumten Gestaltungsspielraums seines Rechtes zur Ausübung eigener materieller Rechtsetzungsbefugnis begibt, vgl. BVerfGE 18, 407, 417. 44 Maunz in: M/D/H/S, GG, Art. 80 Rn. 2. 45 Während es bei der demokratischen Legitimation grundsätzlich unerheblich ist, mit welchen Instrumenten das erforderliche Legitimationsniveau erreicht wird (vgl. C.I.2.b)dd)), wird diese Freiheit für die Legitimationsmittlung bei einer Delegation nach Art. 80 GG beschränkt. 46 BVerfGE 8, 155, 163; Brenner in: M/K/S, GG, Art. 80 Rn. 44; Maunz in: M/D/H/S, GG, Art. 80 Rn. 27 ff.; Mennacher, Hoheitsträger des Privatrechts, S. 95 ff.; Jarass/Pieroth, GG Art. 80 Rn. 6. 47 Brenner in: M/K/S, GG, Art. 80 Abs. 1 Rn. 55; Nierhaus in: BK, GG, Art. 80 Abs. 1 Rn. 246; Stern, StR II § 38 III 2 S. 669; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II § 104 I Rn. 2 S. 413. 48 Stern, StR II, S. 669. 49 Brenner in: M/K/S, GG Art. 80 Abs. 1 Rn. 55; Nierhaus in: BK, GG, Art. 80 Abs. 1 Rn. 246. 50 Nierhaus in: BK, GG, Art. 80 Abs. 1 Rn. 246; Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht II, S. 413.

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bb) Bundesverfassungsgericht Dass Art. 80 GG auf autonome Regelungsbefugnisse und auf die Verleihung autonomer Satzungsgewalt keine Anwendung findet, deckt sich mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts.51 Das Problem, ob aus Art. 80 GG ein Delegationsverbot folgt, vermeidet das Bundesverfassungsgericht bereits dadurch, dass es von der „Verleihung autonomer Satzungsgewalt“52 spricht. So sei „das Bedürfnis, eine Macht zu zügeln, die versucht sein könnte, praktisch-effiziente Regelungen auf Kosten der Freiheit der Bürger durchzusetzen, bei der Abgabe von Normsetzungsbefugnissen an bürokratisch-hierarchisch organisierte staatliche Exekutive ungleich fühlbarer“.53 cc) Stellungnahme Auch wenn das Bundesverfassungsgericht von der Verleihung autonomer Satzungsgewalt spricht, ist Art. 80 GG und ein möglicherweise daraus resultierendes subjektbezoges Delegationsverbot für die Anerkennung autonomer Normsetzungsbefugnisse nicht relevant. Denn weder begrifflich noch rechtsdogmatisch liegt eine Delegation vor. Autonome Normsetzung tritt zudem auch nicht in Konkurrenz zu legislativer Staatstätigkeit. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG ist somit bereits seinem Zweck nach nicht einschlägig. Der Umstand, dass sich das Bundesverfassungsgericht im Facharztbeschluss54 nur mit den materiellen Anforderungen von Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip beschäftigt, belegt zudem, dass es ein unbedingtes Verbot der Delegation an Private nicht gibt.55 Inwiefern die strengen Anforderungen von Art. 80 GG anzuwenden sind, richtet sich vielmehr danach, ob für die Freiheit des Einzelnen die gleichen Gefahren wie im Fall einer innerstaatlichen Delegation bestehen. Diese Sichtweise bedeutet nicht nur die Ablehnung eines generellen Delegationsverbotes an Dritte. Es wird darüber hinaus festgestellt, dass die rechtsstaatlichen Anforderungen an Bestimmtheit und Staatsaufsicht hinter denen in Art. 80 GG zurückbleiben können, wenn die Freiheit des Einzelnen bei einer Normsetzungsdelegation an Private weniger gefährdet ist als bei einer Delegation an die Exekutive. Die staatliche Delegation von Normsetzungsbefugnissen an Private ist in der 51

BVerfGE 12, 319, 325; E 19, 253, 167; E 21, 54, 62; E 32, 346, 360 f.; E 33, 125, 157; E 73, 388, 400. 52 BVerfGE 12, 319, 325. 53 BVerfGE 33, 125, 157. 54 BVerfGE 33, 125 ff., 157; dazu unter C.I.3.a). 55 Zu den noch weitergehenden Schlüssen aus dem BergmannsversorgungsscheinBeschluss: C.I.3.b).

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Verfassung gar nicht vorgesehen. Hier ist prinzipiell besondere Zurückhaltung geboten.56 Bei § 3 BetrVG dient als weiteres Argument für die grundsätzliche Zulässigkeit der Delegation, dass nach hier vertretener Ansicht bei der Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung nicht nur staatliche Befugnisse delegiert, sondern zugleich auch tarifautonome Befugnisse ausgestaltet werden.57 b) Legitimation delegierter Normsetzung Bei einer Delegation kommt es lediglich zu einer Zuständigkeitsverschiebung. Die übertragene Befugnis behält ihren Charakter und unterliegt den gleichen Bindungen.58 Die eigentliche Verantwortung muss daher beim Deleganten verbleiben, der sich dieser nicht durch Delegation entledigen darf.59 Bei der Ausübung vom Staat delegierter Befugnisse durch Private handelt es sich immer noch um Ausübung staatlicher Herrschaft. Denn auch wenn Normsetzungsbefugnisse vom Staat auf Private übertragen werden, beruhen sie unverändert auf der staatlichen Regelungsgrundlage. Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip sind daher grundsätzlich uneingeschränkt anwendbar. aa) Legitimationserfordernis bei staatlicher Normsetzung Die Anforderungen, die an die Legitimation zu stellen sind, stehen nicht zur Disposition des Gesetzgebers60. Die inhaltlichen Strukturen des Legitimationsverfahrens ergeben sich aus den Grundprinzipien der jeweils geltenden Herrschaftsordnung. Dem lässt sich das allgemeine Prinzip entnehmen, dass jedes Handeln für Dritte einen Legitimationsgrund voraussetzt.61 Im grundgesetzlichen Gemeinwesen entstammt Legitimation aus zwei Quellen: aus der Freiheit des einzelnen Menschen und aus dem Willen des Volkes.62 Gemäß dem freiheitlichen Demokratieverständnis, wie es Art. 20 Abs. 1 56

Giesen, Rechtsgestaltung, S. 216. Sog. Mischcharakter tarifvertraglicher Organisationsnormen in der Betriebsverfassung, vgl. A.II.4. 58 BAGE 1, 258, 264; E 4, 240, 251 f.; Küchenhoff in: FS für Nipperdey Bd. II, 317, 340 f. eingehend dazu: A.I.1.g)aa)(2)(aa). 59 Diese aus der Definition von Delegation als reine Zuständigkeitsübertragung zu entnehmende Folgerung, ergibt sich für die Delegation staatlicher Regelungszuständigkeiten ebenfalls aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfGE 9, 268, 282, E 33 125, 158. 60 Emde, Legitimation, S. 376. 61 Picker, RdA 2001, 259, 287. 57

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und Abs. 2 GG zugrunde liegt, geht alle Staatsgewalt vom Volke aus.63 Demokratieprinzip bedeutet Selbstbestimmung des Volkes.64 Die demokratische Staatsorganisation findet ihre Legitimationsgrundlage damit ausschließlich im Volk.65 Diese „Herrschaft“ erfolgt in Wahlen und Abstimmungen sowie durch besondere Organe, also im Regelfall nicht durch das Volk selbst. Sie muss lediglich durch dieses gerechtfertigt sein.66 Demokratie ist also nicht unmittelbare Volksherrschaft, sondern versteht sich als Legitimation zur Rechtfertigung von Herrschaft durch das Volk.67 (1) Funktion von Legitimation Das Demokratieprinzip in Art. 20 Abs. 1 GG als Fundamentalaussage des GG zum Staatsaufbau und zur Staatswillensbildung68 ist am wenigsten „Prinzip“ und am meisten Vollregelung, d.h. es erhebt einen umfassenden Geltungsanspruch mit äußerst begrenzter Möglichkeit der Konkretisierung und der Ausnahme.69 Die wichtigste Konkretisierung enthält das Demokratieprinzip in Art. 20 Abs. 2 GG selbst, indem zum einen das Prinzip der Volkssouveränität (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG) und zum anderen das Repräsentationsprinzip (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) statuiert wird. Entscheidend ist, dass das Volk einen effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt hat. Deren Akte müssen sich auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden.70 Die Funktion von demokratischer Legitimation erschöpft sich also nicht darin, dem Herrschenden eine entsprechende Rechtsgrundlage zur Ausübung von Herrschaft (Herrschaftsbegründung)71 zu verschaffen, sie verpflichtet den Herrschenden die Verantwortung für den Norminhalt gegenüber den Beherrschten zu übernehmen.72 Legitimation bezeichnet somit Ursprung und Ziel der Staatsgewalt.73 62 Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 9; ders., Der Staat 20, S. 161, 162; Menzel, Legitimation, S. 54. 63 BVerfGE 44, 125, 128; E 47, 253, 273; E 93, 37, 66. 64 Holste, DÖV 2005, 110, 111. 65 Stern, StR, Bd. I, 2. Aufl., S. 593. 66 BVerfGE 93, 37, 66. 67 Emde, Legitimation, S. 327; Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 20 II Rn. 20; Stern, StR, Bd. I, 2. Aufl., S. 594. 68 Herzog in: M/D/H/S GG Art. 20 II Rn. 1. 69 Herzog in: M/D/H/S GG Art. 20 II Rn. 1 i. V. m. Art. 20 I Rn. 24 ff. 70 BVerfGE 49, 89, 125; E 83, 60, 72; E 93, 37, 66. 71 Wolff in: FS für Quaritsch, S. 73. 72 BVerfGE 9, 268, 282; E 33, 125, 158; Fuchs, Beauftragte, S. 224; Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 20 II Rn. 52 f.; Köttgen, JÖR n.Folg. Bd. 3, S. 67, 107 f.; Pütt-

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(2) Legitimationssubjekt Legitimationssubjekt ist grundsätzlich nur das jeweilige Bundes- bzw. Landesstaatsvolk in seiner Gesamtheit.74 Das dem Demokratieprinzip immanente Mehrheitsprinzip ist ein Verfahrensmodus, der den Willensbildungsprozess beschreibt.75 Erforderlich ist eine ununterbrochene demokratische Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern.76 Die Partizipation des Einzelnen an staatlichen Entscheidungen ist kein legitimationsstiftendes Element im demokratischen Sinn77, denn demokratische Partizipation ist keine Betroffenheitspartizipation.78 Die Ausübung jeglicher staatlichen Macht bedarf damit der Legitimation durch die Gesamtheit der Bürger als dem Volk, von dem alle Gewalt ausgeht.79 Die Legitimation muss allerdings nicht in jedem Fall durch unmittelbare Volkswahl erfolgen. In aller Regel genügt es, dass sie sich mittelbar auf das Volk als Träger der Staatsgewalt zurückführen lässt.80 (3) Legitimationsgegenstand Das demokratische Prinzip erstreckt sich nicht nur auf bestimmte, sondern alle Arten der Ausübung von Staatsgewalt mit Entscheidungscharakter81, insbesondere also auch auf die Rechtsprechung (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG)82. Als Ausübung von Staatsgewalt, die demokratischer Legitimation bedarf, stellt sich folglich jedes staatliche Handeln mit Entscheidungscharakter dar.83 Für die Frage, ob und von wem Staatsgewalt ausgeübt wird, ist ausschlaggebend, dass und für wen eine Befugnis zur Entscheiner, VwLehre, S. 102; Sommermann in: M/K/S Art. 20 Abs. 3 Rn. 290 f.; Winkler, Gesetzgebung, S. 100, 122. 73 Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 26. 74 Vgl. BVerfGE 38, 258, 271; E 83, 60, 75 f.; E 107, 59, 87; Böckenförde in: HdBdStR § 22 Rn. 26. 75 Isensee, Grundrechte und Demokratie, S. 26. 76 BVerfGE 44, 125, 138; E 47, 253, 273; Böckenförde, HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 11. 77 BVerfGE 107, 59, 88; Schmitt-Glaeser, VVDStRL 31, 214 ff., 218. 78 Schmitt-Glaeser, VVDStRL 31, S. 179, 227. 79 BVerfGE 38, 258, 271; E 47, 253, 273. 80 BVerfGE 47, 253, 275. 81 BVerfGE 38, 258, 271; E 47, 253, 273; E 77, 1, 40; E 83, 60, 71; E 93, 37, 66; E 107, 59, 87. 82 So auch: Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 12 f., 22, 24; Menzel, Legitimation, S. 22 f.; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 674; a. A.: Roellecke in: FS für Leisner, S. 553, 560. 83 BVerfGE 47, 253, 273; E 83, 60, 73.

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dung mit rechtlichen Wirkungen besteht.84 Entscheidungscharakter hat auch die Wahrnehmung von Mitentscheidungsbefugnissen, von denen ein anderer Verwaltungsträger bei der Ausübung seiner Entscheidungsbefugnisse rechtlich abhängig ist85, wenn also die Verbindlichkeit nur im Zusammenwirken mit (anderen) Staatsorganen geschaffen wird.86 Das Demokratieprinzip erfordert, dass jede Ordnung eines Lebensbereiches durch Sätze objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muss.87 Von bloß vorbereitenden und rein konsultativen Tätigkeiten abgesehen88, ist bei der Wahrnehmung von Entscheidungsbefugnissen folglich stets demokratische Legitimation zur Übernahme der entsprechenden Verantwortung erforderlich.89 (4) Demokratie als Ausgleich von Selbstbestimmung und Herrschaft Trotz dieser Trägerschaft der Staatsgewalt durch das Staatsvolk handelt es sich bei legitimierter Ausübung von Staatsgewalt gegenüber dem Einzelnen dennoch um Fremdherrschaft. Ziel von Demokratie ist es lediglich, einen Ausgleich zwischen dem Prinzip der Selbstbestimmung und der Notwendigkeit von Herrschaft zu schaffen.90 Das Legitimationserfordernis stellt die erforderliche Willensbeteiligung in Form eines wie auch immer gearteten Zustimmungsaktes zur Rechtfertigung der Beschränkung der individuellen Autonomie dar.91 Letztlich ist Demokratie also nichts anderes als die organisationsrechtliche Umsetzung des Prinzips der Selbstbestimmung bei Ausübung staatlicher Herrschaftsbefugnisse.92

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Emde, Legitimation, S. 215. BVerfGE 26, 186, 196 f. 86 BVerfGE 83, 60, 74, 79; E 93, 37, 68; E 107, 59, 87; Schmitt-Glaeser, VVDStRL 31, S. 179, 183 f. 87 BVerfGE 33, 125, 158. 88 Vgl. BVerfGE 47, 253, 274 f.; Emde, Legitimation, S. 214 ff. 89 BVerfGE 93, 37, 67 f.; E 107, 59, 88; Kriele, VVDStRL 29, 46, 60. 90 Herzog in: M/D/H/S, GG, Art 20 II Rn. 20; Kelsen, Demokratie, S. 4 ff.; Kurz, Volksouveränität, S. 205 ff., 229 ff.; Isensee (Grundrechte und Demokratie, S. 20) spricht von herrschaftsmildernden, herrschaftsbegrenzenden und freiheitsschonenden Tendenzen; vgl. a. BVerfGE 83, 37, 52. 91 Emde, Legitimation, S. 385. 92 Vgl. Böckenförde, HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 35; Emde, Legitimation, S. 384; Kelsen, Staatslehre, S. 181, 344. 85

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bb) Instrumente staatsvermittelnder Legitimation Für die verfassungsrechtliche Beurteilung ist vor allem93 eine Bindung des Inhalts des Staatshandelns an den Willen des Volkes (materielle Legitimation)94 und eine bis zum Volk ununterbrochene Kette individueller Berufungsakte desjenigen erforderlich, der die Staatsgewalt konkret ausübt (personelle Legitimation).95 Darin manifestiert sich die Forderung des Demokratieprinzips, dass jede Entscheidung eines Staatsorgans der Lenkung und Kontrolle des Parlaments oder einer ihm verantwortlichen Instanz unterliegen muss.96 Das vom Staatsvolk gewählte Parlament kann den Organen und Funktionsträgern der Verwaltung auf allen ihren Ebenen demokratische Legitimation vermitteln, eine unmittelbare Legitimation durch das Gesamtvolk ist also nicht zwingend. Der notwendige Zurechnungszusammenhang zwischen Beherrschtem (Volk) und Herrschendem (Staat) wird durch die Wahl des Parlaments, durch die von ihm beschlossenen Gesetze als Maßstab der vollziehenden Gewalt, durch den parlamentarischen Einfluss auf die Politik der Regierung sowie durch die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung hergestellt.97 Je nach zeitlichem Zusammenhang im Hinblick auf die Ausübung der Herrschaft lassen sich die einzelnen materiellen Legitimationselemente in Lenkungs- bzw. Kontrollinstrumente einteilen. Zentrales Lenkungsinstrument des Parlamentes ist das Gesetz. Auf der Ebene der Verwaltung existieren als entsprechende Instrumente zur exekutiven Normsetzung die Rechtsverordnung und die Verwaltungsvorschrift. Schließlich besteht noch die Möglichkeit exekutiver Einzelakte, soweit nicht bereits in der ermächtigenden Norm die letztentscheidende Ausübung von Staatsgewalt liegt98 und der Entscheidungsspielraum bei der Herrschaftsausübung dadurch entsprechend eingeschränkt wird.99 Damit treten die vor allem im Rechtsstaatsprinzip beheimateten Grundsätze von Wesentlichkeit und Bestimmtheit im Rahmen des Demokratieprinzips hervor.100 Auch die 93 Vgl. Emde, Legitimation, S. 42 ff., 51 ff., 122 ff., 140 f., 190 ff.; Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 20 II Rn. 48. 94 Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 21 f.; Kriele, VVDStRL, 29, 46, 60. 95 Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 16 ff.; Herzog in. M/D/H/S, GG, Art. 20 II Rn. 53. 96 Es handelt also mehr um einen Modus der Herrschaftsorganisation als um ein Instrument zur Übernahme konkreter Verantwortlichkeit, vgl. Emde, Legitimation, S. 43. 97 BVerfGE 93, 37, 66; Emde, Legitimation, S. 67 ff.; Sommermann in: M/K/S, GG, Art. 20 Abs. 3 Rn. 290 f. 98 Vgl. Emde, Legitimation, S. 46 f., 79 ff. 99 BVerfGE 93, 37, 66; Emde, Legitimation, S. 67. 100 Ossenbühl in: HdbStR Bd. III, § 62 Rn. 32.

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Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung bzw. an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) bzw. an das Allgemeinwohl stellen letztendlich legitimationserhöhende Faktoren dar, indem der Entscheidungsspielraum eingeengt wird. Die Kontrolle von Herrschaftsausübung erfolgt meist im Rahmen der Verwaltung101 und reicht von unverbindlichen Empfehlungen über förmliche Beanstandungen und Anordnungen bis hin zu Genehmigungsvorbehalten als Voraussetzung der Wirksamkeit. Die Charakterisierung von Instrumenten der Staatsaufsicht als legitimationsstiftende Faktoren ist dabei für die Fachaufsicht offensichtlich, da der Prüfungsumfang und der Gestaltungsspielraum des Entscheidungsträgers identisch sind. Die Möglichkeit, eine Entscheidung im Rahmen der Aufsicht in jeglicher Beziehung zu prüfen, gewährleistet, dass die getroffene und unbeanstandete Entscheidung materiell dem Willlen des Trägers der Aufsicht entspricht, dessen Verantwortlichkeit bis hin zum Parlament rückführbar ist. Der Rechtsaufsicht, mit der lediglich die Einhaltung des rechtlichen Rahmens überprüft wird, kommt vor allem eine rechtsstaatliche Funktion zu. Ein selbstständiger, legitimationsstiftender Effekt, der über die Begrenzungen des Entscheidungsspielraums durch das bestehende Recht hinausgeht, ist bei der Rechtsaufsicht zunächst nicht erkennbar. Dennoch entscheidet die Effektivität der Rechtsaufsicht darüber, inwieweit den Lenkungsinstrumenten überhaupt Legitimationswirkung zukommt.102 Eine wirksame Verhaltenssteuerung durch Gesetze und exekutive Normsetzung hängt also unmittelbar mit einer funktionierenden Rechtsaufsicht zusammen.103 Schließlich lassen sich noch ergänzende sog. „weiche“ Legitimationsfaktoren104 identifizieren, die – wenn auch keine effektive Kontrolle – so doch eine gewisse Transparenz in die Ausübung von Staatsgewalt bringen.105 Gerade bei der ausschließlich personellen Legitimation des Parlamentes spielt der Öffentlichkeitsgrundsatz für den einzelnen Bürger zur Entscheidungsfindung im Rahmen des (nachfolgenden) Wahlvorgangs eine entscheidende Rolle. Eine eindeutige Zuordnung der Elemente der Legitimation zu den einzelnen Funktionen ist nicht möglich. So übernimmt der Gesetzgeber durch die 101

Zu den parlamentarischen Kontrollrechten: Stern, StR I, S. 997 ff. So auch: Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 21 ff; Emde, Legitimation, S. 82 ff., 330; zur Steuerungskraft durch „faktische Ingerenz“: Mayen, DÖV 2004, 45, 49. 103 Zu diesem Funktionswandel: Schnapp, DVBl. 1971, 480 ff. 104 So vor allem für die demokratische Legitimation des Richters: Voßkuhle/Sydow JZ 2002, 673, 680, 682. 105 Kriele, VVDStRL 29, 46, 67 f. 102

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damit verbundenen Beschränkungen des Gestaltungsspielraums bereits im Voraus für die Herrschaftsinhalte Verantwortung.106 Auf der anderen Seite stellt auch die (repressive) Kontrolle107 eine Form der Verhaltenssteuerung dar108, so dass auch Kontrollinstrumente der Legitimationsmittlung als staatlicher Herrschaftgrundlage dienen. Auch ein grundsätzlicher Vorrang z. B. der materiellen vor der personellen Legitimation ist Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG nicht entnehmbar.109 cc) Richterliche Kontrolle Ein besonderes Problem stellt die Frage dar, ob die richterliche Kontrolle dazu angelegt ist, demokratische Legitimation zu vermitteln. Im Hinblick auf die richterliche Unabhängigkeit fehlt es der Ausübung von Staatsgewalt durch die Gerichte allerdings an einem wesentlichen Element demokratischer Legitimation: Demokratische Verantwortlichkeit für den Inhalt der Rechtsprechung.110 Damit weist die richterliche Gewalt ihrerseits einen äußerst geringen Gehalt demokratischer Legitimation auf111, der nur im Hinblick auf ergänzende Legitimationsfaktoren wie Öffentlichkeitsgrundsatz, Professionalisierung und Partizipation gerechtfertigt erscheint.112 Im Wesentlichen bezieht der Richter seine demokratische Legitimation durch seine personell-organisatorische Ernennung. Die materiell-inhaltliche Legitimation beruht dagegen ausschließlich auf der strikten Bindung an (inhaltlich bestimmte) Gesetze (Art. 97 GG) ohne eigene Gestaltungsspielräume als notwendiges Korrelat der Unabhängigkeit.113 Ähnlich wie bei der Rechtsaufsicht hängt die Legitimationswirkung von Gesetzen also auch von der richterlichen Kontrolle ab. Jedoch besteht anders als bei der Rechtsaufsicht keine Verantwortlichkeit bei der Ausübung der Aufsicht, die bis zum Parlament rückführbar wäre, sondern lediglich im Rahmen des Instanzenzugs.114 Die gerichtliche Kontrolle übernimmt folglich – anders als die 106

Jedenfalls soweit sie der Gesetzesgrundlage entsprechend ausgeübt werden. Zu den Schwierigkeiten systematicher Einordnung der präventiven Kontrollinstrumente: Emde, Legitimation, S. 47 f.; Meyn, Kontrolle, S. 104 f., 116 f., 198 ff. 108 Emde, Legitimation, S. 48. 109 So aber Kriele (VVDStRL 29, 46, 58 ff.), der auf die Notwendigkeit der personellen Legitimation nicht eingeht. 110 Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 22. 111 Voßkuhle/Sydow (JZ 2002, 673, 682) sprechen von einer „prekären“ demokratischen Legitimationsbasis. 112 Dazu: Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 680 ff. 113 Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 22, 24; Kriele, VVDStRL 29, 46, 64; Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 678 f. 114 Vgl. Voßkuhle/Sydow, JZ 2002, 673, 678. 107

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Rechtsaufsicht und trotz der Gleichartigkeit des Prüfungsrahmens – nur indirekt die Aufgabe einer Verhaltenssteuerung. Vor allem aber erfordert die Gewährleistung von gerichtlichem Rechtsschutz die Verletzung subjektiver Rechte. Davon darf weder die Verantwortlichkeit noch die Steuerbarkeit staatlicher Herrschaft abhängig gemacht werden.115 Sofern ein Gesetz Dritten bewusst Gestaltungsspielräume einräumt, kann sich die richterliche Kontrolle allerdings nur auf die Einhaltung des Rahmens beziehen.116 Die richterliche Kontrolle ist demnach vor allem eine Voraussetzung dafür, dass dem Gesetz Legitimationswirkung zukommen kann.117 Denn einem Gesetz ohne die Garantie, dessen Einhaltung auf dem Rechtsweg überprüfen zu lassen, kann keine legitimatorische Wirkung zugebilligt werden. Die richterliche Kontrolle ist also kein selbstständiges legitimationsstiftendes Instrument.118 Mit einer richterlichen Überprüfung wird keine eigene Entscheidung einer demokratisch legitimierten, staatlichen Stelle getroffen, sondern lediglich die Einhaltung der in den bestehenden Gesetzen zum Ausdruck kommenden staatlichen Entscheidungen garantiert. Bezugspunkt ist also nicht eine eigene staatliche Herrschaftsentscheidung des Richters, sondern ausschließlich Recht und Gesetz, wie sie durch die Legislative vorgegeben werden.119 Ihre Eignung für die Garantie legitimierter Normsetzung ist daher zweifelhaft.120 dd) Legitimationsniveau Es zeigt sich, dass kein Element staatsvermittelnder Legitimation unverzichtbar ist. Entscheidend sind nicht die Formen der demokratischen Legitimation, sondern deren Effektivität, um einen „hinreichenden Gehalt demokratischer Legitimation“121 zu erreichen. Der Maßstab für die Beurtei115

Emde, Legitimation, S. 330; vgl. a. Schnapp, DVBl 1971, 480, 481. Zur verfassungspolitischen Bedeutung der richterlichen Methodenwahl: Rüthers, JZ 2003, 365, 367. 117 Der Richter ist „in das Programm des Gesetzgebers eingebaut“, Richardi in: Gedächtnisschrift für Dietz, S. 269, 281. 118 A. A. unter Hinweis auf den historischen und politischen Hintergrund: Otto, RdA 1973, 398 f. 119 Dieser rechtstheoretischen Reduzierung der richterlichen Entscheidungsbefugnis auf das unselbstständige Nachvollziehen des im materiellen Recht zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Willens widerspricht das praktisch bedeutsame sog. „Richterrecht“. Bei der „Schaffung“ von Richterrecht handelt das Gericht aber nicht aufgrund einer staatlich anerkannten eigenen Normsetzungsbefugnis. Vielmehr werden Gesetzeslücken geschlossen, die vom Gesetzgeber nicht abschließend geregelt sind bzw. nicht geregelt werden können. 120 Schwarze, Betriebsrat, S. 162. 121 BVerfGE 93, 37, 66 f.; E 107, 59, 87. 116

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lung des Legitimationsgehaltes ist dabei in der Rückführbarkeit auf die Willensentscheidung des Volkes zu sehen122 und inhaltlich dafür die Verantwortung zu übernehmen.123 Dies bedeutet effektiven Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt zur Erreichung eines bestimmten Legitimationsniveaus.124 Bei den einzelnen Legitimationssträngen handelt es sich demnach um unselbstständige Bestandteile im Dienste eines einheitlichen Legitimationsprozesses zur Erreichung eines bestimmten Legitimationsniveaus.125 Beschränkungen bei der materiellen Legitimation sind folgerichtig zulässig, wenn sie durch ein höheres Maß an personeller Legitimation kompensiert werden (und umgekehrt), solange dies nicht auf eine völlige Beseitigung hinausläuft.126 Die Ausrägungen demokratischer Legitimation sind dispositiv, sofern sie nur ein bestimmtes Maß an Selbstbestimmung erreichen.127 Damit hängt die Frage nach dem hinreichenden Gehalt demokratischer Legitimation von der Intensität der Einwirkung auf die Selbstbestimmung des Einzelnen ab.128 Bei Aufgaben eines Amtsträgers, die einen besonders geringen Entscheidungsgehalt haben, kann dafür eine demokratische Legitimation ausreichen, bei der einzelne Legitimationselemente zurücktreten.129 Das kann jedoch nur in Betracht kommen, wenn die Kompetenzen gegenständlich im Einzelnen und auch ihrem Umfang nach eng begrenzt sind und die zu treffenden Entscheidungen inhaltlich soweit vorstrukturiert sind, dass sie sich etwa auf die messbar richtige Plan- oder Gesetzesdurchführung beschränken.130 Geringere Anforderungen an die Legitimation können dann bestehen, wenn die Zuständigkeit eines Entscheidungsträgers nur auf einen eng umgrenzten, wenig bedeutsamen Bereich gerichtet ist und außerdem einem umfassenden Evokations- oder Letztentscheidungsrecht eines übergeordneten Organs unterliegt.131 Auf der anderen Seite gibt es Regierungsaufgaben, die wegen ihrer „politischen Tragweite“ nicht generell der Regie122 Emde, Legitimation, S. 33, 384 ff.; Auch aus diesem Grund ist eine Anknüpfung an den Willen bei der Bestimmung des Rechtsnormcharakters kein taugliches Kriterium. 123 Emde, Legitimation, S. 43. 124 BVerfGE 107, 59, 87; Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 1 ff.; Emde, Legitimation, S. 327. 125 Emde, Legitimation, S. 328 ff.; Sommermann in: M/K/S, GG, Art. 20 Abs. 2 Rn. 175 ff. 126 Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 23; Emde, Legitimation, S. 329 ff., 382 ff. 127 Emde, Legitimation, S. 385. 128 Ähnlich wie sich auch das Maß an Bestimmtheit eines Gesetzes an dessen Eingriffsintensität orientiert, vgl. BVerfGE 49, 89, 133; E 59, 104, 114. 129 BVerfGE 83, 60, 74. 130 BVerfGE 83, 60, 74.

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rungsverantwortung entzogen und auf Stellen übertragen werden dürfen, die von Regierung und Parlament unabhängig sind.132 Regelungszuständigkeiten ohne Eingriffwirkung in Rechte Dritter lösen danach kein Erfordernis nach demokratischer Legitimation aus.133 Die Partizipation des Einzelnen an staatlichen Entscheidungen ist zwar kein legitimationsstiftendes Element im demokratischen Sinn134, es erfolgt aber eine „Auflockerung“, indem das erforderliche Maß demokratischer Legitimation gesenkt wird. Damit kommt der Partizipation auch bei der Ausübung staatlicher Gewalt eine „demokratische Funktion“135 zu, deren mögliche Erscheinungsformen vor allem im Rahmen der Ministerialverwaltung bekannt sind.136 Die verfassungsrechtliche Bedeutung autonomer Legitimation im Rahmen staatlicher Normsetzungsbefugnisse beschränkt sich also auf die Funktion, die Intensität von Beschränkungen der individuellen Selbstbestimmung zu mindern.137 Das Maß der Fremdbestimmung nimmt aber nur im Verhältnis zu demjenigen ab, der diese Normsetzung autonom legitimiert. Autonome Legitimation ist also nicht zugleich eine Quelle demokratischer Legitimation.138 Nur die Trennung zwischen Legitimationsursprung, der nach Art. 20 Abs. 2 GG nur beim Gesamtvolk liegt139, und dem individuellen Maß, das für einen hinreichenden Gehalt dieser demokratischen Legitimation ausreichend ist, erlaubt es, unter Beachtung des Demokratieprinzips die individuelle Beteiligung am Normsetzungsprozess trotzdem bei der Frage des erforderlichen Legitimationsniveaus berücksichtigen zu können. c) Rechtsstaatsprinzip und Delegation Rechtsstaatlichkeit bedeutet, dass Ausübung staatlicher Macht nur auf der Grundlage der Verfassung und von formell und materiell verfassungs131

BVerfGE 47, 253, 274 f. Gemeint ist damit – anders als bei der Geltungsbefehlslehre (vgl. A.I.1.g)dd)) – das konkrete Letztentscheidungsrecht im Sinne einer Letztverantwortung, vgl. a.: Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 8. 132 BVerfGE 9, 268, 282. 133 So bereits: C.I.1. 134 BVerfGE 107, 59, 88; Schmitt-Glaeser, VVDStRL 31, 214 ff., 218. 135 Menzel, Legitimation, S. 67 m. w. N.; vgl. a. BVerfGE 107, 59, 92. 136 Emde, Legitimation, S. 352 m. w. N. 137 Ebenso: Kelsen, Allgemeine Staatslehre, S. 181. 138 So handelt es sich nach Emde (Legitimation, S. 386 ff.) bei autonomer Legitimation um einen „Realisationsmodus des demokratischen Prinzips“. Dies ist insofern problematisch, als der Einzelne nicht Legitimationssubjekt demokratischer Legitimation sein kann, da es an der Rückführbarkeit des Willens auf das Gesamtvolk fehlt. 139 Vgl. C.I.2.b)aa)(2).

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mäßig erlassenen Gesetzen mit dem Ziel der Gewährleistung von Menschenwürde, Freiheit, Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zulässig ist.140 Dies gilt umso mehr, wenn Normsetzungsbefugnisse an Private delegiert werden, die selbst nicht unmittelbar an Recht und Gesetz gebunden sind (Art. 20 Abs. 3 GG).141 aa) Funktion Das Prinzip des Rechtsstaats (Artt. 20 Abs. 3, 28 Abs. 2 Satz 1 GG) fordert nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die öffentliche Gewalt in allen ihren Äußerungen durch klare Kompetenzordnung und Funktionentrennung rechtlich zu binden, so dass Machtmissbrauch verhütet und die Freiheit des Einzelnen gewahrt wird.142 Staatliches Handeln muss messbar und vorausberechenbar sein, d.h. der Bürger muss sich zu jeder Zeit ein klares Bild von der Rechtslage machen können.143 bb) Elemente Angesichts der „Offenheit“ des Rechtsstaatsbegriffes ist sein materieller Gehalt nur durch Einzelaufzählung der wesentlichen Bestandteile bestimmbar.144 Die für die Ausübung von Normsetzung wesentlichen Beschränkungen des Rechtsstaatsprinzips sind der Gewaltenteilungsgrundsatz (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG), die Gewährleistung der persönlichen Grundrechte sowie der Verfassung als rechtliche Grundordnung (Verfassungsstaatlichkeit), der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Justiz (Vorrang und Vorbehalt des Gesetzes, Art. 20 Abs. 3 GG), der Grundsatz der Messbarkeit staatlichen Handelns, das Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie die Rechtsschutzgarantie (Art. 19 Abs. 4 GG).145 140

Allgemeine Definition. Vgl. a. Stern, StR, S. 781 m. w. N. Vgl. C.I.2.b)bb). 142 BVerfGE 33, 125, 157 f.; BVerwGE 41, 261; BayVerfGH NJW 1983, 325, 327. 143 BVerfGE 21, 73, 79; E 21, 245, 261; E 25, 269, 285; E 26, 41, 42; E 31, 255, 264; Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 20 Rn. 26; Sommermann in: M/K/S, GG, Art. 20 Abs. 3 Rn. 279; Söhn, AVE, S. 203. 144 Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 20 VII, Rn. 21; Stern, StR Bd. I, S. 783 m. w. N. 145 Mit zum Teil unterschiedlicher Terminologie: Degenhardt, StR I § 3 Rn. 201 f.; Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 20 II. Abschnitt VII Rn. 22 ff.; Maunz in: StR, 24. Aufl., § 12 III; Stern, StR Bd. I § 20 III.2. Daneben gibt es eine Fülle von „Unterprinzipien“, die sich teilweise gleich mehreren Elementen zuordnen lassen. Im Folgenden erfolgt eine Beschränkung auf die Prinzipien, durch die die Normsetzung beschränkt wird; vgl. Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 20 II. Abschnitt VII Rn. 26. 141

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(1) Gewaltenteilungsgrundsatz Aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz folgt, dass die Schaffung verbindlicher Rechtsätze im Staat grundsätzlich und originär der Legislative zusteht.146 Diese organisatorische und funktionelle Trennung der einzelnen Gewalten dient vor allem der Verteilung von Macht und Verantwortung und der damit verbundenen gegenseitigen Kontrolle.147 Die Gewaltenteilung zielt darauf ab, dass staatliche Entscheidungen möglichst von den Organen getroffen werden, die nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen hierfür verfügen.148 Aus dem Gewaltenteilungsgrundsatz folgt indes keine zwingende verfassungsrechtliche Kompetenzordnung149, sondern nur, dass der Kernbereich der Gewalten erhalten bleibt und keine der Gewalten die ihr von der Verfassung zugeschriebenen typischen Aufgaben verliert.150 Eine Delegation von staatlichen Normsetzungsbefugnissen an Private ist aus rechtsstaatlicher Sicht somit nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sofern nur Klarheit über die entsprechenden Befugnisse und Verantwortlichkeiten besteht.151 (2) Rechtssicherheit Eine klare Kompetenzordnung innerhalb des Staates ist auch aus Gründen der Rechtssicherheit geboten.152 Die Messbarkeit und Vorausberechenbarkeit staatlichen Handelns ist ohne inhaltlich bestimmte Normsetzung nicht möglich.153 Dadurch wird die Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen154 oder Ermessensvorschriften155 zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen, da an die tatbestandliche Fixierung keine nach der konkreten Sachlage unerfüllbaren Anforderungen gestellt werden dürfen.156 Maßstab ist jedoch, dass die Betroffenen anhand des Norminhalts „die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können“157 müssen. Das Bestimmtheits146

BVerfGE 95, 1, 15 f.; Rüthers, JZ 2003, 865. St. Rspr.: BVerfGE 3, 225, 247; E 95, 1, 15; Stern, StR Bd. I, S. 792 f. 148 BVerfGE 68, 1, 86; E 95, 1, 15 f. 149 Degenhart, StR I Rn. 244. 150 BVerfGE 34, 52, 59; E 95, 1, 15. 151 Fuchs, Beauftragte, S. 221. 152 BVerfGE 2, 380, 403; E 3 225, 237; E 33, 125, 158; An dieser Stelle zeigt sich, dass sich die Beschränkungen der Normsetzung aus unterschiedlichen rechtsstaatlichen Elementen ergeben, vgl. a.: Degenhart, StR I, Rn. 349. 153 BVerfGE 8, 274, 325; E 9, 137, 147. 154 Vgl. BVerfGE 21, 73, 79. 155 Vgl. BVerfGE 8, 76, 325; E 9, 137, 147; E 56, 1, 12. 156 BVerfGE 56, 1, 12 f. 147

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gebot bezeichnet also nur Mindestanforderungen an die Fassung der Norm. Anforderungen an das Maß erforderlicher Bestimmtheit lassen sich nicht allgemein festlegen. Der Grad der zu fordernden Bestimmtheit hängt vielmehr von der Eigenart des jeweils geregelten Sachverhalts im Einzelfall ab.158 Darüber hinaus ist auch auf die Intensität der Auswirkungen der Regelung für den Betroffenen Rücksicht zu nehmen. Insoweit berührt sich das Bestimmtheitsgebot mit dem Verfassungsgrundsatz des Vorbehalts des Gesetzes.159 Die Anforderungen sind umso strenger, je intensiver der Grundrechtseingriff ist.160 Die formalen Kriterien an Rechtssicherheit und -klarheit werden durch die materialen Schranken des Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und des Erforderlichkeitsgrundsatzes ergänzt.161 Verfassungsrechtlich wird der Grundsatz der Rechtssicherheit u. a. im delegationsrechtlichen Bestimmtheitsgebot in Art. 80 GG und in den Publizitätsvorschriften in Art. 82 GG konkretisiert.162 (3) Verfassungsstaatlichkeit Unmittelbar aus Art. 20 Abs. 3 GG folgt das Gebot der Verfassungsstaatlichkeit. Allgemein ist darunter die Bindung der Staatsgewalt an die verfassungsrechtliche Ordnung und damit verbunden die Höchstrangigkeit der Verfassung zu verstehen.163 In der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik umfasst diese Bindung nicht nur eine Begrenzung staatlicher Macht, das Rechtsstaatsprinzip verbürgt auch die freiheitliche Grundordnung, gewährleistet folglich die persönlichen Grundrechte.164 Die 157 BVerfGE 2, 380, 403; E 3, 225, 237; E 7, 89, 92; E 21, 73, 79; vgl. a. BVerfGE 5, 25, 31; E 22, 330, 346; E 26, 338, 367; E 33, 125, 158; E 51, 1, 41. Rechtssicherheit herrscht also nur dort, wo Klarheit über Befugnisse und Verantwortlichkeiten besteht. 158 Insbesondere ist die Bestimmtheit davon abhängig, in welchem Umfang der zu regelnde Sachbereich einer genaueren begrifflichen Umschreibung überhaupt zugänglich ist. 159 BVerfGE 48, 210, 222; E 56, 1, 13. Auf ein näheres Eingehen auf das Verhältnis zwischen Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgebot, das vor allem im Rahmen von Art. 80 Abs. 1 GG kontrovers diskutiert wird (Dualismus oder Identitätsthese, vgl. ausführliche Darstellung bei: Nierhaus in: BK, GG, Art. 80 Abs. 1, Rn. 89 ff.), wird vorliegend verzichtet, da sich daraus für die Frage, welchen Anforderungen an Gesetze auf bzw. als Grundlage von Normsetzung aus demokratischrechtstaatlicher Sicht zu stellen sind, keine wesentlichen Unterschiede ergeben. 160 BVerfGE 59, 104, 114; E 86, 288, 311, E 93, 213, 238. 161 Denninger, Rechtsstaat, S. 348 in: Görlitz, Handlexikon zur Rechtswissenschaft. 162 Eingehend dazu: C.I.2.a). 163 Stern, StR Bd. I § 20 IV 1, S. 787 f. 164 Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 20 VII Rn. 23; Hesse, Grundzüge, Rn. 191.

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Funktion des Rechtsstaatsgebots erschöpft sich also nicht in einer Beschränkung staatlicher Gewalt zugunsten des Bürgers, sondern beinhaltet auch eine Verpflichtung zur Gewährleistung der freiheitlichen Ordnung insgesamt.165 Die vom Bundesverfassungsgericht aus einzelnen Grundrechten entwickelten Schutzpflichten166 finden also im Rechtsstaatsprinzip eine vom einzelnen Grundrecht losgelöste staatsrechtliche Verankerung. cc) Instrumente (1) Klare Zuständigkeitsordnung Wesentliches Instrument zur Verwirklichung des Rechtsstaatsprinzips ist, dass die Ausübung von Staatsgewalt in den von der Verfassung vorgesehenen Zuständigkeiten ausgeübt wird.167 Die verfassungsrechtliche Verteilung von Macht und Verantwortung ist also Organisationsprinzip, die Einhaltung der darin begründeten Herrschaftsorganisation dient der Wahrung des Rechtsstaatsprinzips. Jede Abweichungen von dieser grundsätzlichen Zuständigkeitsordnung auch ohne Übertragung des Kernbereichs der einzelnen Gewalten beeinträchtigt mithin die Funktionsfähigkeit des rechtsstaatlichen Systems gegenseitiger Kontrolle und bedarf der besonderen Rechtfertigung. (2) Einhaltung von Gesetz und Verfassungsmäßigkeit Durch die Bindung an Recht und Gesetz (Artt. 1 Abs. 3, 20 Abs. 3 GG) wird durch ein Anwendungsgebot und ein Abweichungsverbot der Vorrang des Gesetzes in Exekutive und Judikative gewährleistet.168 Für untergesetzliche Normsetzung folgt daraus die grundsätzliche Nichtigkeit. Zur Durchsetzung dieser Ausführungs- und Beachtungspflichten und wegen der fehlenden Verwerfungskompetenz ist eine wirksame staatliche Aufsicht ebenso erforderlich wie die effektive Gewährleistung der Rechtsweggarantie (Art. 19 Abs. 4 GG). Die Justiziabilität von Normen hängt somit von ihrem Rang in der Normenhierarchie und dieser wiederum vom Rang des Autors unter den Normsetzenden ab.169 So ist der parlamentarische Gesetzgeber bei der Gesetz165 „Verpflichtung des Staates, Unrecht zu verhindern“; so: Zeidler, Verhandlungen zum 53. DJT Bd. II, S. I 22. 166 Vgl. BVerfGE 39, 1, 42; E 88, 203, 251 ff.; zum Schutz des menschlichen Lebens. BVerfGE 81, 242, 255; E 92, 24, 46; zum Schutz der Selbstbestimmung im Rahmen der privatautonomen Gestaltungen. 167 Fuchs, Beauftragte, S. 221 f. 168 Ossenbühl in: HdbStR Bd. III, § 62 Rn. 4 f.

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gebung unmittelbar nur an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden.170 Die Beachtung der Verfassung als einzige rechtsstaatliche Begrenzung der parlamentarischen Befugnis, im Rahmen seiner Zuständigkeit Gesetze zu schaffen, unterliegt der umfassenden Überprüfbarkeit der Gerichte.171 Die Feststellung, dass eine Norm gegen geltendes Verfassungsrecht verstößt, bleibt aber ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht vorbehalten (Art. 100 GG).172 Auch wenn das Gesetz als Ausdruck der Parlamentssouveränität die Rechtsquelle mit der höchsten demokratischen Legitimation darstellt, ist eine funktionsfähige gerichtliche Kontrolle also im Interesse der Verfassungsstaatlichkeit, aber auch der Gewaltenteilung rechtsstaatliche Notwendigkeit.173 (3) Gesetzesvorbehalt und Wesentlichkeitsvorbehalt Nach dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt haben alle staatlichen Eingriffe in Freiheitsrechte auf der Grundlage formeller Gesetze zu erfolgen.174 Der aus diesem allgemeinen Gesetzesvorbehalt entwickelte Parlamentsvorbehalt verpflichtet den parlamentarischen Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und sie nicht „außenstehenden“ Stellen überlassen.175 Bei wesentlichen Entscheidungen verdichtet sich der Gesetzesvorbehalt zu einem Übertragungsverbot des Kernes parlamentarischer Zuständigkeiten.176 Das unterstreicht die legitimatorische Funktion von Gesetzes- und Wesentlichkeitsvorbehalt.177 Vor allem sind diese Vorbehalte aber Elemente des Rechtsstaatsprinzips178, indem eine klare Kompetenzabgrenzung zwischen den Staatsorganen gewährleistet wird. Gleichzeitig stellt das Gesetz auch Hauptbezugspunkt für das Bestimmtheitsgebot dar, da es inhaltlich 169

Bettermann in: HdbStR Bd. III, § 73, Rn. 55. Rüthers, JZ 2003, 365. 171 BVerfGE 1, 184, 197; E 17, 208, 210. 172 Verwerfungsmonopol des BVerfG; BVerfGE 6, 222, 232; Sommermann in: M/K/S, Art. 20 Abs. 3 Rn. 247. 173 Stern in: BK, GG, GG, Art. 100 Rn. 11 ff. 174 BVerfGE 33, 1, 16 f.; E 33, 303, 337; E 40, 237, 248; E 48, 210, 221; E 49, 89, 126 ff.; E 77, 170, 230 f.; E 77, 381, 403; E 78, 179, 197; E 80, 137, 161; E 90, 60, 85. 175 BVerfGE 34, 165, 192 f.; E 26, 338, 366; E 84 212, 226 f.; E 88, 103, 115 ff.; Scholz in M/D/H/S, GG, Art.9 Rn. 168; Wiedemann, TVG, Einl. 310; Giesen, Rechtsgestaltung, S. 268 m. w. N. 176 Ossenbühl in: HdbStR Bd. III, § 62 Rn. 10. 177 Vgl. C.I.2.b)bb). 178 Ossenbühl in: HdbStR Bd. III, § 62 Rn. 7; Jarass/Pieroth GG, Art. 20 Rn. 29 m. w. N. 170

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entsprechend der Eingriffsintensität den Anforderungen von Messbarkeit und Voraussehbarkeit zu genügen hat. Indem die freiheitsbeschränkende Ausübung von Herrschaftsbefugnissen an einen Betätigungsakt des parlamentarischen Gesetzgebers und dessen unmittelbarer Bindung an die verfassungsmäßige Ordnung geknüpft ist, dienen beide Vorbehalte so dem Schutz der individuellen Grundrechte. d) Verhältnis Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip Die getrennte Darstellung von Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip legt den Schluss nahe, es handele sich um zwei Staatsgrundsätze, die sich in Funktion und Anforderungen klar von einander trennen und einzelne Elemente dem einen oder anderen zuordnen ließen.179 Denn im Gegensatz zum Demokratieprinzip liegt die Funktion des Rechtsstaatsprinzips nicht darin, die Ausübung staatlicher Gewalt gegenüber dem Normadressaten zu legitimieren, d.h. jede Ordnung eines Lebensbereichs durch Sätze objektiven Rechts auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückzuführen. Das Rechtsstaatsprinzip legitimiert nicht staatliche Gewalt, sondern ist auf Begrenzung und Mäßigung ausgerichtet, indem die öffentliche Gewalt in allen ihren Äußerungen durch eine klare Kompetenzordnung und Funktionentrennung rechtlich gebunden wird, um die Freiheit des Einzelnen vor Machtmissbrauch zu bewahren.180 Bei der Prüfung der Vereinbarkeit von Normsetzungsbefugnissen mit dem Grundgesetz werden Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip vom Bundesverfassungsgericht dennoch meist als Einheit behandelt. Eine klare Trennung beider Prinzipien ist nur schwer möglich, da sie eng miteinander verwoben sind. So darf der Gesetzgeber seinen Einfluss auf den Inhalt autonom gesetzter Normen nicht ganz aufgeben und hat gleichzeitig die freiheitliche Grundlage der Autonomiebereiche zu gewährleisten.181 Das Verbot, den Einfluss auf den Inhalt nicht ganz aufgeben zu dürfen, scheint auf den ersten Blick nur im Rechtsstaatsprinzip verankert zu sein. Doch der Schutz der Freiheit des Einzelnen vor Machtmissbrauch dient tatsächlich auch der Rückführbarkeit von Normsetzung auf die Willensentscheidung der Normunterworfenen. Umgekehrt dient das Erfordernis, die freiheitliche Grundlage der Autonomie zu wahren, nicht nur der Sicherung der Legitimationsgrundlage, sondern stellt auch eine Form von Herrschaftskontrolle dar. Beide Prinzipien haben also nicht nur das gleiche Ziel, sondern beziehen sich auch auf einen gemeinsamen Kern: Sie bauen beide auf der Freiheit 179 180 181

BVerfGE 33, 128, 158. Degenhart, StR I, Rn. 217. Schmidt-Aßmann in: HdbStR Bd. I, § 24 Rn. 96; Stern, StR Bd. I, S. 623.

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der Bürger auf und sind zugleich auf diese ausgerichtet.182 Das Verhältnis der beiden Prinzipien, das sich zunächst als das zwischen Verschaffung von Herrschaftsbefugnissen (Demokratieprinzip) und deren Begrenzung (Rechtsstaatsprinzip) darstellt183, wird bei näherer Betrachtung vor allem durch ihre komplementären Elemente geprägt:184 Lenkungs- und Kontrollinstrumente sind ebenso legitimationsstiftende Elemente im Sinne des Demokratieprinzips, wie die Wahrung der Individualfreiheit auch dem Schutz vor Machtmissbrauch im Rahmen des Rechtsstaatsprinzips dient.185 Eine vollkommene Synthese zwischen beiden Prinzipien liegt dennoch nicht vor.186 Während es dem Demokratieprinzip um inhaltliche Bindung geht, erfordert das Rechtsstaatsprinzip die Einhaltung der inhaltlichen Grenzen. Die Demokratie akzentuiert stärker das bewegende und gestaltende, der Rechtsstaat das beharrende und bewahrende Moment. Sie sind also in gewisser Weise gegeneinander gerichtet.187 Man könnte das Demokratieprinzip daher als Ausdruck der Übernahme der materiellen und das Rechtsstaatsprinzip als Ausdruck der formellen Verantwortlichkeit für den Inhalt von Rechtsnormen betrachten. Da aber auch die Übernahme materieller Verantwortlichkeit durch die gleiche verfahrensmäßige Absicherung wie die formeller Verantwortlichkeit erfolgt, bedienen sich Rechtsstaats- und Demokratieprinzip zur Erreichung unterschiedlicher verfassungsstaatlicher Funktionen entsprechender Mittel mit gleichen Maßstäben. Sie sind auf verschiedenen Rechtsebenen wechselseitig miteinander verschränkt.188

182 Schmidt-Aßmann in: HdbStR Bd. I, § 24 Rn. 96; Wolff in: FS für Quaritsch, S. 73, 87 ff. 183 Daher die häufig behauptete Antimonie von Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip. 184 Schmidt-Aßmann in: HdbStR Bd. I, § 24 Rn. 96. 185 So ist beispielsweise die Kontrolle der Ausübung staatlicher Befugnisse sowohl aus Gründen der Gewährleistung des Demokratieprinzips als auch aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips erforderlich. Das Kontrollerfordernis erfüllt somit zwei unterschiedliche Funktionen: Zum einen dient die Kontrolle der Sicherstellung, dass die Ausübung der Befugnis in Verwirklichung von Volkssouveränität erfolgt (Demokratieprinzip). Zum anderen ist Kontrolle notwendig, um die Einhaltung von Recht und Gesetz zu gewährleisten, also insbesondere den Einzelnen vor der unbegrenzten Verwirklichung des Mehrheitswillens zu schützen (Rechtsstaatsprinzip). So auch für den Gesetzesvorbehalt: Ossenbühl in: HdbStR Bd. III, § 62, Rn. 14. 186 Böckenförde, HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 94., Stern, StR Bd. I, S. 623. 187 Hesse, Grundzüge, Rn. 272; Wolff in: FS für Quaritsch, S. 73, 85. 188 Wolff in: FS für Quaritsch, S. 73, 92 f.

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3. Verfassungsrechtliche Anforderungen in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts In einigen zentralen Entscheidungen hat sich das Bundesverfassungsgericht mit den Zulässigkeitsanforderungen für Delegationen an Private auseinandergesetzt. a) Facharztbeschluss Ausgangspunkt zahlreicher Erörterungen zur Delegation von staatlichen Regelungsbefugnissen an Private ist der Facharztbeschluss des Bundesverfassungsgerichts.189 Unter Hinweis auf den autonomen Charakter der maßgeblichen Normen werden die strengen Begrenzungen einer Delegation, wie sie unmittelbar aus Art. 80 GG und mittelbar aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip resultieren, durchbrochen. Den Prinzipien der eigenverantwortlichen Selbstverwaltung und Autonomie, die ebenfalls im demokratischen Prinzip wurzelten und die dem freiheitlichen Charakter der sozialen Ordnung entsprächen, müsse ein genügender Spielraum bleiben.190 Dennoch dürfe sich der Gesetzgeber seiner Rechtsetzungsbefugnis nicht völlig entäußern und seinen Einfluss auf den Inhalt der zu erlassenen Normen nicht gänzlich preisgeben. Insbesondere dort, wo die Ermächtigung Eingriffe in den Grundrechtsbereich zulasse, dürften Beschränkungen der freien Selbstbestimmung des Einzelnen nur soweit erfolgen, wie es die Interessen der Allgemeinheit erfordern.191 Im Gesetzesvorbehalt sei diesen spezifischen Gefahren, die der Freiheit des Einzelnen durch die Macht gesellschaftlicher Gruppen drohten, vorzubeugen und die Interessen von Minderheiten und der Allgemeinheit zu wahren.192 Selbstverständlich müsse dabei das Verbandsrecht mit höherrangigem Recht in Übereinstimmung stehen. Die Beachtung werde durch eine als Rechtsaufsicht ausgestaltete Staatsaufsicht sowie eine Rechtsweggarantie gewährleistet.193 Das in dieser Entscheidung zum Ausdruck kommende Verständnis von staatlicher Normsetzungsdelegation an Private ist insofern bemerkenswert, als bestehende Defizite, wie sie aus dem Demokratie- und Rechtsstaatprinzip resultieren, durch das Zusammentreffen mit dem Prinzip der eigenver189 BVerfGE 33, 125 ff. Vor allem behandelt das Bundesverfassungsgericht die Verleihung von Satzungsautonomie nicht als Anerkennung autonomer Befugnisse, sondern als eine „Art von Rechtsetzungsdelegation“; vgl. Starck, NJW 1972, 1489 ff. 190 BVerfGE 33, 125 ff., 159; Nikisch, AR Bd. II, S. 54. 191 BVerfGE 33, 125, 158 f. 192 BVerfGE 33, 125, 159 f. 193 BVerfGE 33, 125, 161.

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antwortlichen Regelung von eigenen Angelegenheiten durch gesellschaftliche Gruppen kompensiert werden können. Das erforderliche Maß demokratischer Legitimation und das Bedürfnis rechtsstaatlicher Kontrolle werden durch die individuelle Beteiligung gesenkt. Gleichzeitig werden dem Gesetzgeber bei der Errichtung einer autonomen Fremdbestimmungsordnung Grenzen gesetzt. Dies gilt gleicher Maßen für die Verleihung von Satzungsgewalt wie auch für die Rechtsetzungsgewalt von Autonomieträgern überhaupt.194 b) Bergmannsversorgungsschein-Beschluss Für die Frage, welche Anforderungen durch das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip an autonome Normsetzung über den eigenen Autonomiebereich hinaus zu stellen sind, gilt der sog. „Bergmannsversorgungsschein“-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts195 als wichtigste Entscheidung.196 aa) Subjektives Delegationsverbot Augenfällig ist zunächst, dass die Delegation von Normsetzungsbefugnissen, die das Verfassungsgericht in der zu überprüfenden Norm erkannt hat, nicht an Art. 80 GG gemessen wird, sondern die Unvereinbarkeit mit dem Grundgesetz unmittelbar aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip hergeleitet wird. Dies ist insofern bedeutsam, als nach der oben dargestellten h. M.197 eine Übertragung von Normsetzungsbefugnissen an Private durch das subjektive Delegationsverbot in Art. 80 GG ausgeschlossen ist. Damit geht das Verfassungsgericht sogar über den Facharztbeschluss hinaus, in dem es nur die „Verleihung von Autonomiegewalt“198 vom Anwendungsbereich von Art. 80 GG ausgenommen hat. Bei der vorliegenden Entscheidung handelt es sich aber nicht um einen Fall der funktionellen Selbstverwaltung, sondern um eine „echte“ Delegation. 194

Vgl. a. Giesen, Rechtsgestaltung, S. 217; Waltermann, Rechtsetzung, S. 153. BVerfGE 64, 208 ff. zu § 9 Abs. 1 des Gesetzes über einen Bergmannsversorgungsschein im Land Nordrhein-Westfalen (BVSG) vom 14. April 1971 – GV.NW. S. 125; zur Neufassung: BAGE 69, 105 ff. 196 Annuß, NZA 2002, 290, 291 f.; Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 219 ff. 197 C.I.2.a)aa). 198 Vgl. BVerfGE 12, 319, 325. Nach dem hier entwickelten und dieser Arbeit im Folgenden zugrunde liegenden Verständnis handelt es sich dabei nicht um eine Form der Delegation, sondern nur um eine Anerkennung originärer Befugnisse, vgl. A.I.1.g); A.I.2.b). 195

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bb) Verhältnis von Delegation und inhaltlicher Verweisung Bedeutung erhält die Entscheidung des Weiteren durch die grundsätzlichen Aussagen über das Verhältnis von dynamischer Verweisung und Normsetzungsdelegation.199 So ist die Feststellung, dass eine dynamische Verweisung auf einen Tarifvertrag eine „Überlassung“ gesetzgeberischer Normsetzungsbefugnisse an außerstaatliche Stellen darstelle200, weniger selbstverständlich, als es dies nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts den Anschein hat. Denn rechtsformal wird durch die Verweisung in einem Gesetz auf einen Tarifvertrag diese Regelung in das verweisende Gesetz inhaltlich inkorporiert.201 Rechtsgrund wäre dann eigentlich das Gesetz, das wegen seiner parlamentarischen Herkunft im Hinblick auf das Demokratie- und Rechtsstaatsgebot grundsätzlich keinen legitimatorischen Bedenken begegnet.202 (1) Statische Verweisung Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht die Verweisung des befugten Normgebers auf fremdes, nicht von ihm formuliertes und in Kraft gesetztes Recht jedenfalls dann im Hinblick auf Bundesstaats-, Rechtsstaats- und Demokratiegebot für zulässig erachtet, wenn lediglich auf die bei Verabschiedung der Verweisungsnorm geltende Fassung Bezug genommen wird (sog. statische Verweisung).203 Diese Art der Verweisung stelle nichts anderes als eine gesetzestechnische Vereinfachung dar, da der zuständige Gesetzgeber die Möglichkeit habe, den Inhalt des in Bezug genommenen Rechts zu prüfen und sich gegebenenfalls zu eigen zu machen.204 Eine statische Verweisung ist somit keine Delegation von Normsetzungsbefugnissen, sondern ist mit der Beratung im Gesetzgebungsverfahren durch Dritte vergleichbar. (2) Dynamische Verweisung Im Gegensatz dazu führt die Verweisung auf eine Rechtsnorm „in der jeweiligen Fassung“ zu einer Dynamisierung und erfordert eine differenzierte 199

Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 221. So ausdrücklich: BVerfGE 64, 208, 214. 201 Zum Begriff: BVerwG 55, 250, 264. 202 Zum Ergebnis der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der dynamischen Verweisung kommt daher: BayVwGH, BayVBl. 1960, 321, 322 m. w. N. 203 BVerfGE 47, 285 (Leitsatz 1), 311; ebenso: BVerwG 55, 250, 264. 204 BVerfGE 47, 285, 312; E 78, 32, 36; BVerwG 55, 250, 264; Ossenbühl, DVBl. 67, 401, 402. 200

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Betrachtung. Verweisungsnormen sind eine Form der Delegation von Rechtssetzungsbefugnissen.205 Der Normgeber kennt den Inhalt möglicher Änderungen nicht und kann dagegen nur etwas unternehmen, indem er die Verweisungsvorschrift selbst abändert.206 Dabei lassen sich zwei Fallkonstellationen unterscheiden: Der Normgeber verweist auf Rechtsnormen, die in seiner eigenen Regelungsbefugnis liegen. Bei Identität der Gesetzgeber bestehen aus verfassungsrechtlicher Sicht keine Bedenken.207 Die Ausübung der Regelungsbefugnis wird letztlich im Bereich der Verweisung nur zu einem späteren Zeitpunkt (erneut) ausgeübt. Problematisch ist der Fall, in dem der parlamentarische Gesetzgeber die sog. Letztentscheidungsbefugnis auf einen (privaten) Dritten überträgt und damit den Norminhalt nicht mehr in eigener Verantwortung bestimmt.208 Derartige Auswirkungen einer dynamischen Verweisung sind zumindest bei grundrechtsrelevanten Regelungen, bei denen der Gesetzesvorbehalt eine eigenverantwortliche Prüfung durch den Gesetzgeber erfordert, verfassungsrechtlich nicht tragbar.209 Maßgeblich dafür, ob Regelungsbefugnisse tatsächlich übertragen werden, ist folglich nicht, wer den Inhalt der konkreten Regelung gestaltet, sondern wer im Einzelfall die Letztentscheidung über deren Geltungsbefehl trifft, wer also die Letztverantwortung hat.210 Damit sind dynamische Verweisungen als „Inkorporation“ einer fremden Regelung in den eigenen Rechtsetzungsprozess nicht schlechthin ausgeschlossen. Da deren Inhalt bereits im Zeitpunkt der Inkorporation im Wesentlichen feststehen muss211, fehlt es entsprechenden Regelungen jedoch an der typischen Dynamisierung.212 cc) Unzulässiger Verzicht Aus dem Bergmannsversorgungsschein-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts lassen sich für die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine dynamische Verweisung zulässig ist, nur begrenzte Schlüsse ziehen, da diese im vom Bundesverfassungsgericht zu entscheidenden Fall jedenfalls nicht erfüllt waren.213 205

Vgl. a. BAGE 44, 327, 335 ff. Ossenbühl, DVBl. 1967, 401, 403. 207 BVerfGE 26, 312, 366; E 47, 285, 347. 208 BVerfGE 78, 32, 36. 209 BVerfGE 47, 285, 317. 210 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1153; zur Differenzierung bereits: C.I.2.b)aa)(3); C.I.2.b)dd). 211 BVerfGE 64, 208, 215; E 78, 32, 36. 212 Fraglich ist indes, ob dann tatsächlich noch von einer dynamischen Verweisung gesprochen werden kann. 206

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Als Kern dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird gleichwohl die Feststellung angesehen214, dass von einem „unzulässigen Verzicht des Gesetzgebers auf seine Rechtsetzungsbefugnisse“ nur dann nicht die Rede sein könne, „soweit der Inhalt der tarifvertraglichen Regelungen, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im wesentlichen feststeht“.215 Im Wesentlichen feststehen muss also nicht – wie nach der Wesentlichkeitstheorie – der Inhalt der gesetzlichen Regelung216, sondern der der tarifvertraglichen Regelung, auf die verwiesen wird. In § 9 Abs. 1 Satz 1 BVSG wird dagegen auf Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung verwiesen, also auch auf solche, die noch gar nicht abgeschlossen sind und damit noch gar nicht im Wesentlichen feststehen können. Es handelt sich somit um die Frage der Abgrenzung zwischen statischer und dynamischer Verweisung. Diese Deutung wird zwar aus dem zitierten Satz allein nicht zwingend deutlich, folgt aber aus der Entscheidung, auf die das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang verweist.217 213

Scholz in: FS für Müller, S. 509, 523. Der Leitsatz der Entscheidung („Zu den verfassungsmäßigen Grenzen einer dynamischen Verweisung . . .“, BVerfGE 64, 208) ist somit missverständlich, soweit er suggeriert, der Entscheidung seien konkrete Grenzen einer dynamischen Verweisung zu entnehmen. Deutlich wird lediglich, wann der dynamische Charakter einer Verweisung hinter ihrem statischen in den Hintergrund gerät, nämlich dann, wenn die Norm auf die verwiesen wird, im Wesentlichen feststeht. 214 So: Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung, S. 222; ähnlich allerdings mit entgegengesetzem Ergebnis für § 3 BetrVG: Annuß, NZA 2002, 290, 291; Friese, ZfA 2003, 237, 248. 215 BVerfGE 64, 203, 215. 216 Annuß (NZA 2002, 290, 291) stellt dagegen auf die Bestimmtheit der gesetzlichen Regelung ab. 217 BVerfGE 26, 338, 366, 367; In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Eisenbahnkreuzungsgesetz geht es um die Verfassungsmäßigkeit des EKrG (Eisenbahnkreuzungsgesetz vom 14. August 1963 BGBl. I, S. 681), das als Rechtsgrundlage für Maßnahmen zur Änderungen von Kreuzungen mit Schienenwegen der damaligen Bundesbahn diente. In § 9 Abs. 1 EKrG wurde dabei zur Durchführung der Maßnahmen auf das Planfeststellungsverfahren verwiesen, wobei die Anordnungsbehörde bestimmte, nach welchem der für die Beteiligten geltenden Verfahren der Plan festzustellen ist. Gegen diese Verweisung auf in anderen Bundesund Landesgesetzen enthaltenen Vorschriften zur Planfeststellung hat das Bundesverfassungsgericht keine rechtsstaatlichen Bedenken erhoben. Legitimatorische Bedenken wurden nicht erörtert, da die demokratische Legitimation von Delegant (Bundesgesetzgeber) und Delegatar (Landesgesetzgeber) außer Frage stand. Zwar werde damit auch auf landesgesetzliche Verfahrensvorschriften in ihrer jeweiligen Fassung verwiesen, die damit auch jederzeit abänderbar seien. Diese Regelungen seien indes vom jeweils zuständigen Bundes- bzw. Landesgesetzgeber im Wesentlichen gleich ausgestaltet, wobei sich Unterschiede nur in minder wichtigen Einzelheiten ergeben könnten, die den Kern des Rechtsinstituts „Eisenbahn- und straßenbaurechtliche Planfeststellung“ unberührt ließen. Die Entscheidung betrifft also die Frage, ob in dem geringen Spielraum, den der Landesgesetzgeber bei der Gestaltung

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Nur wenn auf eine im Wesentlichen feststehende Regelung verwiesen wird, liegt also eine „Inkorporation“ einer fremden Regelung in den eigenen Rechtsetzungsprozess des Gesetzgebers im Sinne einer statischen Verweisung vor. Wird auf zukünftige, noch nicht existente Regelungen verwiesen, kann die Letztentscheidung dagegen nicht beim Gesetzgeber liegen. dd) Allgemeinverbindlicherklärung als zulässige Außenseitererstreckung Schließlich stellt das Bundesverfassungsgericht unmissverständlich klar, dass die tarifautonome Normsetzung nur gegenüber den Verbandsmitgliedern möglich ist. Für eine Erstreckung auf Nichtmitglieder bedarf es einer staatlichen Stelle. Dazu stehe das Rechtsinstitut der Allgemeinverbindlicherklärung zur Verfügung.218 Letztendlich ist dem Urteil daher noch nicht einmal zu entnehmen, ob über die Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung hinaus überhaupt tarifautonome Normen auf Außenseiter erstreckt werden können. c) Allgemeinverbindlicherklärungs-Beschluss Bedeutsam für die Frage der Zulässigkeit der Delegation von Normsetzungsbefugnissen ist vor allem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vereinbarkeit der Allgemeinverbindlicherklärung mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip.219 Auf den ersten Blick scheint die Einordnung der Rechtsnatur der Allgemeinverbindlicherklärung als ein im Verhältnis zu den nicht tarifgebundenen Arbeitgebern und Arbeitnehmern selbstständiger staatlicher Normsetzungsakt eigener Art220 für die Frage nach der Zulässigkeit einer Delegation wenig ergiebig, weil die Letztverantwortung gerade beim demokratisch legitimierten Staatsorgan verbleibt. Allerdings besteht bereits dann ein Bedürfnis nach demokratischer Legitimation von gesellschaftlichen Interessenvertretern, wenn sich deren Teilhabe zur Mitentscheidung verdichtet.221 Im Fall der Allgemeinverbindlicherkläder landesgesetzlichen Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren genießt, die bundesgesetzliche Regelung in § 9 Abs. 1 EKrG soweit in den Hintergrund tritt, dass bereits von einer dynamischen oder noch von einer statischen Verweisung gesprochen werden kann. Die Abänderungsmöglichkeit von minder wichtigen Einzelheiten steht einer Letztentscheidung des Staates durch Inkorporation also nicht entgegen (BVerfGE 26, 338, 366, 367). Man könnte dies auch als „statische Verweisung mit dynamischen Elementen“ bezeichnen. 218 Vgl. BVerfGE 64, 208, 215. 219 BVerfGE 44, 322 ff. 220 BVerfGE 44, 322, 340.

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rung besitzt der staatliche Normgeber keinen Einfluss auf den Norminhalt, sondern ist bei seiner Normsetzung weitgehend abhängig „vom Willen außerstaatlicher, demokratisch nicht legitimierter und parlamentarisch nicht verantwortlicher Gruppierungen“.222 Das Bundesverfassungsgericht betont, dass die tarifvertragliche Normsetzungsbefugnis mit der staatlichen verschränkt ist, indem das Schwergewicht der inhaltlichen Gestaltung der Normen und der „Gesetzgebungsinitiative“ eindeutig bei den Tarifparteien“ liegt.223 Grundsätzlich wird dadurch ein Bedürfnis nach demokratischer Legitimation ausgelöst, das auch dann besteht, wenn einem übergeordneten, demokratisch legitimierten Organ umfassende Ingerenzrechte zustehen.224 Derartige Letztverantwortungsrechte führen nur dazu, dass geringere Anforderungen an die Legitimation zu stellen sind. Für allgemeinverbindlich erklärte Tarifverträge beruhen damit auf zwei unterschiedlichen Rechtsgrundlagen. Die Zuständigkeit für tarifvertragliche Regelungen liegt bei den Tarifvertragsparteien und beruht jedenfalls im Verhältnis zu den Koalitionsmitgliedern auf autonomer Regelungsgrundlage. Die Kompetenz, diese Normen auf Außenseiter zu erstrecken, hat der Minister für Arbeit (und Sozialordnung) als demokratisch legitimiertes Staatsorgan. Entsprechend sichert die Allgemeinverbindlicherklärung nicht nur den Außenseitern angemessene Arbeitsbedingungen, sondern verfolgt auch das Ziel, die in Art. 9 Abs. 3 GG intendierte autonome Ordnung des Arbeitslebens durch die Koalitionen zu schützen, indem sie den Tarifnormen zu größerer Durchsetzungskraft verhilft.225 Die Zuständigkeit der Tarifvertragsparteien, unter Mitwirkung staatlicher Stellen auch gegenüber Außenseitern Rechtsnormen zu setzen, resultiert also aus ihren eigenen Autonomiebefugnissen und dient letztlich der Effektivität ihrer mitgliedschaftlichen Normsetzung. Sie stellt somit als Teil der Garantie der Koalitionsbetätigung eine Art „Annex-Zuständigkeit“ dar und erweist sich als eine Mischform aus autonomer und staatlicher Normsetzung, indem den Tarifvertragsparteien die Regelungszuständigkeit für die Außenseiter übertragen wird, ohne allerdings damit die umfassende Außenseiter-Kompetenz anzuerkennen. Das Bundesverfassungsgericht stellt in der Entscheidung zur Allgemeinverbindlicherklärung darüber hinaus unmissverständlich klar, dass die Tarifvertragsparteien gegenüber den Außenseitern, auf die der Tarifvertrag erstreckt werden soll, gerade nicht demokratisch legitimiert und auch nicht verantwortlich sind. In dem Spannungsfeld von autonomer Normsetzung 221 222 223 224 225

BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE BVerfGE

83, 44, 44, 83, 44,

60, 74; C.I.2.b)aa)(3). 322, 343. 322, 343. 60, 73 f. 322, 342.

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und den Anforderungen aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip stellt die Allgemeinverbindlicherklärung einen Ausgleich zwischen Art. 20 Abs. 2 GG und Art. 9 Abs. 3 GG dar. Für die Entscheidung, dass die Allgemeinverbindlicherklärung dennoch nicht gegen das Rechtsstaats- und Demokratieprinzip verstößt, werden zwei Umstände angeführt. Einerseits ist die Allgemeinverbindlicherklärung und die damit verbundene Durchsetzung der Kartellwirkung des Tarifvertrages nicht uneingeschränkt, sondern nur unter bestimmten, gesetzlich festgelegten Voraussetzungen zulässig. Andererseits müssen diese Voraussetzungen einen effektiven Einfluss des Gesetzgebers auf den Inhalt der Normen gewährleisten. Indem der Arbeitsminister nach eigenem pflichtgemäßem Ermessen entscheiden kann, bleibt das „Ob“ der Geltungserstreckung seiner Entscheidung vorbehalten. Entscheidend ist, dass mit § 5 TVG die Allgemeinverbindlicherklärung von strengen Bedingungen des Gesetzgebers abhängig gemacht wird. Dabei hat der Minister neben den öffentlichen Interessen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 TVG) auch die der Außenseiter zu wahren.226 Deren Rechte sind verfahrensrechtlich gesondert abgesichert (§ 5 Abs. 2 TVG). Die besonderen Anforderungen an die Publikation haben dabei allgemein rechtsstaatlichen Erfordernissen zu genügen.227 Zur Wahrung des Bestimmtheitsgebotes muss die Allgemeinverbindlicherklärung insbesondere klar erkennen lassen, auf welche Vorschriften im Einzelnen verwiesen wird.228 Nur so sind „allgemeinverbindliche Tarifnormen gegenüber den Außenseitern durch die staatliche Mitwirkung noch ausreichend demokratisch legitimiert“.229

4. Schlussfolgerungen a) Legitimation und Legitimität delegierter Normsetzung durch Private Der Staat darf seine Normsetzungsbefugnisse nicht beliebig delegieren und sie jeder beliebigen Institution überantworten ohne Vorsorge gegen Machtmissbrauch zu treffen.230 Einschränkungen der Freiheit – soweit überhaupt zulässig – müssen aufgrund staatlicher Gesetze erfolgen.231Auch die 226

BVerfGE 44, 322, 348. BVerfGE 44, 322, 350. 228 BVerfGE 44, 322, 350 f. Diesen Aspekt hat das Bundesverfassungsgericht vor allem im Bergmannsversorgungsschein-Beschluss in den Vordergrund gestellt, darin allerdings wegen der dynamischen Verweisung einen Verstoß gegen das Demokratieund Rechtsstaatsprinzip gesehen; siehe: C.I.3.b)bb)(2). 229 BVerfGE 44, 322, 347. 230 Papier, RdA 1989, 137, 142. 231 BVerfGE 33, 135, 158; E 64, 208, 214 f. 227

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C. § 3 Abs. 1 BetrVG als Legitimations- und Legitimitätsproblem

Ausübung von an Dritte delegierten Befugnissen muss messbar und vorausberechenbar sein.232 Wegen dieser Freiheitsrelevanz ist der Staat in die Pflicht genommen und darf seiner Verantwortung zur Wahrung der Grundordnung auch bei einer Delegation nicht entfliehen.233 Lediglich der rechtsstaatliche Gewaltenteilungsgrundsatz ist davon auszunehmen, da es sich bei der Ausübung delegierter Gewalt durch Private gerade nicht um eine Verlagerung der „Rechtsetzungsbefugnis innerhalb der Legislative“ handelt.234 Mit der Delegation korrespondiert eine rechtsstaatlichen Anforderungen genügende Staatsaufsicht zur Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundordnung.235 An der unmittelbaren Bindung der Exekutive an Gesetz und Recht, der zusätzliche legitimatorische Wirkung zukommt236, fehlt es bei der Delegation an Private gerade. Das Fehlen dieses Elements demokratischer Legitimation erfordert zur Erreichung eines ausreichenden Legitimationsniveaus die Kompensation durch eine stärkere Ausprägung anderer Instrumente. Insbesondere die Anforderungen an die Bestimmheit der Delegationsnorm sowie die repressive Kontrolle der Normsetzung unterliegen höhereren Anforderungen. Auch aus rechtsstaatlichen Erwägungen ist eine eindeutige Zurechenbarkeit der Verantwortung unerlässlich.237 Die Feststellung, dass es das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip nicht grundsätzlich ausschließt, Normsetzungsbefugnisse an Dritte zu delegieren, bedeutet nicht, dass anstelle des Gesamtstaatsvolkes einer durch örtlichen Bezug verbundenen, gesetzlich gebildeten kleineren Gesamtheit von Staatsbürgern beliebig Legitimationskraft zuzugestehen ist. Demokratische Teilhabe ist keine Betroffenheitspartizipation.238 Dies würde eine Ausgliederung aus der einheitlichen Staatsgewalt unter Umgehung des Staatsvolkes und des Parlaments bedeuten239 und einer Relativierung bzw. Subjektivierung des demokratischen Prinzips Vorschub leisten. Aus rechtsstaatlichen und demokratischen Gründen stellt das Bundesverfassungsgericht an die Ausübung von Staatsgewalt bei Verweisungen auf private Rechtsnormen strenge Anforderungen. Regelmäßig sind solche Verweisungen nur in Form der statischen Verweisung zulässig. Dynamische 232 BVerfGE 21, 54, 73, 79; E 21, 245, 261; E 25, 269, 285; E 26, 41, 42; E 31, 255, 264; C.I.2.c)bb). 233 A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 89. 234 BVerfGE 21, 54, 62 f.; E 32, 346, 360 f.; E 44, 322, 349; Mennacher, Hoheitsträger des Privatrechts, S. 102 f.; kritisch: Biberacher, Betriebliche Rechtssetzungsmacht, S. 70; Starck, NJW 1972, 1489, 1490. 235 BVerfGE 33, 125, 160; Wiedemann, RdA 1969, 321, 331. 236 Vgl. oben: C.I.2.b)bb). 237 Sommermann in: M/K/S, GG, Art. 20 Abs. 3 Rn. 290. 238 Schmitt-Glaeser, VVDStRL 31, S. 179, 227. 239 BVerfGE 83, 50, 74 f.

I. § 3 Abs. 1 BetrVG als Delegation staatlicher Normsetzung

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Verweisungen, die einer Delegation von Normsetzungsbefugnissen gleichzustellen sind, werden zwar nicht von vornherein ausgeschlossen. Jedoch ist selbst bei bloßen Mitentscheidungsbefugnissen eine demokratische Legitimation des Empfängers der Befugnisse auch dann erforderlich, wenn die Zuständigkeit auf einen eng umgrenzten, wenig bedeutsamen Bereich gerichtet ist und dem übergeordneten Organ umfassende Evokations- und Letztverantwortungsrechte zustehen. Eine Delegation von Normsetzungsbefugnissen an Private, die sonst nicht weiter demokratisch legitimiert sind, ist grundsätzlich nicht möglich. b) Kompensationslehre und Grundrechtskollision Dieser Grundsatz wird durchbrochen, wenn das Erfordernis strikter Legitimation und rechtsstaatlicher Kontrolle mit verfassungsrechtlich geschützten tarifautonomen Normsetzungsbefugnissen kollidiert. In diesem Fall ist ein Ausgleich zwischen diesen beiden Positionen zu finden. Einerseits darf das tarifautonome Betätigungsrecht nicht zu stark reduziert werden, andererseits ist den verfassungsrechtlichen Geboten der normunterworfenen Außenseiter dadurch Rechnung zu tragen, dass deren Interessen in dem Entscheidungsfindungsprozess Berücksichtigung finden. Bei der Delegation von Normsetzungsbefugnissen an die Tarifvertragsparteien kollidieren zwei Grundprinzipien, die scheinbar nicht miteinander in Einklang gebracht werden können: Bei der Ausübung von delegierten Normsetzungsbefugnissen durch die privaten Koalitionen handelt es sich um Ausübung von Staatsgewalt, die grundsätzlich eine umfassende und lückenlose demokratische Legitimation erfordert.240 Andererseits gibt der Staat mit der Delegation an die Tarifpartner bewusst seine Steuerungsmöglichkeiten auf, um einen Teil der Betriebsverfassung als Teil der Tarifautonomie zur eigenverantwortlichen Selbstbestimmung der Koalitionen auszugestalten. Zunächst ist zu berücksichtigen, dass Grundrechte weniger feststehende Regeln, als vielmehr „Optimierungsgebote“ sind.241 Die Anforderungen, die aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsgebot resultieren, stellen keine festen, verfassungsrechtlichen Determinanten dar, sondern beschreiben eine normative Tendenz auf Optimierung und sind damit einer umfassenden Ab240

Dies im Übrigen auch gegenüber den eigenen Mitgliedern, da eine autonome Legitimation die demokratische Legitimation nicht ersetzen kann, C.I.2.b)aa)(2). Auch im Hinblick auf Art. 80 Abs. 1 GG setzt eine staatliche Delegation daher grundsätzlich ein System staatlicher Rechtsaufsicht voraus; vgl. Richardi, Kollektivgewalt, S. 214 f. 241 Eingehend: Alexy, Grundrechte, S. 75 f.

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C. § 3 Abs. 1 BetrVG als Legitimations- und Legitimitätsproblem

wägung zugänglich.242 Eine verfassungsinterne Kollisionssystematik, nach der einzelne Verfassungsgüter durch Abwägung zueinander in Relation zu setzen sind, geht auf das Lüth-Urteil des Bundesverfassungsgerichts243 zurück. Der Güterabwägungsgedanke ist mittlerweile als verfassungsimmanentes Grundprinzip anerkannt244 und wird im Gebot zur Herstellung praktischer Konkordanz weiter konkretisiert: Beschränkungen der einen Position zu Lasten der konkurrierenden sind nur zulässig, wenn dies zur Erreichung des von beiden Positionen verfolgten Zwecks verhältnismäßig ist.245 Beiden Grundrechtspositionen muss zu „möglichst optimaler Wirksamkeit“246 verholfen werden. Kein Rechtsgut darf auf Kosten eines anderen „verabsolutiert“ werden.247 Der Gedanke der Kompensation von Legitimationsdefiziten ist der verfassungsrechtlichen Grundrechtstheorie nicht fremd, sondern lässt sich in zahlreichen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts nachweisen.248 So genügt es zur Wahrung der Anforderungen ausreichender demokratischer Legitimation bei der Ausübung staatlicher Gewalt, dass ein bestimmtes Legitimationsniveau erreicht wird.249 Kommt den Aufgaben ein besonders geringer Entscheidungsgehalt zu, so ist dafür eine demokratische Legitimation ausreichend, bei der einzelne Elemente zurücktreten.250 Es existiert kein unverzichtbares Instrument zur Vermittlung demokratischer Legitimation, entscheidend ist nur die Effektivität zur Erreichung eines bestimmten Legitimationsniveaus.251

II. § 3 BetrVG zwischen Koalitionsfreiheit, Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip Im Folgenden wird § 3 Abs. 1 BetrVG daraufhin untersucht, ob die darin liegende Ausgestaltung der Koalitionsbetätigungsfreiheit im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung die unverzichtbaren Gebote von Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip angemessen berücksichtigt. 242

Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22, Rn. 22; zuletzt in: BVerfGE 107, 59,

88 ff. 243

BVerfGE 7, 198, 204 ff., 215; vgl. a. BVerfGE 35, 79, 114. Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 226 f. 245 Schlink, Abwägung, S. 215. 246 Hesse, Grundzüge, Rn. 71. 247 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 31 ff. 248 BVerfGE 33, 125, 158 f.; E 83, 130, 150; E 89, 155, 182; E 93, 37, 67. 249 Böckenförde, HdbStR Bd. I, § 22 RdNr. 23; vgl. C.I.2.b)dd). 250 BVerfGE 83, 130, 150; sog. „Substitutionskonzept“, vgl. Mayen, DÖV 2004, 45, 48. 251 Mayen, DÖV, 2004, 45, 48. 244

II. § 3 BetrVG zwischen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip

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1. § 3 BetrVG als betriebsverfassungsrechtlicher Delegationsakt Fraglich ist zunächst, ob die gesetzliche Organisation der Betriebsverfassung durch § 3 Abs. 1 BetrVG tatsächlich zur Disposition der Tarifvertragsparteien gestellt252 und ihnen die entsprechenden Normsetzungsbefugnisse übertragen werden oder ob die Regelungsbefugnis nicht vielmehr vom staatlichen Gesetzgeber bereits ausgeübt worden ist. a) § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG als „im Wesentlichen bestimmte“ Regelung Teilweise wird der Rechtsnormcharakter von Regelungen nach § 3 Abs. 1 BetrVG zwar nicht in Frage gestellt, aber § 3 BetrVG als „durch das Gesetz im Wesentlichen vorgezeichnete“ Regelung erachtet.253 Mit der Zweckbindung in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG seien die Tarifvertragsparteien nicht gänzlich frei, sondern an die zum Ausdruck gebrachten Grundwertungen des Gesetzgebers gebunden. Die fehlende tatbestandliche Schärfe könne durch den Verweis auf das materielle Betriebsverfassungsrecht als Bezugspunkt einer Rechtskontrolle ausgeglichen werden. Allgemein wird angesichts der Komplexität in Zweifel gezogen, ob den Tarifparteien überhaupt ein Beurteilungsspielraum zustehe. Die Aufgabe der Tarifvertragsparteien würde sich damit darin erschöpfen, den gesetzgeberischen Willen zu vollziehen. Tarifverträge nach § 3 BetrVG wären danach norminterpretierende254 bzw. -konkretisierende Regelungen, die nicht den Anforderungen unterliegen, wie sie aus dem Rechtsstaats- und Demokratieprinzip für die Übertragung von selbstständigen Normsetzungsbefugnissen resultieren.255 Gegen eine solche Auslegung von § 3 BetrVG sprechen bereits die erheblichen Spielräume, die der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien – vor allem in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG256 – zur Gestaltung der Betriebsorganisa252

Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 8 ff., 11. Annuß, NZA 2002, 290, 291 f. 254 So sind norminterpretierende Normen mit materiell-rechtlichem Inhalt „Gegenstand, aber nicht Maßstab richterlicher Kontrolle“; vgl. BVerfGE 78, 214, 227. 255 Beispiel für unselbstständige Rechtsakte sind die Grenzwerte der TA Luft, die als Normen privaten Ursprungs für die Auslegung beispielsweise des unbestimmten Rechtsbegriffes der „schädlichen Umwelteinwirkungen“ (§ 1 BimschG) für die Verwaltunsgerichte innerhalb der von der Norm gesetzten Grenzen trotz ihres dynamischen Charakters verbindlich sind (BVerwG 72, 300, 320). Trotz dieser Verbindlichkeit beruht die Wirkung dennoch ausschließlich auf den jeweiligen Normen des BImSchG und unterscheidet sich dadurch von § 7 BImSchG, mit dem der Gesetzgeber eine spezielle Ermächtigungsgrundlage geschaffen hat (Breuer, NVwZ 1988, 104 ff. m. w. N.). 253

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C. § 3 Abs. 1 BetrVG als Legitimations- und Legitimitätsproblem

tion übertragen hat. Gerade die Bindung der Interessenvertretung an die Zweckmäßigkeit ist einer richterlichen Kontrolle nur in eingeschränktem Rahmen zugänglich.257 Angesichts der Unbestimmtheit des Beurteilungsmaßstabes begegnet die richterliche Kontrolle tariflicher Zweckmäßigkeitserwägungen rechtsstaatlichen Bedenken258 und bedarf einer institutionellen und prozeduralen Vorkehrung zur Gewährleistung eines hohen Rationalitätsgehalts des Entscheidungsverfahrens.259 Ohne eigenen Beurteilungsspielraum wäre den Tarifvertragsparteien jegliche Möglichkeit genommen, die Interessen der Belegschaft bzw. die ihrer Mitglieder in die Gestaltung einfließen zu lassen. Der Tarifvertrag als Gestaltungsmittel zum Ausgleich widerstreitender Interessen wäre seiner Hauptfunktion – inhaltliche Richtigkeitsgewähr als Voraussetzung für den Verzicht auf eine staatliche Inhaltskontrolle260 – vollkommen beraubt. Nach dem Bergmannsversorgungsschein-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts ist aber vor allem nur dann nicht von einem „unzulässigen Verzicht“ des staatlichen Gesetzgebers auszugehen, wenn die Norm, auf die verwiesen wird, im Wesentlichen bestimmt ist.261 Es handelt sich vorliegend aber noch nicht einmal um eine dynamische Verweisung, da die Tarifverträge, auf die verwiesen wird, abgeschlossen werden müssen.262 Die inhaltliche Bestimmtheit der verweisenden Norm (§ 3 BetrVG) ist für diese Entscheidung unerheblich. b) Inkorporation der tarifvertraglichen Regelung durch § 3 Abs. 5 BetrVG § 3 BetrVG verweist in Abs. 5 auf die nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG gebildete betriebsverfassungsrechtliche Organisationseinheit, die als „Betrieb“ im Sinne des BetrVG gilt. Das wirft die Frage auf, ob damit § 3 BetrVG tatsächlich eine Normsetzungsbefugnis überträgt. 256

Vgl.: B.II.6. Vgl.: B.II.6. 258 Zur Legitimationswirkung der richterlichen Kontrolle: C.I.2.b)cc). 259 Sommermann in: M/K/S, GG, Art. 20 Abs. 2 Rn. 179. 260 Vgl. Schlodder, Arbeitsvertrag, S. 209 ff.; siehe dazu: A.I.2.c)aa). 261 BVerfGE 26, 338, 366 f.; E 64, 208 ff.; nur dann ist von einer zulässigen statischen in Abgrenzung zu einer unzulässigen dynamischen Verweisung auszugehen, (statische Verweisung mit dynamischen Elementen), vgl. C.I.3.b)bb). 262 Aus diesem Grund ist es auch bei eine Allgemeinverbindlicherklärung nur möglich, statische Tarifverträge für allgmeienverbindlich zu erklären. Obwohl in diesem Fall der entsprechende Tarifvertrag als Bezugspunkt existiert, würde eine dynamische Verweisung gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip verstoßen, da der Staat nicht mehr die Verantwortung für den Inhalt der Regelung übernehmen kann; vgl. Löwisch/Rieble, § 5 Rn. 49. 257

II. § 3 BetrVG zwischen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip

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Möglicherweise hat der demokratisch legitimierte Gesetzgeber lediglich fremdes Recht als gesetzestechnische Vereinfachung in den eigenen gesetzgeberischen Rechtsschöpfungsprozess inkorporiert. Eine solche statische Verweisung wäre im Hinblick auf Bundesstaats-, Rechtsstaats- und Demokratiegebot nicht zu beanstanden.263 Wie sich aus dem Wortlaut von § 3 Abs. 1 BetrVG ergibt, ist Geltungsgrund für eine abweichende Organisationsstruktur nicht § 3 BetrVG selbst, sondern der auf seiner Grundlage vereinbarte Tarifvertrag.264 Den Tarifvertragsparteien wird die Befugnis eingeräumt, unmittelbar eine alternative betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstruktur zu vereinbaren. § 3 BetrVG ist also gerade nicht eine bloße Inkorporation fremd formulierten und in Kraft gesetzten Rechts.265 Auch wird nicht auf eine im Wesentlichen feststehende tarifvertragliche Regelung verwiesen266, bei der alle denkbaren Gestaltungsräume „durch das Gesetz im Wesentlichen vorgezeichnet“ sind.267 Entscheidend ist allein die Letztentscheidungskompetenz.268 Im Hinblick auf die großen Beurteilungs- und Gestaltungsspielräume der Tarifpartner bei der Gestaltung lässt sich schwerlich von einer bloßen „Normausfüllungskompetenz“ sprechen.269 Letztendlich würde aber auch die Annahme einer Normausfüllungskompetenz nichts am Letztentscheidungscharakter eines entsprechenden Tarifvertrages und damit am Vorliegen einer Delegation ändern. Auch die Bindung der Ausübung von Kompetenzen an bestimmte Bedingungen nimmt einer Regelungsbefugnis nicht ihren Delegationscharakter. Bei § 3 BetrVG behält die maßgebliche Letztverantwortung270 aber gerade nicht der Staat als demokratisch legitimierter Normgeber, sondern sie wird bewusst den Tarifvertragsparteien übertragen.

263

Vgl. dazu: C.I.3.b)bb)(1). An dieser Wertung ändert auch die Betriebsfiktion in § 3 Abs. 5 BetrVG nichts. Denn anders als z. B. in § 1 Abs. 1 BetrVG, in dem mit dem Betrieb an einen allgemeinen Rechtsbegriff angeknüpft wird (Richardi, BetrVG, § 1 Rn. 16), der einer gewissen Wandelbarkeit aufgrund unternehmerischer Entscheidungen unterliegt, verweist § 3 Abs. 1 BetrVG nicht auf einen allgemeinen Rechtsbegriff, sondern ordnet die unmittelbare Gestaltungswirkung eines entsprechenden Tarifvertrages an. 265 So zur Annahme einer statischen Verweisung: BVerfGE 47, 285 (Leitsatz 1), 311; ebenso: BVerwGE 55, 250, 264. 266 BVerfGE 64, 203, 215. 267 So aber: Annuß, NZA 2002, 290, 291 f.; Friese, ZfA 2003, 237, 248 f. 268 Vgl. C.I.2.b)aa)(3) und C.I.3.b)bb). 269 So aber: Trümner in: D/K/K, § 3 Rn. 85. 270 Vgl. o. C.I.2.b)aa)(3). 264

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2. Eingriff in den Schutzbereich von Artt. 20 Abs. 1 und 2, Abs. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG Mit der Einräumung umfassender Befugnisse im Rahmen der Betriebsverfassung hat der Gesetzgeber einen Ausgleich zwischen Sozialstaatsprinzip und Koalitionsfreiheit gefunden, der die Wertungen von Art. 9 Abs. 3 GG ausreichend berücksichtigt. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf die mit § 3 BetrVG verbundene Delegation von Normsetzungsbefugnissen gegenüber den Außenseitern. Dabei ist vor allem fraglich, ob das Demokratie- und Rechtsstaatsgebot ausreichend berücksichtigt wird.271 So gelten die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Demokratieprinzips (Art. 20 Abs. 1 und 2 GG)272 und des Rechtsstaatsgebots (Artt. 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG)273 grundsätzlich auch bzw. gerade dann, wenn staatliche Normsetzungsbefugnisse an Private delegiert werden. Danach muss die inhaltliche Verantwortbarkeit des parlamentarischen Gesetzgebers grundsätzlich gewährleistet bleiben, um einerseits die Herrschaftsausübung demokratisch zu legitimieren274 und andererseits einem Machtmissbrauch vorzubeugen sowie die inhaltliche Grundordnung zu wahren.275 b) Staatliche Letztverantwortung durch Lenkungs- bzw. Kontrollinstrumente Wenn aber die Tarifvertragsparteien unmittelbare Normgebungsbefugnisse besitzen, müssen sie ihrerseits die entsprechende demokratische Legitimation aufweisen. Da im demokratischen Staat alle Staatsgewalt auf das Staatsvolk zurückgehen muss, kann dies bei der Delegation staatlicher Normsetzungsbefugnisse nur dergestalt erfolgen, dass der staatliche Gesetzgeber dem privaten Normgeber seine Legitimation durch Lenkungs- bzw. Kontrollinstrumente vermittelt, damit er die inhaltliche Verantwortung übernehmen kann. Abgesehen von den gerade in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG sehr unbestimmten Vorgaben, die für eine nach § 3 Abs. 1 BetrVG vereinbarte Organisationsstruktur vorgesehen sind, enthält § 3 BetrVG – anders als § 3 BetrVG 1972 – keinerlei Ingerenz- oder konkrete Letztentscheidungsrechte 271 Eine individuelle Grundrechtsverletzung ergibt sich in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG (BVerfGE 64, 208, 214). 272 Siehe unter C.I.2.b). 273 Siehe unter C.I.2.c). 274 BVerfGE 47, 253, 273; vgl. C.I.2.b)aa)(1). 275 BVerfGE 33, 135, 158; E 64, 208, 214 f.; Bauer, Rechtsstellung, S. 125; Papier, RdA 1989, 137, 142; A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 89; Zöllner, Rechtsnatur, S. 22; vgl. C.I.2.c)aa).

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eines Staatsorgans. Die Letztverantwortung liegt daher nahezu ausschließlich bei den Tarifvertragsparteien. c) Legitimationsdefizit der Tarifvertragsparteien gegenüber Außenseitern Die Mitgliedschaft ist für die tarifautonomen Regelungsbefugnisse nach der gesetzgeberischen Ausgestaltung die einzige legitimatorische Voraussetzung ihrer Anerkennung.276 Die Tarifvertragsparteien verfügen daher gegenüber den Außenseitern über keinerlei Legitimation.277 Auch auf dem Gebiet der Betriebsverfassung fehlt es an einer zusätzlichen legitimatorischen Rechtfertigung, die dieses Legitimationsdefizit ausgleichen könnte.278 Das Fehlen einer entsprechenden autonomen und demokratischen Legitimation im Verhältnis zu den normunterworfenen Außenseitern ist dabei in erster Linie ein Problem des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips, auch wenn diese Frage oftmals auf den Konflikt zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit reduziert wird.279 Noch vor dem materialen Grundrechtsschutz geht es darum, dem Einzelnen ein Minimum an Freiheitsschutz zu gewährleisten. Durch die Übertragung delegierter Normsetzungsbefugnisse für Außenseiter wird unmittelbar in die allgemeine Handlungsfreiheit des Außenseiters in Verbindung mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip eingegriffen, Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Artt. 20 Abs. 1, Abs. 2, 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG.

3. Rechtfertigung Grundsätzlich wird der Eingriff in das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip bei einer Übertragung von Normsetzungsbefugnissen an einen beliebigen Dritten nicht zu begründen sein, da es zur entsprechenden Rechtfertigung an der erforderlichen Notwendigkeit im Interesse anderer Rechtsgüter von Verfassungsrang fehlt. Vorliegend erfolgt die Delegation aber nicht an einen beliebigen Dritten, sondern an die Tarifvertragsparteien. Ohne einen gewissen Einfluss der Tarifpartner auf die gesetzliche Betriebsverfassung würde das BetrVG einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Koalitionsfreiheit darstellen. Dennoch rechtfertigt dies allein nicht jegliche Verletzung anderer Verfassungsgebote. Vielmehr sind die kollidierenden Grundrechtspositionen gemäß der Kom276 277 278 279

Richardi in: FS für Wißmann, S. 159, 172; eingehend dazu: A.I.3.c)cc). BVerfGE 44, 322, 343; E 64, 203, 215; eingehend dazu unter A.I.3.c)cc). Vgl. o. A.I.3.c)cc)(3). Schwarze, Betriebsrat, S. 160.

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pensationslehre gegenseitig zu optimieren280 und Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip sowie Koalitionsfreiheit in Ausgleich zu bringen.281 a) Koalitionsbetätigungsfreiheit als Abwägungsposition Bei der Abwägung der Koalitionsfreiheit mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ist zunächst zu beachten, dass das eigentliche Betätigungsfeld der Gewerkschaften282 in der Vereinbarung der materiellen Arbeitsbedingungen liegt, also der Bedingungen, die grundsätzlich auch individualvertraglich geregelt werden.283 Betriebsverfassungsrechtliche Normsetzungsbefugnisse sind wegen ihres nur mittelbaren Bezuges zum Arbeitsverhältnis gegenüber dem eigentlichen Betätigungsfeld der Gewerkschaften284 weit weniger schutzwürdig.285 Diese Abstufung des Schutzes von Art. 9 Abs. 3 GG wirkt sich in den Anforderungen aus, die an die Rechtfertigung von Eingriffen zu stellen sind. Je weniger gewichtig der Schutz ist, den Art. 9 Abs. 3 GG verleiht, desto geringer sind die Anforderungen, die an die Eingriffsrechtfertigung zu stellen sind.286 Weiter ist zu berücksichtigen, dass die tarifautonomen Regelungsbefugnisse für betriebsverfassungsrechtliche Fragen in der Regel an der dafür erforderlichen betriebsumfassenden Tarifmacht der Gewerkschaften scheitern. Erst mit den Befugnissen im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung und der damit verbundenen Ausweitung auf die Außenseiter erhalten die Tarifpartner überhaupt effektive Regelungsmöglichkeiten und wirksame Entscheidungsbefugnisse in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen. Da auf die Gewerkschaftszugehörigkeit auch nur eines Belegschaftsmitglied eines erfassten Betriebes verzichtet wird, erfolgt die persönliche Ausdehnung der Tarifmacht ohne Rücksicht darauf, ob im konkreten Betrieb die betriebsverfassungsrechtliche Regelungsbefugnis überhaupt beeinträchtigt wird.287 Zwar tritt das BetrVG in Konkurrenz zur tarifautonomen Regelungsbefugnis von betriebsverfassungsrechtlichen Fragen, die Tarifvertragsparteien bekommen im Ausgleich dafür aber Einwirkungsmöglichkeiten, auch wenn im konkre280 Zur Kompensationslehre: siehe unter C.I.4.b); vgl. a. Waltermann, Rechtsetzung, S. 262 ff. 281 BVerfGE 44, 322, 347; Bakopoulos, Normsetzung, S. 45 ff., 48; Waltermann, Rechtsetzung, S. 274. 282 BVerfGE 28, 295, 304, siehe dazu unter A.I.3.b)ee). 283 BVerfGE 18, 18, 28; E 28, 295, 305. 284 BVerfGE 28, 295, 304. 285 Vgl. A.I.3.b)ee). 286 BVerfGE 94, 268, 285. 287 Vgl. B.V.1.b).

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ten Fall eine Beeinträchtigung ausgeschlossen ist, da die Gewerkschaft im konkreten Betrieb überhaupt nicht vertreten ist. b) Selbstbestimmung der Außenseiter als Gegenposition Ebenso wie das demokratische Prinzip288 verfolgt auch die Beteiligung des einzelnen Arbeitnehmers im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung den Zweck289, das Prinzip der Selbstbestimmung bei der Ausübung von Herrschaft organisationsrechtlich umzusetzen.290 Die freiheitliche Selbstbestimmung stellt selbst für die Tarifautonomie die maßgebliche Legitimationsgrundlage dar.291 Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip gewährleisten dabei die freiheitliche Gesellschaftsordnung, wie sie durch die Verfassung vorgegeben ist. Eingriffe in die individuelle Freiheit bedürfen einer Legitimation. Insbesondere bei der Ausübung staatlicher Herrschaft darf der Staat seine Normsetzungsbefugnis nicht in beliebigem Umfang außerstaatlichen Stellen überlassen und den Bürger nicht schrankenlos der normsetzenden Gewalt autonomer Gremien ausliefern, die ihm gegenüber nicht demokratisch bzw. mitgliedschaftlich legitimiert sind.292 Auch bzw. gerade Abweichungen von den gesetzlich vorgesehenen Betriebsverfassungstrukturen stellen einen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht dar293, der einer entsprechenden Legitimation bedarf. Zusätzlich sind die Anforderungen an eine Legitimation gegenüber der Delegation von Normsetzungsbefugnissen an Träger der funktionalen Selbstverwaltung erhöht, da es im Fall von § 3 BetrVG nicht um die Übertragung von Befugnissen zur eigenverantwortlichen Selbstbestimmung geht, sondern die Außenseiter am Normsetzungsprozess in keiner Weise beteiligt sind. Es fehlt zudem an einer verfahrensmäßigen Absicherung der Außenseiterrechte oder einer einschlägigen Publizitätsvorschrift. c) Einseitiger Ausgleich zu Lasten von Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip In § 3 BetrVG wird den Tarifpartnern eine Normsetzungsmacht übertragen, die es ihnen ermöglicht, ohne entsprechende Legitimation gegenüber den Außenseitern ihre Interessen durchzusetzen. Die eingeräumten Einfluss288 289 290 291 292 293

Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 35; so bereits: C.I.2.b)aa)(4). Richardi in: Staudinger, BGB, vor §§ 611 Rn. 977 ff.; A.II.3.b). Emde, Legitimation S. 384. Menzel, Legitimation, S. 54; A.I.2.b). BVerfGE 44, 322, 347 f. Schwarze, Betriebsrat, S. 174 ff.; C.I.1.

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C. § 3 Abs. 1 BetrVG als Legitimations- und Legitimitätsproblem

möglichkeiten der Tarifpartner, abweichende Organisationsstrukturen zu vereinbaren, sind beträchtlich. Trotz der elementaren Bedeutung sind Demokratie- und Rechtsstaatsgebot dennoch einer umfassenden Abwägung zugänglich.294 Beschränkungen sind aber nur zulässig, wenn dies zur Erreichung des von beiden Positionen verfolgten Zwecks verhältnismäßig ist.295 Entscheidend ist, dass ein dem Entscheidungsgehalt entsprechendes Legitimationsniveau erreicht wird.296 Zwar existiert kein unverzichtbares Instrument zur Vermittlung demokratischer Legitimation, in § 3 BetrVG ist jedoch auf jegliche staatliche Kontroll- und Aufsichtsinstrumente verzichtet worden. Einziges Instrument im Sinne einer legitimatorischen Verantwortbarkeit oder rechtsstaatlichen Kontrolle ist § 3 BetrVG selbst. Nach dem allgemeinen Gesetzes- bzw. Wesentlichkeitsvorbehalt haben alle staatlichen Eingriffe in Freiheitsrechte auf der Grundlage formeller Gesetze zu erfolgen297, bei denen der parlamentarische Gesetzgeber alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat und sie nicht außenstehenden Stellen überlassen darf.298 Bei § 3 BetrVG hat der Gesetzgeber den Tarifvertragsparteien allerdings bewusst weite Gestaltungsspielräume eröffnet.299 Die damit einhergehende Rechtsunsicherheit ist beträchtlich.300 Dem Betroffenen ist es gerade nicht möglich, die Rechtslage zu erkennen und sich darauf einzurichten.301 Auch kommen keine weichen Legitimationsfaktoren302 ergänzend zum tragen, da die Transparenz mangels einschlägiger Publizitätsvorschriften nicht gesichert ist. Zudem ist die Effektivität einer richterlichen Kontrolle zur Erreichung eines bestimmten Legitimationsniveaus sehr begrenzt.303 Zum einen weist die richterliche Gewalt ihrerseits einen äußerst geringen Gehalt demokrati294 Böckenförde in: HdbStR Bd. I, § 22 Rn. 22; ders., Grundrechtsdogmatik, S. 54 ff.; zuletzt: BVerfGE 107, 59 ff.; C.I.4. 295 Schlink, Abwägung, S. 215. 296 Mayen, DÖV 2004, 45, 48. 297 BVerfGE 33, 1, 16 f.; E 33, 303, 337; E 40, 237, 248; E 48, 210, 221; E 49, 89, 126 ff.; E 77, 170, 230 f.; E 77, 381, 403; E 78, 179, 197; E 80, 137, 161; E 90, 60, 85. 298 BVerfGE 34, 165, 192 f.; E 26, 338, 366; E 84 212, 226 f.; E 88, 103, 115 ff.; Giesen, Rechtsgestaltung, S. 268 m. w. N.; Scholz in M/D/H/S Art. 9 Rn. 168; Wiedemann, TVG Einl. 310. 299 Dazu: B.II.3.a)bb); B.II.6.; Es handelt sich also gerade nicht um eine im Wesentlichen feststehende Regelung, die einer weiteren demokratischen Legitimation nicht bedarf, vgl. C.II.1.a). 300 Exemplarisch dafür: vgl. unter B.II.3.a), B.II.6.b)bb), B.V.2.b). 301 Vgl. eingehend dazu: C.I.2.c)bb)(2); BVerfGE 33, 125, 158 m. w. N.; Löwisch/ Rieble, TVG, § 1 Rn. 138;. 302 Vgl. C.I.2.b)bb). 303 Eingehend dazu: C.I.2.b)cc).

II. § 3 BetrVG zwischen Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip

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scher Legitimation auf.304 Zum anderen kommt einer richterlichen Kontrolle nach hier vertretener Ansicht keine selbstständige legitimationsstiftende Wirkung zu, da keine eigene Entscheidung einer demokratisch legitimierten, staatlichen Stelle getroffen, sondern lediglich die Einhaltung bestehender Gesetze garantiert wird.305 Gerade wenn ein Gesetz wie im Fall von § 3 BetrVG bewusst weite Gestaltungsspielräume eröffnet, kann die richterliche Kontrolle lediglich die Einhaltung dieses weiten Rahmens überprüfen.306 Insgesamt ist von einem effektiven Einfluss auf die Form der Ausübung staatlicher Normsetzungsbefugnis zur Erreichung eines bestimmten Legitimationsniveaus307 im Fall von § 3 BetrVG nicht auszugehen. Im Ergebnis wird die betriebliche Mitbestimmung weitgehend unkontrolliert außerstaatlichen Stellen übertragen.308 Es bleibt schließlich die Frage, ob im Hinblick auf die Notwendigkeit einer betriebseinheitlichen Geltung die Einbeziehung der Außenseiter unter Verzicht auf entsprechende Legitimation ausnahmsweise gerechtfertigt ist.309 So wird vertreten310, dass man sich nur entweder für die eine oder die andere Grundrechtsposition entscheiden könne. Zwischen diesen beiden sei die Koalitionsfreiheit die vorzugswürdigere.311 Eine Relativierung des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips allein aus praktischen Erwägungen ist allerdings abzulehnen.312 Dass ein Ausgleich zwischen Koalitionsfreiheit und Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlich grundsätzlich möglich (und sogar geboten) ist, zeigt zudem der Allgemeinverbindlicherklärungs-Beschluss, in dem sich das Bundesverfassungsgericht mit gerade dieser Abwägungsentscheidung auseinandergesetzt hat. So hat das Bundesverfassungsgericht „gegen den vom Gesetzgeber gefundenen Ausgleich zwischen den unverzichtbaren Geboten des Demokratieprinzips nach Art. 20 Abs. 2 GG und der Garantie des Betätigungsrechts der Koalition nach 304

Voßkuhle/Sydow JZ 2002, 673, 682. Siehe dazu: C.I.2.b)bb). 306 Zur verfassungspolitischen Bedeutung der richterlichen Methodenwahl: Rüthers, JZ 2003, 365, 367. 307 Vgl. C.I.2.b)dd). 308 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 138; Löwisch/Kaiser, BetrVG, § 3 Rn. 18; Rieble, Arbeitsrecht 2001, S. 25, 52. 309 Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 245, Rn. 46 ff. („Fall einer gerechtfertigten dynamischen Verweisung“); mit Einschränkungen auch: Schwarze, Betriebsrat, S. 160. 310 Vgl. Gamillscheg in: FS für Molitor, S. 133, 138 ff.; Heiseke, JZ 1950, 295, 300. 311 Bührig, Betriebsverfassungsrecht, S. 80; Feichtinger, Regelungsbefugnis, S. 32 f., 39; Meik, Tarifautonomie, S. 163 f.; Löwisch/Rieble in: MünchArbR, § 245, Rn. 46; Oetker in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 25 ff. 312 BVerfGE 33, 125, 157; Schwarze, Betriebsrat, S. 156. 305

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C. § 3 Abs. 1 BetrVG als Legitimations- und Legitimitätsproblem

Art. 9 Abs. 3 GG“ keine „durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken“ erhoben.313 d) Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG Die Frage der Verfassungswidrigkeit wird insbesondere im Zusammenhang mit § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG aufgeworfen.314 Dies ist insofern nachvollziehbar, als bei § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG die möglichen Normsetzungsbefugnisse zu Lasten der Außenseiter besonders weitgehend und die gesetzlichen Vorgaben demgegenüber sehr vage sind, indem eine abweichende Struktur nur an deren Wirksamkeit und Zweckmäßigkeit zu messen ist. Für die Gestaltungsmöglichkeiten nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BetrVG wurde dagegen bereits festgestellt, dass die danach vereinbarten Gremien nicht Träger betriebsverfassungsrechtlicher Befugnisse sind.315 Entscheidungskompetenz bedeutet gleichzeitig auch Entscheidungsverantwortung.316 Ohne nennenswerte Kompetenzen ist eine „demokratische“ Legitimation dieser Gremien grundsätzlich nicht erforderlich,317 wird dadurch doch die Eingriffsschwelle in die Selbstbestimmung des Außenseiters wesentlich abgesenkt.318 Dennoch ist selbst diese lediglich beratende Zuständigkeit derartiger Gremien aus legitimatorischer Sicht nicht vollkommen unbedenklich. Auch solche Befugnisse geben den Tarifvertragsparteien Einflussmöglichkeiten auf die Aufgabenerfüllung der gesetzlichen Gremien im Rahmen der betrieblichen Mitbestimmung. Bei bloß vorbereitenden und rein konsultativen Tätigkeiten ist das Bedürfnis nach demokratischer Legitimation jedoch so gering319, dass die in § 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BetrVG gefundene Regelung nach Abwägung mit dem Koalitionsrecht der Tarifvertragsparteien verfassungsrechtlich nicht weiter zu beanstanden wäre.320 Ein Grenzfall scheinen dagegen die Befugnisse in § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BetrVG darzustellen, da diese das „Wie“ einer abweichenden Struktur in der Norm selbst vorgeben.321 Das Ergebnis einer möglichen Regelung ist also in 313

BVerfGE 44, 322, 347. Vgl. Annuß, NZA 2002, 290, 291. 315 Für § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG: B.II.4.a); für § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG: B.II.5.b)bb)(2). 316 Kriele, VVDStRL 29, 46, 60. 317 Vgl. B.II.4.a). 318 Vgl. C.I.4.b). 319 Vgl. BVerfGE 47, 253, 274 f.; Emde, Legitimation, S. 214 ff.; vgl. C.I.2.b)aa)(3). 320 Ebenso: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 310 ff., 333; a. A. bzgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG: Picker, RdA 2001, 257, 288 f. 321 Vgl. dazu: B.II.6.b)bb). 314

III. Ergebnis

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der Norm im Wesentlichen bestimmt. Andererseits ist die Entscheidung über das „Ob“, d.h. in welchen Fällen eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden kann, angesichts des unbestimmten Kriteriums der „Sachgerechtigkeit“ der weitgehenden Beliebigkeit der Tarifvertragsparteien überlassen.322 Eine gerichtliche Überprüfung dieser Ermessensentscheidung stößt auf die gleichen Probleme wie beim Wirksamkeits- und Zweckmäßigkeitskriterium in § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.323 Es fehlt an der notwendigen Konkretheit, um die Verantwortung für diese Entscheidung noch unmittelbar dem staatlichen Gesetzgeber zuschreiben zu können.324 Aus diesem Grund sind auch § 3 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BetrVG verfassungsrechtlich zu beanstanden.325

III. Ergebnis § 3 BetrVG, der den Tarifvertragsparteien als Ausgleich für die Beeinträchtigung der Tarifautonomie durch eine konkurrierende staatliche Betriebsverfassung Befugnisse im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung gewährt, stellt einen einseitigen Kompromiss zwischen der Betätigungsfreiheit der Koalitionen und den aus Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip resultierenden Geboten dar: Einer nahezu uneingeschränkten Normsetzungsbefugnis stehen keinerlei staatliche Kontrollinstrumente zur demokratischen Legitimation und zum Schutz vor Machtmissbrauch gegenüber. Der Staat überlässt seine Normsetzungsbefugnis in beträchlichem Umfang außerstaatlichen Stellen und liefert den Außenseiter nahezu schrankenlos der normsetzenden Gewalt tarifautonomer Gremien aus, die ihm gegenüber nicht demokratisch oder mitgliedschaftlich legitimiert sind.326 Die schutzbedürftigen Arbeitnehmer erkaufen sich ihren staatlichen Schutz vor dem Arbeitgeber durch die Auslieferung an die Tarifmacht der Gewerkschaften. An die Stelle der Unterlegenheit gegenüber dem Arbeitgeber tritt die gegenüber den Gewerkschaften; der Staat verordnet „statt Regen die Traufe“, obschon die Nichtorganisierten sich gegen die Tarifunterworfenheit entschieden haben.327 Jedenfalls in seiner aktuellen Fassung greift § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG daher in verfassungsrechtlich zu beanstandender Weise in Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Artt. 20 Abs. 1, Abs. 2, 20 Abs. 3, 28 Abs. 1 Satz 1 GG ein. 322

Giesen, Rechtsgestaltung, S. 309. Vgl. B.II.6.b)aa). 324 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 309. 325 Ebenso: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 308 ff., S. 333; Picker, RdA 2001, 257, 279 ff.; Reichold, NZA 2001, 857, 859; Richardi, NZA Sonderheft 2001, 7, 9; Rieble in: Bauer, Arbeitsrecht, S. 25, 46 ff., 48; S/W/S, BetrVG, § 3 Rn. 3 ff. 326 Vgl. BVerfGE 44, 322, 347 f. 327 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1506; ähnlich: Ganter, Tarifvertragliche Regelung, S. 92. 323

D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung als Problem der Koalitionsfreiheit Die Übertragung von Normsetzungsbefugnissen an Private wird vom Bundesverfassungsgericht schwerpunktmäßig auf die Vereinbarkeit mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip hin geprüft.1 Bei einer Delegation an die Tarifpartner wird wegen der fehlenden Legitimation gegenüber den Außenseitern zwar auch ein Verstoß gegen die (negative) Koalitionsfreiheit erwogen, jedoch wegen fehlender Eingriffsqualität abgelehnt.2 Im Gegensatz dazu wird in der (arbeitsrechtlichen) Literatur tarifvertragliche Normsetzung gegenüber Außenseitern hinsichtlich der Vereinbarkeit mit der negativen3 bzw. positiven4 Koalitionsfreiheit problematisiert. Nach Aufgabe der bisherigen Kernbereichslehre durch das Bundesverfassungsgericht und Unterwerfung der Koalitionsfreiheit unter dieselbe allgemeine Grundrechtssystematik5 ist es erforderlich, den Schutzbereich der Koalitionsfreiheit für tarifvertragliche Normsetzung entsprechend dem anderer vorbehaltlos gewährter Freiheitsrechte zu entwickeln.6

I. Koalitionsrechtliche Dimension des Außenseiterproblems Die Ursache des Außenseiterproblems liegt im Fehlen einer mitgliedschaftlichen Beziehung zum Außenseiter bei den Koalitionen. Es handelt sich somit wieder um ein Legitimationsproblem. Anders als beim Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ist aber nicht das bloße Fehlen einer mitgliedschaftlichen Beziehung das spezifische koalitionsrechtliche Problem, sondern das Bestehen einer Mitgliedschaft in einer anderen Koalition bzw. der (bewusste) Verzicht auf eine Mitgliedschaft. Bisher war bei der Betrachtung 1 BVerfGE 33, 125, 158 ff.; E 44, 322, 346 ff.; E 64, 208, 214 ff.; E 83, 60, 76 ff. 2 BVerfGE 44, 322, 352; E 64, 208, 213 f. 3 Hess in: H/S/W/G, § 3 Rn. 27; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 14. 4 Biedenkopf, Plenarprotokoll 761, S. 127 f.; Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 55 ff.; Hess in: H/S/W/G, § 3 Rn. 27; Picker, RdA 2001, 257, 284; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 14. 5 BVerfGE 93, 352 ff. 6 Heilmann, AuR 1996, 121 f.

II. Schutzbereich der Koalitionsfreiheit

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des Legitimationsproblems die (fehlende) Legitimation im Verhältnis zum Normunterworfenen entscheidend. Die „koalitionsrechtliche Dimension“ des Legitimationsproblems in Bezug auf den Außenseiter besteht aber darin, dass ein existierendes Legitimationsverhältnis eines Andersorganisierten bzw. der Entschluss des Nichtorganisierten, auf jegliche Mitgliedschaft zu verzichten, beeinträchtigt wird. Es handelt sich somit zwar wieder um ein Legitimationsproblem, allerdings nicht im Sinne eines Legitimationsdefizits, sondern einer Legitimationsstörung.

II. Schutzbereich der Koalitionsfreiheit Nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte bezweckt Art. 9 Abs. 3 GG den Schutz des Einzelnen, „zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden.“7 Dieser Gewährleistungsumfang ist stets als zu eng empfunden und daher um weitere Gewährleistungselemente erweitert worden. Im Folgenden sollen diese Elemente nach verfassungsrechtlicher Grundlage und materiellem Gehalt herausgearbeitet werden, um daran das Verhältnis der einzelnen Elemente im Allgemeinen und der daraus zu ziehenden Konsequenzen für die tarifautonome Rechtsetzungsbefugnis im Besonderen zu verdeutlichen.

1. Art. 9 Abs. 3 GG als positives Individualgrundrecht Der Schutz der positiven Koalitionsfreiheit als Individualgrundrecht durch Art. 9 Abs. 3 GG ist angesichts des klaren Wortlauts unproblematisch.8 Dies ist durch das Bundesverfassungsgericht bestätigt worden9 unter besonderem Hinweis darauf, dass Art. 9 Abs. 3 GG nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte „in erster Linie ein Freiheitsrecht“ sei10, also die Funktion eines Abwehrrechts im status negativus gegenüber dem Staat aufweise.11 Wenn sich auch der Schwerpunkt der juristischen Diskussion von der individuellen zur kollektiven Betrachtungsweise verschoben hat, bleibt diese Individualgarantie die Hauptaufgabe des verfassungsrechtlichen Schutzes.12 7

Zum Koalitionszweck bereits oben: A.I.2.c). BAGE 20, 175, 211; Dietz, Koalitionsfreiheit, S. 417, 439; Kittner in: AK-GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 38; Richardi, Kollektivgewalt, S. 77 f.; Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 169. 9 BVerfGE 4, 96, 101 f.; E 17, 319, 333; E 19, 303, 312, 319; E 28, 295, 304; E 50, 290, 367; E 55, 7, 21. 10 BVerfGE 50, 290, 367; E 92, 393; E 93, 357; Anderson, Verbandsrechtliche Stellung, S. 71 ff., 80; Dietz, Koalitionsfreiheit, S. 417, 444; Kemper, Koalitionsfreiheit, S. 4; Richardi, AöR 93, 243, 266. 11 Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 155. 8

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

a) Umfassender Schutz des Vereinigungsrechtes Auch der materielle Gehalt dieser Garantie gilt als im Wesentlichen unstreitig: Neben dem Recht, eine Koalition zu bilden, wie es sich aus dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG ergibt, schützt die positive individuelle Koalitionsfreiheit auch das Recht, einer bestehenden Koalition beizutreten. Das beinhaltet nach allgemeiner Meinung nicht nur das Recht, sondern auch die Freiheit, unter mehreren Koalitionen zu wählen13, also das Recht gerade einer bestimmten und nicht nur irgendeiner Koalition beizutreten. Schließlich ist damit notwendigerweise auch das Recht verbunden, in einer einmal gewählten Koalition weiterhin zu verbleiben.14 Geschützt wird somit auch die Mitgliedschaft als solche. b) Recht auf Teilnahme Schließlich wird durch Art. 9 Abs. 3 GG auch das Recht des Einzelnen gesichert, „an der spezifischen Tätigkeit der Koalition in dem Bereich teilzunehmen, der für die Koalition verfassungsrechtlich geschützt ist.“15 Die Koalitionsfreiheit umfasst für den Einzelnen das Recht, innerhalb der Koalition tätig zu werden und sich an deren nach außen wirkenden Aktivitäten zu beteiligen.16 Die individuelle Gewährleistung der positiven Koalitionsfreiheit erschöpft sich gerade nicht im bloßen Schutz der Mitgliedschaft in einer Koalition, sondern schützt auch individualrechtlich die Koalitionbetätigungsfreiheit. c) Individuelles Recht auf Teilhabe Anders als beispielsweise die Werbung neuer Mitglieder zur Sicherung des Koalitionsbestandes17 oder die Teilnahme an Arbeitskampfmaßnahmen18, anhand derer das Bundesverfassungsgericht das Recht auf Teilnahme an der verfassungsrechtlich geschützten Koalitionstätigkeit ent12

Wiedemann/Stumpf, TVG, Einleitung Rn. 87. Biedenkopf, Tarifautonomie S. 89; Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 39, Nikisch, Arbeitsrecht, Bd. II, S. 34; RGZE 113, 169; BAGE 20, 175, 211. 14 BVerfGE 100, 214, 223 f.; Bauer in: Dreier, GG, Art. 9 Rn. 76; Jarass/ Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 25; Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 169. 15 BVerfGE 19, 303, 312; E 28, 295, 304; E 44, 322, 352; E 51, 77, 87 f.; E 55, 7, 21; E 64, 208, 213; Löwer in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 79. 16 Kittner, AK-GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 38; Löwer in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 79. 17 BVerfGE 28, 303, 313. 18 BVerfGE 92, 365, 393. 13

II. Schutzbereich der Koalitionsfreiheit

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wickelt hat, ist der Abschluss von Tarifverträgen eine Form der Koalitionsbetätigung, die nicht individuell, sondern nur kollektiv ausgeübt werden kann. Diese Form des Betätigungsrechts der Koalition wird daher nicht unmittelbar von der individuellen Koalitionsfreiheit mitumfasst.19 Das Bundesverfassungsgericht betont aber stets, dass sich die Koalitionsfreiheit außer auf die Mitgliedschaft selbst auch auf die mit der Mitgliedschaft verbundenen Rechte erstreckt. Die Unterwerfung unter die tarifliche Normsetzungsmacht ist dabei der eigentliche Kern der Mitgliedschaft.20 Ihr individueller Schutz würde ausgehöhlt, wenn nicht zugleich auch den mit ihr verbundenen Mitgliedschaftsrechten eine verfassungsrechtliche Gewährleistung zukäme. Der Koalitionszweck erschöpft sich nämlich nicht darin, einer bestimmten Koalition anzugehören, sondern vor allem darin, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen entsprechend zu fördern und zu wahren. Tatsächlich lässt sich im bestehenden Tarifvertragssystem, in dem die Tarifbindung unmittelbar an die Mitgliedschaft anknüpft (§ 3 Abs. 1 TVG), das Teilnahme- nicht vom Teilhaberecht trennen.21 Nach dem gesetzlichen Leitbild nimmt das Koalitionsmitglied automatisch als Normadressat an der tarifautonomen Regelung durch die Koalitionen teil. Mit dem Schutz der Mitgliedschaft unterliegen also auch die Mitgliedschaftsrechte von Teilnahme und Teilhabe dem verfassungsrechtlichen Schutz durch Art. 9 Abs. 3 GG.22

2. Eingriff durch fremde Normsetzung Ein Eingriff in die individuelle positive Koalitionsfreiheit kann sich nach dem zuvor umrissenen materiellen Gehalt der individuellen Koalitionsfreiheit dann ergeben, wenn der Normunterworfene einer anderen als der vertragsschließenden Koalition angehört (sog. Andersorganisierter). a) Eingriff in die Freiheit der Mitgliedschaftsentscheidung Die wohl h. M. beschränkt sich auf die Prüfung, ob durch die fremde Normsetzung ein „unzulässiger“ bzw. „sozialinadäquater“ Druck auf den 19 Eine Grundrechtskonkurrenz der tarifautonomen Betätigung mit der individuellen Koalitionsfreiheit ist diesbezüglich daher ausgeschlossen; a. A. wohl: Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 163. 20 Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 60; Feichtinger, Regelungsbefugnis, S. 35; Wagenitz, Tarifmacht, S. 44. 21 Vielmehr behandelt das TVG die Mitgliedschaft in einer Koalition und die Teilhabe an der tarifautonomen Rechtsetzung als grundsätzlich untrennbar. 22 So auch: Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 58.

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

Andersorganisierten zum Wechsel ausgeübt wird.23 Dieser Wechseldruck ist weiter in einen Austrittsdruck und einen Beitrittsdruck zu unterteilen, die jeweils unterschiedliche Elemente der Koalitionsfreiheit betreffen. Nur ein inadäquater Austrittsdruck würde das individuelle Recht verletzten, in einer einmal gewählten Koalition auch weiterhin zu verbleiben, während ein unzulässiger Beitrittsdruck nur die Freiheit beeinträchtigt, über den Koalitionsbeitritt frei zu entscheiden. Nach der hier vertretenen Auffassung ist allerdings ein individueller Einfluss auf das Normsetzungsverfahren, wie er z. B. bei demokratischen Binnenstrukturen zu bejahen wäre24, keine Voraussetzung für die Anerkennung tarifvertraglicher Normsetzungsbefugnisse25. Die Mitgliedschaft ist die nach dem TVG einzige Legitimationsgrundlage zur Normsetzung. Ein unzulässiger Beitrittsdruck kann daher nur durch Normsetzungsbefugnisse erzeugt werden, die eine Mitgliedschaft voraussetzen. Bei tarifvertraglichen Rechtsnormen, die für einen Außenseiter unabhängig von seiner Mitgliedschaft Wirkung entfalten, wird ein derartiger Beitrittsdruck also im bestehenden Tarifvertragssystem gerade nicht erzeugt. Die Frage, ob ein Beitrittsdruck sozialinadäquat ist, stellt sich somit bei Fremdregelungen mit Außenseiterwirkung deshalb nicht, weil es bereits an einem Druck auf die individuelle Entscheidungsfreiheit fehlt. Ebenso verhält es sich mit dem Austrittsdruck: Dieser könnte nur erzeugt werden, wenn bestimmte Leistungen an die Nichtmitgliedschaft geknüpft wären. Wird der Andersorganisierte aber unabhängig von seiner Mitgliedschaft in einer bestimmten Koalition einer Regelung unterworfen, verhalten sich derartige Normen gegenüber seiner Entscheidung, in einer Gewerkschaft zu bleiben, neutral.26 b) Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte Die Unterwerfung unter Fremdregelungen verletzt zwar nicht die Mitgliedschaft als solche, möglicherweise ist damit aber ein Eingriff in die 23 Wohl h. M.: BAGE 20, 175, 226 f.; Däubler, TVR, Rn. 1211 m. w. N.; Löwisch/Rieble, TVG, Grdl. Rn. 16. 24 Zutreffend: Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 174, 274 ff.; Wiedemann, TVG Einl. Rn. 344 m. w. N. 25 A.I.3.c)cc). 26 Zutreffend ist allerdings, dass durch diese Konkurrenz der Anreiz, in einer bestimmten Koalition zu bleiben, in dem Maße sinkt, in dem dieser Verband die Interessen seiner Mitglieder nicht mehr aktiv wahrzunehmen in der Lage ist. Unter diesem Gesichtspunkt wurde bereits ein Eingriff des BetrVG in die Tarifautonomie identifiziert (vgl. A.II.3.a)). Der danach ausgeübte Druck ist aber nicht als „inadäquat“ zu bezeichnen. Allgemein zum Problem der sog. „Doppelmitgliedschaft“: Däubler, TVR, Rn. 306.

II. Schutzbereich der Koalitionsfreiheit

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Mitgliedschaftsrechte verbunden. Ein Eingriff in das aus der Mitgliedschaft resultierende Recht auf Teilhabe an der Normsetzung des eigenen Verbandes kann sich nur dann ergeben, wenn die Fremdregelung zur Folge hat, dass dadurch eine verbandseigene Regelung unmöglich gemacht wird.27 Dies ist – anders als bei der Mitgliedschaft – nicht von vornherein auszuschließen, sondern ergibt sich daraus, wie sich die unterschiedlichen tarifvertraglichen Normen im Kollisionsfall zueinander verhalten. Im Fall der tarifvertraglichen Normsetzungsbefugnisse auf dem Gebiet der Betriebsverfassungsorganisation können wegen der notwendig betriebseinheitlichen Regelung für einen Arbeitnehmer nicht zwei Tarifverträge nebeneinander gelten. Kollidieren zwei Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften, die den gleichen Betrieb betreffen, sind solche Konkurrenzen zwangsläufig aufzulösen. Im Fall einer betriebsverfassungsrechtlichen Konkurrenz ist nach hier vertretener Auffassung28 keinem der beiden Tarifverträge der Vorzug zu geben, sondern von einer Unwirksamkeit beider Tarifverträge auszugehen. Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung führt eine Tarifkonkurrenz daher nicht zur Verdrängung, sondern lediglich zu einer Verhinderung einer „eigenen“ betriebsverfassungsrechtlichen Regelung nach § 3 Abs. 1 BetrVG. Es ist auf die gesetzliche Betriebsverfassung zurückzugreifen. Ein Eingriff in Mitgliedschaftsrechte ist daher ausgeschlossen.

3. Art. 9 Abs. 3 GG als positives Kollektivgrundrecht Art. 9 Abs. 3 GG schützt seinem Wortlaut nach nur die Koalitionsfreiheit des Einzelnen.29 Eine solche, streng am Wortlaut orientierte Beschränkung wird für Art. 9 Abs. 3 GG in kollektivrechtlicher Hinsicht als zu eng empfunden.30 So stellt das Bundesverfassungsgericht klar, dass es einer ausdrücklichen Anerkennung der Koalitionen nicht bedürfe, „weil das Grundgesetz unter Berücksichtigung des bestehenden verfassungs- und arbeitsrechtlichen Zustandes in den Ländern von der rechtlichen Anerkennung der Sozialpartner als selbstverständlich ausgehen konnte“.31 27 Zum Interesse daran, keiner fremden Norm unterworfen zu werden: siehe D.III.3.b)cc). 28 Vgl. B.V.2.b). 29 Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 169 m. w. N. 30 Art. 9 Abs. 3 GG orientiert sich stark an dem nahezu wortgleichen Art. 159 der Weimarer Verfassung. Lediglich eine Art. 165 – insbesondere Abs. 1 Satz 2 – WRV entsprechende Regelung, in der die Organisationen und ihre Vereinbarungen ausdrücklich anerkannt werden, wurde nicht in das Grundgesetz übernommen. Dies spricht eigentlich dafür, dass der Verfassungsgeber den Koalitionen gerade keine eigene, grundrechtliche Garantie zukommen lassen wollte. 31 BVerfGE 4, 96 ff., 101.

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

a) Grundlage der kollektiven Koalitionsfreiheit aa) Kollektivrecht als „Annex der individuellen Koalitionsfreiheit“32 Scholz33 vertritt den Ansatz, wonach das Recht der Koalitionen auf eine Bündelung der Einzelgrundrechte ihrer Mitglieder beruht. Art. 9 Abs. 3 GG sei seinem Wortlaut genauso wie seiner Entstehungsgeschichte nach ausschließlich ein Individualgrundrecht. Bestand und Betätigung der Koalitionen werden nur in der Person der sich in ihr vereinigenden Individuen geschützt (sog. status collectivus). Nur so sei gewährleistet, dass das kollektive Koalitionsrecht sich von der individualrechtlichen Grundlage nicht löse und es damit zu keinen unlösbaren Konflikten zwischen Individual- und Kollektivgrundrecht kommen könne.34 Die Grundrechtssubjektivität der Koalitionen selbst folge aus Art. 19 Abs. 3 GG.35 Interessengegensätze zwischen Mitglieder- und Verbandsinteressen seien deshalb nicht denkbar36. Konsequent lehnt Scholz die Konstruktion eines Doppelgrundrechts ab37. bb) Lehre von der institutionellen Garantie Die auf Schnorr zurückgehende sog. „Lehre von der institutionellen Garantie“ hält eine vom Individualgrundrecht unabhängige Gewährleistung der Koalitionsfreiheit für notwendig. Dies sei gerechtfertigt, weil Berufsverbände heute „zu verantwortungsbewussten Trägern einer öffentlichen Teilordnung“ geworden seien.38 Die institutionelle Sicherung der kollektiven Koalitionsfreiheit trage dem Umstand Rechnung, dass die Koalitionen in einer öffentlichen Funktion bzw. einer öffentlichen Aufgabe tätig werden.39 Dies ergebe sich außerdem aus dem Bekenntnis des Grundgesetzes zum Sozialstaatsprinzip in den Artt. 20 Abs. 1 und 28 Abs. 1 GG.40 Dieser Lehre folgt offensichtlich auch das Bundesarbeitsgericht, wenn es von einer „Kollektivgarantie für die Koalitionen als solche im Sinne einer institutionellen Gewährleistung“41 spricht. 32

Bezeichnung geht auf Zöllner zurück, vgl. AöR 98, 71, 78. Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 135. 34 Picker, ZfA 1986, 199, 205 f.; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 53, 63; A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 49 ff.; Zöllner, AöR 98, 71, 80. 35 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 138; vgl. a.: Dietz, Koalitionsfreiheit, S. 417, 458; A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 54. 36 Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 240. 37 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 135. 38 Schnorr in: FS für Molitor, S. 236; ders., RdA 1955, 223. 39 Scheuner, Koalitionsfreiheit, S. 27, 39. 40 Dagegen: Zöllner, RdA 1962, 453, 458. 33

II. Schutzbereich der Koalitionsfreiheit

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cc) Kollektive Koalitionsfreiheit als Institutsgarantie Schließlich wird vertreten, dass Art. 9 Abs. 3 GG die Koalitionen als Institute42 garantiere. Im Gegensatz zu anderen Freiheitsrechten sei die Koalitionsfreiheit ein auf Zusammenschluss gerichtetes und damit „gemeinschaftsbegründendes Individualrecht“.43 Sie habe somit jedenfalls einen kollektiven Charakter. Auf der anderen Seite seien die Koalitionen nicht nur im konkreten Fortbestand geschützt, sondern hätten auch das Recht, über ihren Fortbestand zu entscheiden, und seien durch Art. 9 Abs. 3 GG als jederzeit mögliche, nicht aber als notwendige Verbände gewährleistet.44 Das unterscheide sie von den institutionell garantierten Gemeinden.45 dd) Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts Der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts lässt sich keine eindeutige Entscheidung darüber entnehmen, welchem Grundrechtsverständnis der Vorrang zu geben ist. Deutlich wird lediglich, dass eine ausschließlich individualistische Betrachtungsweise abgelehnt wird. Die oft gewählte Formulierung, dass „die Koalition als solche“46 geschützt sei, lässt auf ein institutionelles Verständnis schließen.47 Die Aussage, dass Art. 9 Abs. 3 GG „in erster Linie ein Freiheitsgrundrecht“48 sei, steht der Annahme nicht entgegen, dass die Koalitionsfreiheit in „zweiter Linie“ eine selbstständige institutionelle Garantie enthält.49 Neuere Formulierungen scheinen jedoch in Richtung einer Auslegung als Institutsgarantie und gegen eine vollkommene Verselbstständigung zu gehen. So setze sich „die individualrechtliche Gewährleistung nach feststehender Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts in einem Freiheitsrecht der Koalitionen selbst fort“.50

41

BAGE 20, 175, 211. Kirchhof, Private Rechtsetzung, S. 512 ff.; Richardi, AöR 93, 243, 263; ohne diese Terminologie, aber im Ergebnis ähnlich: Dietz, Koalitionsfreiheit, S. 417, 458 f.; RGZE 111, 199, 202; dafür dass Art. 9 Abs. 3 neben einer institutionellen auch eine Institutsgarantie enthalte: Schnorr in: FS für Molitor, S. 229, 232. 43 Richardi, AöR 93, 243, 265; ders., Kollektivgewalt, S. 78. 44 Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 68 f.; Richardi, ZfA 1970, 85, 95; ders., AöR 93, 243, 262 f. 45 Richardi, Kollektivgewalt, S. 73. 46 BVerfGE 4, 96 (Leitsatz 1), S. 101 f. 47 Böckenförde, NJW 1974, 1529, 1533. 48 BVerfGE 50, 290, 367; E 55, 7, 21. 49 May, Bindung von Außenseitern, S. 45. 50 BVerfGE 94, 282. 42

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

ee) Stellungnahme Die ausschließlich individuelle Sichtweise der Koalitionsfreiheit51 wird dem Umstand nicht gerecht, dass den Koalitionen die Aufgabe zugewiesen worden ist, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in eigener Verantwortung zu gestalten.52 Sie treten also nach außen selbsttätig in Erscheinung.53 Auch eine Konstruktion über Art. 19 Abs. 3 GG kann allein nicht zur Annahme einer Bestandsgarantie führen54, da diese Norm lediglich den Kreis der Grundrechtsträger erweitert.55 Da die Grundrechte aber ihrem Wesen nach auf juristische Personen anwendbar sein müssen, kann Art. 19 Abs. 3 GG nur dort herangezogen werden, wo es um die Wahrnehmung von Rechten auf gleicher Ebene mit den einzelnen Individuen geht.56 Hieran scheitert die Konstruktion der kollektiven Gewährleistung über Art. 19 Abs. 3 GG. Anders als beispielsweise die Religionsfreiheit, das Grundrecht der freien Meinungsäußerung oder das Brief- und Postgeheimnis ist der Zweck der Koalitionsfreiheit gerade auf einen Zusammenschluss gerichtet (sog. gemeinschaftsbegründendes Individualrecht).57 Die Koalition selbst kann daher bereits begrifflich nicht selbst Träger dieses individuellen Rechts auf Zusammenschluss sein (nur darüber könnte Art. 19 Abs. 3 GG hinweghelfen58). Die kollektive Koalitionsfreiheit stellt vielmehr das Ziel der individuellen Grundrechtsausübung dar.59 Die individuelle Koalitionsfreiheit unterscheidet sich folglich von der kollektiven nicht durch die Grundrechtsträgerschaft, sondern ist vielmehr ihre Grundvoraussetzung und damit bereits wesensmäßig unterschiedlich.60 Gegen die Lehre von der institutionellen Garantie spricht zunächst die Begrifflichkeit, da darunter eigentlich die verfassungsrechtliche Verbürgung öffentlich-rechtlicher Einrichtungen verstanden wird.61 Koalitionen i. S. v. 51

Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 135. BVerfGE 28, 295, 304; E 55, 7, 24. 53 May, Bindung von Außenseitern, S. 44 f. 54 Schnorr in: FS für Molitor, S. 241. 55 Krebs in: v. Münch, GG, Art. 19 Rn. 27. 56 Scheuner, Koalitionsfreiheit, S. 29, 38. 57 Richardi, Kollektivgewalt, S. 78; ders., AöR 93, 243, 266. 58 Rupp, JZ 1998, 919, 922. Das Recht der Koalition, sich ihrerseits wieder zu Vereinigungen zusammenschließen, folgt ebenfalls nicht aus Art. 9 Abs. 3 i. V. m. Art. 19 Abs. 3 GG, sondern bereits aus der Koalitionsfreiheit des Einzelnen, vgl. Dietz, Koalitionsfreiheit, S. 417, 458. 59 Vgl. Richardi, BetrVG, § 2 Rn. 76. 60 So auch: Rupp, JZ 1998, 919, 922; Schnorr in: FS für Molitor, S. 229, 241. 61 Vgl. Dürig in: M/D/H/S Art. 1 III, Rn. 97; Ramm; Kampfmaßnahmen und Friedenspflicht, S. 108 ff. Einzig unstreitiges Beispiel ist die institutionelle Garantie der Gemeinden in Art. 28 Abs. 2 GG. 52

II. Schutzbereich der Koalitionsfreiheit

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Art. 9 Abs. 3 GG sind aber in aller Regel gerade privatrechtliche Vereinigungen, was allgemein aus dem Freiwilligkeitserfordernis geschlossen wird.62 Entscheidend ist vor allem der unterschiedliche materielle (d.h. wesensmäßige) Bezug zu dem als subjektives Recht verstandenen Grundrecht der individuellen Koalitionsfreiheit.63 So sind Institutsgarantien grundrechtsbezogene Einrichtungsgarantien, während institutionelle Garantien nicht des subjektiven Rechts des Einzelnen wegen bestehen.64 Die Koalitionsfreiheit hat ihre Grundlage aber gerade im Individualschutz, zielt also in erster Linie auf das subjektive Recht des Einzelnen. Zutreffenderweise besteht der Schutz der Koalitionsfreiheit daher als Institutsgarantie. b) Elemente der Grundrechtsgewährleistung aa) Bestandsgarantie Nach nahezu einhelliger Ansicht in Schrifttum65 und Rechtsprechung66 wird neben dem Individualgrundrecht der positiven Koalitionsfreiheit auch eine Bestandsgarantie der Koalitionen selbst bejaht. Wegen dieses Doppelcharakters wird Art. 9 Abs. 3 GG auch als sog. „Doppelgrundrecht“ bezeichnet.67

62 U. a.: BVerfGE 4, 96, 106; Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 215 m. w. N. Dies allein ist allerdings nicht zwingend, da es nur um eine Definition des Begriffes „institutionelle Garantie“ geht. 63 Vgl. Dürig in: M/D/H/S, GG, Art. 1 Abs. III Rn. 97. 64 Starck in: M/K/S, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 171 ff. Damit zielt der Streit zwischen institutioneller Garantie und Institutsgarantie also weniger auf eine bloße Begrifflichkeit, sondern ist für das (Rang-)Verhältnis und die Grenzziehung zwischen Kollektivmacht und Individualrechten von entscheidender Bedeutung. Vgl. Schnorr in: FS für Molitor, S. 229, 230 f.; Alexy (Grundrechte, S. 444) hält diese Bezeichnungen allgemein für überflüssig. 65 Vgl. Nachweise bei: Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 89. 66 Insbesondere BVerfGE 4, 96, 106; E 19, 303, 312; E 14, 282, 288; E 20, 175, 211. 67 BAGE 20, 175, 211; Hueck/Nipperdey, AR, Bd. II/1 S. 134; Löwer in: v. Münch/Kuner, GG, Art. 9 Rn. 68; Schwarze, Betriebsrat, S. 62; Weber, Koalitionsfreiheit, S. 18; Wiedemann, TVG, Einl. 88; kritisch: Gast, Tarifautonomie, S. 36; Konzen, AcP 177, 473, 495; Lambrich, Tarif- und Betriebsautonomie, S. 161 f.; Richardi, AöR 93, 243, 264; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 62, 135; Zöllner, AöR 98, 71, 80.

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

bb) Betätigungsgarantie Es entspricht ebenfalls der ganz herrschenden Ansicht in Literatur und Rechtsprechung, dass neben dem Bestand in Art. 9 Abs. 3 GG die „spezifisch koalitionsgemäße Betätigung“68 der Koalitionen garantiert ist.69 So ist die grundrechtlich geschützte Koalitionsfreiheit nur dann sinnvoll, wenn die Rechtsordnung den Koalitionen die Möglichkeit gibt, durch koalitionsspezifische Betätigung die in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG genannten Zwecke zu verfolgen, nämlich die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder zu wahren und zu fördern.70 Die Betätigungsgarantie lässt sich je nach Art des betroffenen Rechtsverhältnisses in die Binnenautonomie als die Freiheit zur unbeeinflussten Ausgestaltung der verbandsinternen Beziehungen und der freien internen Willensbildung (Organisationsfreiheit)71 sowie die Tarifautonomie unterteilen. Als Befugnis zur selbstständigen und eigenverantwortlichen Regelung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der eigenen Mitglieder72 ist die Tarifautonomie nicht nur dem Staat, sondern auch Dritten (Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG) und anderen Koalitionen gegenüber geschützt.73 Zunächst werden dem Staat durch Art. 9 Abs. 3 GG insofern Grenzen gesetzt, als unmittelbare, aber auch mittelbare Beeinträchtigungen einen unzulässigen Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG darstellen. Eine mittelbare Beeinträchtigung durch staatliches Handeln in diesem Sinn stellt z. B. die gesetzliche Anerkennung von Normsetzungsbefugnissen dar, mittels derer eine Koalition befugt ist, in Koalitionsrechte Dritter einzugreifen.74

68

BVerfGE 17, 319, 333. Inwiefern das einzelne Mitglied (so: Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 136) oder die Koalition selbst unmittelbarer Träger dieser Koalitionsbetätigungsfreiheit sind, richtet sich vor allem nach dem zuvor dargestellten Verhältnis zwischen Individualund Kollektivgrundrecht, also der Frage, ob die Koalitionsbetätigung Element einer individuellen oder kollektiven Grundrechtsgarantie ist. Praktisch wirkt sich diese unterschiedliche Zuordnung vor allem im Innenverhältnis aus, wenn Interessen der Koalition mit denen ihrer Mitglieder kollidieren (vgl. Picker, ZfA 1986, 199, 205). 70 BVerfGE 17, 319, 333; E 18, 18, 26; Kemper, Koalitionsfreiheit, S. 137; Schwarze, Betriebsrat, S. 65. 71 BVerfGE 50, 290, 354; Reuss, AuR 1975, 1, 3. 72 Vgl. BVerfGE 20, 312, 317. Dazu: A.I.2.a). 73 Inwiefern aus der Schutzpflicht des Staates die Pflicht folgt, durch weitere gesetzgeberische Mittel einen umfassenden Schutz zu gewährleisten, bedarf hier keiner weiteren Betrachtung. 74 Aber auch das Gebrauchmachen von einer derartigen Befugnis stellt als Folge der unmittelbaren Grundrechtsgeltung in Art. 9 Abs. 3 Satz 2 GG einen selbstständigen Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit des Betroffenen dar. 69

II. Schutzbereich der Koalitionsfreiheit

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4. Eingriff durch fremde Normsetzung Ähnlich wie bei den Mitgliedschaftsrechten als individualrechtlich geschützte Grundrechtspositionen des Einzelnen75 setzt ein Eingriff in die positive kollektive Koalitionsbetätigungsfreiheit voraus, dass ihre funktionsgerechte Ausübung beeinträchtigt bzw. unmöglich gemacht wird.76 Normsetzung in betriebsverfassungsrechtlichen Fragen – wie z. B. in § 3 BetrVG – ermöglicht Regelungen ohne Rücksicht auf die Mitgliedschaft in einer anderen Gewerkschaft. Eine Eingriffssituation ergibt sich daher immer dann, wenn zwei unterschiedliche Gewerkschaften für denselben Betrieb Organisationsnormen mit Wirkung für die Gesamtbelegschaft vereinbart haben.77 Die vorliegend vertretene Lösung der Tarifkonkurrenz, nach der jegliche sich widersprechende Normen unwirksam sind78, schließt einen unmittelbaren Eingriff in fremde Normsetzungsbefugnisse aus.79 Im Fall einer Tarifkonkurrenz kann also keiner der beiden konkurrierenden Arbeitnehmerverbände eine abweichende Organisationsstruktur für seine Mitglieder vereinbaren und in diesem Betrieb seine tarifvertragliche Normsetzungsbefugnis ausüben.80 Die mittelbaren Beeinträchtigungen durch die gegenseitige Blockade sind durch die Tarifvertragsparteien insofern hinzunehmen, als es in diesem Fall beim gesetzlich vorgesehenen Mitbestimmungsorgan bleibt.

5. Zwischenergebnis Neben der „positiven“ individuellen Koalitionsfreiheit schützt Art. 9 Abs. 3 GG auch die Betätigungsfreiheit der Koalitionen als Element der kollektiven Koalitionsfreiheit. Ein Eingriff durch Normsetzung in die tarifautonome Regelungsbefugnis einer fremden Koalition liegt allerdings nur dann vor, wenn dadurch die funktionsgerechte Ausübung beeinträchtigt bzw. unmöglich gemacht wird. Für Regelungsbefugnisse nach § 3 BetrVG sind derartige Beeinträchtigungen ausgeschlossen, da eine Tarifkonkurrenz zur Unwirksamkeit sich widersprechender Tarifnormen führt. § 3 BetrVG ist im Hinblick auf die positive Koalitionsfreiheit also nicht zu beanstanden. 75

Vgl. D.II.2.b). Friese, Koalitionsfreiheit, S. 255. 77 Hess in: H/S/W/G, § 3 Rn. 27; Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 14. 78 Vgl. B.V.2.b). 79 A. A.: Hess (in: H/S/W/G, BetrVG, § 3 Rn. 27) und Richardi (BetrVG, § 3 Rn. 14), die allerdings im Fall einer Tarifkonkurrenz von einer Verdrängung entsprechender Tarifnormen eines anderen Tarifvertrages ausgehen. 80 Vgl. D.II.2.b). 76

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit Obwohl im Ergebnis mittlerweile81 weitgehend Einigkeit dahingehend besteht, dass die Freiheit des Einzelnen, aus einer Koalition auszutreten bzw. ihr von vornherein fernzubleiben, verfassungsrechtlichen Schutz genießt82, gehören die rechtlichen Grundlagen dieser sog. „negativen“ Koalitionsfreiheit und vor allem ihr materieller Gehalt zu den besonders kontrovers diskutierten Fragen innerhalb des Gewährleistungsgehalts der Koalitionsfreiheit. Insbesondere einer Ausdehnung der Tarifmacht über den eigenen Mitgliederkreis hinaus wird in der Literatur häufig entgegengehalten, eine entsprechende gesetzliche Regelung verstoße gegen die negative Koalitionsfreiheit der Außenseiter.83 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts84 und des Bundesarbeitsgerichts85 wird das Legitimationsproblem jedoch nur im Rahmen des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips behandelt.

1. Grundlage der negativen Koalitionsfreiheit Das Bundesverfassungsgericht führt in ständiger Diktion aus, dass die Koalitionsfreiheit als individuelles Freiheitsrecht auch „das Recht des Einzelnen, einer Koalition fernzubleiben“, umfasse.86 Eine dogmatische Herleitung zur Begründung bleibt es indes schuldig, auch wenn offensichtlich davon ausgegangen wird, dass die negative Koalitionsfreiheit als Teil der Grundrechtsgarantie aus Art. 9 Abs. 3 GG bestehe.87 81 Dagegen zuletzt noch: Gester AuR 1963, 108. Diese Ansicht entsprach in der Weimarer Zeit der damals herrschenden Meinung, wird mittlerweile jedoch nicht mehr vertreten. Da sie als überholt betrachtet werden dürfte, wird sie nicht weiter behandelt. Dazu eingehend: Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 15 ff., 25 ff. 82 Auch Zachert (in: Kempen/Zachert/Zilius, TVG, Einl. Rn.114 ff., 117), der eine negative Koalitionsfreiheit als Rechtsreflex der positiven Koalitionsfreiheit grundsätzlich ablehnt, pflichtet dem BVerfG bei, wenn dieses die „Freiheit des Austritts und des Fernbleibens“ als Element der Gewährleistung von Art. 9 Abs. 3 GG bezeichnet. 83 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 318 ff.; Kraft, ZfA 1973, 243, 248 f.; Püttner, BB 1987, 1122, 1125; Reuter, DZWir 1995, 353, 360; Richardi, Kollektivgewalt, S. 246, Schwarze, Betriebsrat, S. 194 ff. 84 BVerfGE 64, 208 ff.; vgl. a.: E 20, 214 f.; E 50, 367; E 55, 21; E 73, 261, 270; E 92, 365, 393; E 93, 352, 357. 85 BAGE 64, 368, 383.; allgemein: BAGE 20, 175, 213 ff.; E 54, 113, 127 f. 86 BVerfGE 20, 312, 321 f., E 50, 367; E 55, 21. 87 BVerfGE 20, 312, 321 f., E 50, 367; E 55, 21; E 73, 261, 270; E 92, 365, 393; E 93, 352, 357.

III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit

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Im Schrifttum variiert die Begründung. Es haben sich nach Inkrafttreten des Grundgesetzes im Wesentlichen zwei Ansichten entwickelt: Einerseits wird die Grundlage der negativen Koalitionsfreiheit in der allgemeinen Handlungsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG gesehen, zum anderen wird sie direkt aus Art. 9 Abs. 3 GG abgeleitet. a) Negative Koalitionsfreiheit als Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit Teilweise88 wird die negative Koalitionsfreiheit aus Artt. 2 Abs. 1 i. V. m. 9 Abs. 3 GG bzw. aus Art. 9 Abs. 1 GG89 entwickelt. Gegen einen unmittelbaren Schutz durch Art. 9 Abs. 3 GG spreche sowohl der Wortlaut als auch die historische Entwicklung.90 Auch die Entstehungsgeschichte von Art. 9 Abs. 3 GG zeige, dass dadurch ein Schutz einer negativen Koalitionsfreiheit gerade nicht beabsichtigt sei.91 Zudem sei der Schutzzweck von Art. 9 Abs. 3 GG im Verhältnis zum Außenseiter nicht einschlägig. Die besondere Privilegierung trage dem Umstand Rechnung, dass der zum Gewerkschaftsbeitritt Entschlossene sich stets dem Druck des Arbeitgebers ausgesetzt sehe.92 Da aber nur die positive Koalitionsfreiheit ein Mittel zu Selbstbestimmung sei, der Außenseiter darauf aber gerade verzichte, könne dieser die Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen durch das bloße Fernbleiben weder wahren noch fördern.93 Die negative Koalitionsfreiheit sei nur Ausdruck eines „zügellosen extremen Individualismus“94, eines „geradezu privatistischen Egoismus“95, eines „Schmarotzertums“ bzw. eines „nicht 88 Arndt, Festgabe für Kunze, S. 265; Biedenkopf, JZ 1961, 346, 352; ders., Tarifautonomie, S. 93 ff.; Galperin in: FS für Bogs, S. 87, 92 ff.; Gamillscheg, Differenzierung, S. 53 ff.; ders., Koalitionsfreiheit, S. 64; ders., BB 1967, 45, 47; Heiseke, RdA 1960, 199, 201 ff.; Heußner, JZ 1960, 295 ff.; Leventis, Differenzierungsklausel, S. 48 f.; Hueck/Nipperdey, AR Bd. II/1, S. 156 ff.; Ritter, JZ 1969, 111, 113; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 22 ff., 35 ff.; Söllner, ArbR, S. 55. 89 Däubler, Negative Koalitionsfreiheit?, S. 34 ff.; ders., TVR, 1. Aufl., Rn 174. 90 Vgl. Hueck/Nipperdey (AR Bd. II/1, 118 ff., 156) unter Hinweis auf die Aufhebung des § 153 GewO durch Gesetz vom 22. Mai 1918, in dem der Einzelne weitgehend vor den Koalitionen geschützt wurde, indem Gewalt oder Druck zum Gewerkschaftsbeitritt unter Strafe gestellt waren. 91 Vgl. Hueck/Nipperdey (AR Bd. II/1, S. 118 ff., 156) unter Hinweis auf die Streichung des zunächst vorgesehenen Verbotes, einen Zwang zum Beitritt auszuüben. 92 Der Außenseiter sei der „natürliche Verbündete“ des Arbeitgebers, so: Däubler, Negative Koalitionsfreiheit?, S. 34. 93 Däubler, TVR, 1. Aufl., Rn 174.; Schmidt-Eriksen, Tarifvertragliche Betriebsnormen, S. 175. 94 Säcker, Koalitionfreiheit, S. 22. 95 H. Maier, Grundrechte, S. 47; ähnlich: Kröger, AöR 88, 121, 142.

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

schutzwürdigen Einzelgängertums“.96 Vor allem würde als Folge einer Gewährleistung durch Art. 9 Abs. 3 GG die umfassende Drittwirkungsgarantie des Satzes 2 Anwendung finden. Das könne dazu führen, dass Maßnahmen, die für die koalitionsspezifische Betätigung unerlässlich seien – wie z. B. die Mitgliederwerbung oder Bedingungen für einen Verbandsaustritt – als rechtswidriger Eingriff in die „negative Koalitionsfreiheit“ gewertet werden könnten.97 Damit könne es sogar zu einer Art allgemeinen Verbindlichkeit von Tarifverträgen kommen.98 Die negative Koalitionsfreiheit sei darüber hinaus keineswegs eine „quasi-mechanistische Konsequenz“ aus der positiven Koalitionsfreiheit, was sich insbesondere durch einen Blick über die nationalen Grenzen belegen lasse.99 Da zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit ein unaufhebbarer Gegensatz bestehe, könne sich der Schutz letzterer somit nur aus der allgemeinen Handlungsfreiheit ergeben.100 b) Schutz der negativen Koalitionsfreiheit in Art. 9 Abs. 3 GG Die aber wohl herrschende Meinung leitet die negative Koalitionsfreiheit direkt aus Art. 9 Abs. 3 GG ab.101 Dem hat sich das Bundesarbeitsgericht angeschlossen.102 In der Begründung stützen sich sowohl die herrschende Meinung in der Literatur als auch das Bundesarbeitsgericht im Wesentlichen auf das Argument der „logischen Ableitung“.103 So sei die negative Koali96 Biedenkopf, JZ 1961, 346, 352; Galperin in: FS für Bogs, S. 87, 92 ff.; Löwisch/Rieble in: MünchArbR § 245 Rn. 53. 97 vgl. Hueck/Nipperdey, AR Bd. II/1 S. 157. 98 Däubler, Negative Koalitionsfreiheit?, S. 37 f. 99 Schmidt-Eriksen, Tarifvertragliche Betriebsnormen, S. 174 (Fn 111). 100 Galperin in: FS für Bogs, S. 92; ähnlich: Hueck/Nipperdey, AR Bd. II/1, S. 118. 101 Bettermann in: Festschrift für Nipperdey II, S. 723, 735; Bötticher, Waffengleichheit, S. 15; Dietz, Koalitionsfreiheit, S. 417, 453 ff.; Höfling in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 65; E. R. Huber, WirtschaftsVerwR II, S. 81 ff.; Kemper in: M/K/S, GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 219; Lerche, Zentralfragen, S. 25; Löwer in: v. Münch, GG, Art. 9 Rn. 79; Löwisch, TVG, Grundl. Rn. 11, 158 f.; May, Bindung von Außenseitern S. 123; Hensche, ZAS 1969, 81, 85 ff.; ders. in: Negative Koalitionsfreiheit, S. 18; Monjau in: Festgabe für Küchenhoff, S. 121, 122 ff.; v. Münch in: BK, GG, Art. 9 GG, Rn. 114; Neumann, DB 1967, 1545, 1546 ff.; Richardi, ZfA 1970, 85, 90; Scheuner, Koalitionsfreiheit, S. 38; Scholz, RdA 1970, 210 211; ders., Koalitionsfreiheit, S. 41 f.; ders., in: M/D/H/S, Art. 9 GG, Rn. 221, 226 ff.; Seiter, AöR 109, 88, 101 f.; Weber, Tarifautonomie, S. 11; ders., in: Koalitionsfreiheit, S. 12; Wiedemann, TVG, Einl. 87; Zöllner, Rechtsnatur, S. 22; ders., Differenzierungsklauseln, S. 25 ff.; ders., RdA 1962, 453, 458; Zöllner/Seiter, ZfA 1970, 97, 108. 102 Zunächst noch als obiter dictum in: BAGE 19, 217, 227; später mit ausführlicher Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Positionen in der Literatur in: BAGE 20, 175, 213 ff.

III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit

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tionsfreiheit als das „logische/notwendige Korrelat“ zur positiven Koalitionsfreiheit104 bzw. als deren „selbstverständliche Kehrseite“105 vom Schutzbereich des Art. 9 Abs. 3 GG umfasst.106 Die Freiheit, sich einem Verband anzuschließen, setze schon begrifflich voraus, dass man die Möglichkeit habe, ihm fernzubleiben.107 Ebenso sei anerkannt, dass in den Schutzbereich von Art. 9 Abs. 3 GG nur frei gebildete Koalitionen fallen. Freiwilligkeit in diesem Sinne liege aber nicht mehr vor, wenn man die Freiwilligkeit nur auf ein Wahlrecht zwischen mehreren bestehenden Koalitionen reduzieren würde108, der „Koalitionspluralismus“ sei dann nicht mehr gesichert.109 Dies werde besonders deutlich, wenn es sich um einen Wirtschaftszweig handele, in dem nur eine einzige Koalition bestehe. Es sei zwar zuzugeben, dass weder der Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 GG noch seine Entstehungsgeschichte oder die historische Entwicklung dieses Ergebnis nahelegen oder gar erzwingen würden110, andererseits ergebe sich daraus aber nichts Gegenteiliges.111 Schließlich habe sich auch der Schwerpunkt der Schutzrichtung von Art. 9 Abs. 3 GG vom einstigen individuellen Freiheitsrecht hin zur kollektiven Bestands- und Betätigungsgarantie verlagert.112 Die negative Koalitionsfreiheit sei mittlerweile notwendiger Teil des Individualrechtschutzes, ohne dass das Freiheitsrecht des Art. 9 Abs. 3 GG „insgesamt denaturiert würde“.113 Vor allem dürfe auf Art. 2 Abs. 1 GG als Auffangtatbestand nur zurückgegriffen werden, wenn kein spezielles Freiheitsgrundrecht auf diesem Gebiet vorhanden sei.114 Für die negative Koalitionsfreiheit stelle aber Art. 9 Abs. 3 GG die sachnähere Materie dar. Schon aus systematischen Gründen könne Art. 2 Abs. 1 GG nicht dazu dienen, eine positiv gewährte Spezialfreiheit zu negieren.115 103

Vgl. Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 48. Maunz, StR, S. 137; Scholz in Koalitionsfreiheit S. 42; ders. in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn 221. 105 Vgl. Oertmann, Deutsches Arbeitsvertragsrecht, S. 272. 106 Vgl. auch Badura, ArbRdGW 1978, 31; Hanau, JuS 1969, 216; Hensche, Negative Koalitionsfreiheit, 11 ff.; Kemper in: M/K/S, GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 219; Steinberg, RdA 1975, 99, 100 ff.; Wiedemann/Stumpf, TVG, Einl Rn. 87; Zöllner, Arbeitsrecht, S. 107. 107 Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 46; ähnlich: BAGE 20, 175, 214. 108 Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 48. 109 BAGE 20, 175, 214. 110 Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 46. 111 BAGE 20, 175, 217; ähnlich: Buchner TVG und Koalitionsfreiheit, S. 46. 112 May, Bindung von Außenseitern, S. 124. 113 Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 226. 114 Nipperdey, Grundrechte, S. 741, 761; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 367 ff. 115 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 64 f. Fn. 9. 104

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

c) Differenzierende Ansätze Zwischen diesen beiden Grundpositionen gibt es noch weitere Alternativbzw. Mischansätze. Teilweise wird danach differenziert, inwiefern der Außenseiter grundsätzlich koalitionswillig ist und nur aus politisch-ideellen Erwägungen einer bestimmten Koalition fernbleibt oder gänzlich koalitionsunwillig ist und schlicht jeglicher kollektiven Organisation fernzubleiben gedenkt.116 Zum Teil117 wird auch danach unterschieden, ob der Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit in einer Behinderung der Mitglieder, aus der Koalition auszuscheiden (Innenverhältnis), besteht oder die Beziehung der Koalition zu Nichtmitgliedern (Außenverhältnis) betrifft. So sei der Konflikt zwischen dem Mitglied und der Koalition privatrechtlicher Natur und nur insofern seien die unterschiedlichen Interessen gleichberechtigt.

2. Stellungnahme Die Auseinandersetzung mit den Hauptargumenten für den „relativen“ bzw. „absoluten“ Schutz der negativen Koalitionsfreiheit durch Art. 9 Abs. 3 GG (Wortlaut, Entwicklung, Entstehung, logische Ableitung) führt zu keinem eindeutigen Ergebnis.118 Insbesondere dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 GG ist für diese Frage wenig Aussagekraft beizumessen, wie sich bereits für die Bestimmung des Schutzbereichs des positiven Kollektivgrundrechts gezeigt hat.119 a) Differenzierende Ansätze zur negativen Koalitionsfreiheit Die zuletzt beschriebenen differenzierenden Mischformen werden zu Recht wegen der damit verbundenen Rechtsunsicherheit bzw. der erforderlichen Offenbarungspflicht über die Koalitionswilligkeit als unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht abgelehnt.120 Die Differenzierung nach dem Grund des Fernbleibens ist zudem für die Verbürgung grundrechtlicher Freiheitsrechte ebenso untypisch und systemfremd wie eine Unterscheidung nach „innerer“ und „äußerer“ Koalitionsfreiheit.121 Für derartige Unterscheidungen ist kein überzeugender sachlicher Grund ersichtlich.122 116 Krüger, Gutachten für den 46. DJT, Bd. I/1, S. 79 f.; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 36. 117 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 44 f. 118 Hellermann, Die sog. negative Seite der Freiheitsrechte, S. 43 m. w. N. 119 Vgl. o. D.III.2. 120 BAGE 20, 175, 215; Richardi, ZfA 1970, 85, 90; Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 64. 121 Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 105 ff.

III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit

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b) Aufgabe der Kernbereichslehre durch das Bundesverfassungsgericht Die Diskussion über Voraussetzungen und Grenzen der tarifautonomen Regelungsbefugnis in Literatur und Rechtsprechung stand in der Vergangenheit unter dem Einfluss der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten sog. „Kernbereichslehre“. Diese Rechtsprechung ist in jüngster Zeit allerdings „in Bewegung geraten“.123 aa) Inhalt der Kernbereichslehre Nach der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten sog. „Kernbereichslehre“ ist den Koalitionen nur ein „Kernbereich“ koalitionsmäßiger Tätigkeit verfassungsrechtlich garantiert. Umfasst wurden somit diejenigen Tätigkeiten, für die die Koalitionen gegründet wurden und die für die Erhaltung und Sicherung ihrer Existenz bzw. zur Erreichung des Koalitionszweckes als unerlässlich betrachtet werden müssen.124 Der Kernbereich sei deckungsgleich mit der äußersten Grenze des Schutzbereiches und somit anders als im Sinne der Wesensgehaltstheorie125 zu verstehen, da kein gleichfalls schutzwürdiger Randbereich besteht.126 Darin kommt ein statisches, restriktives Verständnis127 eines absolut geschützten Kernbereichs zum Ausdruck. bb) Abwägungsformel Dem herkömmlichen Grundrechtsverständnis von der Gewährleistung einer umfassenden Betätigungsfreiheit mit der entsprechenden Schrankensystematik folgt das Bundesverfassungsgericht dagegen, wenn es feststellt, dass dem Betätigungsrecht der Koalitionen nur solche Grenzen gezogen werden, die zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten sind.128 Dabei wird ein eng am allgemeinen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz129 orientierter Maßstab deutlich.130 122

Meik, Kernbereich der Tarifautonomie, S. 124. Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 103. 124 BVerfGE 4, 96, 108; E 17, 319, 333; E 18, 18, 27; E 28, 195, 304 f.; E 38, 281, 305; E 50, 290, 368; E 57, 220, 246 f.; E 58, 233, 247; eingehend: Heise, Zulässigkeit, S. 158 ff. 125 Vgl. Hendrichs in: v. Münch, GG, Art. 19 Rn. 25. 126 Zum Schlagwort vom „Kern ohne Schale“: Hanau, ZIP 1996, 447; Isensee, Die Zukunft der sozialen Partnerschaft, S. 157, 172. 127 Thüsing, Anm. zu EzA Nr. 60 zu Art. 9, S. 9, 10. 128 BVerfGE 19, 303, 322; E 28, 295, 306; E 50, 290, 368; E 57, 220, 246 f.; E 58, 233, 247; E 92, 26, 41, 45. 123

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

cc) Verhältnis zwischen Abwägungsformel und Kernbereichslehre Offensichtlich hat das Bundesverfassungsgericht keinen Widerspruch zwischen diesen beiden Thesen gesehen131, da es teilweise versucht hat, diese beiden Formeln nebeneinander zu stellen132 bzw. sogar miteinander zu verbinden: Der Kernbereich werde angetastet und dadurch Art. 9 Abs. 3 GG verletzt, wenn die Koalitionsbetätigung einer nicht durch die Sache selbst geforderten Schranke unterworfen wird.133 In dieser Äußerung kommt ein umfassend zu verstehender Schutzbereich mit einem relativ zu bestimmenden Kernbereich zum Ausdruck. Wenn durch Art. 9 Abs. 3 GG aber nur ein Kernbereich geschützt ist, eine von der Sache her gebotene Schranke aber keinen unzulässigen Eingriff in den Kernbereich darstellt134, dann bestimmt sich der Kernbereich der Koalitionsfreiheit ausschließlich nach der Gebotenheit der aufgestellten Schranke. Die so gewählte Verbindung von Abwägungsformel und Kernbereichslehre führt dazu, dass der Kernbereich koalitionsgemäßer Betätigung sich ausschließlich in der konkreten Situation unter Abwägung der betroffenen Interessen bestimmen lässt und ein absolut geschützter eingriffsfester Bereich der Koalitionsfreiheit nicht bestimmbar ist.135 Auf eine derartige Bestimmung hat sich das Bundesverfassungsgericht bisher aber nicht festlegen müssen.136 Damit stellt die Kernbereichslehre eine Art grundrechtsimmanente Wesensgehaltsgarantie dar. Letztlich verträgt sich diese Sichtweise aber nur schwer mit dem absolut zu verstehenden Unerlässlichkeitskriterium der Kernbereichslehre. dd) „Klarstellung“ der Kernbereichslehre Mit dem „Aussperrungsbeschluss“137 deutete sich eine erste Änderung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Schutzbereichsyste129 Eingehend zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (legitimer Zweck, Geeignetheit, Erforderlichkeit, Angemessenheit) siehe: Bleckmann, JuS 1994, 177 ff. 130 Vgl. BVerfGE 92, 26, 41, 45. 131 Kritisch: Gamillscheg, AR Bd. I, 227 ff.; Fahrmann/Coen in: HdbVfR, S. 851 ff.; Konzen, SAE 1991, 335, 338 f.; ders., SAE 1996, 202, 220; Schwarze, JuS 1994, 653, 655; Thüsing, Anm. zu EzA Nr. 60 zu Art. 9, S. 9, 12. 132 BVerfGE 28, 295, 306; E 50, 290, 368; E 57, 220, 246 f.; E 58, 233, 247; E 92, 26, 41 ff. 133 BVerfGE 19, 303, 322. 134 Vgl. BVerfGE 19, 303, 322. 135 Vgl. Thüsing, Anm. zu EzA Nr. 60 zu Art. 9, S. 9. 136 Vgl. BVerfGE 84, 217, 228: Der Fall gibt keinen Anlass, die Grenze eines unantastbaren „Kernbereiches“ der Koalitionsfreiheit näher zu bestimmen.

III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit

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matik des Art. 9 Abs. 3 GG an. Ausdrücklich äußert sich das Bundesverfassungsgericht zur Kernbereichslehre in seinem Beschluss zur Zulässigkeit von gewerkschaftlicher Mitgliederwerbung im Betrieb vom 14. November 1995138, in dem es die missverständlichen Formulierungen früherer Entscheidungen bei der Schutzbereichsbestimmung139 „klarstellt“. In Wirklichkeit liegt jedoch darin eine deutliche Abkehr von der eigenen Kernbereichslehre. So wird der Schutzbereich nicht mehr auf den Kernbereich des für die Koalitionsbetätigung Unerlässlichen beschränkt, sondern dieser Schutz auch auf die koalitionsmäßige Betätigung außerhalb des Kernbereichs und damit auf alle Verhaltensweisen ausgedehnt, die koalitionsspezifisch sind.140 Ein Eingriff in diesen Schutzbereich kann allerdings durch hinreichend gewichtige, grundrechtlich geschützte Belange gerechtfertigt sein.141 ee) Konsequenzen für die Bestimmung der Grenzen der negativen Koalitionsfreiheit Mit der zu Art. 9 Abs. 3 GG entwickelten Kernbereichslehre wurden die grundrechtsdogmatischen Elementarkategorien von Grundrechtstatbestand und Grundrechtsschranke, von verfassungsgeschütztem Verhalten und freiheitsverkürzendem Eingriff für Art. 9 Abs. 3 GG weitgehend aufgelöst.142 Die Aufgabe der Kernbereichslehre143 verdeutlicht jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht die Koalitionsfreiheit nunmehr der gleichen allgemeinen Grundrechtssystematik unterwirft, wie sie für andere vorbehaltlos gewährte Freiheitsrechte entwickelt worden ist.144 Diese augenscheinliche Annäherung an die anderen Freiheitsgrundrechte ist für die Bestimmung des Schutzbereiches von Art. 9 Abs. 3 GG bedeutsam. Denn wenn die Kernbereichslehre bislang mit dazu beigetragen hat, dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit einen gewissen Sonderstatus gegenüber anderen Freiheiten einzuräumen, wird die Koalitionsfreiheit nun in die allgemeine Grundrechtsdogmatik eingegliedert. Gerade in Zweifelsfragen kann somit auf einen 137

BVerfGE 84, 212, 228. BVerfGE 93, 352 ff. 139 Wiedemann (TVG, Einl. Rn. 107) verortet dieses Problem als Änderung der Schrankensystematik. Indem die Kernbereichslehre aber den Kernbereich als äußerste Grenze des grundrechtlichen Schutzes bestimmt, handelt es sich tatsächlich um ein Problem des Schutzbereichsumfanges. 140 BVerfGE 94, 268, 283. 141 BVerfGE 94, 268, 284. 142 Höfling in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 71. 143 BVerfGE 93, 352 ff. 144 Heilmann, AuR 1996, 121 f.; Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 108; Thüsing, Anm. zu EzA Nr. 60 zu Art. 9, S. 9, 12. 138

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

Vergleich mit anderen Freiheitsrechten zurückgegriffen werden. Dies trägt zur „dogmatischen Präzisierung von Art. 9 Abs. 3 GG“145 bei. Die Kernbereichslehre hat ihre Funktion indes nicht vollkommen verloren. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht ihre ursprüngliche Bedeutung als Formel zur Bestimmung des Schutzbereiches der Koalitionsbetätigungsfreiheit aufgegeben. Allerdings kann die Kernbereichslehre künftig dazu herangezogen werden, den grundrechtsspezifischen Wesensgehalt der Koalitionsbetätigungsfreiheit im Sinne einer Schranken-Schranke zu bestimmen.146 Der Kernbereich der Tarifautonomie ist dabei für jeden Regelungsbereich gesondert zu ermitteln.147 Ähnlich wie bei der bereits dargestellten Diskussion über Voraussetzungen und Grenzen der tarifautonomen Regelungsbefugnis148 ist die Kontroverse über die negative Koalitionsfreiheit noch wesentlich von der Kernbereichslehre des Bundesverfassungsgerichts geprägt.149 Danach sollte die Koalitionsfreiheit nur für den Kernbereich der Grundrechtsbetätigung ihren Schutz entfalten, der für Erhaltung und Sicherung der Existenz der Koalition bzw. zur Erreichung des Koalitionszweckes als unerlässlich betrachtet wird.150 So wie die positive Koalitionsfreiheit im Sinne der Kernbereichslehre auf das Unerlässliche beschränkt wurde151, hat das Bundesverfassungsgericht die negative Koalitionsfreiheit entsprechend restriktiv als den Schutz vor einem unzulässigen Beitrittsdruck beschrieben.152 Die Kernbereichslehre, die eigentlich nur auf die positive Koalitionsfreiheit angewendet wurde, fand auch für die negative Koalitionsfreiheit insofern eine Entsprechung, als der Schutz auf das für die negative Koalitionsfreiheit Unerlässliche erstreckt wurde.153 Mit der Aufgabe der Kernbereichslehre durch das Bundesverfassungsgericht154 ist die „Koalitionsfreiheit als normales Grundrecht“155 derselben 145

Thüsing, Anm. zu, EzA Nr. 60 zu Art. 9, S. 9, 13, 15. Problemtatisch ist daher, wenn Gamillscheg (AR, Bd. I, S. 230) die Wesensgehaltsgarantie von Art. 19 Abs. 2 GG auf die Freiheit der ausdrücklich normierten Koalitionsbildung beschränkt und der Kernbereichslehre für die Koalitionsbetätigungsfreiheit eine eigenständige Bedeutung zubilligt. 147 Herschel, Verhandlungen zum 46. DJT, Bd. II/2 D 7, D 31. 148 Vgl. A.I.3., D.II.1. 149 BVerfGE 29, 295, 303 m. w. N.; E 51, 77, 88; E 58, 233, 247; E 73, 261, 270; ebenso: BAGE 64, 368, 383. 150 BVerfGE 4, 96, 108; E 17, 319, 333; E 18, 18, 27; E 28, 195, 304 f.; E 38, 281, 305; E 50, 290, 368; E 57, 220, 246 f.; E 58, 233, 247. 151 Vgl. Dütz, AR, Rn. 478. 152 BVerfGE 20, 312, 321 f. 153 BVerfGE 29, 295, 303; E 51, 77, 88; E 58, 233, 247; E 73, 261, 270; ebenso: BAGE 64, 368, 383. 154 BVerfGE 94, 268, 283. 146

III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit

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allgemeinen Grundrechtssystematik anderer vorbehaltlos gewährter Freiheitsrechte unterworfen.156 Diese „Rückführung“ in die allgemeine Grundrechtssystematik ist für die positive Koalitionsfreiheit bereits erfolgt, indem das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich „klarstellt“, dass sich der grundrechtliche Schutz gerade nicht auf einen Kernbereich beschränkt.157 In der Diskussion um die negative Koalitionsfreiheit ist diese Rechtsprechungsänderung jedoch bislang nicht berücksichtigt worden. Die negative Koalitionsfreiheit ist daher losgelöst von der bisherigen restriktiven, speziell für Art. 9 Abs. 3 GG entwickelten Rechtssprechung des Schutzbereiches durch das Bundesverfassungsgericht im größeren verfassungsrechtlichen Kontext zu betrachten: c) Negative Seite als Bestandteil von Freiheitsrechten Die Grundrechtstheorie versteht unter einer „negativen Grundfreiheit“ das Recht, die Vornahme einer grundrechtlich geschützten positiven Handlung auch unterlassen zu dürfen, also von einer eingeräumten Handlungsmöglichkeit gerade keinen Gebrauch machen zu müssen.158 aa) Negativität und „status negativus“ Der Begriff der negativen Freiheit ist von dem sog. „status negativus“ abzugrenzen.159 Während letzterer lediglich die Funktion des Grundrechts als Abwehrrecht gegenüber dem Staat bezeichnet160, stellt erstere „die negative Seite“161 bzw. „negative Komponente“162 der Grundfreiheit dar, betrifft also eine Form ihrer „Ausübung“. Die Notwendigkeit einer Differenzierung wird klar, wenn man berücksichtigt, dass auch eine negative Freiheit einen „status positivus“ gegenüber dem Staat beinhalten kann, indem zum Beispiel ein 155

Heilmann, AuR 1996, 121 ff. Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 45; Födisch, RdA 1955, 88; Heilmann, AuR 1996, 121 f.; Thüsing, Anm. zu EzA 60 zu Art. 9, S. 9, 12; Wiedemann TVG Einl. 108. 157 BVerfGE 94, 268, 283. 158 Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 4 Rn. 54. 159 So aber: Currie, AöR 111, 230, 231 f. 160 Zum Begriff: Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 94 ff., 103; vgl. a.: Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 233 ff. 161 Jarass/Pieroth, GG, Art. 9 Rn. 5; ebenso: Randelzhofer in: BK, GG, Art. 11 Rn. 55. 162 Bleckmann, StR II, S. 286; Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 4 Rn. 54; Jarass/ Pieroth, GG, Vorb. vor Art. 1 Rn. 5; Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 43; Stern, StR III/1, S. 629. 156

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

Anspruch auf staatlichen Schutz der negativen Freiheit besteht.163 Festzuhalten bleibt demnach, dass „negative“ Grundfreiheiten jedenfalls nicht nach ihrer Funktion von „positiven“ abgegrenzt werden können. bb) Negative Grundfreiheit als freiheitliche Form der Grundrechtsausübung Aus der Abwehrfunktion der Grundrechte lassen sich – wie gezeigt – auch Rückschlüsse auf den Schutz der „negativen“ Grundfreiheiten ableiten. So werden Grundrechte als öffentlich-rechtliche Normen bezeichnet, „welche der Staat zum Zeichen der Anerkennung einer von seinen Funktionen unberührt bleibenden Freiheitssphäre der seiner Gewalt grundsätzlich unterstehenden Individuen (. . .) schafft“.164 Freiheitsrechte bezwecken den Schutz der „autonomen, eigenverantwortlichen Entscheidungsfähigkeit und -beliebigkeit des Freiheitsträgers“ vor staatlichem Zwang.165 Sie stellen „mehrdimensionale Verhaltensgarantien und nicht bloße eindimensionale Handlungsgarantien“ dar.166 Die staatliche Enthaltsamkeit hat sich nicht nur auf Verbote, sondern auch auf Gebote zu beziehen, da sonst die Freiheit von Zwang in Zwang zur Freiheit umschlagen kann.167 Jeder Freiheit ist daher eine negative Seite immanent.168 Das Unterlassen einer Handlungsmöglichkeit ist also nichts anderes als eine bestimmte Form der Ausübung einer Grundfreiheit. Übertragen auf die Koalitionsfreiheit bedeutet der Schutz ihrer negativen Komponente zugleich die Wahrung der formalen Organisationschance.169 Auch die negative Koalitionsfreiheit ist notwendig in Art. 9 Abs. 3 GG verankert und gewährleistet, dass nicht an die Stelle der erfolgreichen Werbung um die Unterstützung des gewerkschaftlichen Regelungsanliegens durch einen hinreichend großen Teil der (aktuellen und potentiellen) Belegschaft die rechtliche Zwangssolidarisierung der Außenseiter tritt.170 Positive und negative Koalitionsfreiheit lassen sich folglich nur theoretisch klar voneinander unterscheiden171: Mit dem Zwang, sich ei163

Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 25. Giese, Die Grundrechte, S. 76. 165 Stern, FamRZ 1976, 129; vgl. a.: Bauernfeind, Mitgliedschaft, S. 46. 166 Kemper in: M/K/S, GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 219; Merten, VerwArch 73, 103, 107; Schambeck in: FS Messmer, S. 469 ff.; Stern, FamRZ 1976, 129. 167 Merten, VerwArch 73, 103, 107. 168 Bethge, HdbStR Bd. VI, § 137 Rn. 16; Herzog in: M/D/H/S, GG, Art. 4 Rn. 54, 77; Hesse, Grundzüge, Rn. 288; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 42; Starck, M/K/S, GG, Art. 1 Rn. 171. 169 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 267. 170 Reuter, DZWir 1995, 353, 356. 171 Kemper in: M/K/S, GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 219. 164

III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit

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ner bestimmten Koalition anzuschließen, wird auch die positive Koalitionsfreiheit verletzt, weil dem Betroffenen die Möglichkeit genommen wird, einer anderen Koalition beizutreten.172 Die negative Koalitionsfreiheit sichert also die Ausübung der positiven Koalitionsfreiheit zusätzlich ab. Beide Gewährleistungen stehen in einer Wechselwirkung173, der Schutz der positiven Koalitionsfreiheit entspricht dem der negativen.174 d) Legitimatorische Notwendigkeit Die Mitgliedschaft ist für die tarifautonomen Regelungsbefugnisse nach der gesetzgeberischen Ausgestaltung die einzige legitimatorische Voraussetzung ihrer Anerkennung.175 Darüber hinaus sind weder demokratische Binnenstrukturen176 noch ein Koalitionspluralismus zwingend vorgeschriebene Elemente der tarifautonomen Legitimation177, auch wenn gerade letzterer durch das GG geschützt ist und ein plurales Koalitionswesen dem Leitbild des Grundgesetzgebers entspricht.178 Gemessen an den Erfordernissen demokratischer Legitimation bewegt sich die tarifautonome Legitimation an der unteren Grenze des aus Sicht des Demokratie- und Rechtsstaatsgebotes gerade noch Zulässigen. Um überhaupt noch die individuelle Selbstbestimmung als Regelungsgrundlage der Tarifautonomie zu gewährleisten, stellt die Garantie der freiheitlichen Entscheidung über die Mitgliedschaft in einer Koalition eine unabdingbare Grundvoraussetzung dar. Die negative Koalitionsfreiheit erfüllt dabei eine zentrale Aufgabe zur Sicherung dieser Entscheidungsfreiheit. So führt jede Beschränkung der negativen Koalitionsfreiheit automatisch zu einer Beeinträchtigung der Freiheit, eine eigene Koalition zu bilden bzw. einer anderen, noch nicht existenten beizutreten.179

172 Wagenitz, Tarifmacht, S. 43; vgl. a. Buchner, Tarifvertragsgesetz und Koalitionsfreiheit, S. 47 ff. 173 Hueck/Nipperdey, AR Bd. II/1, S. 159; Schüren, RdA 1988, 138, 140 f. 174 BAGE 20, 175, 215. 175 A.I.3.c)cc)(1). 176 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 174, 274 ff.; Wiedemann, TVG Einl. Rn. 344 m. w. N.; a. A.: Hueck/Nipperdey, AR Bd. II/1, S. 432; Kriele, VVDStRL 29, 46, 77; Ridder, Gewerkschaften, S. 18 ff.; Ramm, Willensbildung S. 117 ff.; Schüren, Legitimation, S. 227 ff. 177 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 90; Konzen, RdA 1978, 146, 154; Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 379. 178 Koopmann, Gewerkschaftsfusion, S. 197. 179 Dietz, Koalitionsfreiheit, S. 417, 456.

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

aa) Negative Koalitionsfreiheit als Ersatz eines Koalitionspluralismus In dem Maße, in dem die dem GG zu Grunde liegende Vorstellung eines Koalitionspluralismus zunehmend nicht mehr den Realitäten entspricht, ist ein umfassender Schutz der Entscheidungsfreiheit über den Koalitionsbeitritt für dessen Legitimationswirkung von besonderer Bedeutung.180 Jede Relativierung des Schutzes der negativen Koalitionsfreiheit würde die Tarifvertragsparteien weiter der Notwendigkeit entheben, die Außenseiterkonkurrenz durch eine möglichst allen betroffenen Interessen genügende Regelung zu verhindern. Damit aber der Mitgliedschaft überhaupt der Erklärungsgehalt als selbstbestimmte Unterwerfung zukommen kann, wird zutreffend darauf hingewiesen, dass die faktischen Mängel der Verbändevielfalt lediglich durch einen „Systemwettbewerb zwischen individueller und kollektiver Marktteilnahme“ kompensiert werden können.181 Eben in dieser Notwendigkeit liegt eine entscheidende Bedingung für die Richtigkeitsgewähr und damit die rechtsstaatliche Möglichkeit von Tarifautonomie.182 Nur eine negative Koalitionsfreiheit, die die unbeschränkte Chance sichert, durch eigene Verhandlungen mit dem Arbeitgeber andere (d.h. gleiche, bessere, aber auch – vermeintlich – schlechtere) Bedingungen vereinbaren zu können183 (sog. „vertikale Komponente des Gegenmachtprinzips“184), kann eine Art von Ersatz für das durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete System des Koalitionspluralismus185 darstellen. Die Freiheit der Außenseiter stellt mithin ein bedeutsames Gegengewicht zur Macht der Koalitionen dar.186 Gerade der freien Entscheidung, keiner Koalition anzugehören und seine Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen individuell zu regeln, kommt so entscheidende legitimationsstiftende Wirkung zu.187 180

Hanau, AuR 1988, 261, 264. Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1543 ff., 1898. 182 Reuter, DZWir 1995, 353, 356. 183 Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 60; Löwisch, RdA 1975, 51, 56. Zur Zulässigkeit von Rationalisierungsschutzabkommen: Koller, ZfA 1978, 45, 59 f., 74. Konzen (Ausperrungtaktik, S. 284) spricht von einem geschützten Interesse, im Weg des Einzelarbeitsvertrags seine Position im Arbeitsleben zu erringen. 184 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 636. 185 BAGE 20, 175, 215; Friese, Koalitionsfreiheit, S. 67; Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 65. 186 Koller, ZfA 1978, 45, 60; ähnlich: Zöllner, Differenzierungsklauseln, S. 50 f. Für einen funktionsfähigen Wettbewerb sind Außenseiter erforderlich, und zwar mit einem Marktanteil („kritische Grenze“) von mindestens 10 %, (vgl. Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 700). 187 Buchner, NZA 1989 Beilage 1, 2 f.; Dorndorf, AuR 1988, 1, 12; Plander, AiB 1988, 272, 274; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 700; Schüren, RdA 1988, 138, 139, 141. 181

III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit

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bb) Die legitimatorische Funktion der negativen Koalitionsfreiheit Häufig ist der Koalitionsaustritt die einzige Form, das mangelnde Einverständnis oder die Unzufriedenheit mit Zielen oder Mitteln der Koalitionsbetätigung zum Ausdruck bringen zu können.188 Außer dem Schutz vor einer Zwangsmitgliedschaft muss der Außenseiter aber auch und vor allem vor den Wirkungen der Koalitionsbetätigung geschützt werden.189 Der Mitgliedschaft kann nur dann legitimatorische Wirkung zukommen, wenn der Einzelne mit seiner Entscheidung für eine Mitgliedschaft tatsächlich und frei über die Unterwerfung unter die Normsetzung entscheidet. Erstreckt sich die Normsetzung einer Koalition vollkommen unabhängig von der individuellen Entscheidung auf den einzelnen Arbeitnehmer, fehlt es nicht nur ihm gegenüber an jeglicher Legitimation. Auch gegenüber den Mitgliedern ist die legitimatorische Funktion ihrer Mitgliedschaft fraglich, da damit gerade nicht zum Ausdruck kommt, dass sie sich der Normsetzung freiwillig unterwerfen.190 Eine freiwillige Unterwerfung unter eine fremde Normsetzung kann vielmehr nur dann unterstellt werden, wenn der Beitritt tatsächlich für die Anwendbarkeit von Tarifnormen ausschlaggebend ist. Jede Lockerung der Bindung der Normsetzungsbefugnisse von der mitgliedschaftlichen Legitimation ist somit nicht nur im Hinblick auf die Legitimation im Verhältnis zum Außenseiter unhaltbar, sondern stellt auch die legitimatorische Wirkung der Mitgliedschaft als individuelle Unterwerfungserklärung unter die Normsetzung der jeweiligen Koalition nachhaltig in Frage. Der effektive Schutz der negativen Koalitionsfreiheit ist also zur Gewährleistung der mitgliedschaftlichen Legitimation zwingend erforderlich und muss auch das Recht umfassen, „an der spezifischen Tätigkeit der Koalition in dem Bereich, der für die Koalition verfassungsrechtlich geschützt ist“191, nicht teilzunehmen und an der tarifautonomen Betätigung nicht teilzuhaben. Dies umso mehr, als die Wirkungen tarifautonomer Betätigung für den Einzelnen den wesentlich intensiveren Eingriff in die individuelle Selbstbestimmung darstellen.192 188 Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1547; Wiedemann/Stumpf, TVG 5. Aufl. Einl. Rn. 72. 189 So auch: Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 58. 190 Schüren, RdA 1988, 138, 141: sog. Responsivität; vgl. a.: A.I.2.b); A.I.3.c)cc); ähnlich: Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1155; Wiedemann, RdA 1969, 321, 331; Zöllner, RdA 1962, 453, 455 ff. 191 BVerfGE 19, 303, 312; E 28, 295, 304; E 44, 322, 352; E 51, 77, 87 f.; Löwer in: v. Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 79.; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1547. 192 Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 55 ff., 60; Feichtinger, Regelungsbefugnis, S. 35; Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 157; Söhn, AVE, S. 172; Wagenitz, Tarifmacht, S. 44; Zöllner, RdA 1962, 453, 458.

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

3. Der materielle Gehalt der negativen Koalitionsfreiheit a) Der materielle Gehalt in Rechtsprechung und Literatur Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts193 und des Bundesverfassungsgerichts194 beinhaltet die negative Koalitionsfreiheit, dass es jedermann frei stehe, einer Koalition fernzubleiben, und er auch nicht zum Eintritt in eine Koalition gedrängt oder entsprechender Druck auf ihn ausgeübt werden dürfe.195 Nach ganz einhelliger Ansicht sind nicht nur Regelungen unzulässig, durch die Arbeitnehmer unmittelbar „Mitglied einer Vereinigung i. S. v. Art. 9 Abs. 3 GG werden“, sondern bereits solche, durch die ein mittelbarer, sozial inadäquater Druck ausgeübt wird.196 Dabei sei die negative Koalitionsfreiheit – ebenso wie die positive Koalitionsfreiheit – nur in einem Kernbereich geschützt.197 Dieser Kernbereich werde nur angetastet, wenn ein gesetzgeberischer Eingriff nicht zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten sei.198 Einem legitimen und sozial adäquaten Druck dürften Arbeitgeber und Arbeitnehmer dagegen ausgesetzt werden.199 In ähnlicher Weise wird der materielle Gehalt der negativen Koalitionsfreiheit in großen Teilen der Literatur200 umrissen: Unmittelbare Normsetzung gegenüber Außenseitern soll die negative Koalitionsfreiheit solange nicht verletzen, wie dadurch kein unzulässiger Beitrittsdruck auf den Außenseiter ausgeübt wird. Die Grenzen des Zulässigen werden dabei höchst unterschiedlich beurteilt.201 Die Unterwerfung von Nichtmitgliedern unter Tarifnormen stellt nach dieser Auffassung für sich genommen (noch) keinen Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit dar.202 193

BAGE 12, 194 ff.; E 17, 59, 67 f.; E 20, 175, 213 ff.; E 54, 113, 127 f.; E 64, 368, 383. 194 BVerfGE 50, 290, 367; E 55, 7, 22; E 64, 208, 213 f. 195 Sog. Drucktheorie, BVerfGE 31, 297 ff., 302. 196 Abweichend: Fitting, BetrVG, § 3 Rn. 11. 197 BVerfGE 29, 295, 303; E 51, 77, 88; E 58, 233, 247; E 73, 261, 270; ebenso: BAGE 64, 368, 383. 198 So für die positive Koalitionsfreiheit: BVerfGE 50, 290, 369; E 57, 220, 246. 199 BAGE 20, 175, 226; vgl. a. BVerfGE 20, 312, 321 f. 200 Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 282 ff., 287; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, Rn. 169 ff.; Galperin, DB 1970, 298, 302; Höfling in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 65 m. w. N.; Kittner, AK Art. 9 Rn. 41; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 36; Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 226; Wonneberger, AVE, S. 62. 201 So stellen Differenzierungsklauseln für Nipperdey (Hueck/Nipperdey AR Bd. II/1, S. 166) einen „massiven Druck“, für Gamillscheg (Anerkennungsforderungen S. 29) einen „leisen, milden Druck“ dar. Teilweise wird auch für eine genaue Saldierung plädiert (Biedenkopf, JZ 1961, 346 ff).

III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit

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Ein anderer Teil der Literatur203 bestimmt demgegenüber den Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit seit jeher extensiv. So wird davon ausgegangen, dass die negative Koalitionsfreiheit auch die Freiheit umfasse, vor jeglicher Rechtsetzungsmacht der Tarifvertragsparteien verschont zu bleiben. b) Stellungnahme Mit der Aufgabe der Kernbereichslehre durch das Bundesverfassungsgericht dürfte dieses weite Schutzverständnis auch in der Rechtsprechung stärkere Berücksichtigung finden.204 aa) Maßgeblichkeit der positiven für die negative Koalitionsfreiheit Jeder Grundfreiheit ist zur Gewährleistung ihres freiheitlichen Charakters eine negative Dimension immanent. Diese Erkenntnis wird für Art. 9 Abs. 3 GG dadurch untermauert, dass die negative Koalitionsfreiheit eine unverzichtbare legitimatorische Funktion für die Zulässigkeit tarifautonomer Normsetzungsbefugnisse erfüllt. Für den Gewährleistungsumfang einer negativen Grundfreiheit ist damit der materielle Gehalt ihrer positiven Freiheit ausschlaggebend.205 Die Formel, dass einer Grundfreiheit der Schutz der negativen Freiheit der Grundrechtsgewährleistung nur dann immanent ist, wenn nicht nur die freie Entscheidung über das „Wie“, sondern auch über das „Ob“ einer Grundrechtsausübung geschützt wird206, erweist sich daher als problematisch. Denn zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit besteht gerade kein unaufhebbarer Gegensatz207, sondern eine Art untrennbare Wechselbeziehung.208 Die entscheidende Frage lautet, ob die Koali202

So ausdrücklich: Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 468. Bettermann in: FS für Nipperdey, Bd. II S. 723, 734 ff.; Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 101; Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 55 ff., 60; Ingelfinger, Arbeitsplatzgestaltung, S. 167 f.; Lieb, RdA 1967, 441, 442; Richardi, Kollektivgewalt, S. 224 f.; Schlüter in: FS für Lukes, S. 559, 561, 567 ff.; Schüren, RdA 1988, 138, 139; Schwarze, Betriebsrat im Dienste der Tarifvertragsparteien, S. 194 f.; Wagenitz, Tarifmacht, S. 44 f.; Zöllner, RdA 1962, 453, 458; ders., Rechtsnatur, S. 22 f. 204 Vgl. D.III.2.d)bb). 205 Zeidler (Recht auf Demonstration, S. 8) bezeichnet dies als die „Umkehrwirkung eines Grundrechts“. 206 Fenchel, Negative Informationsfreiheit, S. 24, 68; Starck in: M/K/S, GG, Art. 1 Abs. 3 Rn. 230; Stern, StR Bd. III/1, S. 629 f.: sog. Verhaltensfreiheit. 207 So aber: Galperin in: FS für Bogs, S. 92; ähnlich: Hueck/Nipperdey, AR Bd II/1, S. 118. 208 Schüren, RdA 1988, 138, 139. 203

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

tionsfreiheit die Entschließungsfreiheit umfassend schützt oder lediglich eine Art „Koalitionsauswahlfreiheit“ darstellt.209 bb) Fernbleiberecht als Korrelat der Vereinigungsfreiheit Neben dem Recht, eine Koalition zu bilden, wie es sich aus dem Wortlaut von Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG ergibt, schützt die positive individuelle Koalitionsfreiheit auch das Recht, einer bestehenden Koalition beizutreten.210 Der freiheitliche Charakter von Art. 9 Abs. 3 GG gebietet es, dass damit auch die Freiheit geschützt ist, einer Koalition nicht beizutreten.211 Art. 9 Abs. 3 GG gewährt also nicht nur die freie Entscheidung, wie der Einzelne seine Interessen kollektiv wahrnimmt (Koalitionsauswahlfreiheit), sondern auch, ob er sie kollektiv wahrnimmt.212 cc) Freiheit vor fremder Koalitionsbetätigung Ein Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit wird in der Rechtsprechung von Bundesverfassungsgericht und Bundesarbeitsgericht nur daraufhin geprüft, ob dadurch ein unzulässiger Beitrittsdruck erzeugt wird.213 Anders als bei anderen Grundrechten erschöpfte sich ihr materieller Gehalt in einem bloßen Fernbleiberecht.214 So wird insbesondere bei der mit der Koalitionsfreiheit als Freiheitsrecht durchaus vergleichbaren215 Religionsfreiheit als selbstverständlich unter209 Zöllner, Differenzierungsklausel, S. 25. So schützt Art. 6 Abs. 2 GG nicht das „Ob“, sondern nur das „Wie“ der Kindeserziehung. 210 Vgl. o. D. III.3.a). 211 H.M.: BVerfGE 50, 290, 367; E 55, 7, 22; E 64, 208, 213; BAGE 20, 175, 210 ff.; E 54, 113, 127 ff.; E 64, 368, 382 ff.; weitere Nachweise: Wiedemann, TVG, Einl. Rn. 294 Fn. 336; a. A.: Kittner, AK Art. 9 Rn. 41; vgl. D.III. 212 Vgl. Zöllner, Differenzierungsklausel, S. 25. 213 BVerfGE 31, 297, 302; E 44, 322, 352; E 50, 290, 367; E 55, 7, 21; E 57, 220, 254; E 64 208, 213; E 73, 261, 270; BAGE 20, 175, 213 ff.; E 54, 113, 127 f.; E 64, 368, 383; AP Nr. 1 zu § 3 TVG Betriebsnormen (Hanau). 214 Das Bundesverfassungsgericht scheint bei seiner Argumentation zu sehr der Grundannahme verhaftet zu sein, dass die strikte Bindung der normativen Regelungsbefugnisse an die Grenzen des eigenen Mitgliederbestandes einen ausreichenden Schutz des Außenseiters darstelle. Die Konfliktlage, die dadurch entsteht, dass diese Grenzen aufgegeben werden, bleibt bei der Diskussion, ob ein unzulässiger Druck zum Beitritt ausgeübt wird, offensichtlich unberücksichtigt. 215 Die Religionsfreiheit schützt außer der Bekenntnisfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG) und der ungestörten Religionsausübung (Art. 6 Abs. 2 GG) auch das Recht auf Gründung religiöser und weltanschaulicher Vereinigungen, vgl. Jarass/Pieroth, GG, Art. 4 Rn. 7.

III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit

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stellt, dass die ebenfalls geschützte negative Religionsfreiheit neben der Freiheit, eine religiöse und weltanschauliche Überzeugung abzulehnen216, vor allem auch das Recht, vor fremder Religionsausübung verschont zu bleiben, mitumfasst.217 Zudem besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass der Schutz der Koalitionsfreiheit neben der bloßen Mitgliedschaft auch die koalitionsmäßige Betätigung einschließt.218 Andererseits wird die negative Koalitionsfreiheit von einer verbreiteten Meinung219 auf das Recht auf Nichtmitgliedschaft reduziert. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass auch bei der negativen Koalitionsfreiheit die gleiche Gefährdungslage einer Aushöhlung besteht220, wie sie bereits bei der positiven Koalitionsfreiheit konzediert wurde. Aus diesem Grund ist es naheliegend221, auch den Gewährleistungsgehalt der negativen Koalitionsfreiheit entsprechend der Entwicklung für die positive Koalitionsfreiheit auf das „negative Koalitionsbetätigungsrecht“ auszuweiten, da sich ihr Schutz ansonsten darauf beschränken würde, keine Mitgliedsbeiträge entrichten zu müssen.222 Wenn das Bundesverfassungsgericht den Koalitionen einen korporativen Betätigungsschutz zusichert, so ist dessen Entsprechung das Recht des Einzelnen, vor dieser Koalitionsbetätigung verschont zu bleiben.223 Tatsächlich stellt die normative Wirkung von Tarifverträgen sogar eine stärkere Form der Beeinträchtigung des Außenseiters dar als die formale Mitgliederstellung.224 Die negative Koalitionsfreiheit muss somit auch die Freiheit umfassen, von der Normsetzung einer (fremden) Koalition verschont zu bleiben.225

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BVerfGE 41, 29, 49; E 52, 233, 241. BVerfGE 93, 1 ff.: In der Kruzifix-Entscheidung stellte die Frage, ob durch das Kruzifix ein unzulässiger Druck ausgeübt wird, einer bestimmten Religionsgemeinschaft beizutreten, keine maßgebliche Rolle. 218 BVerfGE 4, 96, 106; E 17, 319 ff. 219 Badura, ArbRdGgw Bd. 15, S. 31; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, Rn. 175; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 36. 220 Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 60; Feichtinger, Regelungsbefugnis, S. 35; Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 68 f. 221 So auch: Oetker in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 25. 222 Schüren, RdA 1988, 139, 142; ders., Legitimation, S. 570. 223 Zutreffend: May, Bindung von Außenseitern, S. 130. 224 Zöllner, RdA 1962, 453, 458. 225 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 99; Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 60 f.; Giesen, Rechtsgestaltung, S. 333; Reuter, DZWir 1995, 353, 356; Schlüter in: FS für Lukes, S. 559, 570 f.; Schüren, RdA 1988, 139, 142; Wagenitz, Tarifmacht, S. 44, Wiedemann, RdA 1969, 330; Zöllner, RdA 1962, 458; ders., Rechtsnatur S. 22; a. A.: Däubler, Grundrecht auf Mitbestimmung, S. 287; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 36. 217

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

Die genannten Bedenken werden von den Anhängern einer restriktiven Auslegung der negativen Koalitionsfreiheit226 unter Hinweis auf die der positiven Koalitionsbetätigungsfreiheit immanente Ordnungsaufgabe zurückgewiesen. Aus diesem Grund besitze die positive gegenüber der negativen Koalitionsfreiheit einen „Funktionsvorrang“.227 Bei dieser Argumentation wird jedoch pauschal unterstellt, dass ein umfassender Schutz der negativen Koalitionsfreiheit es ausschließen würde, Bedingungen für einen Verbandsaustritt zu stellen oder dass jegliche Form der Mitgliederwerbung verboten sei.228 Tatsächlich lässt sich der Koalitionsfreiheit aber weder eine Ordnungsaufgabe zuordnen229, noch ist es zutreffend, dass im Kollisionsfall einem von zwei Grundrechtselementen der absolute Vorrang einzuräumen ist.

4. Negative Koalitionsfreiheit der Andersorganisierten Der materielle Gehalt der negativen Koalitionsfreiheit besteht unabhängig von der Grundrechtsträgerschaft. Nicht nur der nichtorganisierte Arbeitnehmer, der seine Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen individuell regeln will, auch der anders organisierte Arbeitnehmer muss sich auf die negative Koalitionsfreiheit berufen können. Dies gilt insbesondere für das Recht, von fremder Normsetzung verschont zu bleiben. So besteht der Sinn, einer bestimmten Koalition beizutreten, gerade darin, an deren – und zwar nur an deren – Normsetzung zu partizipieren. Dieser Zweck wäre konterkariert, wenn der anders organisierte Arbeitnehmer unabhängig von seiner Mitgliedschaft den Normen einer konkurrierenden Koalition unterworfen werden könnte. Die Reduzierung der Prüfung einer Verletzung der negativen Koalitionsfreiheit darauf, ob ein unzulässiger Wechsel- bzw. Beitrittsdruck230 ausgeübt wird, versagt, wenn die Wirkungen einer Tarifnorm für den Normunterworfenen unabhängig von dessen Mitgliedschaft eintreten. Die Argumentation, in diesem Fall könne der Normunterworfene ein Interesse am Koalitionswechsel haben, um auf diese Normsetzung Einfluss zu nehmen, scheitert bereits an der unvollkommenen Einflussnahmemöglichkeit des 226 Badura, ArbRdGegw Bd. 15, 17, 31; Däubler/Hege, Koalitionsfreiheit, Rn. 175; Hesse, Grundzüge, S. 111; Hueck/Nipperdey, AR, Bd. II/1, S. 157; Säcker, Koalitionsfreiheit, S. 36; Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 226. 227 Wonneberger, AVE, S. 60 f. 228 So: Hueck/Nipperdey, AR, Bd. II/1, S. 157. 229 Vgl. A.I.2.c)bb). 230 Tatsächlich würde nur der Zwang zum wechselbedingten Austritt einen Eingriff in das positive Mitgliedschaftsrecht darstellen. Der bloße Beitrittsdruck allein beeinträchtigt dagegen für sich genommen noch nicht das Recht, einer anderen Koalition anzugehören; vgl. D.II.2.

III. Schutzbereich der negativen Koalitionsfreiheit

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Einzelnen.231 Als typisches Merkmal für das Vorliegen von Normsetzung wurde gerade diese Unabhängigkeit vom Individualwillen des Einzelnen festgestellt. Dieser wird bei der Tarifautonomie durch den Unterwerfungswillen zur Gewährleistung einer autonomen Selbstbestimmung ersetzt. Es zeigt sich, dass auch bzw. gerade bei Andersorganisierten die negative Koalitionsfreiheit notwendigerweise vom Gewährleistungsumfang des Art. 9 Abs. 3 GG mitumfasst ist und diese vor der Normsetzung anderer Koalitionen schützt.

5. Die negative Dimension der Kollektivgewährleistung Der unmittelbare Zusammenhang von positiver Grundrechtsgewährleistung und negativer Dimension und die Feststellung, dass negative Grundfreiheiten in keiner (unmittelbaren) Beziehung zur Grundrechtsträgerschaft stehen, führen unweigerlich zu der grundsätzlichen Frage, ob sich auch die Koalitionen selbst auf das Grundrecht der negativen Koalitionsfreiheit berufen können.232 Diese aus den zuvor entwickelten rechtstheoretischen Überlegungen folgende Notwendigkeit steht im fundamentalen Widerspruch zu der hinlänglichen Vorstellung, bei der negativen Koalitionsfreiheit handele es sich um eine die Koalitionsbetätigungsfreiheit bedrohende Gewährleistung. Auf der anderen Seite zwingt die Erkenntnis, dass jeder Grundfreiheit eine negative Dimension immanent ist, dazu, auch die kollektive Betätigungsfreiheit daraufhin zu untersuchen. Gegen eine solche negative Kollektivfreiheit wird angeführt, dass es den Koalitionen nicht frei stehen könne, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht zu wahren und zu fördern, ohne dass sie damit ihren Koalitionsstatus verlieren würden.233 Ebenso wie die individuelle Koalitionsfreiheit nicht das Recht schütze, eine Koalition zu bilden, die nicht die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen ihrer Mitglieder fördere, seien die Koalitionen nicht frei darin zu entscheiden, ob sie ihre Zwecksetzung aufgeben wollen. Damit wird allerdings vorausgesetzt, dass die Nichtausübung der Koalitionsbetätigungsfreiheit im konkreten Fall zwangsläufig den Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen der Mitglieder nicht förderlich ist. 231 Ist schon fraglich, ob sog. „demokratische Binnenstrukturen“ zur Mandatierung der Organe der Koalition erforderlich sind – dies wurde vom Verfasser bereits an anderer Stelle verneint –, so ist der individuelle Einfluss auf den Norminhalt auf die Freiheit beschränkt, diesen für sich als verbindlich zu akzeptieren oder aus der Koalition auszutreten und deren normative Wirkung für sich zukünftig auszuschließen. 232 So auch: Friese, Koalitionsfreiheit, S. 433. 233 Friese, Koalitionsfreiheit, S. 433.

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

Tatsächlich eröffnet sich bei näherer Betrachtung allerdings, dass die umfänglich geschützte Freiheit beispielsweise zum Abschluss von Tarifverträgen auch die Entscheidung darüber umfassen muss, überhaupt einen Tarifvertrag abzuschließen. Ein (staatlicher) Zwang zum Abschluss eines Tarifvertrages (mit einem beliebigen, insoweit selbstbestimmten Inhalt) würde schließlich keinen Verstoß gegen die positive Betätigungsfreiheit, sondern lediglich einen Eingriff in deren negative Dimension bedeuten.234 Der Schutz allein durch die positive Koalitionsbetätigungsfreiheit wäre daher nur unvollkommen, da ein Eingriff in diese voraussetzt, dass die funktionsgerechte Ausübung von Normsetzungsbefugnissen beeinträchtigt bzw. unmöglich gemacht wird.235 Ebenso wie auch bei der Individualfreiheit ist die negative Gewährleistung für einen umfassenden Schutz der kollektiven Betätigungsfreiheit somit erforderlich und eine fundamentale Voraussetzung für ihre funktionsgerechte Ausübung.

IV. § 3 BetrVG zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit 1. Eingriff in die negative Koalitionsfreiheit durch § 3 BetrVG § 3 BetrVG bindet nicht nur die Mitglieder der tarifvertragsschließenden Gewerkschaft, sondern auch die anders- und nichtorganisierten Belegschaftsmitglieder. Gerade die Gestaltung der Betriebsverfassungsorganisation stellt als Regelung über die Festlegung der Form der betrieblichen Mitbestimmung einen maßgeblichen Bereich der freiheitlichen Selbstbestimmung dar.236 Damit wird die Freiheit der Außenseiter beeinträchtigt, von der Normsetzung fremder Koalitionen verschont zu bleiben.237 § 3 BetrVG 234 Gerade im Fall von § 3 BetrVG kann es dem Interesse der Arbeitnehmer entsprechen, dass keine vom gesetzlichen Modell der betrieblichen Mitbestimmung abweichende tarifvertragliche Regelung getroffen wird. 235 Vgl. Friese, Koalitionsfreiheit, S. 255; vgl. o. D.II.4. Weder ein Abschlusszwang noch eine fremde Normsetzung mit Wirkung für die eigenen Mitglieder stellen einen derartigen Eingriff dar. Um ihre Normsetzungsbefugnisse gegenüber ihren Mitgliedern (zukünftig) zu erhalten wären die Koalitionen gezwungen, eine Tarifkonkurrenz durch Regelung desselben Sachverhalts herbeizuführen. Erst durch das Vorliegen einer Tarifkonkurrenz wäre dann ein Eingriff in das positive Betätigungsrecht feststellbar. 236 Die Ausführungen unter C.I.1. gelten hier entsprechend. 237 Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 99; Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 60 f.; Schüren, RdA 1988, 139, 142; Wagenitz, Tarifmacht, S. 44, Wiedemann, RdA 1969, 330; Zöllner, RdA 1962, 458; siehe oben: D.III.3.b)cc).

IV. § 3 BetrVG zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit

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greift somit in die negative Koalitionsfreiheit sowohl der Nicht- und Andersorganisierten als auch der anderen Koalitionen ein.

2. Rechtfertigung des Eingriffs a) Konkurrenz von negativer und positiver Koalitionsfreiheit Wichtigster Bestandteil der positiven Koalitionsbetätigungsfreiheit sind die tarifautonomen Normsetzungsbefugnisse.238 Zu einer Kollision von negativer Koalitionsfreiheit und positiver Koalitionsbetätigungsfreiheit kann es wegen der strikten Begrenzung der tarifautonomen Befugnisse auf den eigenen Mitgliederkreis239 nur dort kommen, wo es zu deren Ausübung einer Erstreckung ihrer Wirkungen auf Nichtmitglieder bedarf. Dies mit einer erweiterten Autonomie zu begründen, ist nicht zulässig.240 Auf dem Gebiet der Betriebsverfassung können Regelungsbefugnisse gegenüber der Betriebsbelegschaft nur einheitlich erfolgen (Postulat der Einheitlichkeit).241 Zwar ist auch die Betriebsverfassung zum sachlichen Regelungsgegenstand der Tarifautonomie zu rechnen. Die strikte Bindung der Regelungsbefugnisse an den eigenen Mitgliederbestand führt allerdings dazu, dass von den rein tarifautonomen Regelungsbefugnissen im Bereich der Betriebsverfassung praktisch gar nicht Gebrauch gemacht werden kann.242 Um die tarifautonomen Normsetzungsbefugnisse auf dem Gebiet der Betriebsverfassung nicht auf eine theoretische Regelungschance zu reduzieren, ist ein Ausgleich zwischen der Betätigungsfreiheit der regelungswilligen Koalition und der negativen Koalitionsfreiheit der übrigen Belegschaftsangehörigen zu finden.243 Teilweise wird auch das Sozialstaatsprinzip als heranzuziehende Abwägungsposition für die Koalitionsbetätigungsfreiheit angesehen, die eine Einschränkung der negativen Koalitionsfreiheit rechtfertigen könne.244 Das Sozialstaatsprinzip legitimiert den Gesetzgeber aber nur dazu, den Gedanken der Selbstbestimmung zu verwirklichen und so z. B. ein Recht der Mit238

A.I.2. A.I.3.c)cc). 240 BVerfG NJW, 1977, 2255, 2258; zustimmend: Reuter, DZWir 1995, 353, 356; vgl. o. C.I.3.c)bb). 241 Siehe dazu: C.I.3.c)aa). 242 BAGE 20, 175, 215 ff.; vgl. A.I.3.d); A.II.4. 243 Dietlein, AuR 1970, 203; Radke, RdA 1971, 111; Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 79. 244 Galperin in: FS für Bogs, S. 97; Otto, RdA 1973, 398, 399; Schnorr in: FS für Molitor, S. 236. 239

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D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

bestimmung zu schaffen.245 Eine rechtliche Bevormundung des Arbeitnehmers durch die Koalitionen kann so nicht gerechtfertigt werden.246 Es handelt sich also im Gegenteil um eine Gegenposition der Koalitionsbetätigungsfreiheit.247 Zudem wäre das Sozialstaatsprinzip ohnehin nicht in der Lage, rechtsstaatliche Grundsätze zu relativieren.248 b) Gleichrangigkeit von positiver und negativer Koalitionsfreiheit Die Kontroverse über die verfassungsrechtliche Grundlage der negativen Koalitionsfreiheit im Grundgesetz wird vor allem im Hinblick auf die unterschiedlichen Ergebnisse bei der Bestimmung des materiellen Gehalts und dessen Schutzintensität geführt.249 Der Schluss, dass zwei Ausprägungen einer Grundfreiheit, die durch das gleiche Grundrecht geschützt werden, automatisch den gleichen Schutz genießen, ist allerdings keineswegs zwingend.250 Dies zeigt sich an dem Beispiel der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und der sog. Stufentheorie.251 Nicht einmal die umgekehrte Schlussfolgerung, dass der Schutz der negativen Koalitionsfreiheit im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) zu einem Vorrang des Kollektivrechts führt, ist in dieser Absolutheit aufrecht zu erhalten.252 aa) Vorrang der positiven Koalitionsbetätigung Teilweise wird aus der Feststellung, dass der Grundrechtsschutz von Art.9 Abs. 3 GG nicht für alle koalitionsgemäßen Betätigungen gleich intensiv ist253, abgeleitet, dass die negative Koalitionsfreiheit nur dann entsprechend dem Grad der Freiheitlichkeit des positiven Koalitionsrechts ge245

Richardi in: Staudinger, BGB, vor §§ 611 Rn. 977 ff.; vgl. dazu: A.II.3.b). Zöllner, RdA 1962, 453, 458. 247 Vgl. A.II.3.b). 248 A. Wiedemann, Tarifnormen, S. 95; ebenso: Buchner, TVG und Koalitionsfreiheit, S. 69 f.; Wagenitz, Tarifmacht, S. 58 f. 249 Die Vertreter der Ansicht, die die negative Koalitionsfreiheit dem Schutz von Art. 9 Abs. 3 GG unterstellt, argumentieren danach für einen Gleichrang, während die Gegner dieser Auffassung dies gerade als Argument gegen den Schutz durch Art. 9 Abs. 3 GG anführen. 250 Heiseke, RdA 1960, 299, 300; Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 52. 251 BVerfGE 7, 377, 378, (Leitsatz 6). So wird sowohl die Freiheit der Berufswahl als auch der Berufsausübung als Ausprägung der Berufsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG allerdings mit unterschiedlicher Intensität geschützt. 252 Vgl. Födisch, Organisationszwang, S. 64 ff.; Heiseke, Negative Koalitionsfreiheit, S. 62 ff. 253 BVerfGE 94, 268 ff. (Leitsatz Nr. 3). 246

IV. § 3 BetrVG zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit

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schützt sei, wenn es um den Zwang zum Zusammenschluss gehe.254 Darüber hinaus dürften der Koalitionsbetätigung durch die negative Koalitionsfreiheit keine Grenzen gesetzt werden.255 Dies entspräche der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der nur dann in die negative Koalitionsfreiheit eingegriffen wird, wenn ein unzulässiger Beitrittsdruck vorliegt.256 bb) Gleichrang von positiver und negativer Koalitionsfreiheit Andererseits bescheinigt das Bundesverfassungsgericht – zumindest seit dem Mitbestimmungsurteil vom 1. März 1979 – der negativen Koalitionsfreiheit den Gleichrang mit der positiven Koalitionsfreiheit.257 Auch für das Bundesarbeitsgericht steht die negative Koalitionsfreiheit dem Grundsatz nach der Individualfreiheit der positiven Koalitionsfreiheit gegenüber.258 Dieser Grundsatz von der Gleichrangigkeit der divergierenden Grundrechte verbietet jede (systematische) Einschränkung der negativen Koalitionsfreiheit.259 Als freiheitsrechtlich notwendiges Korrelat zur positiven Koalitionsfreiheit ist die negative Koalitionsfreiheit vielmehr zwingend in Art. 9 Abs. 3 GG gleichrangig geschützt.260 Weder die bereits beschriebene Wechselbeziehung zwischen positiver und negativer Grundfreiheit im Allgemeinen, noch die legitimatorische Funktion der negativen Koalitionsfreiheit lassen einseitige Einschränkungen der negativen zugunsten der positiven Koalitionsfreiheit zu.261 Jeder Versuch, den Schutz der negativen Koalitionsfreiheit zu relativieren oder zu beschränken, würde nicht nur das Freiheitsrecht des Art. 9 Abs. 3 GG denaturieren262, sondern letztlich die legiti254

Wiedemann, RdA 1969, 321, 330. Diese Meinung versucht, mangelnde rechtssystematische Argumentation mit dem verbreiteten Vorwurf an den Außenseiter zu kompensieren, die Nichtmitliedschaft sei Ausdruck von „Uninteressiertheit“, „mangelnder Solidarität“ oder „bloßer Negation“, vgl. Wiedemann, RdA 1969, 321, 330. 256 BVerfGE 31, 297, 302; E 44, 322, 352; E 50, 290, 367; E 55, 7, 21; E 57, 220, 254; E 64, 208, 213; E 73, 261, 270; D.III.3.a. 257 BVerfGE 50, 290, 367; E 55, 7, 21; E 57, 220, 245; E 64, 208, 213 f.; E73, 261, 270; vgl. a.: Reuter, DZWir 1995, 353, 356. 258 BAGE 20, 175, 215. 259 Scholz, Koalitionsfreiheit, S. 65. 260 Scholz in: M/D/H/S GG Art. 9 Rn. 221, ders., Koalitionsfreiheit, S. 42, 267 f. 261 Aber auch umgekehrt ist den Außenseitern im Hinblick auf faktische Machtunterschiede ein gewisser „Vorsprung“ einzuräumen. Kritisch: Biedenkopf, Tarifautonomie, S. 45. 262 Scholz in: M/D/H/S, GG, Art. 9 Rn. 226; ebenso: Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 56 ff. 255

266

D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

matorische Basis des bestehenden Tarifvertragssystems gefährden. Der Nachweis der negativen Dimension im Rahmen der Koalitionsfreiheit der Andersorganisierten und der Fremdkoalitionen belegt, dass es um die Wahrung der freiheitlichen Grundlage der Koalitionsfreiheit geht und nicht um Individualismus263 oder ein nicht schutzwürdiges Einzelgängertum.264 c) Schutzintensität der Koalitionsbetätigungsfreiheit in der Betriebsverfassung Grundsätzlich sind die Anforderungen, die an die Zulässigkeit gesetzlicher Eingriffe in die Koalitionsbetätigungsfreiheit zu stellen sind, umso geringer, je weiter die zu regelnde Materie vom Koalitionszweck in Art. 9 Abs. 3 GG entfernt ist.265 Bei der Frage, wie im Einzelnen unterschiedliche Grundrechtspositionen in Ausgleich zu bringen sind, spielt grundsätzlich die jeweilige Schutzintensität eine entscheidende Rolle.266 Gerade für den Grundrechtsschutz der Koalitionsfreiheit ist anerkannt, dass er nicht für alle koalitionsgemäßen Betätigungen der Tarifautonomie gleich intensiv ist.267 Das eigentliche Betätigungsfeld der Gewerkschaften268 liegt in der Vereinbarung der materiellen Arbeitsbedingungen. Regelungen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen weisen zwar einen mittelbaren Bezug zum Arbeitsverhältnis auf, reichen aber gerade über das einzelne Arbeitsverhältnis hinaus269, da sie sinnvoll nur einheitlich getroffen werden können.270 Betriebsverfassungsrechtliche Fragen dienen somit nur am Rande der Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen i. S. v. Art. 9 Abs. 3 GG.271 Das Schutzbedürfnis betriebsverfassungsrechtlicher Normsetzungsbefugnisse ist daher gegenüber den eigentlichen „Kernaufgaben“ (materielle Arbeitsbedingungen) wesentlich weniger intensiv.272 Aus der Wechselbeziehung von negativer und positiver Koalitionsfreiheit und der daraus abgeleiten Gleichrangigkeit folgt aber, dass analog auch die Schutzintensität der negativen Koalitionsfreiheit auf dem Gebiet der Be263 264 265 266 267 268 269 270 271 272

Säcker, Koalitionfreiheit, S. 22. Biedenkopf, JZ 1961, 346, 352. Söllner, NZA 1996, 897, 898. Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 58 f. BVerfGE 94, 268 ff. (Leitsatz Nr. 3). BVerfGE 28, 295, 304. Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 142. Richardi, Kollektivgewalt, S. 240; Säcker/Oetker, Tarifautonomie, S. 142 f. Friese, Koalitionsfreiheit, S. 258 f. Bereits oben: A.I.3.b)ee).

IV. § 3 BetrVG zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit

267

triebsverfassung weniger ausgeprägt ist. Anders als bei der Abwägung mit dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip273 lassen sich hier folglich für die Abwägung der kollidierenden Positionen keine Gewichtsverschiebungen ableiten. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass tarifvertragliche Regelungen, die über den Mitgliederkreis hinaus unmittelbare Geltung beanspruchen, nicht mehr in Wahrnehmung einer rein tarifautonomen Regelungsbefugnis erfolgen.274 Ein unbedingter Schutz der negativen Koalitionsfreiheit kann in der Regel demzufolge gar keine Einschränkung der positiven Koalitionsfreiheit darstellen, da Art. 9 Abs. 3 GG eine sog. erweiterte Autonomie der Tarifvertragsparteien gerade nicht umfasst.275 Ein BetrVG, das im Interesse des Außenseiterschutzes auf jegliche Einflussmöglichkeiten der Tarifvertragsparteien im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung verzichtet, würde in die Betätigungsfreiheit der Koalitionen daher nicht direkt eingreifen, sondern diese nur mittelbar beeinträchtigen.276 Wenn das BetrVG dennoch den Tarifvertragsparteien umfassende Befugnisse zur Schaffung abweichender Organisationsstrukturen zur Verfügung stellt, ist den Interessen der Außenseiter somit entsprechend mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Grundsätzlich ist in dem Maße, in dem die Koalitionsfreiheit über den Wortlaut hinaus nicht nur ein individuelles Freiheitsrecht, sondern auch ein kollektives Freiheitsrecht bis hin zur Institutionsgarantie darstellt, ein Gegengewicht zur Gewährleistung der Freiheit des Einzelnen vor den Koalitionen erforderlich.277 d) Ausgleich von negativer und positiver Koalitionsfreiheit aa) Kompensationsmaxime Auch vorbehaltlos gewährte Grundrechte können durch Gesetz eingeschränkt werden, wenn der gesetzgeberische Eingriff „zum Schutz anderer Rechtsgüter von der Sache her geboten“ ist.278 Dazu sind kollidierende Grundrechtspositionen im Rahmen der praktischen Konkordanz miteinander in Ausgleich zu bringen279 und gemäß der Kompensationsmaxime gegensei273

Dazu: C.II.2.c). Schwarze, Betriebsrat, S. 197; vgl. A.II.4. 275 BVerfG NJW, 1977, 2255, 2258; zustimmend: Reuter, DZWir 1995, 353, 356; vgl. A.I.3.c)bb). 276 Dazu: A.II.3.a). 277 BAGE 20, 175, 215 ff. 278 BVerfGE 50, 290, 369; E 57, 220, 246; allgemein zu den verfassungsimmanenten Schranken vorbehaltlos gewährter Grundrechte: BVerfGE 28, 243, 261; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 301 ff. 274

268

D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

tig zu optimieren.280 Beschränkungen der einen Position zu Lasten der konkurrierenden sind nur zulässig, wenn dies zur Erreichung des von beiden Grundrechten verfolgten Zwecks verhältnismäßig ist.281 Konflikte zwischen zwei gleichrangigen Gewährleistungen sind mit Hilfe des Übermaßverbotes im Sinne einer Optimierung zu lösen.282 Entsprechend muss anhand von § 3 BetrVG eine Güterabwägung zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit erfolgen.283 Den Außenseitern muss dabei die Freiheit gewahrt bleiben, ihre Interessen eigenverantwortlich zu verfolgen, sofern die Koalitionsinteressen in einer Güterabwägung nicht den Vorrang behaupten.284 bb) Kein unaufhebbarer Gegensatz Da zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit kein unaufhebbarer Gegensatz besteht, muss man sich nicht zwischen beiden Grundpositionen entscheiden.285 Nach dem verfassungsimmanenten Grundprinzip der praktischen Konkordanz darf kein Rechtsgut auf Kosten eines anderen „verabsolutiert“ werden.286 Aufgrund des gleichrangigen Schutzes von negativer und positiver Koalitionsfreiheit kann weder ein allgemeiner Anspruch des Einzelnen darauf abgeleitet werden, vor jeglicher Koalitionsbetätigung verschont zu bleiben, da sonst die positive Koalitionsbetätigung ihrerseits eliminiert zu werden droht.287 Noch ist umgekehrt die negative Koalitionsfreiheit im Interesse der Koalitionsbetätigung zu vernachlässigen. Bereits die Kollision von Koalitionsbetätigungsfreiheit und Demokratieund Rechtsstaatsprinzip hat gezeigt, dass scheinbar unvereinbare Positionen gegenseitig zum Ausgleich gebracht werden können.288 Außerdem ist eine Erstreckung der Tarifmacht auch auf Außenseiter keinesfalls „evident sach279 Schlüter in: FS für Lukes, S. 559, 571; vgl. zur Kompensationslehre bereits: C.I.4.b). 280 Zur Kompensationslehre: C.I.4.b); vgl. a. Waltermann, Rechtsetzung, S. 262 ff. 281 Schlink, Abwägung, S. 215. 282 Belling, Günstigkeitsprinzip, S. 69. 283 Feichtinger, Regelungsbefugnis, S. 33, 39 f.; Wagenitz, Tarifmacht, S. 48; Steinberg, RdA 1975, 99, 103; A. Wiedemann, Bindung, S. 95 f. 284 Koller, ZfA 1978, 45, 63; Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1543 ff., 1898. 285 So aber: BAGE 20, 175, 215 ff.; Degen, AVE, S. 60 Fn. 2; Galperin in: FS für Bogs, S. 92; May, Bindung von Außenseitern, S. 126; Nipperdey, Grundrechte, S. 158, ders. in: Hueck/Nipperdey, AR Bd. II/1, S. 157; kritisch auch: Reuter, DZWir 1995, 353, 356. 286 Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 31 ff. 287 Ganter, Tarifvertragliche Regelung, S. 113; Neumann, DB 1967, 1545, 1547; zur Religionsausübungsfreiheit: BVerfGE 93, 1, 16. 288 Vgl.: C.I.3.c).

IV. § 3 BetrVG zwischen positiver und negativer Koalitionsfreiheit

269

logisch“, da mit § 5 Abs. 1 TVG für die Allgemeinverbindlicherklärung gerade eine Lösung existiert, nach der beide divergierenden Positionen ausgeglichen werden.289 Es ist daher nicht zulässig, den gleichrangigen Schutz der negativen Koalitionsfreiheit im Rahmen von Art. 9 Abs. 3 GG damit abzulehnen, dass jede Maßnahme im Einflussbereich der negativen Koalitionsfreiheit angeblich wegen eines Verstoßes gegen die negative Koalitionsfreiheit ausgeschlossen sei.290 Der mit einer derartigen Maßnahme verbundene Eingriff ist vielmehr nur dann rechtswidrig, wenn er zu einer unverhältnismäßigen Einschränkung der einen oder anderen Grundrechtsposition führen würde.291 cc) Einseitiger Ausgleich zu Lasten der negativen Koalitionsfreiheit Von einer noch verhältnismäßigen Beschränkung der negativen Koalitionsfreiheit „zur Erreichung des von beiden Positionen verfolgten Zwecks“292 kann angesichts der nahezu uneingeschränkten Unterwerfung der Außenseiter unter die Tarifmacht allerdings im Zusammenhang von § 3 BetrVG nicht mehr die Rede sein. Es fehlt gerade an staatlichen Ingerenzrechten, die es dem Staat wie beispielsweise bei der Allgemeinverbindlicherklärung ermöglichen könnten, die Interessen der Außenseiter zu wahren.293 So tritt an die Stelle des erfolgreichen Werbens um die Unterstützung des gewerkschaftlichen Regelungsanliegens durch einen hinreichend großen Teil der (aktuellen und potentiellen) Belegschaft die rechtliche Zwangssolidarisierung der Außenseiter.294 Dies stellt eine eindeutige Verletzung des verfassungsrechtlichen Übermaßverbots dar.295 Die Anerkennung von Fremdregelungsbefugnissen, durch die der Einzelne einer durch ihn nicht legitimierten Koalitionsmacht untergeordnet wird, verstößt somit gegen die negative Koalitionsfreiheit.

289 So auch: BVerfGE 44, 322, 342; ebenso: Reuter, DZWir 1995, 353, 356; vgl. dazu Allgemeinverbindlicherklärungs-Beschluss: C.I.4.b); a. A.: BAGE 64, S. 368 ff.; BAGE 58, 183, 189 f. 290 Ein so verstandener Schutz der negativen Koalitionsfreiheit dient den Kritikern stets als Vorwand, den scheinbaren Vorrang der positiven Koalitionsfreiheit zu rechtfertigen. 291 So auch: Monjau in: FS für Küchenhoff, S. 128 f.; Schabbeck, Negative Koalitionsfreiheit, S. 53 f., 73 ff. 292 Vgl. Schlink, Abwägung, S. 215. 293 BVerfGE 44, 322, 348. 294 Reuter, DZWir 1995, 353, 356. 295 Vgl. Schwarze, Betriebsrat, S. 196; Steinberg, RdA 1975, 99, 103.

270

D. Normsetzung mit Außenseiterwirkung

e) Verfassungswidrigkeit von § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG Die Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen auf Grundlage von § 3 Abs. 1 BetrVG verstößt danach gegen die negative Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG. In § 3 Abs. 1 Nr. 4 und 5 BetrVG wird im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG den Tarifvertragsparteien keine Befugnis zur Gestaltung von Organisationsstrukturen mit Kompetenzen im Rahmen der gesetzlichen Betriebsverfassung übertragen.296 Ein Eingriff in die auch über die negative Koalitionsfreiheit geschützte individuelle Freiheit zur Selbstbestimmung297 erfolgt nur mittelbar und insofern, als von Gremien nach § 3 Abs. 1 Nr. 4 und Nr. 5 BetrVG auch ohne echte Entscheidungskompetenzen ein gewisser Einfluss auf die betriebliche Mitbestimmung ausgeht.298

V. Ergebnis Die negative Koalitionsfreiheit umfasst die Nichtausübung aller positiven Gewährleistungen der positiven Koalitionsfreiheit unabhängig von der Grundrechtsträgerschaft. Neben dem Nichtorganisierten können sich damit auch der Andersorganisierte und die konkurrierende Koalition auf ihr negatives Koalitionsrecht berufen, da dem jeweiligen Grundrechtsträger stets eine Entscheidung über das „Ob“ der Grundrechtsausübung zusteht. Der wesentlichste Teil der Gewährleistung der negativen Koalitionsfreiheit ist der Schutz vor fremder Normsetzung. Die Übertragung von Normsetzungsbefugnissen in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG an die Tarifvertragsparteien verstößt folglich gegen die negative Koalitionsfreiheit der Außenseiter und die der anderen Koalitionen.

296

Für § 3 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG: B.II.4.a); für § 3 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG: B.II.5.b)aa). 297 Vgl. E.IV.1. 298 Ergebnis wie bereits unter: C.III.

E. Alternative Formen tarifvertraglicher Befugnisse zur abweichenden Gestaltung der gesetzlichen Betriebsverfassung Nach der zuvor festgestellten Verfassungswidrigkeit der aktuellen Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG soll versucht werden, kritisch zu würdigen, wie eine verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende tarifvertragliche Regelungsbefugnis zur Schaffung betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsstrukturen einfachgesetzlich ausgestaltet werden könnte. Der vom Gesetzgeber in § 3 BetrVG gefundene „Kompromiss“ zwischen der kollektiven Betätigungsgarantie auf dem Gebiet der Betriebsverfassung und der negativen Koalitionsfreiheit konkurrierender Koalitionen sowie anders- bzw. nicht organisierter Betriebsangehöriger hat sich in Bezug auf die Gestaltungsmöglichkeiten in § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BetrVG als zu einseitig erwiesen. Das Ziel einer Kompromisslösung muss vielmehr sein, beide Grundrechtspositionen miteinander in Einklang zu bringen, indem die „staatliche Mitwirkung“1 an der Normgestaltung erhöht wird. Damit würde einerseits den unverzichtbaren Anforderungen des Demokratie- und Rechtsstaatsgebots entsprochen, da die Verantwortung mehr in den Händen demokratisch legitimierter Stellen liegt. Andererseits wäre die Eingriffswirkung der tarifvertraglichen Fremdregelung zu senken und damit deren Eingriffsintensität in die Koalitionfreiheit der Außenseiter(-koalitionen) zu mindern, ohne jedoch die Garantie des Betätigungsrechts zu stark einzuschränken.

I. Einfach-gesetzliche Konkretisierung Um dieses Ziel zu erreichen, lassen sich gedanklich prinzipiell zwei Ansätze unterscheiden. Denkbar wäre die Umsetzung als gerade noch zulässige dynamische Verweisung bzw. Delegation. In diese Richtung geht der Ansatz von Annuß 2, der – wie dargestellt – bereits die bestehende Regelung als „im Wesentlichen feststehend“ erachtet. Ob die Tarifvertragsparteien bei dieser Auslegung überhaupt noch einen autonomen Gestaltungsspielraum besitzen, ist fraglich. Aus der Bindung an eine wirksame und zweckmäßige 1

Vgl. BVerfGE 44, 322, 347. Annuß, NZA 2002, 290 ff.; dazu: C.II.1.a); im Ergebnis auch: Löwisch/Rieble in: MünchArbR § 245 Rn. 46 ff. 2

272

E. Alternative Formen tarifvertraglicher Befugnisse

Interessenvertretung der Arbeitnehmer lasse sich für den Einzelfall die einzig zweckmäßige Lösung entnehmen. Bei der Frage der Bestimmung der Zweckmäßigkeit habe der Gesetzgeber im BetrVG den maßgeblichen Bezugspunkt vorgegeben, der einer eigenen Beurteilung durch die Tarifvertragsparteien nicht offenstehe.3 Bei einer solchen Form der „gesetzlichen Vollzugsermächtigung“4 hat der Gesetzgeber die Entscheidung darüber, wie eine abweichende Regelung im Einzelfall auszusehen hat, bereits im Wesentlichen selbst getroffen. Damit könnte das Bedürfnis nach demokratischer Legitimation des „Vollzugsgehilfen“ entscheidend gesenkt werden. Sofern sich die Abänderungsmöglichkeit auf minder wichtige Einzelheiten beschränken würde, behielte der Gesetzgeber so die staatliche Letztentscheidung. Es würde sich dann um eine dynamische Verweisung handeln, die im Hinblick auf ihre Begrenzung verfassungsrechtlich zulässig wäre.5 Eine derartige Einschränkung der tarifvertraglichen Gestaltungmöglichkeiten ist bei der gegenwärtigen Ausgestaltung in § 3 Abs. 1 BetrVG vom Gesetzgeber weder gewollt, noch aus der Regelung abzuleiten.6 Fraglich ist aber, wie bestimmt eine einfach-gesetzliche Regelung die konkrete Gestaltungsbefugnis zur Abweichung von der gesetzlichen Organisationsstruktur eingrenzen muss, damit tatsächlich gesetzlich die gesetzgeberische Letztentscheidung in jedem Einzelfall vorbestimmt wäre. Aus der Bindung an einen Maßstab der Sachgerechtigkeit bzw. Wirksamund Zweckmäßigkeit allein lassen sich keine eindeutigen Ergebnisse erzielen.7 Insbesondere ein Zweckmäßigkeitsmaßstab ist darauf angelegt, bei der Auswahl unterschiedlicher Gestaltungsformen dem Ermächtigten einen weiten Entscheidungsspielraum einzuräumen, der im Rahmen einer Rechtskontrolle nur einer sehr eingeschränkten Überprüfung zugänglich ist.8 Erforderlich ist jedenfalls ein eindeutiger Bezugspunkt, der es ermöglicht, im Voraus für den konkreten Einzelfall die einzig zulässige Lösung zu bestimmen.9 Grundsätzlich ist eine derartige Vorausbestimmung auch bei einer Abweichung von der in § 1 BetrVG vorgezeichneten Betriebsverfassungs3

Annuß, NZA 2002, 290, 292. Trümner (in: D/K/K, § 3 Rn. 85) spricht in diesem Zusammenhang von einer „Normausfüllungskompetenz“; C.I.1.a). 5 Vgl. BVerfGE 26, 338, 366, 367; dazu unter C.I.3.b)bb). 6 Vgl.: B.II.6. 7 Dazu: B.II.6. 8 Siehe: B.II.6.b)bb). 9 So knüpft das BetrVG selbst bei der gesetzlichen Betriebsverfassung an die allgemeinen Rechtsbegriffe wie Betrieb, Unternehmen bzw. Konzern an, deren konkrete Gestaltung insofern auf einer der unternehmerischen Entscheidung unterliegenden Dynamisierung beruht (vgl. B.IV.1.). Hat der Unternehmer eine Entscheidung 4

I. Einfach-gesetzliche Konkretisierung

273

organisation denkbar. Dazu müsste aber bereits in der einfach-gesetzlichen Regelung konkretisiert sein, welche abweichenden Strukturen überhaupt nur in Frage kommen.10 Auch dürfte die Entscheidung darüber, ob überhaupt von der gesetzlichen Struktur abgewichen wird, nicht im freien Ermessen der Tarifvertragsparteien liegen. Aus rechtsstaatlicher Sicht wäre es daher geboten, dass die konkrete Gestaltung von Voraussetzungen abhängig gemacht wird, die mit hinreichender Bestimmtheit klar erkennen lassen, welche Struktur im Einzelnen maßgeblich sein soll11, bzw. dass die Eingriffe messbar und in gewissem Umfang voraussehbar und berechenbar sind.12 Diese Anforderungen müssten um so strenger sein, wenn mit einer einfachgesetzlichen Regelung – abgesehen von einer richterlichen Kontrolle13 – auf staatliche Kontrollinstrumente verzichtet wird, und das Gesetz als Lenkungsinstrument die einzige legitimationsstiftende Quelle wäre. Nur sofern durch exakte Vorgaben bereits eine im Wesentlichen bestimmte gesetzgeberische Letztentscheidung getroffen wäre, könnte der Verzicht auf eine staatliche Aufsicht kompensiert werden. Einem auf Grundlage dieser „Ermächtigung“ vereinbarten Tarifvertrag käme dann nur noch deklaratorische Bedeutung zu. Auch wenn man entsprechend der hier zugrunde gelegten Kompensationsthese wegen des Aufeinandertreffens kollektiver Betätigungsgarantie und Grundrechtspositionen der Außenseiter weniger hohe Anforderungen an eine derartige „Vollzugsermächtigung“ stellen wollte als bei einer Ermächtigung an einen beliebigen Dritten, dürfte eine derartige „Ermächtigung“ den Tarifvertragsparteien praktisch keinen Spielraum zur eigenverantwortlichen Gestaltung einräumen. Dies hätte aber wiederum zur Folge, dass das mit § 3 BetrVG angestrebte Ziel, „flexible Regelungen zu schaffen, die tragfähig für die Zukunft sein könnten“14, nicht erreicht wird. Eine gesetzliche Regelung, die bereits im Voraus alle denkbaren Gestaltungsmöglichkeiten antizipieren muss, würde einer Flexibilisierung starke Fesseln anlegen. Der Verzicht auf die „Durchführung eines mitunter zeitaufwendigen Zustimmungsverfahrens“15 würde damit „erkauft“, dass eine Abweichung nur in sehr engen Grenzen einer eigenen Beurteilung der Tarifvertragsparteien unterliegen würde.16 „Auf zuüber die Struktur seines Betriebes etc. getroffen, ist dadurch die konkrete Gestaltung der Betriebsverfassungsorganisation vorgegeben. 10 Wie dies beispielweise in § 3 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 BetrVG erfolgt ist. 11 BVerfGE 5, 25, 31; E 22, 330, 346; E, 26, 338, 367; siehe oben: C.I.2.c)bb). 12 BVerfGE 8, 76, 325; E 9, 137, 147; E 56, 1, 12. 13 Zur eingeschränkten Legitimationswirkung der richterlichen Kontrolle: C.I.2.b)dd). 14 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 56. 15 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 73.

274

E. Alternative Formen tarifvertraglicher Befugnisse

künftige, neue Entwicklungen (. . .) angemessen zu reagieren“17, wäre danach nicht mehr möglich. Es wäre zudem verfehlt, für einen derartigen Gesetzesvollzug das Gestaltungsinstrument des Tarifvertrages vorzusehen18: Ein tatsächlicher Ausgleich durch gegenseitiges Nachgeben dürfte bei den zwingenden Vorgaben ebenso ausgeschlossen sein, wie eine inhaltliche Richtigkeitsgewähr eines derartigen Tarifvertrages. Ein Ausgleich, durch den beiden Grundrechtspositionen zu „möglichst optimaler Wirksamkeit“19 verholfen würde, ist darin nicht zu sehen.20

II. Genehmigungserfordernis – § 3 BetrVG 1972 Bei einer Befugnisübertragung durch vorherige gesetzliche Bestimmung i. S. einer staatlichen Vollzugsermächtigung müssten die tarifautonomen Gestaltungsspielräume also besonders stark begrenzt werden, um eine repressive staatliche Kontrolle zu vermeiden. In § 3 BetrVG 1972 war stattdessen ein Genehmigungsvorbehalt als Kontrollinstrument einer repressiven Staatsaufsicht vorgesehen.21 Trotz der darin enthaltenen und vergleichsweise geringfügigen Einflussnahme auf die gesetzliche Organisation der Betriebsverfassung bedurfte ein entsprechender Tarifvertrag der Zustimmung der obersten Arbeitsbehörde des Landes bzw. des Bundes, die nicht auf eine Rechtsaufsicht beschränkt war, sondern einen eigenen Ermessenspielraum hatte.22 Die staatliche Mitwirkung musste hinzutreten, um die besonderen Rechtsfolgen des Tarifvertrags zu begründen.23 Inwiefern die mit einem Genehmigungsvorbehalt versehene Anerkennung einer über den Mitgliederkreis hinausgehenden Normsetzungsbefugnis den in dieser Arbeit entwickelten Anforderungen vor allem an das Demokratieund Rechtsstaatsgebot entspricht, ist auf Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur schwer abschätzbar. Lediglich in einem wertenden Vergleich mit der Allgemeinverbindlicherklärungs-Entscheidung lassen sich bestimmte Anhaltspunkte dafür gewinnen:24 Die „Ge16 Darin liegt aber ein erklärtes Ziel von § 3 BetrVG (vgl. Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 73). 17 Begründung zum RegE, BR-Drucks. 140/04, S. 75. 18 Zum Tarifvertrag als Mittel zur freien Gestaltung: B.I.6.b)bb)(5). 19 Hesse, Grundzüge, Rn. 71. 20 Vgl. C.I.4. 21 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 1 f. 22 Richardi, BetrVG, § 3 Rn. 1 f. m. w. N. 23 Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 48. 24 BVerfGE 44, 322 ff.; vgl. C.I.3.c).

II. Genehmigungserfordernis – § 3 BetrVG 1972

275

fährdungslage“ für den Außenseiter bei der Allgemeinverbindlicherklärung entspricht dabei durchaus derjenigen im vorliegenden Fall.25 Auch nach § 3 BetrVG 1972 war die Normsetzung ganz wesentlich vom Willen der Tarifvertragsparteien und damit von „außerstaatlichen, demokratisch nicht legitimierten und parlamentarisch nicht verantwortlichen ‚Gruppierungen‘ “26 abhängig. Weder stand dem Gesetzgeber ein Initiativrecht noch ein effektiver Einfluss auf den konkreten Norminhalt zu. Es fragt sich aber, ob ein Genehmigungsvorbehalt ebenso in der Lage ist wie eine Allgemeinverbindlicherklärung, „die Ausdehnung einer Tarifgebundenheit auf Außenseiter zusätzlich zu rechtfertigen“27 und damit einen optimalen Ausgleich zwischen den Grundrechtspositionen der Außenseiter einerseits und der Betätigungsgarantie der Koalitionen andererseits zu schaffen.28 Denn im Allgemeinverbindlicherklärungs-Beschluss29 hat sich das Bundesverfassungsgericht nicht mit der Feststellung begnügt, dass eine Fremdgeltung von einem zusätzlichen staatlichen Gestaltungsakt abhängig ist. Vielmehr wird auch das Verfahren der Allgemeinverbindlicherklärung, wie es in § 11 Nr. 2 TVG i. V. m. der Durchführungsverordnung zum TVG30 näher geregelt ist, einer näheren Prüfung unterzogen: Rechte und Interessen des Außenseiters, aber auch das Allgemeinwohl müssen bei der konkreten Entscheidung angemessen Berücksichtigung finden können.31 Entscheidend für den Ausgleich des unter dem Blickpunkt des Demokratieprinzips bestehenden Defizits staatlicher Entscheidungsfreiheit ist die eigenverantwortliche Prüfung insbesondere zur Wahrung der Außenseiterinteressen durch den zuständigen Minister.32 Im Rahmen des vorausgehenden Verfahrens einer Allgemeinverbindlicherklärung ist den betroffenen Außenseitern die Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Interessen eingeräumt. Auch die strengen Bedingungen, unter denen die Ausdehnung der Tarifgebundenheit nur zulässig ist, wurden durch das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben. Schließlich ist die zwingend vorgeschriebene Bekanntmachung der Allgemeinverbindlicherklärung im Bundesanzeiger für die aus rechtsstaatlicher Sicht bedeutsame Publizität erforderlich.33 25 So ist § 3 Abs. 2 Satz 2 BetrVG dem § 5 Abs. 2 TVG nachgebildet; vgl. Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 52; Spinner, Betriebsverfassung, S. 80. 26 BVerfGE 44, 322, 343. 27 Vgl. BVerfGE 44, 322, 348. 28 Bejahend: Löwisch/Rieble in: MünchArbR § 261 Rn. 7 ff. 29 BVerfGE 44, 322 ff.; vgl. C.I.3.c). 30 VO vom 20.02.1970 (BGBl. I S. 193), in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.01.1989 (BGBl I S. 76). 31 BVerfGE 37, 1, 27 f.; E 107, 59, 93. 32 BVerfGE 44, 322, 348. 33 BVerfGE 44, 322, 350.

276

E. Alternative Formen tarifvertraglicher Befugnisse

Anders als die Allgemeinverbindlicherklärung ist der Genehmigungsvorbehalt als Verwaltungsakt34 lediglich Ausdruck einer „bloß unselbstständigen Zustimmungserklärung“.35 Der Einfluss des Staates beim Zustandekommen steht also hinter dem einer Allgemeinverbindlicherklärung als „selbstständigem staatlichen Hoheitsakt“36 zurück. Auch hat in § 3 BetrVG 1972 eine ausdrückliche Verfahrensregelung oder zumindest eine § 11 Abs. 2 TVG entsprechende Ermächtigung zur Regelung des Verfahrens durch Rechtsverordnung gefehlt.37 Zwar entsprachen nach § 3 Abs. 2 Satz 2 BetrVG 1972 die Anhörungsrechte der Betroffenen im Rahmen des Genehmigungsverfahrens weitgehend denen, die sich aus der entsprechenden Durchführungsverordnung zum TVG auch für die Allgemeinverbindlicherklärung ergeben.38 Aber schon bei der Frage der anwendbaren Verfahrensvorschriften bedarf es eines gewissen Begründungsaufwandes, inwieweit das VwVfG und nur subsidiär in analoger Anwendung die Durchführungsverordnung des TVG zur Anwendung kommen sollte.39 Zwar waren auch in § 3 BetrVG 1972 Abweichungen von der gesetzlichen Betriebsverfassungsorganisation an strenge Bedingungen geknüpft, deren Einhaltung unstreitig bei der Sachentscheidung des Ministeriums geprüft werden musste.40 Anders als § 5 Abs. 1 TVG enthielt § 3 Abs. 2 BetrVG 1972 allerdings keinen Hinweis im Gesetzeswortlaut, aus dem auf ein freies Entscheidungsermessen bei der Genehmigungserteilung geschlossen werden konnte.41 Dass bei einer Entscheidung, ob eine Abweichung von der gesetzlichen Betriebsverfassungorganisation zweckmäßig ist, auch politische Erwägungen eine Rolle spielen42, ist dabei kein zwingender Beleg dafür, dass dies nach § 3 Abs. 2 BetrVG 1972 auch so erfolgen sollte.43 In jedem Falle dürfte das Ermessen bei der Entscheidung über eine unselbstständige Genehmigung eines Tarifvertrages wesentlich weniger frei sein als im Rahmen einer Allgemeinverbindlicherklärung, die einen eigenen 34

H. M.: Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 60 m. w. N. Vgl. BVerfGE 44, 322, 344. 36 BVerfGE 44, 322, 344. 37 Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 53. 38 VO vom 20.02.1970 (BGBl. I S. 193), in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.01.1989 (BGBl I S. 76). 39 Vgl. Spinner, Betriebsverfassung, S. 79 ff., eingehend zu den Anhörungsrechten: S. 83 ff. 40 Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 56 m. w. N. 41 Kraft in: GK-BetrVG 6. Aufl., § 3 Rn. 39; Spinner, Betriebsverfassung, S. 92 ff. 42 Kraft in: GK-BetrVG 6. Aufl., § 3 Rn. 36; Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 56. 43 Spinner, Betriebsverfassung, S. 92 f. 35

III. Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages

277

Rechtsetzungsakt darstellt44 und deshalb einer gerichtlichen Überprüfung in eingeschränkterem Maße offen steht, als dies bei einem Verwaltungsakt der Fall wäre.45 Während die Ermessensentscheidung bei einer Allgemeinverbindlicherklärung nur daraufhin überprüfbar ist, ob sachfremde Erwägungen in die Entscheidung einbezogen wurden46, hätten sich bei § 3 Abs. 2 BetrVG 1972 die Ablehnungsgründe wohl aus der Norm selbst ergeben müssen.47 Unabhängig davon, ob man im Rahmen von § 3 Abs. 2 BetrVG 1972 ein Behördenermessen abgelehnt48 oder der Genehmigungsbehörde einen gewissen Beurteilungsspielraum zugebilligt hat49, waren die Möglichkeiten, bei einer Entscheidung die Interessen der Außenseiter oder Belange des Allgemeinwohls mit einfließen zu lassen, wesentlich begrenzter als bei einer Entscheidung über eine Allgemeinverbindlicherklärung. Dies zeigt, dass ein Genehmigungsvorbehalt das weniger wirksame Instrument zur Legitimationserhöhung ist. Andererseits stellt die Regelung der Betriebsverfassung wegen des mittelbaren Bezugs zum Arbeitsverhältnis des einzelnen Arbeitnehmers zwar einen Teil der Betätigungsgarantie der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalitonsfreiheit dar. Anders als die Allgemeinverbindlicherklärung betrifft § 3 BetrVG aber nicht direkt und unmittelbar die materiellen Arbeitsbedingungen als den zentralen und besonders schutzintensiven Bereich der Koalitionsfreiheit. Ein Ausgleich der konkurrierenden Grundrechtspositionen müsste also deutlicher als bei der Allgemeinverbindlicherklärung berücksichtigen, dass Fremdregelungsbefugnisse zu Lasten Dritter ohne entsprechende Legitimation ausgeübt werden.

III. Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages Eine verfassungskonforme Abweichung von der Betriebsverfassung durch Vereinbarung der Tarifvertragsparteien muss entsprechend den obigen Ausführungen somit zumindest eine § 5 TVG entsprechende staatliche Beteiligung vorsehen, um ein ausreichendes Legitimationsniveau zu erreichen. 44 45 46

BVerfGE 44, 322, 341; vgl. a.: BVerwG 7, 82 ff. 87; E 7, 188 f. BVerwG 7, 82 ff.; E 7, 188 ff. Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 1284; Wank in: Wiedemann, TVG § 5 Rn. 99,

166. 47 Die Entscheidung, ob eine abweichende Struktur die „sachgerechte Betreuung der Arbeitnehmer“ gewährleistet (Fitting, BetrVG 20. Aufl., § 3 Rn. 65), enthält zwar einen gewissen Beurteilungsspielraum auch für die Zustimmungsbehörde. Der Bezugspunkt denkbarer Entscheidungserwägungen ist damit aber vorgegeben. 48 Trümner in: D/K/K, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn 71 m. w. N. 49 Richardi, BetrVG 7. Aufl., § 3 Rn. 56 m. w. N.

278

E. Alternative Formen tarifvertraglicher Befugnisse

1. Grundsätzliche Möglichkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung Aus § 5 Abs. 4 TVG ergibt sich, dass Gegenstand einer Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG grundsätzlich alle Rechtsnormen eines Tarifvertrages sein können.50 Weder der Gesetzestext noch Sinn und Zweck von § 5 TVG enthalten Anhaltspunkte, weshalb eine Allgemeinverbindlicherklärung betriebsverfassungsrechtlicher Tarifnormen spezifischen Beschränkungen oder Erweiterungen unterliegen sollte.51 Eine Allgemeinverbindlicherklärung hätte zudem den Vorteil, zur Beseitigung der mit § 3 BetrVG verbundenen Rechtsunsicherheit beizutragen. Insbesondere bei Tarifkollisionen wäre eine eindeutige Entscheidung zugunsten der Regelung möglich, die nach Vorstellung der zuständigen staatlichen Stelle den Zweck des BetrVG am Weitesten verwirklicht.

2. Allgemeinverbindlicherklärung auf Grundlage von § 5 TVG Dass trotz der grundsätzlichen Einigkeit darüber, dass es zulässig ist, auf Grundlage von § 5 TVG auch betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen für allgemeinverbindlich zu erklären, entsprechende Allgemeinverbindlicherklärungen selten sind „oder sogar gänzlich fehlen“52, lässt sich teilweise mit dem Fehlen eines „öffentlichen Interesses“ i. S. d. § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TVG erklären. Angesichts des „außerordentlich weiten Beurteilungsspielraums“53 und der damit zusammenhängenden fehlenden Notwendigkeit einer näheren Präzisierung dieses Begriffes in der Rechtsprechung54 ließen sich aber schon auf Grundlage der bestehenden Regelung Fälle konstruieren, in denen die Voraussetzungen von § 5 TVG erfüllt sein könnten. So vertritt Schwarze, dass eine Allgemeinverbindlicherklärung von betriebsverfassungsrechtlichen Normen auf Grundlage von § 5 TVG bereits nach derzeitiger Rechtslage möglich sei.55 Gegenstand seiner Begründung ist vor allem die Wahrung der Legitimität. Anders als bei § 3 Abs. 2 TVG56, der nach h. M. die Grundlage einer Ausdehnung der Tarifgebunden50

Löwisch/Rieble, TVG, § 5 Rn. 18; Wank in: Wiedemann, TVG, § 5 Rn. 157. Giesen, Rechtsgestaltung, S. 557; Löwisch/Rieble, TVG, § 5 Rn. 18; Wank in: Wiedemann, TVG, § 5 Rn. 147. 52 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 557. 53 BAGE 87, 1 ff.; zur Überprüfbarkeit: Wonneberger, AVE, S. 122 ff. 54 Wank in: Wiedemann, TVG, § 5 Rn. 69. 55 Vgl. Schwarze, Betriebsrat, S. 189 ff. 56 Eingehend zu § 3 Abs. 2 TVG: A.I.4. 51

III. Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages

279

heit auch auf die Außenseiter enthält, sei § 5 TVG als gesetzliche Ermächtigung ausreichend bestimmt.57 Insbesondere das freie Ermessen bei der Entscheidung des Arbeitsministers biete einen Anknüpfungspunkt zur Einbeziehung und Wahrung der Außenseiterinteressen.58 Zuzustimmen ist insofern, als die Frage nach ausreichender Legitimation gegenüber den Außenseitern in den Vordergrund gestellt und untersucht wird, ob das vorgesehene Verfahren das Defizit der eigenen Legitimation der Koalitionen gegenüber den Außenseitern kompensieren kann. Auf Grundlage des Allgemeinverbindlicherklärungs-Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts wird zutreffend analysiert, dass dafür die Ermessensfreiheit des demokratisch legitimierten Exekutivorgans bei der Indienstnahme der Regelung entscheidend ist. Eine Allgemeinverbindlicherklärung setzt allerdings als Bezugsobjekt einen wirksamen Tarifvertrag nach dem TVG voraus.59 Erforderlich ist insbesondere die Tarifzuständigkeit in persönlicher, aber auch in sachlich-gegenständlicher Hinsicht. Nach dem TVG können Tarifnormen über betriebsverfassungsrechtliche Fragen nur mit Wirkung für die eigenen Mitglieder vereinbart werden.60 Zudem ist die Betriebsverfassungsorganisation nach h. M. nicht tarifdispositiv.61 Es wäre daher ohnehin erforderlich, im BetrVG selbst eine Zulassungsnorm wie § 3 BetrVG vorzusehen. Eine Allgemeinverbindlicherklärung bedarf damit notwendigerweise einer Grundlage im BetrVG selbst.

3. Allgemeinverbindlicherklärung auf Grundlage des BetrVG Mit der Schaffung von § 3 BetrVG ist die tarifautonome Regelungsbefugnis an bestimmte Voraussetzungen geknüpft und unterliegt spezifischen Begrenzungen.62 Grundsätzlich sind zwei Wege denkbar, im BetrVG betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen durch Tarifvertrag zu regeln.

57

Schwarze, Betriebsrat, S. 190. Schwarze, Betriebsrat, S. 191. 59 Däubler, Tarifvertragsrecht, Rn. 1248; Löwisch in: MünchArbR § 261 Rn. 21; Wank in: Wiedemann, TVG, § 5 Rn. 52. 60 Giesen, Rechtsgestaltung, S. 558; vgl. A.I.3.c)cc). 61 Oetker in: Wiedemann, TVG § 1 Rn. 596 m. w. N. 62 Richardi, Kollektivgewalt, S. 246 ff.; vgl. B.II. 58

280

E. Alternative Formen tarifvertraglicher Befugnisse

a) BetrVG als Grundlage für einen betriebsverfassungsrechtlichen Tarifvertrag Zunächst könnte das BetrVG die Möglichkeit eines Tarifvertragsabschlusses nur für die eigenen Mitglieder vorsehen. Die Wirksamkeitserstreckung auch auf die Außenseiter würde dann durch Allgemeinverbindlicherklärung entsprechend § 5 TVG erfolgen. Davon abgesehen, dass es gesetzestechnisch wenig glücklich ist, die Normierung von Regelungszuständigkeit und -befugnis zur Umsetzung in unterschiedlichen Gesetzen zu regeln, erweisen sich die Voraussetzungen, die § 5 TVG an die Zulässigkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung knüpft, allerdings als untauglich. So passen die Anwendungsvoraussetzungen nicht auf Tarifverträge über Fragen der Betriebsverfassungsorganisation. Es würde regelmäßig an deren Erfüllbarkeit fehlen.63 Insbesondere die in § 5 Abs. 1 Satz 1 TVG vorgeschriebene 50 v. H.-Klausel wäre verzichtbar, da sich daraus für Tarifverträge, die sich stets auf einen bestimmten Betrieb beziehen, wohl keine Einschränkung ergeben wird. Auch die Bindung an das öffentliche Interesse ist für Tarifverträge über betriebsverfassungsrechtliche Organisationsstrukturen wenig sinnvoll. Zwar können gegenläufige Interessen von Nichtorganisierten auch in eine Entscheidung über das öffentliche Interesse miteinbezogen werden.64 Wenn man bei dem Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen eines öffentlichen Interesses danach fragt, „ob die Allgemeinverbindlicherklärung unter Beachtung ihrer Zielsetzungen dazu geeignet ist, für eine nicht unerhebliche Anzahl von Arbeitnehmern drohende Nachteile abzuwenden“65, dürfte diese Frage bei einer Abweichung von der betriebsverfassungsrechtlichen Organisation und trotz aller Beurteilungsspielräume aber nur selten zu bejahen sein.66 b) BetrVG auch als Grundlage für die Allgemeinverbindlicherklärung Sinnvoll wäre es daher, die Möglichkeit einer Allgemeinverbindlicherklärung zusammen mit der tarifvertraglichen Regelungsbefugnis direkt in das BetrVG zu übernehmen und sie den spezifischen Besonderheiten anzupassen. Abgesehen von einer Streichung der 50 v. H.-Klausel wäre die Entscheidung (anders als bei § 5 TVG) nicht nur an das öffentliche, sondern vor 63

Giesen, Rechtsgestaltung, S. 557. BVerfGE 44, 322, 348; Wank in: Wiedemann, TVG § 5 Rn. 70; vgl. unter C.I.3.c). 65 Wank in: Wiedemann, TVG, § 5 Rn. 71; vgl. a. Däubler, TVR, Rn. 1253. 66 So auch: Giesen, Rechtsgestaltung, S. 557. 64

III. Allgemeinverbindlicherklärung des Tarifvertrages

281

allem an das betriebliche Interesse und die Interessen des einzelnen Betriebsbelegschaftsangehörigen zu knüpfen. Aus verfassungsrechtlicher Sicht würde diese Verknüpfung von tarifvertraglicher Gestaltungsbefugnis und staatlicher Erteilung des Geltungsbefehls einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen Betätigungsfreiheit der Koalitionen auf dem Gebiet der Betriebsverfassung und den Freiheitsrechten der betroffenen Außenseiter darstellen.

Gesetzestexte § 3 BetrVG 1972 Zustimmungsbedürftige Tarifverträge (1) Durch Tarifvertrag können bestimmt werden: 1. Zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen der Arbeitnehmer bestimmter Beschäftigungsarten oder Arbeitsbereiche (Arbeitsgruppen), wenn dies nach den Verhältnissen der vom Tarifvertrag erfaßten Betriebe der zweckmäßigeren Gestaltung der Zusammenarbeit des Betriebsrats mit den Arbeitnehmern dient; 2. die Errichtung einer anderen Vertretung der Arbeitnehmer für Betriebe, in denen wegen ihrer Eigenart der Errichtung von Betriebsräten besondere Schwierigkeiten entgegenstehen; 3. von § 4 abweichende Regelungen über die Zuordnung von Betriebsteilen, soweit dadurch die Bildung von Vertretungen der Arbeitnehmer erleichtert wird. (2) Tarifverträge nach Absatz 1 bedürfen insoweit der Zustimmung der obersten Arbeitsbehörde des Landes, bei Tarifverträgen, deren Geltungsbereich mehrere Länder berührt, der Zustimmung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung. Vor der Entscheidung über die Zustimmung ist Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die von dem Tarifvertrag betroffen werden, den an der Entscheidung über die Zustimmung interessierten Gewerkschaften und Vereinigungen der Arbeitgeber sowie den obersten Arbeitsbehörden der Länder, auf deren Bereich sich der Tarifvertrag erstreckt, Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme sowie zur Äußerung in einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung zu geben.

§ 3 BetrVG (Fassung vom 23. Juli 2001) (1) Durch Tarifvertrag können bestimmt werden: 1. für Unternehmen mit mehreren Betrieben a) die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats oder b) die Zusammenfassung von Betrieben, wenn dies die Bildung von Betriebsräten erleichtert oder einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen der Arbeitnehmer dient; 2. für Unternehmen und Konzerne, soweit sie nach produkt- oder projektbezogenen Geschäftsbereichen (Sparten) organisiert sind und die Leitung der Sparte auch Entscheidungen in beteiligungspflichtigen Angelegenheiten trifft, die Bildung von Betriebsräten in den Sparten (Spartenbetriebsräten), wenn dies der sachgerechten Wahrnehmung der Aufgaben dient;

Gesetzestexte

283

3. andere Arbeitnehmervertretungsstrukturen, soweit dies insbesondere aufgrund der Betriebs-, Unternehmens- oder Konzernorganisation oder aufgrund anderer Formen der Zusammenarbeit von Unternehmen einer wirksamen und zweckmäßigen Interessenvertretung der Arbeitnehmer dient; 4. zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Gremien (Arbeitsgemeinschaften), die der unternehmsübergreifenden Zusammenarbeit von Arbeitnehmervertretungen dienen; 5. zusätzliche betriebsverfassungsrechtliche Vertretungen der Arbeitnehmer, die die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Arbeitnehmer erleichtern. (2) Besteht in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1, 2, 4 oder 5 keine tarifliche Regelung und gilt auch kein anderer Tarifvertrag, kann die Regelung durch Betriebsvereinbarung getroffen werden. (3) Besteht im Falle des Absatzes 1 Nr. 1 Buchstabe a keine tarifliche Regelung und besteht in dem Unternehmen kein Betriebsrat, können die Arbeitnehmer mit Stimmenmehrheit die Wahl eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats beschließen. Die Abstimmung kann von mindestens drei wahlberechtigten Arbeitnehmern des Unternehmens oder einer im Unternehmen vertretenen Gewerkschaft veranlasst werden. (4) Sofern der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung nichts anderes bestimmt, sind Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 erstmals bei der nächsten regelmäßigen Betriebsratswahl anzuwenden, es sei denn, es besteht kein Betriebsrat oder es ist aus anderen Gründen eine Neuwahl des Betriebsrats erforderlich. Sieht der Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung einen anderen Wahlzeitpunkt vor, endet die Amtszeit bestehender Beriebsräte, die durch die Regelungen nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 entfallen, mit Bekanntgabe des Wahlergebnisses. (5) Die Aufgrund eines Tarifvertrages oder einer Betriebsvereinbarung nach Absatz 1 Nr. 1 bis 3 gebildeten betriebsverfassungsrechtlichen Organisationseinheiten gelten als Betriebe im Sinne dieses Gesetzes. Auf die in ihnen gebildeten Arbeitnehmervertretungen finden die Vorschriften über die Rechte und Pflichten des Betriebsrats und die Rechtsstellung seiner Mitglieder Anwendung.

Entscheidungsregister I. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts BVerfGE 1, 14 ff.

Urteil vom 23. Oktober 1951 – 2 BvG 1/51

BVerfGE 1, 184 ff.

Urteil vom 20. März 1952 – 1 BvL 12, 15, 16, 24, 28/51

BVerfGE 2, 380 ff.

Urteil vom 1. Juli 1953 – 1 BvL 23/51

BVerfGE 3, 225 ff.

Urteil vom 23. Dezember 1953 – 1 BvL 106/53

BVerfGE 4, 96 ff.

Beschluss vom 18. November 1954 – 1 BvR 629/52 = AP Nr. 1 zu Art. 9 GG

BVerfGE 5, 25 ff.

Entscheidung vom 30. Mai 1956 – 1 BvF 3/53 = NJW 1956, 1025

BVerfGE 5, 85, 198

Urteil vom 17. August 1956 – 1 BvB 251 = NJW 1956, 1393

BVerfGE 6, 222 ff.

Beschluss vom 19. Februar 1957 – 1 BvL 13/54

BVerfGE 7, 89 ff.

Entscheidung vom 24. Juli 1957 – 1 BvL 34/52

BVerfGE 7, 377 ff.

Urteil vom 11. Juni 1958 – 1 BvR 596/56 – (Apothekenurteil)

BVerfGE 7, 198 ff.

Urteil vom 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/31 – (Lüth-Urteil) = NJW 1958, 257 ff.

BVerfGE 8, 274 ff.

Beschluss vom 12. November 1958 – 2 BvL 4, 26, 40/56, 1, 7/57

BVerfGE 8, 155 ff.

Beschluss vom 6. Mai 1958 – 2 BvL 37/56, 2 BvL 11/57

BVerfGE 9, 137 ff.

Entscheidung vom 3. Februar 1959 – 2 BvL 10/56 = NJW 1959, 931 f.

BVerfGE 12, 319 ff.

Beschluss vom 2. Mai 1961 – 1 BvR 203/53

BVerfGE 17, 208 ff.

Beschluss vom 4. Februar 1964 – 2 BvL 26/63

BVerfGE 17, 319 ff.

Beschluss vom 14. April 1964 – 2 BvR 69/62 = AP Nr. 1 zu Art. 81 PersVG Bayern

BVerfGE 18, 18 ff.

Urteil vom 6. Mai 1964 – 1 BZR 79/62 = AP Nr. 15 zu § 2 TVG

BVerfGE 18, 257 ff.

Entscheidung vom 26. November 1964 – 1 BvL 14/62 = AP Nr. 88 zu Art. 3 GG = BB 1956, 43 = NJW 1965, 195

Entscheidungsregister

285

BVerfGE 18, 407 ff.

Entscheidung vom 23. März 1965 – 2 BvN 1/62 = NJW 1965, 1371

BVerfGE 19, 302 ff.

Beschluss vom 30.11.1965 – 2 BvR 54/62 = AP Nr. 7 zu Art. 9 GG = EzA Art. 9 GG Nr. 11 – DB 1966, 299 ff.

BVerfGE 20, 312 ff.

Beschluss vom 19. Oktober 1966 – 1 BvL 24/65 = AP Nr. 24 zu § 2 TVG = AuR 1967, S. 30 mit Anm. von Reuß

BVerfGE 21, 54 ff.

Beschluss vom 21. Dezember 1966 – 1 BvR 33/64 = NJW 1967, 545

BVerfGE 21, 73 ff.

Beschluss vom 12. Januar 1967 – 2 BvR 169/63

BVerfGE 22, 180 ff.

Entscheidung vom 18. Juli 1967 – 2 BvF 362 = DB 1967, 1419 = NJW 1967, 1795

BVerfGE 22, 320 ff.

Beschluss vom 15. November 1967 – 2 BvL 7, 20, 22/64

BVerfGE 27, 253 ff.

Beschluss vom 3. Dezember 1969 – 1 BvR 624/56

BVerfGE 28, 295 ff.

Beschluss vom 26. Mai 1970 – 2 BvR 664/65 = AP Nr. 16 zu Art. 9 GG = EzA Nr. 12 zu Art. 9 GG

BVerfGE 28, 314 ff.

Beschluss vom 26. Mai 1970 – 2 BvR 311/67

BVerfGE 29, 221 ff.

Entscheidung vom 14. Oktober 1970 – 1 BvR 307/68 = BB 1971, 42 = DB 1971, 51 = NJW 1971, 365

BVerfGE 31, 297 ff.

Beschluss vom 20. Juli 1971 – 1 BvR 13/69 = NJW 1971, 2301

BVerfGE 32, 346 ff.

Beschluss vom 23. Februar 1972 – 2 BvL 36/71 = NJW 1972, 860 ff.

BVerfGE 33, 1 ff.

Entscheidung vom 14. März 1972 – 2 BvR 41/71 = JW 1972, 811 ff.

BVerfGE 33, 125 ff.

Beschluss vom 9. Mai 1972 – 1 BvR 518/62 und 308/64 – (Facharztbeschluss) = NJW 1972, 1504

BVerfGE 33, 303 ff.

Entscheidung vom 18. Juli 1972 – 1 BvL 32/70, 1 BvL 25/71

BVerfGE 34, 52 ff.

Entscheidung vom 10. Oktober 1972 – 2 BvL 51/69 = NJW 1973, 451 f.

BVerfGE 34, 307 ff.

Beschluss vom 27. Februar 1973 – 2 BvL 27/69

BVerfGE 35, 202 ff.

Urteil vom 5. Juni 1973 – 1 BvR 536/82 = NJW 1973, 1227 ff.

BVerfGE 38, 281 ff.

Beschluss vom 18. Dezember 1974 – 1 BzR 430/65 und 259/66 = EzA Nr. 15 u Art. 9 GG

BVerfGE 38, 386 ff.

Beschluss vom 19. Februar 1975 – 1 BvR 418/71

BVerfGE 40, 237 ff.

Beschluss vom 28. Oktober 1975 – 2 BvR 883/73, 2 BvR 379/74, 2 BvR 379/74, 2 BvR 526/74 = NJW 1976, 34 ff.

BVerfGE 41, 251 ff.

Beschluss vom 27. Januar 1976 – 1 BvR 2325/73 = NJW 1976, 1309 ff.

286

Entscheidungsregister

BVerfGE 42, 133 ff.

Beschluss vom 28. April 1976 – 1 BvR 71/73

BVerfGE 44, 322 ff.

Beschluss vom 24. Mai 1977 – 2 BvL 11/74 (Allgemeinverbindlichkeitserklärungs-Beschluss = AP Nr. 15 zu § 5 TVG = EzA Nr. 5 zu § 5 TVG = NJW 1977, 2255 ff. = DB 1977, 1510 ff.

BVerfGE 48, 210 ff.

Beschluss vom 19. April 1987 – 2 BvL 2/75 = BB 1978, 943 f. = DB 1978, 1428 = NJW 1978, 2143 f.

BVerfGE 49, 89 ff.

Beschluss vom 8. August 1978 – 2 BvL 8/77 = DB 1979, 201 ff. = NJW 1979 359 ff.

BVerfGE 50, 290 ff.

Urteil vom 1. März 1979 – 1 BvR 532, 533/77, 419/78 und 1BvL 21/78 = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG

BVerfGE 51, 1 ff.

Beschluss vom 20. März 1979 – 1 BvR 111/74, 1 BvR 283/78 = DB 1979, 1611 f. = NJW 1979 2295 ff.

BVerfGE 51, 77 ff.

Beschluss vom 27. März 1979 – 2 BvR 1011/78

BVerfGE 55, 7 ff.

Beschluss vom 15. Juli 1980 – 1 BvR 24/74 und 439/79 = AP Nr. 17 zu § 5 TVG mit Anm. Wiedemann = DB 1980, 2523

BVerfGE 56, 1 ff.

Beschluss vom 8. Januar 1981 – 2 BvL 3/77, 2 BvL 9/77 = NJW 1981, 1311 ff.

BVerfGE 57, 220 ff.

Beschluss vom 17. Februar 1981 – 2 BvR 348/78 = EzA Nr. 32 zu Art. 9 GG mit Anm. von Otto

BVerfGE 57, 295 ff.

Urteil vom 16. Juni 1981 – 1 BvL 89/78 = NJW 1981, 1774 ff.

BVerfGE 58, 233 ff.

Beschluss vom 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 = AP Nr. 31 zu § 2 TVG

BVerfGE 58, 257 ff.

Beschluss vom 20. Oktober 1981 – 1 BvR 640/80 = NJW 1982, 921 ff.

BVerfGE 59, 104 ff.

Beschluss vom 24. November 1981 – 2 BvL 4/80 = DB 1982, 703 f. = BB 1982, 738 = NJW 1982 1275 f.

BVerfGE 59, 131 ff.

Beschluss vom 13. Januar 1982 – 1 BvR 848, 1047/77, 916, 1307/78, 350/79 und 475, 902, 965, 1177, 1238, 1461/80

BVerfGE 59, 231 ff.

Beschluss vom 13. Januar 1982 – 1 BvR 848/77 = AP Nr. 48 zu § 611 BGB Abhängigkeit = DB 1982, 1062 ff. = NJW 1982, 1447 ff.

BVerfGE 60, 162 ff.

Beschluss vom 23. März 1982 – 2 BvL 1/81

BVerfGE 64, 208 ff.

Beschluss vom 14.06.1983 – 2 BvR 448/80 = AP Nr. 21 zu § 9 BergmannsVersorgScheinG NRW = NJW 1984, 1225

BVerfGE 65, 196 ff.

Beschluss vom 19. Oktober 1983 – 2 BvR 298/81

BVerfGE 68, 1 ff.

Urteil vom 18. Dezemeber 1984 2 BvE 13/83 = NJW 1985, 226 ff.

Entscheidungsregister

287

BVerfGE 73, 261 ff.

Beschluss vom 23. April 1986 – 2 BvR 487/80

BVerfGE 77, 170 ff.

Beschluss vom 29. Oktober 1987 – 2 BvR 624/83, 2 BvR 1080/83, 2 BvR 2029/83 = NJW 1988, 1651 ff.

BVerfGE 77, 381 ff.

Beschluss vom 26. Januar 1988 – 1 BvR 1561/82

BVerfGE 78, 32 ff.

Beschluss vom 25. Februar 1988 – 2 BvL 26/84

BVerfGE 78, 179 ff.

Beschluss vom 10. Mai 1988 – 1 BvR 482/84, 1 BvR 1166/85 = NJW 1988, 2290 ff.

BVerfGE 80, 137 ff.

Beschluss vom 6. Juni 1989 – 1 BvR 921/85 = NJW 1989, 2525 ff.

BVerfGE 81, 242 ff.

Beschluss vom 7. Februar 1990 – 1 BvR 26/84 = NJW 1990, 1469 ff.

BVerfGE 83, 37 ff.

Urteil vom 31. Oktober 1990 – 2 BvF 2/89 = NJW 1991, 162

BVerfGE 84, 212 ff.

Beschluss vom 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – AP Nr. 117 zu Art. 9 GG Arbeitskampf = AuR 1992, 29 ff. mit Anm. Däubler = DB 1991, 1678 = NZA 1991, 809 ff. = SAE 1991, 329 ff. mit Anm. Konzen

BVerfGE 84, 372 ff.

Beschluss vom 9. Oktober 1991 – 1 BvR 397/87

BVerfGE 86, 288 ff.

Beschluss vom 3. Juni 1992 – 2 BvR 1041/88, 2 BvR 78/89 = NJW 1992, 1947 ff.

BVerfGE 89, 155 ff.

Urteil vom 12. Oktober 1993 – 2 BvR 2134, 2159/92

BVerfGE 90, 60 ff.

Urteil vom 22. Februar 1994 – 1 BvL 30/88 = NJW 1994, 1942 ff.

BVerfGE 92, 26 ff.

Beschluss vom 10. Januar 1995 – 1 BvF 1/90, 1 BvR 342, 348/90 = EzA Nr. 55 zu Art. 9 GG

BVerfGE 92, 365 ff.

Beschluss vom 4. Juli 1995 – 1 BvF 2/86 und 1, 2, 3, 4/87 und 1 BvR 1421/87 = NJW 1996, 185 f., EzA Nr. 5 zu § 116 AFG mit Anm. Henssler/Suckow = JZ 1995, 1169 mit Anm. Lieb = SAE 1996, 202 ff. mit Anm. Konzen

BVerfGE 93, 1 ff.

Beschluss vom 16. Mai 1995 – 1 BvR 1087/91 („KruzifixEntscheidung“)

BVerfGE 93, 37 ff.

Beschluss vom 24. Mai 1995 – 2BvF 1/92

BVerfGE 93, 213 ff.

Beschluss vom 9. August 1995 – 1 BvR 2263/95, 1 BvR 229/95, 1 BvR 534/95 = NJW 1996, 709 ff.

BVerfGE 93, 352 ff.

Beschluss vom 14. November 1995 – 1 BvR 601/92 = AuR 1996, 151 ff. = EzA Nr. 60 zu Art. 9 GG (Thüsing)

BVerfGE 94, 268 ff.

Beschluss vom 24. April 1996 – 1 BvR 712/86 = EzA Nr. 61 zu Art. 9 GG

BVerfGE 95, 1 ff.

Beschluss vom 17. Juli 1996 – 2 BvF 2/93 = NJW 1997, 383 ff.

288

Entscheidungsregister

BVerfGE 97, 169 ff.

Beschluss vom 27. Januar 1989 – 1 BvL 15/87 = AP Nr. 17 zu § 23 KSchG1969 = NZA 1998, 470 = NJW 1998, 1475

BVerfGE 100, 214 ff.

Beschluss vom 24. Februar 1999 – 1 BvR 123/93 = NZA 1999, 713 ff. = NJW 1999, 2658

BVerfGE 100, 271 ff.

Beschluss vom 27. April 1999 – 1 BvR 2203/93, 897/95

BVerfG AP Nr. 4 zu § 1 AEntG

Beschluss vom 18. Juli 2000 – 1 BvR 948/00 = NJW 2000, 3704 f. = NZA 200, 948, EzA Nr. 69 zu Art. 9 GG

BVerfG AP Nr. 2 zu § 10 BUrlG Kur

Beschluss vom 3. April 2001 – 1 BvL 32/97 = NZA 2001, 777 ff.

BVerfGE 107, 59 ff.

Beschluss vom 5. Dezember 2002 – 2 BvL 5/98, 6/98 = DÖV 2003, 678 ff.

II. Entscheidungen des Bayerischen Verfassungsgerichtshofes BayVerfGH NJW 1983, 235 ff.

Entscheidung vom 17. Mai 1982 – Vf. 25 VII/80

III. Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichtes BAGE 1, 258 ff.

Urteil vom 15. Januar 1955 – 1 AZR 305/54 = AP Nr. 4 zu Art. 3 GG

BAGE 4, 37 ff.

Urteil vom 29. März 1957 – 1 AZR 208/55 = AP Nr. 4 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz (Gumpert) = RdA 1957, 310 = BB 1957, 544 = DB 1957, 482 = NJW 1957, 1006

BAGE 4, 133 ff.

Urteil vom 23. März 1957 – 1 AZR 64/56 = AP Nr. 18 zu Art. 3 GG

BAGE 4, 240 ff.

Urteil vom 23. März 1957 – 1 AZR 236/56 = BAG AP Nr. 16 zu Art. 3 GG

BAG AP Nr. 6 zu Art. 9 GG Arbeitskampf

Urteil vom 27. September 1957 1 AZR 81/56

BAGE 5, 130 ff.

Urteil vom 20. Dezember 1957 – 1 AZR 87/57 = AP Nr. 10 zu § 2 TVG

BAGE 12, 194 ff.

Urteil vom 19. Januar 1962 – 1 AZR 147/61 = AP Nr. 11 zu § 5 TVG

BAGE 14, 52 ff.

Urteil vom 25. Januar 1963 – 1 AZR 288/62 = AP Nr. 24 zu Art. 9 GG Arbeitskampf

BAGE 14, 82 ff.

Beschluss vom 1. März 1963 – 1 ABR 1/62 = AP Nr. 5 zu § 3 BetrVG = RdA 1963, 159 = BB 1963, 601 = DB 1963, 662 = NJW 1963, 1325 = AuR 1963, 223

Entscheidungsregister

289

BAGE 15, 235

Beschluss vom 1. Januar 1964 – 1 ABR 14/64 = AP Nr. 6 zu § 3 BetrVG 1952 = RdA 1964, 158

BAGE 16, 117 ff.

Urteil vom 15. Juni 1964 – 1 AZR 303/63 = AP Nr. 35 zu Art. 9 GG Arbeitskampf

BAGE 16, 329 ff.

Beschluss vom 27. November 1964 – 1 ABR 13/63 = AP Nr. 1 zu § 2 TVG

BAGE 17, 59 ff.

Urteil vom 3. Februar 1965 – 4 AZR 385/63 = AP Nr. 12 zu § 5 TVG

BAG AP Nr. 2 zu § 21 KSchG (Hueck)

Urteil vom 5. August 1965 – 2 AZR 439/64 = RdA 1965, 400 = DB 1965, 1220 = AuR 1965, 312

BAGE 19, 217 ff.

Urteil vom 14. Februar 1967 – 1 AZR 494/65 = AP Nr. 10 zu Art. 9 GG (Mayer-Maly) = AuR 1969, 93

BAG AP Nr. 63 Blatt 2 zu § 611 BGB Gratifikation (Gamillscheg)

Urteil vom 16. November 1967 – 5 AZR 157/67

BAGE 20, 175 ff.

GS Beschluss vom 29. November 1967 – GS 1/67 = AP Nr. 13 zu Art. 9 GG = SAE 1969, 246 (Wiedemann)

BAGE 21, 201 ff.

Urteil vom 11. November 1968 – 1 AZR 16/68 = AP Nr. 14 zu Art. 9 GG

BAGE 22, 144 ff.

Urteil vom 3. Oktober 1969 – 3 AZR 400/68 = AP Nr. 23 zu § 15 AZO (Söllner)

BAG AP Nr. 32 zu § 620 Befristeter Arbeitsvertrag (Richardi)

Urteil vom 4. Dezember 1969 – 5 AZR 84/69

BAGE 22, 252 ff.

Urteil vom 30. Januar 1970 – 3 AZR 44/68 = AP Nr. 142 zu § 242 Ruhegehalt

BAGE 22, 295 ff.

Beschluss vom 17. Februar 1970 – 1 ABR 15/69 = § 2 TVG Tarifzuständigkeit

BAGE 23, 292 ff.

Beschluss vom 21. April 1971 – GS 1/68 = BAG(GS) AP Nr. 43 zu Art. 9 GG Arbeitskampf

BAGE 23, 460 ff.

Urteil vom 30. Septermber 1971 – 5 AZR 146/71 = AP Nr. 36 zu § 620 Befristeter Arbeitsvertrag (Palenberg)

BAGE 25, 60 ff.

Beschluss vom 16. Februar 1973 – 1 ABR 18/72 = AP Nr. 1 zu § 19 BetrVG 1972 (Natzel) = RdA 1973 = BB 1973, 1071 = DB 1973, 1254 = EzA Entscheidung 38 Betriebsverfassung VI

AP Nr. 1 zu § 1 TVG Papierindustrie

Urteil vom 6. März 1973 – 4 AZR 210/72 = RdA 1973, 277 = BB 1973, 890 = DB 1973, 1456

290

Entscheidungsregister

AP Nr. 2 zu § 3 TVG Urteil vom 4. Dezember 1974 – 5 AZR 75/74 BAGE 27, 22 ff.

Urteil vom 29. Januar 1975 – 4 AZR 218/74 = AP Nr. 8 zu § 4 TVG Nachwirkung

BAGE 27, 33 ff.

Beschluss vom 19. Februar 1975 – 1 ABR 55/73 = AP Nr. 9 zu § 5 BetrVG 1972 (Richardi) = RdA 1975, 208 = BB 1975, 925 = DB 1975, 1320 = NJW 1975, 1941 = EzA Nr. 18 zu § 5 BetrVG

BAG AP Nr. 11 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz (Wiedemann)

Urteil vom 24. September 1975 – 4 AZR 471/74 = EzA Nr. 1 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz

BAG AP Nr. 52 zu Art. 9 GG Arbeitskampf (Richardi)

Urteil vom 17. Dezember 1976 – 1 AZR 772/75

BAGE 29, 182 ff.

Urteil vom 18. Mai 1977 – 4 AZR 47/76 = AP Nr. 4 zu § 4 BAT

BAG AP Nr. 12 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz (Wiedemann)

Urteil vom 29. November 1978 – 4 AZR 304/77 = RdA 1979, 135 = EzA Nr. 2 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz

BAGE 30, 23 ff.

Beschluss vom 17. Januar 1978 – 1 ABR 71/76 = AP Nr. 1 zu § 1 BetrVG 1972 = RdA 1978, 198 ff.

BAGE 32, 113, 119

Urteil vom 26. September 1979 – 4 AZR 819/77 = AP Nr. 17 zu § 613a BGB

BAGE 32, 326 ff.

Urteil vom 17. Januar 1980 – 3 AZR 160/79 = AP Nr. 18 zu § 613a BGB

BAGE 34, 260 ff.

Beschluss vom 18. November 1980 – 1 ABR 31/78 = AP Nr. 2 zu § 108 BetrVG = RdA 1981, 261 = BB 1981, 1030 = DB 1981, 1240 = EzA Nr. 4 zu § 108 BetrVG 1972

BAGE 37, 83 ff.

Urteil vom 11. November 1981 – 4 AZR 258/79 = AP Nr. 55 zu §§ 22, 23 BATBl.63

BAGE 41, 5 ff.

Beschluss vom 9. Februar 1982 – 1 ABR 36/80 = AP Nr. 24 zu § 118 BetrVG 1972 = DB 1982, 1414 f.

BAGE 40, 317 ff.

Urteil vom 10. November 1982 – 4 AZR 1203/79

BAGE 46, 322 ff.

Urteil vom 12. September 1984 – 1 AZR 342/83 – AP Nr. 81 zu Art. 9 GG Arbeitskampf

BAGE 46, 363 ff.

Beschluss vom 13. September 1984 – 6 ABR 43/84 = AP Nr. 3 zu § 1 BetrVG 1972

BAG AP Nr. 82 zu Art. 9 GG Arbeitskampf

Beschluss vom 23. Oktober 1984 – 1 AZR 126/81

Entscheidungsregister

291

BAG AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht

Beschluss vom 27. Februar 1985 – GS 1/84

BAGE 48, 307 ff.

Urteil vom 24. April 1985 – 4 AZR 457/83 = NZA 1985, 602

BAGE 49, 360 ff.

Urteil vom 18. September 1985 – 4 AZR 75/84

BAGE 50, 158 ff.

Urteil vom 13. November 1985 – 4 AZR 309/84 = AP Nr. 46 zu § 613a BGB

BAGE 50, 179 ff.

Beschluss vom 19. November 1985 – 1 ABR 37/83 = AP Nr. 4 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit

BAG AP Nr. 17 zu § 77 BetrVG 1972

Beschluss vom 16. September 1986 – GS 1/82 = DB 1987, 383 = AuR 1987, 378

BAG AP Nr. 46 zu Art. 9 GG

Urteil vom 21. Januar 1987 – 4 AZR 486/86 = DB 1987, 492 = NZA 1987, 357 (LS) = AuR 1988, 63 = AiB 1987, 26

BAGE 54, 113 ff.

Urteil vom 21. Januar 1987 – 4 AZR 547/86 = AP Nr. 47 zu Art. 9 GG (Scholz) = EzA Art. 9 GG Nr. 42 = BB 1987 615(LS) = DB 1987, 487 = NJW 1987, 1967 (LS) = NZA 1987, 233 = AuR 1988, 61 = AiB 1987, 26

BAGE 54, 191 ff.

24. Februar 1987 – 1 ABR 18/85 = AP Nr. 21 zu § 77 BetrVG 1972 = BB 1987, 1246 ff. = DB 1987, 1435 ff. = NZA 1987, 639 ff.

BAG AP Nr. 30 zu § 15 KSchG1969

Urteil vom 5. März 1987 – 2 AZR 623/85 = NZA 1988, 32

BAGE 56, 18 ff.

Beschluss vom 18. August 1987 – 1 ABR 30/86 = AP Nr. 23 zu § 77 BetrVG 1972 mit Anm. von v. Hoyningen-Huene = NZA 1987, 779

BAGE 57, 220 ff.

Urteil vom 21. Januar 1988 – 6 AZR 567/86 = AP Nr. 6 zu § 29 BAT

BAGE 58, 183 ff.

Urteil vom 27. April 1988 – 7 AZR 593/87 = AP Nr. 4 zu § 1 BeschFG 1985

BAGE 57, 317 ff.

Beschluss vom 10. Februar 1988 – 1 ABR 70/86 = AP Nr. 53 zu § 99 BetrVG 1972 mit Anm. von Lund = NZA 1988, 699

BAGE 58, 183 ff.

Urteil vom 27. April 1988 – 7 AZR 593/87 = BAG AP Nr. 4 zu § 1 BeschFG 1985 (Gamillscheg) = RdA 1988, 318 = BB 1988, 1675, DB 1988, 1803 = NZA 1988, 771 = EzA Nr. 4 zu § 1 BeschFG 1985

BAG AP Nr. 52 zu Art. 9 GG

Urteil vom 14. Februar 1989 – 1 AZR 142/88 = NZA 1989, 601, 602

BAG AP Nr. 16 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz

Urteil vom 14. Juni 1989 – 4 AZR 342/87

292

Entscheidungsregister

BAGE 62, 171 ff.

Urteil vom 27. Juni 1989 – 1 AZR 404/88 – AP Nr. 113 zu Art. 9 Arbeitskampf = NZA 1989, 969 ff. = DB 1989, 2228 ff. = ZIP 1989, 1356 ff. = EzA Nr. 94 zu Art. 9 GG Arbeitskampf

BAGE 64, S. 368 ff.

Beschluss vom 26. April 1990 – 1 ABR 84/87= AP Nr. 57 zu Art. 9 GG = RdA 1990, S. 315, BB 1990, S. 922, = DB 1990, S. 990 = NZA 1990, 850 = EzA Nr. 20 zu § 4 TVG Druckindustrie

BAG AP Nr. 7 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit

Beschluss vom 24. Juli 1990 – 1 ABR 46/89 = RdA 1990, 382 = DB 1990, 104 = NJW 1991, 21 = EzA Nr. 2 zu § 2 TVG Tarifzständigkeit

BAGE 67, 222

Urteil vom 14. Februar 1991 – 8 AZR 166/90 = AP Nr. 10 zu § 3 TVG = RdA 1991, 254 = BB 1991, 1418 = DB 1991, 2088 = NZA 1991, 779 = EzA Nr. 10 zu § 4 TVG Nachwirkung

BAGE 67, 330 ff.

Urteil vom 20. März 1991 – 4 AZR 455/90 = AP Nr. 20 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz (Hanau/Kania) = RdA 1991, 255 = BB 1991, 974 = DB 1991, 708 = NZA 1991, 436 = EzA Nr. 7 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz

BAGE 67, 377 ff.

Urteil vom 9. April 1991 – 1 AZR 406/90 = AP Nr. 1 zu § 77 BetrVG 1972 Tarifvorbehalt

BAGE 69, 105 ff.

Urteil vom 27. November 1991 – 5 AZR 167/91 = AP Nr. 29 zu § 9 BermannsVersorgScheinG = NZA 1992, 607

AP Nr. 13 zu § 3 TVG (Löwisch/ Rieble),

Urteil vom 18. März 1992 – 4 AZR 339/91 = BB 1992, 1213 = DB 1992, 1297 = NZA 1992700 = EzA Nr. 14 zu § 4 TVG Nachwirkung

BAG AP Nr. 101 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers

Beschluss vom 12. Juni 1992 – GS 1/89

BAGE 72, 48 ff.

Urteil vom 2. Dezember 1992 – 4 AZR 277/92 = AP Nr. 14 zu § 3 TVG = RdA 1993, 126 = BB 1993795 = DB 1993, 1148 = NZA 1993, 655 = EzA Nr. 6 zu § 3 TVG

BAG AP Nr. 42 zu § 1 BetrVAG Zusatzversorgungskassen

Urteil vom 5. Oktober 1993 – 3 AZR 586/92

BAG AP Nr. 13 zu § 3 TVG Verbandszugehörigkeit

Urteil vom 10. November 1993 – 4 AZR 375/92 = RdA 1994, 317 = DB 1994, 2638 f.

BAG AP Nr. 118 zu § 613a BGB

Beschluss vom 27. Juli 1994 – 4 ABR 37/93 = NZA 1995, 222

Entscheidungsregister

293

BAG AP Nr. 12 zu § 1 TVG Rückwirkung

Urteil vom 23. November 1994 – 4 AZR 879/93 = NZA 1995, 844 ff.

BAG AP Nr. 16 zu § 1 BetrVG 1972

Urteil vom 21. Juni 1995 – 2 AZR 693/94 = EzA Nr. 24 zu § 23 KSchG1969

BAG AP Nr. 8 zu § 4 BetrVG 1972

Urteil vom 28.6.1995 – 7 ABR 59/95 = NZA 1996, S. 276 ff.

BAG AP Nr. 1 zu § 3 TVG Betriebsnormen (Hanau)

Urteil vom 7. November 1995 – 3 AZR 676/94 = NZA 1996, 1214 ff. = EzA Nr. 1 zu § 3 TVG Betriebsnormen

BAG AP Nr. 8 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit

Beschluss vom 12. Dezember 1995 – 1 ABR 27/95 = DB 1997, 682 = NZA 1996, 1042 = EzA Nr. 3 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit

BAGE 82, 27 ff.

Urteil vom 13. Dezember 1995 – 4 AZR 1062/94 = AP Nr. 3 zu § 3 TVG Verbandsaustritt (Rieble) = BB 1996, 1437 = DB 1996, 1284 = NZA 1996, 769 = EzA Nr. 11 zu § 3 TVG

BAGE 84, 314 ff.

Beschluss vom 12. November 1996 – 1 ABR 33/96 = AP Nr. 11 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit (Oetker) = DB 1997, 734, NZA 1997, 609 = EzA Nr. 6 zu § 2 TVG Tarifzuständigkeit

BAGE 85, 370 ff.

Urteil vom 14.5.1997 – 7 ABR 26/96 = Nr. 6 zu § 8 BetrVG 1972 = NZA 1997, S. 1245 ff.

BAGE 87, 1 ff.

Urteil vom 14. Oktober 1997 – 7 AZR 811/96 = AP Nr. 155 zu § 1 Tarifverträge: Metallindustrie = NZA 1998, 778 ff. = DB 1998, 1484 ff. = EzA Nr. 11 zu § 611 BGB Einstellungsanspruch

BAGE 88, 118 ff.

Urteil vom 25. Februar 1998 – 7 AZR 641/96 = AP Nr. 11 zu § 1 Tarifverträge: Luftfahrt = NZA 1989, 715 ff. = BB 1998, 2165 ff., DB 1998, 1420 ff. = JZ 1999, 200 ff. = EzA Nr. 9 zu § 620 BGB Altergrenze

BAGE 88, 162 ff.

Urteil vom 11. März 1998 – 7 AZR 700/96 = AP Nr. 1 zu § 1 Tarifverträge: Luftfahrt = NZA 1998, 716 ff. DB 1998, 1422 f. = EzA Nr. 8 zu § 620 BGB Altergrenze

BAGE 88, 322 ff.

Beschluss vom 29. April 1998 – 7 ABR 42/97 = AP Nr. 58 zu § 40 BetrVG 1972 = NZA 1998, 1133 ff.

BAGE 89, 193 ff.

Urteil vom 24. Juni 1998 – 4 AZR 208/97 = AP Nr. 1 78 § 20 UmwG = BB 1999, 211 f.

BAGE 92, 26 ff.

Beschluss vom 9. Juni 1999 – 7 ABR 66/97

BAGE 92, 303 ff.

Urteil vom 5. Oktober 1999 – 4 AZR 668/98 = AP Nr. 70 zu § 1 TVG Tarifverträge Einzelhandel = RdA 2000, 310 ff. = NZA 2000, 1302 ff.

294

Entscheidungsregister

BAGE 94, 144 ff.

Beschluss vom 22. März 2000 – 7 ABR 34/98 = AP Nr. 8 zu § 14 AÜG = NZA 2000, S. 1119

BAGE 95, 15 ff.

Beschluss vom 31. Mai 2000 – 7 ABR 78/98 = AP Nr. Nr. 12 zu § 1 BetrVG 1972 Gemeinsamer Betrieb = NZA 2000, 1350

BAGE 95, 277 ff.

Urteil vom 30. August 2000 – 4 AZR 563/99 = NZA 2001, 613 ff.

BAGE 97, 31 ff.

Beschluss vom 24. Januar 2001 – 4 ABR 4/00 = AP Nr. 1 zu § 3 BetrVG 1972

BAG NZA 2001, 831 ff.

Urteil vom 15. März 2001 – 2 AZR 151/00

BAG AP Nr. 18 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag

Urteil vom 20. Juni 2001 – 4 AZR 295/00 = NZA 2002, S. 517 = ZIP 2002, 583 = RdA 2002, 299 (Däubler)

BAGE 99, 10 ff.

Urteil vom 29. August 2001 – 4 AZR 332/00 = AP Nr. 17 zu § 1 TVG Bezugnahme auf Tarifvertrag = NZA 2002, S. 513 = RdA 2002, 299 ff.

BAGE 99, 31 ff.

Urteil vom 29. August 2001 – 4 AZR 352/00 = AP Nr. 291 zu Art. 3 GG (Bauschke) = NZA 2002, 863 ff. = RdA 2002, 306 = BB 2002, 1598 = DB 2002, 1220 = EzA Nr. 93 zu Art. 3 GG

BAG AP Nr. 56 zu § 242 BGB Betriebliche Übung

Urteil vom 16. Januar 2002 – 5 AZR 715/00 = NZA 2002, 632 ff. = BB 2002, 1155 = DB 2002, 1327 = EzA Nr. 37 zu § 4 TVG Tariferhöhung

BAG, DB 2004, 881 ff.

Urteil vom 15. Oktober 2003 – 4 AZR 573/02 = EzA § 4 Nr. 35 zu § 4 TVG Nachwirkung

IV. Landesarbeitsgerichtliche Entscheidungen LAG Düsseldorf LAGE § 3 BetrVG 1972 Nr. 4

Beschluss vom 11. November 1999 – 5 TaBV 55/99 =

LAG Hamm LAGE Art. 4 GG Nr. 2

Urteil vom 18.1.2002 – 5 Sa 1782/01 = NJW 2002, 1970, 1971

LAG Hamm Urteil vom 25. September 2002 – 18 Sa 740/02 NZA-RR 2003, 144 f. Hessisches LAG, DB 2004, 1786 ff.

Urteil vom 14. Juli 2003 – 16 Sa 530/02 (zugelassene Revision zurückgenommen)

Entscheidungsregister

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V. Arbeitsgerichtliche Entscheidungen ArbG Wiesbaden NZA-RR 2002, S. 254 ff.

Urteil vom 7. Januar 2002 – 3 Ca 8/00

VI. Entscheidungen des Reichsgerichts RGE 104, 327 ff.

Urteil vom 6. April 1922 – VI 456/21

VII. Entscheidungen des Bundesgerichtshof BGHE 39, 87 ff.

Urteil vom 31. Januar 1963 – VII ZR 284/61

BGHE 84, 352 ff.

Urteil vom 8. Juli 1982 – III ZR 103/80 = AP Nr. 37 zu Art. 9 GG

VIII. Entscheidungen des Bundessozialgerichts BSGE 6, 213 ff.

Urteil vom 12. Dezember 1957 – RKg 4/56 = AP Nr. 1 zu § 1 KindGG (Wertenbruch)

BSGE 29, 254 ff.

Urteil vom 30. Mai 1969 – 6 RKa 13/67

BSGE 47, 21 ff.

Urteil vom 13. Juli 1978 – Az 8/3 RK 21/77

IX. Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts BVerwGE 7, 82 ff.

Urteil vom 6. Juni 1958 – VII CB 187.57

BVerwGE 7, 188 f.

Urteil vom 1. August 1958 – VII A 35.57

BVerwGE 41, 261 ff.

Urteil vom 12. Dezember 1972 – 1 C 30.69

BVerwGE 55, 250 ff.

Urteil vom 17. Februar 1978 – 1 C 102.76

BVerwGE 72, 300 ff.

Urteil vom 19. Dezember 1985 – 7 C 65.82

X. Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes BayVwGH BayVBl 1960, 321 ff.

Urteil vom 1. Juli 1960 Nr. 42 III 60

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Stichwortverzeichnis Abwägungsformel 247 ff. Allgemeine Handlungsfreiheit 243 f. Allgemeiner Gesetzesvorbehalt 205, 226 Allgemeinverbindlicherklärung 145 ff., 171, 213, 277 ff. Andere Arbeitnehmerstruktur 102 ff. Anerkennungsmonopol 38 f. Anfechtbarkeit der Betriebsratswahl 136 ff. Arbeitnehmervertretung, andere 102 ff. Arbeitnehmervertretung, zusätzliche 119 ff. Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen 40 f., 50 ff., 172, 231, 240, 260 f. Arbeitsgemeinschaften 115 ff. Arbeitskampfverbot 159 f. Arbeitsvertragliche Einbeziehungsabrede 144 Ausgestaltung 29, 67 f., 76, 79 ff. Auslegung 69 f., 105 f., 109 Außenseitererstreckung 213 f., 225 f., 230 ff., 260 Autonomie 31 ff., 58 Beendigung der Amtszeit 164 Beratungsfunktion 124 Bestandsgarantie 239 f. Bestimmtheitsgebot 188, 195 Betätigungsgarantie 74, 224, 240 f., 258 Betriebsänderung 167 ff. Betriebseinheitliche Geltung 155 Betriebsratsloser Betrieb 89 f. Betriebsratswahl 136 f., 163, 165, 177 – Anfechtbarkeit 86 – Nichtigkeit 86

Betriebsspaltung 90, 148, 167 f. Betriebsübergang 171 ff. Betriebsvereinbarung 140 ff. Betriebsverhältnis, Lehre vom 186 f. Betriebszusammenfassung 168 f. Delegation 33 f., 68, 81, 183 f., 187 ff., 200, 210, 219 Delegationstheorie 26 ff., 31 ff. Delegationsbeschränkungen 187 ff. Delegationsverbot 189, 209 Demokratieprinzip 191 ff., 215, 218 ff., 225 Demokratische Legitimation 117 ff. Dynamische Verweisung 210 f. Einbeziehungsabrede 144 Eingriff 74 ff., 79 ff., 183 f., 222, 233 f., 241, 262 Eingriffscharakter betriebsverfassungsrechtlicher Organisationsnormen 183 Einzelrechtsnachfolge 170 ff., 174 Erforderlichkeitsgrundsatz 203 Erleichterte Betriebsratsbildung 93 ff. Erstreikbarkeit 159 ff. Erweiterte Autonomie 58 Fachaufsicht 196 Fehlerfolgen 135 ff. Fernbleiberecht 258 Firmentarifvertrag 170 ff. Geltungsbefehlslehre 29, 38 f. Gemeinsamer Betrieb 88 Genehmigungserfordernis 24, 88, 138, 160, 274 ff.

Stichwortverzeichnis

323

Gesamtbetriebsrat 85, 101, 151 Gesamtrechtsnachfolge 170 Gesamtrepräsentation 46 ff. Gesetzesvorbehalt 205, 226 Gewaltenteilungsgrundsatz 188, 201 Gleichordnungskonzern 107 f. Gleichrangigkeit positiver und negativer Koalitionsfreiheit 264 ff. Grundrechtsbindung 39 f.

Legitimationsgegenstand 193 f. Legitimationsinstrumente 195 f. Legitimationskette 193, 195 Legitimationsniveau 175 ff., 177, 180, 198 f., 200, 218, 227 Legitimationssubjekt 193 Leistungsbestimmung 27, 36 Letztentscheidungsbefugnis 186, 199 f., 211, 213 ff., 221 f.

Individualrechtliche Weitergeltung 171 ff. Inhaltsnorm 171 Inkorporation fremden Rechts 210, 220 Institutionelle Garantie 236 f. Institutsgarantie 237 f.

Materielle Legitimation 195 f. Materieller Gehalt der Negative Koalitionsfreiheit 256 ff. Mischcharakter 79 ff., 82, 161, 191

Kartellrechtliche Zulässigkeit 178 ff. Kernbereichslehre 230, 247 ff., 257 Kleinstbetrieb 91 Koalitionsbetätigungsfreiheit 74, 218, 224, 240 f., 258 Koalitionsfreiheit 42 ff., 78, 218 ff., 231 ff., 242 ff. Koalitionszweck 42 ff., 53 Kollektive Koalitionsfreiheit 236 ff. Kollektivrechtliche Weitergeltung 171, 172 ff. Kollisionsfälle 155 Kompensationslehre 217 f., 267 Konkurrenz von positiver und negativer Koalitionsfreiheit 263 Kontinuität betriebsverfassungsrechtlicher Arbeitnehmerrepräsentation 165 Legitimation 59 ff., 125, 128 ff., 191 ff., 215, 255 – materielle 195 f. – personelle 195 f., 199 Legitimationsdefizit 23, 157, 223 Legitimationsfaktoren 196

Nachwirkung von Tarifverträgen 175 f. Negative Dimension von Freiheitsrechten 251 f., 261 Negative Koalitionsfreiheit 175, 242 ff. Nichtigkeit der Betriebsratswahl 136 ff. Normsetzungsbefugnisse 41 ff., 65 ff. Öffnungsklausel 143 f. Ordnungsfunktion 46 ff. Originäre Rechtsetzungsmacht 28 f. Personelle Legitimation 195 f., 199 Postulat der Einheitlichkeit 58 ff., 62, 263 Rechtsaufsicht 196 f. Rechtsbegriffe 128 ff. – bestimmte 128 – unbestimmte 129 ff. Rechtsgeschäftliche Theorie 27 ff., 36 Rechtsnormcharakter von Tarifverträgen 183 f. Rechtsnormsetzungsmonopol 31 ff. Rechtssicherheit 188, 201, 202 Rechtsstaatsprinzip 200 ff., 218 f.

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Stichwortverzeichnis

Rechtsweggarantie 204 Reform von § 3 BetrVG 36 ff. Relative Richtigkeitsgewähr 45 f. Richterliche Kontrolle 197 f., 205 Richtigkeitsgewähr 42 ff., 60, 128 Richtlinie 2001/23/EG 172 ff., 174

Teilnahmerecht 123 f. Transformation 171 ff.

Sozialstaatsprinzip 43, 47, 71 ff., 263 f. Spartenbegriff 98 f., 135 Spartenbetriebsrat 97 ff. Spartenorganisation 97, 99 ff. Staatliches Anerkennungsmonopol 38 f. Staatliches Rechtsnormsetzungsmonopol 31 ff. Statische Verweisung 210 Stimmrecht 122 f.

Verbandstarifvertrag 173 Verfassungsstaatlichkeit 203 Verhältnis von vereinbarter und gesetzlicher Struktur 69 f., 100, 113 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 201, 203 Vertragsübernahme 171 Verweisung 210 f. Vorrang des Gesetzes 204

Tarifautonomie 40 f., 58, 74, 180 – Betriebsverfassung 50 ff., 58 ff. – Normsetzungsbefugnisse 41 f. – persönlicher Umfang 58 ff. – Regelungsbefugnisse 26 ff. Tarifdispositivität 73 f., 150 f. Tarifliche Öffnungsklausel 143 f. Tarifkonkurrenz 155 Tarifpluralität 155 Tarifvertragsgesetz 65 ff. – Verfassungskonforme Auslegung 69 ff. – Verhältnis zum BetrVG 72 ff. Tarifvorbehalt 140 ff. Tarifvorrang 140 ff.

Überbrückungsfunktion 175 ff., 177 Unternehmenseinheitlicher Betriebsrat 88 ff.

Weitergeltung 171 ff. – Individualrechtlich 171 ff. – Kollektivrechtlich 171, 172 ff. Wesentlichkeitsvorbehalt 195 f., 205, 219, 226 Wettbewerbsbeschränkung 180 f. Wirksamkeit 104 ff., 130 ff, 159 f., 165, 170 Zusammenarbeit 120 f. Zusammenfassung von Kleinstbetrieben 91 f. Zusätzliche Arbeitnehmervertretung 119 ff. Zweckmäßigkeit 104 ff., 130 ff., 159 f., 165, 170 Zweckmäßigkeitsmaßstab 131