Tarifvertrag und Verbandsmitgliedschaft in der Insolvenz des Arbeitgebers. [1 ed.] 3428189922, 9783428189922

Die Insolvenz eines tarifgebundenen Arbeitgebers wirft zahlreiche Fragen in unterschiedlichen Rechtsgebieten auf, vor al

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German Pages 210 [211] Year 2023

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Tarifvertrag und Verbandsmitgliedschaft in der Insolvenz des Arbeitgebers. [1 ed.]
 3428189922, 9783428189922

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 381

Tarifvertrag und Verbandsmitgliedschaft in der Insolvenz des Arbeitgebers

Von

Laura Adjan

Duncker & Humblot · Berlin

LAURA ADJAN

Tarifvertrag und Verbandsmitgliedschaft in der Insolvenz des Arbeitgebers

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Matthias Jacobs, Hamburg Prof. Dr. Rüdiger Krause, Göttingen Prof. Dr. Sebastian Krebber, Freiburg Prof. Dr. Thomas Lobinger, Heidelberg Prof. Dr. Markus Stoffels, Heidelberg Prof. Dr. Raimund Waltermann, Bonn

Band 381

Tarifvertrag und Verbandsmitgliedschaft in der Insolvenz des Arbeitgebers

Von

Laura Adjan

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München hat diese Arbeit im Jahre 2023 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2024 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany

ISSN 0582-0227 ISBN 978-3-428-18992-2 (Print) ISBN 978-3-428-58992-0 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Arbeit wurde im Wintersemester 2022/2023 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur sind bis einschließlich Januar 2023 berücksichtigt. Mein ganz persönlicher Dank gilt meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Richard Giesen. Ich danke ihm nicht nur für die äußerst rasche Erstbegutachtung, sondern auch dafür, dass er diese Arbeit angeregt, betreut und mich stets uneingeschränkt gefördert und unterstützt hat. Die Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin an seinem Lehrstuhl für Sozialrecht, Arbeitsrecht und Bürgerliches Recht der Ludwig-Maximilians-Universität München hat es mir ermöglicht, die Arbeit unter hervorragenden Forschungsbedingungen anzufertigen. Herrn Professor Dr. Martin Franzen danke ich für die rasche Erstellung des Zweitgutachtens. Besonderer Dank gilt allen Kollegen und Freunden am Zentrum für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht für die persönliche und fachliche Unterstützung und die schöne gemeinsame Zeit. Ausdrücklich erwähnen möchte ich Herrn Dr. Lucas Lichtenberg und Herrn Tobias Meyer, die mir insbesondere mit ihrer konstruktiven Kritik bei der Fertigstellung der Arbeit sehr geholfen haben. Der größte Dank gilt meinen Eltern, Angela und Mohamed Adjan, sowie meinem Ehemann Thomas Hölscher. Meinen Eltern danke ich für alles, was sie für mich getan und mir ermöglicht haben. Thomas Hölscher danke ich für seinen stets motivierenden Zuspruch und seinen bedingungslosen Beistand bei der Erstellung dieser Arbeit sowie in jeder Phase unseres gemeinsamen Lebens. München, im September 2023

Laura Adjan

Inhaltsübersicht Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 § 1 Rechtsrahmen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 A. Gläubigerbefriedigung durch Sanierung oder Abwicklung des Insolvenzschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Die Stellung des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 27 I. Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 II. Massebezug des Verwalterhandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Insolvenzrechtliche Regelungen zur Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte und zur Mitwirkung des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Insolvenzrechtliche Sondervorschriften zum Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 32 D. Keine insolvenzrechtlichen Vorgaben für den Umgang mit Tarifverträgen trotz möglicher Belastung der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 I. Massebelastung durch Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 II. Fortgeltung der Tarifverträge und der Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 III. Notwendiger Ausgleich unterschiedlicher Interessen im Insolvenzverfahren

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IV. Eigenverantwortung der Tarifvertragsparteien für den Umgang mit Tarifverträgen in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 § 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . 44 A. Tariffähigkeit des insolventen nicht verbandsangehörigen Arbeitgebers . . . . . . . . 44 I. Insolventer Arbeitgeber als Partei des Tarifvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 II. Fortbestehende Arbeitgebereigenschaft des Insolvenzschuldners . . . . . . . . . . 45 III. Übergang der Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . 47 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 B. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 I. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes bei Insolvenz des verbandsangehörigen Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 II. Exkurs: Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes bei Verbandsauflösung . . . . 60

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Inhaltsübersicht

§ 3 Beendigung und Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers 71 A. Herauswachsen aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 I. Begrenzung des Geltungsbereichs des Tarifvertrags und Rechtsfolge des Herauswachsens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 II. Kein Herauswachsen aus dem betrieblich-fachlichen Geltungsbereich infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 III. Herauswachsen aus dem Geltungsbereich infolge einer Umstrukturierung des insolventen Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 B. Beendigung des Tarifvertrags durch den Insolvenzverwalter oder den Arbeitgeberverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Kein Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters für Firmentarifverträge . . 80 II. Kündigung des Firmentarifvertrags durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . 82 III. Kündigung des für den insolventen Arbeitgeber geltenden Verbandstarifvertrags durch den Arbeitgeberverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 C. Änderung der tariflichen Arbeitsbedingungen durch eine abweichende Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 I. Tarifabweichung oder -ergänzung durch Individualvereinbarung oder Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 II. Abweichung oder Ergänzung durch Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag . . . . . . . . . . 120 I. Tarifvertragliche Klauseln zur Änderung oder Beendigung des Tarifvertrags bei Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Kein Verstoß gegen § 314 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 III. Vereinbarkeit einer insolvenzbedingten Änderungs- oder Lösungsklausel im Tarifvertrag mit § 119 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 § 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bei Insolvenz des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 A. Kein automatisches Ausscheiden des insolventen Mitglieds aus dem Arbeitgeberverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 I. Automatisches Ausscheiden des insolventen Gesellschafters aus der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 II. Fortbestand der Vereinsmitgliedschaft ohne Insolvenzbeschlag . . . . . . . . . . . . 147 B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds . . . . . . . . . . . . 153 I. Ausschluss des insolventen Mitglieds durch den Arbeitgeberverband . . . . . . . 154 II. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft durch den Insolvenzverwalter . . . . . 163 C. Wahrnehmung der mitgliedschaftlichen Rechtspositionen des insolventen Mitglieds bei fortbestehender Verbandsmitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 I. Zuständigkeit für die Durchführung des Tarifvertrags bei Fortbestand der Verbandsmitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173

Inhaltsübersicht

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II. Zuständigkeit für Organ- und Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 III. Zuständigkeit für Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 D. Zusammenfassende Übersicht zur Zuständigkeitsverteilung zwischen Insolvenzverwalter und insolventem Mitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 § 5 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Inhaltsverzeichnis Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23 § 1 Rechtsrahmen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 A. Gläubigerbefriedigung durch Sanierung oder Abwicklung des Insolvenzschuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 B. Die Stellung des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . I. Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Massebezug des Verwalterhandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Voraussetzungen für die Zuordnung zur Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . 2. Aufteilung der Zuständigkeit zwischen Insolvenzverwalter und Insolvenzschuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Trennung bei Insolvenz einer juristischen Person und einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Insolvenzrechtliche Regelungen zur Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte und zur Mitwirkung des Betriebsrats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte in der Insolvenz . . . . . . . . . . . . . . II. Insolvenzrechtliche Sondervorschriften zum Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung für die Insolvenzmasse 2. Anwendung der Betriebsverfassung zum Schutz der Arbeitnehmer . . . . . . D. Keine insolvenzrechtlichen Vorgaben für den Umgang mit Tarifverträgen trotz möglicher Belastung der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Massebelastung durch Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beispiele für massebelastende Tarifnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Normen über betriebliche oder betriebsverfassungsrechtliche Fragen . . c) Tarifverträge über gemeinsame Einrichtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beispiele für masseneutrale Tarifnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Keine Massebelastung durch die Durchführungs- und Friedenspflicht . . . . II. Fortgeltung der Tarifverträge und der Tarifbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Notwendiger Ausgleich unterschiedlicher Interessen im Insolvenzverfahren IV. Eigenverantwortung der Tarifvertragsparteien für den Umgang mit Tarifverträgen in der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis

§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . 44 A. Tariffähigkeit des insolventen nicht verbandsangehörigen Arbeitgebers . . . . . . . . I. Insolventer Arbeitgeber als Partei des Tarifvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fortbestehende Arbeitgebereigenschaft des Insolvenzschuldners . . . . . . . . . . III. Übergang der Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . 1. Mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehende Arbeitsverhältnisse als Gesamtpaket im Sinne eines Pflichtenbündels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erweiterung der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters durch § 108 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtspositionen durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . a) Aufteilung der Zuständigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umfassende Zuständigkeit des Insolvenzverwalters infolge der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch Tarifnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Zuständigkeit bei Einwirken auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Zuständigkeit im Einzelnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Einschränkung des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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B. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes bei Insolvenz des verbandsangehörigen Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abhängigkeit der Rechtsfolgen der Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen eines Mitglieds von der Organisationsform des Verbandes . . . . 2. Tarifrechtlich notwendige Unabhängigkeit des Verbands vom Schicksal des Mitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Organisationsform des Arbeitgeberverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Organisationsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Einschränkung der Organisationsfreiheit durch die Anforderungen an die Tariffähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Notwendigkeit einer demokratischen Organisation . . . . . . . . . . . (2) Merkmal der Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Auflösung des Arbeitgeberverbandes bei Insolvenz des verbandsangehörigen Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Exkurs: Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes bei Verbandsauflösung . . . . 1. Auflösung des Arbeitgeberverbandes durch Insolvenzverfahrenseröffnung oder Auflösungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis 2. Kein Wegfall der Tariffähigkeit für bereits geschlossene Tarifverträge mangels (tariflich legitimierter) Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zuständigkeit des Vereinsvorstands für die Durchführung und Beendigung der Tarifverträge bei Insolvenz des Arbeitgeberverbandes . . . . . . . aa) Insolvenzrechtliche Begrenzung der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters auf die Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Tarifliche Legitimation des Vereinsvorstands für die Beendigung von Tarifverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zuständigkeit der Liquidatoren für die Durchführung und Beendigung von Tarifverträgen bei Auflösungsbeschluss außerhalb des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tarifliche Legitimation der Liquidatoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kündigung der Tarifverträge durch die Liquidatoren . . . . . . . . . . . . cc) Sonderfall der Notbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Vollbeendigung und mögliche Nachtragsliquidation . . . . . . . . . . . . . 3. Tariffähigkeit für neu abzuschließende Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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§ 3 Beendigung und Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers 71 A. Herauswachsen aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Begrenzung des Geltungsbereichs des Tarifvertrags und Rechtsfolge des Herauswachsens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kein Herauswachsen aus dem betrieblich-fachlichen Geltungsbereich infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Geltung des Tarifvertrags für den Abwicklungsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Geltung des Tarifvertrags auch für den nicht gewerblich tätigen Abwicklungsbetrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Verlust der Gewerblichkeit im Rahmen des Insolvenzverfahrens . . . . . . b) Mittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien . . . . . . . . . . . . c) Sachlicher Differenzierungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Herauswachsen aus dem Geltungsbereich infolge einer Umstrukturierung des insolventen Betriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übertragende Sanierung und betriebsinterne Umstrukturierungen im Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einsatz von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften . . . . . . . . . B. Beendigung des Tarifvertrags durch den Insolvenzverwalter oder den Arbeitgeberverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kein Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters für Firmentarifverträge . . 1. Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters für gegenseitige synallagmatische Verträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine Anwendung des § 103 InsO auf Tarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71 71 72 73 74 74 75 76 76 77 77 78 79 80 80 81 82

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Inhaltsverzeichnis II. Kündigung des Firmentarifvertrags durch den Insolvenzverwalter . . . . . . . . . 1. Ordentliche Kündigung des Firmentarifvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen und Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine analoge Anwendung des § 120 Abs. 1 Satz 2 InsO auf Firmentarifverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vergleichbare Interessenlage in Bezug auf die Massebelastung und Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Vergleichbarkeit des Tarifvertrags mit betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsinstrumenten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Keine Teilkündigung von Tarifverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Außerordentliche Kündigung des Firmentarifvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Rechtsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) § 314 BGB analog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Verhältnis zu § 313 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Primär Vertragsanpassungsanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Anwendung des § 313 BGB auf Tarifverträge . . . . . . . . . (a) Keine sachlichen Unterschiede zu § 314 BGB . . . . . . . . . . . (b) Anforderungen an die Nachverhandlung . . . . . . . . . . . . . . . . b) Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse als wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tendenzielle Existenzgefährdung als Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . bb) Keine Kündigung aus wichtigem Grund wegen der Insolvenzverfahrenseröffnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Stellungnahme und eigene Ansicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Berücksichtigung der Grundsätze zur Änderungskündigung von Arbeitsverhältnissen zur Lohnabsenkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Sanierung steht und fällt mit außerordentlicher Kündigung des Tarifvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Drohendes Scheitern der Sanierung ohne außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Nachweis durch Sanierungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Insolvenzplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Einhaltung der Frist des § 314 Abs. 3 BGB und weitere Voraussetzungen d) Nachwirkung auch bei außerordentlicher Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . III. Kündigung des für den insolventen Arbeitgeber geltenden Verbandstarifvertrags durch den Arbeitgeberverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unzumutbarkeit für die Mitglieder oder den Verband selbst bei außerordentlicher Kündigung des Verbandstarifvertrags? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82 83 83 84 85 86 87 88 88 88 89 89 89 89 90 90 91 92 92 93 94 95 96 96 97 97 98 99 100 100 101 102 103

Inhaltsverzeichnis

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2. Keine außerordentliche Kündigung des Verbandstarifvertrags bei Existenzgefährdung eines Mitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 3. Sonderfall des unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrags . . . . . . . . . . 105 C. Änderung der tariflichen Arbeitsbedingungen durch eine abweichende Vereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Tarifabweichung oder -ergänzung durch Individualvereinbarung oder Betriebsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Günstigkeitsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. (Nachträgliche) Vereinbarung einer Öffnungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Abweichung oder Ergänzung durch Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abschluss eines Sanierungstarifvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Möglicher Inhalt eines Sanierungstarifvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abschluss des Sanierungstarifvertrags als Haus- oder unternehmensbezogener Verbandstarifvertrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Satzungsregelungen zum Verbot des Abschlusses eines abweichenden Haustarifvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Gleichbehandlungspflicht bei Abschluss eines unternehmensbezogenen Sanierungsverbandstarifvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Geltung des Sanierungshaustarifvertrags für Außenseiter-Arbeitnehmer bei kleiner dynamischer Bezugnahmeklausel . . . . . . . . dd) Verhältnis des Sanierungstarifvertrags zum Verbandstarifvertrag . . . (1) Verdrängung des Verbandstarifvertrags durch den spezielleren Sanierungshaustarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ablösung des Verbandstarifvertrags durch den unternehmensbezogenen Sanierungsverbandstarifvertrag? . . . . . . . . . . . . . . . . ee) Zusammenfassende Übersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Außerordentliche Kündigung des Sanierungstarifvertrags . . . . . . . . . . . aa) Insolvenz des Arbeitgebers kein wichtiger Grund für die Gewerkschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wichtiger Grund bei Scheitern der Sanierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Abschluss eines Tarifsozialplans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Zulässigkeit und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Analoge Anwendung der §§ 123, 124 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Vergleichbare Interessenlage in Bezug auf den Regelungsinhalt und die Massebelastung sowie Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 GG . . . . bb) Vergleichbare Interessenlage in Bezug auf die Erzwingbarkeit? . . . cc) Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105 106 106 107 107 109 109 109 110 110 111 112 112 113 114 115 115 115 117 117 117 118 119 120 120

D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag . . . . . . . . . . 120 I. Tarifvertragliche Klauseln zur Änderung oder Beendigung des Tarifvertrags bei Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . 121 II. Kein Verstoß gegen § 314 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

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Inhaltsverzeichnis III. Vereinbarkeit einer insolvenzbedingten Änderungs- oder Lösungsklausel im Tarifvertrag mit § 119 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Unwirksamkeit einer tarifvertraglichen Vereinbarung gemäß § 119 InsO a) Anwendbarkeit des § 119 InsO auf den Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Subsumtion des Tarifvertrags unter die §§ 103 bis 118 InsO bb) Tarifvertrag als Vereinbarung i. S. d. § 119 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Ausschluss oder Beschränkung der §§ 103 bis 118 InsO durch Tarifnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Ausschluss oder Beschränkung der §§ 103 bis 118 InsO durch schuldrechtliche Vereinbarung in einem Tarifvertrag . . . . . . . . . cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinbarkeit einer insolvenzbedingten Änderungs- oder Lösungsklausel im Arbeitsvertrag mit § 119 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Unwirksamkeit einer Lösungsklausel gemäß § 119 InsO . . . . . . . . . (1) Begriff der Lösungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein Einwirken der Lösungsklausel auf die Abwicklung gemäß §§ 103 bis 118 InsO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Masseschutz durch § 119 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (4) Unwirksamkeit einer Lösungsklausel im Arbeitsverhältnis wegen der Anordnung des Fortbestands von Arbeitsverhältnissen mit Wirkung für die Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (5) Kein Schutz des Vertragspartners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (6) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Unwirksamkeit einer insolvenzbedingten Arbeitsvertragsänderung gemäß § 119 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Arbeitsvertragsänderung zugunsten der Masse . . . . . . . . . . . . . . (2) Arbeitsvertragsänderung zulasten der Masse . . . . . . . . . . . . . . . (a) Einordnung als Lösungsklausel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Passivamehrung durch höhere Masseansprüche . . . . . . . . . . (c) Passivamehrung durch Geltendmachung von Rückständen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Insolvenz- oder Masseforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rechtsfolgen für insolvenzbedingte Klauseln in einem Tarifvertrag . . . . aa) Klausel zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund . . . bb) Rückfallklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Höhere Masseansprüche für die Zukunft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Möglichkeit der Geltendmachung von Rückständen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Nachverhandlungsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Exkurs: Tarifnormen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

123 124 124 124 124 124 126 126 127 127 127 127 128

129 130 130 131 131 131 132 133

133 134 134 135 135 136 136 137 138

Inhaltsverzeichnis 2. Insolvenzbedingte Klauseln im Rahmen einer Sanierungsvereinbarung . . . a) Das Sanierungsprivileg im Anfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anderer Charakter einer Sanierungsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . bb) Inhaltliche Anforderungen an einen Sanierungsversuch zum Ausschluss der objektiven Gläubigerbenachteiligung im Insolvenzanfechtungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Übertragung des Sanierungsprivilegs auf § 119 InsO . . . . . . . . . . . . . . . c) Andere Anforderungen an den Sanierungsversuch für eine arbeitsrechtliche Sanierungsvereinbarung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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139 141 142 142 142

§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bei Insolvenz des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 A. Kein automatisches Ausscheiden des insolventen Mitglieds aus dem Arbeitgeberverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Automatisches Ausscheiden des insolventen Gesellschafters aus der Personengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sinn und Zweck des automatischen Ausscheidens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Keine entsprechende Anwendung der Vorschriften des Personengesellschaftsrechts zum Ausschluss des insolventen Gesellschafters auf das insolvente Vereinsmitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Fortbestand der Vereinsmitgliedschaft ohne Insolvenzbeschlag . . . . . . . . . . . . 1. Höchstpersönlichkeit der Vereinsmitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Zugehörigkeit der Mitgliedschaft des insolventen Vereinsmitglieds zur Masse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Keine Verkörperung der Vereinsmitgliedschaft durch einen Anteil am Vermögen des Vereins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Höchstpersönlichkeit der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband . . . . . . . . a) Keine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses der §§ 38, 40 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Analogie zur Fortgeltung des Tarifvertrags bei Rechtsnachfolge? bb) Keine Gefahr der fehlenden Fortgeltung des Tarifvertrags bei Insolvenz des Arbeitgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Unternehmensbezogene und arbeitsverhältnisbezogene Lasten durch Bindung an den Tarifvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Sonderstellung der juristischen Person und Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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146 147 147 148 149 149 150 150 151 151 152 153

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds . . . . . . . . . . . . 153 I. Ausschluss des insolventen Mitglieds durch den Arbeitgeberverband . . . . . . . 154 1. Insolvenz des Mitglieds kein wichtiger Grund für den Arbeitgeberverband bei fehlender Satzungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

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Inhaltsverzeichnis 2. Statutarische Erhebung der Insolvenz zum Beendigungsgrund . . . . . . . . . . a) Umgehung der Anforderungen an einen wichtigen Grund durch Satzungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Vereinsrechtliche Zulässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Keine Unterscheidung zwischen automatischem Ausschluss und außerordentlicher Kündigung durch das zuständige Organ . . . . . . . bb) Grundsätzliche Möglichkeit der statutarischen Erhebung der Insolvenz zum Beendigungsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Ausnahme für Verbände mit überragender Machtstellung . . . . . . . . c) Verstoß gegen § 119 InsO? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolge des Ausschlusses und der Suspendierung von Mitgliedschaftsrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Nachwirkung bei automatischem Ausschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nachbindung bei notwendiger Ausschließungserklärung durch das zuständige Organ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 1 TVG oder gemäß § 3 Abs. 3 TVG bei Ruhen der Mitgliedschaftsrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft durch den Insolvenzverwalter . . . . . 1. Beendigungsmöglichkeiten auf Arbeitgeberseite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Außerordentliche Kündigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Anforderungen an den wichtigen Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Keine Nachbindung bei Unzumutbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Weitere Beendigungsmöglichkeiten und Rechtsfolge . . . . . . . . . . . . . . . aa) Austritt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wechsel in die OT-Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Aufhebungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Rechtsfolge der Nachbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Beendigung der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Keine Pfändbarkeit des Austrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abspaltungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abspaltungsverbot für Organ- und Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Keine Überlassung der Ausübung des Austrittsrechts . . . . . . . . . . . . b) Keine Kündigungsberechtigung wegen Anreicherung der Insolvenzmasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Realisierung des Vermögenswerts der Mitgliedschaft durch Kündigung der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Begrenzung der Masseverbindlichkeiten durch Kündigung der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Übergang der Arbeitgeberfunktionen für das durch Tarifvertrag geregelte Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber . . . . . .

155 155 157 157 158 158 159 160 160 161 162 163 163 163 163 164 164 164 165 165 166 168 168 168 169 169 170 170 171 172

Inhaltsverzeichnis C. Wahrnehmung der mitgliedschaftlichen Rechtspositionen des insolventen Mitglieds bei fortbestehender Verbandsmitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Zuständigkeit für die Durchführung des Tarifvertrags bei Fortbestand der Verbandsmitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Übergang der Arbeitgeberfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Bezahlung der Mitgliedschaftsbeiträge aus der Insolvenzmasse . . . . . . . . . II. Zuständigkeit für Organ- und Schutzrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vereins- und insolvenzrechtlicher Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begrenzte Zuständigkeit des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Kein genereller Vermögensbezug der Mitgliedschaft . . . . . . . . . . . . . . . c) Wahrnehmung einzelner Mitgliedschaftsrechte mit Vermögensbezug . . 2. Übergang der Arbeitgeberfunktionen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Einwirken auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fehlende tarifliche Legitimation des Insolvenzverwalters zur Wahrnehmung des Vorstandsamtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teilnahme- und Stimmrecht bei Abstimmung über Tarifverhandlungsergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Tarifpolitische Betroffenheit des Mitglieds . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Tarifpolitische Betroffenheit des insolventen Mitglieds bei Zuständigkeit des Insolvenzverwalters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Fehlende tarifpolitische Betroffenheit des insolventen Mitglieds wegen der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters? . . . . . . . . . . bb) Vereinsrechtliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zuständigkeit für Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Abspaltungsverbot für Vorteilsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Kein Übergang der Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter für Vermögensrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ausübung einzelner Vorteilsrechte durch den Insolvenzverwalter bei Zustimmung des Verbands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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173 173 173 174 175 175 175 176 177 178 178 179 180 180 181 181 182 182 183 183 184 185

D. Zusammenfassende Übersicht zur Zuständigkeitsverteilung zwischen Insolvenzverwalter und insolventem Mitglied . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 § 5 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209

Abkürzungsverzeichnis a. A. Abs. AG Alt. Anm. ArbGG Art. AuR BAG BB Bd. BeckOK Begr. BetrVG BGB BGH BQG BR BR-Drucks. BT-Drucks. BVerfG BVerwG DB ders. DStR Einf. Einl. ErfK et al. e. V. EWiR f., ff. FDP FK-InsO Fn.

andere Ansicht Absatz Aktiengesellschaft Alternative Anmerkung Arbeitsgerichtsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Juli 1979 (BGBl. I S. 853, 1036), das zuletzt durch Artikel 10 des Gesetzes vom 5. Oktober 2021 (BGBl. I S. 4607) geändert worden ist Artikel Arbeit und Recht (Zeitschrift) Bundesarbeitsgericht Betriebsberater (Zeitschrift) Band Beck’scher Online-Kommentar Begründer Betriebsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. September 2001 (BGBl. I S. 2518), das zuletzt durch Artikel 6d des Gesetzes vom 16. September 2022 (BGBl. I S. 1454) geändert worden ist Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 15. Juli 2022 (BGBl. I S. 1146) geändert worden ist Bundesgerichtshof Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft Bundesrat Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache Bundesverfassungsgericht Bundesverwaltungsgericht Der Betrieb (Zeitschrift) derselbe Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht (Zeitschrift) Einführung Einleitung Erfurter Kommentar et alii, et aliae, et alia eingetragener Verein Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift) folgende, fortfolgende Freie Demokratische Partei Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung Fußnote

Abkürzungsverzeichnis FS GbR GenG

21

Festschrift Gesellschaft bürgerlichen Rechts Genossenschaftsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2230), das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1166) geändert worden ist GG Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 100 – 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 28. Juni 2022 (BGBl. I S. 968) geändert worden ist GmbH Gesellschaft mit beschränkter Haftung GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4123 – 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 6 des Gesetzes vom 15. Juli 2022 (BGBl. I S. 1146) geändert worden ist GmS-OBG Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes HambKomm Hamburger Kommentar HGB Handelsgesetzbuch in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 4100 – 1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 15. Juli 2022 (BGBl. I S. 1146) geändert worden ist HK-InsO Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz i. E. im Ergebnis InsO Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), die zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1166) geändert worden ist InsR-Hdb. Insolvenzrechts-Handbuch i. R. d. im Rahmen des i. V. m. in Verbindung mit JuS Juristische Schulung (Zeitschrift) Kap. Kapitel KK Kölner Kommentar KSchG Kündigungsschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1317), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 14. Juni 2021 (BGBl. I S. 1762) geändert worden ist lit. littera MünchHdbArbR Münchner Handbuch Arbeitsrecht m. w. N. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift (Zeitschrift) NK Nomos Kommentar Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (Zeitschrift) NZA Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht (Zeitschrift) NZA-RR NZA-Rechtsprechungs-Report (Zeitschrift) NZI Neue Zeitschrift für Insolvenzrecht (Zeitschrift) OT Ohne Tarifbindung

22 PartGG RAG RdA RegE Rn. S. SAE sog. SPD SprAuG StaRUG str. TVG u. a. v. a. vgl. Vorb. z. B. ZfA ZInsO ZIP ZPO

zust.

Abkürzungsverzeichnis Partnerschaftsgesellschaftsgesetz vom 25. Juli 1994 (BGBl. I S. 1744), das zuletzt durch Artikel 68 des Gesetzes vom 10. August 2021 (BGBl. I S. 3436) geändert worden ist Reichsarbeitsgericht Recht der Arbeit (Zeitschrift) Regierungsentwurf Randnummer Seite Sammlung Arbeitsrechtlicher Entscheidungen (Zeitschrift) sogenannte(r) Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sprecherausschussgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I S. 2312, 2316), das zuletzt durch Artikel 6e des Gesetzes vom 16. September 2022 (BGBl. I S. 1454) geändert worden ist Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz vom 22. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3256), das zuletzt durch Artikel 12 des Gesetzes vom 20. Juli 2022 (BGBl. I S. 1166) geändert worden ist streitig Tarifvertragsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. August 1969 (BGBl. I S. 1323), das zuletzt durch Artikel 8 des Gesetzes vom 20. Mai 2020 (BGBl. I S. 1055) geändert worden ist unter anderem vor allem vergleiche Vorbemerkung zum Beispiel Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für Insolvenzordnung Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 24. Juni 2022 (BGBl. I S. 959) geändert worden ist zustimmend

Im Übrigen wird verwiesen auf: Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 10. Auflage 2021.

Einführung Die Insolvenz eines tarifgebundenen Arbeitgebers wirft zahlreiche Fragen in unterschiedlichen Rechtsgebieten auf, vor allem im Insolvenz- und Tarifvertragsrecht, aber auch im Arbeitsvertrags- und Verbandsrecht. Keines dieser Rechtsgebiete enthält ein umfassendes Regelungsregime für die Insolvenz eines tarifgebundenen Arbeitgebers. Die Rechtsgebiete sind insofern auch nicht aufeinander abgestimmt. So soll etwa der Insolvenzverwalter nur für vermögensrechtliche Positionen zuständig sein. Das Verbandsrecht unterscheidet aber zwischen Vermögens-, Organund Schutzrechten. Das begründet eine geteilte Zuständigkeit zwischen Insolvenzverwalter und insolventem Arbeitgeber hinsichtlich der Mitgliedschaftsrechte. Die Tarifbindung des Arbeitgebers entsteht aber nicht zwingend durch eine Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband. Vielmehr kann der Arbeitgeber auch tarifgebunden sein, weil er selbst Partei des Tarifvertrags ist (Firmentarifvertrag) oder weil die Arbeitsverträge einen Tarifvertrag in Bezug nehmen. Dann ist es naheliegend, die Grundlagen der Tarifanwendung auf Arbeitgeberseite insofern als (rein) vermögensrechtliche Positionen einzuordnen und eine umfassende Zuständigkeit des Insolvenzverwalters anzunehmen. Folgende Beispiele zeigen einen Ausschnitt der Fragen, die sich den unterschiedlichen Akteuren in der Insolvenz des Arbeitgebers stellen: Ausgangslage: Der Arbeitgeber ist an einen Tarifvertrag gebunden. Laut diesem Tarifvertrag erhalten alle Arbeitnehmer eine jährliche Sonderzahlung in Höhe von 1.000,00 Euro. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Arbeitgebervermögen verlangen die Arbeitnehmer vom Insolvenzverwalter die Sonderzahlung. Fallbeispiel Firmentarifvertrag: Ist der Arbeitgeber als Partei des Tarifvertrags (also kraft eines Firmentarifvertrags) zur Sonderzahlung von 1.000,00 Euro verpflichtet, stellen sich dem Insolvenzverwalter folgende Fragen: *

Beendet die Insolvenz den Tarifvertrag?

*

Ist der insolvente Arbeitgeber weiterhin tarifgebunden und tariffähig?

*

*

*

Kann der Insolvenzverwalter den Tarifvertrag beenden oder ist dafür weiterhin der insolvente Arbeitgeber zuständig? Falls der Insolvenzverwalter den Tarifvertrag beenden kann, gelten in der Insolvenz Sonderregeln, die eine schnellere Loslösung vom Tarifvertrag ermöglichen? Ist die Insolvenz ein wichtiger Grund, der die außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags ermöglicht?

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Einführung Fallbeispiel Sanierungstarifvertrag: Als der an den Firmentarifvertrag gebundene Arbeitgeber im Vorfeld der Insolvenz in Zahlungsschwierigkeiten geraten ist, hat er mit der Gewerkschaft einen Sanierungstarifvertrag geschlossen. Dieser sieht zum einen vor, dass die Sonderzahlung in Höhe von 1.000,00 Euro nicht gezahlt werden muss. Er enthält zum anderen aber auch eine Klausel, nach welcher der Sanierungstarifvertrag im Fall der Insolvenz endet. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wenden sich die Arbeitnehmer an den Insolvenzverwalter und verlangen die Sonderzahlung. Der Insolvenzverwalter fragt sich, ob die insolvenzbezogene Klausel wirksam ist oder der Sanierungstarifvertrag fortbesteht und die Arbeitnehmer keinen Anspruch auf die Sonderzahlung haben. Fallbeispiel Verbandstarifvertrag: Der Arbeitgeber ist kraft Verbandstarifvertrag zur Sonderzahlung verpflichtet. Hier stellen sich nicht nur dem Insolvenzverwalter, sondern auch dem Verband, dem das insolvente Mitglied angehört, unterschiedliche Fragen: *

*

*

*

*

*

Ist der insolvente Arbeitgeber weiterhin tarifgebunden? Endet die Mitgliedschaft des insolventen Mitglieds durch die Insolvenzeröffnung automatisch? Enthält die Satzung möglicherweise eine Regelung, nach welcher das insolvente Mitglied aus dem Arbeitgeberverband ausscheidet? Wenn ja, ist diese Regelung wirksam? Wirkt sich die Insolvenz des Arbeitgebers auf die Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes aus? Begründet die Insolvenz des Mitglieds möglicherweise einen wichtigen Grund für den Arbeitgeberverband, den Verbandstarifvertrag zu kündigen? Wer ist für eine Kündigung der Mitgliedschaft zuständig, sollte diese nicht automatisch enden?

Fallbeispiel Vorstandswahl im Arbeitgeberverband: Weitere Fragen betreffen die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband, falls die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband nicht geendet hat. Für die Masse kann eine Fortsetzung der Mitgliedschaft günstig sein (und sich deshalb dem Insolvenzverwalter empfehlen), weil ihr Fortbestand nur vor neuen Tarifverträgen schützt, es also bei der bisherigen Tarifgeltung bleibt. Bei fortbestehender Mitgliedschaft ist es dem Insolvenzverwalter möglich, auf das Innenleben des Verbands Einfluss zu nehmen, insbesondere, um den Verbandstarifvertrag zu Gunsten des insolventen Mitglieds zu ändern oder einen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag zu erwirken. Stünden etwa Wahlen der Vorstandsmitglieder bevor, könnte der Insolvenzverwalter überlegen, sich als Vorstandsmitglied wählen zu lassen oder ein Mitglied zu wählen, das sich für eine entsprechende Änderung einsetzt. Mit anderen Worten: Es ist zu klären, wer in der Arbeitgeberinsolvenz die Mitgliedschaftsrechte im Verband ausübt, wenn die Mitgliedschaft nicht beendet wird.

Ziel der Arbeit ist es, die Auswirkungen der Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers auf die Tarifverträge sowie die – die Tarifbindung begründende – Verbandsmitgliedschaft zu untersuchen und dabei das Zusammenspiel der nicht aufeinander abgestimmten Rechtsgebiete zu berücksichtigen. Eine

Einführung

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umfassende rechtliche Aufarbeitung der Thematik fehlt bislang.1 Die folgenden Ausführungen betreffen deshalb die Handlungsmöglichkeiten des insolventen Arbeitgebers und des Insolvenzverwalters nach geltendem Recht. In der hiesigen Untersuchung werden zunächst die insolvenz- und tarifvertragsrechtlichen Grundlagen erläutert (§ 1). Dabei wird insbesondere herausgearbeitet, dass der Tarifvertrag, der sowohl massebelastende als auch masseneutrale Regelungen enthalten kann, nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Arbeitgebervermögen fortbesteht. Im Anschluss wird gezeigt, dass sich die Insolvenzeröffnung grundsätzlich nicht auf die Tariffähigkeit des einzelnen Arbeitgebers oder den Arbeitgeberverband auswirkt (§ 2). Ebenso wenig führt die Insolvenzverfahrenseröffnung zur Beendigung des Tarifvertrags. Ein Schwerpunkt der Arbeit ist daher die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Tarifvertrag in der Insolvenz des Arbeitgebers beendet oder angepasst werden kann (§ 3). Die Insolvenz des Arbeitgebers beendet ferner die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband grundsätzlich nicht. Ein weiterer Schwerpunkt ist daher die Frage, wer die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband beenden und wer bei Fortsetzung der Mitgliedschaft die Mitgliedschaftsrechte wahrnehmen kann (§ 4).

1 In der Literatur dazu bisher: Mückl/Krings, BB 2012, 769; Belling/Hartmann, NZA 1998, 57; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 147 ff.; Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 47 ff.; allgemein zu Tarifverträgen bei Sanierung: Benedikt, Die Kürzung von Tariflöhnen zur Sanierung; Adam, DZWIR 2005, 236.

§ 1 Rechtsrahmen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren A. Gläubigerbefriedigung durch Sanierung oder Abwicklung des Insolvenzschuldners Ziel des Insolvenzverfahrens ist die gemeinschaftliche Gläubigerbefriedigung (§ 1 Satz 1 InsO) für die Fälle, in denen dem Insolvenzschuldner die volle Befriedigung seiner Gläubiger nicht mehr möglich ist.1 Die Gläubigerbefriedigung kann entweder durch Abwicklung oder Sanierung des Insolvenzschuldners erfolgen (§ 1 Satz 1 InsO).2 Die Gläubiger entscheiden über die Art ihrer Befriedigung (§ 157 InsO),3 wobei es sich bei der Abwicklung und Sanierung um gleichwertige Maßnahmen handelt.4 Die Insolvenzverfahrenseröffnung muss daher nicht zwingend zur Abwicklung des Insolvenzschuldners und Stilllegung des Betriebs führen. Sanierungsinstrumente der InsO sind die Eigenverwaltung (§§ 270 ff. InsO) und das Insolvenzplanverfahren (§§ 217 ff. InsO), die auch kombiniert werden können (§ 284 InsO).5 Unter den Voraussetzungen des § 270d Abs. 1 Satz 1 InsO ist es dem Insolvenzschuldner bereits während des Eröffnungsverfahrens – also zwischen Eröffnungsantrag des Insolvenzschuldners (§ 13 InsO)6 und Unterzeichnung des Er-

1 Ganter/Bruns, in: MüKo InsO, § 1 Rn. 20 ff. und 51 ff.; Prütting, in: KPB, InsO § 1 Rn. 13; Kexel, in: Graf-Schlicker, InsO, § 1 Rn. 2. 2 Ob es sich bei der Sanierung des Unternehmens neben dem Hauptziel der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung um ein Ziel des Insolvenzverfahrens handelt, ist umstritten, vgl. dazu Ganter/Bruns, in: MüKo InsO, § 1 Rn. 85 ff. m. w. N. 3 Der Umfang der Entscheidungskompetenz ist umstritten. Teilweise wird vertreten, dass die Gläubigerversammlung entsprechend dem Wortlaut des § 157 InsO nur eine vorläufige Fortführung festlegen und die endgültige Fortführung nur im Rahmen eines Insolvenzplans im Abstimmungstermin gemäß § 235 InsO beschließen kann: Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 157 Rn. 12; Janssen, in: MüKo InsO, § 157 Rn. 11; Ries, in: HK-InsO, § 157 Rn. 2; a. A. Balthasar, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 157 Rn. 9; Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 157 Rn. 10. 4 Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 157 Rn. 5; Pape, in: Uhlenbruck, InsO, § 1 Rn. 7; Prütting, in: KPB, InsO § 1 Rn. 23 ff.; Kexel, in: Graf-Schlicker, InsO, § 1 Rn. 2. 5 Vgl. Prütting, in: KPB, InsO, § 1 Rn. 37; Ganter/Bruns, in: MüKo InsO, § 1 Rn. 90; Kern, in: MüKo InsO, § 284 Rn. 2. Ein weiteres Sanierungsinstrument ist die übertragende Sanierung, die aber bereits im Vorfeld des Insolvenzverfahrens möglich ist, vgl. dazu Hoffmann/Danylak, NZI 2020, 705. 6 Auch der Insolvenzgläubiger kann gemäß § 13 InsO einen Eröffnungsantrag stellen. Das erfüllt allerdings nicht die Voraussetzungen des § 270d InsO.

B. Die Stellung des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren

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öffnungsbeschlusses durch das Insolvenzgericht (§ 27 Abs. 1 und 3 InsO)7 – möglich, einen Insolvenzplan in Eigenverwaltung auszuarbeiten (Schutzschirmverfahren).8 Für eine erfolgreiche Sanierung ist in der Regel die Anpassung der tarifvertraglichen Arbeitsbedingungen oder die Beendigung der Tarifverträge erforderlich.9 Auch wenn das Unternehmen des Insolvenzschuldners nicht saniert, sondern stillgelegt wird, müssen für den Schuldner geltende Tarifverträge gegebenenfalls beendet werden.

B. Die Stellung des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren Im Insolvenzverfahren tritt neben den Insolvenzschuldner oder an dessen Stelle häufig ein außenstehender Dritter: der Insolvenzverwalter. Etwas anderes gilt nur, wenn das Insolvenzgericht – auf Antrag des Insolvenzschuldners – (vorläufige) Eigenverwaltung anordnet.10 Dann steht der Insolvenzschuldner unter der Aufsicht eines Sachwalters (§§ 270 Abs. 1 Satz 1, 274 ff. InsO).

I. Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter Wird nicht Eigenverwaltung angeordnet, verliert der Insolvenzschuldner mit Insolvenzverfahrenseröffnung (§ 80 Abs. 1 InsO) seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen (§§ 35 ff. InsO) an den Insolvenzverwalter. Dadurch wird dem Insolvenzschuldner jede Möglichkeit genommen, auf die Insolvenzmasse Einfluss zu nehmen.11 Nach der von der Rechtsprechung sowie von der herrschenden Meinung in der Literatur vertretenen und hier zugrunde gelegten Amtstheorie ist der Insolvenzverwalter Träger eines privaten Amtes und erhält seine Legitimation kraft Gesetzes.12 Bei Erfüllung seiner 7 Vgl. zum Eröffnungsverfahren allgemein Vuia, in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 4 Rn. 1 ff.; zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung vgl. etwa Sternal, in: K. Schmidt, InsO, § 80 Rn. 2. 8 Vgl. zum Schutzschirmverfahren Graf-Schlicker, in: Graf-Schlicker, InsO, § 270d Rn. 17 ff.; vgl. zu Sanierungsinstrumenten der InsO auch Adjan, in: Seiwerth/Witschen (Hrsg.), Besonderheiten des Arbeitsrechts? (2022), S. 229 (231 f.). 9 So auch Mückl/Krings, BB 2012, 769. 10 Vgl. etwa Pechartscheck, in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 18 Rn. 2. 11 Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 6; Lüke, in: KPB, InsO, § 80 Rn. 2; Plathner, in: KKInsO, § 80 Rn. 3; Sternal, in: K. Schmidt, InsO, § 80 Rn. 1. 12 Vgl. nur BGH, Beschluss vom 27. 10. 1983 – I ARZ 334/83 – NJW 1984, 739; BGH, Urteil vom 14. 4. 1987 – IX ZR 260/86 – NJW 1987, 3133; BAG, Urteil vom 21. 9. 2006 – 2 AZR 573/05 – NJW 2007, 458 Rn. 21; Lüke, in: KPB, InsO, § 80 Rn. 38; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 60; Wittowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 38 und

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§ 1 Rechtsrahmen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren

gesetzlichen Verpflichtungen handelt er nicht hoheitlich, sondern materiell-rechtlich und prozessual im eigenen Namen und mit Wirkung für und gegen die Insolvenzmasse.13 Verfügungen des Insolvenzschuldners über einen Gegenstand der Insolvenzmasse sind daher unwirksam (§ 81 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Insolvenzschuldner ist an sämtliche Rechtshandlungen des Insolvenzverwalters über die Verfahrensbeendigung hinaus gebunden.14 Die Bindung des Insolvenzschuldners an Verpflichtungsgeschäfte des Insolvenzverwalters setzt zwangsläufig voraus, dass dem Insolvenzverwalter neben der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auch eine Verpflichtungsbefugnis zusteht.15 Im Eröffnungsverfahren behält der Insolvenzschuldner grundsätzlich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen. Nur soweit es – unter Abwägung der Interessen des Insolvenzschuldners einerseits und dem Interesse der Insolvenzgläubiger am Erhalt der künftigen Insolvenzmasse – erforderlich und verhältnismäßig ist,16 hat das Insolvenzgericht bereits im Eröffnungsverfahren einen vorläufigen Insolvenzverwalter zu bestellen (§ 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO). Soll der Insolvenzschuldner einem allgemeinen Verfügungsverbot unterliegen (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO), geht auch die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Insolvenzschuldners auf den vorläufigen Insolvenzverwalter über (§ 22 Abs. 1 InsO). Die Wirkungen der Verfahrenseröffnung und folglich des § 80 Abs. 1 InsO enden mit Verfahrensaufhebung (§ 200 InsO, § 258 InsO), mit Verfahrenseinstellung mangels Masse (§§ 207 ff. InsO) oder durch Freigabe des Gegenstandes aus der Insolvenzmasse durch den Insolvenzverwalter (§ 35 Abs. 2 InsO).17

II. Massebezug des Verwalterhandelns Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters beschränkt sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen des Schuldners (§ 80 Abs. 1 InsO).

40; Riewe/Kaubisch, in: BeckOK InsO, § 80 Rn. 20; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 19, 275 und mit umfassenden Nachweisen in Fn. 70; zu weiteren Theorien vgl. statt vieler: Bork, Einführung in das Insolvenzrecht, S. 34 ff. Rn. 73 ff. 13 Vgl. nur Sternal, in: K. Schmidt, InsO, § 80 Rn. 19; Kayser, in: HK-InsO, § 80 Rn. 40; Lüke, in: KPB, InsO, § 80 Rn. 37 jeweils m. w. N. 14 Statt aller: Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 25. 15 Statt aller: Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 27. 16 Böhm, in: Braun, InsO, § 21 Rn. 6; Kopp, in: BeckOK InsO, § 21 Rn. 14 ff.; Vallender, in: Uhlenbruck, InsO, § 21 Rn. 3. 17 Vgl. Sternal, in: K. Schmidt, InsO, § 80 Rn. 3 m. w. N.

B. Die Stellung des Insolvenzverwalters im Insolvenzverfahren

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1. Voraussetzungen für die Zuordnung zur Insolvenzmasse Die Insolvenzmasse wird in den §§ 35, 36 InsO legal definiert.18 Rechte werden Bestandteil der Insolvenzmasse, wenn es sich um Vermögensrechte handelt (§ 35 Abs. 1 InsO), die nicht freigegeben wurden (§ 35 Abs. 2 InsO), die der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 InsO), die dem Insolvenzschuldner zustehen, und die er vor Eröffnung oder im Laufe des Insolvenzverfahrens erworben hat.19 § 36 InsO schränkt die positive Bestimmung des § 35 InsO – jedenfalls bei natürlichen Personen – dahingehend ein, dass unpfändbare Vermögensrechte nicht massezugehörig sind.20 Das ist auf den Vollstreckungscharakter des Insolvenzverfahrens zurückzuführen.21 Ebenso wie die Pfändungsschutzvorschriften in der Einzelzwangsvollstreckung (§§ 811 ff. ZPO, §§ 850 ff. ZPO, §§ 864 ff. ZPO), auf die § 36 Satz 1 InsO verweist, bezweckt § 36 InsO im Insolvenzverfahren die Existenzsicherung des Insolvenzschuldners.22 2. Aufteilung der Zuständigkeit zwischen Insolvenzverwalter und Insolvenzschuldner Das Handeln des Insolvenzverwalters ist also gegenständlich begrenzt auf die Insolvenzmasse.23 Durch den Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen auf den Insolvenzverwalter wird die Rechtsausübung von der Rechtsinhaberschaft getrennt wird.24 Die Insolvenzmasse wird jedoch kein Eigentum der Gläubiger oder selbstständiger Rechtsträger.25 Sie ist Rechtsobjekt und den Insolvenzgläubigern haftungsrechtlich zugewiesen.26 Für das insolvenzfreie Vermögen und für unpfändbare Gegenstände bleibt der Insolvenzschuldner hingegen verwaltungs- und verfügungsbefugt.27 Er kann sich einerseits rechtswirksam verpflichten und andererseits Zahlungen aus dem insol18

Vgl. auch Plathner, in: KK-InsO, § 80 Rn. 1; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 43. Vgl. auch Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 16; Kirchner, in: BeckOK InsO, § 35 Einl. 20 Vgl. auch Keller, in: HK-InsO, § 36 Rn. 1; Peters, in: MüKo InsO, § 36 Rn. 1. 21 Vgl. Peters, in: MüKo InsO, § 36 Rn. 1; Keller, in: HK-InsO, § 36 Rn. 1. 22 Holzer, in: KPB, InsO, § 36 Rn. 2; Peters, in: MüKo InsO, § 36 Rn. 1; Jilek/Kirchner, in: BeckOK InsO, § 36 Einl. 23 Vgl. nur Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 10, 12; Riewe/Kaubisch, in: BeckOK InsO, § 80 Rn. 10; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 43; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 8 ff.; Wittowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 9 ff. 24 Vgl. Pechartscheck, in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., §18 Rn. 3; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 6 und 11 m. w. N.; Heinze, AuR 1976, 33 (35); K. Schmidt, DB 1991, 1930 (1931). 25 Vgl. nur Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 22; Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 1; Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 35 Rn. 7; a. A. die Organtheorie vgl. Hanisch, Rechtszuständigkeit der Konkursmasse, S. 68 f. 26 Vgl. Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 22; Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 1; Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 35 Rn. 7. 27 Vgl. etwa Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 8; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 10. 19

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§ 1 Rechtsrahmen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren

venzfreien Vermögen leisten.28 Die Aufteilung zwischen Insolvenzmasse und insolvenzfreiem Vermögen sowie unpfändbarer Gegenstände kann zu einer geteilten Zuständigkeit des Insolvenzschuldners einerseits und des Insolvenzverwalters andererseits führen.29 Ziel der Arbeit ist es, zu überprüfen, wer im eröffneten Verfahren für die Tarifverträge und wer für die – die Tarifbindung begründende – Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds zuständig ist.30 Interessant ist die Frage der Zuständigkeitsverteilung – nach dem soeben Ausgeführten – nur, wenn die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter übergeht. Auf die Eigenverwaltung wird daher in der Arbeit nur am Rande eingegangen. 3. Keine Trennung bei Insolvenz einer juristischen Person und einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit? Die in § 36 Satz 1 InsO in Bezug genommenen Pfändungsschutzvorschriften der Einzelzwangsvollstreckung sind in erster Linie auf den Schutz einer natürlichen Person zugeschnitten.31 Der juristischen Person und der Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit steht als Zweckgebilde kein vom Verfahrensausgang unabhängiges Existenzrecht zu.32 Das ist bei der Anwendung des § 36 InsO auf die juristische Person und die Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit zu berücksichtigen.33 Überwiegt bei einer Gesellschaft – wie typischerweise bei einer Einpersonengesellschaft – die persönliche Erwerbstätigkeit, sind im Wege eines Zurechnungsdurchgriffs die Pfändungsbeschränkungen für Arbeitsmittel (§ 811 Abs. 1, 4, 5 und 7 ZPO) anzuwenden.34 In diesem Fall ist der Gesellschafter schutzbedürftig. Selbst wenn das Verbandsvermögen aber uneingeschränkt dem Insolvenzbeschlag unterliegt, beschränkt sich die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters auch bei einer 28

Vgl. etwa Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 8; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 10. Zur Vermeidung der Problematik der geteilten Zuständigkeitsbereiche durch die modifizierte Vertretertheorie vgl. K. Schmidt, DB 1991, 1930 (1931). 30 Adam, DZWIR 2005, 236 (241) kritisiert Benedikt, Kürzung von Tariflöhnen zur Sanierung dafür, dass er sich mit der Frage der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters nicht auseinandersetzt. Etwas ausführlicher dazu Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 150; Caspers, in: MüKo InsO, vor § 113 – 128 Rn. 13 und 13a. Auch gesellschaftsrechtlich ist die Insolvenz des einzelnen Mitglieds eine „wenig beleuchtete Frage“: so Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 m. w. N. 31 Vgl. nur Jilek/Kirchner, in: BeckOK InsO, § 36 Einl.; Peters, in: MüKo InsO, § 36 Rn. 1. 32 Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 36 Rn. 19; Peters, in: MüKo InsO, § 36 Rn. 6; K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015 (1017); K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 70 ff.; Jilek/Kirchner, in: BeckOK InsO, § 36 Rn. 1; vgl. auch Haas, NZI 2003, 177 (180). 33 Jilek/Kirchner, in: BeckOK InsO, § 36 Einl.; Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 35 Rn. 301 ff.; eine Anwendung des § 36 InsO insgesamt ablehnend: K. Schmidt/Schulz, ZIP 1982, 1015 (1017); K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 75 ff.; Peters, in: MüKo InsO, § 36 Rn. 6; Holzer, in: KPB, InsO, § 35 Rn. 32. 34 Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 36 Rn. 19, § 35 Rn. 301; Heinze, ZInsO 2015, 1117 (1125 ff.); Lüdtke, in: HambKomm, InsO, § 36 Rn. 6. 29

C. Insolvenzrechtliche Regelungen zur Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte

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juristischen Person auf die Insolvenzmasse.35 Die Organe des Insolvenzschuldners bleiben nach Insolvenzverfahrenseröffnung weiterhin für verbandsinterne, sich nicht unmittelbar auf die Insolvenzmasse auswirkende Maßnahmen zuständig.36 Hierzu zählen innengesellschaftliche Befugnisse und Pflichten, die entweder das Verhältnis der Gesellschafter untereinander betreffen oder die Rechte und Pflichten der Gesellschaft im Insolvenzverfahren.37 Anders als die natürliche Person, müssen die Organe dann den Zweck der Gläubigerbefriedigung berücksichtigen, weil der Gesellschaftszweck abgeändert wird.38

C. Insolvenzrechtliche Regelungen zur Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte und zur Mitwirkung des Betriebsrats I. Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte in der Insolvenz Die §§ 103 bis 119 InsO enthalten spezielle Regelungen zur Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte. Sie dienen dem Ausgleich der Interessen der Gläubigergesamtheit an einer Massemehrung einerseits und dem Schutz der Vertragspartner andererseits.39 Der Schutz der Vertragspartner ist – wie außerhalb des Insolvenzverfahrens – in unterschiedlichen Vertragsverhältnissen unterschiedlich ausgestaltet. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung kann allein daraus nicht geschlussfolgert werden.40 Alle Gläubiger werden entsprechend ihrer Vertragsverhältnisse durch die §§ 103 ff. InsO geschützt. Nur sofern die InsO dies vorsieht, erfahren die Rechte und Pflichten aus dem Vertragsverhältnis und damit auch der Schutz des Vertragspartners Einschränkungen zugunsten der Masse. So bestehen Miet- und Pachtverhältnisse des Insolvenzschuldners über unbewegliche Gegenstände und Räume sowie Dienstverhältnisse 35

Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 118; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 241; Lüke, in: KPB, InsO, § 80 Rn. 48; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 112 ff.; Sternal, in: K. Schmidt, InsO, § 80 Rn. 66; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 76 ff.; BGH, Urteil vom 26. 1. 2006 – IX ZR 282/03 – ZInsO 2006, 260 Rn. 6; BGH, Beschluss vom 11. 1. 2007 – IX ZB 271/04 – ZInsO 2007, 267 Rn. 21; a. A. K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 99 ff. 36 Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 118; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 241; Lüke, in: KPB, InsO, § 80 Rn. 48; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 112 ff.; Sternal, in: K. Schmidt, InsO, § 80 Rn. 66; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 76 ff.; a. A. K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 99 ff. 37 Lüke, in: KPB, InsO, § 80 Rn. 48; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 112 ff. 38 Dazu näher unter § 3 A. II. 2. c). 39 Jacoby, in: Jaeger, InsO, vor §§ 103 – 109 Rn. 2; Berberich, in: BeckOK InsO, § 103 Rn. 1. 40 Vgl. zur grundsätzlich uneingeschränkten Geltung des Arbeitsrechts in der Insolvenz auch Bertram/Künzl, in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 102 Rn. 8 ff.

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§ 1 Rechtsrahmen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren

des Insolvenzschuldners mit Wirkung für die Insolvenzmasse grundsätzlich fort, können aber – gegebenenfalls unter erleichterten Bedingungen – beendet werden (§§ 108 ff. InsO). Aufträge und Geschäftsbesorgungsverträge erlöschen durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sofern sie sich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen beziehen (§§ 115 Abs. 1, 116 Satz 1 InsO). Das gilt auch für vom Insolvenzschuldner erteilte Vollmachten (§ 117 InsO). Für Fixgeschäfte und Finanzleistungen tritt gemäß § 104 Abs. 1 Satz 1 InsO ein Anspruch wegen Nichterfüllung an die Stelle des Erfüllungsanspruchs. Für alle anderen gegenseitigen Verträge, die bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch von keiner Seite vollständig erfüllt sind, kann der Insolvenzverwalter wählen, ob er es bei deren Nichterfüllung belässt oder die weitere Erfüllung verlangt (§ 103 InsO). Auf die Verträge, die unter §§ 103 ff. InsO subsumiert werden können, finden ausschließlich die dort genannten Regelungen Anwendung.41 Im Übrigen sind die zivilrechtlichen Auswirkungen einer Insolvenzverfahrenseröffnung in der InsO nicht abschließend geregelt.42

II. Insolvenzrechtliche Sondervorschriften zum Arbeitsrecht Im Folgenden wird ein Überblick über die arbeitsrechtlichen Sondervorschriften der InsO für Dienst- und damit Arbeitsverhältnisse einerseits (1.) und für die Mitwirkung des Betriebsrats in der Insolvenz andererseits (2.) gegeben. Die insolvenzrechtlichen Sondervorschriften gleichen die Interessen der Arbeitnehmer am Erhalt ihres Arbeitsplatzes und die Interessen der Gläubiger am Erhalt der Masse aus.43 1. Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung für die Insolvenzmasse Da die Arbeitsverhältnisse mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehen (§ 108 Abs. 1 Satz 1 InsO), wird dem Insolvenzverwalter die Möglichkeit genommen, die Erfüllung des Arbeitsvertrags abzulehnen.44 Die Erfüllungsablehnung ist grundsätzlich die für die Masse günstigste Rechtsfolge.45 Durch die Anordnung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses über die Insolvenzverfahrenseröffnung hinaus werden allerdings nicht nur die Interessen der Arbeitnehmer geschützt.46 Die Fort41

Vgl. Huber, in: MüKo InsO, § 103 Rn. 108. Vgl. Huber, in: MüKo InsO, § 103 Rn. 108. 43 Vgl. Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (306 f.); Hefermehl, in: MüKo InsO, § 55 Rn. 169; Tintelnot, in: KPB, InsO, § 108 Rn. 15. 44 Vgl. Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 108 Rn. 10; Ries, in: Uhlenbruck, InsO, § 108 Rn. 50; BAG, Beschluss vom 16. 2. 2021 – 9 AS 1/21 – NZI 2021, 446 Rn. 4. 45 Vgl. Jacoby, in: Jaeger, InsO, vor §§ 103 – 109 Rn. 7; K. Schmidt, InsO, § 108 Rn. 1. 46 Vgl. allgemein zum Schutz des Vertragspartners und zum Masseschutz durch § 108 InsO: Jacoby, in: Jaeger, InsO, vor §§ 103 – 109 Rn. 11; Berberich, in: BeckOK InsO, 42

C. Insolvenzrechtliche Regelungen zur Abwicklung schwebender Rechtsgeschäfte

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geltungswirkung schafft darüber hinaus Rechtssicherheit und Schutz für die Gläubigergemeinschaft vor dem frühzeitigen Verlust eines wichtigen Vertragspartners.47 Ohne Arbeitnehmer könnte der Insolvenzschuldner nicht abgewickelt und schon gar nicht saniert werden.48 Damit die Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens aber nicht kündigen, muss ihnen ein adäquater Schutz zukommen.49 Das Arbeitsverhältnis besteht daher mit den Haupt- und sämtlichen Nebenpflichten fort,50 und die Vergütungsansprüche der Arbeitnehmer sind vorrangig zu befriedigende Masseforderungen (§ 53 InsO), soweit die Erfüllung für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.51 Ansprüche für die Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die nicht in die Insolvenzmasse fließen, müssen als Insolvenzforderungen (§ 108 Abs. 3 InsO, § 38 InsO) zur Tabelle angemeldet werden und werden nur quotal befriedigt (§§ 174 ff. InsO).52 Um die Masse zu entlasten,53 kann der Insolvenzverwalter die Arbeitsverhältnisse stets mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten kündigen (§ 113 Satz 2 InsO). Dieses Recht steht den Arbeitnehmern allerdings gleichermaßen zu.54 2. Anwendung der Betriebsverfassung zum Schutz der Arbeitnehmer Neben dem individualarbeitsrechtlichen Schutz bleibt zum Schutz der Arbeitnehmer das Betriebsverfassungsrecht im Insolvenzverfahren anwendbar, die Insolvenzordnung enthält jedoch Einschränkungen zugunsten der Masse:55 *

Für Betriebsvereinbarungen mit massebelastenden Leistungen sollen Betriebsrat und Insolvenzverwalter gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 InsO über eine einvernehmliche Herabsetzung der Leistungen beraten. Ist eine längere Frist vereinbart, können Betriebsvereinbarungen mit massebelastenden Leistungen ferner gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 InsO mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten gekündigt werden.

§ 108 Rn. 1 f.; Tintelnot, in: KPB, InsO, § 108 Rn. 5; Ringstmeier, in: K. Schmidt, InsO, § 108 Rn. 1 ff.; J. F. Hoffmann, in: MüKo InsO, § 108 Rn. 1 ff., der den Schutzzweck primär in dem Kontinuitätsinteresse der Parteien sieht; a. A. Ries, ZInsO 2013, 1612 (1614), wonach § 108 InsO ausschließlich den Schutz der Masse vorsieht. 47 Ries, in: Uhlenbruck, InsO, § 108 Rn. 50; Ries, ZInsO 2013, 1612 (1614); vgl. für Mietverhältnisse auch Ries, ZInsO 2009, 2030 (2031) m. w. N. 48 Vgl. Smid, NZA 2000, 113 (114); vgl. auch BAG, Teilurteil vom 10. 9. 2020 – 6 AZR 94/ 19 (A), NZI 2020, 323 Rn. 45. 49 Vgl. BAG, Teilurteil vom 10. 9. 2020 – 6 AZR 94/19 (A), NZI 2020, 323 Rn. 45. 50 Statt aller: Ries, in: Uhlenbruck, InsO, § 108 Rn. 46; vgl. dazu § 2 A. III. 1. 51 § 55 Abs. 1 Nr. 2 Alt. InsO; vgl. auch Spelge, in: KR-InsO, § 113 Rn. 69. 52 Vgl. auch Hefermehl, in: MüKo InsO, § 55 Rn. 173; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 55 Rn. 63. 53 Vgl. Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn. 3. 54 Vgl. nur Giesen, in: Jaeger, InsO, § 113 Rn. 65 m. w. N. 55 BT-Drs. 12/2443, S. 149 und S. 97; Schöne, in: KPB, InsO, § 120 Rn. 9.

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§ 1 Rechtsrahmen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren

§ 123 InsO begrenzt den Umfang von Sozialplänen auf einen Gesamtbetrag von bis zu zweieinhalb Monatsverdiensten.56 Ein Sozialplan, der in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag zum Insolvenzverfahren aufgestellt worden ist, kann widerrufen werden (§ 124 InsO). Der Insolvenzverwalter kann Betriebsänderungen in einem beschleunigten Verfahren durchführen und in Abweichung zu § 112 Abs. 2 Satz 1 BetrVG den Vermittlungsversuch beim Vorstand der Bundesagentur vermeiden (§ 121 InsO).57 Ohne Rücksicht auf den Stand der Verhandlungen mit dem Betriebsrat vor der Einigungsstelle, kann der Insolvenzverwalter nach drei Wochen vergeblicher Verhandlungen die Zustimmung des Arbeitsgerichts zur Durchführung der Betriebsänderung beantragen (§ 122 InsO).58 Um eine – mit einem größeren Personalabbau verbundene – Sanierung zu ermöglichen, kann der Insolvenzverwalter mit dem Betriebsrat gemäß § 125 InsO einen Interessenausgleich mit Namensliste aushandeln, den die gekündigten Arbeitnehmer abweichend zu § 1 Abs. 2 und 3 KSchG nur eingeschränkt gerichtlich überprüfen lassen können.59 Kommt ein Interessenausgleich nicht zustande, kann der Insolvenzverwalter gemäß §§ 126, 127 InsO die soziale Rechtfertigung der geplanten Entlassungen in einem besonderen Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht mit Bindungswirkung für die betroffenen Arbeitnehmer feststellen lassen.60 Die genannten Erleichterungen gelten auch für Betriebsveräußerungen durch den Insolvenzverwalter (§ 128 InsO).

D. Keine insolvenzrechtlichen Vorgaben für den Umgang mit Tarifverträgen trotz möglicher Belastung der Insolvenzmasse Trotz einer möglichen Massebelastung durch Tarifverträge und des Zusammentreffens unterschiedlichster Interessen im Insolvenzverfahren fehlt es an einer Regelung zur Anpassung und Beendigung von Tarifverträgen in der Insolvenz. Die Tarifvertragsparteien sind daher dafür verantwortlich auf die Insolvenzsituation zu reagieren und die nach Insolvenzeröffnung fortbestehenden Tarifverträge anzupassen oder zu beenden.

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Vgl. auch Caspers, in: MüKo InsO, vor §§ 113 – 128 Rn. 5. Vgl. dazu Giesen, in: Jaeger, InsO, § 121 Rn. 1. 58 Vgl. dazu auch Caspers, in: MüKo InsO, § 122 Rn. 1. 59 BT-Drs. 12/2443, S. 149. § 1 Abs. 5 KSchG wird verdrängt, vgl. dazu: Linck, in: HKInsO, § 125 Rn. 1. 60 BT-Drs. 12/2443, S. 149. 57

D. Keine insolvenzrechtlichen Vorgaben für den Umgang mit Tarifverträgen

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I. Massebelastung durch Tarifverträge Die Massebelastung spielt für das Insolvenzverfahren eine entscheidende Rolle. Mit der Insolvenzmasse werden die Gläubiger befriedigt.61 Die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters erstreckt sich daher grundsätzlich auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen.62 Gemäß § 1 Abs. 1 TVG besteht der Tarifvertrag aus einem schuldrechtlichen Teil, der die Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien regelt und einem normativen Teil, der den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen sowie betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen ordnen kann. Inwiefern der Tarifvertrag die Insolvenzmasse belastet, wird im Folgenden erläutert. 1. Beispiele für massebelastende Tarifnormen Zunächst werden Beispiele für massebelastende Tarifnormen genannt. a) Inhalts-, Abschluss- und Beendigungsnormen Tarifvertragliche Inhaltsnormen regeln die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Rechte und Haupt- und Nebenpflichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmer.63 Möglich sind unter anderem Regelungen zu Entgelt, Entgeltgestaltung, Entgeltfortzahlung, Zulagen und Zuschläge, Arbeitszeit, Urlaub, sowie Urlaubsentgelt.64 Tarifverträge, die das Lohngefüge gestalten und die eine Anpassung der Löhne in einem branchenüblichen Rhythmus vorsehen, können für die Masse daher erhebliche Verbindlichkeiten begründen.65 Allerdings können nicht nur Entgelttarifverträge massebelastend sein. Massebelastend können zum Beispiel auch Regelungen über Kündigungsfristen oder zum Ausschluss der ordentlichen Kündigung66 sein. Aus diesem Grund soll nach heute herrschender Meinung die verkürzte Kündigungsfrist des § 113 Abs. 1 InsO auch für längere tarifliche Kündigungsfristen oder tarifliche Unkündbarkeitsregelungen angewendet werden.67 Der damit verbundene Eingriff in 61 Statt aller: Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 1; zur gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung als Ziel des Insolvenzverfahrens vgl. bereits § 1 A. 62 Vgl. oben § 1 B. II. 63 Vgl. Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 41; Heilmann, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 123. 64 Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 86; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 41; Heilmann, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 124. 65 Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500; Adam, DZWIR 2005, 236; Mückl/Krings, BB 2012, 769 allgemein für tarifliche Arbeitsbedingungen. 66 Nebe, in: NK-TVG, § 1 Rn. 338; Heilmann, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 132, 124; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 93. 67 Giesen, in: Jaeger, InsO, § 113 Rn. 4, 91 ff.; Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn. 111 ff.; Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn. 50 ff.; Plössner, in: BeckOK ArbR, InsO, § 113 Rn. 16; Gossak, in: BeckOK InsO, § 113 Rn. 21; offen gelassen noch in BT-Drs. 12/2443, S. 148; vgl. dazu auch § 3 B. II. 1. b) aa).

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§ 1 Rechtsrahmen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren

Art. 9 Abs. 3 GG ist gerechtfertigt, weil zugunsten der – durch Art. 14 GG geschützten – übrigen Insolvenzgläubiger das Entstehen von Masseschulden begrenzt wird.68 Des Weiteren würde es die Masse belasten, wenn aufgrund von Abschlussgeboten Arbeitnehmer (wieder-)eingestellt werden müssten,69 die aber gegebenenfalls für die Abwicklung nicht mehr benötigt werden. Zum einen kann der Arbeitgeber durch eine solche Regelung allerdings schon nicht gezwungen werden, Arbeitnehmer einzustellen, für die er keine Verwendung hat.70 Zum anderen hat das BAG für den Wiedereinstellungsanspruch zur Korrektur einer fehlerhaften Prognose über den Wegfall des Beschäftigungsbedarfs bei betriebsbedingter Kündigung entschieden, dass dieser in der Insolvenz nicht besteht.71 § 108 Abs. 1 InsO lässt zwar bereits bestehende Arbeitsverhältnisse über die Insolvenzverfahrenseröffnung hinaus fortbestehen, kann aber nicht dazu führen, dass bereits beendete Arbeitsverträge zulasten der Masse wieder begründet werden müssen.72 Das gilt auch für einen tarifvertraglich vereinbarten Wiedereinstellungsanspruch, der sich auf die Rechtsprechung des BAG bezieht oder eine vergleichbare Regelung trifft. Denn für die insolvenzrechtliche Unwirksamkeit kann es keinen Unterschied machen, ob die massebelastende Regelung im Arbeits- oder Tarifvertrag getroffen wurde.73 b) Normen über betriebliche oder betriebsverfassungsrechtliche Fragen Betriebliche Tarifnormen regeln die überindividuelle Ordnungs- und Verteilungsentscheidung selbst, betriebsverfassungsrechtliche Tarifnormen schaffen die institutionellen Voraussetzungen dafür.74 Betriebsnormen belasten die Masse ins68

BAG, Urteil vom 16. 5. 2019 – 6 AZR 329/18 – NZA 2019, 1198 Rn. 24 ff.; BAG, Urteil vom 16. 6. 1999 – 4 AZR 191/98 – NZA 1999, 1331 (1333) unter II. 2. a) der Gründe; BAG, Urteil vom 19. 1. 2000 – 4 AZR 70/99 – NZA 2000, 658 (659); BVerfG, Beschluss vom 8. 2. 1999 – 1 BvL 25/97 – NZA 1999, 597 (598); BVerfG, Beschluss vom 21. 5. 1999 – 1 BvL 22/ 98 – NZA 1999, 923 (924); Giesen, in: Jaeger, InsO, § 113 Rn. 4; Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn. 72; Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn. 50 ff. 69 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 356 ff.; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 91; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 43. 70 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 359 und 367 ff.; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 91; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 43. 71 BAG, Urteil vom 25. 5. 2022 – 6 AZR 224/21 – NZA 2022, 1201 Rn. 34 ff.; BAG, Urteil vom 16. 2. 2012 – 8 AZR 693/10 – NZA-RR 2012, 465 Rn. 56; BAG, Urteil vom 28. 10. 2004 – 8 AZR 199/04 – NZA 2005, 405 (unter II 2b dd (3)). 72 BAG, Urteil vom 25. 5. 2022 – 6 AZR 224/21 – NZA 2022, 1201 Rn. 34. 73 Siehe dazu ausführlicher unter § 3 D. III. 1. a) bb) (1) und § 3 D. III. 1. c) dd); zur Anknüpfung an die Rechtsprechung zum Wiedereinstellungsanspruch durch Tarifvertrag vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 356. 74 Krause, in: JKOS, TVG, § 4 Rn. 44. Zu der Frage, ob diese Rechtsnormen auf die Regelungsbereiche des BetrVG begrenzt sind vgl. Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung für den Betrieb, S. 381 ff., 445 ff., 454 ff. m. w. N.; a. A. BAG, Urteil vom 22. 2. 2012 – 4 AZR 527/10 – AP TVG § 3 Nr. 52 Rn. 33; vgl. auch Klein, in: NK-TVG, § 1 Rn. 962 ff.; Thüsing, in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 693.

D. Keine insolvenzrechtlichen Vorgaben für den Umgang mit Tarifverträgen

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besondere, wenn sie Leistungen zugunsten der Arbeitnehmer vorsehen.75 Eine Betriebsnorm zur Gestaltung der betrieblichen Arbeitszeit kann die Masse belasten,76 sofern deren Anwendung dazu führt, dass höhere Gehälter oder Zuschläge zu zahlen sind.77 Als massebelastende betriebsverfassungsrechtliche Tarifnorm kann gegebenenfalls eine abweichende Regelung zu den Kosten der Einigungsstelle (§ 76a Abs. 5 BetrVG) eingeordnet werden, wenn es sich um eine für die Einigungsstellenmitglieder günstigere Vergütungsregelung handelt.78 c) Tarifverträge über gemeinsame Einrichtungen Des Weiteren können Tarifverträge, die Normen über gemeinsame Einrichtungen enthalten (§ 4 Abs. 2 TVG), die Insolvenzmasse belasten. Die Tarifvertragsparteien schaffen gemeinsame Einrichtungen, um gemeinsam Leistungen zu erbringen, die von einzelnen Arbeitgebern aus technischen, organisatorischen oder wirtschaftlichen Gründen effektiv zweckmäßig nicht gewährt werden können (z. B. Urlaubsbezahlung, Sozialleistungen).79 Der Arbeitgeber muss Beitragszahlungen an die gemeinsame Einrichtung leisten, die diese wiederum an die Arbeitnehmer auszahlt.80 2. Beispiele für masseneutrale Tarifnormen Masseneutrale Tarifnormen – also solche, die die Insolvenzmasse nicht belasten – sind hingegen prozessuale Normen (§ 48 Abs. 2 ArbGG). Die Tarifvertragsparteien können dadurch beispielsweise für das Urteilsverfahren ein an sich örtlich unzuständiges Gericht für zuständig erklären.81 Des Weiteren können Betriebsnorm über den technischen Arbeitsschutz82 oder tarifliche Formvorschriften (Abschlussnormen)83 als masseneutral eingeordnet werden. Auch betriebsverfassungsrechtliche Normen, die die Errichtung, Organisation und Rechte der betrieblichen Arbeit-

75 Vgl. Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 120 Rn. 10 für Betriebsvereinbarungen. Zumindest hinsichtlich der Massebelastung kann § 120 InsO als Vergleichsmaßstab herangezogen werden, vgl. § 3 B. II. 1. b) aa). 76 Vgl. die Beispiele bei: Heilmann, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 136. 77 Vgl. zur Einordnung einer entsprechenden Regelung in einer Betriebsvereinbarung als massebelastend: Giesen, in: Jaeger, InsO, § 120 Rn. 22; Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 120 Rn. 10. 78 Vgl. Fitting, in: BetrVG, § 76a Rn. 30 ff.; Werner, in: BeckOK ArbR, BetrVG, § 76a Rn. 22. 79 Vgl. Henssler, in: HWK, TVG, § 4 Rn. 25; Heilmann, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 141; Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 4 Rn. 11. 80 Vgl. Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 25; Henssler, in: HWK, TVG, § 4 Rn. 25. 81 Frieling, in: NK-GA, TVG, § 1 Rn. 145; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 49. 82 Vgl. Krause, in: JKOS, TVG, § 4 Rn. 64. 83 Vgl. Krause, in: JKOS, TVG, § 4 Rn. 37 f.

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§ 1 Rechtsrahmen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren

nehmervertretungen regeln,84 belasten die Masse in der Regel nicht. Das betrifft etwa die Erweiterung der Mitwirkungsbefugnisse des Betriebsrats85 sowie die Schaffung zusätzlicher Arbeitnehmer-Vertretungen oder spezifischer Betriebseinheiten (§§ 3 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 BetrVG),86 die für den Insolvenzverwalter zwar subjektiv als belastend empfunden werden könnten, die Masse aber objektiv nicht belasten.87 Die Masse wird allerdings objektiv belastet, wenn infolge der Schaffung weiterer Arbeitnehmer-Vertretungen oder spezifischer Betriebseinheiten durch tarifvertragliche Regelung die in § 38 Abs. 1 Satz 1 BetrVG festgelegte Mindestzahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder erhöht werden soll (§ 38 Abs. 1 Satz 5 BetrVG).88 Durch die Freistellung kann die Arbeitsleistung des Betriebsratsmitglieds nicht genutzt werden, um den Insolvenzschuldner abzuwickeln oder zu sanieren. Umgekehrt wirkt sich eine Regelung im Tarifvertrag, die eine geringere Anzahl an Freistellungen festlegt, als in der Mindeststaffel vorgesehen ist,89 positiv auf die Masse aus.

3. Keine Massebelastung durch die Durchführungs- und Friedenspflicht Jeder normativen Regelung immanent sind die Durchführungs- und die relative Friedenspflicht.90 Die schuldrechtlichen Pflichten sollen den Inhalt der Rechtsnormen in die Arbeitswirklichkeit umsetzen und gegen Angriffe absichern.91 Für sich genommen begründen weder die Friedens-, noch die Durchführungspflicht Verbindlichkeiten für die Masse; sie sind auch nicht selbstständig übertragbar.92 Während die Friedenspflicht alle Kampfmaßnahmen untersagt, die sich gegen den Tarifvertrag oder Teile davon richten,93 sichert die Durchführungspflicht, dass der Tarifvertrag auch tatsächlich erfüllt wird.94 Verbindlichkeiten für die Masse werden 84

Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 53; Krause, in: JKOS, TVG, § 4 Rn. 69. Krause, in: JKOS, TVG, § 4 Rn. 74 ff.; vgl. dazu auch Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 48. 86 Vgl. Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 53. 87 Für Betriebsvereinbarungen vgl. etwa Giesen, in: Jaeger, InsO, § 120 Rn. 22; Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 120 Rn. 10. 88 Vgl. dazu Koch, in: ErfK, BetrVG, § 38 Rn. 5. 89 Das ist möglich, weil das Gesetz generell eine anderweitige Regelung über die Freistellung zulässt, vgl. dazu etwa BAG, Beschluss vom 11. 6. 1997 – 7 ABR 5/96 – NZA 1997, 1301 (1302); Koch, in: ErfK, BetrVG, § 38 Rn. 5; Thüsing, in: Richardi, BetrVG, § 38 Rn. 23 m. w. N. 90 Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 79; Krause, in: JKOS, TVG, § 4 Rn. 1; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 59 und 63. 91 Vgl. Krause, in: JKOS, TVG, § 4 Rn. 1. 92 LAG, München Urteil von 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708 Rn. 19; Wiedemann, Anm. zu BAG, Urteil vom 11. 11. 1970 – 4 AZR 522/69, AP TVG § 2 Nr. 28 (unter II. 1.); Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 38; Bergerhoff, Tarifflucht durch Auflösung des Arbeitgeberverbandes, S. 123 ff. m. w. N. 93 Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 82; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 64. 94 Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 71 ff.; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 86 ff. 85

D. Keine insolvenzrechtlichen Vorgaben für den Umgang mit Tarifverträgen

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nicht durch die schuldrechtlichen Pflichten selbst begründet, sondern durch die Tarifnormen. Das zeigt sich daran, dass durch die Durchführung von Tarifverträgen mit lediglich masseneutralen Normen keine massebelastenden Verbindlichkeiten entstehen, bei der Durchführung von Tarifverträgen mit massebelastenden Normen hingegen schon. Bei möglichen Schadensersatzansprüchen aus der Verletzung der Friedenspflicht handelt es sich um selbstständige vermögensrechtliche Sekundäransprüche, die zwar in die Insolvenzmasse fallen, der Friedenspflicht als Primäranspruch dadurch aber nicht den Charakter einer Vermögenspflicht verleihen.95

II. Fortgeltung der Tarifverträge und der Tarifbindung Zwar fehlen insolvenzrechtliche Vorschriften hinsichtlich der Beendigung und Anpassung von Tarifverträgen in der Insolvenz. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist nach einhelliger Auffassung jedoch kein universeller Beendigungstatbestand für bestehende Rechtsverhältnisse.96 Nicht der Fortbestand, sondern das Erlöschen eines Vertragsverhältnisses muss gesetzlich angeordnet werden.97 Allein aufgrund der Sondervorschriften in den §§ 115 bis 117 InsO erlöschen Aufträge, Geschäftsbesorgungsverträge und Vollmachten eo ipso durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.98 Wäre die Insolvenz für sich genommen ein Beendigungstatbestand für Verträge, bedürfte es der Sondervorschriften in den §§ 115 ff. InsO nicht. Mangels Erwähnung in den §§ 115 ff. InsO bestehen Tarifverträge daher trotz Insolvenzverfahrenseröffnung fort. Das gilt sowohl für den schuldrechtlichen als auch den normativen Teil des Tarifvertrags.99 Die Insolvenz des Arbeitgebers hat nicht die einer Kündigung des Tarifvertrags oder eines Ablaufs des Tarifvertrags aufgrund Befristung oder Eintritts einer Bedingung entsprechende Wirkung.100 Sie führt nicht ohne Weiteres zur Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG).101 Für die weitere Untersuchung ist somit zum einen festzuhalten, dass Firmen- und Verbandstarifverträge grundsätzlich fortgelten. Zum anderen ist davon auszugehen, dass der insolvente Arbeitgeber als Insolvenzschuldner an den Tarifvertrag gebunden 95

Vgl. auch Bergerhoff, Tarifflucht durch Auflösung des Arbeitgeberverbandes, S. 125. Vgl. Hoffmann, in: MüKo InsO, § 108 Rn. 1. Seit Aufgabe der Erlöschenstheorie erkennt das auch der BGH an: vgl. BGH, Urteil vom 25. 4. 2002 – IX ZR 313/99 – NZI 2002, 375 (376); BGH, Urteil vom 21. 10. 2015 – I ZR 173/14 – NZI 2016, 97 Rn. 43; siehe auch von Websky, in: Borchhadt/Frind, Betriebsfortführung im Insolvenzverfahren, S. 675 Rn. 2082. 97 Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 108 Rn. 2; G. Schmidt, in: HK-InsO, § 108 Rn. 3. 98 Vgl. bereits unter § 1 C. I. 99 BAG, Urteil vom 28. 1. 1987 – 4 AZR 150/86 – NZA 1987, 455; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 149; Caspers, in: MüKo InsO, vor § 113 – 128 Rn. 12; Peter/Rödl, in: NK-TVG, § 2 Rn. 119; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 57; Kunze, RdA 1976, 31 (33); als allgemeine Meinung bezeichnend Belling/Hartmann, NZA 1998, 57 m. w. N. 100 Umfassend zu den Beendigungsgründen eines Tarifvertrags: vgl. etwa Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 10 ff. 101 Vgl. BAG, Urteil vom 28. 1. 1987 – 4 AZR 150/86 – NZA 1987, 455. 96

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§ 1 Rechtsrahmen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren

bleibt. Das ergibt sich aus § 108 Abs. 1 InsO, wenn der insolvente Arbeitgeber durch Bezugnahmeklausel an die Tarifnormen gebunden ist.102 Das gilt aber auch, wenn der insolvente Arbeitgeber als Partei des Tarifvertrags, als Mitglied im Arbeitgeberverband, durch Allgemeinverbindlich-erklärung oder infolge Rechtsverordnung tarifgebunden ist.103 Auf etwaige Modifikationen durch die Insolvenzverfahrenseröffnung wird unten näher einzugehen sein.

III. Notwendiger Ausgleich unterschiedlicher Interessen im Insolvenzverfahren Durch die Bindung an Tarifverträge entstehen dem Arbeitgeber in der Regel hohe Personalkosten. Durch zu hohe Personalkosten wird die Insolvenzmasse belastet, ohne dass die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer die Masse erhöht.104 So wird die Befriedigungschance der übrigen Gläubiger beeinträchtigt, die ein Interesse daran haben, möglichst vollumfänglich ihr Geld zu erhalten.105 Ferner wird die Chance des Arbeitgebers und Insolvenzschuldners, sich zu sanieren und damit die Möglichkeit, Arbeitsplätze zu retten, durch zu hohe Personalkosten erschwert.106 Die oben näher erläuterten arbeitsrechtlichen Sondervorschriften der InsO sind vor dem Hintergrund des Grundsatzes der gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung veranlasst.107 Es überrascht allerdings auf den ersten Blick, dass die InsO keine insolvenzrechtlichen Sondervorschriften zur Anwendung des Tarifvertragsrechts kennt. Sollte die wirtschaftliche Grundlage des Tarifvertrags in der Insolvenz nicht vielmehr – wie bei Betriebsvereinbarungen – in Frage gestellt werden?108 Es ist offen, ob die Zurückdrängung des Tarifvertrags zu einem effektiveren, die Sanierung erleichternden damit im Ergebnis auch den Arbeitnehmern zugutekommenden Insolvenzrecht führen würde.109 Nach US-amerikanischem Recht beispielsweise kann das zuständige Gericht i. R. d. sog. Chapter 11 Verfahrens dem Schuldner die Zurückweisung des Tarifvertrags gestatten,110 sofern er mit den Arbeitnehmervertretern auf Grundlage aller verfügbaren Informationen zunächst „in

102 Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 150 f.; für Bezugnahmeklauseln vgl. Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, S. 296 Rn. 538; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 29 ff. 103 So auch Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 150e. 104 Vgl. Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn. 3 für Arbeitsverhältnisse. 105 Vgl. Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn. 3 für Arbeitsverhältnisse. 106 Vgl. Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn. 3 für Arbeitsverhältnisse. 107 Bertram/Künzl, in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 102 Rn. 10. 108 Vgl. Begründung zu § 120 InsO bei BT-Drucks. 12/2443, S. 153. 109 Allgemein für das Arbeitsrecht offengelassen bei Caspers, in: MüKo InsO, vor §§ 113 – 128 Rn. 7. 110 11. U.S.C. § 1113 (c), U.S. Bankruptcy Code.

D. Keine insolvenzrechtlichen Vorgaben für den Umgang mit Tarifverträgen

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good faith“ verhandelt hat,111 die Arbeitnehmervertreter den Vorschlag „without good cause“ abgelehnt haben112 und eine Interessenabwägung eindeutig für eine Zurückweisung des Tarifvertrags spricht.113 Das Gericht kann dem Insolvenzschuldner sogar eine einseitige Änderung des Tarifvertrags erlauben, wenn dies entscheidend für die Unternehmensfortführung ist oder wenn anderenfalls ein „irreparable damage“ droht.114 Liegen die soeben genannten Voraussetzungen vor, kann sich der restrukturierungswillige Schuldner nach US-amerikanischem Recht daher – um Personalkosten zu sparen – vom Tarifvertrag lösen, ohne dass er eine Kündigungsfrist einhalten oder dass ein wichtiger Grund vorliegen müsste.115 Das erleichtert es dem Schuldner, sich zu sanieren. Die Einleitung des Chapter 11 Verfahrens setzt ferner nicht einmal voraus, dass Insolvenzgründe vorliegen.116 Wie unten zu zeigen sein wird, kann der Insolvenzschuldner den Tarifvertrag nach deutschem Recht hingegen nicht allein deshalb kündigen, weil er zahlungsunfähig ist.117 Im Vergleich zum deutschen Recht räumt das US-amerikanische Rechte der Sanierung des Schuldners vor dem Schutz der Arbeitnehmer also den Vorrang ein, obschon die Zahlungsschwierigkeiten der Sphäre des Schuldners zuzurechnen sind.118 Es besteht allerdings die Gefahr, dass der Wettbewerb verzerrt wird, wenn der Schuldner die Insolvenzsituation nutzen kann, um sich einseitig von den tarifvertraglichen Verbindlichkeiten zu lösen und dadurch wieder in der Lage ist, den weiteren (gesunden) Unternehmen seiner Branche Konkurrenz zu machen.119 Eine – die Tarifflucht fördernde – Regelung nach US-amerikanischem Vorbild oder eine naheliegendere Regelung entsprechend dem § 120 InsO müsste jedenfalls gemäß Art. 9 Abs. 3 GG gerechtfertigt sein.

111

11. U.S.C. § 1113 (b) (1) (A) und (2) und (c) (1), U.S. Bankruptcy Code. 11. U.S.C. § 1113 (c) (2), U.S. Bankruptcy Code. 113 11. U.S.C. § 1113 (c), U.S. Bankruptcy Code; vgl. dazu auch Ray/Sharpe/Strassfeld, Understanding Labor Law, S. 195 f.; Belling/Hartmann, NZA 1998, 58 (64). 114 11. U.S.C. § 1113 (e), U.S. Bankruptcy Code; vgl. auch Ray/Sharpe/Strassfeld, Understanding Labor Law, S. 195 f.; Belling/Hartmann, NZA 1998, 58 (64). 115 Vgl. für das deutsche Recht § 3 B. II. 2. 116 Vgl. Kern, in: MüKo InsO, vor §§ 270 – 285 Rn. 11. 117 § 3 B. II. 2. b) bb). 118 Ausführlich dazu § 3 B. II. 2. b) bb). 119 Vgl. dazu Bertram/Künzl, in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 102 Rn. 8; vgl. auch David N. James, Crisis Management, The Trouble I’ve seen, in: Harvard Business Review (March 2002), abrufbar unter: www.hbr.org/2002/03/the-trouble-ive-seen (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023). 112

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§ 1 Rechtsrahmen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren

IV. Eigenverantwortung der Tarifvertragsparteien für den Umgang mit Tarifverträgen in der Krise In der insolvenzrechtlichen Diskussion wurde zu etwaigen Anpassungs- und Kündigungsmöglichkeiten der Tarifverträge nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur vereinzelt Stellung genommen. Albrecht Zeuner etwa sah „für die Schaffung einer speziellen reorganisationsrechtlichen Herabsetzungsmöglichkeit (von Tariflöhnen) weder Raum noch Anlass“120. Um die Tariflöhne in der Insolvenz anzupassen, bestünde insbesondere die Möglichkeit, einen Firmentarifvertrag abzuschließen.121 Hierüber müssten die Tarifvertragsparteien als Träger der Tarifautonomie aber in eigener Verantwortung entscheiden.122 Die Frage der Öffnung von (Verbands-)Tarifverträgen allgemein und im Besonderen für Unternehmen in wirtschaftlicher Notlage wurde und wird vielmehr in einem tarifrechtlichen Rahmen diskutiert.123 Vorgeschlagen wird de lege lata etwa die zeitliche Begrenzung der Nachbindung, oder die Umdeutung des Günstigkeitsprinzips; de lege ferenda wurde unter anderem eine Streichung des § 3 Abs. 3 TVG oder die Einführung gesetzlicher (auf die wirtschaftliche Notlage beschränkter) Öffnungsklauseln in Erwägung gezogen.124 Keiner dieser Vorschläge wurde gesetzgeberisch umgesetzt. Trotz der zahlreichen Kritik aus der Literatur hinsichtlich der Starrheit des Tarifvertragsrechts125 scheint eine Regelung zur Anpassung und Beendigung von Tarifverträgen bei Zahlungsschwierigkeiten des Schuldners rechtspolitisch daher nicht erwünscht zu sein. Auch das im Jahr 2021 in Kraft getretene Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG), das dem sanierungswilligen Schuldner eine verfahrensrechtliche Grundlage für Sanierungsmaßnahmen vor Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zur Verfügung stellt, enthält keine Einschränkung des Arbeitsrechts, insbesondere des Tarifvertragsrechts, zugunsten der Sanierung des Schuldners.126 120

Zeuner, Verhandlungen des 54. DJT, Band II (Sitzungsberichte), Teil M, 1982, M 34. Zeuner, Verhandlungen des 54. DJT, Band II (Sitzungsberichte), Teil M, 1982, M 34. 122 Zeuner, Verhandlungen des 54. DJT, Band II (Sitzungsberichte), Teil M, 1982, M 34. 123 Vgl. zuletzt Hromadka, in: FS Kempen (2013), 78 (80); ausführlicher dazu unter § 4 B. II. 1. b) dd). 124 U. a. Monopolkommission, Zehntes Hauptgutachten 1992/1993, BT-Drs. 12/8323, S. 375 ff.; 61. DJT 1996, Beschl. Nr. 3, abgedr. in NZA 1996, 1277; im Schrifttum vgl. etwa Junker, ZfA 1996, 383 (393 ff.); Konzen, NZA 1995, 913 (918 ff.); Henssler, ZfA 1994, 487 ff.; Belling/Hartmann, NZA 1998, 57 ff.; Rieble, RdA 1996, 151 ff.; Löwisch, NJW 1997, 905 ff; Hromadka, in: FS Kempen (2013), S. 78 (80 f.); BR-Drs. 701/03, S. 8 ff.; Beuthien/ Meik, DB 1993, 1518; Wank, in: FS Schaub (1998), S. 761 (770 ff.). 125 Vgl. nur Belling/Hartmann, NZA 1998, 58; Heinze, NJW 1997, 1 (7 f.); Junker, ZfA 1996, 383 (385 f. und 416 f.), jeweils m. w. N. 126 Vgl. dazu Adjan, in: Seiwerth/Witschen (Hrsg.), Besonderheiten des Arbeitsrechts? (2022), S. 229 (233 und 239). 121

D. Keine insolvenzrechtlichen Vorgaben für den Umgang mit Tarifverträgen

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Es ist somit in erster Linie Sache der Tarifvertragsparteien, die Arbeitsbedingungen etwa durch Tariföffnungs- (§ 4 Abs. 3 Alt. 1 TVG) oder Nachverhandlungsklauseln zu flexibilisieren und die Tarifstandards in wirtschaftlichen Notlagen anzupassen.127 Dabei haben die Gewerkschaften als Arbeitnehmervertreter freilich ein Interesse daran, dass das Unternehmen erhalten und nicht stillgelegt wird, damit ihre Mitglieder weiterhin einen Arbeitsplatz vorweisen können.128 Arbeitgeberverbände sehen zwar häufig Satzungsregelungen vor, die das insolvente Mitglied ausschließen.129 So kann verhindert werden, dass ein verbandsfremder Dritter, also der Insolvenzverwalter, in das Verbandsgeschehen eingreift.130 Allerdings kann auch der Arbeitgeber selbst oder der Insolvenzverwalter131 mit der Gewerkschaft einen Firmentarifvertrag aushandeln, der eine Sanierung ermöglicht oder eine bevorstehende Betriebsänderung begleitet.132

127

Vgl. Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 27. So auch Flessner, ZIP 1981, 1283 (1287). 129 Näher unter § 4 B. I. 2. 130 Dazu unter § 4 A. I. 131 Zur Zuständigkeitsverteilung zwischen Insolvenzschuldner und Insolvenzverwalter in Bezug auf Tarifverträge vgl. sogleich unter § 2 A. 132 Näher unter § 3 C. II. 128

§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung Ein Tarifvertrag, der von einer nicht tariffähigen Vereinigung abgeschlossen wird, ist nichtig.1 Verliert eine ehemals tariffähige Vereinigung ihre Tariffähigkeit, ist das Schicksal der Tarifverträge umstritten.2 Das Problem stellt sich insbesondere bei Auflösung des Arbeitgeberverbandes.3 Im Folgenden sind die Auswirkungen der Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers auf die Tariffähigkeit des Arbeitgebers einerseits (A.) und des Arbeitgeberverbandes (B.) andererseits zu untersuchen.

A. Tariffähigkeit des insolventen nicht verbandsangehörigen Arbeitgebers Ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Tariffähigkeit des insolventen Arbeitgebers beeinflusst, ist davon abhängig, wie sich die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für das Vermögen des Insolvenzschuldners auf dessen Arbeitgeberstellung auswirkt. Darauf wird in diesem Abschnitt näher eingegangen.

I. Insolventer Arbeitgeber als Partei des Tarifvertrags Der Arbeitgeber kann selbst Partei des Tarifvertrags sein (§ 2 Abs. 1 TVG). Schließt er mit der Gewerkschaft einen Tarifvertrag, ist er nicht nur im schuldrechtlichen Sinne Partei des Tarifvertrags, sondern kraft Selbstbindung auch an die unmittelbar und zwingend wirkenden Tarifnormen gebunden (§ 3 Abs. 1 TVG, § 4 Abs. 1 TVG). Er ist zugleich Normgeber und Normunterworfener.4 Der einzelne Arbeitgeber muss – im Gegensatz zu Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden – keine spezifischen Voraussetzungen erfüllen, um tariffähig zu sein.5 Das dient vor 1

BAG, Urteil vom 15. 11. 2006 – 10 AZR 665/05 – NZA 2007, 448; Waas, in: BeckOK ArbR TVG, § 2 Rn. 33a. 2 Vgl. etwa Waas, in: BeckOK ArbR TVG, § 2 Rn. 32. 3 Dazu ausführlich unter § 2 B. II. 4 Statt aller: Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 12. 5 Schubert, in: JKOS, TVG, § 2 Rn. 13; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 462; Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 20.

A. Tariffähigkeit des insolventen nicht verbandsangehörigen Arbeitgebers

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allem dazu, dass die Gewerkschaft einen potenziellen Partner zum Abschluss eines Tarifvertrags findet, auch wenn der Arbeitgeber keinem Verband angehört.6 Die Tariffähigkeit des Arbeitgebers als Partei des Tarifvertrags endet, wenn er seine Arbeitgebereigenschaft verliert.7 Der Arbeitgeber muss seine unternehmerische Tätigkeit vollständig aufgeben, sodass eine Wiederbeschäftigung von Arbeitnehmern nicht mehr möglich ist.8 Ist der Arbeitgeber eine juristische Person oder Personengesellschaft, fällt er als Arbeitgeber erst weg, wenn der letzte Arbeitnehmer im Rahmen der Abwicklung entlassen und die Liquidation durch die Vollbeendigung abgeschlossen ist.9

II. Fortbestehende Arbeitgebereigenschaft des Insolvenzschuldners Die Insolvenzverfahrenseröffnung berührt die Tariffähigkeit des Arbeitgebers nicht.10 Die Arbeitsverhältnisse bestehen mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort (§ 108 Abs. 1 Satz 1 InsO). Der Insolvenzschuldner bleibt nach der Rechtsprechung und der herrschenden Meinung in der Literatur Vertragspartner des Arbeitsvertrags; der Insolvenzverwalter soll jedoch Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen.11 Es wird nur noch vereinzelt vertreten, dass der Insolvenzverwalter Arbeitgeber im materiellrechtlichen Sinn12 oder Rechtsnachfolger gemäß § 613a BGB ist.13 Der Insolvenz6 Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 20; Schubert, in: JKOS, TVG, § 2 Rn. 13; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 29, 174 m. w. N. 7 Peter/Rödl, in: NK-TVG, § 2 Rn. 119; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 502; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 57; Henssler, in: HWK, TVG, § 2 Rn. 25; Kempen, in: Kempen/ Zachert, TVG, § 3 Rn. 157. 8 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 497; Krois, in: NK-GA, TVG, § 2 Rn. 82; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 57. 9 Schubert, in: JKOS, TVG, § 2 Rn. 33; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 500 ff.; Kunze, RdA 1976, 31 (33). 10 Peter/Rödl, in: NK-TVG, § 2 Rn. 119; Krois, in: NK-GA, TVG, § 2 Rn. 82; Löwisch/ Rieble, TVG, § 2 Rn. 502; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 57; Henssler, in: HWK, TVG, § 2 Rn. 25; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 3 Rn. 157; Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 26; Klumpp, in: MüHdbArbR, § 232 Rn. 75; Schubert, in: JKOS, TVG, § 2 Rn. 33; Kocher, in: BKS, TVG, § 2 Rn. 96; Greiner, in: HMB, TVG, Teil 2 Rn. 134. 11 Vgl. nur BAG, Urteil vom 23. 6. 2004 – 10 AZR 495/03 – NJW 2005, 460 (461 f.); BAG, Urteil vom 30. 1. 1991 – 5 AZR 32/90 – NZA 1991, 599; BAG, Beschluss vom 13. 12. 1978 – Gs 1/77, NJW 1979, 774 (775); BAG, Urteil vom 17. 9. 1974 – 1 AZR 16/74 – NJW 1975, 182; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 108 ff.; Caspers, in: MüKo InsO, vor §§ 113 – 128 Rn. 10; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 16 f.; Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 80 Rn. 28; Lüke, in: KPB, InsO, § 80 Rn. 43; Kroth, in: Braun, InsO, § 80 Rn. 26; Riewe/Kaubisch, in: BeckOK InsO, § 80 Rn. 45; Leithaus, in: Andres/Leithaus, InsO, § 80 Rn. 5; Webel, in: GrafSchlicker, InsO, § 80 Rn. 20; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 122; Heinze, in: AuR 1976, 33 (35); Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 23; Bertram/Künzl, in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 102 Rn. 28; Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, § 80 Rn. 104. 12 So noch Kania, DStR 1996, 832, die davon ausgeht, dass der Insolvenzschuldner seine Arbeitgeberstellung an den Insolvenzverwalter verliert; Schönberger, BB 1962, 564 zur Ar-

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§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung

verwalter schließt zwar unter Umständen neue Arbeitsverträge ab und ist gegenüber den Arbeitnehmern weisungsbefugt.14 Der Übergang dieser Funktionen beruht aber auf dem Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO und den arbeitsrechtlichen Sondervorschriften in der Insolvenzordnung (§ 108 ff. InsO).15 Deshalb kann auch der vorläufige Insolvenzverwalter die Arbeitgeberfunktionen nur ausüben, wenn auf ihn – infolge eines allgemeinen Verfügungsverbots des Insolvenzschuldners – die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis übergeht (§ 22 Abs. 1 InsO) oder dem Insolvenzverwalter eine Einzelermächtigung gemäß § 22 Abs. 2 InsO erteilt wurde.16 Wird hingegen Eigenverwaltung angeordnet und bleibt der Insolvenzschuldner berechtigt, unter Aufsicht eines Sachwalters die Insolvenzmasse zu verwalten und über sie zu verfügen, behält er auch die Arbeitgeberposition mit allen Rechten und Pflichten eines Arbeitgebers.17 Die insolvenzrechtlichen Besonderheiten überlagern die allgemeinen Regeln also derart, dass die rein arbeitsrechtliche Frage nach einheitlicher operativer Leistungsmacht nicht entscheidend sein kann.18 Der Insolvenzverwalter schuldet insbesondere nicht persönlich die Befriedigung der durch ihn begründeten Masseverbindlichkeiten.19 Seine Haftung beschränkt sich auf das negative Interesse (§§ 60, 61 InsO).20 beitgebereigenschaft des Konkursverwalters kraft Amtes i. R. d. Sozialversicherungsrechts; er beschränkt die Arbeitgeberstellung aber auf die aus der Konkursmasse zur Verfügung stehenden Mittel. 13 So offenbar Annuß, in: Staudinger, BGB, § 613a Rn. 104, der aber die Anwendung des § 613a BGB i. E. ablehnt, weil der Übergang der Rechte und Pflichten auf dem Gesetz beruht; zu Recht ablehnend: Müller-Glöge, in: MüKo BGB, § 613a Rn. 69, 55; ähnlich, aber wohl von der Vertretertheorie ausgehend: Preis, in: ErfK, BGB, § 613a Rn. 48, 63; Willemsen, in: HWK, BGB, § 613a Rn. 210. Es fehlt schon an einem Übergang der Betriebsmittel aufgrund Rechtsgeschäfts: Eickmann, in: FS Adomeit (2008), S. 167 (170); Annuß, in: Staudinger, BGB, § 613a Rn. 104; Preis, in: ErfK, BGB, § 613a Rn. 63. 14 Vgl. etwa Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 122; Kayser, in: HK-InsO, § 80 Rn. 55; Webel, in: GrafSchlicker, InsO, § 80 Rn. 22. Der formale Arbeitgeberbegriff ließe eine Einordnung als Arbeitgeber daher zu: so Eickmann, in: FS Adomeit (2008), S. 167 (168). 15 Vgl. Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 108; Riewe/Kaubisch, in: BeckOK InsO, § 80 Rn. 45; Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, § 80 Rn. 104; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 122; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 23 jeweils m. w. N.; allgemein zur Anknüpfung an § 80 InsO und nicht an materiell-rechtliche Kriterien: Ries, ZInsO 2009, 2030 (2032 f.). 16 BAG, Urteil vom 23. 6. 2004 – 10 AZR 495/03 – NJW 2005, 460 (462); Ries/Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 22 Rn. 59 ff.; Böhm, in; Braun, InsO, § 22 Rn. 32 ff.; zum Umfang des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen auf den vorläufigen Insolvenzverwalter: vgl. etwa Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 22 Rn. 80 ff.; zur Einordnung der Urlaubsabgeltung als Masseverbindlichkeit: BAG, Beschluss vom 16. 2. 2021 – 9 AS 1/21 – NZI 2021, 446 Rn. 4 ff.; BAG, Schlussurteil vom 25. 11. 2021 – 6 AZR 94/19 – NZI 2022, 341 Rn. 12. 17 Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 23; Kern, in: MüKo InsO, § 279 Rn. 11. 18 So Eickmann, in: FS Adomeit (2008), S. 167 (168). 19 BGH, Beschluss vom 16. 11. 2006 – IX ZB 57/06 – ZInsO 2007, 33; Ries, ZInsO 2007, 414 (415 f.). 20 So für die KO: Heinze, AuR 1976, 33 (36); vgl. auch Eickmann, in: FS Adomeit (2008), S. 167 (168).

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III. Übergang der Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter Der Insolvenzschuldner bleibt also Vertragsarbeitgeber. Wegen des Übergangs der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gehen allerdings auch die Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter über.21 Was dies im Einzelnen bedeutet und ob das auch für Tarifverträge gilt, wird im Folgenden untersucht. 1. Mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbestehende Arbeitsverhältnisse als Gesamtpaket im Sinne eines Pflichtenbündels Ausgehend von § 80 Abs. 1 InsO, §§ 35 ff. InsO wäre es konsequent, dass der Insolvenzverwalter die Vermögenspflichten aus dem Arbeitsverhältnis wahrnimmt, der Insolvenzschuldner hingegen die nicht vermögensrechtlichen (Neben-)Pflichten.22 a) Erweiterung der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters durch § 108 Abs. 1 InsO Wenngleich einzelne Pflichten keine Vermögenspflichten sind, fingiert § 108 Abs. 1 InsO allerdings durch seine umfassende Massezuweisung des Rechtsverhältnisses zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Massebezug für alle Ansprüche und den Übergang der Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter.23 Seine grundsätzlich aus §§ 80 Abs. 1 InsO, §§ 35 ff. InsO folgende Zuständigkeit für die Insolvenzmasse wird durch § 108 InsO daher auf die Arbeitgeberfunktionen erweitert. Im Gegensatz zu den einseitigen Regelungen zur Verfügung über Massegegenstände gemäß §§ 80, 35 ff. InsO, ist für Vertragsverhältnisse nämlich zu beachten, dass diese mit den Ansprüchen des Insolvenzschuldners einerseits zur Masse zählende Vermögenspositionen und mit den Ansprüchen der Vertragspartner andererseits Gläubigerpositionen betreffen.24 Der Insolvenzverwalter hat nicht nur Vermögen zu verwalten, sondern muss auch die Interessen der Vertragspartner berücksichtigen.25 Die grundsätzlich gegensätzlichen Interessen sind auszugleichen.26 21

Vgl. Fn. 11 (§ 2). Vgl. die Überlegungen zur Zeugniserteilung durch den Insolvenzverwalter: K. Schmidt, DB 1991, 1930. 23 BAG, Urteil vom 23. 6. 2004 – 10 AZR 495/03 – NJW 2005, 460 (461); so im Ansatz auch Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 110. Für bereits beendete Arbeitsverhältnisse findet § 108 Abs. 1 InsO keine Anwendung. Durch § 55 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Satz 1 InsO wird der starke vorläufige Insolvenzverwalter letztlich dem endgültigem Insolvenzverwalter gleichgestellt, vgl. dazu BAG, Teilurteil vom 10. 9. 2020 – 6 AZR 94/19 – NZI 2021, 323 Rn. 42; BAG, Beschluss vom 16. 2. 2021 – 9 AS 1/21, NZI 2021, 446 Rn. 6. Kritisch zur Einordnung der Urlaubsabgeltung als Masseverbindlichkeit bei Inanspruchnahme durch den starken vorläufigen Insolvenzverwalter etwa Ganter, Anm. zu BAG, Beschluss vom 16. 2. 2021 – 9 AS 1/21 – NZI 2021, 449 ff. 24 Vgl. Jacoby, in: Jaeger, InsO, vor §§ 103 – 109 Rn. 2. 25 Vgl. Jacoby, in: Jaeger, InsO, vor §§ 103 – 109 Rn. 2. 22

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b) Zuständigkeit im Einzelnen Ist es dem Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens also möglich, die Arbeitsleistung – als Hauptleistungspflicht des Arbeitnehmers – für die Masse in Anspruch zu nehmen, muss er im Gegenzug alle Verpflichtungen aus dem fortbestehenden Arbeitsverhältnis als Masseverbindlichkeiten erfüllen.27 Der Insolvenzverwalter nimmt daher zum Schutz der Arbeitnehmer auch sämtliche Nebenpflichten wahr.28 Die §§ 108 ff. InsO dienen gerade dem Ausgleich der Interessen der Arbeitnehmer und der Masse.29 Einschränkungen zugunsten der Masse, wie sie die §§ 120 ff. InsO kennen, enthält die Insolvenzordnung für das Individualarbeitsverhältnis nur in Bezug auf die gesetzliche Kündigungsfrist von drei Monaten, sofern eine längere Frist gelten würde (§ 113 InsO).30 Der Insolvenzverwalter ist daher nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Zeugniserteilung verpflichtet,31 tritt hinsichtlich der Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers in die Rechte und Pflichten des Insolvenzschuldners ein,32 übt das Direktionsrecht aus und nimmt die Schutz- und Fürsorgepflichten wahr.33 c) Zwischenergebnis Das Arbeitsverhältnis wird als „Gesamtpaket im Sinne eines Pflichtenbündels“34 umfassend der Masse zugeordnet, sodass der Insolvenzverwalter auch umfassend zuständig ist. Eine Aufteilung der Zuständigkeit auf den Insolvenzverwalter für Vermögensansprüche aus dem Arbeitsverhältnis einerseits und auf den Insolvenzschuldner für nicht vermögensrechtliche Ansprüche andererseits findet nicht statt. 26

Dazu bereits § 1 C. II. Vgl. BAG, Urteil vom 23. 6. 2004 – 10 AZR 495/03 – NJW 2005, 460 (461); BAG, Teilurteil vom 10. 9. 2020 – 6 AZR 94/19 – NZI 2021, 323 Rn. 42; BAG, Schlussurteil vom 25. 11. 2021 – 6 AZR 94/19 – NZI 2022, 341 Rn. 12: Die Urteile betreffen die Einordnung des Zeugnisanspruchs bzw. des Urlaubsabgeltungsanspruchs als Masseverbindlichkeit und betreffen die Stellung des vorläufigen (starken) Insolvenzverwalters als Arbeitgeber. 28 Vgl. BAG, Urteil vom 23. 6. 2004 – 10 AZR 495/03 – NJW 2005, 460 (461); Ries, in: Uhlenbruck, InsO, § 108 Rn. 46. 29 Vgl. oben § 1 C. II. 1. 30 Vgl. BAG, Teilurteil vom 10. 9. 2020 – 6 AZR 94/19 – NZI 2021, 323 Rn. 42 für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter; dazu bereits § 1 C. II. 1. 31 Vgl. nur BAG, Urteil vom 23. 6. 2004 – 10 AZR 495/03 – NJW 2005, 460 (461) für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 122; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 150; Riewe/Kaubisch, in: BeckOK InsO, § 80 Rn. 45; Wittkowski/ Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 109. 32 Zuletzt zur insolvenzrechtlichen Einordnung der Urlaubsabgeltung: BAG, Beschluss vom 16. 2. 2021 – 9 AS 1/21 – NZI 2021, 446 Rn. 4. 33 Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 122; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 109; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 149. 34 Vgl. zur Formulierung: BAG, Teilurteil vom 10. 9. 2020 – 6 AZR 94/19 – NZI 2021, 323 Rn. 42 für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter. 27

A. Tariffähigkeit des insolventen nicht verbandsangehörigen Arbeitgebers

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Der Insolvenzverwalter ist somit nicht auf die Mitwirkung des Insolvenzschuldners angewiesen und die Arbeitnehmer erhalten so zu ihrem Schutz einen eindeutig bestimmbaren Ansprechpartner.

2. Wahrnehmung der betriebsverfassungsrechtlichen Rechtspositionen durch den Insolvenzverwalter Der Insolvenzverwalter muss des Weiteren bei allen arbeitnehmerrelevanten Maßnahmen die Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte des Betriebsrats beachten.35 Die bereits geschlossenen Betriebsvereinbarungen bestehen fort. Das folgt aus dem Gesetzestext der §§ 120 ff. InsO, der voraussetzt, dass der Insolvenzverwalter in diesem Zusammenhang die Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt.36 Dadurch wird wiederum eine geteilte Zuständigkeit zwischen Insolvenzschuldner und Insolvenzverwalter vermieden. Die aus den §§ 80 Abs. 1 InsO, §§ 35 ff. InsO folgende Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Insolvenzmasse wird durch die §§ 120 ff. InsO auf den Schutz der Belegschaft nach betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen erweitert.37 Der Insolvenzverwalter ist nicht nur für die Verwaltung des Vermögens, sondern auch für den Schutz des Arbeitnehmers als Vertragspartner des Insolvenzschuldners zuständig.38 Für die Übernahme der Arbeitgeberfunktionen macht es keinen Unterschied, ob ein einzelner Arbeitnehmer oder eine Vielzahl von Arbeitnehmern betroffen ist.39 § 120 InsO sieht zwar vor, dass der Insolvenzverwalter die Betriebsvereinbarung – im Gegensatz zu Arbeitsverhältnissen – nur vorzeitig mit einer Frist von drei Monaten kündigen und die Masse damit (vorzeitig) entlasten kann,40 wenn aus ihnen massebelastende Leistungspflichten (beispielsweise bei Entgeltregelungen, die Zahlungspflichten begründen41) resultieren. Betriebsvereinbarungen mit – die Masse 35 BAG, Beschluss vom 13. 12. 1978 – GS 1/77 – NJW 1979, 774 ff.; BAG, Urteil vom 17. 9. 1974 – 1 AZR 16/74 – NJW 1975, 182 (183); Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 112; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 126; Mock, in: Uhlenbruck, InsO § 80 Rn. 153 ff.; Wittkowski/ Kruth, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 80 Rn. 109. 36 Vgl. auch BT-Drs. 12/2443 S. 97, wonach der Insolvenzverwalter stets an die Stelle des Arbeitgebers (Unternehmens) rücken soll. 37 Vgl. dazu BT-Drs. 12/2443 S. 97; BAG, Beschluss vom 13. 12. 1978 – GS 1/77 – NJW 1979, 774 (775). 38 BT-Drs. 12/2443 S. 97; BAG, Beschluss vom 13. 12. 1978 – GS 1/77 – NJW 1979, 774 (775). 39 So Heinze, AuR 1976, 33 (36) vor Einführung der §§ 120 ff. InsO; vgl. dazu auch BAG, Beschluss vom 13. 12. 1978 – GS 1/77 – NJW 1979, 774 ff.; BAG, Urteil vom 17. 9. 1974 – 1 AZR 16/74 – NJW 1975, 182 (183), die mit dem Schutz der Arbeitnehmer argumentieren; zum Schutz der Arbeitnehmer: BT-Drs. 12/2443 S. 97. Zur Frage, ob das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein eigenständiges Rechtsverhältnis ist, vgl. etwa v. Hoyningen-Huene, NZA 1989, 121; Boemke, in: MüHdbArbR, § 286 Rn. 1 ff. 40 Schöne, in: KPB, InsO, § 120 Rn. 17; Kubusch, in: Graf-Schlicker, InsO, § 120 Rn. 8. 41 Vgl. Giesen, in: Jaeger, InsO, § 120 Rn. 21; Caspers, in; MüKo InsO, § 120 Rn. 9.

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nur mittelbar belastenden – Betriebsablauf- oder Organisationsregelungen,42 die etwaige Leistungspflichten nicht oder nur zum Teil enthalten, kann der Insolvenzverwalter allerdings nach den allgemeinen Regeln des BetrVG (teil-)kündigen, weil auf ihn die Arbeitgeberfunktionen übergehen.43 Betriebsvereinbarungen können nach herrschender Meinung teilweise gekündigt werden, soweit sie einen eigenständigen Regelungskomplex betreffen, der für sich in einer Betriebsvereinbarung geregelt sein könnte und die Betriebsvereinbarung im Übrigen fortbestehen kann.44 Ist eine Teilkündigung nicht möglich, muss der Insolvenzverwalter die Betriebsvereinbarung insgesamt gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 InsO kündigen können, um den Zweck der Norm, nämlich die Masse zu entlasten und eine Sanierung zu ermöglichen, nicht zu unterlaufen.45 3. Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für Tarifverträge Aus den insolvenzrechtlichen Sondervorschriften zum Arbeitsrecht folgt also, dass der Insolvenzverwalter für Arbeitsverhältnisse und Betriebsvereinbarungen umfassend zuständig ist. Ob das auch für Tarifverträge gilt, wird im Folgenden näher erläutert. a) Aufteilung der Zuständigkeit? Die Literatur und die Rechtsprechung gehen – teilweise ohne Begründung, teilweise mit dem Argument des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen – davon aus, dass der Insolvenzverwalter für Tarifverträge zuständig ist.46 Für Tarifverträge enthält die InsO allerdings keine den §§ 108 ff. InsO oder den §§ 120 ff. InsO entsprechenden Regelungen, aus denen sich ergibt, dass auf den Insolvenzverwalter auch die Arbeitgeberfunktionen in Bezug auf den Tarifvertrag übergehen.47 Setzt 42

Vgl. Giesen, in: Jaeger, InsO, § 120 Rn. 22; Caspers, in; MüKo InsO, § 120 Rn. 12. Vgl. Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 24; Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 120 Rn. 14; Zwanziger, InsO, § 120 Rn. 7; Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 120 Rn. 38. 44 BAG, Urteil vom 6. 11. 2007 – 1 AZR 826/06 – NZA 2008, 422 Rn. 26; Arnold, in: MüHdbArbR, § 316 Rn. 73; Richardi, in: BetrVG, § 77 Rn. 221. 45 So ausdrücklich auch Giesen, in: Jaeger, InsO, § 120 Rn. 24; Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 24; Schöne, in: KPB, InsO, § 120 Rn. 36; Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 120 Rn. 38; a. A. LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. 6. 2005 – 12 TaBV 6/ 04 – juris Rn. 61; Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 120 Rn. 14; Zwanziger, InsO, § 120 Rn. 7. 46 Vgl. nur BAG, Urteil vom 28. 1. 1987 – 4 AZR 150/86 – NZA 1987, 455; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 149; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 113; Caspers, in: MüKo InsO, vor § 113 Rn. 12; Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 156; Lüke, in: KPB, InsO, § 80 Rn. 43; Adam, DZWIR 2005, 236 (239); Bertram/Künzl, in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 102 Rn. 85; Mückl/Krings, BB 2012, 769; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 502; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 57; Peter/Rödl, in: NK-TVG, § 2 Rn. 118; Kuleisa, in: HambKomm, InsO, § 80 Rn. 28; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 126; Hess, in: KK-InsO, § 113 Rn. 393. 47 Dazu bereits oben § 1 D. II. 43

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man also bei den allgemeineren § 80 Abs. 1 InsO, § 35 Abs. 1 InsO an, wäre der Insolvenzverwalter zumindest teilweise zuständig. Wie bereits ausgeführt, enthält der Tarifvertrag nämlich in der Regel massebelastende Tarifnormen; er kann jedoch auch masseneutrale Tarifnormen beinhalten.48 Ist der Insolvenzschuldner Partei des Tarifvertrags, muss er allerdings auch die schuldrechtlichen Pflichten wahrnehmen. Diese sind in der Regel vermögensneutral,49 sodass dafür eigentlich der Insolvenzschuldner zuständig sein müsste. Man könnte anführen, dass der Insolvenzverwalter dennoch für den gesamten Tarifvertrag zuständig sein muss, wenn dieser zumindest eine massebelastende Regelung enthält. Ähnlich wie i. R. d. § 108 Abs. 1 InsO würde sich der Massebezug dann auf den gesamten Tarifvertrag erstrecken. Zum einen fehlt es aber an einer entsprechenden Regelung für Tarifverträge. Zum anderen wäre der Insolvenzverwalter dann nicht zuständig, wenn der Tarifvertrag – in einem wohl nur theoretischen Fall – lediglich masseneutrale Tarifnormen enthalten würde, die wiederum aber – wie massebelastende Tarifnormen – das Arbeitsverhältnis gestalten,50 das gemäß § 108 Abs. 1 InsO der Insolvenzmasse zugeordnet wird. b) Umfassende Zuständigkeit des Insolvenzverwalters infolge der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch Tarifnormen aa) Zuständigkeit bei Einwirken auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Wenngleich die herrschende Meinung eine Begründung schuldig bleibt, ist ihr im Ergebnis zuzustimmen, dass der Insolvenzverwalter infolge des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter auch für Tarifverträge zuständig ist. Aus den insolvenzrechtlichen Vorschriften der §§ 108 ff. InsO, §§ 120 ff. InsO folgt nach hier vertretener Auffassung nämlich, dass der Insolvenzverwalter stets zuständig ist, wenn auf das Arbeitsverhältnis eingewirkt wird.51 Die Tarifnormen gestalten gerade das Arbeitsverhältnis und somit das Rechtsverhältnis zu den Arbeitnehmern. Ob die Betriebsnormen – über den Inhalt eines einzelnen Arbeitsverhältnisses hinaus – ein eigenständiges „betriebliches Rechtsverhältnis“ zwischen Arbeitgebern und den Arbeitnehmern als Kollektiv (Belegschaft) regeln, ist umstritten.52 Darauf kommt es im Ergebnis allerdings auch nicht an.53 Für die Zu48

§ 1 D. I. § 1 D. I. 3. 50 Zur Gestaltung des Arbeitsverhältnisses durch Tarifnormen: vgl. nur Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 42; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 38 ff. 51 Vgl. dazu GmS-OGB 1/09, Beschluss vom 27. 9. 2010 – GmS-OGB 1/09 – NJW 2011, 1211, 1211 Rn. 18. 52 Dafür vgl. nur: Nebe, in: NK-TVG, § 1 Rn. 350 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 159; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 94; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 45 ff.; Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 51; Krause, in: JKOS, TVG, § 4 Rn. 44; Buchner, RdA 1966, 208 (209); Hueck, BB 1949, 530 (532); dagegen etwa: Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung 49

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ständigkeit des Insolvenzverwalters und den Übergang der Arbeitgeberfunktionen ist es nicht entscheidend, ob die Rechte und Pflichten, die der Insolvenzverwalter wahrnimmt, durch Gesetz, Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder Tarifvertrag begründet wurden.54 Der Insolvenzverwalter ist vielmehr stets zuständig, wenn das Verhältnis zu einem einzelnen Arbeitnehmer oder einer Vielzahl von Arbeitnehmern betroffen ist.55 bb) Zuständigkeit im Einzelnen Da der Tarifvertrag das Arbeitsverhältnis gestaltet, ist der Insolvenzverwalter zum einen für die Durchführung des Tarifvertrags zuständig. Der Insolvenzverwalter setzt dabei nicht nur den normativen Teil des Tarifvertrags um, dessen Tarifnormen das Arbeitsverhältnis unmittelbar und zwingend gestalten (§ 4 Abs. 1 TVG). Er muss auch die schuldrechtlichen Pflichten aus dem Tarifvertrag wahrnehmen, wenn der Insolvenzschuldner Partei des Tarifvertrags ist.56 Die Durchführungs- und Friedenspflicht wirken auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein, wenngleich sie es nicht unmittelbar gestalten.57 Sie sollen den Inhalt der Rechtsnormen in die Arbeitswirklichkeit umsetzen und gegen Angriffe absichern.58 Aufgrund der Durchführungspflicht muss der Arbeitgeber den Tarifvertrag, der das Arbeitsverhältnis gestaltet, erfüllen.59 Arbeitskampfmaßnahmen können sich auf Arbeitsverhältnisse auswirken,60 sodass durch die Friedenspflicht nicht nur der Arbeitgeber als Tarifvertragspartei, sondern auch die Arbeitnehmer als Verbandsmitglieder geschützt werden.61 Zum anderen kann der Insolvenzverwalter auch einen für den Betrieb, S. 298 f.; Hanau, RdA 1996, 158 (164); Rieble, Arbeitsmarkt und Wettbewerb, Rn. 1526; Thüsing, in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 715. 53 Es kommt auch nicht darauf an, ob Normen über gemeinsame Einrichtungen neue Rechtsverhältnisse begründen, dafür etwa: Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 1 Rn. 807 ff.; dagegen etwa: Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 135 f.; Krause, in: JKOS, TVG, § 4 Rn. 13; Henssler, in: HWK, TVG, § 4 Rn. 27; Klumpp, in: MüHdbArbR, § 245 Rn. 41. 54 Vgl. zur Formulierung: BAG, Teilurteil vom 10. 9. 2020 – 6 AZR 94/19 – NZI 2021, 323 Rn. 42 für den starken vorläufigen Insolvenzverwalter; BAG, Urteil vom 20. 11. 1997 – 2 AZR 52/97 – NZA 1998, 334. 55 So auch Heinze, AuR 1976, 33 (35) für das Betriebsverfassungsrecht vor Einführung der Vorschriften zu Betriebsvereinbarungen und Mitbestimmung des Betriebsrats in der Insolvenz. 56 So i. E. auch Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 149 zur Wahrnehmung schuldrechtlicher Pflichten; a. A. BGH, Beschluss vom 6. 12. 2012 – IX ZB 84/12, NZI 2013, 147 Rn. 12 f. zur Arbeitgeberstellung des Insolvenzverwalters gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG bei Anfechtung von Beitragszahlungen eines Arbeitgebers an eine Sozialeinrichtung auf Grundlage eines Tarifvertrags. 57 Dazu bereits § 1 D. I. 3. 58 Dazu bereits § 1 D. I. 3. 59 Statt aller: Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 86. 60 Vgl. im Einzelnen Giesen, Streikrecht, § 9, S. 117. 61 Vgl. nur Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 69.

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neuen Tarifvertrag abschließen oder den bestehenden Tarifvertrag kündigen.62 Die Kündigung des Tarifvertrags ermöglicht es dem Insolvenzverwalter, die Arbeitsverhältnisse im Nachwirkungszeitraum (§ 4 Abs. 5 TVG) abweichend zu den Tarifverträgen zu gestalten.63 Durch den Neuabschluss eines Tarifvertrags gestalten auch neue Tarifnormen das Arbeitsverhältnis. cc) Zwischenergebnis Somit führt der Übergang der Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter für das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und den Arbeitnehmern infolge der §§ 108 ff. InsO, § 120 ff. InsO, § 80 Abs. 1 InsO dazu, dass der Insolvenzverwalter für den Abschluss, die Durchführung und die Beendung des Tarifvertrags zuständig ist. Es kommt im Einzelfall für die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters nicht darauf an, ob die Tarifnorm oder die schuldrechtliche Pflicht massebelastend ist. 4. Einschränkung des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen Gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bestehen Arbeitsverhältnisse mit Wirkung für die Insolvenzmasse fort. Daraus könnte geschlussfolgert werden, dass der Insolvenzverwalter für sämtliche Arbeitsverhältnisse zuständig ist.64 Aus dem Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens ergibt sich aber, dass das Arbeitsverhältnis selbst massebezogen sein muss.65 Arbeitsverhältnisse sind regelmäßig massebezogen.66 Zwei Ausnahmen sind allerdings zu berücksichtigen.67 Zum einen ist es möglich, dass der Arbeitgeber als natürliche Person die Tätigkeit ausschließlich mit Mitteln betreibt, die nach § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 811 Abs. 1 Nr. 5 ZPO nicht der Pfändung und damit auch nicht der Insolvenzverwaltung unterworfen sind.68 Zum anderen kann der Insolvenzverwalter gemäß § 35 Abs. 2 und 3 InsO erklären, ob und in 62

Vgl. etwa Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 149 ff.; Mock, in: Uhlenbruck Rn. 156; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 57; Krois, in: NK-GA, TVG, § 2 Rn. 82; Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 26; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 502; Henssler, in: HWK, TVG, § 2 Rn. 25. 63 Vgl. nur Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 61 ff. 64 Vgl. Heinze, ZInsO 2015, 1117 (1123 f.). 65 Vgl. Jacoby, in: Jaeger, InsO, vor §§ 103 – 109 Rn. 46 ff.; Heinze, ZInsO 2015, 1117 (1122); wohl h. M. zu § 103 InsO: BGH, Urteil vom 19. 2. 2014 – IV ZR 163/13 – NZI 2014, 369 (370); Huber, in: MüKo InsO, § 103 Rn. 87 f.; Ahrendt, in: HambKomm, InsO, § 103, Rn. 6, 8; Cymutta/Hess, in: KK-InsO, § 103, Rn. 190; Wegener, in: FK-InsO, § 103 Rn. 59 66 Vgl. Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 12. 67 Die Details sind im Einzelnen umstritten, ausführlich dazu: Giesen, in: Jaeger InsO, vor § 113 Rn. 12 ff.; vgl. auch Jacoby, in: Jaeger, InsO, vor §§ 103 – 109 Rn. 49 ff. Die §§ 35 ff. InsO sind auch zu berücksichtigen, wenn der Insolvenzschuldner Dienstverpflichteter ist, a. A. etwa Ringstmeier, in: K. Schmidt, InsO, § 108 Rn. 29 m. w. N. wegen des Wortlauts des § 108 InsO. 68 Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 13; Heinze, ZInsO 2015, 1117 (1123 f.).

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§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung

welchem Umfang eine selbstständige Tätigkeit des Insolvenzschuldners nicht zur Masse gehören soll.69 Sind die Arbeitsverhältnisse nicht der Insolvenzmasse zuzuordnen, sind auch die §§ 108, 113 InsO nicht anzuwenden und der Insolvenzverwalter ist nicht zuständig.70 Dann ist der Insolvenzverwalter auch nicht für die Rechte und Pflichten zuständig, die für das Arbeitsverhältnis durch Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung begründet werden.

IV. Zwischenergebnis Der Insolvenzschuldner bleibt Vertragsarbeitgeber und als solcher tariffähig. Die Arbeitgeberfunktionen werden allerdings auch für Tarifverträge vom Insolvenzverwalter wahrgenommen, um die Masse und die Arbeitnehmer zu schützen. Aus den insolvenzrechtlichen Vorschriften der §§ 108 ff. InsO, §§ 120 ff. InsO folgt, dass der Insolvenzverwalter stets zuständig ist, wenn auf das Rechtsverhältnis zu einem einzelnen Arbeitnehmer oder einer Vielzahl von Arbeitnehmern eingewirkt wird. Der Insolvenzverwalter ist nicht zuständig, wenn das Arbeitsverhältnis selbst nicht massebezogen ist.

B. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes Im Gegensatz zur Tariffähigkeit des einzelnen Arbeitgebers, muss der Arbeitgeberverband bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um eine tariffähige Vereinigung zu sein.71 In diesem Abschnitt wird untersucht, wie sich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des verbandsangehörigen Arbeitgebers auf den Verband auswirkt (I.). Würde die Insolvenzverfahrenseröffnung zur Auflösung des Verbandes führen, müsste in einem zweiten Schritt überprüft werden, ob der Arbeitgeberverband dadurch seine Tariffähigkeit verliert (vgl. dazu II.).

I. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes bei Insolvenz des verbandsangehörigen Arbeitgebers Um festzustellen, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mitglieds zur Verbandsauflösung führt, müssen die möglichen Organisationsformen des Arbeitgeberverbandes bestimmt und einzelne Voraussetzungen zur Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes näher betrachtet werden. 69 Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 13; vgl. dazu auch BAG, Urteil vom 21. 11. 2013 – 6 AZR 979/11 – DZWIR 2014, 352 mit zust. Anm. Heinze. 70 Vgl. Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 14. 71 Vgl. nur Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 6 ff.

B. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes

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1. Abhängigkeit der Rechtsfolgen der Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen eines Mitglieds von der Organisationsform des Verbandes Tritt ein Arbeitgeber einem Arbeitgeberverband bei, der sich in seiner Satzung zum Ziel gesetzt hat, Tarifverträge abzuschließen, legitimiert dieser mitgliedschaftliche Akt nach Maßgabe des Art. 9 Abs. 3 GG und des TVG die Rechtswirkungen, die ein vom Verband geschlossener Tarifvertrag für den Arbeitgeber hat (§ 3 Abs. 1 TVG).72 Der privatautonome Beitritt ist der entscheidende Anknüpfungspunkt für die Fremdbestimmung, die der Tarifvertrag für den normativ gebundenen Arbeitgeber entfaltet.73 Die mitgliedschaftliche Legitimation der Tarifgeltung führt in der Insolvenz des verbandsangehörigen Arbeitgebers allerdings zu spezifischen Problemen, die mit der Organisationsform des Arbeitgeberverbandes in Zusammenhang stehen. Es entscheidet sich nach der Organisationsform des Verbandes, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mitglieds zur Auflösung des Verbandes führt.74 So ordnet § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB etwa an, dass die GbR mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst wird. Arbeitgeberverbände sind in der Regel als eingetragene rechtsfähige Vereine organisiert.75 Ob sie sich auch in der Rechtsform einer GbR organisieren können und es dann bei Insolvenz des Mitglieds zu einer Auflösung des Verbandes kommt, gilt es im Folgenden zu untersuchen. Ein spezialgesetzliches Berufsverbandsrecht für Tarifvertragsparteien existiert jedenfalls nicht.76 2. Tarifrechtlich notwendige Unabhängigkeit des Verbands vom Schicksal des Mitglieds Art. 9 Abs. 3 GG macht keine Vorgaben zur Organisationsform des Arbeitgeberverbandes. Allerdings muss eine Koalition weitere Voraussetzungen erfüllen, um tariffähig zu sein.77 Dadurch ergeben sich Einschränkungen, die die Organisationsform des Arbeitgeberverbandes beeinflussen. 72 Vgl. nur BAG, Urteil vom 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18 – NZA 2020, 734 Rn. 19; BVerfG, Urteil vom 11. 7. 2017 – 1 BvR 1571/15 – NZA 2017, 915 Rn. 147; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 6, § 3, Rn. 1; Löwisch/Rieble, TVG, § 3, Rn. 3, Grdl., Rn. 30; Rieble, ZfA 2000, 5 ff. 73 Höpfner, Die Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 324 f. m. w. N. 74 Vgl. dazu etwa § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB. 75 Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, S. 276 Rn. 497; Rieble, in: MüHdbArbR, § 223 Rn. 3. 76 Entsprechender Gesetzesvorschlag der FDP, abgedruckt in: RdA 1977, 235 ff.; zum möglichen Inhalt eines Verbändegesetzes: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Bd. I, § 9 S. 404 f. 77 Vgl. etwa Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 7 ff.; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 2 Rn. 1 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 53 ff. und 112 ff. Im Einzelfall ist umstritten, ob einzelne Merkmale Voraussetzungen des Koalitionsbegriffs oder der Tariffähigkeit sind, vgl. dazu Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht Bd. 2, S. 15 Rn. 9 ff.

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§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung

a) Organisationsform des Arbeitgeberverbandes aa) Organisationsfreiheit gemäß Art. 9 Abs. 3 GG Die Koalitionsfreiheit ermöglicht es den Koalitionen, ihre Rechtsform frei zu wählen. Sie schützt die Organisationsfreiheit.78 Richtigerweise ist der Begriff der „Vereinigung“ i. S. d. Art. 9 Abs. 3 GG identisch mit dem des Art. 9 Abs. 1 und 2 GG,79 unabhängig davon, ob man Art. 9 Abs. 3 GG als eigenständiges Grundrecht80 oder als einen qualifizierten Spezialtatbestand der allgemeinen Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG ansieht.81 Die Koalition muss also freiwillig zustande gekommen sein, einen gemeinsamen Zweck verfolgen und ein Mindestmaß an zeitlicher und organisatorischer Stabilität aufweisen.82 Eine Vereinigung muss hingegen nicht den gesetzlichen Typen von Vereinen und Gesellschaften entsprechen.83 Auch eine GbR ist zur organisierten Willensbildung in der Lage (§ 709 BGB)84 und kann sich zum Ziel setzen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern.85 Aus Art. 9 Abs. 3 GG lässt sich daher nicht schlussfolgern, dass eine Koalition vom Wechsel der Mitglieder unabhängig sein muss, einen einheitlichen Willen durch Mehrheitsbeschluss bilden können muss, oder, dass der Verband Organe haben muss, deren Stellung nicht nur auf ihrer Mitgliedschaft beruht, sondern durch deren Wahl gerechtfertigt ist.86 Zuletzt genanntes Merkmal würde die Organisationsform zwar 78

So Rieble, in: MüHdbArbR, § 220 Rn. 19. Kemper, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 9 Rn. 85; Löwer, in: von Münch/ Kunig, GG, Art. 9 Rn. 91; Bauer, in: Dreier, Art. 9 Rn 73; Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht, Bd. 2, § 12 Rn. 10, 12; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 57. Zur Definition der Vereinigung: § 2 Abs. 1 VereinsG und Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 55. 80 BVerfG, Urteil vom 1. 3. 1979 – 1 BvR 532/77, 419/78, 1 BvL 21/78 – NJW 1979, 699 (709); BVerfG, Urteil vom 18. 11. 1954 – 1 BvR 629/52 – NJW 1954, 1881 (1882); BVerfG, Beschluss vom 30. 11. 1965 – 2 BvR 54/62 – NJW 1966, 491; BVerfG, Beschluss vom 26. 5. 1970 – 2 BvR 664/65 – NJW 1970, 1635. 81 Linsenmaier, in: ErfK, GG, Art. 9 Rn. 2; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 54; Hamacher, in: MAH-Arbeitsrechts, § 71 Rn. 4; Hergenröder, in: HWK, GG, Art. 9 Abs. 3 Rn. 25; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 2 Rn. 2; i. E. auch Höfling, in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 56; Löwer, in: von Münch/Kunig, GG, Art. 9 Rn. 72; Cornils, in: BeckOK GG, Art. 9 Rn. 44. 82 Linsenmaier, in: ErfK, GG, Art. 9 Rn. 22 und 4 m. w. N. 83 Kemper, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 9 Rn. 15; Höfling, in: Sachs, GG, Art. 9 Rn. 16; Bauer, in: Dreier, GG Art. 9. Rn 41; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 57; Scholz, in: Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 9 Rn. 195 ff.; Linsenmaier, in: ErfK, GG, Art. 9 Rn. 4. 84 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 57; vgl. auch Linsenmaier, in: ErfK, GG, Art. 9 Rn. 21 ff. 85 Zur Zielsetzung vgl. etwa Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, S. 276 Rn. 497; vgl. auch Schwennicke, in: Staudinger § 21, Rn. 52, § 22 Rn. 10. 86 So auch Rieble, in: MüHdbArbR, § 220 Rn. 19; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 57; a. A. etwa Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 2 Rn. 3; Henssler, in: HWK, TVG, § 2 Rn. 8; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 315; Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 10 Rn. 15 ff.; Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, S. 259 Rn. 458; für Gewerkschaften: Peter/Rödl, in: NKTVG, § 2 Rn. 39. 79

B. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes

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nicht auf Vereine, wohl aber auf Körperschaften beschränken. Das Prinzip der Selbstorganschaft ist einer Personengesellschaft immanent.87 Davon kann nicht abgewichen werden. Die Organe werden nicht gewählt, sondern ihre Gesellschafter sind zugleich die Organe.88 bb) Einschränkung der Organisationsfreiheit durch die Anforderungen an die Tariffähigkeit Einschränkungen im Hinblick auf die Organisationsfreiheit des Arbeitgeberverbandes ergeben sich allerdings aus den Voraussetzungen für eine tariffähige Koalition. Im Folgenden wird deshalb auf einzelne diesbezüglich relevante Merkmale einer tariffähigen Koalition eingegangen. (1) Notwendigkeit einer demokratischen Organisation Ein tariffähiger Arbeitgeberverband muss demokratisch organisiert sein.89 Die Mitglieder sind nicht nur an verbandsinterne Beschlüsse, sondern an den Vertragsschluss zweier rechtlich selbstständiger Verbände gebunden.90 Das erfordert eine über den rechtsgeschäftlichen Verbandsbeitritt hinausgehende Legitimation durch Teilhabe.91 Voraussetzung ist zunächst, dass eine Gesamtwillensbildung unabhängig vom konkreten Mitgliederbestand stattfinden kann.92 Die tariffähige Koalition muss also vom Bestand der Mitglieder unabhängig sein,93 und den Mitgliedern müssen Kontrollrechte zustehen, damit sie zumindest mittelbar über eine Delegiertenversammlung den Vorstand wählen und abwählen und so am tarifpolitischen Geschehen

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Statt aller: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 22 II 1, S. 657. Statt aller: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 22 II 1, S. 657. 89 Vgl. dazu Jacobs, in: JKOS, TVG, § 2 Rn. 73; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 112 ff. jeweils m. w. N.; ausdrücklich für den Arbeitgeberverband: Stoppelmann, Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit von Arbeitgeberverbänden, S. 88 ff.; zurückhaltend zum Erfordernis einer demokratischen Organisation für Gewerkschaften: BAG, Beschluss vom 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04 – NZA 2006, 1112 Rn. 55. Es ist außerdem umstritten, ob das Merkmal der „demokratischen Organisation“ als Voraussetzung des Art. 9 Abs. 3 GG oder als Voraussetzung der Tariffähigkeit einzuordnen ist, vgl. dazu Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 2 Rn. 15 m. w. N. 90 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 112 ff.; Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 15. 91 Vgl. Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 15; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 112; Henssler, in: HWK, TVG, § 2 Rn. 13; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 2 Rn. 15 ff. 92 So Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 113; bzgl. der Gesamtwillensbildung vgl. des Weiteren etwa: Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 15; Waas, in: BecKOK ArbR, TVG, § 2 Rn. 15 ff.; Henssler, in: HWK, TVG, § 2 Rn. 13. 93 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 57; überwiegend wird dieses Merkmal als Voraussetzung des Art. 9 Abs. 3 GG eingeordnet, vgl. dazu bereits § 2 B. I. 2. a) aa); Kocher, in: BKS, TVG, § 2 Rn. 18 weist zu Recht auch für Arbeitnehmerkoalitionen darauf hin, dass über die Unabhängigkeit vom Mitgliederbestand hinaus eine körperschaftliche Struktur im engen Sinne nicht erforderlich ist. 88

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§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung

teilnehmen können.94 Entscheidend ist des Weiteren die Gleichbehandlung der Mitglieder, die Geltung des Mehrheitsprinzips und das Austrittsrechts der Mitglieder.95 Das Merkmal der demokratischen Organisation erfordert hingegen nicht, dass der tariffähige Verband gewählte Organe hat.96 Die effektive Teilhabe der Mitglieder selbst an der Willensbildung des Verbandes muss gewährleistet sein.97 Sind die Mitglieder selbst die Organe, ist ihre Teilhabe hinreichend sichergestellt. (2) Merkmal der Leistungsfähigkeit Unabhängig von der Frage, ob der Arbeitgeberverband überhaupt leistungsfähig sein muss,98 ergibt sich aus diesem Merkmal jedenfalls keine weitere Beschränkung in Bezug auf die Wahl der Organisationsform. Auch das Merkmal der Leistungsfähigkeit setzt voraus, dass die tariffähige Koalition vom Bestand ihrer Mitglieder unabhängig ist.99 Nicht erforderlich ist hingegen, dass der tariffähige Verband gewählte Organe hat.100 Die Begrenzung des Rechts der Mitgliedschaft und des Verbandsrechts auf Körperschaften geht vor allem auf Otto von Gierke zurück, der die Verbandstheorie Hugo Sinzheimers wesentlich prägte101 und der die Körperschaft als Verbandspersönlichkeit von den Gesamthandsgesellschaften unterschied.102 Selbst die gesetzliche Anerkennung als juristische Einheit (unter anderem in § 124 HGB) änderte die Auffassung von Gierkes nicht, dass es Personengesellschaften „in Wahrheit an einer von den verbundenen Individuen abgelösten Willenseinheit fehlt“103. Die Gegenüberstellung von juristischer Person und Gesamthand wirkt

94 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 114; vgl. auch Engel, Collective Governance in Tarifverbänden, S. 70. 95 Vgl. Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 15; zu Besonderheiten im Arbeitgeberverband vor allem im Hinblick auf den Minderheitenschutz: Stoppelmann, Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit von Arbeitgeberverbänden, S. 88 ff. 96 So aber Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht Bd. I, § 9, S. 401. 97 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 209. 98 Dafür: Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 200 ff.; Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 11; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 520 f.; dagegen: BAG, Urteil vom 20. 11. 1990 – 1 ABR 62/89 – NZA 1991, 428 (430); Peter/Rödl, in: NK-TVG, § 2 Rn. 134 f. m. w. N.; Stoppelmann, Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit von Arbeitgeberverbänden, S. 93 ff.; zu den Voraussetzungen einer tariffähigen Gewerkschaft zuletzt: BAG, Beschluss vom 22. 6. 2021 – 1 ABR 28/ 20 – NZA 2022, 575 Rn. 26. 99 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 208. 100 So zumindest für Gewerkschaften: Hromadka/Maschmann, Arbeitsrecht Bd. 2, S. 20 Rn. 24. 101 Zum Einfluss Otto von Gierkes auf Hugo Sinzheimer: Lobinger, in: Heidelberger Thesen zu Recht und Gerechtigkeit, S. 179 (199 ff.); Giesen, Tarifvertragliche Rechtsgestaltung für den Betrieb, S. 16. 102 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 7 I, S. 168. 103 von Gierke, Genossenschaftstheorie, S. 47 f.; siehe dazu K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 7 I, S. 168.

B. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes

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heute nicht nur im Gesellschaftsrecht,104 sondern auch im Arbeitsrecht fort, wenn Vertreter der Literatur davon ausgehen, dass nur Vereinigungen mit Organen leistungsfähig sein können. Grundsätzlich kann der tariffähige Arbeitgeberverband daher auch in der Rechtsform einer GbR organisiert werden. Das gilt umso mehr, als die Außen-GbR mittlerweile als rechtsfähig anerkannt ist,105 was durch das Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts in § 705 Abs. 2 Alt. 1 BGB n. F.106 zukünftig auch gesetzlich geregelt ist. Insofern ist die Abgrenzung von Tariffähigkeit und Rechtsfähigkeit obsolet geworden.107 b) Keine Auflösung des Arbeitgeberverbandes bei Insolvenz des verbandsangehörigen Arbeitgebers Ein tariffähiger Arbeitgeberverband muss daher keine gewählten Organe haben, er muss jedoch vom Mitgliederbestand unabhängig sein und das Mehrheitsprinzip muss gelten. Der Arbeitgeberverband kann sich somit grundsätzlich auch in der Rechtsform der GbR organisieren. Allerdings ist gesellschaftsvertraglich einerseits – in Abweichung zu § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB – die Fortsetzung der GbR bei Insolvenz oder sonstigem Ausscheiden des Mitglieds (§ 736 Abs. 1 BGB)108 und andererseits die Geltung des Mehrheitsprinzips gemäß § 709 Abs. 2 BGB zu regeln. Auch wenn es also möglich wäre, den tariffähigen Arbeitgeberverband in der Rechtsform der GbR zu organisieren, bietet die Organisation als Verein aufgrund seiner körperschaftlichen Struktur, der geschichtlichen Entwicklung und der gelebten Praxis mehr Rechtssicherheit. Der Gesellschaftsvertrag einer GbR müsste erheblich von den Regelungen in §§ 705 ff. BGB abweichen, sodass die GbR nur als „leere Hülse“ zurückbliebe. Für den Verein existiert hingegen keine dem § 728 Abs. 2 Satz 1 BGB vergleichbare Norm. Dieser ist mangels vergleichbarer Rechtslage auch nicht auf den Verein anwendbar. Es würde nicht nur den Voraussetzungen zur Tariffähigkeit, sondern auch der körperschaftlichen Struktur eines Vereins widersprechen, wenn das Schicksal des Verbandes von den Einzelschicksalen der Mitglieder abhängig wäre.109 Die Mitgliedschaft des einzelnen Mitglieds ist nicht die wesentliche Grundlage für den Bestand des Verbands.110 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Mitglieds führt somit nicht zur Auflösung des Arbeitgeberverbandes.

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So K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 7 I, S. 168. BGH, Urteil vom 29. 1. 2001 – II ZR 331/00 – NJW 2001, 1056; Kohler, in: MüKo BGB, § 873 Rn. 23; Schöne, in: BeckOK BGB (63.Ed., Stand: 1. 5. 2022), § 705 Rn. 13 ff.; Hertel, in: BeckOGK BGB (Stand: 15. 4. 2021), § 899a Rn. 5 ff. jeweils mit m. w. N. 106 Text gilt ab 1. 1. 2024. 107 So auch Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 4. 108 Vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 208. 109 Vgl. Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 (228). 110 Im Gegensatz zur GbR: vgl. Schöne, in: BeckOK BGB, § 736 Rn. 1. 105

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§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung

II. Exkurs: Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes bei Verbandsauflösung Es kommt daher nicht auf die Frage an, ob der Arbeitgeberverband bei Verbandsauflösung weiterhin tariffähig ist, weil die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Mitglieds nicht zur Auflösung des Arbeitgeberverbandes führt. Dennoch wird im Folgenden auf die Tariffähigkeit eines Arbeitgeberverbandes bei Verbandsauflösung durch Auflösungsbeschluss der Mitglieder (§ 41 BGB) oder durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Verbandes (§ 42 BGB) eingegangen. Literatur und Rechtsprechung haben hierzu zwar schon umfassend Stellung genommen.111 Allerdings werden häufig die Insolvenz des Arbeitgeberverbandes und die Insolvenz des einzelnen Arbeitgebers parallel betrachtet, obschon die Konstellationen keinesfalls vergleichbar sind.112 Das soll durch folgende Ausführungen verdeutlicht werden, die auch Anhaltspunkte für die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters bei Insolvenz des Verbandsmitglieds geben, auf die in § 4 umfassend eingegangen werden soll. 1. Auflösung des Arbeitgeberverbandes durch Insolvenzverfahrenseröffnung oder Auflösungsbeschluss Die Rechtsfolgen der Auflösung des Arbeitgeberverbandes für seine Tariffähigkeit und für bereits geschlossene Tarifverträge sind umstritten. Die neuere Rechtsprechung und Teile der arbeitsrechtlichen Literatur vertreten die Auffassung, dass der Tarifvertrag auch nach Auflösungsbeschluss oder Insolvenzverfahrenseröffnung weitergelte, weil mit den Liquidatoren und dem Insolvenzverwalter Organe vorhanden seien, die für den Verein handeln könnten.113 Die Beschränkung der Rechtsfähigkeit auf den Abwicklungszweck stehe der Annahme der Kündigungsbefugnis hinsichtlich laufender Verträge nicht entgegen.114 Zur Abwicklung des 111 Vgl. nur BAG, Urteil vom 23. 1. 2008 – 4 AZR 312/01 – NZA 2008, 771 (773); BAG, Beschluss vom 27. 6. 2000 – 1 ABR 31/99 – NZA 2001, 334 (335 f.); Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 35 ff., 243 ff.; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 43 ff., 54 f. mit umfassenden Nachweisen; Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 18; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 2, Rn. 32; Peter/Rödl, in: NK-TVG, § 2 Rn. 180; Henssler, in: FS Picker (2010), S. 987 (992); Franzen, in: FS Picker (2010), S. 929 (941); Fastrich/Albrecht, SAE 2002, 324 (327); Buchner, RdA 1997, 259 (262 f.) mit einer Zusammenfassung des älteren Schrifttums; Bergerhoff, Tarifflucht durch Auflösung des Arbeitgeberverbandes? (2002), S. 212 ff. 112 Dieter Reuter bezeichnet den Vergleich zu Recht als einen Vergleich von „Äpfel und Birnen“: Reuter, DZWIR 2001, 242 (245). 113 BAG, Beschluss vom 27. 6. 2000 – 1 ABR 31/99 – NZA 2001, 334 (336); BAG, Urteil vom 23. 1. 2008 – 4 AZR 312/01 – NZA 2008, 771 (773). 114 BAG, Beschluss vom 27. 6. 2000 – 1 ABR 31/99 – NZA 2001, 334 (336); BAG, Urteil vom 23. 1. 2008 – 4 AZR 312/01 – NZA 2008, 771 (773); anders die vereinsrechtliche Literatur, wonach der Liquidationsverein unbeschränkt rechtsfähig ist: Hadding, in: Soergel, BGB, § 49 Rn. 10 m. w. N.; Leuschner, in: MüKo BGB, § 49 Rn. 15 ff.; Könen, in: BeckOGK BGB, § 49 Rn. 6 ff.; Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 49 Rn. 2 bezeichnet das sogar als allge-

B. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes

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Vereins gehöre generell die Abwicklung noch nicht beendeter Rechtsverhältnisse, worunter auch der Tarifvertrag einzuordnen sei.115 Nach der älteren Rechtsprechung und einer auch noch heute vertretenen Meinung im Schrifttum führt die Auflösung des Verbandes durch Auflösungsbeschluss oder Insolvenzverfahrenseröffnung116 eo ipso zum Verlust der Tariffähigkeit des Verbandes und damit zur Beendigung zuvor geschlossener Tarifverträge.117 Der Verein bestehe nur zum Zweck der Vermögensabwicklung fort und nur in diesem Rahmen könnten die Liquidatoren die laufenden Geschäfte beenden.118 Der schuldrechtliche Teil des Tarifvertrags falle mit Auflösung daher eo ipso weg, mit dem Wegfall der Tarifvertragspartei müsse aber auch der normative Teil enden.119 Teile der arbeitsrechtlichen Literatur modifizieren diese Ansicht heute. Den Liquidatoren und dem Insolvenzverwalter fehle die tarifliche Legitimation gegenüber den Verbandsmitgliedern.120 Die künftig entfallene Tariffähigkeit wirke sich deshalb mittelbar auf bereits abgeschlossene Tarifverträge aus.121 Der Tarifvertrag wirke gemäß § 4 Abs. 5 TVG nach.122

meine Ansicht; Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 49 Rn. 28 ff.; D. Eckardt, in: NK-BGB, § 47 Rn. 12; auch Westermann, in: Ermann, BGB, § 49 Rn. 4. Zur Rechtsfähigkeit des insolventen Vereins: Stöber, in: BeckOGK BGB (Stand: 1. 8. 2022), § 42 Rn. 15; Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 42 Rn. 3; Vuia, in: MüKo InsO, § 11 Rn. 18; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 219; Mönning/E. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 11 Rn. 55. Vgl. dazu auch § 2 B. II. 2. b) bb). 115 BAG, Beschluss vom 27. 6. 2000 – 1 ABR 31/99 – NZA 2001, 334 (336); BAG, Urteil vom 23. 1. 2008 – 4 AZR 312/01 – NZA 2008, 771 (773); zur Ausdehnung des Abwicklungszwecks über die Vermögensabwicklung hinaus vgl. auch Teile der arbeitsrechtlichen Literatur: Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 46; Bergerhoff, Tarifflucht durch Auflösung des Arbeitgeberverbandes, S. 147 ff.; Greiner, in: HMB, TVG, Teil 2 Rn. 137; Buchner, in: FS Kreutz (2010), S. 537 (545); Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts II/1, S. 474 Rn. 59. 116 Die Auflösung des insolventen Verbandes erfolgt nach insolvenzrechtlichen und nicht vereinsrechtlichen Vorschriften: Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 103; Mönning/ E. Mönning, in: Nerlich/Römermann, InsO § 11 Rn. 55; Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 199 Rn. 1. 117 Vgl. nur BAG, Urteil vom 28. 5. 1997 – 4 AZR 546/95 – NZA 1998, 40; BAG, Urteil vom 15. 10. 1986 – 4 AZR 289/85 – NZA 1987, 246; BAG, Urteil vom 11. 11. 1970 – 4 AZR 522/69 – NJW 1971, 822; RAG, ARS 14, 595 (598 ff.); Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 18; Franzen, in: FS Picker (2011), S. 929 (941); Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 2 Rn. 32; Bergerhoff, Tarifflucht durch Auflösung des Arbeitgeberverbandes, S. 123 ff. 118 BAG, Urteil vom 11. 11. 1970 – 4 AZR 522/69 – NJW 1971, 822; RAG ARS 14, 595 (601). 119 BAG, Urteil vom 15. 10. 1986 – 4 AZR 289/85 – NZA 1987, 246; BAG, Urteil vom 28. 5. 1997 – 4 AZR 546/95 – NZA 1998, 40. 120 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 42. 121 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 244. 122 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 241 f.; ähnliche Argumentation, aber mit der Rechtsfolge der Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG analog: Krois, in: NK-GA, TVG, § 2 Rn. 85 ff.

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§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung

Im Folgenden ist zu klären, ob im Rahmen der Auflösung des Arbeitgeberverbandes weiterhin Organe vorhanden sind, die einerseits für den Verein handeln können und andererseits tariflich legitimiert sind. Im Gegensatz zur Insolvenz des Arbeitgebers, für den der Insolvenzverwalter die Arbeitgeberfunktionen wahrnimmt, ohne dass die Tariffähigkeit des Arbeitgebers dadurch beeinträchtigt wird, müssen die Organe des Arbeitgeberverbandes tariflich legitimiert sein, um für die Mitglieder tätig werden und die Fremdbestimmung rechtfertigen zu können.123 2. Kein Wegfall der Tariffähigkeit für bereits geschlossene Tarifverträge mangels (tariflich legitimierter) Organe Bei Verbandsauflösung – sei es durch Auflösungsbeschluss, sei es durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgeberverbandes – existieren weiterhin tariflich legitimierte Organe, die für die Durchführung und Beendigung bereits geschlossener Tarifverträge zuständig sind. a) Zuständigkeit des Vereinsvorstands für die Durchführung und Beendigung der Tarifverträge bei Insolvenz des Arbeitgeberverbandes Bei Insolvenz des Arbeitgeberverbandes ist nicht der Insolvenzverwalter, sondern der Vereinsvorstand für die Durchführung und Beendigung der Tarifverträge zuständig. aa) Insolvenzrechtliche Begrenzung der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters auf die Insolvenzmasse Der Insolvenzverwalter übernimmt – nach der von der herrschenden Meinung und hier vertretenen Amtstheorie – nicht vollumfänglich die Aufgaben des Vereinsvorstands.124 Der Insolvenzverwalter tritt neben den Vereinsvorstand als Partei kraft Amtes.125 Der Vereinsvorstand wird nicht aus seinen Leitungskompetenzen verdrängt.126 Er verliert weder seine Organstellung, noch wird er Liquidator.127 Für die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters gemäß § 80 Abs. 1 InsO ist entscheidend, ob

123

Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 42 und § 1 Rn. 74; zum Merkmal der demokratischen Organisation vgl. oben § 2 B. I. 2. a) bb) (1). 124 Dazu bereits § 1 B. II. 3. 125 Leuschner, in: MüKo BGB, § 42 Rn. 9; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 111 ff.; Lüke, in: KPB, InsO, § 80 Rn. 48; a. A. K. Schmidt, Wege zum Insolvenzrecht der Unternehmen, S. 118 ff. 126 A. A. K. Schmidt, DB 1991, 1930 (1932) nach der modernen Vertretertheorie; vgl. bereits § 1 B. II. 3. 127 Reichert, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2 Rn. 3894 ff., 3903 ff.; Lüke, in: KPB, InsO, § 80 Rn. 48; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 120.

B. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes

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sich die konkrete Maßnahme im Einzelfall auf die Insolvenzmasse auswirkt.128 Die Vereinsorgane bleiben hingegen für verbandsinterne, sich nicht unmittelbar auf die Insolvenzmasse auswirkende Maßnahmen auch nach Insolvenzverfahrenseröffnung zuständig.129 Hierzu zählen innengesellschaftliche Befugnisse und Pflichten, die entweder das Verhältnis der Mitglieder untereinander betreffen oder die Rechte und Pflichten des Vereins im Insolvenzverfahren.130 Jenseits der Insolvenzmasse lässt das Insolvenzverfahren die Verbandsautonomie und die Befugnisse der Organe unberührt.131 bb) Tarifliche Legitimation des Vereinsvorstands für die Beendigung von Tarifverträgen Der Vereinsvorstand bleibt für den bereits geschlossenen Tarifvertrag verantwortlich.132 Für den insolventen Arbeitgeberverband hat der Verbandstarifvertrag keinen Vermögensbezug. Normadressaten der massebelastenden Tarifnormen sind nicht die Tarifvertragsparteien, sondern die tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.133 Die Tarifvertragsparteien sind hingegen an den schuldrechtlichen Teil gebunden, der in der Regel keine Vermögenspflichten enthält.134 Der Arbeitgeberverband übt auch keine Arbeitgeberfunktionen aus. Bleibt der Vereinsvorstand zuständig, überzeugt das Argument mangelnder tariflicher Legitimation nicht.135 Der Vorstand ist – als vertretungsberechtigtes Organ – auch außerhalb des Insolvenzverfahrens dafür zuständig, bestehende Tarifverträge zu kündigen.136 Die Mitglieder legitimieren ihn durch seine Wahl.137 Es entspricht tarifrechtlichen Grundsätzen, wenn der von den Mitgliedern legitimierte Vereinsvorstand für die Abwicklung des Tarifvertrags zuständig ist und nicht der Insolvenzverwalter als externer Dritter, der den Weisungen der Mitgliederversammlung nicht unterliegt.138 An der Zuständigkeit 128 Stöber, in: BeckOGK BGB (Stand: 1. 8. 2022), § 42 Rn. 22; für juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit allgemein: § 1 B. II. 3. 129 Stöber, in: BeckOGK BGB (Stand: 1. 8. 2022), § 42 Rn. 22; Stöber, ZInsO 2012, 1811 (1813); Dauernheim, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2 Rn. 3896, 3904; vgl. bereits § 1 B. II. 3. 130 Vgl. bereits § 1 B. II. 3. 131 Stöber, in: BeckOGK BGB (Stand: 1. 8. 2022), § 42 Rn. 22; Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 11 Rn. 122 m. w. N. 132 Peter/Rödl, in: NK-TVG, § 2 Rn. 184; Reuter, DZWIR 2001, 242 (244 f.); a. A. offenbar BAG, Beschluss vom 27. 6. 2000 – 1 ABR 31/99 – NZA 2001, 334 (336); Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 54; Schubert, in: JKOS, § 2 Rn. 31; Henssler, in: HWK, TVG, § 2 Rn. 22; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 43. 133 Statt aller: Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 5. 134 Dazu oben unter § 1 D. I. 3. 135 So Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 43; Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 19. 136 Rieble, RdA 2004, 78 (81); Engel, Collective Governance in Tarifverbänden, S. 102 f. 137 Engel, Collective Governance in Tarifverbänden, S. 70. 138 Reuter, DZWIR 2001, 242 (244); Fastrich/Albrecht, SAE 2002, 324 (326).

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§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung

der Vereinsorgane ändert sich nichts, wenn etwaige Tarifvertragsverletzungen Schadensersatzansprüche begründen.139 Hierbei handelt es sich um selbstständige vermögensrechtliche Sekundäransprüche, die in die Insolvenzmasse fallen und für deren Befriedigung der Insolvenzverwalter zuständig ist.140 Wird also über das Vermögen des Arbeitgeberverbandes das Insolvenzverfahren eröffnet und wird der Arbeitgeberverband deshalb aufgelöst (§ 42 BGB), ist der von den Mitgliedern gewählte und dadurch tariflich legitimierte Vereinsvorstand für die Beendigung der Tarifverträge zuständig. b) Zuständigkeit der Liquidatoren für die Durchführung und Beendigung von Tarifverträgen bei Auflösungsbeschluss außerhalb des Insolvenzverfahrens aa) Tarifliche Legitimation der Liquidatoren Außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt die Liquidation durch den – von den Mitgliedern gewählten – Vorstand und nicht durch externe Dritte (§ 48 Abs. 1 Satz 1 BGB).141 Ein besonderer Bestellungsakt ist zwar nicht erforderlich, es besteht aber eine Kontinuität des Amtes.142 Die Liquidatoren müssen bei der Durchführung der Abwicklung die Mitgliederinteressen beachten (§ 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB). Unter Berücksichtigung des Liquidationszwecks sind die Liquidatoren in gleicher Weise an Weisungen der Mitgliederversammlung gebunden, wie der Vorstand des werbenden Vereins. Die Mitgliederversammlung bleibt oberstes Vereinsorgan.143 Liquidatoren können auch externe Dritte sein (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BGB). Allerdings werden die externen Dritten dann durch Beschluss der Mitgliederversammlung zu Liquidatoren bestellt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BGB, § 27 Abs. 1 BGB). Warum die Liquidatoren also nicht tariflich legitimiert sein sollen, ist nicht ersichtlich. bb) Kündigung der Tarifverträge durch die Liquidatoren Ausgehend von der unbeschränkten Rechtsfähigkeit des aufgelösten Verbandes, können die Liquidatoren, weil sie unbeschränkt vertretungsberechtigt sind, Tarif-

139 So Fastrich/Albrecht, SAE 2002, 324 (327); i. E. auch Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 43. 140 Vgl. auch Bergerhoff, Tarifflucht durch Auflösung des Arbeitgeberverbandes, S. 125. 141 Fastrich/Albrecht, SAE 2002, 324 (325); Reuter, DZWIR 2001, 242 (243); Buchner, RdA 1997, 259 (264); Henssler, in: FS Picker (2010), S. 987 (992). 142 Schörnig, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2 Rn. 4115 f.; Leuschner, in: MüKo BGB, § 48 Rn. 3 ff.; Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 48 Rn. 2. 143 Leuschner, in: MüKo BGB, § 48 Rn. 12; Könen, in: BeckOGK BGB, § 48 Rn. 14.

B. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes

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verträge kündigen.144 Der Liquidationsverein ist mit dem werbenden Verein identisches Rechtssubjekt, sodass auch davon ausgegangen werden muss, dass er umfassend und nicht nur teilrechtsfähig ist.145 Daher ist auch die Vertretungsmacht nicht auf den Liquidationszweck des § 49 Abs. 2 BGB beschränkt.146 § 49 Abs. 2 BGB beruht auf der veralteten Vorstellung, dass der Verein mit seiner Auflösung aufhört, als juristische Person zu bestehen.147 Der Liquidationszweck beschränkt jedoch die Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis.148 Die Kündigung des Tarifvertrags ist allerdings kein evident liquidationsfremdes Geschäft, sodass sich die Unwirksamkeit im Innenverhältnis nicht auf das Außenverhältnis auswirkt.149 In der Praxis übernehmen die Liquidatoren häufig die Abwicklung der Vereinsorganisation, wenngleich dies nicht ihre eigentliche Aufgabe ist.150 Die Berücksichtigung des nichtvermögensrechtlichen Abwicklungsbedarfs ist unter dem Regime des Liquidationsrechts sachgerecht.151 Im Gegensatz zum Insolvenzrecht sehen die vereinsrechtlichen Vorschriften kein Organ vor, welches für den Verband für nicht vermögensrechtliche Angelegenheiten tätig werden könnte.152 Das Anliegen des § 49 Abs. 2 BGB, eine weitere werbende Tätigkeit des Vereins zu verhindern,153 wird durch die Kündigung des Tarifvertrags jedenfalls nicht beeinträchtigt. Da die Liquidatoren durch die Kündigung des Tarifvertrags ihre Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis überschreiten und sich – zumindest theoretisch – Schadensersatzansprüchen ihrer Mitglieder aussetzen,154 kann die die Mitgliederversammlung die Kündigung des Tarifvertrags durch Beschluss legitimieren.155

144 So auch Bergerhoff, Tarifflucht durch Auflösung des Arbeitgeberverbandes, S. 147; vgl. auch Schubert, in: JKOS, TVG, § 2 Rn. 23. 145 Hadding, in: Soergel, BGB, § 49 Rn. 10; Schörnig, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2 Rn. 4092. 146 Schörnig, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2 Rn. 4147; Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 49 Rn. 12; Könen, in: BeckOGK BGB, § 49 Rn. 23; Leuschner, in: MüKo BGB, § 49 Rn. 12; Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 49 Rn. 30; Hadding, in: Soergel, BGB, § 49 Rn. 13; a. A. Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, § 48 Rn. 2 und 49 Rn. 2. 147 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 4 a, S. 312; Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 49 Rn. 22; Könen, in: BeckOGK BGB, § 49 Rn. 7.1; D. Eckhardt, in: NK-BGB, § 49 Rn. 11. 148 Hadding, in: Soergel, BGB, § 49 Rn. 1; Leuschner, in: MüKo BGB, § 49 Rn. 3 ff.; Könen, in: BeckOGK BGB, § 49 Rn. 2. 149 So aber Höpfner, Anm. zu BAG, Urteil vom 23. 1. 2008 – 4 AZR 312/01 – NZA 2008, 771; i. E. auch Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 43; zum Missbrauch der Vertretungsmacht: Hadding, in: Soergel, BGB, § 49 Rn. 13. 150 D. Eckardt, in: NK-BGB, § 47 Rn. 2. 151 Vgl. Könen, in: BeckOGK BGB, § 49 Rn. 18. 152 Vgl. Könen, in: BeckOGK BGB, § 49 Rn. 18. 153 So D. Eckardt, in: NK-BGB, § 47 Rn. 13. 154 Wobei nicht ersichtlich ist, worin der Schaden der Mitglieder bestehen soll.

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§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung

Es ist hingegen nicht erforderlich, mit Teilen der arbeitsrechtlichen Literatur und der Rechtsprechung, den Liquidationszweck über die Vermögensabwicklung hinaus auf die Abwicklung sämtlicher Rechtsgeschäfte auszudehnen.156 Gegen eine Ausdehnung des Zwecks auf alle Abwicklungsgeschäfte spricht, dass die Liquidation primär der Befriedigung der Gläubiger dient, womit die Abwicklung der Vermögensverhältnisse im Mittelpunkt steht.157 Insbesondere die §§ 45 und 47 BGB deuten darauf hin, dass eine Liquidation nicht stattfinden soll, wenn der Verein kein Vermögen hat.158 Die Liquidatoren können daher die Tarifverträge kündigen. Sie sind hierzu tariflich legitimiert. cc) Sonderfall der Notbestellung In dringenden Fällen – wenn sich der Verein nicht durch eigene Maßnahmen zu helfen vermag159 – muss das Amtsgericht auf Antrag eines Berechtigten den Vorstand oder ein Vorstandsmitglied bestellen, soweit dies zur Vertretung oder Beschlussfassung erforderlich ist (§ 29 BGB).160 In der Literatur wird dann die Unabhängigkeit des Arbeitgeberverbandes vom Staat angezweifelt.161 Das ist aber kein spezifisches Problem der Liquidation. Auch außerhalb der Liquidation kann es dringende Fälle geben, die eine Notbestellung durch das Amtsgericht erforderlich machen.162 Das Unabhängigkeitserfordernis zielt darauf ab, dass sich das Handeln der Koalition in erster Linie nach den Interessen ihrer Mitglieder und nicht nach dem Einfluss außenstehender Dritter richten soll.163 Das Registergericht ist nicht nur frei in der Auswahl der Person des Notvorstands,164 der Notvorstand muss sich auch hin155

Fastrich/Albrecht, SAE 2002, 324 (325); a. A. Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 50, wonach der Auflösungsbeschluss ausreichende Legitimation ist. Diese Ansicht kann man nur vertreten, wenn man der Auffassung ist, dass der Liquidationszweck nicht auf die Vermögensabwicklung begrenzt ist. 156 BAG, Beschluss vom 27. 6. 2000 – 1 ABR 31/99 – NZA 2001, 334 (336); BAG, Urteil vom 23. 1. 2008 – 4 AZR 312/01 – NZA 2008, 771 (773); Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 46; Bergerhoff, Tarifflucht durch Auflösung des Arbeitgeberverbandes, S. 147 ff.; Greiner, in: HMB, TVG, Teil 2 Rn. 137; Buchner, in: FS Kreutz (2010), S. 537 (545). 157 Könen, in: BeckOGK BGB, § 47 Rn. 2; Schwennicke, in: Staudinger, § 47 Rn. 2; Eckardt, in: NK-BGB, § 47 Rn. 1. 158 So auch Bergerhoff, Tarifflucht durch Auflösung des Arbeitgeberverbandes, S. 149 ff. 159 Hadding, in: Soergel, BGB, § 29 Rn. 8; Leuschner, in: MüKo BGB, § 29 Rn. 1; Segna, in: BeckOGK BGB (Stand: 1. 12. 2022), § 29 Rn. 2. 160 Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 29 Rn. 3; Leuschner, in: MüKo BGB, § 29 Rn. 8 f. 161 So Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 42. 162 Leuschner, in: MüKo BGB, § 29 Rn. 2 ff.; Beispiele für dringende Fälle bei Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 29 Rn. 6; Leuschner, in: MüKo BGB, § 29 Rn. 8 ff. 163 Vgl. Stoppelmann, Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit von Arbeitgeberverbänden, S. 114. 164 Segna, in: BeckOGK BGB (Stand: 1. 8. 2022), § 29 Rn. 24; Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2 Rn. 2123.

B. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes

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sichtlich seiner Befugnisse am Bestellungsbeschluss orientieren.165 Insofern muss der Tarifvertrag automatisch enden, wenn ein Notvorstand bestellt wird. Mangels staatlicher Unabhängigkeit ist kein Organ vorhanden, das für den Tarifvertrag zuständig sein kann. Eine Ausnahme ist aber zu machen, wenn der Notvorstand nur zur Einberufung und Leitung einer Mitgliederversammlung berufen ist, um eine Neuwahl des Vorstands und damit eine tarifliche Legitimation zu ermöglichen.166 Sein Amt endet dann mit Erfüllung dieser Aufgabe.167 Werden die Liquidatoren also durch das Registergericht notbestellt, fehlt ihnen in der Regel die tarifliche Legitimation, um Tarifverträge zu kündigen. dd) Vollbeendigung und mögliche Nachtragsliquidation Geht man mit Teilen der arbeitsrechtlichen Literatur und der Rechtsprechung davon aus, dass der Abwicklungszweck über die Vermögensabwicklung hinaus die Abwicklung sämtlicher Verträge erfasst, ist die Abwicklung erst beendet, wenn sämtliche vom Verband geschlossene Tarifverträge gekündigt wurden. Das würde bedeuten, dass bei fehlender Kündigung des Tarifvertrags eine Nachtragsliquidation erforderlich wäre.168 Allerdings ist nach vereinsrechtlicher und hier vertretener Auffassung der Abwicklungszweck auf die Vermögensabwicklung begrenzt. Die Abwicklung ist daher beendet, wenn der Verband vermögenslos ist. Das Vorhandensein nicht vermögensrechtlicher Ansprüche hindert die Vollbeendigung nicht.169 Der Tarifvertrag hat für den Arbeitgeberverband keinen vermögensrechtlichen Charakter, sodass die fehlende Kündigung des Tarifvertrags einer Vollbeendigung nicht entgegensteht. Mit Vollbeendigung erlischt allerdings der Verband als solcher, sodass kein Rechtssubjekt mehr existiert.170 Daher ist kein tariffähiger Sozialpartner mehr vorhanden,171 der die Rechte und Pflichten aus dem Tarifvertrag wahrnehmen oder ihn

165

Vgl. Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 29 Rn. 12, Einl. Vgl. zur Begrenzung der Befugnisse des Notvorstands: Segna, in: BeckOGK BGB (Stand: 1. 8. 2022), § 29 Rn. 25. 167 Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 29 Rn. 14; Leuschner, in: MüKo BGB, § 29 Rn. 19; Könen, in: BeckOGK BGB (Stand: 1. 12. 2022), § 29 Rn. 1. 168 So Peter/Rödl, in: NK-TVG, § 2 Rn. 183; vgl. auch Buchner, in: FS Kreutz (2010), S. 537 (545). 169 D. Eckardt, in: NK-BGB, § 47 Rn. 19; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, § 49 Rn. 3; Hadding, in: Soergel, BGB, § 49 Rn. 14. 170 Hadding, in: Soergel, BGB, § 49 Rn. 14; D. Eckardt, in: NK-BGB, § 47 Rn. 21; Könen, in: BeckOGK BGB, § 49 Rn. 14; Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 49 Rn. 13; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, § 49 Rn. 3. 171 Henssler, in: FS Picker (2010), S. 987 (992 f.); Henssler, in: HWK, TVG, § 2 Rn. 22; Schubert, in: JKOS, § 2 Rn. 24. Umstritten ist, ob neben der Beendigung der Liquidation die Registereintragung der Löschung konstitutiv für die Vollbeendigung ist, vgl. dazu: Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 49 Rn. 38 ff. 166

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§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung

beenden kann.172 Ohne Vertragspartner können indes die Tarifverträge nicht fortbestehen.173 Besteht der Tarifvertrag nicht fort, muss die normative Wirkung – auch in Form der Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG – enden.174 Anderenfalls bestünde die Gefahr einer Ewigkeitsbindung der Tarifnormunterworfenen, weil niemand mehr da ist, der den Tarifvertrag kündigen kann.175 Der Tarifvertrag wirkt aber nach (§ 4 Abs. 5 TVG), um die Tarifnormunterworfenen vor einem inhaltsleeren Arbeitsverhältnis zu schützen.176 Selbst wenn eine Nachtragsliquidation stattfindet, weil noch Aktivvermögen vorhanden ist, oder andere Abwicklungsarbeiten erforderlich sind, welche die gesetzliche Vertretung des vermeintlich erloschenen Vereins verlangen,177 fehlt es an tariflich legitimierten Organen, die für den Tarifvertrag zuständig sein könnten. Der Verband ist dann wegen des nur vermeintlichen Erlöschens zwar weiterhin rechtsfähig.178 Allerdings endet das Amt der Liquidatoren mit Anmeldung des Liquidationsendes zur Eintragung in das Vereinsregister.179 Deshalb muss das Registergericht Nachtragsliquidatoren als Notabwickler gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 BGB, § 29 BGB bestellen.180 Die Nachtragsliquidatoren sind tariflich ebenso wenig legitimiert wie die Organe, die durch das Registergericht notbestellt werden.181 Der Tarifvertrag endet daher stets mit Vollbeendigung, auch wenn man – entgegen der hier vertretenen Auffassung – den Liquidationszweck nicht auf die Vermögensabwicklung begrenzt.

172

Henssler, in: FS Picker (2010), S. 987 (992). Henssler, in: FS Picker (2010), S. 987 (992); Henssler, in: HWK, TVG, § 2 Rn. 22. 174 Henssler, in: FS Picker (2010), S. 987 (992); zur Einheitlichkeit des schuldrechtlichen und normativen Teils des Tarifvertrags: Bergerhoff, Tarifflucht durch Auflösung des Arbeitgeberverbandes, S. 88 ff. m. w. N.; a. A. Krois, in: NK-GA, TVG, § 2 Rn. 87 auch heute noch für die Zeit nach dem Auflösungsbeschluss. 175 Henssler, in: FS Picker (2010), S. 987 (992) m. w. N. zur früheren Argumentation des BAG für den Zeitraum vor Vollbeendigung; zur zeitlichen Begrenzung der Nachbindung siehe unten § 4 B. II. 1. b) dd). 176 Henssler, in: FS Picker (2010), S. 987 (993); zur Funktion des § 4 Abs. 5 TVG vgl. unten § 3 B. II. 2. d). 177 OLG Saarbrücken, Beschluss vom 5. 11. 2018 5 W 74/18 NZG 2019, 152 (153) Rn. 10 ff.; Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 49 Rn. 16; Könen, in: BeckOGK BGB, § 49 Rn. 18. 178 D. Eckardt, in: NK-BGB, § 47 Rn. 22; Könen, in: BeckOGK BGB, § 47 Rn. 21. 179 Könen, in: BeckOGK BGB, § 49 Rn. 15; Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 49 Rn. 16. 180 Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 49 Rn. 16; D. Eckardt, in: NK-BGB, § 47 Rn. 22; Hadding, in: Soergel, BGB, § 49 Rn. 15. 181 Dazu § 2 B. II. 2. b) cc). 173

B. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes

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3. Tariffähigkeit für neu abzuschließende Tarifverträge Der aufgelöste Arbeitgeberverband ist unbeschränkt rechtsfähig.182 Im Außenverhältnis sind daher sämtliche Verträge, die abgeschlossen werden, wirksam.183 Eine inhaltliche Modifizierung der Tariffähigkeit in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 49 Abs. 2 BGB – wie sie Teile der arbeitsrechtlichen Literatur fordern184 – ist daher nicht notwendig. § 49 Abs. 2 BGB begrenzt nur die Geschäftsführungsbefugnis im Innenverhältnis auf den Abwicklungszweck.185 Es können keine Verträge geschlossen werden, die dem werbenden Vereinszweck dienen und damit eine Fortsetzung als werbender Verband voraussetzen.186 Von der Geschäftsführungsbefugnis gedeckt sind also in erster Linie Aufhebungstarifverträge.187 Sie dienen der Abwicklung des Arbeitgeberverbandes. Tarifverträge zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen dienen hingegen dem werbenden Vereinszweck. Ob sie als Zwischenglieder zumindest mittelbar der Abwicklung des Arbeitgeberverbandes188 dienen,189 muss für den Einzelfall bestimmt werden.190 Nicht von der Geschäftsführungsbefugnis gedeckt ist jedenfalls der Abschluss von Tarifverträgen, deren Geltungsdauer über die Liquidation hinausreicht.191 Die Unwirksamkeit im Innenverhältnis schlägt auf das Außenverhältnis durch, wenn die Tarifverträge evident liquidationsfremd sind.192 Tarifverträge, deren Dauer über die Liquidation hinausreicht, dienen offensichtlich nicht der Abwicklung des Arbeitgeberverbandes und können daher als evident liquidationsfremde Geschäfte eingeordnet werden. Man könnte einwenden, dass die vereinsrechtlichen Vorgaben letztlich zu einer Teil-Tariffähigkeit führen,193 die die herrschende Auffassung im arbeitsrechtlichen Schrifttum ablehnt.194 Dem wiederum kann entgegengehalten werden, dass die 182

Vgl. bereits § 2 B. II. 2. b) bb). Schubert, in: JKOS, TVG, § 2 Rn. 23. 184 So ausdrücklich Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 48. 185 Dazu bereits § 2 B. II. 2. b) bb). 186 Vgl. Hadding, in: Soergel, BGB, § 49 Rn. 3. 187 Vgl. auch Greiner, in: HMB, TVG, Teil 2 Rn. 135. 188 Hier muss klar abgegrenzt werden zur Abwicklung des Mitglieds. Der Abschluss eines Sanierungstarifvertrags dient nicht der Abwicklung des Arbeitgeberverbandes, so aber scheinbar Buchner, in FS Kreutz (2010), S. 537 (545). 189 Vgl. dazu Hadding, in: Soergel, BGB, § 49 Rn. 3. 190 Allgemein bejahend etwa: Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 48; Schubert, in: JKOS, TVG, § 2 Rn. 23. 191 Vgl. auch Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 48. 192 Hadding, in: Soergel, BGB, § 49 Rn. 13; vgl. bereits § 2 B. II. 2. b) bb). 193 So Löwisch/Rieble, TVG, § 2, Rn. 39 und Rn. 223. 194 Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 487; Peter/Rödl, in: NK-TVG, § 2 Rn. 64; Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 8; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 223; Schubert, in: JKOS, TVG, § 2 Rn. 9; Kocher, in: BKS, TVG, § 2 Rn. 80; Henssler, in: HWK, TVG, § 2 Rn. 15; C. W. Hergenröder, in: HWK, GG, Art. 9 Rn. 58; Löwisch, ZfA 1974, 29 (35 ff.); Wiedemann, 183

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§ 2 Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung

mögliche mittelbare Beschränkung der Tariffähigkeit auf den Abwicklungszweck – im Gegensatz zu einer Beschränkung der Tariffähigkeit des Verbandes auf bestimmte Sachbereiche (z. B. die Vermögensbildung) – nicht die Rechtsklarheit und die Funktionsfähigkeit des Tarifvertragssystems sowie der Arbeitskampfordnung gefährdet.195 Unwirksam sind Tarifverträge, deren Dauer über die Liquidation hinausreicht. Aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes wird die Gewerkschaft ohnehin kein Interesse haben, derartige Tarifverträge mit dem Arbeitgeberverband abzuschließen. Sie würden nämlich mit Vollbeendigung mangels (tariflich) legitimierter Organe enden.196 4. Zwischenergebnis Der Arbeitgeberverband verliert seine Tariffähigkeit nicht bereits mit Auflösungsbeschluss oder Insolvenzverfahrenseröffnung. Der Vereinsvorstand im Insolvenzverfahren und die Liquidatoren außerhalb des Insolvenzverfahrens sind hinreichend tariflich legitimiert, um den Tarifvertrag zu beenden. Eine Ausnahme besteht nur, wenn ein Notvorstand bestellt wird. Im Übrigen fehlt es erst mit Vollbeendigung an tariflich legitimierten Organen, die für den Tarifvertrag zuständig sind. Deshalb muss der Tarifvertrag mit Vollbeendigung enden. Die Tariffähigkeit fällt weg. Neu im Abwicklungszeitraum abgeschlossene Tarifverträge sind nur wirksam, wenn sie nicht voraussetzen, dass der Arbeitgeberverband über die Abwicklung hinaus fortbesteht. Auch sie enden mit Vollbeendigung.

RdA 1975, 78 (80); a. A. Zöllner/Loritz/Hergenröder, Arbeitsrecht, § 37 Rn. 9; Richardi, Kollektivgewalt und Individualwille bei der Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, S. 158 ff. 195 So zur Teil-Tariffähigkeit: C. W. Hergenröder, in: HWK, GG, Art. 9 Rn. 58; Löwisch, ZfA 1974, 29 (35 ff.); vgl. auch BAG, Beschluss vom 28. 3. 2006 – 1 ABR 58/04 – NZA 2006, 1112 Rn. 58; a. A. Wiedemann, RdA 1975, 78 (80), der zwar i. E. die Teil-Tariffähigkeit ablehnt, allerdings davon ausgeht, dass sich die ausgeklammerten Sachbereiche mit hinreichender Bestimmtheit beschreiben ließen. 196 Vgl. § 2 B. II. 2. b) dd).

§ 3 Beendigung und Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers Wird das Insolvenzverfahren eröffnet, besteht in der Regel Anpassungsbedarf für tarifvertragliche Arbeitsbedingungen, da so gegebenenfalls erhebliche Einsparungen möglich sind. Vorteilhaft für die Insolvenzmasse ist es insbesondere, wenn Entgelttarifverträge beendet werden können, die seit vielen Jahren im branchenüblichen Rhythmus eine Lohnerhöhung vorsehen.1 Im folgenden § 3 wird herausgearbeitet, ob und wie die Tarifverträge in der Insolvenz des Arbeitgebers angepasst oder beendet werden können. Dabei wird einerseits die analoge Anwendbarkeit entsprechender Regelungen der Insolvenzordnung überprüft und andererseits der Tatbestand der Insolvenz besonders berücksichtigt.

A. Herauswachsen aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags Die Tarifvertragsparteien können den Geltungsbereich des Tarifvertrags begrenzen (I). Im Folgenden ist zunächst zu untersuchen, ob die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers (II.) oder die Umstrukturierung des insolventen Betriebs (III.) dazu führt, dass der Betrieb aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags herauswächst.

I. Begrenzung des Geltungsbereichs des Tarifvertrags und Rechtsfolge des Herauswachsens Der Geltungsbereich bestimmt, welche Rechtsverhältnisse von einem konkreten Tarifvertrag erfasst werden,2 während die Tarifgebundenheit allgemein den Personenkreis definiert, für den die Tarifvertragsparteien Regelungen treffen können.3 Der Geltungsbereich wird von den Tarifvertragsparteien durch übereinstimmende Festlegung tarifautonom bestimmt.4 Die äußerste Grenze bildet die Tarifzustän1

Vgl. Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500; Mückl/Krings, BB 2012, 769. Vgl. Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 8. 3 Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 2; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 1. 4 Bepler, in: NK-GA, TVG, § 4 Rn. 21; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 8; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 296. 2

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§ 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

digkeit der Tarifvertragsparteien, die sich aus den jeweiligen Satzungen ergibt.5 Ist die Tarifvertragspartei nicht zuständig, ist der Tarifvertrag unwirksam.6 Wächst der Betrieb hingegen aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags heraus, etwa weil sich sein arbeitstechnische Zweck7 (z. B. von Industrie zu Handwerk oder Bau zu Metallbau) ändert, soll nach der Rechtsprechung und der herrschenden Auffassung der Literatur der Verbandstarifvertrag gemäß § 4 Abs. 5 TVG analog nachwirken.8 Durch den Vollzug der Änderung fehlt eine Geltungsvoraussetzung des bisher kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltenden Tarifvertrags.9 § 3 Abs. 3 TVG gilt nicht entsprechend. Dieser hilft lediglich über die fehlende Tarifbindung hinweg, setzt aber gerade voraus, dass der Betrieb dem Geltungsbereich unterworfen ist.10 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Firmentarifvertrag und der unternehmensbezogene Verbandstarifvertrag regelmäßig gemäß § 3 Abs. 1 TVG, § 4 Abs. 1 TVG mit unmittelbarer und zwingender Wirkung weitergelten, weil sie für die Betriebe anzuwenden sind, für die sie abgeschlossen wurden.11

II. Kein Herauswachsen aus dem betrieblich-fachlichen Geltungsbereich infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens Durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens wächst der Betrieb nicht aus dem betrieblich-fachlichen Geltungsbereich heraus. Der Tarifvertrag gilt regelmäßig sowohl für gewerblich als auch für nicht gewerblich tätige Abwicklungsbetriebe (1.). 5

Stamer, in: HMB, TVG, Teil 8 Rn. 6; Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 4 und 50. Vgl. Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 50. 7 Die Tarifvertragsparteien können alternativ das Unternehmen oder den Konzern zum Anknüpfungspunkt der tariflichen Geltung machen, vgl. dazu: Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 51; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 240 f.; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 150 einschränkend auf das Unternehmen. 8 BAG, Urteil vom 10. 12. 1997 – 4 AZR 247/96 – NZA 1998, 484 ff.; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 15; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 331 und Rn. 788; Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 59; Bepler, in: NK-GA, TVG, § 4 Rn. 224; Berg, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 27; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 149; Forst, in: Thüsing/Braun, Tarifrecht, Kap. 7 Rn. 24. Bei Herauswachsen aus dem Geltungsbereich eines allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags über gemeinsame Einrichtungen hat das BAG hingegen die Anwendung von § 4 Abs. 5 TVG und des § 3 Abs. 3 TVG abgelehnt; das Vorruhestandsverhältnis sollte aber gemäß §§ 611, 612 BGB fortgelten, vgl. dazu BAG, Urteil vom 14. 6. 1994 – 9 AZR 89/93 – AP TVG § 3 Verbandsaustritt Nr. 2; Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 25; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 311. Das BAG, Urteil vom 9. 11. 1999 – 3 AZR 690/98 – NZA 2000, 730 (731) lehnt die Nachwirkung bei Herauswachsen des Betriebs aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags über gemeinsame Einrichtungen ab; a. A. Forst, in: Thüsing/Braun, Tarifrecht, Kap. 7 Rn. 24 m. w. N. 9 Vgl. Bepler, in: NK-GA, TVG, § 4 Rn. 224. 10 Stamer, in: HMB, TVG, Teil 8 Rn. 58; a. A. Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 311 f.; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 149. 11 Berg, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 27; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 143. 6

A. Herauswachsen aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags

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Letzteres gilt auch dann, wenn der Geltungsbereich auf einen einzelnen Gewerbezweig abstellt (z. B. das Baugewerbe, Gaststättengewerbe, Groß- oder Einzelhandelsgewerbe)12 und der Betrieb infolge der Insolvenzverfahrenseröffnung die Gewerblichkeit verliert (2.). 1. Geltung des Tarifvertrags für den Abwicklungsbetrieb Für den betrieblich-fachlichen Geltungsbereich ist zu unterscheiden zwischen dem betrieblichen Element und dem fachlichen Element.13 Das fachliche Element legt fest, auf welche Arbeitnehmergruppen ein Tarifvertrag anzuwenden ist; das betriebliche Element beschreibt, für welche Betriebe der Tarifvertrag gelten soll.14 Ist nicht klar, für welche Betriebe der Tarifvertrag gelten soll, muss dies durch Auslegung ermittelt werden.15 Neben dem Tarifwortlaut ist der beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnormen zu beachten.16 Wird der Geltungsbereich eines Tarifvertrags von den Tarifvertragsparteien durch den Gegenstand der betrieblichen Tätigkeit bestimmt, sodass dieser beispielsweise auf industrielle und handwerkliche Betriebe beschränkt sein soll, folgt nach dem BAG und der überwiegenden Meinung des Schrifttums entgegen dem Wortlaut aber in Übereinstimmung mit dem Sinn und Zweck der Tarifnormen richtigerweise, dass alle Betriebe mit entsprechender Tätigkeit von deren Beginn bis zu deren Beendigung erfasst werden.17 Die Insolvenz als solche ist grundsätzlich kein Beendigungstatbestand.18 Die Tarifvertragsparteien nehmen typischerweise Regelungen in den Tarifvertrag oder in die Satzung auf, wenn sie die Insolvenz als Anknüpfungspunkt für das Ende des Tarifvertrags oder das Ende der Mitgliedschaft festlegen wollen.19 Im Umkehrschluss bringen sie daher nicht gesondert zum Ausdruck, dass auch Tätigkeiten wie die Anschaffung von Produktionsmitteln oder – nach Einstellung der wirtschaftlich-werbenden Ge12

Vgl. Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 56. Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 251, 331; wird auch unterschieden in betrieblichen Geltungsbereich und fachlichen Geltungsbereich: Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 49 und 66. Teilweise wird das fachliche Element auch dem persönlichen Geltungsbereich zugeordnet, vgl. dazu Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 331. Die terminologische Unterscheidung hat inhaltlich keine Auswirkung: Stamer, in: HMB, TVG, Teil 8 Rn. 8. Oft wird in der tariflichen Praxis vom fachlichen Geltungsbereich gesprochen, obwohl der betriebliche gemeint ist, vgl. dazu Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 49. 14 Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 49. 15 Vgl. nur BAG, Urteil vom 28. 1. 1987 – 4 AZR 150/86 – NZA 1987, 455. 16 Vgl. BAG, Urteil vom 28. 1. 1987 – 4 AZR 150/86 – NZA 1987, 455. 17 BAG, Urteil vom 28. 1. 1987 – 4 AZR 150/86 – NZA 1987, 455; BAG, Urteil vom 5. 2. 2009 – 6 AZR 110/08 – NZA 2009, 1215 Rn. 21; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 15; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 148; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 148; Bepler, in: NK-GA, TVG, § 4 Rn. 36; Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 59; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 144; grundsätzlich auch Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 212. 18 Vgl. bereits § 1 D. II. 19 Vgl. dazu § 3 D. und § 4 B. I. 2. Dort wird auch behandelt, inwiefern dies zulässig ist. 13

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§ 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

schäftstätigkeit – Abwicklungsarbeiten vom Geltungsbereich erfasst sein sollen.20 Unter den betrieblich-fachlichen Geltungsbereich fallen daher alle Maßnahmen, die das Ziel verfolgen, die Organisationseinheit vollständig abzuwickeln und die Produktionsgemeinschaft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufzulösen.21 Die arbeitstechnische Zweckrichtung des Betriebs verändert sich durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gerade nicht.22 Somit wächst der Betrieb infolge der Insolvenzverfahrenseröffnung nicht aus dem betrieblich-fachlichen Geltungsbereich heraus. 2. Geltung des Tarifvertrags auch für den nicht gewerblich tätigen Abwicklungsbetrieb Der Geltungsbereich eines Tarifvertrags stellt oft auf einen einzelnen Gewerbezweig ab (z. B. das Baugewerbe, Gaststättengewerbe, Groß- oder Einzelhandelsgewerbe).23 Definieren die Tarifvertragsparteien den Begriff der Gewerblichkeit nicht, ist der Begriff des Gewerbes in seiner allgemeinen Bedeutung als Fachbegriff des öffentlichen Rechts, insbesondere des Gewerberechts, zugrunde zu legen.24 Entscheidend ist dann unter anderem, ob eine nachhaltige Gewinnerzielungsabsicht verfolgt wird, die bei einer gemeinnützigen Unternehmensform unstreitig nicht vorhanden ist.25 a) Verlust der Gewerblichkeit im Rahmen des Insolvenzverfahrens Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beendet die Gewerblichkeit hingegen nicht automatisch.26 Der Insolvenzverwalter kann grundsätzlich weiterhin gewerblich tätig werden, sofern der Zweck des Insolvenzverfahrens das erfordert.27 Es ist 20

BAG, Urteil vom 28. 1. 1987 – 4 AZR 150/86 – NZA 1987, 455 (456). BAG, Urteil vom 5. 2. 2009 – 6 AZR 110/08 – NZA 2009, 1215 Rn. 21; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 148. 22 BAG, Urteil vom 28. 1. 1987 – 4 AZR 150/86 – NZA 1987, 455; BAG, Urteil vom 5. 2. 2009 – 6 AZR 110/08 – NZA 2009, 1215 Rn. 21; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 15; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 148; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 148; Bepler, in: NK-GA, TVG, § 4 Rn. 36; Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 59; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 144; grundsätzlich auch Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 212. 23 Vgl. Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 56. 24 BAG, Urteil vom 16. 9. 2020 – 10 AZR 56/19 – BeckRS 2020, 37416 Rn. 23 m. w. N.; BAG, Urteil vom 20. 4. 1988 – 4 AZR 646/87 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 95; vgl. auch Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 56. 25 BAG, Urteil vom 16. 9. 2020 – 10 AZR 56/19 – BeckRS 2020, 37416 Rn. 23 m. w. N.; BAG, Urteil vom 20. 4. 1988 – 4 AZR 646/87 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Bau Nr. 95; vgl. auch Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 56. 26 BVerwG, Urteil vom 19. 12. 1995 – 1 C 3/93 – NVwZ 1997, 278 (280); K. Schmidt, in: MüKo HGB, § 1 Rn. 8. 27 Vgl. Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 159 Rn. 2. 21

A. Herauswachsen aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags

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jedoch fraglich, ob der insolvente Betrieb weiterhin vom Geltungsbereich des Tarifvertrags erfasst ist, wenn nur noch Abwicklungsarbeiten nicht gewerblicher Art vorgenommen werden.28 Haben die Tarifvertragsparteien hierzu keine ausdrückliche Regelung getroffen, muss durch Auslegung ermittelt werden, ob der Tarifvertrag für den nicht mehr gewerblich tätigen Abwicklungsbetrieb gilt.29 Nach dem Sinn und Zweck der Tarifnormen wird es für die Tarifvertragsparteien allerdings in der Regel weder darauf ankommen, ob nur noch Abwicklungsarbeiten erledigt werden,30 noch, ob die Abwicklungsarbeiten gewerblicher Art sind, sodass grundsätzlich davon auszugehen ist, dass der Tarifvertrag auch für den nicht mehr gewerblich tätigen Abwicklungsbetrieb gilt. Das entspricht dem bei der Tarifauslegung zu beachtenden Grundsatz der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit.31 b) Mittelbare Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien Allerdings müssen die Arbeitsgerichte als Teil der Staatsgewalt die Tarifnormen möglichst gesetzes- und verfassungskonform auslegen.32 Die Tarifvertragsparteien sind mittelbar grundrechtsgebunden.33 Der Schutzauftrag der Verfassung verpflichtet die Arbeitsgerichte nicht nur, die tarifgebundenen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer vor unverhältnismäßigen Eingriffen in die Freiheitsrechte, sondern auch vor gleichheitswidrigen Differenzierungen durch die Tarifvertragsparteien zu schützen.34 Der Gleichheitssatz ist eine ungeschriebene Grenze der Tarifautonomie.35 In der Literatur wird vertreten, dass es gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, wenn das BAG nicht mehr gewerblich tätige Abwicklungsbetriebe als vom Geltungsbereich erfasst anerkennt, der Wechsel von gewerblicher auf karitative Zielsetzung hingegen dazu führen soll, dass der Betrieb aus dem Geltungsbereich herauswächst.36 Die Gerichte müssen bei Wahrnehmung ihres verfassungsrechtlichen Schutzauftrags allerdings nicht nur die Koalitionsfreiheit der Tarifvertragsparteien gemäß Art. 9 Abs. 3 GG und deren besondere Sachnähe, sondern außerdem beachten, dass sich die Tarifgebundenen bewusst oder freiwillig der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien unterworfen haben.37 Den Tarifvertragsparteien steht deshalb zum einen ein weiter 28

Dies ablehnend: Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 212. Vgl. § 3 A. II. 1. 30 BAG, Urteil vom 28. 1. 1987 – 4 AZR 150/86 – NZA 1987, 455 (456). 31 Vgl. BAG, Urteil vom 28. 1. 1987 – 4 AZR 150/86 – NZA 1987, 455 (456). 32 Vgl. zuletzt BAG, Urteil vom 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18 – NZA 2020, 734 Rn. 23 m. w. N.; vgl. zum Thema auch Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 215 ff. m. w. N. 33 BAG, Urteil vom 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18 – NZA 2020, 734 Rn. 21 m. w. N. 34 BAG, Urteil vom 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18 – NZA 2020, 734 Rn. 24 und 25 jeweils m. w. N. 35 BAG, Urteil vom 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18 – NZA 2020, 734 Rn. 25 m. w. N. 36 So Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 212. 37 BAG, Urteil vom 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18 – NZA 2020, 734 Rn. 26 m. w. N. 29

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§ 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

Gestaltungsspielraum zu; zum anderen haben sie hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten, der betroffenen Interessen und der Regelungsfolgen eine Einschätzungsprärogative.38 Die Tarifvertragsparteien müssen nicht die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung wählen.39 Ausreichend ist ein sachlicher Grund für die getroffene Regelung.40 c) Sachlicher Differenzierungsgrund Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung von Abwicklungs- und karitativen Betrieben liegt vor. Im Gegensatz zu einem Wechsel auf eine karitative Zielsetzung ändert sich die arbeitstechnische Zielsetzung für den Betrieb im Rahmen der Abwicklung nämlich nicht. Der ursprüngliche Zweck fällt im Insolvenz- oder Liquidationsverfahren nicht vollständig weg, um durch einen völlig anders gearteten (Liquidations-)Zweck ersetzt zu werden. Für die Gesellschaft bleibt der ursprüngliche Zweck vielmehr in seinem Kern bestehen, wird aber abgeändert, um eine bestmögliche Gläubigerbefriedigung zu erreichen.41 Die natürliche Person muss dieses Ziel nur in Bezug auf das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen berücksichtigen.42 Der Abwicklungsbetrieb ist nicht darauf angelegt, vollständig und dauerhaft einen ganz anderen nicht mehr gewerblichen arbeitstechnischen Zweck auszuüben, sondern soll langfristig abgewickelt werden. Die Ausrichtung auf Abwicklung des Betriebs rechtfertigt daher eine unterschiedliche Behandlung zu karitativ tätigen Betrieben. Somit wächst der Betrieb, der infolge der Insolvenzverfahrenseröffnung seine Gewerblichkeit verliert, nicht aus dem Geltungsbereich heraus. 3. Zwischenergebnis Der insolvente Betrieb wächst nicht aus dem betrieblich-fachlichen Geltungsbereich heraus, wenn er abgewickelt werden soll. Das gilt sowohl für den gewerblich tätigen Abwicklungsbetrieb als auch für den Abwicklungsbetrieb, der nicht mehr gewerblich tätig ist. Im Abwicklungsverfahren kann es für die Frage, ob der insolvente Betrieb noch unter den fachlichen Geltungsbereich eines Tarifvertrags fällt, nicht auf die Gewerblichkeit ankommen, weil es nicht darum geht, den arbeitstechnischen Zweck zu ersetzen, sondern den Betrieb mit dem ursprünglich ar38

BAG, Urteil vom 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18 – NZA 2020, 734 Rn. 26 m. w. N. BAG, Urteil vom 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18 – NZA 2020, 734 Rn. 26 m. w. N. 40 BAG, Urteil vom 19. 12. 2019 – 6 AZR 563/18 – NZA 2020, 734 Rn. 26 m. w. N.; vgl. zum Prüfungsmaßstab i. R. d. Art. 3 Abs. 1 GG: Britz, NJW 2014, 346 (347 ff.). 41 Allgemein für juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit: Haas, in: in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 89 Rn. 60; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 11 V 4c, S. 313, der sogar davon ausgeht, dass der Zweck nur überlagert wird; dem zustimmend etwa Bergerhoff, Tarifflucht durch Auflösung des Arbeitgeberverbandes?, S. 148 m. w. N. 42 Vgl. bereits § 1 B. II. 2. 39

A. Herauswachsen aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags

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beitstechnisch werbenden Zweck abzuwickeln. Das rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung von Abwicklungsbetrieben und karitativen Betrieben.

III. Herauswachsen aus dem Geltungsbereich infolge einer Umstrukturierung des insolventen Betriebs Um den insolventen Betrieb zu sanieren, wird der Insolvenzverwalter den Betrieb in der Regel umstrukturieren müssen.43 Infolgedessen kann der insolvente Betrieb aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags herauswachsen. 1. Übertragende Sanierung und betriebsinterne Umstrukturierungen im Insolvenzverfahren Zu unterscheiden sind einerseits innerbetriebliche und unternehmensinterne Umstrukturierungen44 und andererseits Umstrukturierungen, bei denen der insolvente Betrieb oder Teile davon auf einen anderen bereits bestehenden oder neu zu gründenden Rechtsträger übertragen werden (sog. übertragende Sanierung).45 Die übertragende Sanierung ist zur Sanierung des Insolvenzschuldners selbst ein gleichrangiges Sanierungsinstrument,46 das aber nicht auf Sanierungen im Insolvenzverfahren beschränkt ist.47 Im Insolvenzverfahren ist § 613a BGB grundsätzlich weiterhin anzuwenden;48 § 128 InsO sieht geringfügige Erleichterungen für einen Betriebsübergang vor.49 Der Eintritt des Erwerbers in die tariflichen Rechte und Pflichten (§ 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB) ermöglicht eine Kostenreduzierung für den Insolvenzschuldner.50 Insbesondere betriebsinterne Umstrukturierungsmaßnahmen, durch die der insolvente Betrieb selbst saniert werden soll,51 können dazu führen, dass der insolvente Betrieb aus dem betrieblich-fachlichen oder örtlichen Geltungsbereich des ein43

So auch Eilenberger, in: MüKo InsO, § 220 Rn. 12. Vgl. dazu Grau, in: HMB, TVG, Teil 15 Rn. 6 ff. 45 Zu dieser Unterscheidung vgl. Grau, in: HMB, TVG, Teil 15 Rn. 1 ff. Zur Definition der übertragenden Sanierung: vgl. BT-Drs. 12/2443 S. 94; Hoffmann/Danylak, NZI 2020, 705; Eilenberger, in: MüKo InsO, § 220 Rn. 18 ff. 46 BT-Drs. 12/2443 S. 94; Eilenberger, in: MüKo InsO, § 220 Rn. 19. 47 § 1 A. 48 Vgl. etwa Hoffmann/Danylak, NZI 2020, 705 (706 ff.); kritisch zur nur geringfügigen Modifizierung des § 613a BGB im Insolvenzverfahren: Caspers, in: MüKo InsO, vor § 113 – 118 Rn. 7 m. w. N. 49 § 1 C. II. 2. 50 Mückl/Krings, BB 2012, 769 (771). 51 Vgl. zur Unterscheidung zwischen der Sanierung des Unternehmensträgers selbst und der übertragenden Sanierung: Eilenberger, in: MüKo InsO, § 220 Rn. 16 ff. 44

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§ 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

schlägigen Tarifvertrags herauswächst.52 Wird der Betrieb etwa infolge einer Umstrukturierung örtlich verlagert, wird er nicht mehr von dem räumlichen Geltungsbereich des Tarifvertrags erfasst, sofern die Tarifvertragsparteien beispielsweise den Geltungsbereich des Tarifvertrags auf ein Bundesland oder einen Bezirk festgelegt haben und sich der Betrieb zukünftig in einem anderen Bundesland oder Bezirk befinden soll.53 Der insolvente Betrieb unterliegt nicht mehr dem betrieblich-fachlichen Geltungsbereich, wenn sich der Betriebszweck für den gesamten Betrieb infolge der Betriebsänderung grundlegend verändert (von Bau auf Metallbau)54 oder ein Betriebsteil stillgelegt oder übertragen wird und der verbleibende Betriebsteil einen anderen Betriebszweck verfolgt.55 Werden in dem verbleibenden Betriebsteil weiterhin Arbeitnehmer beschäftigt, wirkt der Tarifvertrag nach (§ 4 Abs. 5 TVG analog).56 2. Einsatz von Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaften Führt der Insolvenzverwalter die Arbeitnehmer in eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (im Folgenden: BQG)57 über, folgt aus dem Sinn und Zweck der Tarifnormen in der Regel, dass die Tätigkeit der BQG nicht mehr unter den betrieblich-fachlichen Geltungsbereich des bisher geltenden Tarifvertrags zu subsumieren ist.58 Das ist allerdings nicht auf die fehlende Gewinnerzielungsabsicht der BQG zurückzuführen.59 Vielmehr übt die BQG eine branchenfremde Tätigkeit und nicht eine Abwicklungstätigkeit für den insolventen Betrieb aus.60 Die BQG ist eine eigenständige juristische Person,61 die die beruflichen Qualifikationen der dort 52

Grau, in: HMB, TVG, Teil 15 Rn. 7; Mückl/Krings, BB 2012, 769 (771). Vgl. dazu Mückl/Krings, BB 2012, 769 (771); Grau, in: HMB, TVG, Teil 15 Rn. 7; vgl. zum räumlichen Geltungsbereich statt vieler: Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 10 f. 54 Vgl. oben § 3 A. I. 55 Vgl. Grau, in: HMB, TVG, Teil 15 Rn. 7. Ein Branchenwechsel führt in der Regel auch zum Verlust der Tarifzuständigkeit, vgl. dazu Grau, in: HMB, TVG, Teil 15 Rn. 12; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 237. 56 Vgl. Grau, in: HMB, TVG, Teil 15 Rn. 8 ff.; § 3 A. I. Davon abzugrenzen ist die Frage, ob der bei einer Abspaltung oder Ausgliederung nach Umwandlungsrecht (§§ 123 Abs. 2 und Abs. 3 UmwG) fortbestehende übertragende Rechtsträger weiterhin an den Tarifvertrag gebunden bleibt, wenn § 613a BGB nicht einschlägig ist, vgl. dazu Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 212 und 236; Heise, in: Thüsing/Braun, Tarifrecht, Kap. 11 Rn. 197 ff. jeweils m. w. N. 57 Zu den Voraussetzungen und Grenzen des Einsatzes einer BQG: Fuhlrott, NZA 2012, 549 ff., der die Rechtsprechung zu dem Thema zusammenfasst; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 140 ff.; Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, vor § 113 Rn. 6. 58 Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 150; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 14; a. A. Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 145. 59 So auch Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 150; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 14. 60 Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 53; Forst, in: Thüsing/Braun, Tarifrecht, Kap. 7 Rn. 17. 61 Vgl. Betram/Künzl, in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 104 Rn. 84. 53

B. Beendigung des Tarifvertrags durch Insolvenzverwalter o. Arbeitgeberverband

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Beschäftigten verbessern und spezielle regionale Strukturmaßnahmen umsetzen soll.62 Die Arbeitnehmerüberlassung und Qualifizierung ist mittlerweile als eigene Branche einzuordnen.63 Die BQG ist daher kein Gewerbe- oder Industriebetrieb im herkömmlichen Sinn.64 Für die von der BQG übernommenen Arbeitnehmer wirken die Tarifnormen nur noch gemäß § 4 Abs. 5 TVG analog nach.65 Die Rechte und Pflichten, die durch die Rechtsnormen des Tarifvertrags geregelt sind, werden nicht Inhalt des Arbeitsverhältnisses zwischen dem neuen Inhaber und den Arbeitnehmern (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB), weil die BQG nur Beschäftigungs- und Qualifizierungsaufgaben wahrnimmt, keine Betriebsmittel des Veräußerers übernimmt und nur außerhalb des bisherigen Tätigkeitsspektrums handelt.66

B. Beendigung des Tarifvertrags durch den Insolvenzverwalter oder den Arbeitgeberverband Je nachdem, ob der Arbeitgeber oder der Arbeitgeberverband Partei des Tarifvertrags ist, kann entweder der Insolvenzverwalter den Firmentarifvertrag oder der Arbeitgeberverband den Verbandstarifvertrag kündigen. Der Insolvenzverwalter ist für die Kündigung von Tarifverträgen zuständig, weil auf ihn die Arbeitgeberfunktionen übergehen.67 Ob § 120 InsO gegebenenfalls entsprechend auf Tarifverträge angewendet werden kann und ob die Insolvenz zur außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags berechtigt, wird im Folgenden untersucht (II. und III.). Bevor auf die Kündigung eingegangen wird, wird in einem ersten Schritt herausgearbeitet, ob dem Insolvenzverwalter das Erfüllungswahlrecht gemäß § 103 InsO in Bezug auf Tarifverträge zusteht (I.).

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Vgl. Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 150. Jacobs, in: JKOS, TVG, § 5 Rn. 53; Forst, in: Thüsing/Braun, Tarifrecht, Kap. 7 Rn. 17. 64 Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 150; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 299. 65 § 3 A. I. 66 Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 142; Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 157 Rn. 9. Auch im Verhältnis BQG-Erwerber oder Insolvenzschuldner-Erwerber findet § 613a BGB keine Anwendung, vgl. dazu Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 140 ff. 67 Dazu bereits § 2 A. III. 3. b). 63

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I. Kein Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters für Firmentarifverträge 1. Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters für gegenseitige synallagmatische Verträge Der Insolvenzverwalter hat für gegenseitige Verträge, die bei Insolvenzverfahrenseröffnung noch von keiner Seite vollständig erfüllt sind, ein Wahlrecht hinsichtlich deren Erfüllung (§ 103 InsO). Es wird vereinzelt vertreten, dass dem Insolvenzverwalter das Erfüllungswahlrecht auch für Firmentarifverträge – zumindest aber für Sanierungstarifverträge – zustehen müsse.68 Für § 103 InsO sei eine wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgebend.69 Demnach stünden Investitionsverpflichtung und Standortgarantie einerseits und Lohnverzicht und Verlängerung der Arbeitszeit andererseits in einem Austauschverhältnis.70 Nach herrschender Meinung gewährt § 103 InsO dem Insolvenzverwalter allerdings nur ein Erfüllungswahlrecht für vollkommen zweiseitig verpflichtende Verträge i. S. d. § 320 BGB.71 Gegenseitigkeit liegt vor, wenn die vereinbarten Leistungspflichten in einem synallagmatischen Verhältnis zueinander stehen.72 Jede Partei hat die betroffene Pflicht nur zu dem Zweck übernommen, dass sie dafür von der anderen Partei die vereinbarte Gegenleistung erhält („do ut des“).73 Entscheidend ist die wechselseitige Bedingtheit der Leistungspflichten nach dem Parteiwillen.74 § 103 InsO schützt zwar in erster Linie die Insolvenzmasse und die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger, indem der Insolvenzverwalter für die Masse vorteilhafte Verträge durchführen kann.75 Allerdings bezweckt § 103 InsO außerdem den Schutz des funktionellen Synallagmas in der Insolvenz und legt fest, inwieweit der Vertragspartner seinen mit der Einrede aus § 320 BGB belasteten Anspruch im Insolvenzverfahren geltend machen

68 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1642; so scheinbar auch Mock, in: Uhlenbruck, InsO, § 80 Rn. 156 für den Firmentarifvertrag. 69 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1642. 70 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1642. 71 BGH, Urteil vom 22. 1. 2009 – IX ZR 66/07 – NZI 2009, 235 Rn. 15; Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 103 Rn. 63; Huber, in: MüKo InsO, § 103 Rn. 55; Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 103 Rn. 25; Wegener, in: FK-InsO, § 103 Rn. 7; Marotzke, in: HK-InsO, § 103 Rn. 19; Kroth, in: Braun, InsO, § 103 Rn. 5; Ringstmeier, in: K. Schmidt, InsO, § 103 Rn. 13. 72 Cymutta/Hess, in: KK-InsO, § 103 Rn. 23; Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 103 Rn. 25; Huber, in: MüKo InsO, § 103 Rn. 55; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 103 Rn. 8. 73 Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 103 Rn. 63; Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 103 Rn. 25. 74 Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 103 Rn. 25; Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 103 Rn. 63; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 103 Rn. 8. 75 Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 103 Rn. 1; Cymutta/Hess, in: KK-InsO, § 103 Rn. 2 jeweils m. w. N.; Ringstmeier, in: K. Schmidt, § 103 Rn. 3 sieht den alleinigen Zweck des § 103 InsO im Masseschutz.

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kann.76 Der Vertragspartner soll nur zur Erbringung ausstehender Leistungen verpflichtet sein, wenn der Verwalter ihm eine vollwertige Gegenleistung aus der Masse anbieten kann.77 Deshalb bestimmt der Gegenstand des Synallagmas nicht nur den Anwendungsbereich, sondern auch die Gebotenheit oder Grenzen seiner analogen Anwendung.78 2. Keine Anwendung des § 103 InsO auf Tarifverträge Der Tarifvertrag ist kein gegenseitiger synallagmatischer Vertrag i. S. d. § 320 BGB.79 Der schuldrechtliche Teil des Tarifvertrags enthält schon keine Vermögenspflichten,80 was aber ungeschriebene Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 103 ff. InsO ist.81 Des Weiteren sind die sich aus dem schuldrechtlichen Teil des Tarifvertrags für die Tarifvertragsparteien ergebenden Pflichten nicht synallagmatisch verknüpft.82 Sie dienen in erster Linie der effektiven Umsetzung der Tarifnormen.83 Würde die Gewerkschaft etwa die Friedenspflicht nur einhalten, wenn der Arbeitgeber oder der Arbeitgeberverband auch die Durchführungspflicht befolgt, würde das letztlich die Funktion des Tarifvertrags als solche gefährden.84 Im Interesse der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie sollten die Tarifvertragsparteien die Erfüllung der schuldrechtlichen Pflichten nicht verweigern dürfen, obgleich eine Tarifvertragspartei ihre Leistungspflicht nicht erfüllt.85 Ebenso wenig stehen die Leistungspflichten aus dem normativen Teil des Tarifvertrags, welche die Masse erheblich belasten können,86 in einem Gegenseitigkeits- oder Austauschverhältnis.87 Obschon wirtschaftlich gesehen die Standortga76 Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 103 Rn. 6 und 62; Cymutta/Hess, in: KK-InsO, § 103 Rn. 2; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 103 Rn. 3; Tintelnot, in: KPB, InsO, § 103 Rn. 11 ff. jeweils m. w. N. 77 Fehl-Weileder, in: Braun, InsO, § 103 Rn. 2; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 103 Rn. 3; Tintelnot, in: KPB, InsO, § 103 Rn. 5 jeweils m. w. N. 78 So Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 103 Rn. 62 und 99 f.; Tintelnot, in: KPB, InsO, § 103 Rn. 22 ff. jeweils m. w. N. auch zur Gegenmeinung. 79 LAG, München Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708 Rn. 19; Wegener, in: Uhlenbruck, InsO, § 103 Rn. 54; Wegener, in: FK-InsO, § 103 Rn. 64; Huber, in: MüKo InsO, § 103 Rn. 96; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 149; Tintelnot, in: KPB, InsO, § 103 Rn. 127; Gossak, in: BeckOK InsO, § 120 Rn. 1. 80 § 1 D. I. 3. 81 Jacoby, in: Jaeger, vor § 103 – 109 Rn. 47 m. w. N. 82 A. A. LAG, München Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708 Rn. 19. 83 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1432; Klumpp, in: MüHdbArbR, § 259 Rn. 16; a. A. Ahrendt, in: NK-TVG, § 1 Rn. 1207. 84 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1432; Klumpp, in: MüHdbArbR, § 259 Rn. 16. 85 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1432; Klumpp, in: MüHdbArbR, § 259 Rn. 16. 86 Vgl. dazu § 1 D. I. 1. 87 Vgl. dazu Emmerich, in: MüKo BGB, § 320 Rn. 33 und 36.

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rantie und der Lohnverzicht in einem Austauschverhältnis stehen, sind die durch die Tarifnormen Verpflichteten – zumindest auf Arbeitnehmerseite – nicht identisch mit der Vertragspartei. Sieht man über die fehlende Identität hinweg, bedingen sich die für die Normadressaten begründeten Leistungspflichten nicht derart, dass die Arbeitnehmer die ihnen obliegende Leistungspflicht (längere Arbeitszeit) verweigern können, bis der Arbeitgeber zum Beispiel Investitionszusagen einhält. Selbst wenn ein rein wirtschaftlicher Zusammenhang für die Anwendung des § 103 InsO ausreichen würde, hätte der Insolvenzverwalter aber kein Erfüllungswahlrecht für Tarifverträge. Der genannte wirtschaftliche Zusammenhang ergibt sich nämlich letztlich aus dem Leistungsaustausch der Normunterworfenen. Die normunterworfenen Arbeitsvertragsparteien sind für die Durchsetzung ihrer Rechte verantwortlich.88 Der Arbeitgeber muss sicherstellen, dass er Investitionszusagen erhält, die Arbeitnehmer (und nicht die Gewerkschaft) müssen länger arbeiten. Für das durch die Tarifnormen geregelte Arbeitsverhältnis legt § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO allerdings fest, dass der Insolvenzverwalter kein Wahlrecht haben soll, das Arbeitsverhältnis vielmehr nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Wirkung für die Insolvenzmasse fortbesteht. Es wäre daher widersprüchlich, § 103 InsO auf den Tarifvertrag anzuwenden, das Austauschverhältnis aber letztlich mit dem Arbeitsverhältnis zu begründen. 3. Zwischenergebnis Dem Insolvenzverwalter steht kein Erfüllungswahlrecht für Tarifverträge zu. Er kann daher nicht wählen, ob die Pflichten aus dem Tarifvertrag erfüllt werden sollen oder nicht. Vielmehr besteht der Tarifvertrag nach Insolvenzverfahrenseröffnung zunächst fort.89

II. Kündigung des Firmentarifvertrags durch den Insolvenzverwalter Der Insolvenzverwalter kann den Firmentarifvertrag in der Insolvenz allerdings nach den allgemeinen Regeln ordentlich (1.) oder außerordentlich (2.) kündigen. Darauf wird im Folgenden näher eingegangen.

88 89

Klumpp, in: MüHdbArbR, § 255 Rn. 1 ff. Vgl. bereits § 1 D. II.

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1. Ordentliche Kündigung des Firmentarifvertrags a) Voraussetzungen und Rechtsfolge Der Insolvenzverwalter kann den Firmentarifvertrag auch in der Insolvenz ohne Kündigungsgrund ordentlich kündigen.90 Das TVG bestimmt keine Voraussetzungen oder Rahmenbedingungen einer ordentlichen Kündigung von Tarifverträgen.91 Die Tarifvertragsparteien können daher frei vereinbaren, ob der Tarifvertrag ordentlich kündbar sein soll und welche Kündigungsfristen einzuhalten sind.92 Für befristete Tarifverträge müssen die Parteien die Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung ausdrücklich im Tarifvertrag vorsehen.93 Anderenfalls ist davon auszugehen, dass sich die Tarifvertragsparteien für eine feste Laufzeit binden wollen.94 Haben die Parteien keine Kündigungsfrist bestimmt, kann der Insolvenzverwalter den Tarifvertrag nicht jederzeit kündigen.95 Vielmehr soll die Kündigungsfrist für den Tarifvertrag mangels anderweitiger Regelung in entsprechender Anwendung des § 77 Abs. 5 BetrVG und des § 28 Abs. 2 Satz 4 SprAuG drei Monate betragen.96 Des Weiteren bedarf die Kündigung nach der herrschenden Meinung aufgrund eines Umkehrschlusses zu § 1 Abs. 2 TVG keiner Schriftform (§ 126 BGB).97 Allerdings ist den Tarifvertragsparteien in Bezug auf etwaige Beweisfragen zu empfehlen, die Schriftform einzuhalten, wenn der Tarifvertrag dies nicht ohnehin vorsieht.98

90 Vgl. Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 149; Caspers, in: MüKo InsO, vor § 113 – 128 Rn. 13; vgl. allgemein zur ordentlichen Kündigung etwa Oetker, in: JKOS, TVG, § 8 Rn. 1; Frieling, in: NK-GA, TVG, § 1 Rn. 39. 91 Oetker, in: JKOS, TVG, § 8 Rn. 10; Oetker, RdA 1995, 82 (88 ff.). 92 Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 32; Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 25; Frieling, in: NK-GA, TVG, § 1 Rn. 39. 93 Oetker, RdA 1995, 82 (92); Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1589. 94 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1589. 95 So die Überlegung des BAG, Urteil vom 10. 11. 1982 – 4 AZR 1203/79 – AP TVG § 1 Form Nr. 8.; vgl. dazu Oetker, RdA 1995, 82 (91 f.). 96 So die h. M.: Oetker, RdA 1995, 82 (91 f.); Oetker, in: JKOS, TVG, § 8 Rn. 14; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 178; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 119; Frieling, in: NK-GA, TVG, § 1 Rn. 41; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 24; Wank, in: FS Schaub (1998), S. 761 (764); Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 25; Bepler, in: HMB, TVG, Teil 3 Rn. 212; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1591; LAG Hessen, Urteil vom 30. 12. 2010 – 3 Sa 894/10 – juris Rn. 82; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen – Urteil vom 25. 10. 2012 – juris Rn. 58; dahin tendierend: BAG, Urteil vom 10. 11. 1982 – 4 AZR 1203/79 – AP TVG § 1 Form Nr. 8; BAG, Urteil vom 18. 6. 1997 – 4 AZR 710/95 – NZA 1997, 1234 (1238). 97 BAG, Urteil vom – NZA 2016, 1543 Rn. 35; Wank, in: Wiedmann, TVG, § 4 Rn. 23; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 32; Oetker, RdA 1995, 82 (99 f.); Oetker, in: JKOS, TVG, § 8 Rn. 10 jeweils m. w. N.; a. A. etwa Bepler, in: HMB, TVG, Teil 3 Rn. 213; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 122; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1656 jeweils m. w. N. 98 Mückl/Krings, BB 2012, 769; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 122.

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Infolge der Kündigung des Tarifvertrags gelten seine Tarifnormen weiter,99 bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden (§ 4 Abs. 5 TVG). Die Rechtsnormen wirken unmittelbar, aber nicht mehr zwingend.100 Die schuldrechtlichen Pflichten wirken – wegen des eindeutigen Wortlauts des § 4 Abs. 5 TVG – nicht nach, sodass auch die Friedenspflicht nicht mehr gilt.101 Als andere Abmachungen kommen insbesondere Tarifverträge und Arbeitsverträge in Betracht.102 Für Betriebsvereinbarungen ist auch im Nachwirkungszeitraum § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG zu berücksichtigen.103 Demnach können Arbeitsentgelte und Arbeitsbedingungen, die durch Tarifvertrag geregelt sind oder üblicherweise geregelt werden, nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein. Die Regelungssperre gilt im Nachwirkungszeitraum aber nur, solange ein Nachfolgetarifvertrag noch als „übliche“ Erwartung angesehen werden kann.104 b) Keine analoge Anwendung des § 120 Abs. 1 Satz 2 InsO auf Firmentarifverträge Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 InsO kann eine Betriebsvereinbarung auch dann mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden, wenn eine längere Frist vereinbart ist. Man könnte erwägen, § 120 Abs. 1 Satz 2 InsO – ebenso wie § 77 Abs. 5 BetrVG –, analog auf Firmentarifverträge anzuwenden. Während die dreimonatige Kündigungsfrist des § 77 Abs. 5 BetrVG nur einschlägig ist, soweit die Betriebsparteien keine Vereinbarung über die Kündigungsfrist getroffen haben, soll § 120 Abs. 1 Satz 2 InsO gerade dann gelten, wenn die Betriebsparteien in der Betriebsvereinbarung eine längere Kündigungsfrist festgelegt haben. Begründet wird das mit der Notwendigkeit der Masseentlastung im Insolvenzverfahren.105 Im Gegensatz zur analogen Anwendung des § 77 Abs. 5 BetrVG auf Tarifverträge, lehnt die herrschende Meinung die analoge Anwendung des § 120 Abs. 1 Satz 2 InsO auf Tarifverträge allerdings ab.106 Es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke und an einer 99

So die h. M.: Bepler, in: NK-GA, TVG, § 4 Rn. 201; Höpfner, in: HMB, TVG, Teil 9 Rn. 39; Henssler, in: HWK, TVG, § 4 Rn. 7; Schumann, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 301; Bepler, in: NK-TVG, § 4 Rn. 940 jeweils m. w. N. 100 Höpfner, in: HMB, TVG, Teil 9 Rn. 39; Oetker, in: JKOS, TVG, § 8 Rn. 45 f. 101 BAG, Urteil vom 21. 1. 2011 – 4 AZR 159/09 – NZA 2011, 809 Rn. 20; Oetker, in: JKOS, TVG, § 8 Rn. 40; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 55; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 773. 102 Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 64; Henssler, in: HWK, TVG, § 4 Rn. 11; Höpfner, in: HMB, TVG, Teil 9 Rn. 45 ff.; vgl. i. E. § 3 C. I. 103 Vgl. etwa Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 847; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 62; Oetker, in: JKOS, TVG, § 8 Rn. 55. 104 Vgl. etwa Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 847; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 62; Oetker, in: JKOS, TVG, § 8 Rn. 55. 105 Zum Normzweck des § 120 InsO: BT-Drs. 12/2443, S. 153. 106 Oetker/Friese, DZWIR 2000, 397 (401); Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1689; Schöne, in: Göpfert/Schöne, Handbuch Arbeitsrecht in Restrukturierung und Insolvenz, S. 314 f.;

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vergleichbaren Interessenlage.107 Darauf soll im Folgenden kritisch eingegangen werden. Dabei muss auch überprüft werden, ob ein Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG gerechtfertigt werden kann, weil durch Gesetz die tarifvertraglich vereinbarte längere Kündigungsfrist für den Tarifvertrag auf drei Monate verkürzt würde.108 aa) Vergleichbare Interessenlage in Bezug auf die Massebelastung und Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 GG Die Interessenlage zwischen Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen ist zunächst in Bezug auf die Massebelastung vergleichbar. Ebenso wie Betriebsvereinbarungen können Tarifverträge für die Masse belastende Verbindlichkeiten enthalten.109 Da der Firmentarifvertrag wie die Betriebsvereinbarung auf betriebsspezifische Besonderheiten abgestimmt ist, kann man auch für den Tarifvertrag annehmen, dass seine wirtschaftliche Grundlage in der Insolvenz in Frage steht.110 Mit dem Argument der Massebelastung ist der Eingriff in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG zu rechtfertigen, weil die verkürzte Kündigungsfrist für den Tarifvertrag weitere Masseschulden zulasten der anderen – durch Art. 14 Abs. 1 GG – geschützten Gläubiger vermeiden und dadurch eine Sanierung fördern könnte.111 So hat das BAG jedenfalls den Eingriff in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG durch § 113 InsO gerechtfertigt, sofern dieser den tariflichen Sonderkündigungsschutz für Arbeitsverhältnisse im Insolvenzfall verdrängt.112 § 113 InsO bewirkt die vorzeitige Beendigung von Arbeitsverhältnissen, der Tarifvertrag bleibt aber bestehen. Dagegen würde die Anwendung des § 120 InsO auf Tarifverträge zu einem vorzeitigen Ende von Tarifverträgen selbst führen. Man könnte daher argumentieren, dass es sich bei der Anwendung des § 120 InsO auf Tarifverträge um einen – im Vergleich zu § 113 InsO – intensiveren Eingriff in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG handelt und der Eingriff deshalb nicht mit den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen der übrigen Gläubiger gerechtfertigt werden kann. Andererseits endet mit einer (frühzeitigen) Kündigung des Tarifvertrags auch die Friedenspflicht, sodass die Gewerkschaft – gegebenenfalls durch Arbeitskampf – berechtigt ist, neue tarifliche Arbeitsbedingungen durchzusetzen. Aus diesem Grund ist der Eingriff in Art. 9 GG als weniger intensiv einzuordnen, Giesen, in: Jaeger, InsO, § 120 Rn. 17; Lakies, RdA 1997, 145 (148); Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 13; Rieble, NZA 2000, 225 (227); a. A. Mückl/Krings, BB 2012, 769 (770). 107 Schöne, in: Göpfert/Schöne, Handbuch Arbeitsrecht in Restrukturierung und Insolvenz, S. 314 f.; Giesen, in: Jaeger, InsO, § 120 Rn. 17; Lakies, RdA 1997, 145 (148). 108 Vgl. zur Überprüfung anhand des Art. 9 Abs. 3 GG Mückl/Krings, BB 2012, 769 (770). 109 So auch Mückl/Krings, BB 2012, 769 (770); § 1 D. I. 1. 110 So die Begründung zu § 120 InsO: BT-Drs. 12/2443, S. 153; vgl. auch Oetker/Friese, DZWIR 2000, 397 (401); so auch Mückl/Krings, BB 2012, 769 (770). 111 Mückl/Krings, BB 2012, 769 (770); Mückl, in: Arbeitsrecht in der Umstrukturierung, Teil 6 Rn. 90 f.; vgl. auch BAG, Urteil vom 16. 5. 2019 – 6 AZR 329/18 – NZA 2019, 1198 Rn. 24 ff. 112 Vgl. BAG, Urteil vom 16. 5. 2019 – 6 AZR 329/18 – NZA 2019, 1198 Rn. 24 ff.

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sodass er mit der Masseentlastung zugunsten der übrigen Gläubiger gerechtfertigt werden könnte.113 bb) Vergleichbarkeit des Tarifvertrags mit betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsinstrumenten? Im Gegensatz zu § 113 Abs. 1 InsO, dessen Wortlaut offen formuliert ist,114 beschränken sich die §§ 120 ff. InsO – wie auch der § § 77 Abs. 5 BetrVG – auf Betriebsvereinbarungen bzw. betriebsverfassungsrechtliche Regelungsinstrumente.115 Während also tarifvertraglich vereinbarte Kündigungsvorschriften für Arbeitsverträge unter den Wortlaut des § 113 InsO subsumiert werden können, müssen für die Anwendung des § 120 InsO die Tarifverträge zusätzlich mit den betriebsverfassungsrechtlichen Regelungsinstrumenten vergleichbar sein. Für § 77 Abs. 5 BetrVG wird die Interessenlage aufgrund der normähnlichen Wirkung und dem möglichen Inhalt für Betriebsvereinbarungen und Firmentarifverträgen für vergleichbar gehalten.116 Das ist keinesfalls zwingend, beruht doch die Normwirkung des Tarifvertrags im Gegensatz zur Normwirkung der Betriebsvereinbarung auf der freiwilligen Mitgliedschaft.117 Des Weiteren sind Teilkündigungen von Tarifverträgen im Vergleich zu Betriebsvereinbarungen grundsätzlich unzulässig.118 Andererseits entfalten Tarifnormen ebenso wie Betriebsvereinbarungen unabhängig vom Willen des einzelnen Arbeitnehmers gesetzesgleiche Wirkung auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses und wirken nach Ablauf nach (§ 77 Abs. 6 BetrVG).119 Eine anderweitige einzelvertragliche Regelung kann nicht getroffen werden,120 es sei denn sie ist für den Arbeitnehmer günstiger.121 Außerdem kann der Regelungsinhalt von Betriebsvereinbarungen und von Tarifverträgen zumindest grundsätzlich ver113 So auch Mückl/Krings, BB 2012, 769 (770); Mückl, in: Arbeitsrecht in der Umstrukturierung, Teil 6 Rn. 91. 114 Der Tarifvertrag kann als „Vereinbarung“ i. S. d. § 113 Abs. 1 InsO eingeordnet werden, vgl. Giesen, in: Jaeger, InsO, § 113 Rn. 91; vgl. auch § 1 D. I. 1. a). 115 Vgl. Oetker/Friese, DZWIR 2000, 397 (401). 116 So ausdrücklich: Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 178; Oetker, RdA 1995, 82 (91 f.). 117 Zum Vergleich von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen in anderem Zusammenhang: vgl. etwa Rieble, RdA 1996, 151 (152); BAG, Urteil vom 15. 4. 2008 – 1 AZR 86/ 07 – NZA 2008, 1074 Rn. 20. 118 BAG, Urteil vom 15. 4. 2008 – 1 AZR 86/07 – NZA 2008, 1074 Rn. 20 mit der Auflistung weiterer Unterschiede; zur Teilkündigung von Tarifverträgen vgl. § 3 B. II. 1. c). 119 Richardi/Picker, in: Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 148; Kania, in: ErfK, BetrVG, § 77 Rn. 5; Werner, in: BeckOK ArbR, BetrVG, § 77 Rn. 11. 120 Vgl. Richardi/Picker, in: Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 152. 121 Zur Geltung des Günstigkeitsprinzips trotz fehlender Regelung im BetrVG vgl. etwa BAG, Urteil vom 19. 7. 2016 – 3 AZR 134/15 – NZA 2016, 1475 Rn. 44; BAG, Urteil vom 5. 3. 2013 – 1 AZR 417/12 – NZA 2013, 916 Rn. 55; BAG, Beschluss vom 16. 9. 1986 – GS 1/ 82 – NZA 1987, 168 (172 f.); Richardi/Picker, in: Richardi, BetrVG, § 77 Rn. 155 ff. jeweils m. w. N.

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gleichbar sein. Unter Berücksichtigung des § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG und sofern der Betriebsrat funktionell zuständig ist, können Betriebsvereinbarungen – ebenso wie Tarifverträge – Bestimmungen über den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen, sowie über betriebliche und betriebsverfassungsrechtliche Fragen enthalten.122 Wenn die herrschende Meinung aus den vorgenannten Erwägungen § 77 Abs. 5 BetrVG auf Tarifverträge entsprechend anwenden will, ist nicht nachvollziehbar, warum in Bezug auf die vergleichbare Interessenlage für § 120 Abs. 1 Satz 2 InsO etwas anderes gelten soll.123 cc) Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke Es fehlt allerdings an einer planwidrigen Regelungslücke für die analoge Anwendung des § 120 InsO. In der InsO findet sich keine ausdrückliche Regelung zu den Auswirkungen des Insolvenzverfahrens auf Tarifverträge. Die Begründung zum Entwurf der InsO124 enthält nur eine Stellungnahme dazu, ob tarifvertragliche Kündigungsfristen unter § 113 Abs. 1 InsO subsumiert werden könnten.125 In dem Bewusstsein, dass die Rechtsprechung des BAG die Frage schon vor Einführung der Insolvenzordnung bejahte, ließ der Gesetzgeber von einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ab.126 Vor dem Hintergrund, dass die Regelung tarifrechtlicher Fragen ausdrücklich in Erwägung gezogen, von ihr im Ergebnis aber abgesehen wurde und die InsO im Übrigen umfangreiche Regelungen zu Arbeitsverträgen und Betriebsvereinbarungen enthält, ist nicht davon auszugehen, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt.127 Vielmehr scheint der Gesetzgeber nicht in das Tarifrecht eingreifen zu wollen. Das zeigt sich auch daran, dass in der Rechtswissenschaft geforderte gesetzliche Öffnungsklauseln für Unternehmenskrisen oder andere Vorschläge zur Lockerung der Tarifbindung für Arbeitgeber in der Krise nicht umgesetzt wurden.128 Die Träger der Tarifautonomie sollen die Tarifverträge in der Insolvenz vielmehr selbst anpassen, etwa durch den Abschluss von Sanierungstarifverträgen.129 122

Werner, in: BeckOK ArbR, BetrVG, § 77 Rn. 35. So aber Oetker/Friese, DZWIR 2000, 397 (401); vgl. dazu auch Giesen, in: Jaeger, InsO, § 120 Rn. 17. 124 Auch Gesetzesmaterialien können einen Schluss auf den Willen des Gesetzgebers zulassen: vgl. Frieling, Gesetzesmaterialien und Wille des Gesetzgebers, S. 131 ff. 125 Die Frage war schon im Rahmen der Konkursordnung umstritten. Die arbeitsrechtliche Literatur forderte eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, dazu: Löwisch, ZIP 1981, 1283 (1292); Thesen der IG Metall zur arbeitsrechtlichen Seite der Neuordnung des Insolvenzrechts, abgedruckt in ZIP 1981, A 75 (113). Gegen die Subsumtion tarifvertraglicher Kündigungsfristen und Kündigungsausschlüssen vgl. etwa Kania/Kramer RdA 1995, 287 (297 f.). 126 BT-Drs. 12/2443, S. 148. 127 So auch Schöne, in: Göpfert/Schöne, Handbuch Arbeitsrecht in Restrukturierung und Insolvenz, S. 314 Rn. 33; a. A. Mückl/Krings, BB 2012, 769 (770); Mückl, in: Arbeitsrecht in der Umstrukturierung, Teil 6 Rn. 89. 128 Vgl. dazu bereits § 1 D. IV.; vgl. auch Rieble, NZA 2000, 225 (227). 129 Vgl. bereits oben § 1 D. IV.; ausführlich dazu unter § 3 C. II. 123

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dd) Zwischenergebnis § 120 Abs. 1 Satz 2 InsO ist nicht analog auf Tarifverträge anwendbar. Auch wenn die Interessenlage vor allem hinsichtlich der Massebelastung durch Tarifverträge vergleichbar ist, fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke. Es gilt daher die im Tarifvertrag vorgesehene Kündigungsfrist. Enthält der Tarifvertrag hierzu keine Regelung, beträgt die Kündigungsfrist in entsprechender Anwendung des § 77 Abs. 5 BetrVG drei Monate. c) Keine Teilkündigung von Tarifverträgen Im Gegensatz zu Betriebsvereinbarungen können Tarifverträge nur teilweise gekündigt werden, wenn die Tarifvertragsparteien eine Teilkündigung im Tarifvertrag zulassen und ausdrücklich hervorgeht, auf welche konkreten Bestimmungen oder Teile des Tarifvertrags sich die Teilkündigung beziehen soll.130 Zwar könnte man – wie bei Betriebsvereinbarungen – vertreten, dass eine Teilkündigung möglich sei, sofern die betreffende Tarifbestimmung Teil eines separaten Tarifvertrags sein könnte.131 Das widerspricht allerdings dem sich aus der wechselseitigen Verhandlungsstärke und Kampfkraft ergebenden Gesamtkompromiss eines Tarifvertrags.132 Tarifverträge haben in der Regel Kompromisscharakter und sind gerade Ausdruck des gegenseitigen Nachgebens.133 Somit kann der Tarifvertrag nur teilgekündigt werden, wenn die Tarifvertragsparteien dies im Tarifvertrag ausdrücklich zulassen. 2. Außerordentliche Kündigung des Firmentarifvertrags Im Folgenden ist zu überprüfen, ob und unter welchen Voraussetzungen der Insolvenzverwalter den Firmentarifvertrag außerordentlich kündigen kann. Es wird insbesondere darauf eingegangen, welche Voraussetzungen bei Insolvenz des Arbeitgebers vorliegen müssen, damit das Festhalten am Tarifvertrag unzumutbar für ihn wird.

130 Vgl. nur BAG, Urteil vom 3. 5. 2006 – 4 AZR 795/05 – NZA 2006, 1125 (1126 f.); BAG, Urteil vom 16. 8. 1990 – 8 AZR 439/89 – NZA 1991, 353; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1594; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 188; Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 25; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 32; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 26; Frieling, in: NK-GA, TVG, § 1 Rn. 42; Bepler, in: HMB, TVG, Teil 3 Rn. 208; Heilmann, in: BKS, TVG; § 1 Rn. 89. 131 Zur Differenzierung zwischen Betriebsvereinbarung und Tarifvertrag in Bezug auf eine Teilkündigung vgl. BAG, Urteil vom 6. 11. 2007 – 1 AZR 826/06 – NZA 2008, 422 Rn. 31 f. 132 BAG, Urteil vom 3. 5. 2006 – 4 AZR 795/05 – NZA 2006, 1125 Rn. 20; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1593; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 189, 169; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 38; Oetker, in: JKOS, TVG, § 8 Rn. 15; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1593 ff.; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 188 jeweils m. w. N. 133 BAG, Urteil vom 6. 11. 2007 – 1 AZR 826/06 – NZA 2008, 422 Rn. 31 f.

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a) Rechtsgrundlage aa) § 314 BGB analog Tarifverträge können als Dauerrechtsverhältnisse außerordentlich gekündigt werden, selbst wenn eine ausdrückliche Regelung fehlt. Das folgt aus § 314 BGB, obschon der Tatbestand nur auf Dauerschuldverhältnisse Bezug nimmt.134 Es gilt der Grundsatz, dass jedes Dauerrechtsverhältnis ohne gesetzliche oder vertragliche Grundlage vorzeitig aus wichtigem Grund beendet werden kann.135 Die Tarifvertragsparteien müssen also kein außerordentliches Tarifkündigungsrecht vereinbaren.136 Auch ein befristeter Tarifvertrag ist gemäß § 314 BGB analog außerordentlich kündbar.137 Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (§ 314 Abs. 1 Satz 2 BGB). bb) Verhältnis zu § 313 BGB Ob und unter welchen Voraussetzungen eine außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) in Betracht kommt, ist umstritten.138 (1) Primär Vertragsanpassungsanspruch Im Unterschied zu § 314 BGB, normiert § 313 Abs. 1 BGB primär einen Vertragsanpassungsanspruch, der voraussetzt, dass sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, schwerwiegend verändert haben, die Parteien den Vertrag nicht oder mit einem anderen Inhalt geschlossen hätten und einem Teil unter 134 Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 33; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1603; Deinert/ Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 132; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 180 jeweils m. w. N. Vor der Schuldrechtsmodernisierung leitete das BAG die Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung eines Tarifvertrags aus § 626 BGB ab: vgl. nur BAG, Urteil vom 18. 12. 1996 – 4 AZR 129/96 – AP TVG § 1 Kündigung Nr. 1; BAG, Urteil vom 18. 6. 1997 – 4 AZR 710/95 – NZA 1997, 1234 (1236); BAG, Urteil vom 18. 12. 1996 – 4 AZR 129/96 – NZA 1997, 830 (833). 135 BAG, Urteil vom 18. 12. 1996 – 4 AZR 129/96 – NZA 1997, 830 (833); BAG, Urteil vom 18. 2. 1998 – 4 AZR 363/96, NZA 1998, 1008 (1009). 136 BAG, Urteil vom 27. 2. 2013 – 4 AZR 78/11 – NZA 2013, 1026 Rn. 18; Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (314) m. w. N. 137 Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 28 m. w. N. 138 Vgl. nur Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 35; Henssler, ZfA 1994, 487 (493 f.); Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 36; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4, Rn. 183 ff.; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4, Rn. 68 ff. m. w. N.; Oetker, RdA 1995, 82 (96 f.) m. w. N. v. a. in Fn. 220; offengelassen durch BAG, Urteil vom 18. 6. 1997 – 4 AZR 710/95 – NZA 1997, 1234 (1236); BAG, Urteil vom 18. 12. 1996 – 4 AZR 129/96 – NZA 1997, 830 (833).

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Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. Nur wenn eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist, kann der benachteiligte Teil das Dauerschuldverhältnis gemäß § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB i. V. m. § 314 BGB kündigen. (2) Keine Anwendung des § 313 BGB auf Tarifverträge (a) Keine sachlichen Unterschiede zu § 314 BGB Nach herrschender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung kommt die Rechtsfolge der Vertragsanpassung für Tarifverträge allerdings nicht in Betracht. Sonst könnten die Gerichte den Inhalt des Tarifvertrags durch eine Anpassung gestalten, was gegen Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG verstoßen würde.139 Auf Tatbestandsseite lassen sich keine sachlichen Unterschiede zwischen außerordentlicher Kündigung und Störung der Geschäftsgrundlage erkennen, sodass für ein Kündigungsrecht aus § 313 Abs. 3 Satz 2 BGB i. V. m. § 314 BGB kein Bedarf besteht.140 Dass der Insolvenzverwalter zunächst die Vertragsanpassung versuchen muss, bevor er den Tarifvertrag außerordentlich kündigen kann, ergibt sich bereits daraus, dass die die außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags insbesondere vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich geschützten Tarifautonomie nur ultima ratio sein kann.141 Der ultima-ratio-Grundsatz prägt die außerordentliche Kündigung von Dauerrechtsverhältnissen.142 Die außerordentliche Kündigung eines (Tarif-)Vertrags ist daher nur wirksam, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, um die Unzumutbarkeit zu beseitigen.143 Auch ohne eine Nachverhandlungsklausel im

139 BAG, Urteil vom 16. 1. 2013 – 5 AZR 266/12 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Metallindustrie Nr. 225; LAG, Hessen Urteil vom 16. 5. 2014 – 14 Sa 937/13 – BeckRS 2014, 72012; Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 41; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1614; Deinert/ Wenckebach, in: NK-TVG, § 4, Rn. 180; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 75; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 36; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 194; a. A. Hey, ZfA 2002, 275 (291 f.); Belling/Hartmann, ZfA 1997, 87 (103 f., 120 ff.). 140 Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4, Rn. 183 ff.; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4, Rn. 68 ff. m. w. N.; Oetker, RdA 1995, 82 (96 f.) m. w. N. v. a. in Fn. 220; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 36; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 194; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1614. 141 BAG, Urteil vom 24. 1. 2001 – 4 AZR 655/99 – NZA 2001, 788 (791); BAG, Urteil vom 18. 12. 1996 – 4 AZR 129/96 – NZA 1997, 830 (834); BAG, Urteil vom 18. 6. 1997 – 4 AZR 710/95 – NZA 1997, 1234 (1236); Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 36; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1615; Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 32; Löwisch, NJW 1997, 905 (908). 142 Vgl. nur BAG, Urteil vom 18. 12. 1996 – 4 AZR 129/96 – NZA 1997, 830. 143 BAG, Urteil vom 24. 1. 2001 – 4 AZR 655/99 – NZA 2001, 788 (791); BAG, Urteil vom 18. 12. 1996 – 4 AZR 129/96 – NZA 1997, 830 (834); BAG, Urteil vom 18. 6. 1997 – 4 AZR 710/95 – NZA 1997, 1234 (1236); Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 36; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1615; Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 32; Löwisch, NJW 1997, 905 (908).

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Tarifvertrag, trifft die unzumutbar belastete Partei daher die Obliegenheit, mit der anderen Seite Verhandlungen zur Anpassung des Tarifvertrags aufzunehmen.144 (b) Anforderungen an die Nachverhandlung Das BAG geht nicht auf die Anforderungen an eine Nachverhandlung ein. Es könnte insofern jedes Gesprächsangebot durch den Insolvenzverwalter zur Tarifvertragsanpassung ausreichen. In der Literatur wird allerdings die Ansicht vertreten, dass die kündigende Partei nicht nur die Obliegenheit treffe, nachzuverhandeln, sondern die außerordentliche Änderungskündigung des Tarifvertrags das mildere Mittel zur außerordentlichen Beendigungskündigung des Tarifvertrags sei.145 Im Rahmen der Kündigung von Arbeitsverhältnissen ist die Änderungskündigung als milderes Mittel zur Beendigungskündigung anerkannt.146 Die Änderungskündigung von Arbeitsverhältnissen setzt ein Änderungsangebot i. S. v. § 145 BGB voraus.147 Das Änderungsangebot muss daher hinreichend konkretisiert und aus Sicht des Arbeitnehmers eindeutig sein.148 Der Tarifvertag ist allerdings ein sich aus der wechselseitigen Verhandlungsstärke und Kampfkraft ergebenden Gesamtkompromiss.149 Deshalb darf ein vollständig ausgearbeitetes Änderungsangebot im Rahmen der Änderungskündigung des Tarifvertrags einerseits nicht erwartet werden.150 Andererseits sollte die kündigende Tarifvertragspartei auch bereit sein, sich auf Gegenvorschläge einzulassen, um einen Gesamtkompromiss zu erzielen. Die kündigende Tarifvertragspartei muss also die Umstände darlegen, auf die sie die Kündigung stützt, die Zielrichtung beschreiben, in welche der Änderungsvorschlag gehen soll und einen Versuch der Nachverhandlung unternehmen.151 Lässt sich die Gewerkschaft nicht auf Nachverhandlungen ein, kann der Insolvenzverwalter den Tarifvertrag außerordentlich kündigen, sofern die weiteren Voraussetzungen für die außerordentliche Kündigung vorliegen. Auf diese wird im Folgenden eingegangen. 144 BAG, Urteil vom 24. 1. 2001 – 4 AZR 655/99 – NZA 2001, 788 (791); BAG, Urteil vom 18. 12. 1996 – 4 AZR 129/96 – NZA 1997, 830; BAG, Urteil vom 18. 6. 1997 – 4 AZR 710/ 95 – NZA 1997, 1234 (1236); Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 36; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1615; Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 32. 145 Vgl. nur Oetker, RdA 1995, 85 (95 f.); Wank, in: FS Schaub (1998), S. 761 (780); Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 40; Kast/Freihube, BB 2003, 956 (959); Löwisch, NJW 1997, 905 (908); Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 160. 146 BAG, Urteil vom 21. 4. 2005 – 2 AZR 132/04 – NZA 2005, 1289 (1292); Niemann, in: ErfK, BGB, § 626 Rn. 27; Stoffels, in: BeckOK ArbR, BGB, § 626 Rn. 68 m. w. N.; vgl. dazu auch Wank, in: FS Schaub (1998), S. 761 (778); Kast/Freihube, BB 2003, 956 (959). 147 Vgl. Hergenröder, in: MüKo BGB, KSchG, § 2 Rn. 12 m. w. N. 148 Vgl. Hergenröder, in: MüKo BGB, KSchG, § 2 Rn. 13 m. w. N. 149 Vgl. bereits § 3 B. II. 1. c). 150 Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 40; Löwisch, Anm. zu BAG, Urteil vom 18. 12. 1996 – 4 AZR 129/96 – AP TVG § 1 Kündigung Nr. 1; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG § 4, Rn. 160. 151 So Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 40.

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b) Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse als wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung Damit der Tarifvertrag außerordentlich gekündigt werden kann, muss unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls und der beiderseitigen Interessen ermittelt werden, ob ein wichtiger Grund vorliegt. Inwiefern die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse als wichtiger Grund eingeordnet werden kann, wird im Folgenden näher erläutert.152 aa) Tendenzielle Existenzgefährdung als Anknüpfungspunkt Das BAG hat eine ausdrückliche Stellungnahme zu der Frage, wann wirtschaftliche Belastungen zur außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags berechtigen, vermieden.153 Es hat jedoch ausgeführt, dass für die außerordentliche Kündigung eines Tarifvertrags wegen künftiger wirtschaftlicher Belastung allenfalls dann einen wichtigen Grund gegeben sei, wenn die jeweilige wirtschaftliche Belastung, um deren Beseitigung oder Milderung es dem Kündigenden geht, aufgrund nicht vorhersehbarer Umstände „wenigstens tendenziell auf seiner Seite zu wirtschaftlicher Existenzgefährdung führt“.154 Das Merkmal der Unvorhersehbarkeit ist Teil der Unzumutbarkeit und meint entsprechend den Grundsätzen zum Wegfall der Geschäftsgrundlage die Vorhersehbarkeit der wirtschaftlichen Entwicklung bei Abschluss des Tarifvertrags.155 Die tendenzielle Existenzgefährdung ist daher grundsätzlich geeignet, einen wichtigen Grund zu bilden. Teile der arbeitsrechtlichen Literatur vertreten – unter Anwendung der Grundsätze, die die Rechtsprechung zur ordentlichen Änderungskündigung zur Lohnabsenkung herausgearbeitet hat156 – die Ansicht, dass der Arbeitgeber den Tarifvertrag nur außerordentlich kündigen kann, wenn die Einhaltung des Tarifvertrags den Fortbestand des tarifgebundenen Unternehmens gefährdet oder der Verlust dort bestehender Arbeitsplätze herbeizuführen droht.157 Das soll entsprechend der Rechtsprechung zur Anpassung von Betriebsrenten der Fall sein, wenn es dem 152 Grundsätzlich können wesentliche Veränderungen der Verhältnisse einen Kündigungsgrund begründen, vgl. dazu etwa Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, § 314 Rn. 9. 153 BAG, Urteil vom 18. 2. 1998 – 4 AZR 363/96 – NZA 1998, 1008 (1010); vgl. auch BAG, Urteil vom 18. 12. 1996 – 4 AZR 129/96 – NZA 1997, 830 (834); Frieling, in: NK-GA, § 1 Rn. 44. 154 BAG, Urteil vom 18. 2. 1998 – 4 AZR 363/96 – NZA 1998, 1008 (1010); vgl. auch BAG, Urteil vom 18. 6. 1997 – 4 AZR 710/95 – NZA 1997, 1234 (1236). 155 Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 59. 156 Eine Änderungskündigung, mit der der Arbeitgeber den Abbau tariflich gesicherter Leistungen durchzusetzen versucht, ist wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG, § 134 BGB unwirksam: BAG, Urteil vom 10. 2. 1999 – 2 AZR 422/98 – RdA 2000, 37. 157 Löwisch, NJW 1997, 905 (907); Bauer/Diller, DB 1993, 1085 (1090); Benedikt, Die Kürzung von Tariflöhnen zur Sanierung, S. 67 f.; Henssler, ZfA 1994, 487 (492); Deinert/ Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 152; Heilmann, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 94.

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Unternehmen mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein wird, die tariflichen Arbeitsbedingungen aus dem Wertzuwachs des Unternehmens und dessen Erträgen in der Zeit nach Abschluss des Tarifvertrags zu erfüllen.158 bb) Keine Kündigung aus wichtigem Grund wegen der Insolvenzverfahrenseröffnung Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens setzt voraus, dass ein Eröffnungsgrund gegeben ist (§ 16 InsO). Der Insolvenzschuldner muss daher zumindest drohend zahlungsunfähig sein, wenn er den Eröffnungsantrag stellt (§ 18 InsO). Drohende Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn der Insolvenzschuldner voraussichtlich nicht mehr in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 Satz 1 InsO). Beantragt ein Gläubiger die Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§§ 13, 14 InsO), muss der Insolvenzschuldner sogar zahlungsunfähig, also nicht mehr in der Lage sein, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 1 Satz 2 InsO).159 Die Insolvenzverfahrenseröffnung könnte daher als eine für den insolventen Arbeitgeber existenzgefährdende Situation eingeordnet werden, die den Fortbestand des Unternehmens bedroht. Mit der herrschenden Meinung ist hingegen davon auszugehen, dass die Insolvenzverfahrenseröffnung allein nicht dazu berechtigt, den Tarifvertrag außerordentlich zu kündigen.160 Jedem (Tarif-)Vertrag wohnt das Risiko inne, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ungünstig verändern.161 Die Tarifvertragsparteien müssen dieses Risiko berücksichtigen und etwa angemessene Laufzeiten oder Kündigungsfristen festlegen oder Öffnungsklauseln für den Insolvenzfall vorsehen.162 Geldmangel allein entlastet den (Insolvenz-)Schuldner jedenfalls nicht.163 Hierbei handelt es sich um eine Störung aus dem Risikobereich des Kün-

158 Zur Anwendung der Grundsätze zur Anpassung von Betriebsrenten: Löwisch, NJW 1997, 905 (907); Kast/Freihube, BB 2003, 956 (958); Benedikt, Die Kürzung von Tariflöhnen zur Sanierung, S. 67 f. Zur Rechtsprechung bzgl. der Anpassung von Betriebsrenten: BAG, Urteil vom 23. 4. 1985 – 3 AZR 156/83 – NZA 1985, 496 (498); BAG, Urteil vom 23. 4. 1985 – 3 AZR 548/82 – NZA 1985, 499 (500). 159 Zur Überschuldung einer juristischen Person vgl. § 19 InsO. 160 Vgl. nur Lorenz, in: NK-TVG, § 3, Rn. 93; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4, Rn. 152; Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 54; Plössner, in: BeckOK ArbR, InsO, § 113 Rn. 5; Gaier, in: MüKo, BGB, § 314 Rn. 25. 161 Vgl. Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 181; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 60; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 143; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 34; Bauer/Diller, DB 1993, 1085 (1090); a. A. offenbar Beuthien/Meik, DB 1993, 1518, anders dann aber auf S. 1520 für den Wegfall der Geschäftsgrundlage. 162 Vgl. nur Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1622; Franzen, in: ErfK, TVG, § 1 Rn. 34; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 181; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 143; Belling/Hartmann, NZA 1998, 57 (64 f.); Löwisch, NJW 1997, 905 (907). 163 Vgl. BAG, Urteil vom 20. 10. 2017 – 2 AZR 783/16 (F), NZA 2018, 440 Rn. 41.

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§ 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

digenden, auf die der Kündigungsgegner keinen Einfluss hat.164 Nur wenn die InsO dies ausdrücklich vorsieht, kann die Insolvenzverfahrenseröffnung genutzt werden, um Verträge zu beenden (vgl. etwa § 103 Abs. 1 InsO und §§ 115 bis 117 InsO).165 Im Übrigen führt die Insolvenzverfahrenseröffnung nicht zwingend zur Abwicklung des Insolvenzschuldners. Vielmehr kann der Insolvenzschuldner auch saniert und seine Existenz dadurch gerettet werden.166 Die insolvenzrechtliche und Teile der arbeitsrechtlichen Literatur konkretisieren die vom BAG geforderte tendenzielle wirtschaftliche Existenzgefährdung in der Insolvenz des Arbeitgebers dahingehend, dass bei Festhalten an den tariflichen Arbeitsbedingungen statt einer möglichen Sanierung eine Stilllegung und damit der Verlust der bestehenden Arbeitsplätze drohen muss, damit eine außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags gerechtfertigt ist.167 Unzumutbarkeit soll hingegen nicht vorliegen, wenn der Insolvenzschuldner abgewickelt wird.168 Allein das Interesse der Gläubiger an einer gleichmäßigen Befriedigung begründet keine Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber, den Tarifvertrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortzuführen.169 cc) Stellungnahme und eigene Ansicht Im Folgenden soll dazu Stellung genommen werden, wann der Insolvenzverwalter bei Insolvenz des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags berechtigt ist. Es wird auf die genannten Ansichten kritisch eingegangen und eine Konkretisierung vorgenommen.

164 Vgl. etwa Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, § 314 Rn. 9; Gaier, in: MüKo, BGB, § 314 Rn. 28. 165 § 1 D. II. 166 Vgl. dazu § 1 A. 167 Zwanziger, InsO, Einf., Rn. 138; Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 54; Lorenz, in: NK-TVG, § 3 Rn. 93; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1625; Linck, in: HK-InsO, Vorb. zu § 113 Rn. 74; Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, Vorb. § 113 Rn. 42; Belling/Hartmann, NZA 1998, 57 (64 f.); Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 60 stellt nur auf die wirtschaftliche Existenzgefährdung ab und lehnt in Rn. 39 die Anwendung der Grundsätze zur außerordentlichen Änderungskündigung mangels kollektivrechtlicher Betrachtungsweise ab. 168 Zwanziger, InsO, Einf. Rn. 138; Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 54; i. E. auch Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, Vorb. § 113 Rn. 42; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1625. 169 Zwanziger, InsO, Einf. Rn. 138; Lorenz, in: NK-TVG, § 3 Rn. 93; i. E. auch Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, Vorb. § 113 Rn. 42; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1625.

B. Beendigung des Tarifvertrags durch Insolvenzverwalter o. Arbeitgeberverband

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(1) Berücksichtigung der Grundsätze zur Änderungskündigung von Arbeitsverhältnissen zur Lohnabsenkung Der Tarifvertrag kann – so das BAG – wegen tendenzieller wirtschaftlicher Existenzgefährdung außerordentlich gekündigt werden.170 Das Gericht erklärt allerdings nicht näher, wann eine „tendenzielle wirtschaftliche Existenzgefährdung“ vorliegt. Im Gegensatz dazu hat das BAG im Rahmen seiner Rechtsprechung zur außerordentlichen Änderungskündigung zur Lohnabsenkung konkretere Vorgaben gemacht. In einer existenzbedrohenden Lage könnte der Arbeitgeber auch von seinen grundsätzlich ordentlich unkündbaren Arbeitnehmern einen Sanierungsbeitrag verlangen.171 Dann müsse er allerdings darlegen, dass die Sanierung mit den Eingriffen in die Arbeitsverträge steht und fällt und alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausgeschöpft sind.172 Die Grundsätze, die das BAG zu Änderungskündigungen von Arbeitsverhältnissen mit dem Ziel der Lohnabsenkung entwickelt hat, können zumindest Anhaltspunkte für die außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags geben. Tarifverträge gestalten die Arbeitsbedingungen.173 Bei der außerordentlichen Kündigung von Tarifverträgen und der Änderungskündigung zur Lohnabsenkung soll das Arbeitsverhältnis grundsätzlich bestehen bleiben, der Arbeitgeber hat aber ein berechtigtes Interesse daran, dass die Arbeitsbedingungen angepasst werden.174 Die Grundsätze zur Anpassung von Betriebsrenten gemäß § 16 BetrAVG greifen schon vor Existenzgefährdung, weshalb diese auf die außerordentliche Kündigung von Tarifverträgen nicht anzuwenden sind.175 Dann wäre der Insolvenzverwalter schon bei drohender Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Wie bereits ausgeführt, berechtigt die Insolvenzverfahrenseröffnung allein aber nicht zur außerordentlichen Kündigung.176

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Vgl. bereits § 3 B. II. 2. b) aa). Es ist verfassungsrechtlich geboten, an die Existenzgefährdung anzuknüpfen, vgl. dazu Freihube, Probleme der Tarifbindung in der Unternehmenskrise, S. 158 ff.; Benedikt, Die Kürzung von Tariflöhnen zur Sanierung, S. 139 ff. 171 So das BAG für die außerordentliche Änderungskündigung zur Lohnabsenkung: BAG, Urteil vom 20. 10. 2017 – 2 AZR 783/16 (F), NZA 2018, 440 Rn. 42. 172 BAG, Urteil vom 20. 10. 2017 – 2 AZR 783/16 (F), NZA 2018, 440 Rn. 42; BAG, Urteil vom 1. 3. 2007 – 2 AZR 580/05 – NZA 2007, 1445 Rn. 29; BAG, Beschluss vom 20. 1. 2000 – 2 ABR 40/99 – NZA 2000, 592 (594). 173 Vgl. dazu bereits § 2 A. III. 3. b). 174 So ausdrücklich auch Henssler, ZfA 1994, 487 (492). Zur Anwendung der Grundsätze der ordentlichen Änderungskündigung zur Lohnabsenkung ausdrücklich: Bauer/Diller, DB 1993, 1085 (1090); Löwisch, NJW 1997, 905 (907); Benedikt, Die Kürzung von Tariflöhnen, S. 67 m. w. N.; Kast/Freihube, BB 2003, 956 (959). 175 Benedikt, Die Kürzung von Tariflöhnen zur Sanierung, S. 299 m. w. N. 176 Siehe oben unter § 3 B. II. 2. b) bb).

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§ 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

(2) Sanierung steht und fällt mit außerordentlicher Kündigung des Tarifvertrags Eine wirtschaftliche Existenzgefährdung macht das Festhalten am Tarifvertrag für den insolventen Arbeitgeber jedenfalls unzumutbar, wenn die Sanierung mit der außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags steht und fällt.177 Scheitert die Sanierung, folgt daraus regelmäßig, dass alle oder ein Großteil der Arbeitnehmer des Insolvenzschuldners ihre Arbeitsplätze verlieren.178 Dann kann der Tarifvertrag nicht mehr durchgeführt werden. Nach Abwägung der beidseitigen Interessen, ist das Festhalten am Tarifvertrag in diesem Fall für den Arbeitgeber bis zum Ablauf der Kündigungsfrist in der Regel nicht mehr möglich (§ 314 Abs. 1 Satz 2 BGB). Insofern besteht ein Gleichlauf der Interessen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sodass der Insolvenzverwalter den Tarifvertrag außerordentlich kündigen kann.179 (3) Drohendes Scheitern der Sanierung ohne außerordentliche Kündigung Das BAG fordert für die außerordentliche Kündigung von Tarifverträgen nur tendenziell eine wirtschaftliche Existenzgefährdung.180 Das Abstellen auf eine tendenzielle Existenzgefährdung senkt die Anforderungen an die Unzumutbarkeit herab.181 Zudem werden die Arbeitsbedingungen durch die außerordentliche Kündigung von Tarifverträgen – im Vergleich zur außerordentlichen Änderungskündigung – aufgrund der Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG)182 regelmäßig nicht unmittelbar angepasst.183 Deshalb ist das Festhalten am Tarifvertrag für den Arbeitgeber bereits dann unzumutbar, wenn das Scheitern der Sanierung bei Fortbestand des Tarifvertrags droht.184 Die außerordentliche Kündigung muss also nicht die einzige Möglichkeit sein, dass die Sanierung durchgeführt werden kann, sodass die Sanierung mit der außerordentlichen Kündigung steht und fällt. Der Tarifvertrag kann vielmehr auch dann außerordentlich gekündigt werden, wenn neben der außerordentlichen Kündigung zwar weitere Sanierungsmaßnahmen zur Verfügung stehen, diese aber möglicherweise nicht gleich effektiv sind oder von der außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags abhängig gemacht werden. 177 So das BAG für die außerordentliche Änderungskündigung zur Lohnabsenkung: BAG, Urteil vom 20. 10. 2017 – 2 AZR 783/16 (F), NZA 2018, 440 Rn. 42. 178 So auch Belling/Hartmann, NZA 1998, 57 (64 f.). 179 So auch Belling/Hartmann, NZA 1998, 57 (64 f.). 180 Vgl. dazu § 3 B. II. 2. b) aa). 181 Vgl. Kast/Freihube, BB 2003, 956 (957), der aber davon ausgeht, dass der Umfang der Nachweispflicht dadurch eingeschränkt wird. 182 Die Tarifnormen wirken auch bei Unzumutbarkeit nach: § 3 B. II. 2. d). 183 So rechtfertigt die Literatur die Anwendung der Grundsätze zur ordentlichen Änderungskündigung auf die außerordentliche Kündigung von Tarifverträgen mit einem Schluss a maiore ad minus: Henssler, ZfA 1994, 487 (492); als naheliegend bezeichnend: Kast/Freihube, BB 2003, 956 (957); ohne Erklärung: Bauer/Diller, DB 1993, 1085 (1090); Löwisch, NJW 1997, 905 (907); Benedikt, Die Kürzung von Tariflöhnen, S. 67 m. w. N. 184 So ausdrücklich Zwanziger, InsO, Einf. Rn. 138.

B. Beendigung des Tarifvertrags durch Insolvenzverwalter o. Arbeitgeberverband

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Vor dem Hintergrund, dass das BAG für das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur außerordentlichen Kündigung wenigstens tendenziell die Existenzgefährdung des Arbeitgebers fordert und die Literatur sich einig ist, dass an die außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags besonders strenge Maßstäbe zu legen sind,185 ist das Festhalten für den insolventen Arbeitgeber am Tarifvertrag nicht schon unzumutbar, wenn die fortbestehende Tarifbindung absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft führt,186 ohne dass dadurch der Fortbestand des Betriebs gefährdet würde. Der Abbau von Arbeitsplätzen kann hohe Personalkosten verringern, die Produktivität dadurch steigern und so eine Sanierung ermöglichen.187 Zusammenfassend ist das Festhalten am Tarifvertrag für den Arbeitgeber daher unzumutbar, wenn der Fortbestand des Tarifvertrags die Sanierung und damit den Fortbestand des Betriebs bedroht und die Reduzierung der Belegschaft deshalb absehbar ist. Wird der Insolvenzschuldner hingegen abgewickelt, ist es nicht der Fortbestand des Tarifvertrags, der den Fortbestand des Betriebs bedroht, sondern die Abwicklung. (4) Nachweis durch Sanierungsplan (a) Erforderlichkeit Um das drohende Scheitern der Sanierung nachzuweisen, ist regelmäßig ein Sanierungsplan erforderlich.188 Das BAG hat in den letzten Jahren die Anforderungen an einen Sanierungsplan für die ordentliche Änderungskündigung zur

185 Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 148; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 36 und 61; Henssler, ZfA 1994, 487 (491); Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 181; Heilmann, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 94; vgl. auch Urteil vom 20. 10. 2017 – 2 AZR 783/16 (F), NZA 2018, 440 Rn. 42. 186 Vgl. die ständige Rechtsprechung zur ordentlichen Änderungskündigung von Arbeitsverträgen zur Lohnabsenkung: BAG, Urteil vom 20. 10. 2017 – 2 AZR 783/16 (F), NZA 2018, 440 Rn. 41; BAG, Urteil vom 20. 6. 2013 – 2 AZR 396/12 – NZA 2013, 1409 Rn. 31; BAG, Urteil vom 10. 9. 2009 – 2 AZR 822/07 – NZA 2010, 333 Rn. 25; BAG, Urteil vom 26. 6. 2008 – 2 AZR 139/07 – NZA 2008, 1182 Rn. 22; BAG, Urteil vom 1. 3. 2007 – 2 AZR 580/ 05 – NZA 2007, 1445 Rn. 26 f.; BAG, Urteil vom 1. 7. 1999 – 2 AZR 826/98 – NZA 1999, 1336 (1338). 187 Vgl. die Rechtsprechung zur Anpassung von Betriebsrenten: BAG, Urteil vom 23. 4. 1985 – 3 AZR 156/83 – NZA 1985, 496 (498); BAG, Urteil vom 23. 4. 1985 – 3 AZR 548/82 – NZA 1985, 499 (500). 188 Vgl. die ständige Rechtsprechung zur Erforderlichkeit eines Sanierungsplans für Änderungskündigungen zur Lohnabsenkung: BAG, Urteil vom 20. 10. 2017 – 2 AZR 783/16 (F), NZA 2018, 440 Rn. 41 f.; BAG, Urteil vom 20. 6. 2013 – 2 AZR 396/12 – NZA 2013, 1409 Rn. 31; BAG, Urteil vom 10. 9. 2009 – 2 AZR 822/07 – NZA 2010, 333 Rn. 25; BAG, Urteil vom 26. 6. 2008 – 2 AZR 139/07 – NZA 2008, 1182 Rn. 20; BAG, Urteil vom 1. 7. 1999 – 2 AZR 826/98 – NZA 1999, 1336 (1338). Zu den Details eines Sanierungsplans für ordentliche Änderungskündigungen zur Lohnabsenkung vgl. Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500 (502 ff.).

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§ 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

Lohnabsenkung präzisiert.189 Darauf aufbauend werden im Folgenden die für die außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags notwendigen Punkte eines Sanierungsplans herausgearbeitet. Für die allgemeinen Anforderungen an ein Sanierungskonzept kann man sich außerdem etwa an dem Standard des Instituts für Wirtschaftsprüfer e. V. orientieren (IDW S 6), dessen formelle Anforderungen wohl aber – zumindest nach der Rechtsprechung des BGH zur Insolvenzanfechtung – nicht zwingend einzuhalten sind.190 (b) Inhalt In dem Sanierungsplan ist auszuführen, dass alle gegenüber der beabsichtigten außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags milderen Mittel ausgeschöpft sind und für eine erfolgreiche Sanierung die fristlose Absenkung des Tarifniveaus erforderlich ist.191 Das bedeutet zum einen, dass eine Nachverhandlung mit der Gewerkschaft gescheitert sein muss.192 Zum anderen muss der Insolvenzverwalter nachweisen können, dass er weitere mildere Mittel ausgeschöpft hat.193 Einzubeziehen sind Sanierungsbeiträge des Arbeitgebers selbst oder Dritter.194 Sofern eine Teilkündigung des Tarifvertrags möglich ist, ist auch diese als milderes Mittel in Betracht zu ziehen.195 Der Sanierungsplan sollte folgende Punkte enthalten: (1) die Finanzlage des Betriebs (Analyse der Verluste, die Möglichkeit der Vermeidung künftiger Verluste, eine Beurteilung der Erfolgsaussichten und der Rentabilität des Betriebs in Zukunft);196 189 BAG, Urteil vom 20. 6. 2013 – 2 AZR 396/12 – NZA 2013, 1409 Rn. 31; BAG, Urteil vom 10. 9. 2009 – 2 AZR 822/07 – NZA 2010, 333 Rn. 25; BAG, Urteil vom 26. 6. 2008 – 2 AZR 139/07 – NZA 2008, 1182 Rn. 20. Für die Insolvenzanfechtung hat der BGH konkrete Vorgaben gemacht, welche Anforderungen ein Sanierungskonzept und ein Sanierungsplan erfüllen müssen: BGH, Urteil vom 14. 6. 2018 – IX ZR 22/15 – NZI 2018, 840 Rn. 9 f.; BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 14 ff. m. w. N. 190 So ausdrücklich für die Insolvenzanfechtung: BGH, Urteil vom 14. 6. 2018 – IX ZR 22/ 15 – NZI 2018, 840 Rn. 10; BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 18 m. w. N.; so auch Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500 (503) für die Änderungskündigung von Arbeitsverhältnissen zur Lohnanpassung. 191 Vgl. für Massenänderungskündigungen: BAG, Urteil vom 20. 10. 2017 – 2 AZR 783/16 (F), NZA 2018, 440 Rn. 41 f. 192 Vgl. dazu unter § 3 B. II. 2. a) bb) (2); vgl. auch Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 55. 193 Vgl. die ständige Rechtsprechung für Änderungskündigungen: BAG, Urteil vom 20. 10. 2017 – 2 AZR 783/16 (F), NZA 2018, 440 Rn. 41; BAG, Urteil vom 20. 6. 2013 – 2 AZR 396/ 12 – NZA 2013, 1409 Rn. 31; BAG, Urteil vom 10. 9. 2009 – 2 AZR 822/07 – NZA 2010, 333 Rn. 25; BAG, Urteil vom 26. 6. 2008 – 2 AZR 139/07 – NZA 2008, 1182 Rn. 22; BAG, Urteil vom 1. 7. 1999 – 2 AZR 826/98 – NZA 1999, 1336 (1338). 194 Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500 (502). 195 Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 32; Oetker, in: JKOS, TVG, § 8 Rn. 19. 196 Vgl. BAG, Urteil vom 20. 6. 2013 – 2 AZR 396/12 – NZA 2013, 1409 Rn. 31; BAG, Urteil vom 10. 9. 2009 – 2 AZR 822/07 – NZA 2010, 333 Rn. 25; BAG, Urteil vom 26. 6. 2008 – 2 AZR 139/07 – NZA 2008, 1182 Rn. 20. vgl. auch die Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung für die Anforderungen an ein Sanierungskonzept: BGH, Urteil vom 14. 6.

B. Beendigung des Tarifvertrags durch Insolvenzverwalter o. Arbeitgeberverband

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(2) eine Darstellung der Sanierungsmaßnahmen aller Stakeholder (Kunden, Lieferanten, Gesellschafter, Finanzierer, Belegschaft) bzw. weiterer milderer Mittel (z. B. Kürzung übertariflicher Leistungen);197 (3) eine Darstellung der Personalkosten198 (hilfreich ist hier schon eine Unterscheidung zwischen tariflichen Arbeitnehmern und Außenseiter-Arbeitnehmern); (4) eine Beurteilung der Erfolgsaussichten des Unternehmens in Zukunft;199 (5) die Begründung, warum die genannten (Sanierungs-)Maßnahmen für einen Fortbestand des Betriebs nicht ausreichen,200 oder nicht in Betracht kommen;201 (6) die Auswirkung der außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags für den Betrieb und für die Arbeitnehmer (Vergleich der Planung mit und ohne Kündigung des Tarifvertrags).202 (c) Insolvenzplan Erfolgt die Sanierung durch das Insolvenzplanverfahren gemäß §§ 217 ff. InsO, sind die oben genannten Punkte ohnehin im Insolvenzplan enthalten. Der Insolvenzplan besteht aus einem darstellenden und einem gestaltenden Teil, sowie erforderlichen Anlagen (§ 219 InsO). Im darstellenden Teil des Insolvenzplans sind die Grundlagen und Auswirkungen des Plans zu beschreiben, die für die Entscheidung der Beteiligten über die Zustimmung zum Plan und für dessen gerichtliche Bestätigung erheblich sind (§ 220 Abs. 2 Satz 1 InsO). Zu den entscheidungsrelevanten Maßnahmen zählen u. a. die Darlegung des Sanierungskonzepts, auf dem der Sanierungsplan beruht und sonstige Sanierungsmaßnahmen Dritter, deren Rechtsstellung nicht durch den gestaltenden Teil des Plans geändert werden sollen oder 2018 – IX ZR 22/15 – NZI 2018, 840 Rn. 10; BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 18. 197 Vgl. dazu Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500 (503 f., 505). 198 Vgl. BAG, Urteil vom 20. 6. 2013 – 2 AZR 396/12 – NZA 2013, 1409 Rn. 31; BAG, Urteil vom 10. 9. 2009 – 2 AZR 822/07 – NZA 2010, 333 Rn. 25; BAG, Urteil vom 26. 6. 2008 – 2 AZR 139/07 – NZA 2008, 1182 Rn. 20; vgl. dazu Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500 (504). 199 Vgl. Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500 (504); vgl. auch die Rechtsprechung zur Insolvenzanfechtung für die Anforderungen an ein Sanierungskonzept: BGH, Urteil vom 14. 6. 2018 – IX ZR 22/15 – NZI 2018, 840 Rn. 10; BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 18. 200 Vgl. dazu BAG, Urteil vom 20. 6. 2013 – 2 AZR 396/12 – NZA 2013, 1409 Rn. 31; Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500 (504). 201 BAG, Urteil vom 10. 9. 2009 – 2 AZR 822/07 – NZA 2010, 333 Rn. 25; BAG, Urteil vom 26. 6. 2008 – 2 AZR 139/07 – NZA 2008, 1182 Rn. 20. 202 BAG, Urteil vom 10. 9. 2009 – 2 AZR 822/07 – NZA 2010, 333 Rn. 25; BAG, Urteil vom 26. 6. 2008 – 2 AZR 139/07 – NZA 2008, 1182 Rn. 20; vgl. Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500 (504).

100 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

können.203 Der Insolvenzverwalter kann daher auf den Insolvenzplan zurückgreifen und sich im Übrigen auf eine Begründung beschränken, warum andere Maßnahmen als die außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags nicht ausreichen, um den Fortbestand des Betriebs und der Arbeitsplätze zu sichern. (5) Zwischenergebnis Der Insolvenzverwalter ist nur dann zur außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags befugt, wenn die Existenz des Arbeitgebers gefährdet ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens gefährdet die Existenz des Arbeitgebers nicht generell, weil eine Sanierung weiterhin möglich ist. Damit das Festhalten am Tarifvertrag für den insolventen Arbeitgeber unzumutbar wird, ist nicht zwingend erforderlich, dass die Sanierung mit der außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags steht und fällt. Ausreichend ist, wenn der Fortbestand des Tarifvertrags die Sanierung und damit den Fortbestand des Betriebs bedroht und die Reduzierung der Belegschaft daher absehbar ist. Nicht ausreichend ist hingegen, wenn der Fortbestand des Tarifvertrags nur zu einer Reduzierung der Belegschaft führt. Durch den Abbau von Arbeitsplätzen kann eine Sanierung vielmehr sogar ermöglicht werden, indem hohe Personalkosten verringert werden und die Produktivität dadurch gesteigert wird. Dann ist die Existenz des Arbeitgebers nicht gefährdet. Um die Existenzgefährdung nachzuweisen, muss der Insolvenzverwalter in der Regel einen Sanierungsplan ausarbeiten. c) Einhaltung der Frist des § 314 Abs. 3 BGB und weitere Voraussetzungen Gemäß § 314 Abs. 3 BGB kann der Berechtigte nur innerhalb einer angemessenen Frist kündigen, nachdem er vom Kündigungsgrund Kenntnis erlangt hat. Die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 Satz 1 BGB gilt nicht zwingend auch für § 314 BGB.204 Wegen der Vielgestaltigkeit der Dauerschuldverhältnisse sieht das Gesetz bewusst von einer festen Ausschlussfrist ab.205 Die angemessene Frist muss vielmehr im Einzelfall bestimmt werden.206 Soll der Insolvenzschuldner saniert werden, erscheint ein Monat jedenfalls nicht als zu lang, weil es sich um einen wirtschaftlich komplexen Sachverhalt handelt.207 Der Insolvenzverwalter muss ausführen, wie der Insolvenzschuldner mit und ohne außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags dastehen würde. Je nach Vertrag sah der BGH das Abwarten von 203

Vgl. etwa Eilenberger, in: MüKo InsO, § 220 Rn. 15. Lorenz, in: BeckOK BGB, § 314 Rn. 24; Benedikt, Die Kürzung von Tariflöhnen zur Sanierung, S. 68. 205 BAG, Urteil vom 5. 10. 2010 – IV ZR 30/10 – NJW 2010, 224 Rn. 15; Gaier, in: MüKo BGB, § 314 Rn. 44. 206 Gaier, in: MüKo BGB, § 314 Rn. 44; Lorenz, in: BeckOK BGB, § 314 Rn. 24; Benedikt, Die Kürzung von Tariflöhnen zur Sanierung, S. 68. 207 So Benedikt, Die Kürzung von Tariflöhnen zur Sanierung, S. 68; vgl. auch Löwisch/ Rieble, TVG, § 1 Rn. 1609. 204

B. Beendigung des Tarifvertrags durch Insolvenzverwalter o. Arbeitgeberverband 101

zwei Monaten bereits als zu lang an, teilweise sollten zwei bis sechs Monate noch angemessen sein.208 Bei Dauersachverhalten wie einer Sanierung ist des Weiteren umstritten, ob die Kündigungsfrist mit Kenntnis des Kündigungsgrundes beginnt,209 oder ob auf das Ende des Dauersachverhalts abgestellt werden muss.210 Zwar ist die Sanierung grundsätzlich ein Dauertatbestand, der sich täglich erneuert.211 Es ist allerdings entscheidend, dass der Insolvenzverwalter von der Existenzbedrohung wegen der Tarifbindung Kenntnis erlangt. Die Notwendigkeit der Sanierung selbst führt noch nicht zur Unzumutbarkeit. Das kann etwa der Fall sein, wenn der Plan fertiggestellt ist oder die Gewerkschaft nicht zu Zugeständnissen bereit ist. Letzteres wird in der Regel nicht eintreten, weil dann auch die Arbeitsplätze gefährdet sind. Eine Abmahnung gemäß § 314 Abs. 2 Satz 1 BGB ist nicht erforderlich, weil der wichtige Grund nicht in der Verletzung einer Pflicht aus dem Vertrag besteht.212 Die Kündigungserklärung kann vom Insolvenzverwalter abgegeben werden und muss der Gewerkschaft zugehen, um wirksam zu sein.213 Der Insolvenzverwalter ist nicht Stellvertreter, sondern Partei kraft Amtes, auf den die Arbeitgeberfunktionen übergehen.214 d) Nachwirkung auch bei außerordentlicher Kündigung Durch die außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags soll erreicht werden, dass der Insolvenzverwalter sich – wegen der Unzumutbarkeit für den Arbeitgeber – möglichst schnell vom Tarifvertrag lösen kann. Die Tarifvertragstreue wird zugunsten des Arbeitgebers gelockert. Die Nachwirkung – so ein Teil der Literatur – stünde diesem Ziel entgegen, weshalb § 4 Abs. 5 TVG teleologisch reduziert werden müsse.215 Im Gegensatz zur Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG, die die Tarifvertragstreue des Mitglieds gerade sicherstellen soll,216 ist Sinn und Zweck der Nachwirkung hingegen, den Zeitraum bis zum Abschluss eines neuen Tarifvertrags zu überbrücken und den Inhalt des Arbeitsverhältnisses bis zum Abschluss eines 208 Vgl. eine Übersicht der Rechtsprechung bei Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, § 314 Rn. 10 mit entsprechenden Nachweisen. 209 So Teichmann, in: Soergel, BGB, § 314 Rn. 49; Gaier, in: MüKo BGB, § 314 Rn. 46; Grüneberg, in: Grüneberg, BGB, § 314 Rn. 10. 210 BAG, Urteil vom 20. 10. 2017 – 2 AZR 783/16 (F), NZA 2018, 440 Rn. 46; Martens, in: BecKOGK BGB (Stand: 1. 10. 2022), § 314 Rn. 78. 211 BAG, Urteil vom 20. 10. 2017 – 2 AZR 783/16 (F), NZA 2018, 440 Rn. 46. 212 Vgl. Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 180. 213 Vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1596. 214 Ausführlicher dazu unter § 1 B. I. und § 2 A. III. 215 Oetker, RdA 1995, 82 (95); Belling, NZA 1996, 906 (911); Hamacher, in: Nerlich/ Römermann, InsO, Vorb. vor § 113 Rn. 43; Henssler, in: HWK, TVG, § 4 Rn. 6. 216 Büdenbender, NZA 2000, 509 (512); Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 22; Löwisch/ Rieble, TVG, § 3 Rn. 245; vgl. auch § 4 B. II. 1. b) dd).

102 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

neuen Tarifvertrags zu erhalten.217 Da die Tarifnormen das Arbeitsverhältnis gestalten, ist der Arbeitsvertrag ohne den Tarifvertrag im Zweifel unvollständig. Dann müssten gesetzliche Regelungen mit ihrem Mindestschutz angewendet werden.218 Die Arbeitnehmer wären einem weiten Direktionsrecht des Arbeitgebers ausgesetzt.219 § 4 Abs. 5 TVG schützt die Normunterworfenen, insbesondere die Arbeitnehmer, daher vor einem inhaltsleeren Arbeitsverhältnis.220 Nicht geschützt wird hingegen die Tarifvertragstreue, sodass auch eine teleologische Reduktion nicht möglich ist. Sie ist aber auch nicht nötig, weil der Insolvenzverwalter oder der Arbeitgeber im Nachwirkungszeitraum unzumutbare Bedingungen etwa durch eine außerordentliche Änderungskündigung der Arbeitsverhältnisse anpassen kann.221 Der Tarifvertrag wirkt daher auch bei einer außerordentlichen Kündigung durch den Insolvenzverwalter nach.

III. Kündigung des für den insolventen Arbeitgeber geltenden Verbandstarifvertrags durch den Arbeitgeberverband Für die Kündigung des für den insolventen Arbeitgeber geltenden Verbandstarifvertrags durch den Arbeitgeberverband kann – im Wesentlichen – auf das soeben zur Kündigung des Firmentarifvertrags Ausgeführte verwiesen werden. Für die außerordentliche Kündigung von Verbandstarifverträgen ist allerdings umstritten, ob das Festhalten am Tarifvertrag für den Arbeitgeberverband selbst oder seine Mitglieder unzumutbar sein muss. Darauf soll im Folgenden eingegangen werden. Für die Kündigung von Firmentarifverträgen durch den Arbeitgeber stellt sich diese Frage nicht. Hier ist – wie geschehen – auf die Situation des Einzelarbeitgebers abzustellen.222 Dieser ist Tarifvertragspartei und Normunterworfener.223

217 Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 50; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 736 ff.; Oetker, in: JKOS, TVG, § 8 Rn. 26 m. w. N. 218 Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 743; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 719; Schumann, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 293, jeweils m. w. N. 219 Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 351; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 743; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 719; Schumann, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 194, jeweils m. w. N. 220 Bepler, in: NK-TVG, § 4 Rn. 928 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 784; Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 56; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 56; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 49. 221 So auch Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 728. 222 Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 152. 223 Vgl. bereits § 2 A. I.

B. Beendigung des Tarifvertrags durch Insolvenzverwalter o. Arbeitgeberverband 103

1. Unzumutbarkeit für die Mitglieder oder den Verband selbst bei außerordentlicher Kündigung des Verbandstarifvertrags? Für Verbandstarifverträge ist zu berücksichtigen, dass sich auf der Ebene des Verbandes eine wirtschaftliche Unzumutbarkeit im engen und unmittelbaren Sinn nicht ergeben kann.224 (Verbands-)Tarifverträge regeln letztlich den Leistungsaustausch im Arbeitsverhältnis.225 Die Bemessung des wirtschaftlich Unzumutbaren hat sich deshalb primär an den Mitgliedern226 und nicht nur an der Tarifvertragspartei227 zu orientieren, obschon sich der Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit grundsätzlich auf die Vertragspartei bezieht.228 Die individuelle Unzumutbarkeit muss jedoch auf die kollektive Ebene durchschlagen.229 Geht man davon aus, dass sich die Unzumutbarkeit aus dem Leistungsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber ergibt, kann es hingegen nicht erforderlich sein, dass der Bestand der Tarifvertragspartei auf dem jeweiligen Sektor selbst gefährdet wird und dadurch die Durchführung des Tarifvertrags nicht mehr gewährleistet werden kann.230 Vielmehr wird das kollektive Element dadurch berücksichtigt, dass die Mehrzahl der Mitglieder von der Unzumutbarkeit betroffen sein muss.231 Wie viele Mitglieder das Festhalten am Tarifvertrag unzumutbar sein muss, ist im Einzelfall zu entscheiden und kann auch von der Größe der Betriebe in Anlehnung an die Zahl der Beschäftigten abhängen.232 Ausreichend viele Mitglieder sind jedenfalls dann betroffen, wenn im Fall der Unzumutbarkeit für eine Mehrzahl der Mitglieder der innerverbandliche Druck so groß wird, dass das Festhalten am Tarifvertrag für

224

So auch Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 149. Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1618; Oetker, RdA 1995, 82 (95); Wank, in: FS Schaub (1998), S. 761 (769). 226 So etwa Buchner, NZA 1993, 289 (298); Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1618; Henssler, ZfA 1994, 487 (491); Belling/Hartmann, ZfA 1997, 87 (113); Oetker, RdA 1995, 82 (95); Steffan, JuS 1993, 1027 (1029); Wank, in: FS Schaub (1998), S. 761 (769 f.). 227 So etwa Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 149; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 33 ff.; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 182; Beuthien/Meik, DB 1993, 1518 f. 228 Vgl. Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 149; Wank, in: FS Schaub (1998), S. 761 (769). 229 Vgl. Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 149. 230 So aber Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 149 f.; Stein, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 182, die allerdings für die Unzumutbarkeit an den Verband anknüpfen. 231 Oetker, RdA 1995, 82 (95); Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1624; Henssler, ZfA 1994, 487 (491); teilweise wird auch auf die „überwiegende Mehrheit“ abgestellt (etwa Belling/ Hartmann, ZfA 1997, 87 (113)), teilweise auch auf den „wesentlichen Teil“ der Mitglieder (Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 33 m. w. N.) oder auf den „Großteil der Mitglieder“ (Buchner, NZA 1993, 289 (298)). 232 Wank, in: FS Schaub (1998), S. 761 (770) m. w. N. 225

104 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

den Verband selbst unzumutbar wird.233 Für die Unzumutbarkeit ist des Weiteren das Merkmal der Unvorhersehbarkeit entscheidend;234 die Vorhersehbarkeit für die Tarifvertragspartei ist den einzelnen Mitgliedern zuzurechnen.235 2. Keine außerordentliche Kündigung des Verbandstarifvertrags bei Existenzgefährdung eines Mitglieds Aus dem soeben Ausgeführten folgt, dass die Existenzgefährdung eines einzelnen Mitglieds den Arbeitgeberverband in der Regel nicht dazu berechtigt, den Verbandstarifvertrag außerordentlich zu kündigen. Teilweise wurde daher die Auffassung vertreten, dass das einzelne Mitglied, dessen Existenz gefährdet ist, den Verbandstarifvertrag kündigen könne.236 Wenngleich der Tarifvertrag die Arbeitsverhältnisse gestaltet, ist Partei des Verbandstarifvertrags allerdings nicht das Mitglied, sondern der Arbeitgeberverband, sodass das Mitglied den Verbandstarifvertrag nicht außerordentlich kündigen kann.237 Teilweise wird in der Literatur außerdem erwogen, dass dem Arbeitgeberverband das Recht zu einer personellen Teilkündigung einzuräumen sei, sodass er die Geltung des Verbandstarifvertrags für die Mitglieder beenden könne, deren Existenz gefährdet sei.238 Geht man allerdings davon aus, dass die Teilkündigung des Tarifvertrags wegen des sich aus der wechselseitigen Verhandlungsstärke und Kampfkraft ergebenden Gesamtkompromiss eines Tarifvertrags unzulässig ist,239 kann auch eine personelle Teilkündigung des Tarifvertrags nicht zulässig sein,240 es sei denn die Tarifvertragsparteien lassen diese ausdrücklich im Tarifvertrag zu. Die Verhandlungsstärke und Kampfkraft des Verbands folgen gerade aus der Zahl der Mitglieder und ihrer Stellung in den Betrieben.241 Welche Möglichkeiten das Mitglied hat, sich bei Existenzgefährdung von der Tarifbedingung zu lösen, wird unten näher erläutert.242

233

So Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 150, der aber die Unzumutbarkeit für den Verband fordert. 234 Vgl. bereits § 3 B. II. 2. b) aa). 235 Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 38; a. A. Belling/Hartmann, ZfA 1997, 87 (115). 236 So noch Löwisch, NJW 1997, 905 (906 f.); Rieble, RdA 1996, 151 (155); a. A. heute Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1626. 237 Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 29; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1626; Wank, in: FS Schaub (1998), S. 761 (770 ff.); Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 34 jeweils m. w. N.; in anderem Zusammenhang BAG, Urteil vom 26. 4. 2000 – 4 AZR 170/99 – NZA 2000, 1010 (1012). 238 Vgl. Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 34 und 40; Henssler, in: HWK, TVG, § 1 Rn. 29. 239 § 3 B. II. 1. c). 240 So i. E. auch Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1624. 241 Vgl. Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 12. 242 § 3 C. und § 4 B. II. 1.

C. Änderung der Arbeitsbedingungen durch abweichende Vereinbarung

105

3. Sonderfall des unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrags Die Ausführungen der Literatur zu der Frage, ob das Festhalten am Tarifvertrag für die Mitglieder oder die Tarifvertragspartei unzumutbar sein muss, beschränken sich auf den Verbandstarifvertrag im Allgemeinen. Als Sonderfall erweist sich allerdings der unternehmensbezogene Verbandstarifvertrag, bei dem die Gewerkschaft und der Arbeitgeberverband einen Tarifvertrag für einen bestimmten (insolventen) Betrieb oder für ein bestimmtes Unternehmen abschließen, indem sie den Geltungsbereich des Tarifvertrags beschränken.243 Müsste die Bindung an den Tarifvertrag für den Arbeitgeberverband selbst unzumutbar sein, damit er den Verbandstarifvertrag außerordentlich kündigen kann, wäre eine außerordentliche Kündigung des Verbandstarifvertrags regelmäßig nicht möglich, weil der Bestand des Arbeitgeberverbandes bei Existenzgefährdung eines Mitglieds wohl nicht gefährdet sein wird. Stellt man hingegen für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Bindung an den Tarifvertrag richtigerweise auch auf die Mitglieder ab, muss es im Einzelfall ausreichend sein, dass das Festhalten am Tarifvertrag für die vom Tarifvertrag Betroffenen – also für den Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, für die der unternehmensbezogene Verbandstarifvertrag unmittelbar und zwingend gilt – unzumutbar ist. Zwar ist dann nicht die „Mehrheit der Mitglieder“ des Arbeitgeberverbandes betroffen. Das ist aber auch nicht möglich, weil der unternehmensbezogene Verbandstarifvertrag infolge der Begrenzung des Geltungsbereichs des Verbandstarifvertrags für sie keine Anwendung findet. Deshalb kann es auch nicht darauf ankommen, dass der unternehmensbezogene Verbandstarifvertrag für sie unzumutbar ist. Der Arbeitgeberverband kann den unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag daher außerordentlich kündigen, wenn das Mitglied, für den der Tarifvertrag gilt, existenzgefährdet ist.

C. Änderung der tariflichen Arbeitsbedingungen durch eine abweichende Vereinbarung Neben der Beendigung des Tarifvertrags ist es möglich, die tarifvertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen an die Insolvenzsituation anzupassen. Das kann etwa notwendig werden, wenn die Tarifvertragsparteien einen befristeten Tarifvertrag ohne die Möglichkeit der ordentlichen Kündigung geschlossen haben und die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung nicht vorliegen. Selbst wenn eine ordentliche Kündigung möglich ist, kann oder will der Insolvenzverwalter die gegebenenfalls lange Kündigungsfrist nicht abwarten. Ist der Arbeitgeber an einen Verbandstarifvertrag gebunden, kann der Insolvenzverwalter den Tarifvertrag gar

243 Vgl. allgemein zum unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 249 ff. m. w. N. v. a. zu seiner Zulässigkeit; vgl. auch § 3 C. II. 1. b).

106 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

nicht kündigen, weil der insolvente Arbeitgeber nicht Tarifvertragspartei ist.244 Im Folgenden werden daher Möglichkeiten aufgezeigt, die genutzt werden können, um die tarifvertraglich festgelegten Arbeitsbedingungen in der Insolvenz des Arbeitgebers anzupassen. Hierbei wird zunächst auf eine mögliche Tarifabweichung oder -ergänzung durch Individual- oder Betriebsvereinbarung (I.) und sodann auf den Abschluss eines Sanierungstarifvertrags und Tarifsozialplans (II.) eingegangen.

I. Tarifabweichung oder -ergänzung durch Individualvereinbarung oder Betriebsvereinbarung Da die Tarifnormen in der Insolvenz unmittelbar und zwingend gelten, sind vom Tarifvertrag abweichende Individual- oder Betriebsvereinbarung auch bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers nur gemäß § 4 Abs. 3 TVG zulässig, soweit die abweichende Vereinbarung günstiger ist (1.) oder der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel enthält (2.). 1. Günstigkeitsprinzip Für den Günstigkeitsvergleich nimmt das BAG einen objektiv-individuellen Sachgruppenvergleich vor.245 Verglichen werden unterschiedliche Regelungsgruppen, die jeweils in einem sachlichen Verbund zueinanderstehen.246 Ein Einzelvergleich oder ein Gesamtvergleich ist ausgeschlossen.247 Betriebsvereinbarungen oder Individualvereinbarungen, in denen sich der Betriebsrat oder der einzelne Arbeitnehmer bereit erklären, schlechtere als die tarifvertraglich vereinbarten Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, um Kündigungen und Standortverlagerungen zu vermeiden, sind nach dem vom BAG vorgegebenen objektiv-individuellen Sachgruppenvergleich nicht günstiger.248 Die Beschäftigungsgarantie einerseits und die Arbeitszeit und das Arbeitsentgelt andererseits sind unterschiedliche Regelungs244

§ 3 B. III. BAG, Urteil vom 1. 7. 2009 – 4 AZR 261/08 – NZA 2010, 53 Rn. 60; BAG, Urteil vom 7. 11. 2002 – 2 AZR 742/00 – NZA 2003, 1139 (1141); BAG, Urteil vom 24. 9. 2008 – 6 AZR 657/07 – NZA-RR 2009, 221 Rn. 29; BAG, Beschluss vom 20. 4. 1999 – 1 ABR 72/98 – AP GG Art. 9 Nr. 89 – NJW 1999, 3281 (3286); vgl. etwa auch Giesen, in: BeckOK TVG, § 4 Rn. 31 ff.; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 36 ff.; Jacobs, in: JKOS, TVG, § 7 Rn. 36 ff. m. w. N. 246 Vgl. BAG, Beschluss vom 20. 4. 1999 – 1 ABR 72/98 – AP GG Art. 9 Nr. 89 – NJW 1999, 3281 (3286); vgl. auch Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 4 Rn. 31 ff. 247 Vgl. BAG, Beschluss vom 20. 4. 1999 – 1 ABR 72/98 – AP GG Art. 9 Nr. 89 – NJW 1999, 3281 (3286); vgl. auch Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 4 Rn. 31 ff. 248 BAG, Urteil vom 1. 7. 2009 – 4 AZR 261/08 – NZA 2010, 53 Rn. 60; BAG, Urteil vom 7. 11. 2002 – 2 AZR 742/00 – NZA 2003, 1139 (1141); BAG, Urteil vom 24. 9. 2008 – 6 AZR 657/07 – NZA-RR 2009, 221 Rn. 29; BAG, Beschluss vom 20. 4. 1999 – 1 ABR 72/98 – AP GG Art. 9 Nr. 89 – NJW 1999, 3281 (3286). 245

C. Änderung der Arbeitsbedingungen durch abweichende Vereinbarung

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gegenstände, für deren Bewertung es keinen gemeinsamen Maßstab gibt.249 Es sind nur sachlich zusammenhängende Arbeitsbedingungen vergleichbar.250 2. (Nachträgliche) Vereinbarung einer Öffnungsklausel Abweichende Sanierungsbetriebsvereinbarungen oder Individualvereinbarungen mit einzelnen Arbeitnehmern sind daher regelmäßig nur möglich, wenn der Tarifvertrag eine Öffnungsklausel enthält (§ 4 Abs. 3 Alt. 1 TVG).251 Durch die Öffnungsklausel verzichten die Tarifvertragsparteien auf die zwingende Wirkung und setzen lediglich dispositives Recht.252 Für Betriebsvereinbarungen ist außerdem die in § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG festgelegte Regelungssperre für tarifvertraglich geregelte Arbeitsentgelte und sonstige Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen, die dazu führt, dass die tarifvertragliche Öffnungsklausel für abweichende Sanierungsbetriebsvereinbarungen sowohl günstige als auch ungünstige Abweichungen zulassen muss.253 Es besteht allerdings die Möglichkeit, nachträglich eine Öffnungsklausel zu vereinbaren, die sogar rückwirkend eine Betriebsvereinbarung genehmigen kann, die zunächst wegen eines Verstoßes gegen § 77 Abs. 3 BetrVG schwebend unwirksam war.254 Ist der Tarifvertrag aufgrund einer arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel anzuwenden, bedarf es keiner Öffnungsklausel, weil die Bezugnahme dispositiv ist.255 Ungünstigere Abweichungen sind dann stets zulässig.256

II. Abweichung oder Ergänzung durch Tarifvertrag Der Abschluss eines verdrängenden, ändernden oder ergänzenden Tarifvertrags ist ohne Öffnungsklausel nach den Regeln der Tarifkonkurrenz und Tarifkollision 249 BAG, Urteil vom 1. 7. 2009 – 4 AZR 261/08 – NZA 2010, 53 Rn. 60; BAG, Urteil vom 7. 11. 2002 – 2 AZR 742/00 – NZA 2003, 1139 (1141); BAG, Urteil vom 24. 9. 2008 – 6 AZR 657/07 – NZA-RR 2009, 221 Rn. 29; BAG, Beschluss vom 20. 4. 1999 – 1 ABR 72/98 – AP GG Art. 9 Nr. 89 – NJW 1999, 3281 (3286). 250 BAG, Beschluss vom 20. 4. 1999 – 1 ABR 72/98 – AP GG Art. 9 Nr. 89 – NJW 1999, 3281 (3286); zur Kritik an der Rechtsprechung und zu rechtspolitischen Forderungen, arbeitsplatzsichernde Betriebsvereinbarungen zuzulassen, vgl. Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 4 m. w. N. 251 Vgl. nur Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 30; für Betriebsvereinbarungen vgl. auch Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 116. 252 Giesen, in: BeckOK ArbR TVG, § 4 Rn. 27; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 447; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 27. 253 Vgl. dazu Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, S. 300 Rn. 548; § 3 B. II. 1. a). 254 BAG, Urteil vom 20. 4. 1999 – 1 AZR 631/98 – NZA 1999, 1059 (1062); vgl. auch Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 118; Kania, in: ErfK, BetrVG, § 77 Rn. 61. 255 Vgl. dazu Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 450; Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500 (505). 256 Wernicke/Schaffner, BB 2022, 500 (505).

108 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

zulässig, selbst wenn die Veränderung zu Lasten der Arbeitnehmer erfolgt.257 In der Insolvenz bietet es sich vor allem an, einen Sanierungstarifvertrag abzuschließen, um von bestehenden tariflichen Arbeitsbedingungen abzuweichen.258 Auf einen Aufhebungstarifvertrag wird sich die Gewerkschaft in der Regel nicht einlassen.259 Ziel eines Sanierungstarifvertrags ist es, auf die Krisensituation des Insolvenzschuldners zu reagieren und die Abwicklung bestenfalls zu vermeiden.260 Von einem Sanierungstarifvertrag ist der sog. Tarifsozialplan zu unterscheiden. Während der Sanierungstarifvertrag wirtschaftliche Schwierigkeiten beseitigen oder überbrücken soll, ist Ziel des Tarifsozialplans, bevorstehende Betriebsänderungen (Stellenabbau, Standortverlagerungen, Standortschließungen) zu begleiten.261 Die Literatur hat zu Sanierungstarifverträgen262 und Tarifsozialplänen263 schon umfassend Stellung genommen. Spezifische insolvenzrechtliche Fragestellungen ergeben sich nur am Rande. Die Ausführungen zum Sanierungstarifvertrag beschränken sich daher auf den möglichen Inhalt eines solchen, darauf, welche Unterschiede sich beim Abschluss des Sanierungstarifvertrags als Haus- oder unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag ergeben und auf die außerordentliche Kündigung des Sanierungstarifvertrags. In Bezug auf den Tarifsozialplan wird nur auf dessen Inhalt und die analoge Anwendung der insolvenzrechtlichen Vorschriften zu Sozialplänen (§§ 123, 124 InsO) näher eingegangen.

257

Vgl. dazu etwa Berg, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 139; Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 460 ff.; Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 56. Allgemein zum Verhältnis des Tarifvertrags zu ranggleichen und rangniedrigeren Normen: Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 314 ff. m. w. N.; Wendeling-Schröder, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 233; Bepler, in: NK-TVG, § 4 Rn. 50. 258 Vgl. Mückl/Krings, BB 2012, 769 (770); Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 1. 259 So auch Mückl/Krings, BB 2012, 769 (770). 260 Vgl. Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 1 f. 261 Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 121. 262 Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 1 f.; Beck, Der Sanierungstarifvertrag; Bepler, AuR 2010, 234; Meyer, SAE 2008, 54; Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 52 ff.; vgl. im Einzelnen etwa zu Differenzierungsklauseln in der Restrukturierungssituation: Greiner, in: FS Willemsen (2018), S. 159 ff.; zu den Grenzen eines rückwirkenden Eingriffs: BAG, Urteil vom 24. 10. 2007 – 10 AZR 878/06 – NZA 2008, 131 Rn. 18; BAG, Urteil vom 17. 7. 2007 – 9 AZR 1089/ 06 – AP TVG § 1 Rückwirkung Nr. 28 Rn. 24; BAG, Urteil vom 22. 10. 2003 – 10 AZR 152/ 03 – NZA 2004, 444 (446 f.); Bepler, AuR 2010, 234 (240); Meyer, SAE 2008, 54 (57); zur Berücksichtigung des Gebots der Rechtsquellenklarheit: BAG, Urteil vom 26. 2. 2020 – 4 AZR 48/19 – NZA 2020, 1121 Rn. 17 ff.; BAG, Urteil vom 26. 9. 2017 – 1 AZR 717/15 – NZA 2018, 803 Rn. 39 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 993. 263 BAG, Urteil vom 24. 4. 2007 – 1 AZR 252/06 – NZA 2007, 987 Rn. 57 ff.; Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 120 ff.; Hagedorn, Zulässigkeit und Grenzen von Tarifsozialplänen; Krist, Grenzen des Tarifsozialplans jeweils mit umfassenden Nachweisen.

C. Änderung der Arbeitsbedingungen durch abweichende Vereinbarung

109

1. Abschluss eines Sanierungstarifvertrags a) Möglicher Inhalt eines Sanierungstarifvertrags In Sanierungstarifverträgen werden etwa Lohnsenkungen, Arbeitszeiterhöhungen ohne Entgeltausgleich, Streichung von Sonderzahlungen oder Urlaubsgeld, Arbeitszeiterhöhungen ohne Lohnausgleich, die Regelung zur Arbeitszeitflexibilisierung, die Einführung von Kurzarbeit oder die Kürzung bei der betrieblichen Altersvorsorge geregelt.264 Im Gegenzug werden arbeitgeberseitig Standortgarantien abgegeben oder arbeitsplatzsichernde Investitionszusagen getätigt.265 Üblich sind des Weiteren sog. Besserungszusagen, wonach bei bestimmten betrieblichen Leistungszahlen die Vergütungsopfer rückgängig gemacht werden oder etwa eine Gewinnbeteiligung vorgesehen ist (sog. Besserungsschein).266 Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind zudem Kündigungserschwerungen oder Kündigungsverzichte unproblematisch möglich. § 119 InsO gilt nur für Vereinbarungen, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschlossen wurden.267 Da sich die Arbeitsbedingungen durch Sanierungstarifverträge daher in der Regel verschlechtern, wird von der Gewerkschaft häufig als Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen ein tragfähiges Sanierungskonzept gefordert, aus dem sich strukturwirksame Maßnahmen für den Insolvenzschuldner ergeben müssen.268 Das ist der Gewerkschaft vor dem Hintergrund, dass insolvenzbedingte Klauseln in Tarifverträgen nur bei Vorliegen eines Sanierungskonzepts gemäß § 119 InsO wirksam sind, ohnehin zu empfehlen.269 b) Abschluss des Sanierungstarifvertrags als Haus- oder unternehmensbezogener Verbandstarifvertrag? Ein Sanierungstarifvertrag soll regelmäßig nur für das insolvente Unternehmen Geltung beanspruchen,270 sodass er entweder als Haustarifvertrag oder unterneh-

264 Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 150a; Schöne, in: Göpfert/Schöne, Handbuch Arbeitsrecht in Restrukturierung und Insolvenz, S. 315 ff.; Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 48; Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 29 ff.; Schumann, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 345. 265 Vgl. etwa Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 34 ff.; Schumann, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 346. 266 Dazu LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 23 ff., 85 ff.; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 150a; Schöne, in: Göpfert/Schöne, Handbuch Arbeitsrecht in Restrukturierung und Insolvenz, S. 318 Rn. 46; Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 44. 267 Sogleich unter § 3 D. III. 1. b) aa) (3). 268 So Schumann, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 345 f., 353. 269 Vgl. dazu § 3 D. III. 2. 270 Vgl. Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 2; Schumann, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 343.

110 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

mensbezogener Verbandstarifvertrag gestaltet wird.271 Der Insolvenzverwalter muss sich entscheiden, ob er selbst den Sanierungstarifvertrag mit der Gewerkschaft abschließt, oder ob er an den Arbeitgeberverband herantritt, damit dieser einen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag aushandelt. Der unternehmensbezogene Sanierungsverbandstarifvertrag und der Sanierungshaustarifvertrag unterscheiden sich in vier Punkten. Auf diese wird im Folgenden eingegangen. aa) Satzungsregelungen zum Verbot des Abschlusses eines abweichenden Haustarifvertrags Zu beachten ist, dass Arbeitgeberverbände in ihren Satzungen Klauseln vorsehen können, die dem Mitglied verbieten, für bestimmte Regelungsgegenstände einen abweichenden Haustarifvertrag abzuschließen.272 Da der einzelne Arbeitgeber aber gemäß § 2 Abs. 1 TVG tariffähig ist und die Verbandssatzung diesbezüglich nichts anderes bestimmen kann, ist der Haustarifvertrag dennoch im Außenverhältnis wirksam.273 Im Innenverhältnis wird das den Haustarifvertrag abschließende Mitglied dann aber gegebenenfalls mit empfindlichen Verbandsstrafen sanktioniert.274 bb) Gleichbehandlungspflicht bei Abschluss eines unternehmensbezogenen Sanierungsverbandstarifvertrags Wird der persönliche Geltungsbereich des Sanierungstarifvertrags eingeschränkt, sodass nur einem Teil der Belegschaft Sanierungsopfer abverlangt werden, für den anderen Teil hingegen weiterhin die Arbeitsbedingungen des Verbandstarifvertrags gelten, muss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG zur mittelbaren Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien überprüft werden,275 ob ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt. Das Gleichheitsgebot gilt aber immer nur für das Tarifwerk derselben Tarifvertragsparteien.276 Es würde zu einer unzulässigen Fremdbestimmung führen, wenn man von einem Normgeber Gleichbehandlung in Bezug auf von einem anderen Normgeber erlassene Normen verlangen würde.277 Im Gegensatz zu einem unternehmensbezogenen Sanierungsverbandstarifvertrag unterliegt der Sanierungshaustarifvertrag deshalb keiner Gleichbehandlungskontrolle.278 Für den unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag muss hingegen über271 Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 150a; Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 49 f.; Schöne, in: Göpfert/Schöne, Handbuch Arbeitsrecht in Restrukturierung und Insolvenz, S. 308 Rn. 3; Beck, Der Sanierungstarifvertrag, S. 22 f.; Bepler, AuR 2010, 234. 272 Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 51; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 639. 273 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 641. 274 Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 51; Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 640. 275 Vgl. zur mittelbaren Grundrechtsbindung der Tarifvertragsparteien: § 3 A. II. 2. b). 276 Vgl. dazu Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 853. 277 So Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 853. 278 So auch Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 859.

C. Änderung der Arbeitsbedingungen durch abweichende Vereinbarung

111

prüft werden, ob ein sachlicher Grund dafür vorliegt, dass einem Teil der Arbeitnehmer Sanierungsopfer abverlangt werden, einem anderen Teil hingegen nicht.279 Ein sachlicher Grund ist etwa gegeben, wenn eine Arbeitnehmergruppe wegen ihrer kurzen Betriebszugehörigkeit und unter Anwendung der Grundsätze zur Sozialauswahl voraussichtlich besonders stark von einem Personalabbau betroffen wäre.280 cc) Keine Geltung des Sanierungshaustarifvertrags für Außenseiter-Arbeitnehmer bei kleiner dynamischer Bezugnahmeklausel Gelten tarifvertragliche Arbeitsbedingungen für den Arbeitnehmer kraft Bezugnahme, muss je nach Bezugnahmeklausel zunächst darauf geachtet werden, ob die durch den Sanierungstarifvertrag angepassten Arbeitsbedingungen für diesen Außenseiter-Arbeitnehmer Anwendung finden.281 Bei einer statischen Verweisung, wonach nur der konkrete Tarifvertrag in seiner der am (…) gültigen Fassung anzuwenden ist,282 gilt der Sanierungstarifvertrag jedenfalls nicht für den AußenseiterArbeitnehmer. Problematisch sind Bezugnahmeklauseln, die auf die jeweilige Fassung eines bestimmten Branchentarifvertrags (kleine dynamische Verweisung)283 verweisen.284 Das BAG hat entschieden, dass es sich bei einer Verweisung auf die jeweils geltenden Tarifverträge einer Branche nur um eine Bezugnahme auf die entsprechenden Verbandstarifverträge, nicht hingegen auf die Haustarifverträge des einzelnen Arbeitgebers handelt.285 Das hat zur Folge, dass ein unternehmensbezogener Sanierungsverbandstarifvertrag von der Bezugnahmeklausel erfasst und daher für den Außenseiter-Arbeitnehmer anzuwenden wäre,286 ein Sanierungshaustarifvertrag hingegen nicht.287 Das BAG versteht dynamische Verweisungen von tarifgebundenen Arbeitgebern nicht mehr generell als Gleichstellungsabrede, wonach die 279 Vgl. zum Thema auch Bepler, AuR 2010, 234 (239); Beck, Der Sanierungstarifvertrag, S. 202 ff. 280 BAG, Urteil vom 25. 6. 2003 – 4 AZR 405/02 – NZA 2004, 215 (219); vgl. dazu auch Meyer, SAE 2008, 54 (56); Bepler, AuR 2010, 234 (239); Beck, Der Sanierungstarifvertrag, S. 202 ff. 281 Vgl. etwa Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 52 ff. 282 Vgl. dazu Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 71; Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 35; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 36. 283 Vgl. dazu Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 35; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 36. 284 Vgl. dazu Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 53a. 285 BAG, Urteil vom 11. 7. 2018 – 4 AZR 533/17 – NZA 2018, 1486 Rn. 23. 286 Zwar offengelassen in BAG, Urteil vom 11. 7. 2018 – 4 AZR 533/17 – NZA 2018, 1486 Rn. 23; allerdings befürwortet in BAG, Urteil vom 11. 10. 2006 – 4 AZR 486/05 – NZA 2007, 634 Rn. 17 f. 287 BAG, Urteil vom 11. 7. 2018 – 4 AZR 533/17 – NZA 2018, 1486 Rn. 23; BAG, Urteil vom 12. 12. 2018 – 4 AZR 123/18 – NZA 2019, 543 Rn. 22 ff., 27; BAG, Urteil vom 3. 7. 2019 – 4 AZR 312/18 – NZA 2019, 1592 Rn. 29 f.; BAG, Urteil vom 16. 6. 2021 – 10 AZR 31/ 20 – NZA 2021, 1478 Rn. 29 ff.; vgl. zum Thema auch Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 53a; Eylert/Rinck, RdA 2022, 146 (154).

112 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

nicht organisierten Arbeitnehmer mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern gleichgestellt werden sollen.288 Vielmehr müssen die Parteien die Verweisungsklausel ausdrücklich als Gleichstellung nichttarifgebundener mit tarifgebundenen Arbeitnehmern verstanden haben und während des Arbeitsverhältnisses auch andere Tarifverträge als den im Arbeitsvertrag ausdrücklich genannten Verbandstarifvertrag angewandt haben.289 Alternativ müssen die Arbeitsvertragsparteien explizit auf Haustarifverträge oder im Speziellen auf Sanierungstarifverträge verweisen.290 Bei einer Bezugnahmeklausel mit einer großen dynamischen Verweisung291 auf die jeweils für den Arbeitgeber einschlägigen Tarifverträge in ihrer jeweils geltenden Fassung ist der Sanierungstarifvertrag anzuwenden, weil er der nunmehr für den Arbeitgeber geltende Tarifvertrag ist.292 dd) Verhältnis des Sanierungstarifvertrags zum Verbandstarifvertrag Welche Rechtsfolge die Beendigung des Sanierungstarifvertrags hat, hängt davon ab, ob der Sanierungstarifvertrag den ursprünglich geltenden (Verbands-)Tarifvertrag nur im Wege der Tarifkonkurrenz verdrängt oder endgültig abgelöst hat. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass der Sanierungstarifvertrag einen Verbandstarifvertrag verdrängt bzw. ablöst. Möglich ist auch, dass der Sanierungstarifvertrag einem Firmentarifvertrag folgt. Dann muss das Ergebnis entsprechend angepasst werden. (1) Verdrängung des Verbandstarifvertrags durch den spezielleren Sanierungshaustarifvertrag Eine echte Tarifkonkurrenz liegt vor, wenn der Arbeitgeber, der durch seine Verbandsmitgliedschaft an einen Verbandstarifvertrag gebunden ist, einen Sanierungshaustarifvertrag mit derselben Gewerkschaft abschließt.293 Der Sanierungshaustarifvertrag kann den Verbandstarifvertrag nicht ablösen, denn eine wirksame 288

So die frühere Rechtsprechung: vgl. nur BAG, Urteil vom 4. 8. 1999 – 5 AZR 642/98 – AP TVG § 1 Tarifverträge: Papierindustrie Nr. 14 unter III. 2. a) m. w. N.; BAG, Urteil vom 21. 8. 2002 – 4 AZR 263/01 – AP BGB § 157 Nr. 21 unter I. 2. b) m. w. N.; vgl. zur Rechtsprechungsänderung die Übersicht bei: Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 36 ff.; Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 38 ff. m. w. N. 289 BAG, Urteil vom 14. 12. 2005 – 10 AZR 296/05 – NZA 2006, 744 Rn. 17; BAG, Urteil vom 14. 12. 2005 – 4 AZR 536/04 – NZA 2006, 607 Rn. 13 ff. m. w. N. zur alten Rechtsprechung; so auch Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 75. 290 So BAG, Urteil vom 12. 12. 2018 – 4 AZR 123/18 – NZA 2019, 544 Rn. 27; vgl. dazu auch Bepler, AuR 2010, 234 (235 f.). 291 Vgl. dazu Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 36; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 36. 292 So auch Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 79. 293 BAG, Urteil vom 19. 11. 2014 – 4 AZR 761/12 – NZA 2015, 950 Rn. 28; Bepler, in: HMB, TVG, Teil 3 Rn. 220; Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 54; Löwisch/Rieble, TVG, § 4a Rn. 340; Berg, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 66.

C. Änderung der Arbeitsbedingungen durch abweichende Vereinbarung

113

Ablösung setzt voraus, dass die aufeinanderfolgenden Tarifregelungen von denselben Tarifvertragsparteien vereinbart werden.294 Der Arbeitgeber ist aber nicht identisch mit dem Arbeitgeberverband. Die Tarifkonkurrenz wird aufgelöst durch das Spezialitätsprinzip.295 Der allgemeinere Verbandstarifvertrag wird für die Zeit der Geltung auch im Nachwirkungszeitraum des Sanierungshaustarifvertrags296 verdrängt, es sei denn, dass die Nachwirkung ausgeschlossen ist.297 Nach Ende des Sanierungstarifvertrags bleibt der Arbeitgeber daher gemäß § 3 Abs. 1 TVG an den Verbandstarifvertrag gebunden. Der Verbandstarifvertrag wird also nur vorübergehend verdrängt.298 (2) Ablösung des Verbandstarifvertrags durch den unternehmensbezogenen Sanierungsverbandstarifvertrag? Keine Tarifkonkurrenz liegt hingegen vor, wenn bereits die Auslegung der Tarifverträge ergibt, dass nur einer von mehreren Tarifverträgen gelten kann und soll.299 Das ist der Fall, wenn ein Tarifvertrag den anderen ablösen soll, was voraussetzt, dass die Tarifvertragsparteien identisch sind.300 Grundsätzlich drücken die Tarifvertragsparteien durch einen Ablösungstarifvertrag aus, dass der alte Tarif insgesamt beseitigt werden und nur der neue Tarif gelten soll.301 Das gilt auch, wenn der Ablösungstarifvertrag manche Regelungen des alten Tarifvertrags nicht mehr aufgreift.302 Bei Ende des Ablösungstarifvertrags lebt der abgelöste Verbandstarifvertrag dann grundsätzlich nicht wieder auf.303 Der Arbeitgeber ist auch nicht nachgebunden gemäß § 3 Abs. 3 TVG.304 Bei Abschluss eines unternehmensbezogenen 294

BAG, Urteil vom 19. 11. 2014 – 4 AZR 761/12 – NZA 2015, 950 Rn. 28; BAG, Urteil vom 24. 2. 2010 – 4 AZR 708/08 – NJOZ 2010, 1888 Rn. 20; vgl. dazu auch Bepler, AuR 2010, 234. 295 BAG, Urteil vom 8. 10. 2008 – 5 AZR 8/08 – NZA 2009, 98 Rn. 11; Bepler, AuR 2010, 234 (235); Löwisch/Rieble, TVG, § 4a Rn. 336 ff.; allgemein zur Konkurrenz von Firmen- und Verbandstarifvertrag vgl. etwa BAG, Urteil vom 15. 4. 2008 – 9 AZR 159/07 – NZA-RR 2008, 586 Rn. 36 mit Verweis auf die ständige Rechtsprechung; Giesen, in: BeckOK TVG, § 4 Rn. 15; Franzen, in: ErfK, TVG, § 4a Rn. 31 ff. jeweils m. w. N. 296 Das ist umstritten: dafür etwa Jacobs, in: JKOS, TVG, § 7 Rn. 224; Bepler, in: HMP, TVG, Teil 3 Rn. 216, jeweils m. w. N.; Berg, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 73 allerdings nicht für Sanierungstarifverträge, dazu Rn. 72; dagegen: Wendeling-Schröder, in: Kempen/Zachert, TVG, § 4 Rn. 200; Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 4 Rn. 23 m. w. N. 297 Bepler, in: HMB, TVG, Teil 3 Rn. 220 f.; Löwisch/Rieble, TVG, § 4a Rn. 340. 298 Löwisch/Rieble, TVG, § 4a Rn. 341. 299 Vgl. Franzen, in: ErfK, TVG, § 4a Rn. 30. 300 BAG, Urteil vom 19. 11. 2014 – 4 AZR 761/12 – NZA 2015, 950 Rn. 28; BAG, Urteil vom 24. 2. 2010 – 4 AZR 708/08 – NJOZ 2010, 1888 Rn. 20. 301 Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 785; Deinert/Wenckeback, in: NK-TVG, § 4 Rn. 110; Bepler, in: HMP, TVG, Teil 3 Rn. 216 ff.; Wank, in: Wiedemann, TVG, § 4 Rn. 315. 302 Löwisch/Rieble, TVG, § 4 Rn. 785. 303 Löwisch/Rieble, TVG, § 4a Rn. 341. 304 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1574.

114 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

Sanierungsverbandstarifvertrags sind die Tarifvertragsparteien identisch zum Verbandstarifvertrag. Daher ist der Sanierungstarifvertrag grundsätzlich geeignet, den Verbandstarifvertrag für das zu sanierende Unternehmen abzulösen.305 Durch Auslegung muss allerdings ermittelt werden, ob die Ablösung dauerhaft oder nur vorübergehend erfolgen und damit letztlich den Verbandstarifvertrag nur verdrängen soll.306 Der Sanierungstarifvertrag verschafft dem Arbeitgeber eine vorteilhafte Abweichung vom verbandstarifvertraglichen Niveau.307 Ob sich daraus allein schon der Wille beider Tarifvertragsparteien erkennen lässt, dass der Sanierungstarifvertrag nur vorübergehend als speziellerer Tarifvertrag gelten soll,308 ist allerdings zweifelhaft. Man könnte argumentieren, dass sich die Gewerkschaft nicht auf eine Verschlechterung des Tarifniveaus einlassen würde, wenn dies nicht vorübergehend wäre und der Sanierung des Arbeitgebers dienen würde. Andererseits könnte eine Umstrukturierung des Arbeitgebers auch dauerhaft eine Anpassung des Tarifniveaus erfordern. Deshalb müssen für die Auslegung weitere Umstände hinzutreten, die auf eine nur vorübergehende Geltung hindeuten, um von dem Grundsatz des Ablösungsprinzips abzuweichen.309 Allein der Ausschluss der Nachwirkung lässt aber nicht erkennen, dass der Sanierungstarifvertrag nur vorübergehend gelten soll.310 Enthält die Präambel hingegen eine Formulierung, wonach das Ziel ist, „durch vorübergehende tarifliche Abweichung die aktuell schwierige Lage zu überbrücken“,311 bestimmen die Tarifvertragsparteien dadurch, dass der Sanierungstarifvertrag nur vorübergehend gilt. Auch aus der Bezeichnung des Sanierungstarifvertrags als Ergänzungstarifvertrag geht hervor,312 dass dieser den Verbandstarifvertrag nur für einen bestimmten Zeitraum ergänzen und nicht vollständig ablösen soll. Dann bleibt der Arbeitgeber – wie bei einem Sanierungshaustarifvertrag – gemäß § 3 Abs. 1 TVG an den Verbandstarifvertrag gebunden. ee) Zusammenfassende Übersicht Für die Entscheidung, ob der Insolvenzverwalter selbst einen Haussanierungstarifvertrag mit der Gewerkschaft aushandelt oder ob er an den Arbeitgeberverband 305 So auch Löwisch/Rieble, TVG, § 4a Rn. 341 und § 1 Rn. 1573, 1575; Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 54; vgl. zur Ablösung von Tarifnormen eines Verbandstarifvertrags durch Tarifnormen eines Sanierungstarifvertrags auch BAG, Urteil vom 22. 10. 2003 – 10 AZR 152/ 03, NZA 2004, 444 (446) m. w. N.; a. A. Berg, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 66 und 72 f.; Beck, Der Sanierungstarifvertrag, S. 270 ff.; BAG, Urteil vom 16. 11. 2011 – 4 AZR 856/09 – NZA-RR 2012, 308 (310) Rn. 42, wobei sich das Urteil nicht auf einen Sanierungstarifvertrag bezieht. 306 So auch Bepler, AuR 2010, 234 (235). 307 Vgl. Bepler, AuR 2010, 234 (235). 308 So Bepler, AuR 2010, 234 (235); wohl auch Berg, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 72; Beck, Der Sanierungstarifvertrag, S. 73 ff., 270 ff.; Meyer, SAE 2008, 54 (55). 309 So auch Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1576. 310 So auch Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1576. 311 So LAG, München Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708. 312 Vgl. bspw. LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 3, 16 und 32.

C. Änderung der Arbeitsbedingungen durch abweichende Vereinbarung

115

herantritt, damit dieser einen unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag abschließt, kann auf folgende Liste zurückgegriffen werden: Unterschiede

Haussanierungstarifvertrag Unternehmensbezogener Sanierungsverbandstarifvertrag

Satzungsverstoß

ja, bei entsprechender Satzungsregelung

nein

Gleichbehandlungspflicht nein, weil von anderen Tarif- ja vertragsparteien abgeschlossen Geltung für Außenseiter- nein, bei kleinen dynamiArbeitnehmer bei Bezug- schen Bezugnahmeklauseln nahmeklausel

ja

Verhältnis zum Verbandstarifvertrag

Ablösung; Ausnahme bei abweichender Auslegung

Verdrängung

c) Außerordentliche Kündigung des Sanierungstarifvertrags aa) Insolvenz des Arbeitgebers kein wichtiger Grund für die Gewerkschaft Die Gewerkschaft sowie der Insolvenzverwalter oder der Arbeitgeberverband können den Sanierungstarifvertrag gemäß § 314 BGB analog außerordentlich kündigen, wenn das Festhalten am Tarifvertrag für sie unzumutbar wird.313 Für die Gewerkschaft wie für den Arbeitgeberverband gilt ein gleichermaßen strenger Maßstab für die außerordentliche Kündigung des Tarifvertrags.314 Die Insolvenz des Arbeitgebers oder des Arbeitgeberverbandes berechtigt auch die Gewerkschaft nicht ohne Weiteres, den Tarifvertrag zu kündigen.315 Denn der Arbeitgeber und auch der Arbeitgeberverband bleiben nach Insolvenzverfahrenseröffnung über ihr Vermögen weiterhin tariffähig und können ihre Pflichten wahrnehmen.316 bb) Wichtiger Grund bei Scheitern der Sanierung Auf Arbeitgeberseite wird oft kein Interesse bestehen, den Sanierungstarifvertrag zu kündigen, weil dieser im Vergleich zum Verbandstarifvertrag regelmäßig für die Arbeitnehmer schlechtere Arbeitsbedingungen enthält.317 Das Festhalten am Sanierungstarifvertrag ist allerdings für die Arbeitnehmer unzumutbar, wenn das Ziel 313

Vgl. zur Rechtsgrundlage für die außerordentliche Kündigung eines Tarifvertrags: § 3 B. II. 2. a). 314 So auch Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 152. 315 So aber Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1606 bei Insolvenz des Arbeitgeberverbandes; vgl. zur außerordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber § 3 B. II. 2. b). 316 Umfassend dazu § 2. 317 Vgl. zum Inhalt des Sanierungstarifvertrags: § 3 C. II. 1. a).

116 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

des Tarifvertrags, nämlich das Unternehmen zu sanieren und die wirtschaftlich schwierige Lage zu überbrücken, endgültig gescheitert ist.318 Dann können auch die Sanierungsbeiträge der Arbeitnehmer, die durch den Sanierungstarifvertrag vorgesehen ist, nicht mehr dazu beitragen, das Unternehmen zu sanieren. Wie bereits ausgeführt, muss sich die Bemessung des wirtschaftlich Unzumutbaren primär auf die Mitglieder beziehen, für die der Haussanierungs- oder unternehmensbezogene Sanierungsverbandstarifvertrag gilt.319 Die Sanierung ist noch nicht gescheitert, wenn der Insolvenzantrag gestellt wurde.320 Denn i. R. d. Insolvenzverfahrens ist eine Sanierung möglich. Es kann entweder der Insolvenzschuldner selbst über das Insolvenzplanverfahren oder die Eigenverwaltung saniert oder auf eine übertragende Sanierung hingewirkt werden.321 Möglich sind auch Varianten von Insolvenzplänen, die teilweise eine Sanierung, teilweise eine Liquidation vorsehen.322 Wird der Betrieb daher gemäß § 613a BGB auf einen nicht sanierungsbedürftigen Erwerber überführt, ist das Festhalten am Tarifvertrag nicht unzumutbar.323 Dann ist die Sanierung nicht gescheitert. Eine Sanierung ist allerdings gescheitert, wenn der Betrieb stillgelegt werden muss, weil kein Betriebserwerber gefunden werden kann,324 ein Insolvenzplan nicht zustande kommt, oder die Gläubigerversammlung die Stilllegung des insolventen Unternehmens beschließt (§ 157 InsO).325 Eine fortbestehende Bindung ist für die Arbeitnehmer unzumutbar, da der Verzicht darauf basiert, dass eine Sanierung ermöglicht wird und die Arbeitsplätze so gesichert werden können. Die Gewerkschaft kann den Tarifvertrag dann außerordentlich kündigen, sofern sie das ultima ratio Prinzip beachtet und mit dem Arbeitgeber oder dem Arbeitgeberverband nachverhandelt hat.326 Ist die Sanierung allerdings endgültig gescheitert und verbleiben bis zur vollständigen Abwicklung nur noch zwölf Wochen, besteht kein Grund für die von der Gewerkschaft vertretenen Arbeitnehmer, weiter auf ihre

318 So die Entscheidung des LAG, München Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708 Rn. 34 ff. 319 § 3 B. III. 1. 320 LAG, München Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708 Rn. 28; vgl. bereits § 3 B. II. 2. b) bb); offengelassen durch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen – Urteil vom 25. 10. 2012 – juris Rn. 67 i. R. d. § 313 BGB. 321 Vgl. bereits § 1 A. 322 Vgl. Eilenberger, in: MüKo InsO, § 220 Rn. 16. 323 Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 152; vgl. auch BAG, Urteil vom 26. 8. 2009 – 4 AZR 280/08, NZA 2010, 238 Rn. 21, wonach die Geschäftsgrundlage des Sanierungstarifvertrags gemäß § 313 BGB nicht entfällt, wenn der Betrieb auf einen nicht sanierungsbedürftigen Erwerber gemäß § 613a BGB übergeht; vgl. dazu auch Bepler, AuR 2010, 234 (237 f.). 324 Vgl. LAG München, Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708. 325 Vgl. dazu auch Janssen, in: MüKo InsO, § 157 Rn. 6. 326 Vgl. dazu § 3 B. II. 2. a) bb) (2).

C. Änderung der Arbeitsbedingungen durch abweichende Vereinbarung

117

tarifvertraglichen Ansprüche zu verzichten.327 Eine Nachverhandlung ergibt insofern keinen Sinn.328 2. Abschluss eines Tarifsozialplans a) Zulässigkeit und Inhalt Der Abschluss eines Tarifsozialplans ist zulässig, sofern er tariflich regelbare Gegenstände i. S. d. § 1 Abs. 1 TVG enthält.329 Inhalte des Tarifsozialplans sind neben Regelungen zur Dauer von Kündigungsfristen und zur Durchführung und Finanzierung einer BQG insbesondere Regelungen zu Abfindungszahlungen für Arbeitnehmer, die ihren Arbeitsplatz verlieren oder sonstige Lasten für betriebliche Umstellungen tragen.330 Die §§ 111 ff. BetrVG enthalten keine Sperrwirkung,331 sodass auch ein Streik um einen Tarifsozialplan zulässig ist, wenn ein betrieblicher Sozialplan bereits abgeschlossen wurde.332 Da der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG gemäß § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG für Sozialpläne nicht gilt, können tarifliche und betriebsverfassungsrechtliche Regelungen nebeneinander bestehen.333 Im Kollisionsfall gilt das Günstigkeitsprinzip.334 Es ist daher zu empfehlen, die tariflichen Regelungen auf bereits bestehende oder neu abzuschließende betriebsverfassungsrechtliche Sozialplanregelungen abzustimmen.335 b) Analoge Anwendung der §§ 123, 124 InsO § 123 InsO begrenzt den Umfang von Sozialplänen. Ein Sozialplan, der in einem Zeitraum von drei Monaten vor dem Eröffnungsantrag zum Insolvenzverfahren aufgestellt worden ist, kann widerrufen werden (§ 124 InsO).336 Der Wortlaut der §§ 123, 124 InsO und deren systematische Stellung im Gesetz sprechen dafür, dass die Normen nur auf zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat zustande

327

So das LAG, München Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708 Rn. 36. So auch LAG, München Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708 Rn. 36. 329 BAG, Urteil vom 24. 4. 2007 – 1 AZR 252/06 – NZA 2007, 987 Rn. 80; im Einzelnen und ausführlich dazu Krist, Grenzen des Tarifsozialplans, S. 29 ff.; Hagedorn, Zulässigkeit und Grenzen von Tarifsozialplänen, S. 47 ff. und S. 230 ff. 330 Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 123; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 150a; zur BQG vgl. oben § 3 A. III. 2. 331 BAG, Urteil vom 24. 4. 2007 – 1 AZR 252/06 – NZA 2007, 987 Rn. 81 ff. 332 BAG, Urteil vom 24. 4. 2007 – 1 AZR 252/06 – NZA 2007, 987 Rn. 87 ff. 333 Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 148. 334 Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 148. 335 Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 150a; Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 148. 336 Siehe bereits oben unter § 1 C. II. 2. 328

118 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

gekommene Sozialpläne gemäß §§ 112, 112a BetrVG anzuwenden sind.337 Der Tarifsozialplan ist hingegen ein von den Tarifvertragsparteien abgeschlossener Tarifvertrag.338 Anders als § 120 InsO könnten die §§ 123, 124 InsO analog auf Tarifsozialpläne anzuwenden sein, wenn die Interessenlage vergleichbar ist und eine planwidrige Regelungslücke bejaht werden kann.339 aa) Vergleichbare Interessenlage in Bezug auf den Regelungsinhalt und die Massebelastung sowie Vereinbarkeit mit Art. 9 Abs. 3 GG Wie bereits oben erläutert ist der Regelungsinhalt von Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen vergleichbar, wenngleich zwischen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen grundsätzliche Unterschiede bestehen.340 Das gilt insbesondere für tarifliche und betriebliche Sozialplanregelungen, deren Inhalte sich regelmäßig überschneiden dürften, weil der Tarifvorbehalt des § 77 Abs. 3 BetrVG nicht gilt.341 Man könnte also ebenso wie für § 77 Abs. 5 BetrVG eine analoge Anwendung bejahen. Ferner belastet ein Tarifsozialplan, der die in § 123 Abs. 1 InsO genannte Obergrenze von zweieinhalb Monatsgehältern übersteigt oder mehr als ein Drittel der Insolvenzmasse in Anspruch nimmt (§ 123 Abs. 2 Satz 2 InsO), in gleicher Weise, wie ein betriebsverfassungsrechtlicher Sozialplan, die Masse.342 Der mit § 123 InsO bezweckte Ausgleich der Interessen von Arbeitnehmern und den weiteren Gläubigern wird dadurch in Frage gestellt.343 Auch insofern ist der Tarifsozialplan mit einem betriebsverfassungsrechtlichen Sozialplan vergleichbar. Wie bei der Anwendung des § 113 InsO auf tarifvertragliche Kündigungsfristen könnte ein – durch die gesetzliche Begrenzung der Höhe der Abfindungszahlungen erfolgter – Eingriff in Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG mit den durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interessen der Gläubiger gerechtfertigt werden.344

337 So auch Göpfert/Dachner, in: KPB, InsO, §§ 123, 124 Rn. 42; Schmidt, ZInsO 2008, 247 (250). 338 Giesen, in: Jaeger, InsO, § 123 Rn. 15. 339 Dafür: Giesen, in: Jaeger, InsO, § 123 Rn. 16 und § 124 Rn. 8 ff.; Caspers, in: MüKo InsO, § 123 Rn. 17; Wolf, in: Braun, InsO, § 123 Rn. 19; Linck, in: HK-InsO, § 123 Rn. 4; Göpfert/Dachner, in: KPB, InsO, §§ 123, 124 Rn. 42 ff.; dagegen: Schmidt, ZInsO 2008, 247 (250 ff.); Zwanziger, InsO, § 123 Rn. 61; Annuß, in: HWK, InsO, § 124 Rn. 2. 340 § 3 B. II. 1. b) bb). 341 § 3 C. II. 2. a). 342 Giesen, in: Jaeger, InsO, § 123 Rn. 16 343 Caspers, in: MüKo InsO, § 123 Rn. 17; Göpfert/Dachner, in: KPB, InsO, §§ 123, 124 Rn. 46; Wolf, in: Braun, InsO, § 123 Rn. 19. 344 So auch Göpfert/Dachner, in: KPB, InsO, §§ 123, 124 Rn. 47; a. A. Schmidt, ZInsO 2008, 247 (252).

C. Änderung der Arbeitsbedingungen durch abweichende Vereinbarung

119

bb) Vergleichbare Interessenlage in Bezug auf die Erzwingbarkeit? Der Gesetzeswortlaut der §§ 123, 124 InsO scheint ihren Anwendungsbereich auf gemäß § 112 Abs. 4 BetrVG erzwingbare Sozialpläne zu begrenzen.345 Wäre die Erzwingbarkeit des Sozialplans notwendige Voraussetzung für die Anwendung der §§ 123, 124 InsO, müsste für eine analoge Anwendung der Normen auf Tarifsozialpläne die Interessenlage auch in dieser Hinsicht vergleichbar sein. In Bezug auf die Erzwingbarkeit sind der betriebsverfassungsrechtliche Sozialplan und der Tarifsozialplan jedoch nicht vergleichbar.346 So kann der betriebsverfassungsrechtliche Sozialplan auch gegen den erklärten Willen des Insolvenzverwalters zustande kommen, wenn sich die Einigungsstelle bei fehlender Einigung zwischen Betriebsrat und Insolvenzverwalter für die Aufstellung des Sozialplans entscheidet (§ 112 Abs. 4 BetrVG).347 Ein Tarifsozialplan kann hingegen nicht ohne oder gegen den Willen des Insolvenzverwalters abgeschlossen werden.348 Der Insolvenzverwalter kann zumindest entscheiden, ob der Abschluss des Tarifsozialplans für die Masse günstiger ist als die Fortführung der Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft und ein möglicher Arbeitskampf.349 Allerdings kommt es für die Anwendung der §§ 123, 124 InsO auf die Erzwingbarkeit von Sozialplänen richtigerweise auch nicht an.350 Der Gesetzeswortlaut deutet zwar in erster Linie auf erzwingbare Sozialpläne hin. Ferner ist die Begrenzung des Sozialplans insbesondere angezeigt, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Sozialplan auch gegen den erklärten Willen des Insolvenzverwalters zustande kommen könnte.351 Die §§ 123, 124 InsO bezwecken jedoch, die Interessen zwischen Arbeitnehmern und den Insolvenzgläubigern auszugleichen.352 Auch wenn der Sozialplan nicht erzwungen werden kann (bei fehlender Betriebsänderung oder einem Betrieb mit weniger als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern),353 besteht ein Interesse der Gläubiger an der Begrenzung des Sozialplanvolumens.354 Als Ausgleich werden die Verbindlichkeiten aus dem Sozialplan als Masseverbindlichkeiten 345 So Linck, in: HK-InsO, § 123 Rn. 4; Caspers, in: MüKo InsO, § 123 Rn. 11; Hamacher, in: Nerlich/Römermann, § 123 Rn. 4a. 346 Vgl. auch Schmidt, ZInsO 2008, 247 (250); Zwanziger, InsO, § 123 Rn. 61. 347 Schmidt, ZInsO 2008, 247 (250). 348 Schmidt, ZInsO 2008, 247 (250). 349 Schmidt, ZInsO 2008, 247 (250); Zwanziger, InsO, § 123 Rn. 61. 350 Giesen, in: Jaeger, InsO, § 123 Rn. 9 ff. und 29 f.; Göpfert/Dachner, in: KPB, InsO, §§ 123, 124 Rn. 39 ff.; Oetker/Friese, DZWIR 2001, 265 (266); Zwanziger, InsO, § 123 Rn. 9. 351 So Schmidt, ZInsO 2008, 247 (250). 352 BT-Drs. 12/2443, S. 98; Caspers, in: MüKo InsO, § 123 Rn. 5; Giesen, in: Jaeger, InsO, § 123 Rn. 4 und § 124 Rn. 9; Wolf, in: Braun, InsO, § 123 Rn. 1; Göpfert/Dachner, in: KPB, InsO, §§ 123, 124 Rn. 18; Linck, in: HK-InsO, § 123 Rn. 1. 353 Vgl. Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 123 Rn. 4a. 354 Giesen, in: Jaeger, InsO, § 123 Rn. 9 ff. und 29 f.; Göpfert/Dachner, in: KPB, InsO, §§ 123, 124 Rn. 39 ff.; Oetker/Friese, DZWIR 2001, 265 (266).

120 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

eingeordnet (§ 123 Abs. 2 Satz 1 InsO), sodass auch die Interessen der Arbeitnehmer hinreichend berücksichtigt werden. Da es nach dem Sinn und Zweck der Normen nicht auf die Erzwingbarkeit ankommt, muss die Interessenlage für die Anwendung der §§ 123, 124 InsO auf den Tarifsozialplan insofern auch nicht vergleichbar sein. cc) Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke Die Tarifvertragsparteien sind für den Umgang mit Tarifverträgen in der Krise verantwortlich.355 Es ist grundsätzlich also nicht davon auszugehen, dass der Gesetzgeber in das Tarifvertragsrecht eingreifen will. Wenngleich nach dem BetrVG – wie die § 112 Abs. 1 Satz 4 BetrVG und § 2 Abs. 3 BetrVG zeigen – stets die Möglichkeit bestanden hat, einen Tarifsozialplan abzuschließen,356 handelt es sich bei dem Abschluss von Tarifsozialplänen um eine neuere Entwicklung, die zum Zeitpunkt des Erlasses der InsO praktisch keine Bedeutung hatte.357 Das BAG hat auch erst im Jahr 2007 in einer Grundsatzentscheidung den Abschluss von Tarifsozialplänen für zulässig erklärt.358 Da die §§ 123, 124 InsO durch Tarifsozialpläne umgangen werden könnten, wenn sie nicht auf diese analog anzuwenden wären, ist davon auszugehen, dass eine planwidrige Regelungslücke vorliegt. c) Zwischenergebnis §§ 123, 124 InsO sind auf Tarifsozialpläne analog anzuwenden. Die Interessenlage ist in Bezug auf den Regelungsinhalt und die Massebelastung vergleichbar. Da die §§ 123, 124 InsO nicht die Erzwingbarkeit der Sozialpläne voraussetzen, ist es unerheblich, dass die Interessenlage insofern nicht vergleichbar ist. Eine planwidrige Regelungslücke kann angenommen werden, weil es sich bei dem Abschluss von Tarifsozialplänen um eine neuere Entwicklung handelt, durch die die §§ 123, 124 InsO anderenfalls umgangen werden könnten.

D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag Um einen Tarifvertrag in der Insolvenz außerordentlich kündigen zu können, müssen hohe Hürden überwunden werden. Die Tarifvertragsparteien nehmen daher häufig Klauseln in den Tarifvertrag auf, die es ihnen bei Veränderung der wirt355

§ 1 D. IV. und § 3 B. II. 1. b) cc). So Schmidt, ZInsO 2008, 247 (250), der deshalb das Vorliegen der planwidrigen Regelungslücke ablehnt. 357 Caspers, in: MüKo InsO, § 123 Rn. 17; Giesen, in: Jaeger, InsO, § 123 Rn. 16; Göpfert/ Dachner, in: KPB, InsO, §§ 123, 124 Rn. 45. 358 BAG, Urteil vom 24. 4. 2007 – 1 AZR 252/06 – NZA 2007, 987. 356

D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag

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schaftlichen Rahmenbedingungen (v. a. bei Insolvenz des Arbeitgebers) ermöglichen, den Tarifvertrag zu beenden oder dessen Inhalt abzuändern. Im Folgenden werden drei Beispiele genannt (I.), die in diesem Abschnitt auf ihre Wirksamkeit gemäß § 314 BGB (II.) und gemäß § 119 InsO (III.) überprüft werden.

I. Tarifvertragliche Klauseln zur Änderung oder Beendigung des Tarifvertrags bei Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen Für einen Tarifvertrag mit mehrjähriger Laufzeit vereinbaren die Tarifvertragsparteien häufig Nachverhandlungsklauseln.359 Dadurch verpflichten sie sich bei wesentlicher Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nachzuverhandeln. Eine Nachverhandlungsklausel kann etwa folgenden Wortlaut haben: „Bei wesentlichen Änderungen der Grundannahmen oder der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verpflichten sich die Tarifvertragsparteien zu einem Überprüfungsgespräch. Voraussetzung ist, dass eine Partei das Überprüfungsgespräch beantragt und betriebliche Reaktionsmechanismen wie Reduzierung von Mehrarbeit, Abbau von Fremdleistung, Nutzung standortübergreifender Mobilität sowie standortübergreifende Verlagerung von Produktionsumfängen wirtschaftlich nicht darstellbar oder ausreichend sind.“360

Befindet sich der Arbeitgeber bereits in wirtschaftlichen Schwierigkeiten, schließen die Tarifvertragsparteien – wie soeben ausgeführt361 – häufig Sanierungstarifverträge ab, um dem tarifgebundenen Arbeitgeber eine Sanierung zu ermöglichen. Dadurch wird allerdings auch das Sanierungsrisiko teilweise auf die Arbeitnehmer übertragen.362 Gelingt dem Arbeitgeber die Sanierung nicht, haben die Arbeitnehmer zwar auf Lohnzahlungen verzichtet, eine etwaige Beschäftigungssicherung wird für die Arbeitnehmer aber wertlos, weil der Arbeitgeber sie bei Betriebsschließung doch nicht weiter beschäftigen kann.363 Deshalb enthalten insbesondere Sanierungstarifverträge häufig Rückfallklauseln mit folgendem oder vergleichbarem Wortlaut: „Der Tarifvertrag ist auflösend bedingt für den Fall, dass die Geschäftsführung den Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht stellt. Mit diesem Zeitpunkt tritt dieser Tarifvertrag rückwirkend außer Kraft, mit der Folge, dass die gesamten Verzichtserklärungen

359

Vgl. Wankel, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 402a. Vgl. § 6 (6.1.) des Zukunftstarifvertrags zwischen der Volkswagen AG und der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt: https://docplayer.org/23823848Volkswagen-ag-ig-metall-bezirksleitung-niedersachsen-und-sachsen-anhalt.html (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023); vgl. dazu auch Wankel, in: BKS, TVG, § 1 Rn. 402a. 361 § 3 C. II. 1. 362 Vgl. auch Moll, in: HMB, Teil 12 Rn. 49. 363 Vgl. auch Moll, in: HMB, Teil 12 Rn. 49. 360

122 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers unwirksam werden und durchgängig die einschlägigen Flächentarifverträge Geltung gehabt hätten. Die sich daraus ergebenden Forderungen werden sofort fällig.“364

Des Weiteren enthalten Sanierungstarifverträge auch Klauseln zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund mit folgendem Wortlaut: „Inkrafttreten und Kündigung: Dieser Tarifvertrag tritt mit Unterzeichnung in Kraft und endet mit Ablauf des 31. 12. 2021. Im Fall der Stellung eines Insolvenzantrags über das Vermögen der AA kann dieser Tarifvertrag von der IG Metall außerordentlich gekündigt werden.“365

Durch die Rückfallklausel soll über eine auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) sichergestellt werden, dass den Arbeitnehmern bei Insolvenzantragsstellung rückwirkend wieder sämtliche Leistungen aus dem verdrängten Verbandstarifvertrag zustehen.366 Die Klausel zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund ermöglicht es der Gewerkschaft, den Sanierungstarifvertrag bei Insolvenzantragsstellung außerordentlich zu kündigen, sodass die Arbeitnehmer zumindest zukünftig wieder sämtliche Leistungen aus dem Verbandstarifvertrag geltend machen können.367 Die beiden Klauseln haben gemein, dass sie an das Ereignis der Insolvenzantragsstellung anknüpfen. Ob dies zulässig ist, wird im Folgenden überprüft. Zuvor wird jedoch darauf eingegangen, ob die Klauseln gegen § 314 BGB verstoßen.

II. Kein Verstoß gegen § 314 BGB Es wurde bereits festgestellt, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens weder den Arbeitgeber noch den Arbeitgeberverband oder die Gewerkschaft dazu berechtigen, den Tarifvertrag außerordentlich gemäß § 314 BGB analog zu kündigen.368 Die Klausel zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund soll es der Gewerkschaft jedoch ermöglichen, im Fall der Insolvenzantragsstellung den Tarifvertrag außerordentlich zu kündigen. Die Rückfallklausel gewährt zwar kein außerordentliches Kündigungsrecht, führt aber durch die auflösende Bedingung letztlich dazu, dass der Tarifvertrag mit Insolvenzantragsstellung automatisch endet.

364

LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 49 hat die tarifvertragliche Klausel gemäß § 119 InsO überprüft und gebilligt; vgl. zu ähnlichen Klauseln: BAG, Urteil vom 11. 11. 2010 – 8 AZR 392/09 – NZA 2011, 763 (764); Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 50; Beck, Der Sanierungstarifvertrag, S. 75. 365 LAG München, Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708. 366 Vgl. dazu Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 49; LAG München, Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708 Rn. 36. 367 Vgl. dazu Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 49; LAG München, Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708 Rn. 36. 368 § 3 B. II. 2. b) und § 3 C. II. 1. c).

D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag

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Ist der Kündigungsgegner nicht aufgrund seiner strukturellen Unterlegenheit besonders schutzbedürftig, können die Tarifvertragsparteien i. R. d. § 314 BGB allerdings vereinbaren, dass bestimmte Umstände immer einen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden sollen.369 Weder der Arbeitgeberverband noch der Arbeitgeber oder die Gewerkschaft sind strukturell unterlegen. Vielmehr werden die Arbeitnehmer Mitglieder der Gewerkschaft, um ihre strukturelle Unterlegenheit gegenüber der Arbeitgeberseite abzustreifen.370 Die Gewerkschaft wiederum muss, um tariffähig zu sein und somit Tarifverträge abschließen zu können, gegenüber dem Arbeitgeberverband oder dem Arbeitgeber durchsetzungs- und leistungsfähig sein.371 Die von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie setzt voraus, dass zwischen den Tarifvertragsparteien ein ungefähres Kräftegleichgewicht besteht.372 Durch die – zur Gewährleistung einer annähernd gleichen Verhandlungsstärke – erforderlichen Durchsetzungskraft, kann ein fairer und ausgewogener Ausgleich gegensätzlicher Arbeitsvertragsinteressen im Wege kollektiver Verhandlungen erreicht werden.373 Die Anforderungen an die Tariffähigkeit stellen daher sicher, dass die Gewerkschaft dem sozialen Gegenspieler nicht strukturell unterlegen ist.374 Die Tarifvertragsparteien können somit i. R. d. § 314 BGB festlegen, dass der Tarifvertrag in der Insolvenz über eine auflösende Bedingung automatisch enden oder den Parteien ein außerordentliches Kündigungsrecht zustehen soll. Ein Verstoß gegen § 314 BGB durch eine Nachverhandlungsklausel kommt schon gar nicht in Betracht, da sie die Tarifvertragsparteien lediglich dazu verpflichtet, Überprüfungsgespräche vorzunehmen.

III. Vereinbarkeit einer insolvenzbedingten Änderungsoder Lösungsklausel im Tarifvertrag mit § 119 InsO Gemäß § 119 InsO sind Vereinbarungen unwirksam, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 ausgeschlossen oder beschränkt wird. Ob § 119 InsO auf tarifvertragliche Vereinbarungen anzuwenden ist, obwohl die Insolvenzordnung

369 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1610; vgl. auch Gaier, in: MüKo BGB, § 314 Rn. 8; Lorenz, in: BeckOK BGB, § 314 Rn. 28; Jung, in: NK-BGB, § 314 Rn. 67; Martens, in: BeckOGK BGB (Stand: 1. 10. 2022), § 314 Rn. 25 f.; BGH, Urteil vom 7. 7. 1988 – I ZR 78/ 87 – NJW-RR 1988, 1381 (1382). 370 Vgl. etwa Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, S. 2 Rn. 4; vgl. auch BAG, Beschluss vom 22. 6. 2021 – 1 ABR 28/20 – NZA 2022, 575 Rn. 36 m. w. N. 371 Vgl. BAG, Beschluss vom 22. 6. 2021 – 1 ABR 28/20 – NZA 2022, 575 Rn. 36 ff.; Henssler, in: HWK, TVG, § 2 Rn. 18; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 178 ff.; Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 11; vgl. zur Leistungsfähigkeit bereits § 2 B. I. 2. a) bb) (2). 372 Vgl. BAG, Beschluss vom 22. 6. 2021 – 1 ABR 28/20 – NZA 2022, 575 Rn. 36 m. w. N. 373 Vgl. BAG, Beschluss vom 22. 6. 2021 – 1 ABR 28/20 – NZA 2022, 575 Rn. 36 m. w. N. 374 Vgl. dazu Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 11 ff.

124 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

in den §§ 103 bis 118 InsO keine Regelung zu Tarifverträgen enthält,375 muss im Folgenden überprüft werden. Dann wären oben genannte Klauseln möglicherweise zwar nicht gemäß § 314 BGB, allerdings gemäß § 119 InsO unwirksam. 1. Unwirksamkeit einer tarifvertraglichen Vereinbarung gemäß § 119 InsO a) Anwendbarkeit des § 119 InsO auf den Tarifvertrag Gemäß § 119 InsO sind Vereinbarungen unwirksam, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt wird. Voraussetzung ist also eine Abweichung von den §§ 103 bis 118 InsO. aa) Keine Subsumtion des Tarifvertrags unter die §§ 103 bis 118 InsO Wie oben bereits ausgeführt, kann der Tarifvertrag nicht unter § 103 InsO subsumiert werden. Weder der normative noch der schuldrechtliche Teil eines Tarifvertrags sind als gegenseitige Verträge gemäß § 320 BGB einzuordnen.376 Beim normativen Teil des Tarifvertrags fehlt es an der Identität der Vertragsparteien, der schuldrechtliche Teil dient lediglich der Durchsetzung des normativen Teils. Das durch die Tarifnormen geregelte Arbeitsverhältnis ist zwar synallagmatischer Natur, dieses wird aber nach § 108 InsO und nicht nach § 103 InsO abgewickelt. Die Anwendung des § 103 InsO mit dem durch die Tarifnormen geregelten Arbeitsverhältnis zu begründen, ist daher widersprüchlich.377 Der Tarifvertrag ist aber auch kein Dienstverhältnis oder vergleichbares Schuldverhältnis gemäß § 108 Abs. 1 InsO.378 Er kann des Weiteren unter keine andere Norm aus dem Normenkatalog des § 119 InsO subsumiert werden.379 Deshalb hat das LAG München in einer Entscheidung aus dem Jahr 2019 die Anwendung des § 119 InsO auf Tarifverträge abgelehnt.380 bb) Tarifvertrag als Vereinbarung i. S. d. § 119 InsO (1) Ausschluss oder Beschränkung der §§ 103 bis 118 InsO durch Tarifnormen Entgegen den Ausführungen des LAG München ist nicht entscheidend, dass der Tarifvertrag unter §§ 103 ff. InsO, sondern vielmehr, dass er unter § 119 InsO sub375

Dazu bereits § 1 D. II. So i. E. auch LAG München, Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708 Rn. 19. 377 Dazu bereits § 3 B. I. 2. 378 Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (316). 379 Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (316). 380 LAG München, Urteil vom 24. 5. 2019 – 3 Sa 808/18 – NZI 2019, 708 Rn. 19. 376

D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag

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sumiert werden kann. Der Tarifvertrag muss also eine Vereinbarung sein, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt wird. Ebenso wie i. R. d. § 113 InsO, ist der Begriff der „Vereinbarung“ für § 119 InsO weit auszulegen.381 Der Wortlaut beschränkt sich nicht auf in §§ 103 bis 118 InsO geregelte Vereinbarungen. Den Tarifvertrag als mögliche Vereinbarung i. S. d. § 119 InsO auszulegen, entspricht dem Sinn und Zweck des § 119 InsO. Dieser dient der Durchsetzung der §§ 103 ff. InsO.382 Die Rechte des Insolvenzverwalters gemäß §§ 103 ff. InsO können nicht zu seinem Nachteil und damit zum Nachteil der Masse eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.383 Durch das alleinige Gestaltungsrecht des Insolvenzverwalters wird die Masse angereichert und die Einflussnahme Dritter auf die Masse ausgeschlossen.384 Könnten die Tarifvertragsparteien durch den Tarifvertrag von den §§ 103 bis 118 InsO abweichen, so könnten sie auch die zwingende Wirkung des § 119 InsO umgehen. Das wird besonders deutlich, wenn man berücksichtigt, dass die Tarifnormen das Arbeitsverhältnis gestalten, das der Insolvenzmasse gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO zugeordnet wird.385 Gestalten die Tarifnormen das Arbeitsverhältnis, kann für deren Inhalt in Bezug auf § 119 InsO allerdings nichts anderes gelten als für den Inhalt von Arbeitsvertragsvorschriften.386 Wird durch den Tarifvertrag im Voraus die Anwendung der §§ 103 ff. InsO ausgeschlossen oder beschränkt, müssen daher die Tarifnormen gemäß § 119 InsO unwirksam sein, wenn auch eine entsprechende arbeitsvertragliche Vereinbarung gemäß § 119 InsO unwirksam wäre.387 Deshalb dürfen etwa Tarifnormen nach herrschender Meinung nicht eine von § 113 InsO abweichende längere Kündigungsfrist vorsehen oder die Kündigung vollständig ausschließen.388 Richtigerweise ist auch eine Regelung, wonach die betriebsbedingte Kündigung des Arbeitsverhältnisses von der Zustimmung des Betriebsrats oder der Gewerkschaft abhängt, gemäß §§ 119, 113 InsO unwirksam.389 Eine derartige 381 So auch das LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 101 für die Anwendung des § 119 InsO auf Tarifverträge; vgl. auch Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 119 Rn. 2; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 119 Rn. 6. 382 Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 1; Huber, in: MüKo InsO, § 119 Rn. 2; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 119 Rn. 1. 383 Huber, in: MüKo InsO, § 119 Rn. 2; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 119 Rn. 1. 384 Kubusch, in: Graf-Schlicker, InsO, § 119 Rn. 1; Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 1. 385 § 2 A. III. 3. 386 Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (318). 387 So auch Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (318). 388 Dazu bereits § 1 D. I. 1. a); so auch Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (318). 389 Das ist umstritten, dafür: Müller-Glöge, in: ErfK, InsO, § 113 Rn. 6; LAG Düsseldorf, Urteil vom 18. 11. 2015 – 4 Sa 478/15 – ZIP 2016, 737 (738 f.); Moll, in: FS Pannen (2017), S. 533 (535 ff.); Moll, in: KPB, InsO, 113 Rn. 115 f.; gegen die Unwirksamkeit: BAG, Urteil vom 19. 1. 2000 – 4 AZR 911/98 – juris Rn. 34; ArbG Berlin, Urteil vom 7. 2. 2019 – 41 Ca 4536/18 – BeckRS 2019, 2593, Rn. 62; Annuß, in: HWK, InsO, § 113 Rn. 2; Gossak, in: BeckOK InsO, § 113 Rn. 22.2; Schöne, in: Göpfert/Schöne, Handbuch Arbeitsrecht in Restrukturierung und Insolvenz, S. 317 Rn. 44.

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Klausel wirkt wie eine (befristete) Kündigungssperre, wenn der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis ohne Zustimmung der Gewerkschaft oder des Betriebsrats nicht kündigen und er die Zustimmung nicht erzwingen kann.390 (2) Ausschluss oder Beschränkung der §§ 103 bis 118 InsO durch schuldrechtliche Vereinbarung in einem Tarifvertrag Davon abzugrenzen ist die Frage, ob eine Vereinbarung zum insolvenzbedingten Ende eines Tarifvertrags gemäß § 119 InsO unwirksam sein kann.391 Die schuldrechtlichen Vereinbarungen wirken nicht, wie Tarifnormen, unmittelbar und zwingend auf das Arbeitsverhältnis ein.392 Allerdings beeinflussen die eingangs erwähnten Klauseln gegebenenfalls wie Tarifnormen den Inhalt des von § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO erfassten Arbeitsvertrags.393 So soll durch die Nachverhandlungsklausel der Inhalt der Tarifnormen überprüft werden. Durch die Rückfallklausel soll rückwirkend der Verbandstarifvertrag Anwendung finden, sodass die Arbeitnehmer so gestellt werden, als hätten sie den durch den Sanierungstarifvertrag gewährten Sanierungsbeitrag nicht geleistet. Die Klausel zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund für den Sanierungstarifvertrag führt zumindest dazu, dass zukünftig der Verbandstarifvertrag wieder Anwendung findet. Verändern entsprechende Klauseln also die Tarifnormen über Arbeitsbedingungen, sodass sie sich letztlich auf den Arbeitsvertragsinhalt auswirken und wären entsprechende arbeitsvertragliche Klauseln gemäß §§ 119, 108 InsO unwirksam, müssten auch die tarifvertraglichen Klauseln gemäß § 119 InsO unwirksam sein.394 cc) Zwischenergebnis Zwar kann der Tarifvertrag selbst nicht unter die §§ 103 bis 118 InsO subsumiert werden. Führt eine tarifvertragliche Vereinbarung (egal ob normativ oder schuldrechtlich) allerdings dazu, dass von den §§ 103 bis 118 InsO abgewichen wird, muss diese gemäß § 119 InsO unwirksam sein. Anderenfalls könnte § 119 InsO durch tarifvertragliche Vereinbarungen umgangen werden. Da der Tarifvertrag die Arbeitsverhältnisse gestaltet, kommt insbesondere eine Abweichung von §§ 108 ff. InsO in Betracht. Ist eine arbeitsvertragliche Klausel, die zu einer insolvenzbedingten Loslösung vom Arbeitsverhältnis oder zu einer Arbeitsvertragsänderung führt gemäß § 119 InsO, §§ 108 ff. InsO unwirksam, muss auch eine tarifvertragliche Klausel unwirksam sein, die letztlich zur Loslösung vom Arbeitsverhältnis oder zur

390 Müller-Glöge, in: ErfK, InsO, § 113 Rn. 6; LAG Düsseldorf, Urteil vom 18. 11. 2015 – 4 Sa 478/15 – ZIP 2016, 737 (738 f.); Moll, in: KPB, InsO, 113 Rn. 115 f. 391 Vgl. dazu auch Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (319). 392 Vgl. bereits § 1 D. I. 3. und § 2 A. III. 3. b). 393 Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (319). 394 So auch Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (319).

D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag

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Veränderung des Arbeitsvertragsinhalts führt. Im Folgenden ist daher zu überprüfen, welche arbeitsvertraglichen Klauseln gemäß § 119 InsO unwirksam sind. b) Vereinbarkeit einer insolvenzbedingten Änderungs- oder Lösungsklausel im Arbeitsvertrag mit § 119 InsO Für die Überprüfung, ob eine insolvenzbedingte Klausel im Arbeitsvertrag gemäß § 119 InsO unwirksam ist, muss zwischen einer Lösungsklausel einerseits (aa)) und einer Änderungsklausel andererseits (bb)) unterschieden werden. aa) Unwirksamkeit einer Lösungsklausel gemäß § 119 InsO (1) Begriff der Lösungsklausel Im Insolvenzrecht sind Klauseln, die einer der Parteien für den Fall der Zahlungseinstellung, des Insolvenzantrags oder der Insolvenzverfahrenseröffnung das Recht einräumen, sich vom Vertrag zu lösen oder, die den Vertrag unter die auflösende Bedingung des Eintritts dieser insolvenzbezogenen Umstände stellen als sog. insolvenzbedingte Lösungsklauseln bekannt.395 Sinn und Zweck der Lösungsklausel ist letztlich, dass im Fall des Eintritts der Insolvenz der Vertrag ohne Weiteres (durch einen der Vertragspartner) beendet werden kann. (2) Kein Einwirken der Lösungsklausel auf die Abwicklung gemäß §§ 103 bis 118 InsO? Es ist umstritten, ob eine Lösungsklausel gegen § 119 InsO verstößt und damit unwirksam ist.396 Gemäß § 119 InsO sind Vereinbarungen unwirksam, durch die im Voraus – also vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens397 – die Anwendung der §§ 103 bis 118 ausgeschlossen oder beschränkt wird. Entscheidend ist, dass die insolvenzabhängige Lösungsklausel dazu führt, dass von den Vorgaben der §§ 108 bis 118 InsO abgewichen wird. Unzulässig sind etwa Vereinbarungen, die Arbeitsverträge aus dem Anwendungsbereich des § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO herausnehmen und dem Erfüllungswahlrecht des Insolvenzverwalters zuordnen.398 Die in § 113 Abs. 1 S. 2 InsO genannte Kündigungsfrist von drei Monaten kann nicht 395 Statt vieler: BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – IX ZR 169/11 – NZI 2013, 178 Rn. 9 m. w. N.; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 119 Rn. 10. 396 Ausführlich zum Streit um insolvenzbedingte Lösungsklauseln: Huber, in: MüKo InsO, § 119 Rn. 18 ff. m. w. N. 397 Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 119 Rn. 1; G. Schmidt, in: HK-InsO, § 119 Rn. 1; Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 7; vgl. auch Giesen, in: Jaeger, InsO, § 113 Rn. 164; Hamacher, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 113 Rn. 52; Plössner, in: BeckOK ArbR, InsO, § 113 Rn. 58; Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn. 190; Gossak, in: BeckOK InsO, § 113 Rn. 22. 398 Huber, in: MüKo InsO, § 119, Rn. 68.

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verlängert werden.399 Lösungsklauseln schließen die Anwendung der §§ 103 ff. InsO hingegen nicht direkt aus oder schränken sie ein, sondern beeinflussen faktisch die Ausübung des Wahlrechts, weil sie diesem den Boden entziehen.400 Grundsätzlich muss der Insolvenzverwalter die vom Insolvenzschuldner geschlossenen Verträge in ihrem Bestand so hinnehmen, wie er sie bei Verfahrenseröffnung vorfindet.401 Daraus schlussfolgern Teile der Literatur, dass insolvenzbedingte Lösungsklauseln nicht gemäß § 119 InsO unwirksam seien.402 Lösungsklauseln wirkten nicht auf die Abwicklung i. S. d. §§ 103 bis 118 InsO, sondern vielmehr auf den Bestand bzw. Inhalt vorhandener Verträge ein.403 Das Verfahren könne nicht gewährleisten, Rechtspositionen inhaltlich im Sinn der Masse abzuändern.404 Hierfür sei allein die Insolvenzanfechtung geeignet.405 In Betracht käme dann insbesondere die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 Satz 1 InsO,406 wonach eine Rechtshandlung anfechtbar ist, die der Insolvenzschuldner in den letzten zehn Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Insolvenzschuldners kannte. (3) Masseschutz durch § 119 InsO Der BGH hat in Übereinstimmung mit Teilen des Schrifttums hingegen Lösungsklauseln im Anwendungsbereich des § 103 InsO gemäß § 119 InsO für unwirksam erklärt.407 Die §§ 103 ff. InsO eröffnen dem Insolvenzverwalter die Erfüllungswahl zum Zweck der Massemehrung.408 Dieser Zweck würde vereitelt, wenn sich der Vertragspartner allein wegen der Insolvenz von einem für die Masse 399

Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 119, Rn. 9; Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119, Rn. 100; Hartwig, in: Braun, InsO, § 119 Rn. 6. 400 Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 2. 401 BGH, Urteil vom 15. 12. 2016 – IX ZR 117/16 – NZI 2017, 60 Rn. 12; BGH, Urteil vom 27. 5. 2003 – IX ZR 51/02 – NZI 2003, 491 (493); Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 2. 402 Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 119 Rn. 27 m. w. N. 403 von Wilmowsky, ZIP 2007, 553 (554); Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 119 Rn. 27; vgl. die Zusammenfassung der Argumente für die Zulässigkeit von Lösungsklauseln bei BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – IX ZR 169/11 – NZI 2013, 178 Rn. 11 m. w. N. 404 Jacoby, in: Jaeger, InsO § 119 Rn. 27; von Wilmowsky, ZIP 2007, 553 (554). 405 Jacoby, in: Jaeger, InsO § 119 Rn. 27; von Wilmowsky, ZIP 2007, 553 (555 ff.); i. E. auch Girotto, SAE 2007, 80 (83); zu weiteren Gegenargumenten: BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – IX ZR 169/11 – NZI 2013, 178 Rn. 11 m. w. N. 406 Huber, in: MüKo InsO, § 119 Rn. 55; Ringstmeier, in: K. Schmidt, InsO, § 119 Rn. 19. 407 Für Verträge über fortlaufende Lieferung von Waren und Energie: BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – IX ZR 169/11 – NZI 2013, 178 Rn. 12 ff. m. w. N.; für Werklieferungsverträge: BGH, Urteil vom 14. 9. 2017 – IX ZR 261/15 – NJW 2017, 3369 Rn. 30; vgl. auch Hartwig, in: Braun, InsO, § 119 Rn. 10 ff.; differenzierend für den Schülerbeförderungsvertrag: BGH, Urteil vom 27. 10. 2022 – IX ZR 213/21 – juris Rn. 12 ff. 408 BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – IX ZR 169/11 – NZI 2013, 178 Rn. 13; für Bauverträge: BGH, Urteil vom 7. 4. 2016 – VII ZR 56/15 – NZI 2016, 532 Rn. 25.

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günstigen Vertrag lösen und damit das Wahlrecht des Insolvenzverwalters unterlaufen könnte.409 Es hat keine sanierungsfeindliche Wirkung, wenn man von der Unwirksamkeit der Lösungsklauseln ausgeht.410 Vielmehr hindert die Lösungsklausel Gläubiger daran, einen zu günstigen Bedingungen abgeschlossenen und für die Betriebsfortführung wesentlichen Vertrag kurzfristig zu beenden.411 Um den Zweck des § 119 InsO nicht leerlaufen zu lassen, muss die Norm auch Lösungsklauseln erfassen, die an den Insolvenzantrag oder die Einleitung des Insolvenzverfahrens anknüpfen.412 Eine Klausel, die nicht an den Tatbestand der Insolvenz, sondern an einen anderen Umstand, wie das „Scheitern der Sanierung“ anknüpft, ist hingegen nicht gemäß § 119 InsO unwirksam.413 § 119 InsO erfasst ausschließlich Klauseln, die auf das Insolvenzverfahren Bezug nehmen.414 (4) Unwirksamkeit einer Lösungsklausel im Arbeitsverhältnis wegen der Anordnung des Fortbestands von Arbeitsverhältnissen mit Wirkung für die Insolvenzmasse Im Gegensatz zu § 103 InsO regelt § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO ausdrücklich, dass Dauerschuldverhältnisse und damit auch Arbeitsverträge über die Insolvenzverfahrenseröffnung hinaus fortbestehen. Das Gesetz enthält mit der Anordnung des Fortbestands von Dauerschuldverhältnissen daher ein ausdrückliches Verbot von Lösungsklauseln.415 Wären Klauseln zulässig, die das automatische Ende des Arbeitsvertrags bei Insolvenzverfahrenseröffnung einer Partei bestimmen, könnten Vereinbarungen getroffen werden, die das kontradiktorische Gegenteil zu § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO bilden.416 § 119 InsO schützt zwingend das Recht des Insolvenzverwalters, das Arbeitsverhältnis nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortführen zu können. Ohne Arbeitnehmer könnte der Insolvenzverwalter den In409

BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – IX ZR 169/11 – NZI 2013, 178 Rn. 13. BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – IX ZR 169/11 – NZI 2013, 178 Rn. 14. 411 Dazu und zu weiteren Argumenten: BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – IX ZR 169/11 – NZI 2013, 178 Rn. 14 ff.; kritische Analyse der Rechtsprechung etwa bei: Huber, in: MüKo InsO, § 119 Rn. 28 ff.; Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 119 Rn. 11 ff.; Foerste, ZInsO 2015, 601. 412 BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – IX ZR 169/11 – NZI 2013, 178 Rn. 17 ff. 413 BAG, Urteil vom 17. 11. 2005 – IX ZR 162/04 – NZI 2006, 229 Rn. 25 ff. Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (310); Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 119 Rn. 3; Huber, in: MüKo InsO, § 119 Rn. 19. 414 BAG, Urteil vom 17. 11. 2005 – IX ZR 162/04 – NZI 2006, 229 Rn. 25 ff. Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (310); Andres, in: Andres/Leithaus, InsO, § 119 Rn. 3; Huber, in: MüKo InsO, § 119 Rn. 19. 415 Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 169; Huber, in: MüKo InsO, § 119 Rn. 69; Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn. 190; G. Schmidt, in: HK-InsO, § 108 Rn. 64; Ringstmeier, in: K. Schmidt, InsO, § 119 Rn. 17; Ahrendt, in: HambKomm, InsO, § 119 Rn. 5; Wegener, in: FK-InsO, § 119 Rn. 15; für den Mietvertrag vgl. BGH, Urteil vom 22. 10. 2013 – II ZR 394/ 12 – NZI 2014, 25 Rn. 13; a. A. Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 119 Rn. 44. 416 Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 169; Huber, in: MüKo InsO, § 119 Rn. 69; Zobel, in: Uhlenbruck, InsO, § 113 Rn. 190; Wegener, in: FK-InsO, § 119 Rn. 15; G. Schmidt, in: HK-InsO, § 108 Rn. 64; für den Mietvertrag vgl. BGH, Urteil vom 22. 10. 2013 – II ZR 394/ 12 – NZI 2014, 25 Rn. 13; a. A. Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 119 Rn. 44. 410

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solvenzschuldner nicht sanieren.417 Eine Lösungsklausel, die das automatische Ende des Arbeitsvertrags vorsieht oder dem Arbeitnehmer ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall der Insolvenz einräumt, muss nach Sinn und Zweck der § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 119 InsO daher unwirksam sein, um die Gläubigergemeinschaft vor dem frühzeitigen Verlust eines wichtigen Vertragspartners zu schützen.418 (5) Kein Schutz des Vertragspartners § 119 InsO schützt hingegen nicht die Rechte des Vertragspartners, auch wenn dieser Schutz teilweise durch §§ 103 ff. InsO bezweckt wird und § 119 InsO der Durchsetzung der §§ 103 ff. InsO dient.419 Der zwingende Schutz eines einzelnen Vertragspartners zulasten der Masse widerspricht dem Ziel des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger gleichmäßig zu befriedigen (§ 1 Satz 1 InsO).420 Prämisse für die Anwendung von § 119 InsO muss vielmehr sein, dass die Vereinbarung die Masse belastet.421 Im Übrigen bleibt es den Parteien im Rahmen der Privatautonomie überlassen, „wohl erwogen anderes zu vereinbaren, soweit die gesetzliche Mindestposition der Masse dadurch nicht geschmälert wird.“422 Wird im Arbeitsvertrag also lediglich dem Insolvenzschuldner ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt, so ist die Klausel nicht gemäß § 119 InsO unwirksam, weil die Rechte des Insolvenzverwalters und damit die Rechte der Gläubigergemeinschaft dadurch nicht eingeschränkt werden. Deshalb ist auch etwa nur eine Verlängerung der Kündigungsfrist des § 113 Abs. 1 Satz 2 InsO für das Arbeitsverhältnis unwirksam, nicht hingegen eine Verkürzung.423 (6) Zwischenergebnis Arbeitsvertragliche Lösungsklauseln, die dem Arbeitnehmer für den Fall der Zahlungseinstellung, des Insolvenzantrags oder der Insolvenzverfahrenseröffnung das Recht einräumen, sich vom Arbeitsvertrag zu lösen oder, die den Vertrag unter 417

Vgl. bereits § 1 C. II. 1. Zum Sinn und Zweck der § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 119 InsO vgl. § 3 D. III. 1. b) aa) (3); Prütting, in: FS Gerhardt (2004), S. 761 (771 f.) für die Dauerschuldverhältnisse Miet-, Pacht- und Leasingverträge. 419 So die h. M.: Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 58; Spliedt, in: Flöther, StaRUG, § 44 Rn. 4.; Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 119 Rn. 7; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, § 119 Rn. 7 ff.; eine teleologische Reduktion des § 119 InsO annehmend Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 119 Rn. 1, 4, § 104 Rn. 12; BGH, Urteil vom 15. 11. 2012 – IX ZR 169/11 – NJW 2013, 1159 Rn. 19; Wegener, in: FK-InsO, § 106 Rn. 26; a. A. Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 1.2. 420 Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 119 Rn. 1, 4, § 104 Rn. 12; Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 58. 421 Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 119 Rn. 1, 4, § 104 Rn. 12. 422 Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 58. 423 Vgl. etwa Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 119 Rn. 7; Balthasar, in: Nerlich/Römermann, § 119 Rn. 7 ff. 418

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die auflösende Bedingung des Eintritts dieser insolvenzbezogenen Umstände stellen, sind daher gemäß §§ 119, 108 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam. bb) Unwirksamkeit einer insolvenzbedingten Arbeitsvertragsänderung gemäß § 119 InsO In der Literatur wird die Ansicht vertreten, dass nicht nur eine Lösungsklausel, sondern auch eine Klausel, die eine Arbeitsvertragsänderung vorsieht und die spezifisch auf den Insolvenzfall zielt, gemäß § 119 InsO unwirksam sein kann.424 In Anbetracht des Schutzzwecks des § 119 InsO muss allerdings differenziert werden zwischen einer Arbeitsvertragsänderung zugunsten und zulasten der Masse. (1) Arbeitsvertragsänderung zugunsten der Masse § 119 InsO schützt die Insolvenzmasse.425 Wäre eine Regelung gemäß § 119 InsO unwirksam, die die Masse entlastet, etwa weil die Höhe des Arbeitsentgelts im Fall der Insolvenz reduziert werden soll,426 würde das dem Zweck der Gläubigerbefriedigung des Insolvenzverfahrens widersprechen. § 119 InsO schützt nicht den einzelnen Vertragspartner zulasten der Masse.427 Eine Sanierung und damit eine Fortführung des Unternehmens wird dadurch sogar gefördert, weshalb auch die Rechte des Insolvenzverwalters nicht eingeschränkt werden. Deshalb ist eine Vereinbarung, die dem Arbeitnehmer im Insolvenzfall einen geringeren Entgeltanspruch zuspricht, nicht gemäß § 119 InsO unwirksam. (2) Arbeitsvertragsänderung zulasten der Masse § 119 InsO schützt die Rechte des Insolvenzverwalters, damit die Masse gemehrt werden kann und die Gläubiger bestmöglich befriedigt werden können.428 Wird die Insolvenz also zum Anlass genommen, dem Arbeitnehmer bessere Vertragskonditionen zu gewähren, ihm etwa einen höheren Entgeltanspruch zuzugestehen, könnte man argumentieren, dass die Insolvenzmasse dadurch belastet wird, womit auch die Rechte des Insolvenzverwalters eingeschränkt werden, sodass eine etwaige Vereinbarung – ebenso wie eine Lösungsklausel – gemäß § 119 InsO unwirksam sein muss.429 424 Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (318); Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 115 ff. für Vereinbarungen über verlängerte Arbeitszeiten und erhöhte Entgelte; vgl. allgemein zu Vertragsänderungen Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 170; Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 17 f. 425 § 3 D. III. 1. b) aa) (3) und § 3 D. III. 1. b) aa) (5). 426 So aber Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (311 f.). 427 § 3 D. III. 1. b) aa) (5). 428 § 3 D. III. 1. b) aa) (3). 429 Vgl. dazu Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 115 ff.; Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 170; Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 17.1.

132 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

Das BAG erklärte hingegen in einer Entscheidung aus dem Jahr 2006 eine arbeitsvertragliche Vereinbarung für wirksam, wonach mangels Arbeitsanfalls durch eine Teilzeitvereinbarung die Arbeitszeit und das Entgelt zunächst einvernehmlich herabgesetzt werden, die Arbeitnehmerin bei Insolvenz für die letzten 12 Monate vor ihrem Ausscheiden bezüglich der monatlichen Vergütung jedoch so gestellt werden sollte, wie sie ohne diese Teilzeitvereinbarung gestanden hätte.430 Ähnlich wie im Rahmen der eingangs erwähnten tarifvertraglichen Rückfallklausel sollte die Arbeitnehmerin durch die arbeitsvertragliche Rückfallklausel431 im Fall der Insolvenz einen – im Vergleich zur Teilzeitvereinbarung – erhöhten Entgeltanspruch auf Grundlage der zuvor bestehenden und nun wieder einschlägigen Vollzeitvereinbarung erhalten und zwar rückwirkend für die letzten 12 Monate. Obschon es sich hierbei um eine die Masse belastende Vereinbarung handelt, ging das BAG davon aus, dass die Vereinbarung – wegen des Sanierungszwecks und ihrer Sanierungseignung – weder der Insolvenzanfechtung unterliege noch sittenwidrig sei.432 Allerdings überprüfte das Gericht die Vereinbarung nicht anhand des § 119 InsO. Ist eine Klausel jedoch bereits gemäß § 119 InsO unwirksam, kommt es weder auf die Anfechtungsvorschriften noch auf § 138 BGB an.433 Im Folgenden soll daher untersucht werden, ob Vereinbarungen, die Arbeitsvertragsänderungen zulasten der Masse für den Insolvenzfall vorsehen, gemäß § 119 InsO unwirksam sind. (a) Einordnung als Lösungsklausel? Ist eine arbeitsvertragliche Vereinbarung zur Änderung des Arbeitsvertragsinhalts als Lösungsklausel einzuordnen, ist sie gemäß § 119 InsO unwirksam. Für Lösungsklauseln ergibt sich nämlich die Beschränkung des Rechts des Insolvenzverwalters bereits aus der Lösungsmöglichkeit selbst.434 Ein potenziell für die Masse günstiger Vertrag kann überhaupt nicht fortgeführt werden. Deshalb ist eine Lösungsklausel gemäß § 119 InsO unwirksam.435 Je nach Ausgestaltung der Klausel ist gegebenenfalls zu überprüfen, ob eine insolvenzbedingte Klausel, die zur Arbeitsvertragsänderung führt, als insolvenzbedingte Lösungsklausel eingeordnet werden kann.436 In der Regel soll das Arbeitsverhältnis durch insolvenzbedingte Arbeitsvertragsänderungsklauseln allerdings nicht beendet werden, wenngleich es sich hierbei um die Änderung wesentlicher Arbeitsbedingungen handelt.437 430

BAG, Urteil vom 19. 1. 2006 – 6 AZR 529/04 – NZI 2007, 58. So bezeichnet von Berger, ZInsO 2016, 2111 (2118). Girotto, SAE 2007, 80 (84) verwendet den Begriff der Wiederherstellungsklausel, allerdings nur für den Fall der Bezugnahme auf eine erfolgreiche Sanierung. 432 BAG, Urteil vom 19. 1. 2006 – 6 AZR 529/04 – NZI 2007, 58 Rn. 30 ff. 433 Foerste, ZInsO 2015, 601 (611 f.); Sinz, in: Uhlenbruck, InsO, § 119 Rn. 26; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. 11. 1993 – IX ZR 257/92 – NJW 1994, 449 (450). 434 Vgl. Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 17.1. 435 Vgl. dazu § 3 D. III. 1. b) aa) (3). 436 Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 170. 437 So Girotto, SAE 2007, 80 (81). 431

D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag

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(b) Passivamehrung durch höhere Masseansprüche § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO legt mit der Anordnung des Fortbestands des Arbeitsvertrags einen identischen Vertragsinhalt vor und im Verfahren zugrunde.438 Das Recht des Insolvenzverwalters gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO auf unveränderte Fortführung des Arbeitsvertrags wird grundsätzlich auch dann eingeschränkt, wenn der Insolvenzverwalter im Fall einer insolvenzbedingten Arbeitsvertragsänderung den Arbeitsvertrag zwar fortführen kann, einzelne Arbeitsbedingungen aber inhaltlich so umgestaltet werden, dass die Fortführung des Vertrags wirtschaftlich unattraktiv ist und einer Sanierung dadurch entgegenstehen.439 Eine solche Klausel widerspricht dem Sinn und Zweck des § 119 InsO, die Rechte des Insolvenzverwalters und letztlich die Masse zu schützen. Sie muss daher gemäß § 119 InsO, § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam sein, auch wenn nicht der Forderungsrang zu Ungunsten der Gläubiger verändert wird,440 sondern den Arbeitnehmern höhere Masseansprüche eingeräumt werden, weil ihnen höhere Entgeltansprüche zustehen oder sie Sonderzahlungen erhalten.441 Es handelt sich um eine für die Insolvenzmasse ungerechtfertigte Verschlechterung der Vertragsbedingungen im Insolvenzfall.442 (c) Passivamehrung durch Geltendmachung von Rückständen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Insolvenz- oder Masseforderung Soll dem Arbeitnehmer durch eine insolvenzbedingte Klausel rückwirkend der volle Entgeltanspruch als Masseanspruch zustehen, führt die Klausel im Ergebnis nicht nur dazu, dass dem Arbeitnehmer höhere Masseansprüche zustehen, sondern auch, dass Rückstände aus der Zeit vor Insolvenzverfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten eingeordnet werden. Dadurch würde der Forderungsrang zu Ungunsten der Gläubiger verändert,443 weshalb die Klausel gemäß § 108 Abs. 3 InsO, § 119 InsO unwirksam sein müsste.444 Selbst wenn die Klausel nur bezwecken soll, dass der Arbeitnehmer den Teil des Entgeltanspruchs, auf den er zunächst verzichtet hat, nur als Insolvenzforderung geltend machen können soll, könnte die Klausel unwirksam sein.445 Gemäß § 105 Satz 2 InsO ist der Vertragspartner nämlich nicht berechtigt, wegen der Nichter438

Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 170; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 115 ff. Vgl. Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 2. 440 Vgl. zur Fallgruppe der Passivamehrung: Hartwig, in: Braun, InsO, § 119 Rn. 7; Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119, Rn. 103, 170; Huber, in: MüKo InsO, § 119, Rn. 68. 441 Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 170; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 115 ff.; Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 17 f.; a. A. Girotto, SAE 2007, 80 (82). 442 Vgl. Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 17 f. 443 Vgl. zur Fallgruppe der Passivamehrung: Hartwig, in: Braun, InsO, § 119 Rn. 7; Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119, Rn. 103, 170; Huber, in: MüKo InsO, § 119, Rn. 68. 444 Huber, in: MüKo InsO, § 119, Rn. 68; vgl. auch LAG Düsseldorf, Urteil vom 29. 1. 1998 – 2 (14) Sa 1417/97 – NZA-RR 1998, 450. 445 Vgl. auch LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 102. 439

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füllung seines Anspruchs auf die Gegenleistung die Rückgabe einer vor der Eröffnung des Verfahrens in das Vermögen des Insolvenzschuldners übergegangenen Teilleistung aus der Insolvenzmasse zu verlangen.446 § 105 Satz 2 InsO bezweckt, dass jede vor Verfahrenseröffnung in die Masse gelangte Leistung dort verbleiben muss.447 Vereinbarungen, die das Rückforderungsverbot durch eine auflösende Bedingung zu umgehen versuchen, sind unwirksam, wenn als Bedingung die Verfahrenseröffnung oder die infolge der Insolvenzverfahrenseröffnung eintretende Nichtzahlung vereinbart ist.448 Anders als i. R. d. § 108 Abs. 3 InsO kann der Vertragspartner rückständige Forderungen gemäß § 105 Satz 2 InsO nicht nur nicht als Masseforderungen, sondern überhaupt nicht geltend machen.449 Es wird die Ansicht vertreten, dass § 105 Satz 2 InsO für jegliche Rechtsverhältnisse anzuwenden ist.450 § 105 Satz 2 InsO hat nach herrschender Meinung deklaratorischen Charakter und trägt dem übernommenen Insolvenzrisiko Rechnung.451 Soll der Arbeitnehmer also zunächst auf seine Ansprüche verzichten und erlöschen diese dadurch (§ 397 Abs. 1 BGB), gelangt durch den Forderungsverzicht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Vermögenswert als Teilleistung in das Vermögen des Insolvenzschuldners, der nach Insolvenzverfahrenseröffnung infolge der auflösenden Bedingung der Masse wieder genommen wird.452 (3) Zwischenergebnis Insolvenzbedingte Arbeitsvertragsänderungen sind gemäß § 119 InsO unwirksam, wenn sie zulasten der Masse erfolgen. Das gilt sowohl, wenn dem Arbeitnehmer dadurch für die Zukunft höhere Masseansprüche zustehen, als auch, wenn durch die insolvenzbedingte Klausel Rückstände aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masse- oder Insolvenzforderungen geltend gemacht werden sollen. c) Rechtsfolgen für insolvenzbedingte Klauseln in einem Tarifvertrag Arbeitsvertragliche Vereinbarungen, die eine Loslösung vom Arbeitsverhältnis oder eine Arbeitsvertragsänderung zulasten der Masse im Insolvenzfall vorsehen, sind also gemäß § 119 InsO unwirksam. Anders als Tarifnormen gestalten die ein446

Zur Überprüfung der tarifvertraglichen Rückfallklausel anhand des § 105 Satz 2 InsO: LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 102. 447 Balthasar, in: Nerlich/Römermann, § 105 Rn. 11; Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 105 Rn. 30; Huber, in: MüKo InsO, § 105 Rn. 38. 448 Vgl. dazu LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 102 m. w. N. 449 So Knof, in: Uhlenbruck, InsO, § 105 Rn. 32 m. w. N.; a. A. Marotzke, in: HK-InsO, § 105 Rn. 21 m. w. N. 450 Tintelnot, in: KPB, InsO, § 105 Rn. 13; LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 102 m. w. N. 451 Tintelnot, in: KPB, InsO, § 105 Rn. 13; Jacoby, in: Jaeger, InsO, § 105 Rn. 57; Marotzke, in: HK-InsO, § 105 Rn. 21. 452 So auch LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 102.

D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag

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gangs erwähnten Klauseln das Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar. Eine tarifvertragliche Klausel, die die Beendigung oder Änderung des Tarifvertrags im Insolvenzfall vorsieht, kann sich allerdings auf den Arbeitsvertragsinhalt auswirken. Eine solche Klausel muss gemäß § 119 InsO unwirksam sein, wenn der Arbeitsvertragsinhalt zulasten der Masse verändert wird. Im Hinblick auf den Schutzzweck des § 119 InsO kann der Anlass der Änderung des Arbeitsvertragsinhalts nicht entscheidend sein.453 Im Folgenden werden die eingangs erwähnten tarifvertraglichen Klauseln daher im Einzelnen auf ihre Wirksamkeit gemäß § 119 InsO überprüft. aa) Klausel zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund Durch eine Klausel, die der Gewerkschaft ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags einräumt, wird der Arbeitsvertragsinhalt allerdings in der Regel nicht verändert. Die Tarifnormen wirken nach § 4 Abs. 5 TVG weiterhin unmittelbar, wenn auch nicht mehr zwingend. Die Nachwirkung verhindert, dass der bloße Tarifentfall das Arbeitsverhältnis inhaltlich verändert.454 Die Parteien können auf den Überbrückungsschutz verzichten, wenn die Arbeitnehmer bei Wegfall des Tarifvertrags hinreichend geschützt sind.455 Die Masse wird gegebenenfalls nur dann belastet, wenn die Anordnung der insolvenzabhängigen Kündbarkeit eines Tarifvertrags bewirkt, dass dessen Normen durch anderslautende Regelungen eines anderen Tarifvertrags ersetzt werden, dessen Schutzniveau für den Arbeitnehmer höher ist, sodass den Arbeitnehmern höhere Masseansprüche zustehen.456 Das ist z. B. der Fall, wenn die Gewerkschaft den Sanierungstarifvertrag im Fall der Insolvenz außerordentlich kündigen können soll, die Nachwirkung ausgeschlossen ist und dadurch die Regelungen des – während der Geltung des Sanierungstarifvertrags verdrängten – Verbandstarifvertrags wieder Anwendung finden. Die tarifvertragliche Klausel zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund ist daher nur gemäß §§ 119, 108 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam, wenn sie der Gewerkschaft ein außerordentliches Kündigungsrecht einräumt, die Nachwirkung ausgeschlossen ist und der Tarifvertrag durch die Kündigung durch einen anderen – zunächst verdrängten – Tarifvertrag ersetzt wird, dessen Schutzniveau für die Arbeitnehmer höher ist. bb) Rückfallklausel Mit der Wirksamkeit einer Rückfallklausel gemäß § 119 InsO hat sich das LAG Hamm in einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 auseinandergesetzt. Um die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu überbrücken, wurden drei Ergänzungstarifverträge 453

Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (319); vgl. bereits § 3 D. III. 1. a) bb) (2). Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (319). 455 BAG, Urteil vom 16. 5. 2012 – 4 AZR 366/10 – NZA 2013, 220 Rn. 36 ff.; Löwisch/ Rieble, TVG, § 4 Rn. 858 ff. m. w. N. 456 A. A. Giesen, in: FS Preis (2021), S. 305 (319), der die Anwendung des § 119 InsO nicht auf eine Arbeitsvertragsänderung zulasten der Masse beschränkt. 454

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zum – für die Insolvenzschuldnerin – geltenden Verbandstarifvertrag geschlossen. Im 3. Ergänzungstarifvertrag sollten unter anderem betriebliche Sonderzahlungen und Zahlungen eines zusätzlichen Urlaubsgeldes des Flächentarifvertrags ausgesetzt werden und ein tariflicher Rechtsanspruch hierauf entfallen. Ferner enthielt der Ergänzungstarifvertrag eine Rückfallklausel mit folgendem und dem bereits eingangs erwähnten Wortlaut: „Der Tarifvertrag ist auflösend bedingt für den Fall, dass die Geschäftsführung den Insolvenzantrag beim zuständigen Amtsgericht stellt. Mit diesem Zeitpunkt tritt dieser Tarifvertrag rückwirkend außer Kraft, mit der Folge, dass die gesamten Verzichtserklärungen unwirksam werden und durchgängig die einschlägigen Flächentarifverträge Geltung gehabt hätten. Die sich daraus ergebenden Forderungen werden sofort fällig.“457

Die Literatur hat zur Wirksamkeit etwaiger tarifvertraglicher Rückfallklauseln bisher nur am Rande Stellung genommen und scheint von deren Wirksamkeit auszugehen.458 (1) Höhere Masseansprüche für die Zukunft Rückfallklauseln unterscheiden sich von Vereinbarungen, die der Gewerkschaft im Insolvenzfall ein Recht zur außerordentlichen Kündigung einräumen, dadurch, dass der Verbandstarifvertrag infolge der auflösenden Bedingung rückwirkend Anwendung finden soll und die Verzichtserklärungen aus dem Sanierungstarifvertrag unwirksam werden. Der Eintritt der auflösenden Bedingung wirkt sich daher unmittelbar auf das Arbeitsverhältnis aus. Die Arbeitnehmer sollen rückwirkend mit Insolvenzverfahrenseröffnung so gestellt werden, als hätte es den Sanierungstarifvertrag nicht gegeben. Stehen den Arbeitnehmern infolge der Rückfallklausel für die Zukunft höhere Masseansprüche zu, weil der Verbandstarifvertrag mit höheren Entgeltansprüchen für die Arbeitnehmer infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (wieder) Anwendung finden soll, verändert sich der Arbeitsvertragsinhalt durch die Rückfallklausel zulasten der Masse, sodass die Klausel – ebenso wie die Klausel zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund – gemäß §§ 119, 108 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam sein muss.459 Hierauf ist das LAG Hamm nicht eingegangen. (2) Möglichkeit der Geltendmachung von Rückständen aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Infolge der Rückfallklausel sollen den Arbeitnehmern ferner für die Vergangenheit „wieder aufgelebte“ tarifliche Ansprüche aus dem Verbandstarifvertrag zustehen. Würden die Tarifvertragsparteien festlegen, dass die Arbeitnehmer diese Ansprüche als Masseforderungen geltend machen können, wäre die Vereinbarung 457

LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 49 und 101 ff.; § 3 D. I. Moll, in; HMB, TVG, Teil 12 Rn. 49 ff.; Beck, Der Sanierungstarifvertrag, S. 75. 459 Vgl. für Arbeitsverhältnisse § 3 D. III. 1. b) bb) (2) (b).

458

D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag

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gemäß §§ 119, 108 Abs. 3 InsO unwirksam.460 Das ergibt sich aus der hier relevanten Rückfallklausel nicht. Es ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den tariflichen Ansprüchen den Rang einer Insolvenzforderung einräumen wollen, weil die Arbeitnehmer letztlich so gestellt werden sollen, wie sie ohne den Sanierungstarifvertrag stünden.461 Selbst dann ist die Klausel allerdings gemäß §§ 119, 105 Satz 2 InsO unwirksam, weil die Ansprüche durch einen Verzicht vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens zunächst erloschen und damit in das Vermögen des Insolvenzschuldners gelangt sind.462 § 105 Satz 2 InsO bezweckt, dass jede vor Verfahrenseröffnung in die Masse gelangte Leistung dort verbleiben muss.463 Etwas anderes kann man nur annehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass auf die Ansprüche aus dem Verbandstarifvertrag nicht verzichtet, ihr Fälligkeitszeitpunkt vielmehr lediglich verschoben werden sollte. Es ist möglich, den Fälligkeitszeitpunkt von einer Bedingung abhängig zu machen464 und im Sanierungstarifvertrag nur auf die Auszahlung entsprechender Sonderzahlungen zu verzichten.465 Dann sind die tariflichen Ansprüche aus dem Verbandstarifvertrag niemals erloschen, sodass auch kein Vermögenswert in die Masse gelangt ist, der dort verbleiben muss. Die Rückfallklausel wäre allerdings weiterhin gemäß §§ 119, 108 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam. cc) Nachverhandlungsklausel Nachverhandlungsklauseln sind nicht gemäß § 119 InsO unwirksam, selbst wenn sie an den Tatbestand der Insolvenz und nicht an eine wesentliche Änderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen anknüpfen. Der Tarifvertrag wird dann nicht wegen der Klausel, sondern erst durch Vereinbarungen geändert, die Ergebnisse der Nachverhandlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind. Gemäß § 119 InsO sind jedoch nur Vereinbarungen unwirksam, durch die im Voraus – also vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens466 – die Anwendung der §§ 103 bis 118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt werden. Die Nachverhandlungsklausel, die an den Tatbestand der Insolvenz anknüpft, ist also selbst dann nicht gemäß § 119 InsO unwirksam, wenn sich infolge der Nachverhandlung über den Inhalt des Tarifvertrags der Arbeitsvertragsinhalt zulasten der Masse verändert. 460

Vgl. für Arbeitsverhältnisse § 3 D. III. 1. b) bb) (2) (c). So auch LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 103. 462 Vgl. für Arbeitsverhältnisse § 3 D. III. 1. b) bb) (2) (c); vgl. auch LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 102. 463 Vgl. für Arbeitsverhältnisse § 3 D. III. 1. b) bb) (2) (c). 464 Krüger, in: MüKo BGB, § 271 Rn. 8; Krafka, in: BeckOGK BGB (Stand: 1. 10. 2022), § 271 Rn. 39. 465 Vgl. dazu LAG Düsseldorf, Urteil vom 29. 1. 1998 – 2 (14) Sa 1417/97 – NZA-RR 1998, 450 (451). 466 Dazu bereits unter § 3 D. III. 1. b) aa) (1). 461

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dd) Exkurs: Tarifnormen Enthält der Tarifvertrag Normen, die dem Arbeitnehmer für den Fall der Insolvenz ein außerordentliches Kündigungsrecht hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses einräumen, das Arbeitsverhältnis unter die auflösende Bedingung der Insolvenz des Arbeitgebers stellen oder die dem Arbeitnehmer höhere Entgeltansprüche im Insolvenzfall zugestehen, sind diese Tarifnormen ebenso unwirksam (§§ 119, 108 InsO), wie die tarifvertragliche Vereinbarung einer längeren als der dreimonatigen Kündigungsfrist für das Arbeitsverhältnis (§§ 119, 113 InsO). 2. Insolvenzbedingte Klauseln im Rahmen einer Sanierungsvereinbarung a) Das Sanierungsprivileg im Anfechtungsrecht Insolvenzbedingte Arbeitsvertragsänderungen zulasten der Masse sind grundsätzlich gemäß § 119 InsO unwirksam. Allerdings ordnet das BAG in der Entscheidung aus dem Jahr 2006 die auflösend bedingte Teilzeitvereinbarung als eine Sanierungsvereinbarung ein, deren besonderer Charakter dazu führen soll, dass keine objektive Gläubigerbenachteiligung vorliegt.467 Ähnlich argumentiert das LAG Hamm in der Entscheidung aus dem Jahr 2005, in der u. a. die Wirksamkeit einer tarifvertraglichen Rückfallklausel anhand des § 119 InsO überprüft wurde.468 Der im Tarifvertrag durch die Rückfallklausel vereinbarte auflösend bedingte Forderungsverzicht diene nicht dazu, der Masse Mittel zu entziehen, sondern die Sanierung zu unterstützen.469 Wenn die Tarifvertragsparteien zur Erhaltung des Betriebs und zur Sicherung der Arbeitsplätze Ansprüche auf tarifliche Leistungen zu Lasten der Arbeitnehmer völlig streichen, dann müssten sie – so das LAG Hamm – auch die Möglichkeit zur Korrektur haben.470 Im Folgenden wird untersucht, welche Auswirkung der Sanierungscharakter einer Vereinbarung auf die Wirksamkeit einer insolvenzbedingten Klausel hat. aa) Anderer Charakter einer Sanierungsvereinbarung Lösungsklauseln oder Vertragsänderungsklauseln in Vereinbarungen, die einen Sanierungszweck verfolgen, haben einen anderen Charakter, als Vereinbarungen, die lediglich darauf abzielen, der Insolvenzmasse Mittel zu entziehen.471 Eine Sanie467

BAG, Urteil vom 19. 1. 2006 – 6 AZR 529/04 – NZI 2007, 58 Rn. 34. LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 101 ff.; vgl. dazu bereits § 3 D. III. 1. c) bb). 469 LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 103. 470 LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 103. 471 Berger, ZInsO 2016, 2111 (2118); vgl. auch Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 170; Berberich, in: BeckOK InsO, § 119 Rn. 17 f.; LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 103. 468

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rungsvereinbarung würde nicht zustande kommen, wenn sie nicht unter den Vorbehalt der Sanierung gestellt würde.472 Im Insolvenzanfechtungsrecht entfällt nach herrschender Meinung eine objektive Benachteiligung bzw. der Benachteiligungsvorsatz,473 wenn die angefochtene Rechtshandlung Bestandteil eines ernsthaften, letztlich aber fehlgeschlagenen Sanierungsversuchs ist.474 Nach der (neueren) Rechtsprechung des BGH sind aber nicht alle von vorneherein nicht aussichtslos erscheinenden Sanierungsbemühungen geeignet, eine (objektive) Benachteiligung der Gläubiger und damit der Masse auszuschließen.475 Vielmehr muss die Sanierungsbemühung Teil eines Sanierungskonzeptes sein, sodass objektiv davon ausgegangen werden kann, dass die Gläubiger durch eine etwaige Vereinbarung nicht schlechter gestellt werden.476 Im Folgenden werden die einzelnen Voraussetzungen eines Sanierungskonzepts vorgestellt, um sodann zu überprüfen, ob das Sanierungsprivileg auf § 119 InsO übertragen werden kann und ob die Anforderungen an den Sanierungsversuch auch für arbeitsrechtliche Sanierungsvereinbarungen einzuhalten sind. bb) Inhaltliche Anforderungen an einen Sanierungsversuch zum Ausschluss der objektiven Gläubigerbenachteiligung im Insolvenzanfechtungsrecht Voraussetzung für einen Sanierungsversuch, der die objektive Gläubigerbenachteiligung ausschließt, ist, dass zur Zeit der angefochtenen Handlung ein schlüssiges, von den tatsächlichen Gegebenheiten ausgehendes Sanierungskonzept vorlag, das mindestens in den Anfängen schon in die Tat umgesetzt war und ernsthafte und begründete Aussicht auf Erfolg rechtfertigte.477 Für die Frage der 472

Berger, ZInsO 2016, 2111 (2118). Voraussetzung aller Anfechtungstatbestände ist die objektive Gläubigerbenachteiligung; ein Benachteiligungsvorsatz ist nur i. R. d. § 133 InsO erforderlich, vgl. dazu Borries/ Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 159; Kayser/Freudenberg, in: MüKo InsO, § 129 Rn. 76. 474 BGH, Urteil vom 14. 6. 2018 – IX ZR 22/15 – NZI 2018, 840 Rn. 9; BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 14 ff. m. w. N.; Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 226; Thole, in: KPB, InsO, § 129 Rn. 60; Rogge/Leptien, in: HambKomm, InsO, § 129 Rn. 114. 475 So noch BGH, Urteil vom 18. 7. 2002 – IX ZR 480/00 – ZIP 2002, 1540 (1541) m. w. N.; scheinbar auch BAG, Urteil vom 19. 1. 2006 – 6 AZR 529/04 – NZI 2007, 58 Rn. 34. 476 BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 16; BGH, Urteil vom 14. 6. 2018 – IX ZR 22/15 – NZI 2018, 840 Rn. 10; BGH, Urteil vom 21. 2. 2013 – IX ZR 52/ 10 – NZI 2013, 500 Rn. 11 m. w. N.; BGH, Urteil vom 18. 7. 2002 – IX ZR 480/00 – ZIP 2002, 1540 (1541); BGH, Urteil vom 12. 11. 1992 – IX ZR 236/91 – NJW-RR 1993, 238 (241); Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 226; Thole, in: HK-InsO, § 129 Rn. 62. 477 BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 16; BGH, Urteil vom 14. 6. 2018 – IX ZR 22/15 – NZI 2018, 840 Rn. 10; BGH, Urteil vom 21. 2. 2013 – IX ZR 52/ 10 – NZI 2013, 500 Rn. 11 m. w. N.; BGH, Urteil vom 18. 7. 2002 – IX ZR 480/00 – ZIP 2002, 1540 (1541); BGH, Urteil vom 12. 11. 1992 – IX ZR 236/91 – NJW-RR 1993, 238 (241); Borries/Hirte, in: Uhlenbruck, InsO, § 129 Rn. 226; Thole, in: HK-InsO, § 129 Rn. 62. 473

140 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

Erkennbarkeit und für die Prognose der Durchführbarkeit ist auf die Beurteilung eines unvoreingenommenen branchenkundigen Fachmanns abzustellen, dem die vorgeschriebenen oder üblichen Buchhaltungsunterlagen zeitnah vorliegen.478 Ein schlüssiges Sanierungskonzept setzt nicht notwendigerweise die Einbeziehung sämtlicher Gläubiger voraus.479 Ausreichend sind umfangreiche Forderungsverzichte der Hauptgläubiger, die dem Insolvenzschuldner neue Liquidität verschaffen, sodass er die übrigen Gläubiger vollständig befriedigen kann.480 Das Sanierungskonzept muss folgende Punkte enthalten: (1) eine Analyse der Verluste; (2) die Möglichkeit der künftigen Vermeidung der Verluste; (3) eine Beurteilung der Erfolgsaussichten und der Rentabilität des Unternehmens in Zukunft; (4) Maßnahmen zur Beseitigung oder Vermeidung der (drohenden) Insolvenzreife.481 Soll die Insolvenzreife durch einen Sanierungsvergleich beseitigt bzw. vermieden werden, muss zumindest Folgendes festgestellt werden: (1) die Art und Höhe der Verbindlichkeiten; (2) die Art und Zahl der Gläubiger; (3) die zur Sanierung erforderliche Quote des Erlasses von Forderungen; (4) gegebenenfalls Art und Höhe des zu erwerbenden frischen Kapitals, sowie die Chance, dieses tatsächlich zu erwerben.482 Den Anfechtungsgegner trifft bei Kenntnis der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit des Insolvenzschuldners die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er spätere Zahlungen auf Grundlage eines schlüssigen Sanierungskonzepts erlangt hat.483 Es muss damit gerechnet werden können, dass mit dem Sanierungsplan die Wiederherstellung der uneingeschränkten Zahlungsfähigkeit erfolgt.484 Müssen die Gläubiger davon ausgehen, dass die Finanzierung des Unternehmens auch künftig nicht stabil ist, sondern dass die bei Unternehmensfortführung zu verdienenden Gelder 478

BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 18; BGH, Urteil vom 14. 6. 2018 – IX ZR 22/15 – NZI 2018, 840 Rn. 10 479 BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 16; BGH, Urteil vom 14. 6. 2018 – IX ZR 22/15 – NZI 2018, 840 Rn. 12. 480 BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 16. 481 BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 18; BGH, Urteil vom 14. 6. 2018 – IX ZR 22/15 – NZI 2018, 840 Rn. 10. 482 BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 18; BGH, Urteil vom 14. 6. 2018 – IX ZR 22/15 – NZI 2018, 840 Rn. 10. 483 BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 23; BGH, Urteil vom 14. 6. 2018 – IX ZR 22/15 – NZI 2018, 840 Rn. 13 m. w. N. 484 BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 30.

D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag

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weiterhin nicht ausreichen werden, um die anfallenden Kosten zu decken, ist der erneute Zusammenbruch des Unternehmens bereits absehbar.485 b) Übertragung des Sanierungsprivilegs auf § 119 InsO Nur solche Sanierungsvereinbarungen, die Teil eines Sanierungskonzepts sind und die soeben genannten Punkte enthalten, können eine objektive Gläubigerbenachteiligung ausschließen. Werden Gläubiger objektiv nicht benachteiligt, wird auch die Masse nicht benachteiligt, sodass die Rechte des Insolvenzverwalters nicht eingeschränkt werden können. Eines der Hauptargumente des BGH für die Unwirksamkeit von Lösungsklauseln ist ihre sanierungsfeindliche Wirkung, weil der Insolvenzverwalter dadurch günstige Vertragskonditionen verliert, die er bei Neuabschluss so nicht aushandeln könnte.486 Wurde aber eine Klausel vereinbart, um eine Sanierung zu ermöglichen und kam diese Klausel nur deshalb zustande, weil dem Arbeitnehmer bei Scheitern der Sanierung wieder der „volle Entgeltanspruch“ zugesprochen wird, wäre es widersprüchlich, wenn diese Klausel gemäß § 119 InsO unwirksam wäre. Vereinbarungen, die also nicht darauf abzielen, der Masse Mittel zu entziehen, sondern einen Anreiz für Arbeitnehmer schaffen, an der Sanierung überhaupt mitzuwirken und so die Risiken eines Scheiterns der Sanierung abzumildern,487 sind nicht gemäß § 119 InsO unwirksam, wenn sie Teil eines schlüssigen Sanierungskonzepts sind.488 § 119 InsO ist dann teleologisch zu reduzieren.489

485

BGH, Urteil vom 12. 5. 2016 – IX ZR 65/14 – NZI 2016, 636 Rn. 30. Berger, ZInsO 2016, 2111 (2117). 487 So auch BGH, Urteil vom 27. 10. 2022 – IX ZR 213/21 – juris Rn. 53; Berger, ZInsO 2016, 2111 (2118). 488 Im Ansatz auch BGH, Urteil vom 27. 10. 2022 – IX ZR 213/21 – juris Rn. 53; Berger, ZInsO 2016, 2111 (2118); Tintelnot, in: KPB, InsO, § 119 Rn. 170; LAG Hamm, Urteil vom 25. 10. 2005 – 4 Sa 2419/04 – juris Rn. 103. 489 Nach BGH, Urteil vom 27. 10. 2022 – IX ZR 213/21 – juris Rn. 54 sind ferner Lösungsklauseln wirksam, für die das Gesetz eine Kündigung aus wichtigem Grund zulässt und die vertragliche Ausgestaltung der wichtigen Gründe durch eine typisierte Interessenbewertung für die darin geregelten Fälle gerechtfertigt ist. Für die typisierte Interessenbewertung soll entscheidend sein, ob die mit der Insolvenz einhergehenden Risiken die weitere Vertragserfüllung in einem Ausmaß gefährden, das nach Art der geschuldeten vertraglichen Leistungen und der wechselseitigen Interessen der Parteien bei einer vom Einzelfall losgelösten Betrachtung einen wichtigen Grund darstellen kann (BGH, Urteil vom 27. 10. 2022 – IX ZR 213/21 – juris Rn. 54). Für Schülerbeförderungsverträge kann sich ein solches Interesse z. B. aus öffentlich-rechtlichen Vorgaben für die Durchführung der Schülerbeförderung oder der notwendigen besonderen Zuverlässigkeit des Auftragnehmers für Schülerbeförderung ergeben (BGH, Urteil vom 27. 10. 2022 – IX ZR 213/21 – juris Rn. 64). Die Interessen der Arbeitnehmer werden durch die §§ 108 ff. InsO allerdings hinreichend berücksichtigt. Außerhalb von Sanierungsvereinbarungen ist nicht ersichtlich, woraus sich ein besonderes Interesse der Arbeitnehmer an der Einordnung der Insolvenz als wichtigen Grund ergeben könnte. 486

142 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers

c) Andere Anforderungen an den Sanierungsversuch für eine arbeitsrechtliche Sanierungsvereinbarung? Die Arbeitnehmer sind eine große Gläubigergruppe, auf deren Sanierungsbeiträge der Insolvenzschuldner regelmäßig angewiesen ist. Beruht eine arbeitsrechtliche Sanierungsvereinbarung allerdings nicht auf einem Sanierungskonzept, ist die objektive Benachteiligung der Gläubiger nicht ausgeschlossen, wenn allein diese Sanierungsvereinbarung nicht geeignet ist, den Insolvenzschuldner zu sanieren. Eine Sanierungsvereinbarung, die mangels Sanierungskonzepts und Einbeziehung anderer Gläubiger gar nicht geeignet ist, den Insolvenzschuldner zu sanieren, schließt auch eine objektive Gläubigerbenachteiligung nicht aus. Dann belastet sie im Ergebnis allerdings auch die Masse und dadurch das Fortführungsrecht des Insolvenzverwalters. Die Gläubiger sind im Insolvenzverfahren gleichmäßig zu befriedigen. Die Sonderstellung der Arbeitnehmer wird i. R. d. §§ 108 ff. InsO hinreichend berücksichtigt,490 wenngleich § 119 InsO nur die Insolvenzmasse vor Veränderungen und nicht die Arbeitnehmer schützt.491 Ist allein eine Sanierungsvereinbarung mit den Arbeitnehmern als großer Gläubigergruppe objektiv für eine Sanierung geeignet, dann muss § 119 InsO auch dann teleologisch reduziert werden, wenn keine anderen Gläubiger einbezogen werden oder die Voraussetzungen des Sanierungskonzepts im Einzelfall nicht vorliegen. d) Zwischenergebnis § 119 InsO ist teleologisch zu reduzieren, wenn die Klausel Teil einer Sanierungsvereinbarung ist, der ein schlüssiges Sanierungskonzept zugrunde liegt oder die zur Sanierung des Insolvenzschuldners objektiv geeignet ist. Ist der Sanierungstarifvertrag also Teil eines Sanierungskonzepts oder ist er selbst objektiv zur Sanierung des Insolvenzschuldners geeignet und enthält der Tarifvertrag eine Klausel zur Insolvenz als außerordentlicher Kündigungsgrund oder eine Rückfallklausel, ist die Klausel nicht gemäß § 119 InsO unwirksam.

IV. Zwischenergebnis In diesem Abschnitt wurden tarifvertragliche Klauseln zur Änderung oder Beendigung von Tarifverträgen bei Veränderung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, genauer sog. Nachverhandlungsklauseln, Rückfallklauseln und Klauseln zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund auf ihre Wirksamkeit überprüft. Etwaige Klauseln verstoßen nicht gegen § 314 BGB. Wenngleich die Insolvenz des Arbeitgebers ohne entsprechende Regelung nicht dazu führt, dass das Festhalten 490 Zur Berücksichtigung der Interessen der Arbeitnehmer im Insolvenzverfahren vgl. auch § 1 C. II. 1. und § 2 A. III. 491 Dazu bereits unter § 3 D. III. 1. b) aa) (3) und § 3 D. III. 1. b) aa) (5).

D. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag

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am Tarifvertrag für die Tarifvertragsparteien unzumutbar wird, steht es ihnen dennoch frei, die Insolvenz als einen wichtigen Grund einzuordnen, sodass der Tarifvertrag bei Insolvenzantragsstellung automatisch über eine auflösende Bedingung endet oder der Gewerkschaft ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt wird. Zwischen den Tarifvertragsparteien besteht ein – durch die Anforderungen an die Tariffähigkeit sichergestelltes – Kräftegleichgewicht. Die Gewerkschaft muss sich, um tariffähig zu sein, gegenüber dem sozialen Gegenspieler durchsetzen können und darf nicht strukturell unterlegen sein. Die tarifvertragliche Klausel zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund ist jedoch gemäß §§ 119, 108 Abs. 1 Satz 1 InsO unwirksam, wenn sie der Gewerkschaft ein außerordentliches Kündigungsrecht einräumt, die Nachwirkung des Tarifvertrags ausgeschlossen ist und der Tarifvertrag durch die Kündigung durch einen anderen Tarifvertrag ersetzt wird, dessen Schutzniveau für die Arbeitnehmer höher ist. In diesem Fall führt die tarifvertragliche Klausel zu einer insolvenzbedingten Veränderung der Tarifnormen über Arbeitsbedingungen zulasten der Masse. Eine tarifvertragliche Rückfallklausel ist ebenso gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO, § 119 InsO unwirksam. Mit Insolvenzantragstellung gilt aufgrund der auflösenden Bedingung der Verbandstarifvertrag automatisch für die Zukunft. Es sind somit insolvenzbedingt Tarifnormen anzuwenden, die dem Arbeitnehmer höhere Masseansprüche zugestehen und sich damit negativ auf die Insolvenzmasse auswirken. Ferner können die Arbeitnehmer durch die Rückfallklausel rückständige Ansprüche aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend machen, die zunächst erloschen sind. Die Rückfallklausel ist daher regelmäßig auch gemäß §§ 119, 105 Satz 2 InsO unwirksam. Nicht die Nachverhandlungsklauseln, sondern die Vereinbarungen, die Ergebnisse der Nachverhandlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind, führen zur insolvenzabhängigen Veränderung der Tarifnormen über Arbeitsbedingungen. Deshalb sind tarifvertragliche Nachverhandlungsklauseln nicht gemäß § 119 InsO unwirksam. Ist der Sanierungstarifvertrag mit entsprechenden Klauseln allerdings Teil eines Sanierungskonzepts oder ist der Sanierungstarifvertrag selbst objektiv zur Sanierung des Insolvenzschuldners geeignet, ist § 119 InsO teleologisch zu reduzieren, sodass insolvenzbedingte Lösungs- und Änderungsklauseln nicht gemäß § 119 InsO unwirksam sind. Die Gewerkschaft sollte sich daher vor Aufnahme der Verhandlungen zu einem Sanierungstarifvertrag stets ein tragfähiges Sanierungskonzept vorlegen lassen.492 Gegen § 119 InsO verstoßen nur solche Klauseln, die ausdrücklich auf das Insolvenzverfahren Bezug nehmen. Kein Verstoß gegen § 119 InsO liegt daher vor, wenn man zum Beispiel folgende Formulierungen wählt:

492

Vgl. dazu bereits § 3 C. II. 1. a).

144 § 3 Beendigung u. Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers „(1) Die Tarifvertragsparteien können den Tarifvertrag – ohne das Erfordernis einer Nachverhandlung – außerordentlich kündigen, wenn kein Sanierungsbedarf mehr besteht. (2) Es besteht insbesondere kein Sanierungsbedarf mehr, wenn der Betrieb stillgelegt werden soll.“493

Für Rückfallklauseln kann ferner folgende Formulierung gewählt werden: „(1) Der Tarifvertrag ist auflösend bedingt für den Fall, dass die Sanierung scheitert. Mit diesem Zeitpunkt tritt dieser Tarifvertrag rückwirkend außer Kraft mit der Folge, dass die gesamten Verzichts-/Stundungserklärungen unwirksam werden und durchgängig die einschlägigen Verbandstarifverträge Geltung gehabt hätten. Die sich daraus ergebenden Forderungen werden sofort fällig. (2) Die Sanierung ist gescheitert, wenn der Betrieb stillgelegt werden soll.“

Das Anknüpfen an das Scheitern der Sanierung entspricht der Interessenlage der Beteiligten. Den Arbeitnehmern soll ein Sanierungsopfer nur abverlangt werden können, wenn eine Sanierung auch erfolgreich ist. Die Sanierung ist aber nicht gescheitert, wenn das Insolvenzverfahren eröffnet wurde.494

493 Vgl. auch die Formulierungen bei: Mückl/Krings, BB 2012, 769 (772); Moll, in: HMB, TVG, Teil 12 Rn. 43. 494 § 3 C. II. 1. c) bb).

§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bei Insolvenz des Arbeitgebers Ist der Arbeitgeber an einen Tarifvertrag gebunden, weil er Mitglied in einem Arbeitgeberverband ist (§§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 TVG), kann der Insolvenzverwalter den Tarifvertrag nicht kündigen. Tarifvertragspartei ist dann nämlich der Arbeitgeberverband.1 Es besteht nur die Möglichkeit, die Mitgliedschaft zu beenden, wenn sie nicht ohnehin automatisch kraft Gesetzes oder Satzung des Arbeitgeberverbandes endet. Im folgenden § 4 wird herausgearbeitet, wie sich die Insolvenzverfahrenseröffnung auf die Verbandsmitgliedschaft auswirkt. Der Schwerpunkt liegt auf der Frage, ob der Insolvenzverwalter die Verbandsmitgliedschaft beenden kann und – falls er sie nicht beendet – wer die mitgliedschaftlichen Rechtspositionen bei Fortsetzung der Mitgliedschaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wahrnimmt.

A. Kein automatisches Ausscheiden des insolventen Mitglieds aus dem Arbeitgeberverband Zunächst muss darauf eingegangen werden, ob die Mitgliedschaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortbesteht (I.) und ob sie der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann (II.). Würde die Mitgliedschaft mit Insolvenzverfahrenseröffnung automatisch enden, müsste sie nicht durch den Arbeitgeberverband oder das Mitglied bzw. den Insolvenzverwalter beendet werden.

I. Automatisches Ausscheiden des insolventen Gesellschafters aus der Personengesellschaft 1. Sinn und Zweck des automatischen Ausscheidens Wird die Personengesellschaft nicht automatisch mit Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Gesellschafters aufgelöst (vgl. dazu etwa § 728 Abs. 2 BGB),2 sieht das Gesetz für Personengesellschaften in der Regel vor, dass der insolvente Gesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet (vgl. § 736 Abs. 1 BGB, § 131 Abs. 3 Nr. 2 HGB, § 161 Abs. 2 HGB, § 9 Abs. 1 PartGG). Zum Schutz des 1 2

Vgl. dazu § 3 B. III. Vgl. Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 37; Bauer/Diller, DB 1993, 1085 (1089).

146

§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

Fortführungsinteresses der übrigen Gesellschafter, fällt nicht der Anteil an der werbenden oder aufgelösten Gesellschaft in die Insolvenzmasse des insolventen Gesellschafters, sondern sein Abfindungsanspruch.3 Das Ausscheiden des insolventen Gesellschafters soll dazu dienen, das Unternehmen zu erhalten.4 Zudem schützt das automatische Ausscheiden des insolventen Gesellschafters die Mitgesellschafter davor, dass ein Insolvenzverwalter die Gesellschafterrechte des insolventen Gesellschafters ausübt.5 Die Gesellschaft und die Gesellschafter selbst haben ein Interesse daran, der „Fremdbestimmung“ durch den Insolvenzverwalter entgegenzuwirken.6 2. Keine entsprechende Anwendung der Vorschriften des Personengesellschaftsrechts zum Ausschluss des insolventen Gesellschafters auf das insolvente Vereinsmitglied Unabhängig von seiner Organisationsform darf der Arbeitgeberverband nicht automatisch mit Insolvenz eines Mitglieds aufgelöst werden, weil er demokratisch organisiert und leistungsfähig sein muss.7 Man könnte jedoch erwägen, dass insolvente Mitglieder stets – in entsprechender Anwendung der Vorschriften zum Personengesellschaftsrecht – auch ohne Satzungsregelungen aus dem Arbeitgeberverband ausscheiden.8 Der Arbeitgeberverband hat typischerweise die Rechtsform eines eingetragenen Vereins.9 Der Verein ist der Grundtyp der Körperschaften.10 Im Gegensatz zu Kapitalgesellschaften, bei denen die Insolvenz eines Gesellschafters weder den Bestand der Gesellschaft, noch den des Mitgliedschaftsverhältnisses berührt,11 steht beim Idealverein nicht das Kapital, sondern der ideelle Zweck des Vereins im Vordergrund.12 Obwohl der Verein – ähnlich zu Personengesellschaften – 3

Vgl. Klöhn, in: Henssler/Strohn, HGB, § 131 Rn. 48 für die OHG. BT-Drs. 13/8444, S. 41 f. für die OHG; vgl. auch Klöhn, in: Henssler/Strohn, HGB, § 131 Rn. 48, K. Schmidt/Fleischer, in; MüKo HGB, § 131 Rn. 70 m. w. N. für die OHG. 5 K. Schmidt/Fleischer, in: MüKo HGB, § 131 Rn. 70; Lehmann-Richter, in: NK-HGB, § 131 Rn. 40 jeweils m. w. N. für die OHG. 6 Vgl. für die GmbH: Eichholz, Probleme in der Insolvenz des GmbH-Gesellschafters, S. 92; das Verhältnis zwischen Insolvenzrecht und Gesellschaftsrecht ist umstritten, vgl. dazu Haas, in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 89 Rn. 30 ff. und Rn. 59 ff. für einen Überblick über das Insolvenzgesellschaftsrecht. Zur Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gesellschaftsorganen und dem Insolvenzverwalter vgl. Haas/Kolmann/Kurz, in: Gottwald/Haas, InsR-Hdb., § 90 Rn. 319 ff. 7 § 2 B. I. 2. 8 Vgl. die Erwägung bei Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 (227 f.) allgemein für Kapitalgesellschaften, Vereine und Genossenschaften. 9 § 2 B. I. 1. 10 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 22 I 1, 655. 11 Vgl. zusammenfassend: Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 (224 f. und 227 f.). 12 Vgl. Schwennicke, in: Staudinger, § 38, Rn. 1. 4

A. Kein automatisches Ausscheiden des insolventen Mitglieds

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eine primär auf die Person der Mitglieder ausgerichteten Vereinigung ist,13 widerspricht es jedoch der körperschaftlichen Struktur eines Vereins, das Schicksal des Verbandes und das Einzelschicksal der Mitglieder voneinander abhängig zu machen.14 Anders als das Recht zu Personengesellschaften (§§ 728 Abs. 2, 736 Abs. 1 BGB oder § 131 HGB), enthält das Vereinsrecht daher grundsätzlich keine Vorschriften dazu, wie sich Gründe, die in der Person des Mitglieds liegen (also neben der Insolvenzverfahrenseröffnung z. B. der Tod oder die Kündigung des Mitglieds), auf das Mitgliedschaftsverhältnis auswirken. Die Mitgliedschaft des einzelnen Mitglieds ist nämlich nicht die wesentliche Grundlage für den Bestand des Verbands.15 Deshalb scheidet das insolvente Mitglied – ohne abweichende Satzungsregelung16 – auch nicht automatisch aus dem Arbeitgeberverband aus.17 Insbesondere besteht für den Verein nicht die Gefahr, dass der Insolvenzverwalter in das Verbandsinnenleben eingreift und „am Gesellschaftertisch Platz nimmt“18. Im Gegensatz zu Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften fällt die Mitgliedschaft im Verein nicht in die Insolvenzmasse.19 Darauf wird im Folgenden eingegangen.

II. Fortbestand der Vereinsmitgliedschaft ohne Insolvenzbeschlag Die Insolvenzmasse erfasst das gesamte dem Insolvenzschuldner zustehende Vermögen (§ 35 Abs. 1 InsO), mit Ausnahme der Gegenstände und Rechte, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen (§ 36 Abs. 1 InsO).20 1. Höchstpersönlichkeit der Vereinsmitgliedschaft Aufgrund ihrer Höchstpersönlichkeit unterliegt die Vereinsmitgliedschaft nicht der Zwangsvollstreckung.

13 Vgl. Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 662 und 5035; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 1. 14 Vgl. Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 (228); vgl. auch Wagner, in: Reichert, Vereinsund Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 5035. 15 Vgl. bereits § 2 B. I. 2. b). 16 Dazu umfassend § 4 B. I. 2. a). 17 Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 (227 f.). 18 Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 (227 f. und 235 f.). 19 Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 (235 f.); Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 235; Hirte/ Praß, in: Uhlenbruck, § 36 Rn. 38; Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 36 Rn. 29; Holzer, in: KPB, InsO, § 35 Rn. 67; Sternal, in: K. Schmidt, InsO, § 80 Rn. 8; Kroth, in: Braun, InsO, § 80 Rn. 8; vgl. auch Dauernheim, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 3875. 20 § 1 B. II. 1.

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

a) Keine Zugehörigkeit der Mitgliedschaft des insolventen Vereinsmitglieds zur Masse Gemäß §§ 851, 857 ZPO sind Forderungen und sonstige Rechte nur insofern pfändbar, als sie übertragbar sind. Das aus der Vereinsmitgliedschaft folgende Rechtsverhältnis des Mitglieds zum Verband und den Mitgliedern21 ist höchstpersönlicher Natur (§§ 38, 40 BGB).22 Der personenrechtliche Einschlag der Vereinsmitgliedschaft führt dazu, dass die Mitgliedschaft gemäß § 38 Satz 1 BGB im Grundsatz nicht übertragbar ist.23 Die Mitgliedschaft entsteht und endet daher in derselben Person.24 Aufgrund der gesetzlich angeordneten fehlenden Übertragbarkeit, ist die Vereinsmitgliedschaft nicht pfändbar und fällt daher gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 InsO grundsätzlich nicht in die Insolvenzmasse. Ist die Mitgliedschaft nicht übertragbar, würde sie dennoch in die Insolvenzmasse fallen, wenn die ZPO Regelungen enthalten würde, die die Vereinsmitgliedschaft der Pfändung unterwerfen. Anders als für die GbR in § 859 Abs. 1 ZPO, wonach der Anteil eines Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen der GbR der Pfändung unterworfen ist, enthält die ZPO in den §§ 857 ff. allerdings keine Regelung zur Pfändbarkeit von Vereinsmitgliedschaften. § 40 Satz 1 BGB erlaubt jedoch eine von § 38 Satz 1 BGB abweichende Satzungsregelung. Davon wird für den Fall der Insolvenz eines Arbeitgebers auch häufig Gebrauch gemacht. Es wird dann allerdings in der Regel nicht die Übertragbarkeit der Mitgliedschaft festgelegt, sondern das Ende der Mitgliedschaft für den Fall der Insolvenz.25 Ist die Mitgliedschaft in der Satzung ausnahmsweise übertragbar gestellt, ist sie auch nach §§ 851 Abs. 1, 857 Abs. 1 ZPO pfändbar und fällt daher in die Insolvenzmasse.26 Das ist allerdings selten und bietet sich etwa für Vereine an, die als Interessenvereinigung die Interessen von Händlern vertreten.27 Wird das Handelsgeschäft dann veräußert oder vererbt, kann sich der Mitgliederwechsel ohne Ausscheiden oder Aufnahme vollziehen.28 21

Vgl. Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 4; Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 38 Rn. 2 jeweils m. w. N. 22 Vgl. Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 28; Schwennicke, in: Staudinger, § 38 Rn. 1; Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 1. 23 Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 28; Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 38 Rn. 32. 24 Hadding, in: Soergel, § 38 Rn. 27; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 95. 25 Siehe einzelne Beispiele für Satzungsregelungen unter § 4 B. I. 2. a). 26 Weder für Tarifvertragsparteien, noch für andere große Verbände ist das üblich, vgl. dazu für Arbeitgeberverbände: www.bpa-arbeitgeberverband.de/fileadmin/user_upload/MAIN-datei en/Organisation/Satzung_des_bpa_Arbeitgeberverbandes.pdf (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023); www.baymevbm.de/Redaktion-(importiert-aus-CS)/130218_vbm_web_Satzung.pdf (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023); für andere (große) Verbände: www.fcbayern.com/binaries/ content/assets/downloads/homepage/club/ev/satzung-fc-bayern-muenchen-e.v.pdf (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023). 27 So Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 49. 28 Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 49.

A. Kein automatisches Ausscheiden des insolventen Mitglieds

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b) Keine Verkörperung der Vereinsmitgliedschaft durch einen Anteil am Vermögen des Vereins Für den Verein existiert – anders als für andere Gesellschaftsformen29 – ferner keine materielle Verkörperung durch einen Anteil am Vereinsvermögen30 als untrennbarem Bestandteil der Mitgliedschaft.31 Das ist darauf zurückzuführen, dass der Zweck des Vereins regelmäßig nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sein soll (§ 22 BGB).32 Wirtschaftlich tätige Vereine sind eine Ausnahme und nur dann zulässig, wenn die Betätigung nicht im Rahmen der Rechtsform einer juristischen Person des Handelsrechts (also z. B. in Form einer GmbH oder AG) erfolgen kann.33 Anders als für Kapitalgesellschaften (und auch Personengesellschaften) ist der Zweck des Idealvereins also nicht, Vermögen zu generieren. Selbst wenn der Verband über Vereinsvermögen verfügt, steht dem Mitglied kein Anteil daran zu.34 Es ist aber der – die Mitgliedschaft verkörpernde – Anteil am Gesellschaftsvermögen, der nach allgemeiner Meinung der Insolvenzmasse eines Gesellschafters einer (Personen- oder) Kapitalgesellschaft zugeordnet wird.35 Anteile an Kapitalgesellschaften können in der Regel frei veräußert und damit übertragen werden (vgl. etwa § 15 GmbHG), weil es nicht wesentlich auf die Person des Gesellschafters hinter dem unpersönlichen Kapital ankommt.36 2. Höchstpersönlichkeit der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband Arbeitgeberverbände sind typischerweise als eingetragene Vereine organisiert. Sie verfolgen den ideellen Zweck der Wahrung und Förderung von Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen (Art. 9 Abs. 3 GG).37 Für das Innenrecht der Verbände gilt daher grundsätzlich Vereinsrecht.38 Im Folgenden wird überprüft, ob es Gründe gibt, 29

Für die GbR: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 45 I 1 a), S. 1310; für die GmbH: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 I 1 b), S. 798; Fastrich, in: Noack/Servatius/Haas, GmbHG, § 14, Rn. 3; für die AG: K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 28 I 1 b), S. 798. 30 Hadding, in: Soergel, § 38 Rn. 16; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 95; Ellenberger, in: Grüneberg, BGB, § 38 Rn. 1a; a. A. scheinbar noch BGH, Urteil vom 11. 7. 1968 – VII ZR 63/66 – NJW 1968, 1830. 31 Vgl. für die GbR: Windbichler, Gesellschaftsrecht, S. 36 Rn. 5; für die GmbH: Bergmann, ZInsO 2004, S. 225. 32 Vgl. Habersack, Die Mitgliedschaft: subjektives und „sonstiges“ Recht, S. 82 f. 33 Statt vieler: Schwennicke, in: Staudinger, § 22 Rn. 1. 34 Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 22 m. w. N. 35 Statt vieler: Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 35 Rn. 52 f.; Bergmann, ZInsO 2004, S. 225, jeweils m. w. N. 36 Windbichler, Gesellschaftsrecht, S. 26 Rn. 17 f.; zur Übertragbarkeit des Anteils am Vermögen der GbR: Schäfer, in: MüKo BGB, § 719 Rn. 3, 21 ff., 25 ff.; Windbichler, Gesellschaftsrecht, S. 86 f. Rn. 15 m. w. N. 37 Vgl. dazu bereits § 2 B. I. 2. a) aa). 38 Statt aller: Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 3.

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

die gegen eine Anwendung des § 38 BGB auf die Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden sprechen. Wäre § 38 BGB nicht auf den Arbeitgeberverband anzuwenden, könnte die Mitgliedschaft möglicherweise vollumfänglich der Insolvenzmasse zugeordnet werden. a) Keine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses der §§ 38, 40 BGB aa) Analogie zur Fortgeltung des Tarifvertrags bei Rechtsnachfolge? Aufgrund des § 38 BGB ist der Rechtsnachfolger nicht an den Verbandstarifvertrag gebunden, wenn er nicht selbst Mitglied im Arbeitgeberverband ist.39 Gilt § 613a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB auch nicht entsprechend, kommt nur eine analoge Anwendung des § 3 Abs. 3 TVG oder des § 4 Abs. 5 TVG für den Rechtsnachfolger in Betracht.40 Noch vor Einführung der § 613a Abs. 1 Satz 2 – 4 BGB wurde im Schrifttum außerdem vereinzelt die Ansicht vertreten, dass die Mitgliedschaft in Arbeitgeberverbänden – entgegen dem Wortlaut des § 38 BGB – immer übertragbar sein müsse, um dem Gedanken des § 3 Abs. 3 TVG, dass eine einmal begründete Tarifbindung bis zum Ende des Tarifvertrags fortbestehen soll, gerecht zu werden.41 § 3 Abs. 3 TVG ist allerdings gerade Ausdruck davon, dass die vereinsrechtlichen Regelungen nicht durch tarifrechtliche Erwägungen tangiert werden sollen.42 Ohne die gesetzliche Regelung der Nachbindung müsste in das Vereinsrecht eingegriffen werden und z. B. durch Mindestfristen für den Austritt sichergestellt werden, dass der Arbeitgeber die Bindung an den laufenden Tarifvertrag nicht jederzeit abstreifen kann.43 Eine etwaige Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhältnisses der §§ 38, 40 BGB wurde und wird auch heute daher für die weiterhin problematischen Fälle der Gesamtrechtsnachfolge nicht aufgegriffen.44 Im Übrigen besteht – anders als bei der Rechtsnachfolge – bei der Insolvenz des Mitglieds nicht die Gefahr, dass der Tarifvertrag keine Anwendung mehr findet. Das wird im Folgenden näher erläutert.

39 Vgl. etwa Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 222 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 3, Rn. 177. 40 Vgl. die heute weiterhin problematischen Fälle, in denen § 613a BGB nicht anwendbar ist, bei Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 202 ff. m. w. N. 41 Sernetz, Die Rechtsnachfolge in die Verbandsmitgliedschaft insbesondere beim Unternehmerwechsel, S. 208; hingegen für eine Anwendung des § 4 Abs. 5 TVG: Hueck/Nipperdey, Arbeitsrecht II/1, S. 490 und S. 495; Nikisch, Arbeitsrecht II, S. 392; für eine Anwendung des § 3 Abs. 3 TVG: Birk, AuR 1975, 312 (314); Neumann, DB 1960, 60; heute noch bei Anwachsung beim letzten Gesellschafter: Löwisch/Rieble, TVG, § 3, Rn. 181; a. A. schon BAG, Urteil vom 16. 9. 1979 – 4 AZR 819/77, DB 1980, 262; für eine Anwendung des § 613a Abs. 1 BGB a. F.: Kunze, RdA 1976, 31 (33). 42 So Birk, AuR 1975, 312 (314). 43 Vgl. Junker, Grundkurs Arbeitsrecht, S. 289 Rn. 524. 44 Im Einzelnen zur Gesamtrechtsnachfolge: Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 226 ff.

A. Kein automatisches Ausscheiden des insolventen Mitglieds

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bb) Keine Gefahr der fehlenden Fortgeltung des Tarifvertrags bei Insolvenz des Arbeitgebers Der Fortbestand der Tarifbindung und die Fortgeltung des Tarifvertrags ist in der Insolvenz nicht gefährdet. Der Insolvenzschuldner bleibt Vertragsarbeitgeber sowie Mitglied im Arbeitgeberverband und daher an den Verbandstarifvertrag gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden. Die Mitgliedschaft endet nicht eo ipso mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens.45 Im Gegensatz zur Problematik der Rechtsnachfolge stellt sich nicht die Frage, ob der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer fort gilt. Das ist im Grundsatz unstreitig der Fall.46 Vielmehr muss festgelegt werden, wer für die Wahrnehmung der tarifvertraglichen Bindungen zuständig ist.47 Es besteht jedenfalls nicht die Gefahr, dass der Tarifvertrag mangels zuständiger Orange enden müsste.48 Ist der Insolvenzverwalter nicht zuständig, bleibt der Insolvenzschuldner für die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband und die Durchführung des Tarifvertrags verantwortlich. Eine Zuständigkeit des Insolvenzverwalters muss aus tarifrechtlicher Sicht daher nicht zwingend begründet werden, da die Fortgeltung des Tarifvertrags für die Arbeitnehmer gesichert ist. Das ist der Unterschied zu einer Abspaltung oder Ausgliederung, bei der der übertragende Rechtsträger zwar gemäß § 3 Abs. 1 TVG grundsätzlich an den Tarifvertrag gebunden bleibt, die Arbeitsverhältnisse aber auf den übernehmenden Rechtsträger übergehen und er deshalb nicht mehr für diese zuständig ist.49 Dann muss die Bindung des Rechtsnachfolgers gegebenenfalls gemäß § 613a Abs. 1 Satz 2 – 4 BGB, § 3 Abs. 3 TVG oder § 4 Abs. 5 TVG begründet werden, wenn er nicht selbst Mitglied ist.50 Aus tarifrechtlicher Sicht ist eine derartige Bindung des Insolvenzverwalters aber nicht nötig, weil der Insolvenzschuldner weiterhin Vertragsarbeitgeber bleibt.51 b) Kein Verstoß gegen Art. 9 Abs. 3 GG Der Arbeitgeberverband organisiert sich typischerweise als eingetragener Verein. Auch wenn die §§ 21 ff. BGB und insbesondere der § 38 BGB für den Arbeitgeberverband unpassend erscheinen mögen, wählen Arbeitgeberverbände in aller

45

§ 4 A. I. Vgl. bereits § 1 D. II. 47 Vgl. bereits § 2 A. III. 3. 48 Vgl. dazu § 2 B. II. 2. 49 Vgl. Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 236 ff. 50 Vgl. Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 238 ff.; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 3 Rn. 57 ff. 51 § 2 A. II. 46

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

Regel diese Rechtsform.52 Ihnen bleibt es überlassen, in der Satzung von den §§ 21 ff. BGB abweichende Regelungen zu treffen (§ 40 BGB). Unterlassen die Arbeitgeberverbände entsprechende Regelungen, gelten die §§ 21 ff. BGB für das Innenrecht.53 Davon muss abgewichen werden, wenn gegen Art. 9 Abs. 3 GG verstoßen wird.54 Die Unübertragbarkeit der Mitgliedschaft verstößt nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Die negative individuelle Koalitionsfreiheit des Mitglieds wird durch § 38 BGB nicht berührt, weil ihm das Austrittsrecht gemäß § 39 BGB zusteht.55 In der Insolvenz stellt sich lediglich die Frage, wer das Austrittsrecht ausüben darf.56 Auch die kollektive Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes wird nicht beschränkt.57 Der Bestand des Verbands ist von den einzelnen (insolventen) Mitgliedern unabhängig.58 Er kann sich weiterhin koalitionsspezifisch betätigen. § 38 BGB schützt den Verband gerade davor, dass der Insolvenzverwalter als verbandsfremder Dritter in die organisatorische Ausgestaltung des Verbands eingreift.59 Soll das insolvente Mitglied nicht mehr am Verbandsinnenleben teilnehmen oder will der Verband, dass der Insolvenzverwalter – anstatt des Mitglieds – einbezogen werden soll, kann der Verband entsprechende Regelungen treffen.60 c) Unternehmensbezogene und arbeitsverhältnisbezogene Lasten durch Bindung an den Tarifvertrag Die Verbandsmitgliedschaft begründet die Bindung an den Tarifvertrag.61 Dieser kann die Masse erheblich belasten.62 Allerdings ändert ein möglicher Vermögensbezug der Mitgliedschaft (§ 35 InsO) nichts daran, dass die Mitgliedschaft grundsätzlich höchstpersönlicher Natur und daher nicht übertragbar ist.

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Zur freien Wahl der Rechtsform: § 2 B. I. 2. a). Statt aller: Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 3. 54 Vgl. zur Anpassung der Länge der Austrittsfrist wegen Art. 9 Abs. 3 GG: § 4 B. II. 1. b) aa). 55 Vgl. zum Schutz der negativen individuellen Koalitionsfreiheit: Rieble, in: MüHdb ArbR, § 219 Rn. 35 ff. 56 Dazu sogleich unter § 4 B. II. 2. 57 Vgl. zum Schutzbereich der kollektiven Koalitionsfreiheit statt aller: Linsenmaier, in: ErfK, GG, Art. 9 Rn. 39. 58 § 2 B. I. 2. b) und § 4 A. I. 59 Vgl. § 4 A. I. 60 Zum Ausschluss des insolventen Mitglieds vgl. § 4 B. I. 2.; zur Vertretung des Insolvenzverwalters durch einen Prozessvertreter vgl. § 4 C. III. 61 Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 37, 52; Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 6; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 3 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 39 ff., 78 ff., 126 ff. 62 Vgl. dazu § 2 B. I. 1. 53

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds

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3. Sonderstellung der juristischen Person und Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit? Den folgenden Ausführungen wird die Annahme zugrunde gelegt, dass § 36 InsO auf das insolvente Mitglied anzuwenden ist. Das ist jedenfalls für natürliche Personen der Fall.63 Nach hier vertretener Auffassung muss das aber auch für die juristische Person und die Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit gelten, die selbst Mitglied in einem Verein sind. § 38 BGB schützt den Verband und die weiteren Mitglieder davor, dass verbandsfremde Dritte, wie der Insolvenzverwalter, in das Verbandsinnenleben eingreifen.64 Der Verein ist – ähnlich zu Personengesellschaften – eine primär auf die Person der Mitglieder ausgerichteten Vereinigung.65 Gäbe es die Regelung des § 38 BGB nicht, müsste eine dem Personengesellschaftsrecht entsprechende Regelung zum Ausschluss insolventer Mitglieder in das Gesetz aufgenommen werden.66 Unterlässt man die Anwendung des § 36 InsO auf juristische Personen und Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, die selbst Mitglied im Verein sind, wird dadurch letztlich § 38 BGB ausgehebelt. Geht man hingegen davon aus, dass § 36 InsO nicht auf das insolvente Mitglied anzuwenden ist, das eine juristische Person oder eine Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit ist,67 kann die Verbandsmitgliedschaft zwar grundsätzlich – wie bei einer entsprechenden Satzungsregelung zur Übertragbarkeit der Mitgliedschaft – der Insolvenzmasse zugeordnet werden. Das bedeutet allerdings nicht, dass der Insolvenzverwalter deshalb berechtigt ist, sämtliche Mitgliedschaftsrechte und -pflichten auszuüben.68 Darauf wird unten näher eingegangen.69

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds Besteht die Mitgliedschaft nach Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Mitglieds grundsätzlich fort, stellt sich bei Insolvenz des Mitglieds die Frage, ob und wer die Mitgliedschaft beenden kann. Dabei muss zwischen der Beendigung der Mitgliedschaft durch den Arbeitgeberverband (I.) und der Beendigung der Mitgliedschaft durch den Arbeitgeber oder den Insolvenzverwalter (II.) unterschieden werden.

63

§ 1 D. I. 1. Vgl. § 4 A. I. 65 § 4 A. I. 2. 66 Vgl. zu den entsprechenden Regelungen § 4 A. I. 1. 67 Vgl. dazu ausführlicher unter § 1 B. II. 68 Vgl. dazu umfassend § 4 B. II. 2. und § 4 C. 69 § 4 C. 64

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

I. Ausschluss des insolventen Mitglieds durch den Arbeitgeberverband Die Satzungen von Arbeitgeberverbänden sehen häufig den automatischen Ausschluss insolventer Mitglieder vor. Ob solche Satzungsregelungen zulässig sind und welche Rechtsfolgen sie haben, wird im Folgenden überprüft. Zunächst wird darauf eingegangen, ob die Insolvenz des Mitglieds ohne Satzungsregelung ein wichtiger Grund für den Arbeitgeberverband zur Beendigung der Mitgliedschaft ist. 1. Insolvenz des Mitglieds kein wichtiger Grund für den Arbeitgeberverband bei fehlender Satzungsregelung Für die GbR bestimmen §§ 737 Satz 1, 723 Abs. 1 Satz 2 BGB, dass die Gesellschaft den Gesellschafter ohne Einhaltung einer Frist ausschließen kann, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Für die GbR stellt sich allerdings nicht die Frage, ob die Insolvenz des insolventen Gesellschafters die GbR zur außerordentlichen Kündigung berechtigt. Denn die GbR wird durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters aufgelöst (§ 728 Abs. 2 Satz 1 BGB).70 Wird gesellschaftsvertraglich vereinbart, dass die GbR bei Insolvenz des Gesellschafters fortbesteht, scheidet der insolvente Gesellschafter mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens aus (§ 736 Abs. 1 BGB).71 Im Vereinsrecht fehlen sowohl Regelungen zur Möglichkeit der außerordentlichen Kündigung der Mitgliedschaft als auch zum Einfluss der Insolvenz eines Mitglieds auf den Verband einerseits und auf das Mitgliedschaftsverhältnisses andererseits. Der Verband kann das Mitgliedschaftsverhältnis allerdings auch ohne Satzungsregelung außerordentlich kündigen, wenn in der Person des Mitglieds ein wichtiger Grund vorliegt, der die weitere Fortsetzung der Mitgliedschaft unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen für den Verband unzumutbar macht.72 Als Dauerrechtsverhältnis muss sich die außerordentliche Kündigung des Mitgliedschaftsverhältnisses an § 314 BGB messen lassen.73 Eine Satzungsregelung hätte insoweit nur deklaratorischen Charakter.74 Die Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Mitglieds macht die Fortsetzung der Mitgliedschaft für den

70

Vgl. bereits § 2 B. I. 1. § 4 A. I. 72 Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 169, 152; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. I, § 10 S. 448; Hadding, in: Soergel, BGB, § 39 Rn. 11; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 192; Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 154 m. w. N. 73 So ausdrücklich Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 169, 152. 74 Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 154; Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 34. 71

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds

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Verband jedoch nicht unzumutbar, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten.75 Trotz Geldmangels kann und muss das Mitglied weiterhin die Mitgliedschaftsrechte und -pflichten wahrnehmen. § 38 BGB verhindert grundsätzlich, dass der Insolvenzverwalter die Mitgliedschaftsrechte und -pflichten wahrnimmt,76 sodass ein Eingriff durch einen verbandsfremden Dritten grundsätzlich nicht zu befürchten ist.77 Werden infolge der Insolvenz allerdings die Mitgliedsbeiträge nicht mehr bezahlt,78 oder werden – bei fehlender Beendigung der Mitgliedschaft – die Tarifverträge nicht mehr umgesetzt,79 kann die Fortsetzung der Mitgliedschaft für den Arbeitgeberverband allerdings unzumutbar werden. Der Arbeitgeberverband ist nämlich selbst schuldrechtlich gegenüber der Gewerkschaft verpflichtet, den Tarifvertrag durchzuführen.80 2. Statutarische Erhebung der Insolvenz zum Beendigungsgrund a) Umgehung der Anforderungen an einen wichtigen Grund durch Satzungsregelung Folgende Formulierungen81 sind etwa in Arbeitgeberverbandssatzungen enthalten: *

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§ 3 Nr. 4 lit. d) Satzung für den Arbeitgeberverband Industrieverband Textil Service intex e. V.: „Wird über das Vermögen eines Mitgliedes das Insolvenzverfahren beantragt oder eröffnet, so besteht das Recht auf außerordentliche Kündigung der Mitgliedschaft durch den Verband.“82 § 4 Nr. 5 lit. c) Satzung bpa Arbeitgeberverband e. V.: „Die Mitgliedschaft endet durch Insolvenz des Mitglieds mit dem Tag des Antrags auf Einleitung des Insolvenzverfahrens.“83 § 3 Abs. 4 lit. e) und Abs. 5 lit. c) Satzung des Arbeitgeberverbandes AWO Deutschland e. V.: „Die Mitgliedschaft endet durch Ausschluss. Der Ausschluss

75 Vgl. nur Dierßen, in: BKS, TVG, § 3 Rn. 30; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 173; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. I, § 10 S. 448; a. A. scheinbar Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2, S. 610 Rn. 2916. 76 Dazu sogleich unter § 4 B. II. 2. und § 4 C. 77 § 4 A. I. 78 Vgl. zur Einordnung von Beitragsrückständen als wichtigen Grund für den Ausschluss: Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 170; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. I, § 10 S. 448. 79 Vgl. dazu Rieble, in: MüHdbArbR, § 224 Rn. 31; zur Zuständigkeit für mitgliedschaftliche Rechtspositionen bei fehlender Beendigung der Mitgliedschaft vgl. § 4 C. 80 Vgl. nur Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1424 ff. 81 Vgl. zu weiteren Formulierungen: Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 173 ff. 82 www.intex-verband.de/fileadmin/intex-verband/Documents/Satzung_intex_22.08.19.pdf (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023). 83 www.bpa-arbeitgeberverband.de/fileadmin/user_upload/MAIN-dateien/Organisation/Sat zung_des_bpa_Arbeitgeberverbandes.pdf (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023).

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

eines Mitglieds kann bei Vorliegen eines wichtigen Grundes durch Beschluss des Vorstandes erfolgen. Das Mitglied ist berechtigt, hiergegen Widerspruch bei der Mitgliederversammlung einzulegen. Diese beschließt endgültig mit einfacher Mehrheit der anwesenden und vertretenen Stimmen über den Ausschluss. Dieser Beschluss ist dem Mitglied schriftlich zu übersenden. Wichtige Ausschlussgründe sind insbesondere: (…) Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Der Ausschluss des Mitglieds erfolgt im Einzelfall durch Beschluss des Vorstands.“84 § 4 Abs. 2 der Satzung sieht des Weiteren vor, dass die in diesem Paragrafen genannten Mitgliedschaftsrechte mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens oder bis zum Ausschluss gemäß § 3 Abs. 5 lit. c ruhen. Zu diesen Rechten zählt unter anderem der Anspruch des Verbandsmitglieds auf Information und Beratung durch den Verband in allen tariflichen Angelegenheiten im Rahmen des vom Vorstand beschlossenen Wirtschaftsplanes.85 *

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§ 2 Nr. 5 lit. c) Satzung Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie e. V.: „Die Mitgliedschaft erlischt, wenn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gläubigerversammlung im Berichtstermin gemäß §§ 156, 157 InsO nicht die Fortführung des Unternehmens beschließt, sowie bei Ablehnung der Eröffnung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse, mit dem Zeitpunkt des Beschlusses.86 § 5 Abs. 1 Nr. 3 Satzung Arbeitgeberverband der Verlage und Buchhandlungen Berlin-Brandenburg e. V.: „Die Mitgliedschaft erlischt, wenn über das Vermögen des Mitglieds das Insolvenzverfahren eröffnet ist oder der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgewiesen wird, sofern nicht der Vorstand des AGV im Einzelfall etwas anderes beschließt.“87 § 5 Nr. 1 lit. c) Satzung des Arbeitgeberverband Solingen e. V. zuständig für Eisen-, Metall- und Elektroindustrie: „Die Mitgliedschaft endet durch Insolvenz, unabhängig von der Einstellung der Betriebstätigkeit, wenn nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Gläubigerversammlung im Berichtstermin gem. §§ 156, 157 InsO nicht die Fortführung des Unternehmens beschließt sowie bei Ablehnung der Eröffnung oder Einstellung des Insolvenzverfahrens mangels Masse.“88

Den Satzungsregeln ist gemein, dass sie allesamt an das Ereignis der Insolvenzantragsstellung oder -eröffnung anknüpfen, teilweise aber nur, wenn keine 84

www.agv-awo.de/media/pdf/downloads/ungeschuetzt/_satzung/Satzung.pdf (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023). 85 www.agv-awo.de/media/pdf/downloads/ungeschuetzt/_satzung/Satzung.pdf (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023). 86 www.baymevbm.de/Redaktion-(importiert-aus-CS)/130218_vbm_web_Satzung.pdf (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023). 87 www.boersenverein-berlin-brandenburg.de/fileadmin/landesverband-berlin-brandenburg/ unsortiert/arbeitgeberverband/mitgliedschaft/AGV_Satzung.pdf (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023). 88 BAG, Urteil vom 18. 5. 2011 – 4 AZR 457/09 – NZA 2011, 1378 Rn. 22.

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds

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Fortführung des Unternehmens beschlossen wird. Die Satzungsregelungen unterscheiden sich dahingehend, dass die Mitgliedschaft in einzelnen Regelungen automatisch enden soll,89 in anderen Regelungen dem Verband ein außerordentliches Kündigungsrecht eingeräumt wird. Im ersten Fall tritt der Verlust der Mitgliedschaft mit Verwirklichung des satzungsmäßigen Ausschlusstatbestands von selbst ein, im zweiten Fall bedarf es einer Willensbildung seitens des zuständigen Vereinsorgans.90 Bei Ruhendstellen der Mitgliedschaft werden die Mitgliedschaftsrechte suspendiert.91 Im Folgenden wird die Wirksamkeit etwaiger Regelungen überprüft und untersucht, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben. b) Vereinsrechtliche Zulässigkeit aa) Keine Unterscheidung zwischen automatischem Ausschluss und außerordentlicher Kündigung durch das zuständige Organ Es ist herrschende Meinung in der Literatur, dass die Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Mitglieds durch Satzungsregelung zum Beendigungsgrund erhoben werden kann.92 Teilweise wird zwischen den Anforderungen an einen Beendigungsgrund bei automatischem Ausschluss und bei einer erforderlichen Ausschließungserklärung differenziert.93 Richtigerweise sollte hinsichtlich der Gewichtung des Beendigungsgrundes nicht unterschieden werden.94 In beiden Fällen steht es der Tarifvertragspartei und hier insbesondere dem Arbeitgeberverband grundsätzlich frei, in der Satzung einen Grund festzulegen, weshalb das Mitglied aus dem Verband ausscheiden muss.

89 Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 13; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 172; Henssler, in: HWK, TVG, § 3 Rn. 13 ordnen den automatischen Ausschluss als auflösende Bedingung ein; a. A. Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 186; Schwennicke, in: Staudinger, § 38 Rn. 134 ff.; Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 2897. 90 Vgl. dazu etwa Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2, S. 606 Rn. 2897; Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 134; Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 25 Rn. 77. 91 Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 36; Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 1025. 92 Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 172 ff.; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. I, § 10 S. 448; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 13; Henssler, in: HWK, TVG, § 3 Rn. 13; Dierßen, in: BKS, TVG, § 3 Rn. 30; Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 2898 und 2916; Treber, in: Schaub, ArbR, § 204 Rn. 22. 93 Schwennicke, in: Staudinger, § 38 Rn. 134 ff.; Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 2897 und 2901; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 167 ff.; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 12 f. 94 So auch Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 186 ff.; Hadding, in: Soergel, § 39 Rn. 11.

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

bb) Grundsätzliche Möglichkeit der statutarischen Erhebung der Insolvenz zum Beendigungsgrund Der in der Satzung geregelte Beendigungsgrund muss grundsätzlich nicht die Intensität eines wichtigen Grundes i. S. e. außerordentlichen Kündigungsrechts erreichen, zumindest wenn der Arbeitgeberverband keinem Aufnahmezwang unterliegt.95 Der Beendigungsgrund muss allerdings einen inneren Zusammenhang zu dem verfolgten Vereinszweck aufweisen und darf nicht willkürlich gewählt sein.96 Auf eine besondere Härte i. S. e. Unzumutbarkeit kommt es nicht an.97 Das folgt zum einen aus der für den Verein grundsätzlich geltenden Aufnahmefreiheit.98 Zum anderen legitimiert das Mitglied den Ausschließungsgrund und damit den Eingriff in Art. 9 Abs. 3 GG auf Aufnahme und Verbleib im Verband durch seinen freiwilligen Beitritt,99 sodass der Eingriff auch dann gerechtfertigt ist, wenn das Mitglied selbst einer längeren Austrittsfrist unterliegt. cc) Ausnahme für Verbände mit überragender Machtstellung Hat das Mitglied hingegen einen Aufnahmeanspruch, weil der Arbeitgeberverband eine überragende Machtstellung im Sinne einer „Quasi-Monopol-Stellung“ innehat,100 müssen sich die Ausschließungsgründe – vor dem Hintergrund des durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Rechts des Mitglieds, Koalitionen beizutreten und in ihnen zu verbleiben – spiegelbildlich zu den sachlich gerechtfertigten Aufnahmebeschränkungen verhalten.101 In der arbeitsrechtlichen Literatur wird vertreten, dass sich die Tarifvertragspartei mit überragender Machtstellung aus sachlich gerechtfertigten Gründen weigern kann, bestimmte Mitglieder als Personen aufzunehmen;102 nach Auffassung der vereinsrechtlichen Literatur kann der Mitgliedsantrag 95 So für das Vereinsrecht etwa: Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 137; Hadding, in: Soergel, § 39 Rn. 11; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 189; für das Arbeitsrecht: Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. I, § 10 S. 448; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 167; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 12. 96 Zur Frage, ob dem Verein auch ein freies Ausschließungsrecht zusteht vgl. Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 145 ff.; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 186 ff. 97 So Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 189; a. A. bei erforderlicher Ausschließungserklärung grds. Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 2901; Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 150, wonach allerdings der Verein selbst festlegen kann, was unzumutbar ist. 98 So Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 137 und 148. 99 So Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 189. 100 Vgl. zum Aufnahmeanspruch des Arbeitgebers: Lorenz, in: NK-TVG, § 3 Rn. 28; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 113; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 8. 101 Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. I, § 10 S. 448; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 167; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 12; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 189. 102 Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 113, 167; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 12; Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, Bd. I, § 10 S. 448; BGH, Urteil vom 1. 10. 1984 – II ZR 292/ 83 – NJW 1985, 1214 (1215).

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds

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hingegen nur aus wichtigen Gründen abgelehnt werden kann.103 Die Insolvenz eines Mitglieds ist jedenfalls ein sachlicher Grund, weil durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Verbandszweck überlagert und das Mitglied gegebenenfalls abgewickelt wird, sodass es langfristig nicht mehr am Verbandsleben teilnehmen kann.104 Allerdings macht die Insolvenz des Mitglieds das Festhalten an der Mitgliedschaft für den Verband nicht generell unzumutbar.105 Der Arbeitgeberverband mit überragender Machtstellung kann die Insolvenz des Mitglieds nicht als einen für ihn zur Unzumutbarkeit führenden wichtigen Grund festlegen. Denn anders als beim Tarifvertrag106 ist das Mitglied dem Arbeitgeberverband mit überragender Machtstellung strukturell unterlegen. Der Beitritt kann nicht als Legitimation des Ausschlussgrundes gewertet werden, weil dem Mitglied keine echte Alternative zur Verfügung steht. Deshalb ist für die Ablehnung und den Ausschluss durch den Arbeitgeberverband mit überragender Machtstellung auch nicht jeder sachliche Grund, sondern ein wichtiger Grund erforderlich. Der Arbeitgeberverband mit überragender Machtstellung muss für den Ausschlussgrund daher daran anknüpfen, dass das insolvente Mitglied etwa seine Mitgliedsbeiträge nicht bezahlt oder die Durchführungspflicht nicht einhält. c) Verstoß gegen § 119 InsO? Wie tarifvertragliche Klauseln mit Insolvenzbezug könnten auch Satzungsregelungen zum Ausschluss des insolventen Mitglieds gegen § 119 InsO verstoßen.107 Demnach sind Vereinbarungen unwirksam, durch die im Voraus die Anwendung der §§ 103 bis 118 InsO ausgeschlossen oder beschränkt wird. Das Rechtsverhältnis zwischen Mitglied und Verein ist kein gegenseitiger Vertrag i. S. d. § 320 BGB, sodass § 103 InsO nicht anzuwenden ist und insofern auch keine nach § 119 InsO unzulässige Abweichung vorliegt.108 Durch die Mitgliedschaft wird allerdings die Bindung an den Verbandstarifvertrag begründet. Der Verbandstarifvertrag ist zwar ebenso wenig wie der Firmentarifvertrag ein gegenseitiger synallagmatischer Vertrag i. S. d. § 103 InsO.109 Für die Anwendung des § 119 InsO kommt es jedoch nicht darauf an, ob der Tarifvertrag unter die §§ 103 bis 118 InsO subsumiert werden 103 Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 137; Hadding, in: Soergel, BGB, § 39 Rn. 11; vgl. auch Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 64, der einen „triftigen“ Grund fordert. 104 Vgl. dazu auch Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2, S. 607 Rn. 2898. 105 § 4 B. I. 1. 106 § 3 D. II. 107 Vgl. für tarifvertragliche Klauseln mit Insolvenzbezug umfassend § 3 D. III. 108 Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 173; a. A. LG Berlin, Beschluss vom 26. 2. 2015 – 35 O 56/15 – ZInsO 2015, 572 für Klauseln in Satzungen von Sportverbänden, die für den Fall der Insolvenzverfahrenseröffnung den Zwangsabstieg in die nächste tiefere Liga vorsehen; dies ablehnend etwa Korff, ZInsO 2013, 1277 (1278); umfassend dazu Hess, in: KK-InsO, § 119 Rn. 43 ff. 109 § 3 B. I. 2.

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

kann.110 Vielmehr ist entscheidend, ob die mitgliedschaftliche Klausel mit Insolvenzbezug zugleich den Arbeitsvertragsinhalt zulasten der Masse verändert.111 Geht man davon aus, dass der Ausschluss aus dem Verband zur Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG führt, bleibt der Arbeitgeber und damit der Insolvenzverwalter an den Verbandstarifvertrag gebunden, bis der Tarifvertrag durch Kündigung, Zeitablauf oder Eintritt einer Bedingung endet und die Tarifnormen durch eine andere Abmachung ersetzt werden (§ 4 Abs. 5 TVG). Der Arbeitsvertragsinhalt ändert sich durch eine Klausel zum Ausschluss des insolventen Mitglieds somit nicht und schon gar nicht zulasten der Masse. Demnach sind Satzungsregelungen, die an den Tatbestand der Insolvenz anknüpfen, nicht gemäß § 119 InsO unwirksam. Ein Verstoß gegen § 119 InsO kommt von vorneherein nicht in Betracht, wenn die Satzungsregelung zum Ausschluss des Mitglieds nicht an die Insolvenz, sondern daran anknüpft, dass die Gläubigerversammlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Berichtstermin gemäß §§ 156, 157 InsO beschließt, dass der Betrieb stillgelegt werden soll.112 Dann wird nicht an den Tatbestand der Insolvenz als solchen angeknüpft. 3. Rechtsfolge des Ausschlusses und der Suspendierung von Mitgliedschaftsrechten Für die Rechtsfolgen muss unterschieden werden, ob das Mitglied automatisch mit Insolvenzverfahrenseröffnung ausscheiden soll (a)), für den Ausschluss des Mitglieds eine Ausschließungserklärung notwendig ist (b)) oder die Mitgliedschaftsrechte nur suspendiert werden sollen (c)). a) Nachwirkung bei automatischem Ausschluss Bestimmen Arbeitgeberverbände in ihren Satzungen, dass das insolvente Mitglied automatisch aus dem Arbeitgeberverband ausscheiden soll, schließen sie damit zugleich die Tarifzuständigkeit für insolvente Mitglieder aus.113 Der Arbeitgeberverband kann seine Tarifzuständigkeit in der Satzung beschränken.114 Durch die Insolvenzverfahrenseröffnung verlieren die Mitglieder daher nicht nur ihre Mitgliedschaft, sondern der Arbeitgeberverband zugleich auch seine Tarifzuständigkeit.

110

§ 3 D. III. 1. a). § 3 D. III. 1. a) cc) und § 3 D. III. 1. c). 112 Vgl. dazu auch § 3 D. IV. 113 So Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 348. 114 Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 2 Rn. 48; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 222; Schubert, in: JKOS, TVG, § 2 Rn. 167 ff.; bereits § 3 A. I. 111

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds

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Ist der Arbeitgeberverband aber nicht mehr zuständig, wirken die Tarifverträge für das insolvente Mitglied nur noch nach (§ 4 Abs. 5 TVG).115 Auch bei Nachwirkung ändert sich der Arbeitsvertragsinhalt nicht zulasten der Masse. Entscheidend ist vielmehr, dass aufgrund des Ausschlusses der Nachwirkung der Arbeitsvertragsinhalt zulasten der Masse geändert wird, weil dann ein anderer Tarifvertrag Anwendung findet, der für die Arbeitnehmer günstigere Arbeitsbedingungen enthält.116 Das ist bei fehlender Tarifzuständigkeit nicht möglich. b) Nachbindung bei notwendiger Ausschließungserklärung durch das zuständige Organ Sieht die Satzung dagegen vor, dass die Insolvenzverfahrenseröffnung den Verein zur außerordentlichen Kündigung berechtigt oder dass die Mitgliedschaft durch Ausschluss endet, muss das zuständige Vereinsorgan – also regelmäßig die Hauptversammlung117 – erst die außerordentliche Kündigung erklären. In diesem Fall regelt der Arbeitgeberverband aber nicht zugleich, dass er für insolvente Mitglieder generell nicht zuständig ist. Vielmehr besteht die Mitgliedschaft nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fort und endet erst bei Zugang der Kündigungserklärung.118 Dann bleibt das Mitglied allerdings gemäß § 3 Abs. 3 TVG nachgebunden.119 § 3 Abs. 3 TVG ist bei einer außerordentlichen Kündigung durch den Verband nicht teleologisch zu reduzieren.120 Bei einer außerordentlichen Kündigung des insolventen Mitglieds kommt es dem Verband in erster Linie darauf an, dass das insolvente Mitglied nicht mehr am Verbandsinnenleben teilnehmen kann. Im Gegensatz zum Mitglied selbst entsteht für den Arbeitgeberverband kein Nachteil, wenn das insolvente Mitglied weiterhin gemäß § 3 Abs. 3 TVG an den Tarifvertrag gebunden bleibt. Die Einwirkungspflicht des Arbeitgeberverbandes bezieht sich nur auf aktuelle Mitglieder.121

115 Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 348; Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 38; Sittard, in: HMB, TVG, Teil 2 Rn. 238; Stoppelmann, Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit von Arbeitgeberverbänden, S. 132, jeweils m. w. N.; a. A. etwa Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 2 Rn. 65; Schubert, in: JKOS, TVG, § 2 Rn. 166 jeweils m. w. N., wonach zunächst noch eine Kündigung des Tarifvertrags erforderlich ist. 116 § 3 D. III. 1. a) bb) und § 3 D. III. 1. c). 117 Rieble, in: MüHdbArbR, § 224 Rn. 44. 118 Zum Ganzen ausführlich Hadding, in: Soergel, BGB, § 39 Rn. 13. 119 So auch Höpfner, in: HMB, TVG, Teil 6 Rn. 54; vgl. auch Lorenz, in: NK-TVG, § 3 Rn. 92 ohne Differenzierung zwischen automatischem Ausschluss und notwendiger Ausschließungserklärung. 120 So auch Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 300; zur teleologischen Reduktion des § 3 Abs. 3 TVG bei außerordentlicher Kündigung durch den Arbeitgeber vgl. § 3 B. II. 1. a) bb). 121 Vgl. dazu Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1186.

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

c) Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 1 TVG oder gemäß § 3 Abs. 3 TVG bei Ruhen der Mitgliedschaftsrechte? Ist in der Satzung des Arbeitgeberverbands vorgesehen, dass die Mitgliedschaftsrechte mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens bis zur Beendigung des Insolvenzverfahrens oder bis zum Ausschluss des insolventen Mitglieds ruhen, werden diese Mitgliedschaftsrechte suspendiert,122 ohne dass es einer weiteren Feststellung durch das zuständige Organ bedarf.123 Bei Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte und -pflichten wird vertreten, dass – entsprechend einem Wechsel in die OT-Mitgliedschaft – keine Vollmitgliedschaft mehr besteht, sodass das Mitglied nur noch gemäß § 3 Abs. 3 TVG an den Tarifvertrag gebunden ist.124 Nach vereinsrechtlichen Vorgaben lässt die Suspendierung der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichten als solche unberührt,125 sodass die Mitgliedschaft mit Ende des Insolvenzverfahrens wieder voll auflebt, wenn das Mitglied bis dahin noch nicht ausgeschlossen ist.126 Für eine Vollmitgliedschaft i. S. d. § 3 Abs. 1 TVG ist allerdings entscheidend, dass das Mitglied aufgrund der Mitgliedschaftsrechte – insbesondere durch das Stimmrecht in der Mitgliederversammlung und durch das Wahlrecht zu den Vereinsorganen – die tarifpolitische Willensbildung des Verbands beeinflussen kann.127 Wird das Stimmund Wahlrecht eines insolventen Mitglieds suspendiert, kann das Mitglied ebenso wenig wie ein Gastmitglied weiterhin gemäß § 3 Abs. 1 TVG an den Tarifvertrag gebunden sein, selbst wenn die vereinsrechtliche Vollmitgliedschaft fortbesteht. Möchte der Arbeitgeberverband die Tarifbindung gemäß § 3 Abs. 1 TVG nicht beenden, muss er darauf achten, dass er in der Satzung nur Vermögensrechte suspendiert.128

122

Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 166. Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 1106. 124 So Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 166. 125 Vgl. etwa Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 36; Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 1105. 126 Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 1106. 127 BAG, Urteil vom 16. 2. 1962 – 1 AZR 167/61 – juris Rn. 17 ff.; BAG, Urteil vom 25. 9. 2002 – 4 AZR 294/01 – NZA 2003, 807 (809); Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 4, Krois, in: NK-GA, TVG, § 3 Rn. 28; zum Merkmal der demokratischen Organisation § 2 B. I. 2. a) bb) (1). 128 Es ist nicht klar, ob sich § 4 Abs. 2 der Satzung des Arbeitgeberverbandes AWO Deutschland e. V. (abrufbar unter: www.agv-awo.de/media/pdf/downloads/ungeschuetzt/_sat zung/Satzung.pdf (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023)) aufgrund seiner Stellung nur auf Abs. 1 oder auch auf Abs. 3 bezieht. Aufgrund des Wortlauts kann argumentiert werden, dass sich Abs. 2 auch auf Abs. 3 bezieht, sodass nicht nur die Vermögensrechte, sondern auch das Recht auf Sitz und Stimme in der Mitgliederversammlung suspendiert sind. 123

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds

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II. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft durch den Insolvenzverwalter Enthält die Satzung des Arbeitgeberverbandes keine entsprechende Regelung zum (automatischen) Ausschluss des Mitglieds oder schließt der Verband das insolvente Mitglied nicht aus, stellt sich die Frage, ob der Insolvenzverwalter für das Mitglied die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband beenden kann. Bevor dieser Frage nachgegangen wird, werden die Beendigungsmöglichkeiten auf Arbeitgeberseite und etwaige Rechtsfolgen näher erläutert. 1. Beendigungsmöglichkeiten auf Arbeitgeberseite a) Außerordentliche Kündigung Wie der Verband kann das Mitglied das Mitgliedschaftsverhältnis ohne Satzungsregelung aufgrund des § 314 BGB außerordentlich kündigen.129 aa) Anforderungen an den wichtigen Grund Damit das Mitglied die Mitgliedschaft außerordentlich kündigen kann, muss daher ein wichtiger Grund vorliegen (§ 314 Abs. 1 BGB). Nach herrschender Meinung in der Literatur ist die außerordentliche Kündigung wegen einer wirtschaftlichen Notlage des Mitglieds möglich, wenn auch die Tarifvertragspartei den Tarifvertrag deshalb kündigen dürfte.130 Wie bereits ausgeführt, berechtigt allein die Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des insolventen Arbeitgebers nicht dazu, den Tarifvertrag außerordentlich zu kündigen.131 Die Arbeitgeberseite trägt grundsätzlich das Risiko sich verändernder wirtschaftlicher Rahmenbedingungen.132 Geldmangel oder eine prekäre Finanzlage führen nicht zur Unzumutbarkeit.133 Damit das Festhalten an der Mitgliedschaft für den Arbeitgeber unzumutbar wird, ist deshalb – entsprechend zur außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags – entscheidend, dass der Fortbestand des Tarifvertrags die Sanierung und damit den Fortbestand des Betriebs bedroht und die Reduzierung der Belegschaft

129

Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 152; Lorenz, in: NK-TVG, § 3 Rn. 45, 53; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 3 Rn. 23; Mückl/Krings, BB 2012, 769 (771). 130 Löwisch/Rieble, TVG, § 3, Rn. 154; Höpfner, in: HMB, TVG, Teil 6 Rn. 43; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 10; i. E. auch Wank, in: Oetker, TVG, § 3 Rn. 56 und § 4 Rn. 34 für den Firmentarifvertrag. 131 § 3 B. II. 2. b) bb); widersprüchlich für die Mitgliedschaft Dierßen, in: BKS, TVG, § 3 Rn. 30 und 32; weder das insolvente Mitglied noch die anderen Mitglieder oder Verband haben ein Sonderkündigungsrecht, vgl. dazu Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 (224). 132 Höpfner, in: HMB, TVG, Teil 6 Rn. 43; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 10. 133 So auch Höpfner, in: HMB, TVG, Teil 6 Rn. 43.

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

daher absehbar ist. Um dies nachzuweisen, ist es erforderlich, dass ein umfassender Sanierungsplan ausgearbeitet wird.134 bb) Keine Nachbindung bei Unzumutbarkeit Führt die fortbestehende Mitgliedschaft zum Scheitern der Sanierung des Mitglieds und kann das Mitglied die Mitgliedschaft deshalb außerordentlich kündigen, ist es nur konsequent, § 3 Abs. 3 TVG teleologisch zu reduzieren.135 Sofern § 3 Abs. 3 TVG – vor dem Hintergrund des Art. 9 Abs. 3 GG – bezweckt, die Tariftreue des einzelnen Mitglieds sicherzustellen und einem Missbrauch der privatrechtlichen Gestaltungsfreiheit zu begegnen,136 wird der Zweck des § 3 Abs. 3 TVG nicht umgangen, wenn er für den Fall teleologisch reduziert wird, dass das Mitglied einen Sanierungsplan ausgearbeitet hat, aus dem sich ergibt, dass ohne Kündigung der Mitgliedschaft die Sanierung zu scheitern droht und die Arbeitsplätze deshalb gefährdet sind.137 Die Gefahr eines Rechtsmissbrauchs besteht hier nicht. Die Anforderungen an die Unzumutbarkeit sind sehr hoch und bestimmt genug. Insbesondere muss das Mitglied darlegen, dass der Abschluss eines Sanierungstarifvertrags nicht möglich oder nicht gleich effektiv war.138 Sichert die Nachbindung die individuelle Vertragstreue, muss sie daher wie jede andere Vertragsbindung weichen, wenn sie unzumutbar ist.139 b) Weitere Beendigungsmöglichkeiten und Rechtsfolge aa) Austritt Liegt ein wichtiger Grund nicht vor, kann das Mitglied gemäß § 39 Abs. 1 BGB aus dem Arbeitgeberverband austreten. Der Arbeitgeberverband darf die Austrittsfrist ebenso wie die Gewerkschaft und in Abweichung zu § 39 Abs. 2 BGB auf

134

Vgl. § 3 B. II. 2. b) cc) (4). Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 298 m. w. N.; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 10; Höpfner, in: HMB, TVG, Teil 6 Rn. 43; Mückl/Krings, BB 2012, 769 (771 f.); Henssler, in: HWK, TVG, § 3 Rn. 11; Krois, in: NK-GA, TVG, § 3 Rn. 45, 58; Caspers, in: MüKo InsO, § 120 Rn. 57; a. A. Lorenz, in: NK-TVG, § 3 Rn. 54; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 3 Rn. 23; Dierßen, in: BKS, TVG, § 3 Rn. 33. 136 Vgl. dazu etwa BAG, Urteil vom 15. 10. 1986 – 4 AZR 289/85 – NZA 1987, 246 (247); Büdenbender, NZA 2000, 509 (512); Konzen, ZfA 1975, 401 (410 f.); Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 66 m. w. N. 137 So aber Dierßen, in: BKS, TVG, § 3 Rn. 33; Kempen, in: Kempen/Zachert, TVG, § 3 Rn. 23. 138 Das Argument von Dierßen, in: BKS, TVG, § 3 Rn. 33, dass für eine teleologische Reduktion des § 3 Abs. 3 TVG deshalb keine Notwendigkeit besteht, ist daher widersprüchlich. 139 Vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 298. 135

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds

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höchstens sechs Monate festlegen.140 Zurückzuführen ist das auf die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte negative Koalitionsfreiheit des Mitglieds.141 Die Austrittsfrist hat zur Folge, dass die Tarifbindung des Arbeitgebers gemäß § 3 Abs. 1 TVG in dem Zeitraum auch für neu abgeschlossene Tarifverträge bestehen bleibt.142 bb) Wechsel in die OT-Mitgliedschaft Alternativ zum Austritt aus dem Arbeitgeberverband ist ein Wechsel in die OT-Mitgliedschaft möglich, sofern die Satzung des Arbeitgeberverbandes einen solchen zulässt.143 Beim Zwei-Verbände-Modell müsste der Insolvenzverwalter aus dem T-Verband austreten und dem OT-Verband wieder beitreten.144 Beim ZweiMitgliedschaften-Modell wird der Wechsel durch ein einseitiges „austrittsähnliches“ Gestaltungsrecht vollzogen.145 Als OT-Mitglied behält der Arbeitgeber ein Minus zur Vollmitgliedschaft, sodass es ihm weiterhin möglich ist, die Verbandsdienstleistungen in Anspruch zu nehmen.146 Allerdings sehen die Satzungen in der Regel Wechselfristen vor, die länger währen können als die Austrittsfrist von sechs Monaten.147 Art. 9 Abs. 3 GG wird insofern nicht eingeschränkt, weil es dem Mitglied möglich bleibt, aus dem Arbeitgeberverband auszutreten.148 cc) Aufhebungsvertrag Die Austrittsfrist kann durch einen Aufhebungsvertrag vermieden werden.149 Eine einvernehmliche Beendigung der Mitgliedschaft ist möglich, selbst wenn sie in der 140 BGH, Urteil vom 29. 7. 2014 – II ZR 243/13 – NZA 2014, 1352 Rn. 30; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 136; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 9; Henssler, in: HWK, TVG, § 3 Rn. 11; Däubler, NZA 1996, 225 (226); Reitze, NZA 1999, 70 (71 ff.) hält eine Kündigungsfrist von maximal drei Monaten für zulässig, verfassungswidrig soll aber erst das Überschreiten von sechs Monaten sein. 141 BGH, Urteil vom 29. 7. 2014 – II ZR 243/13 – NZA 2014, 1352 Rn. 30; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 136; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 9; Henssler, in: HWK, TVG, § 3 Rn. 11; Däubler, NZA 1996, 225 (226); Reitze, NZA 1999, 70 (71 ff.). 142 Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 140; Lorenz, in: NK-TVG, § 3, Rn. 45; Plander, NZA 2005, 897; Buchner, RdA 1997, 259 (260); Reuter, RdA 2006, 117 hält es für nicht ausgeschlossen, das Ende der Tarifbindung nach § 3 Abs. 1 TVG an die Kündigungserklärung und nicht erst an Wirksamwerden der Kündigung zu knüpfen. 143 Vgl. zur OT-Mitgliedschaft etwa Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 3 ff.; Lorenz, in: NK-TVG, § 3 Rn. 36 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 145. 144 Vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 145; zu den einzelnen Modellen vgl. etwa Giesen, in: BeckOK TVG, § 3 Rn. 3. 145 Vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 145. 146 Krois, in: NK-GA, TVG, § 3 Rn. 29; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 58. 147 Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 146. 148 So auch Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 146. 149 Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 11; Lorenz, in: NK-TVG, § 3 Rn. 52; Krois, in: NKGA, TVG, § 3 Rn. 46 ff.; Bepler, in: HMB, TVG, Teil 3 Rn. 215.

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

Satzung nicht ausdrücklich vorgesehen ist.150 Das Bestandsinteresse des Arbeitgeberverbands ist gewahrt, weil er an der einvernehmlichen Aufhebung ausdrücklich mitwirken muss.151 Die Gewerkschaft hat keinen Anspruch darauf, dass ihr der Arbeitgeberverband mit seinem konkreten Mitgliederbestand als potenzielle Tarifpartei erhalten bleibt.152 Deshalb ist auch ein sog. Blitzaustritt möglich, bei dem das (insolvente) Mitglied und der Arbeitgeberverband einen sofort wirkenden Aufhebungsvertrag schließen.153 Wechselt ein Mitglied allerdings nach Tarifverhandlungsbeginn, aber vor Unterzeichnung des Tarifvertrags, zur OT-Mitgliedschaft, so muss nach der Rechtsprechung des BAG die Gewerkschaft so rechtzeitig über diesen sog. Blitzwechsel unterrichtet werden, dass sie darauf während der laufenden Tarifverhandlungen reagieren kann.154 Fehlt eine solche Bekanntmachung, bleibt das Mitglied – so das BAG – gemäß § 3 Abs. 1 TVG tarifgebunden.155 dd) Rechtsfolge der Nachbindung Rechtsfolge des Austritts, des Aufhebungsvertrags und des Wechsels in die OT-Mitgliedschaft ist die Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG. Wie bereits ausgeführt, rechtfertigt die Insolvenzverfahrenseröffnung allein keine teleologische Reduktion des § 3 Abs. 3 TVG. Haben die Tarifvertragsparteien jedoch den Geltungsbereich des Tarifvertrags organisationsbezogen an die fortbestehende Mitgliedschaft geknüpft,156 verlässt der Arbeitgeber mit Beendigung der Mitgliedschaft zugleich den Geltungsbereich des Tarifvertrags.157 Dann wirkt der Tarifvertrag gemäß § 4 Abs. 5 TVG analog nach.158 Bei fehlender Begrenzung des Geltungsbereichs auf die aktuellen Mitglieder ist der Arbeitgeber hingegen gemäß § 3 Abs. 3 TVG an den Tarifvertrag gebunden, bis dieser endet. 150 Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 11; Lorenz, in: NK-TVG, § 3 Rn. 52; Krois, in: NKGA, TVG, § 3 Rn. 46 ff. 151 BAG, Urteil vom 18. 5. 2011 – 4 AZR 457/09 – NZA 2011, 1378 Rn. 23, 24; Henssler, in: HWK, TVG, § 3 Rn. 11; a. A. Plander, NZA 2005, 897 (899 ff.). 152 BGH, Urteil vom 29. 7. 2014 – II ZR 243/13 – NZA 2014, 1352 Rn. 30; Plander, NZA 2005, 897 (901); Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 129. 153 Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 57; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 11a; Dierßen, in: BKS, TVG, § 3 Rn. 37. 154 BAG, Urteil vom 19. 6. 2012 – 1 AZR 775/10 – NZA 2012, 1372 Rn. 30; BAG, Urteil vom 18. 5. 2011 – 4 AZR 457/09 – NZA 2011, 1378 Rn. 31; BAG, Urteil vom 26. 8. 2009 – 4 AZR 285/08 – NZA 2010, 230 Rn. 27 ff.; BAG, Urteil vom 4. 6. 2008 – 4 AZR 419/07 – NZA 2008, 1366 Rn. 57; vgl. auch Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 41; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 11a f.; kritisch dazu etwa Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 314 ff. 155 BAG, Urteil vom 18. 5. 2011 – 4 AZR 457/09 – NZA 2011, 1378 Rn. 31. 156 BAG, Urteil vom 16. 11. 2016 – 4 AZR 698/14 – BeckRS 2016, 120486, Rn. 30; BAG, Urteil vom 23. 3. 2011 – 4 AZR 268/09 – NJOZ 2012, 33 Rn. 38; BAG, Beschluss vom 22. 3. 2005 – 1 ABR 64/03 – NZA 2006, 383 (387); Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 246, 261, 320; Berg, in: BKS, TVG, § 4 Rn. 29; Deinert/Wenckebach, in: NK-TVG, § 4 Rn. 252. 157 Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 320; vgl. dazu auch Konzen, ZfA 1975, 401 (412). 158 § 3 A. I.

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds

167

Die zeitlich unbefristete Nachbindung, insbesondere für Unternehmen in wirtschaftlicher Notlage, wurde und wird in der arbeitsrechtlichen Literatur kritisiert.159 Im Schrifttum wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass die Nachbindung zeitlich begrenzt werden kann und sollte. Als Nachbindungszeitraum werden ein Jahr (§ 613a Abs. 1 Satz 2 BGB),160 zwei Jahre (§ 39 Abs. 2 BGB)161 oder fünf Jahre (§ 159 HGB, § 736 Abs. 2 BGB)162 vorgeschlagen. Außerdem wird für unbefristete, aber kündbare Tarifverträge die zeitliche Begrenzung der Nachbindung auf bis zu dem auf den Austritt folgenden nächsten Kündigungstermin befürwortet.163 Das BAG hat eine zeitliche Begrenzung der Nachbindung wegen des eindeutigen Wortlauts des § 3 Abs. 3 TVG hingegen abgelehnt.164 Gegen eine uneingeschränkte Geltung des § 3 Abs. 3 TVG bestehen – so das BAG – auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.165 Die Nachbindung – auch die zeitlich unbefristete Nachbindung – ist mitgliedschaftlich legitimiert und das Mitglied kann einen – vom fortwirkenden Verbandstarifvertrag abweichenden – Firmentarifvertrag abschließen.166 Die Nachbindung endet dann mit Ende des Tarifvertrags oder wenn der Tarifvertrag nachträglich abgeändert wird.167 In der Insolvenz des Arbeitgebers ist in der Regel ohnehin eine kurzfristige Anpassung der Verträge erforderlich. Etwaige Diskussionen zur zeitlichen Begrenzung der Nachbindung sind für den insolventen Arbeitgeber, insbesondere wenn die Nachbindung auf einen Zeitraum von fünf Jahren begrenzt werden soll, nicht zielführend. De lege lata ist es für das insolvente Mitglied daher sinnvoll, von einem – die Insolvenzmasse belastenden – Verbandstarifvertrag durch anderweitige Vereinbarungen abzuweichen.168 Enthält der Tarifvertrag keine Öffnungs159 Vgl. u. a. Monopolkommission, Zehntes Hauptgutachten 1992/1993, BT-Drs. 12/8323, S. 375 ff.; 61. DJT 1996, Beschl. Nr. 3, abgedr. in NZA 1996, 1277; im Schrifttum siehe nur Junker, ZfA 1996, 383 (393 ff.); Konzen, NZA 1995, 913 (918 ff.); Henssler, ZfA 1994, 487 ff.; Belling/Hartmann, NZA 1998, 57 ff.; Rieble, RdA 1996, 151 ff.; Löwisch, NJW 1997, 905 ff.; Hromadka, in: FS Kempen (2013), S. 78 (80 f.); vgl. bereits § 1 D. IV. 160 Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn 277; Willemsen/Mehrens, NZA 2010, 307 (309); Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 24. 161 Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 101 f.; Bepler, Stärkung der Tarifautonomie – Welche Änderungen des Tarifvertragsrechts empfehlen sich? – Gutachten zum 70. DJT (2014), Band I, B, B 53. 162 Höpfner, NJW 2010, 2173 (2177); Höpfner, Die Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 400 ff. 163 Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 272 ff.; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 27 m. w. N.; a. A. Höpfner, Die Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 396 ff. 164 BAG, Urteil vom 1. 7. 2009 – NZA 2010, 53 Rn. 35. 165 BAG, Urteil vom 1. 7. 2009 – NZA 2010, 53 Rn. 36 ff. 166 BAG, Urteil vom 1. 7. 2009 – NZA 2010, 53 Rn. 43 und 44, zu weiteren Argumenten vgl. auch Rn. 46 f. 167 Vgl. im Einzelnen etwa: Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 21 ff.; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 91 ff.; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 25 ff.; Lorenz, in: NKTVG, § 3 Rn. 111 ff. jeweils m. w. N. 168 Ausführlich dazu unter § 3 C.

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

klausel, kommt in erster Linie der Abschluss eines Sanierungstarifvertrags in Betracht.169 2. Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Beendigung der Mitgliedschaft Im Folgenden ist zu prüfen, ob der Insolvenzverwalter dafür zuständig ist, das Mitgliedschaftsverhältnis im Arbeitgeberverband zu beenden. Ausgangspunkt ist, dass die Mitgliedschaft wegen ihrer fehlenden Übertragbarkeit nicht in die Insolvenzmasse fällt, sodass der Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht zuständig ist. Denn gemäß § 80 Abs. 1 InsO geht die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis nur hinsichtlich des zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögens auf den Insolvenzverwalter über. a) Keine Pfändbarkeit des Austrittsrechts aa) Abspaltungsverbot Von der Übertragbarkeit der Mitgliedschaft als subjektives Recht ist die Übertragbarkeit einzelner Mitgliedschaftsrechte zu unterscheiden. § 38 Satz 1 BGB gilt nur für die Mitgliedschaft als solche, nicht jedoch für die einzelnen Mitgliedschaftsrechte und -pflichten.170 Allerdings sind die Rechte von der Mitgliedschaft aufgrund des Abspaltungsverbots nicht abspaltbar.171 Das Abspaltungsverbot ist für die GbR ausdrücklich in § 717 Satz 1 BGB geregelt und gilt für den Verein und andere Verbände als allgemeiner Rechtsgrundsatz entsprechend.172 Das Abspaltungsverbot bringt den Gedanken der Verbandsautonomie zum Ausdruck,173 weil die Mitglieder dadurch nicht eigenständig und willkürlich über die einzelnen Mitgliedschaftsrechte verfügen können.174 So wird der Verband davor geschützt, fremdgesteuert durch die Herrschaft gesellschaftsfremder Dritter zu sein.175 Die so 169

Vgl. § 3 C. II. 1. Hadding, in: Soergel, BGB, § 38 Rn. 30; Leuschner, in: MüKoBGB, § 38, Rn. 47. 171 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 c), S. 560; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 173; Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 47; Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 281 ff.; Hadding, in: Soergel, BGB, § 38 Rn. 29. 172 Habersack, Die Mitgliedschaft – subjektives und „sonstiges“ Recht, S. 78 ff.; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 c), S. 560; für den Verein: Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 173; Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 47; Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 281 ff.; Hadding, in: Soergel, BGB, § 38 Rn. 29. 173 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 a), S. 560; Schwennicke, in: Staudiner, BGB, § 38 Rn. 283. Zu den unterschiedlichen Begründungsansätzen für das Abspaltungsverbot vgl. ausführlich Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 282 f. 174 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 a), S. 560. 175 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 a), S. 560; Schwennicke, in: Staudiner, BGB, § 38 Rn. 283. 170

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds

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gesicherte mitgliedschaftliche Selbstbestimmung ist die Grundlage legitimer Willensbildung und Willensbetätigung von Verbänden.176 bb) Abspaltungsverbot für Organ- und Schutzrechte Organrechte sind Rechte auf Teilnahme an Verwaltung und Rechtsetzung des Vereins (interne Willensbildung).177 Zu nennen sind etwa das Teilnahme- und Stimmrecht, sowie das aktive und passive Wahlrecht.178 Schutzrechte setzen eine vom Verein geschaffene Konfliktsituation voraus, auf die das Mitglied reagieren kann.179 Ihnen wird das hier entscheidende Austrittsrecht gemäß § 39 BGB zugeordnet.180 Das Abspaltungsverbot gilt zwingend für die Organ- und Schutzrechte und damit für das Austrittsrecht.181 Es verhindert Satzungsregelungen, nach denen diese Rechte ohne gleichzeitige Übertragung der Mitgliedschaft übertragen werden.182 Wegen ihrer Unpfändbarkeit können die Organ- und Schutzrechte – und damit auch das Austrittsrecht – somit nicht eigenständiger Bestandteil der Insolvenzmasse werden.183 cc) Keine Überlassung der Ausübung des Austrittsrechts Die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte unter Zuhilfenahme Dritter ist keine verbotene Abspaltung von Mitgliedschaftsrechten und ist streng zu unterscheiden von einer etwaigen Übertragung der Mitgliedschaftsrechte.184 Gemäß § 857 Abs. 3 ZPO ist ein unveräußerliches Recht trotzdem pfändbar, soweit die Ausübung des Rechts einem anderen überlassen werden kann. Könnte die Ausübung des Austrittsrechts daher einem Dritten überlassen werden, würde dieses in die Insolvenzmasse fallen und der Insolvenzverwalter wäre zuständig. Gemäß § 38 Satz 2 BGB kann aber auch die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte keinem Dritten überlassen werden, sofern die Satzung nichts Abweichendes vorsieht (§ 40 BGB). 176

K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 a), S. 560 f. Auch als (Mit-)Verwaltungsrechte bezeichnet: Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 38 Rn. 19; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 125; Schwennicke, in: Staudinger, § 38 Rn. 20. 178 Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 12; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 128 f.; eine Auflistung findet sich bei Schwennicke, in: Staudinger, § 38 Rn. 21; vgl. auch Rieble, in: MüHdbArbR, § 224 Rn. 10 ff. 179 Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 138. 180 Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 38 Rn. 34; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 138; Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 15. 181 Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 47; Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 173. 182 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 a), S. 560; Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 281. 183 Für die GmbH vgl. Bergmann, ZInsO 2004, 225 (226). 184 K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, § 19 III 4 c), S. 562; Hadding, in: Soergel, BGB, § 38 Rn. 20. 177

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

b) Keine Kündigungsberechtigung wegen Anreicherung der Insolvenzmasse Möglicherweise könnte man eine Kündigungsberechtigung des Insolvenzverwalters begründen, wenn infolge der Kündigung die Insolvenzmasse angereichert würde. aa) Realisierung des Vermögenswerts der Mitgliedschaft durch Kündigung der Mitgliedschaft Die Mitgliedschaft verschafft Rechte auf Teilhabe an den Vorteilen, die aus der gemeinsamen Verfolgung des Vereinszwecks entstehen. Diese Rechte lassen sich in Vorteils- und Gewinn- bzw. Gläubigerrechte einteilen.185 Gläubigerrechte sind solche Rechte, die zwar aus der Mitgliedschaft hervorgehen, sich als Anspruch aber verselbstständigt haben.186 Es handelt sich um Geldforderungen, die – ohne ihren Inhalt zu verändern – auf Dritte übertragen werden können (§ 399 BGB).187 Zu den Gläubigerrechten zählen der Gewinnauszahlungsansprüche, der Anspruch auf das Auseinandersetzungsguthaben oder der Anspruch auf anteiligen Liquidationsüberschuss bei Auflösung des Verbandes.188 Obwohl zum Beispiel die genossenschaftliche Mitgliedschaft – wie die Vereinsmitgliedschaft – höchstpersönlicher Natur ist und die aus ihr folgenden Rechte und Pflichten nicht durch eine Satzungsregelung übertragen werden können,189 ist der Insolvenzverwalter berechtigt, die Mitgliedschaft in der Genossenschaft gemäß § 66a GenG zu kündigen. Das ist auf den Anspruch auf Auseinandersetzungsguthaben gemäß § 73 GenG zurückzuführen, der infolge seiner Übertragbarkeit der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann. Damit der Insolvenzverwalter allerdings auf das dem Mitglied bei Auseinandersetzung zustehende Guthaben zugreifen kann, muss das Mitglied aus der Genossenschaft ausscheiden.190 Das setzt die Kündigung durch den Insolvenzverwalter voraus.191 Durch die Kündigung kann der Insolvenzverwalter den Vermögenswert der Mitgliedschaft (§ 73 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 GenG) für die Insolvenzgläubiger

185

Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 133. Vgl. § 717 Satz 2 BGB. Für den (Wirtschafts-)Verein: Wagner, in: Reichert, Vereinsund Verbandsrecht, Kapitel 2, S. 209 Rn. 663; Schwennicke, in: Staudingern, BGB, § 38 Rn. 23, 26; für die GmbH: Bergmann, ZInsO 2004, 225 (226 f.); für die Genossenschaft: Beuthien, in: GenG, § 18 Rn. 7. 187 Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2, S. 209 Rn. 663; Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 48. 188 Vgl. § 717 Satz 2 BGB; Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2, S. 209 Rn. 663; Schwennicke, in: Staudingern, BGB, § 38 Rn. 22, 23; Hadding, in: Soergel, BGB, § 38 Rn. 18a; Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 5096; BGH, Urteil vom 11. 7. 1968 – VII ZR 63/66 – NJW 1968, 1830. 189 Vgl. Herzberg, in: Berliner Kommentar zum Genossenschaftsgesetz, § 18 Rn. 4. 190 Vgl. Keßler, in: Berliner Kommentar zum Genossenschaftsgesetz, § 66 Rn. 1. 191 Vgl. Keßler, in: Berliner Kommentar zum Genossenschaftsgesetz, § 66 Rn. 1. 186

B. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds

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realisieren.192 Im Gegensatz zum Mitglied einer Genossenschaft hat das Vereinsmitglied allerdings – vor dem Hintergrund des ideellen Zwecks des Vereins – ohne Satzungsregelung keine vermögensrechtlichen Ansprüche und damit auch keinen Abfindungsanspruch gegen den Verband,193 sodass durch die Kündigung kein Vermögenswert realisiert werden kann. bb) Begrenzung der Masseverbindlichkeiten durch Kündigung der Mitgliedschaft Durch die Beendigung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband kann zwar kein Vermögenswert realisiert werden. Allerdings kann der Insolvenzverwalter die Insolvenzmasse durch die Kündigung möglicherweise von zusätzlichen Verbindlichkeiten befreien. Die Beendigung der Mitgliedschaft entlastet die Insolvenzmasse allerdings nicht deshalb, weil dann keine Mitgliedsbeiträge mehr zu entrichten sind. Ist die Mitgliedschaft nicht übertragbar und kann sie daher nicht der Insolvenzmasse zugeordnet werden, muss nicht der Insolvenzverwalter aus der Insolvenzmasse die Mitgliedsbeiträge entrichten, sondern vielmehr der Insolvenzschuldner mit seinem – der Insolvenzmasse nicht zuzuordnendem – Vermögen.194 Wie bereits ausgeführt, begründet die Verbandsmitgliedschaft allerdings die Bindung an den Tarifvertrag, sodass mit ihr erhebliche unternehmens- und arbeitsverhältnisbezogene Lasten für die Masse verbunden sind, wenn die Tarifnormen massebelastende Regelungen enthalten.195 Man könnte daher argumentieren, dass der Insolvenzverwalter die Mitgliedschaft beenden können muss, um die Masse von diesen Verbindlichkeiten zu befreien.196 Aufgrund der Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG wird die Insolvenzmasse allerdings nicht von den Verbindlichkeiten des bereits abgeschlossenen Tarifvertrags befreit. Die Beendigung der Mitgliedschaft führt lediglich dazu, dass das Mitglied an neu abgeschlossene Tarifverträge im Nachbindungszeitraum nicht mehr gebunden ist.197 Anders als im Nachwirkungszeitraum kann der Insolvenzverwalter die Arbeitsverhältnisse nicht durch abweichende Vereinbarungen anpassen. Selbst wenn der Insolvenzverwalter ausnahmsweise die Mitgliedsbeiträge aus der Insolvenzmasse begleicht oder sogar begleichen muss198 oder die Nachbindung nicht

192

Vgl. Beuthien, in: Genossenschaftsgesetz, § 66a Rn. 2. Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 38 Rn. 20; Schwennicke, in: Staudinger, § 38 Rn. 22; Hadding, in: Soergel, BGB, § 38 Rn. 29. 194 Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 (235 f.); Andres, in: Nerlich/Römermann, InsO, § 36 Rn. 29; Hirte/Praß, in: Uhlenbruck, InsO, § 36 Rn. 38. 195 § 1 D. I. 1. 196 So allgemein für alle Mitgliedschaftsrechte: Caspers, in: MüKo InsO, vor §§ 113 – 128 Rn. 13. 197 Statt aller: Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 25. 198 § 4 C. I. 2. 193

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

einschlägig ist, weil die Mitgliedschaft außerordentlich gekündigt wird,199 ist es für die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters nicht ausreichend, dass das Vermögen betroffen ist. Damit das Vermögen der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann, müssen auch die Voraussetzungen des § 36 InsO erfüllt sein.200 Die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis geht nur hinsichtlich der Insolvenzmasse auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO). Für die Fallgruppe der Realisierung des Vermögenswerts der Mitgliedschaft durch Kündigung wird dies berücksichtigt, weil der Anspruch auf Auseinandersetzungshaben selbst übertragen werden und daher der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann. c) Übergang der Arbeitgeberfunktionen für das durch Tarifvertrag geregelte Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Allerdings kann der Insolvenzverwalter die Verbandsmitgliedschaft beenden, weil auf ihn die Arbeitgeberfunktionen übergehen. Für den Abschluss, die Durchführung und die Beendigung von Tarifverträgen gehen die Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter über, weil die Tarifvertragsnormen, die für das insolvente Mitglied unmittelbar und zwingend gelten (§ 4 Abs. 1 TVG, § 3 Abs. 1 TVG), das Arbeitsverhältnis gestalten, das grundsätzlich für die Insolvenzmasse fortbesteht. Aus den §§ 108 ff., 120 ff. InsO ergibt sich, dass der Insolvenzverwalter zum Schutz der Arbeitnehmer und der Insolvenzmasse immer zuständig ist, wenn auf das Rechtsverhältnis zwischen dem Arbeitgeber und einem einzelnen Arbeitnehmer oder einer Vielzahl von Arbeitnehmern eingewirkt wird.201 Die Regelung des § 3 Abs. 1 TVG verbindet das Tarifrecht mit dem Verbandsrecht.202 Die Tarifbindung ist vom Erwerb und Verlust der Mitgliedschaft in einem tariffähigen Arbeitgeberverband abhängig.203 Ist der Arbeitgeber aufgrund der Mitgliedschaft an den Tarifvertrag gebunden, kann der einzelne Arbeitgeber nur die Mitgliedschaft nach Verbandsrecht,204 nicht jedoch den Tarifvertrag kündigen. Das Mitglied ist nicht Partei des Tarifvertrags. Das Kündigungsrecht steht vielmehr dem Arbeitgeberverband zu.205 Da die Verbandsmitgliedschaft die Bindung an den Tarifvertrag begründet, der wiederum das Arbeitsverhältnis gestaltet, muss der Insolvenzverwalter die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband kündigen können, um die 199

§ 4 B. II. 1. a) bb). Vgl. oben § 1 B. II. 1. 201 Vgl. dazu § 2 A. III. 3. b) aa); so i. E. auch Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 150. 202 Höpfner, Die Tarifgeltung im Arbeitsverhältnis, S. 322. 203 Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 37, 52; Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 6; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 3 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 39 ff., 78 ff., 126 ff. 204 Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 37, 52; Giesen, in: BeckOK ArbR, TVG, § 3 Rn. 6; Franzen, in: ErfK, TVG, § 3 Rn. 3 ff.; Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 39 ff., 78 ff., 126 ff. 205 § 3 B. III. 200

C. Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechtspositionen des insolventen Mitglieds 173

Beendigung der Tarifbindung zu veranlassen. Das insolvente Mitglied ist dann nicht mehr an einen neu abgeschlossenen Verbandstarifvertrag gebunden. Für die Arbeitnehmer gelten also die Arbeitsbedingungen des neuen Verbandstarifvertrags nicht. Dadurch wird auf die Arbeitsverhältnisse eingewirkt. Durch die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Beendigung der Mitgliedschaft wird einerseits der möglichen Masseentlastung Rechnung getragen. Andererseits werden die Interessen der anderen Mitglieder oder des Verbandes nicht berührt, weil der Insolvenzverwalter durch die Beendigung der Mitgliedschaft nicht in das Verbandsinnenrecht eingreifen kann. Es besteht daher nicht die Gefahr, dass ein fremder Dritter das Verbandsleben beeinflusst. Dass der Insolvenzverwalter die – die Tarifbindung begründende – Verbandsmitgliedschaft des insolventen Mitglieds im Arbeitgeberverband beenden kann, entspricht somit insolvenzarbeitsrechtlichen und vereinsrechtlichen Grundsätzen.

C. Wahrnehmung der mitgliedschaftlichen Rechtspositionen des insolventen Mitglieds bei fortbestehender Verbandsmitgliedschaft Beendet der Insolvenzverwalter die Verbandsmitgliedschaft nicht und wird das insolvente Mitglied auch nicht durch den Arbeitgeberverband ausgeschlossen, stellt sich die Frage, wer die mitgliedschaftlichen Rechtspositionen bei fortbestehender Verbandsmitgliedschaft wahrnehmen kann und muss. Hierfür fehlt es bisher an einer vertieften Auseinandersetzung. Entgegen der in der Literatur vertretenen Ansicht ist der Insolvenzverwalter wegen des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen nicht für alle Mitgliedschaftsrechte zuständig.206 Vielmehr ist zwischen der Zuständigkeit für die Umsetzung tariflicher Rechte bei Fortbestand der Verbandsmitgliedschaft (I.), der Zuständigkeit für Organ- und Schutzrechte (II.) und der Zuständigkeit für Vermögensrechte (III.) zu unterscheiden.

I. Zuständigkeit für die Durchführung des Tarifvertrags bei Fortbestand der Verbandsmitgliedschaft 1. Übergang der Arbeitgeberfunktionen Der Insolvenzverwalter ist aufgrund des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen zur Durchführung des Tarifvertrags zuständig, sofern er die Verbandsmitgliedschaft nicht beendet.207 Die Durchsetzung der tariflichen Rechte obliegt den von den Ta206 Vgl. Caspers, in: MüKo InsO, vor §§ 113 – 128 Rn. 13; Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 113; Giesen, in: Jaeger, InsO, vor § 113 Rn. 150. 207 § 2 A. III. 3. b).

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§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

rifnormen Begünstigten.208 Das folgt aus der unmittelbaren und zwingenden Wirkung der Tarifnormen.209 Das insolvente Mitglied ist hingegen nicht Partei des Verbandstarifvertrags, sodass es tarifvertraglich nicht an die schuldrechtlichen Pflichten gebunden ist.210 Das Mitgliedschaftsverhältnis begründet allerdings einen Erfüllungsanspruch des Arbeitgeberverbandes und umgekehrt eine Folgepflicht des Verbandsmitglieds, die vom Arbeitgeberverband abgeschlossenen Tarifverträge – auch in Bezug auf die schuldrechtlichen Vereinbarungen – zu beachten.211 Das Mitglied kann wiederum verlangen, dass der Arbeitgeberverband für die Einhaltung der Tarifverträge sorgt.212 Da die Arbeitgeberfunktionen hinsichtlich der Durchführung der Tarifverträge auf den Insolvenzverwalter übergehen, weil die Tarifverträge auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einwirken, ist der Insolvenzverwalter für die Umsetzung der tariflichen Rechte im Außenverhältnis gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern und im Innenverhältnis gegenüber dem Arbeitgeberverband zuständig, wenn er die Verbandsmitgliedschaft nicht beendet. Das entspricht der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für Firmentarifverträge.213 Durch die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Umsetzung der tariflichen Rechte werden die Interessen der weiteren Mitglieder oder des Verbandes nicht berührt, solange und soweit der Tarifvertrag auch tatsächlich umgesetzt wird. 2. Bezahlung der Mitgliedschaftsbeiträge aus der Insolvenzmasse Der Wortlaut des § 38 Satz 2 BGB, wonach die Ausübung der Mitgliedschaftsrechte nicht einem anderen überlassen werden kann, erfasst nicht die Überlassung der Ausübung der Mitgliedschaftspflichten an einen Dritten. Allerdings sind die Mitgliedschaftspflichten, wie etwa Mitverwaltungs- oder Loyalitätspflichten, höchstpersönlicher Natur und damit ohne Satzungsregelung nicht übertragbar.214 Führt der Insolvenzverwalter die Verbandsmitgliedschaft fort, weil er sich einen Vorteil für die Masse verspricht,215 kann er jedoch mit befreiender Wirkung für das insolvente 208

Statt aller Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 6. Statt aller: Franzen, in: ErfK, TVG, § 4 Rn. 1 ff. 210 Statt aller Waas, in: BeckOK ArbR, TVG, § 1 Rn. 61. 211 Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1428; Rieble, in: MüHdbArbR, § 224 Rn. 31. 212 Vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 1429. 213 § 2 A. III. 3. b). 214 Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 38 Rn. 34; Hadding, in: Soergel, BGB, § 38 Rn. 30; Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2, S. 210 Rn. 667; vgl. im Einzelnen zu den Mitgliedschaftspflichten Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 38 ff. Für die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für Mitverwaltungspflichten bei Satzungsregelung oder Übergang der Arbeitgeberfunktionen gilt das für Mitgliedschaftsrechte unter § 4 C. II. Ausgeführte. 215 Zu den Grenzen der Rechtsmacht des Insolvenzverwalters vgl. etwa Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 60 ff. 209

C. Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechtspositionen des insolventen Mitglieds 175

Mitglied die Mitgliedschaftsbeitrage aus der Insolvenzmasse zahlen (§ 267 Abs. 1 BGB), sofern der Mitgliedschaftsbeitrag auf eine Geldleistung gerichtet ist.216 Die Beitragspflicht in Form der Geldleistung muss nicht höchstpersönlich durch das insolvente Mitglied erfolgen, weil dadurch der Inhalt der Leistung nicht verändert wird.217 Kann die Mitgliedschaft ausnahmsweise infolge einer Satzungsregelung zu ihrer Übertragbarkeit der Insolvenzmasse zugeordnet werden, müssen die Mitgliedsbeiträge sogar aus der Masse beglichen werden.218

II. Zuständigkeit für Organ- und Schutzrechte Durch die Beendigung der Verbandsmitgliedschaft oder die Fortführung des Tarifvertrags wird auf die Arbeitsverhältnisse eingewirkt, sodass der Insolvenzverwalter aufgrund des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen zuständig ist. Im Folgenden ist deshalb zu überprüfen, ob und welche Organ- und Schutzrechte auf das Arbeitsverhältnis einwirken. 1. Vereins- und insolvenzrechtlicher Ausgangspunkt Zunächst wird jedoch erläutert, inwiefern der Insolvenzverwalter nach vereinsund insolvenzrechtlichen Vorgaben überhaupt Organ- und Schutzrechte wahrnehmen könnte. a) Begrenzte Zuständigkeit des Insolvenzverwalters Die weiteren Organ- und Schutzrechte – also etwa das Teilnahme- und Stimmrecht oder das aktive und passive Wahlrecht – fallen wegen des für sie geltenden Abspaltungsverbots nicht in die Insolvenzmasse.219 Sie sind höchstpersönlicher Natur, sodass der Insolvenzverwalter grundsätzlich nicht zuständig ist. Die Satzung des Arbeitgeberverbandes kann hingegen – in Abweichung zu § 38 BGB – die Übertragbarkeit der Mitgliedschaft oder einzelner Mitgliedschaftsrechte zulassen (§ 40 BGB).220 Das ist in der Praxis jedoch eher selten der Fall.221 Selbst wenn die 216 Soergel, in: Hadding, BGB. § 38 Rn. 30; Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 38 Rn. 34; Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2, S. 210 Rn. 667. 217 Vgl. auch § 4 B. II. 2. b) aa). Ist die Verbandsmitgliedschaft ausnahmsweise der Insolvenzmasse zuzuordnen, weil die Satzung des Verbands die Übertragbarkeit vorsieht (§ 40 BGB), ist die Beitragsforderung als Masseforderung des Verbands einzuordnen, vgl. dazu Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 (234); Dauernheim, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2, Rn. 3876. 218 Mock, in: FS Pape (2019), S. 223 (234); Dauernheim, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2, Rn. 3876. 219 § 4 B. II. 2. a) bb). 220 § 4 A. II. 1. a).

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Satzung die Übertragbarkeit der Verbandsmitgliedschaft regelt, sodass sie der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann, ist der Insolvenzverwalter nicht für die Wahrnehmung sämtlicher Mitgliedschaftsrechte und -pflichten zuständig. Man könnte zwar argumentieren, dass der Insolvenzverwalter schon wegen des Wortlauts des § 80 Abs. 1 InsO alle mitgliedschaftlichen Verwaltungsrechte ausüben darf, wenn die Mitgliedschaft der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann.222 Sinn und Zweck des Insolvenzverfahrens ist allerdings die bestmögliche Gläubigerbefriedigung (§ 1 Satz 1 InsO). Hierfür dient die Insolvenzmasse.223 Gemäß § 80 Abs. 1 InsO beschränkt sich die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters deshalb auch auf die Insolvenzmasse.224 Der Insolvenzverwalter ist darüber hinaus nicht für sämtliche Rechtsbeziehungen zwischen dem Mitglied und dem Verband oder den anderen Mitgliedern zuständig. Vielmehr haben der Verband und die Mitglieder selbst ein Interesse daran, der „Fremdbestimmung“ durch den Insolvenzverwalter entgegenzuwirken.225 Ein Eingriff in die innerverbandliche Willensbildung des Arbeitgeberverbandes kann nur insofern gerechtfertigt werden, als die Gläubigerinteressen einen solchen erforderlich machen.226 b) Kein genereller Vermögensbezug der Mitgliedschaft Der Insolvenzverwalter darf daher grundsätzlich nur solche Rechte wahrnehmen, die sich aus der Befugnis zur Ausübung der Mitgliedschaft ergeben und die dem Vermögen des Mitglieds zugeordnet werden können.227 Anders als beispielsweise die Mitgliedschaft in einer GmbH, die wegen ihrer Übertragbarkeit (§ 15 Abs. 1 GmbHG) stets vom Insolvenzbeschlag erfasst wird, wird die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband auch nicht durch einen Geschäftsanteil verkörpert.228 Deshalb kann nicht argumentiert werden, dass der Vermögensbezug der Mitgliedschaft und der einzelnen Mitgliedschaftsrechte stets bejaht werden kann, weil grundsätzlich keine Angelegenheit der Gesellschaft denkbar sei, die sich nicht zumindest mittelbar auf den Geschäftsanteil des einzelnen Gesellschafters und damit 221 Soweit ersichtlich existiert keine Satzung eines Arbeitgeberverbandes, in der die Übertragbarkeit der Mitgliedschaft geregelt wäre (Stand: 23. 1. 2023). 222 Mock, in: FS Pape (2019), 223 (233); Dauernheim, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2, Rn. 3876 bei Insolvenz des Vereins; Eichholz, Probleme in der Insolvenz des GmbH-Gesellschafters, S. 43 m. w. N. in Fn. 142 sieht darin die allgemeine Meinung für die GmbH. 223 Statt aller: Peters, in: MüKo InsO, § 35 Rn. 1; zur gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung als Ziel des Insolvenzverfahrens vgl. bereits § 1 A. 224 Für den GmbH-Geschäftsanteil: Eichholz, Probleme in der Insolvenz des GmbH-Gesellschafters, S. 44 f. 225 § 4 A. I. 226 Vgl. Löwisch/Rieble, TVG, § 3 Rn. 174. 227 Bergmann, ZInsO 2004, 225 (227). 228 § 4 A. II. 1. b).

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auf den für die Gläubigergesamtheit zu realisierenden Vermögenswert des Anteils auswirkt.229 c) Wahrnehmung einzelner Mitgliedschaftsrechte mit Vermögensbezug Dem Insolvenzverwalter steht also z. B. kein allgemeines Teilnahme- und Rederecht in der Mitgliederversammlung zu. Es kommt vielmehr auf den Gegenstand der Beratung und Beschlussfassung an.230 Nichts anderes gilt für das Stimmrecht des Mitglieds. Werden nur verbandsinterne Belange ohne Vermögensbezug behandelt, übt das Mitglied das Stimmrecht selbst aus.231 Dann hat der Insolvenzverwalter auch kein Recht, die Mitgliederversammlung einzuberufen, die Ergänzung der Tagesordnung der Mitgliederversammlung zu verlangen (§ 37 BGB) oder Beschlussmängel geltend zu machen.232 Einen Vermögensbezug hat etwa die Verabschiedung der Beitragsordnung.233 Einen Vermögensbezug hat in der Regel auch der Tarifvertrag, wenn er Regelungen enthält, die das Vermögen des Insolvenzschuldners betreffen.234 Würde dann beispielsweise über Verhandlungsergebnisse der Tarifverhandlungen abgestimmt, dann hätte das Stimmrecht einen Vermögensbezug und der Insolvenzverwalter könnte es ausüben. Eine solche Abstimmung findet aber in der Regel nicht statt.235 Einen möglichen Vermögensbezug hätte des Weiteren das Amt des Vorstands. Der Vorstand führt die Tarifverhandlungen.236 Als vertretungsberechtigtes Organ kündigt er bestehende Tarifverträge und stellt neue Tarif- und Arbeitskampfforderungen auf.237 Schließlich unterzeichnet der Vorstand regelmäßig die verhandelten Tarifverträge.238 Vereins- und insolvenzrechtlich könnte der Insolvenzverwalter das Amt des Vorstands jedoch nicht wahrnehmen. Dieses ist als höchstpersönliches Recht so

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So die Argumentation für den Vermögensbezug einzelner Mitgliedschaftsrechte in der GmbH: Bergmann, ZInsO 2004, 225 (228); Bartholomäus, Der GmbH-Gesellschafter in der Insolvenz, S. 37; kritisch dazu Eichholz, Probleme in der Insolvenz des GmbH-Gesellschafters, S. 124 ff. 230 Vgl. Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 1391, 1392. 231 Vgl. Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kap. 2 Rn. 1391, 1454. 232 Vgl. zu den Mitgliedschaftsrechten Schwennicke, in: Staudinger, BGB, § 38 Rn. 21. 233 Vgl. dazu www.intex-verband.de/fileadmin/intex-verband/Documents/Satzung_intex_22. 08.19.pdf (zuletzt aufgerufen am 23. 1. 2023). 234 § 1 D. I. 1. 235 Engel, Collective Governance in Tarifverbänden, S. 70; Rieble, RdA 2004, 78 (81) für Gewerkschaften. 236 Engel, Collective Governance in Tarifverbänden, S. 102 f.; Rieble, RdA 2004, 78 (81) für Gewerkschaften. 237 Engel, Collective Governance in Tarifverbänden, S. 102 f. 238 Engel, Collective Governance in Tarifverbänden, S. 102 f.

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eng mit dem Mitglied verbunden ist, dass der Insolvenzverwalter nicht einrücken kann.239 Der Insolvenzverwalter ist somit nach vereins- und insolvenzrechtlichen Grundsätzen für die Organ- und Schutzrechte nur zuständig, wenn diese selbst einen Vermögensbezug aufweisen und die Mitgliedschaft aufgrund einer Satzungsregelung hinsichtlich ihrer Übertragbarkeit der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann. 2. Übergang der Arbeitgeberfunktionen? Die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband hat zwar keinen generellen Vermögensbezug. Allerdings könnten die Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter übergehen, wenn das Verbandsinnenrecht stets auch den Abschluss, die Durchführung und die Beendigung des Tarifvertrags betreffen und dadurch auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingewirkt wird. a) Einwirken auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer Durch die mitgliedschaftlichen Rechtspositionen wird allerdings nur im Einzelfall auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber eingewirkt: (1) Ist das insolvente Mitglied auch Mitglied des Vorstands des Arbeitgeberverbandes, betreffen seine Aufgaben den Abschluss und die Beendigung von Tarifverträgen, weil der Vorstand – wie soeben ausgeführt240 – hierfür zuständig ist. Durch den Abschluss und die Beendigung von Tarifverträgen wird auf das Arbeitsverhältnis eingewirkt.241 (2) Das Teilnahme- und Stimmrecht berührt den Abschluss von Tarifverträgen hingegen nur, wenn ausnahmsweise über die Verhandlungsergebnisse der Tarifverhandlungen abgestimmt werden soll. Durch die Abstimmung wird der Inhalt des Tarifvertrags bestimmt, durch den später die Arbeitsverhältnisse gestaltet werden. (3) Die Mitglieder des Arbeitgeberverbandes werden förmlich in die Tarifverhandlungen in der Regel nur dadurch einbezogen, dass sie den Vorstand und die Tarifkommission wählen.242 Die Wahl des Vorstands betrifft zwar mittelbar den Abschluss, die Durchführung und die Beendigung des Tarifvertrags, weil der Vorstand in der Regel hierfür zuständig ist. Allerdings wird durch die Wahl selbst

239

Für die GmbH: Welle/Reichert, in: MüKo GmbHG, § 15 Rn. 557; Heckschen, ZIP 2010, 1319 (1324); Görner, in: Rodwedder/Pentz, GmbHG, § 15 Rn. 166; Löbbe, in: Habersack/ Casper/Löbbe, GmbHG, § 15 Rn. 337. 240 § 4 C. II. 1. c). 241 Ausführlich dazu § 2 A. III. 3. b) bb) und § 4 B. II. 2. c). 242 Engel, Collective Governance in Tarifverbänden, S. 70.

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nicht auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingewirkt. Wird auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingewirkt, gehen grundsätzlich die Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter über. Nach dem soeben Ausgeführten würde das bedeuten, dass der Insolvenzverwalter auch ohne eine entsprechende Satzungsregelung zur Übertragbarkeit der Verbandsmitgliedschaft das Stimmrecht ausüben kann, wenn über die Verhandlungsergebnisse der Tarifverhandlungen abgestimmt werden soll. Er könnte ferner – entgegen dem vereinsrechtlichen Ausgangspunkt – das Amt des Vorstands wahrnehmen, den Vorstand hingegen aber nicht wählen. Im Folgenden ist zu überprüfen, ob dieses Ergebnis mit tarifrechtlichen und vereinsrechtlichen Grundsätzen im Einklang steht. b) Fehlende tarifliche Legitimation des Insolvenzverwalters zur Wahrnehmung des Vorstandsamtes Könnte der Insolvenzverwalter das Vorstandsamt wahrnehmen, würden – anders als bei der Beendigung der Verbandsmitgliedschaft oder der Durchführung des Tarifvertrags – die Interessen der weiteren Verbandsmitglieder und des Verbands selbst tangiert. Der Vorstand führt nicht nur die Tarifverhandlungen, schließt neue Tarifverträge ab und kündigt bestehende Tarifverträge, sondern vertritt den Verein auch gerichtlich und außergerichtlich (§ 26 Abs. 1 Satz 2 Hs. 1 BGB). Tarifrechtlich erfordert die verfassungsrechtlich geschützte Tarifautonomie allerdings den Gleichlauf von Verantwortlichkeit und Betroffenheit in Bezug auf tarifpolitische Entscheidungen.243 Die tarifpolitischen Entscheidungen des Vorstands betreffen nicht nur das insolvente, sondern auch die weiteren Verbandsmitglieder. Diese haben den Insolvenzverwalter hingegen nicht gewählt und damit nicht tariflich legitimiert.244 Der Insolvenzverwalter wird vom Insolvenzgericht bestellt (§ 27 Abs. 2 Nr. 2 InsO).245 Insofern wäre der Arbeitgeberverband dann auch nicht mehr staatlich unabhängig.246 Vereinsrechtlich ist der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für das Amt des Vorstands aufgrund des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen ferner entgegenzuhalten, dass § 38 BGB den Verband gerade davor schützt, dass ein verbandsfremder Dritter in das Verbandsinnenleben eingreift.247 Aufgrund der Höchstpersönlichkeit 243 Für OT-Mitglieder: BAG, Urteil vom 21. 1. 2015 – 4 AZR 797/13 – NZA 2015, 1521 Rn. 18; BAG, Urteil vom 19. 6. 2012 – 1 AZR 775/10 – NZA 2012, 1372 Rn. 16; BAG, Urteil vom 22. 4. 2009 – 4 AZR 111/08 – NZA 2010, 105 Rn. 28; Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 9a; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 156 ff. 244 Vgl. zur Notwendigkeit der tariflichen Legitimation: § 2 B. II. 2. 245 Vgl. dazu auch Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, § 27 Rn. 7. 246 Siehe dazu oben § 2 B. II. 2. b) cc) und § 2 B. II. 2. b) dd). 247 § 4 A. I.

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kann der Insolvenzverwalter das Vorstandsamt nach vereins- und insolvenzrechtlichen Grundsätzen nicht einmal ausüben, wenn die Mitgliedschaft der Insolvenzmasse zugeordnet wird. Die Arbeitgeberfunktionen gehen auf den Insolvenzverwalter über, um die Masse einerseits und die Arbeitnehmer andererseits zu schützen.248 Dem Masseschutz kann dadurch Rechnung getragen werden, dass der Insolvenzverwalter die Verbandsmitgliedschaft beenden kann. Der Schutz der Arbeitnehmer würde durch den Übergang der Arbeitgeberfunktionen sogar in sein Gegenteil verkehrt. Aus den genannten tarifrechtlichen Erwägungen müsste das insolvente Mitglied nämlich aus dem Arbeitgeberverband ausscheiden, wenn der Insolvenzverwalter das Vorstandsamt wahrnehmen könnte. Das würde zu einer Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG führen, sodass das insolvente Mitglied an neue Verbandsmitglieder nicht mehr gebunden wäre. Aus den genannten Gründen muss es daher bei der vereins- und insolvenzrechtlichen Ausgangslage bleiben, dass der Insolvenzverwalter für das Amt des Vorstands nicht zuständig ist. c) Teilnahme- und Stimmrecht bei Abstimmung über Tarifverhandlungsergebnisse Der Insolvenzverwalter kann das Teilnahme- und Stimmrecht aufgrund des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen nur wahrnehmen, wenn ausnahmsweise über die Verhandlungsergebnisse der Tarifverhandlungen abgestimmt werden soll und so ein Bezug zum Abschluss oder zur Beendigung von Tarifverträgen besteht. Die weiteren Organ- und Schutzrechte kann er ausüben, wenn die Mitgliedschaft durch Satzungsregelung zu ihrer Übertragbarkeit der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann und die einzelnen Mitgliedschaftsrechte einen Vermögensbezug aufweisen. Im Übrigen bleibt das insolvente Mitglied für das Verbandsinnenrecht zuständig. aa) Tarifpolitische Betroffenheit des Mitglieds Die Verbandsorgane, die über tarifpolitische Fragen entscheiden, müssen von denjenigen Mitgliedern gewählt werden, die ihrerseits von den tariflichen Folgen des Tarifabschlusses zumindest abstrakt betroffen sind.249 Verbandsmitglieder, die von den Tarifabschlüssen des Arbeitgeberverbandes von vorne herein nicht betroffen sind – wie zum Beispiel OT-Mitglieder –, dürfen keinen beherrschenden Einfluss auf das tarifpolitische Geschehen nehmen.250 Umgekehrt muss den nach § 3 Abs. 1 TVG 248

§ 2 A. III. 1. Vgl. nur Löwisch/Rieble, TVG, § 1 Rn. 74. 250 BAG, Urteil vom 21. 1. 2015 – 4 AZR 797/13 – NZA 2015, 1521 Rn. 18; BAG, Urteil vom 19. 6. 2012 – 1 AZR 775/10 – NZA 2012, 1372 Rn. 17; BAG, Urteil vom 22. 4. 2009 – 4 AZR 111/08 – NZA 2010, 105 Rn. 29; Oetker, in: Wiedemann, TVG, § 3 Rn. 145 ff.; 249

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gebundenen Mitgliedern das Stimmrecht in der Mitgliederversammlung und das Wahlrecht zu den Vereinsorganen zustehen.251 (1) Tarifpolitische Betroffenheit des insolventen Mitglieds bei Zuständigkeit des Insolvenzverwalters Kann der Insolvenzverwalter ausnahmsweise das Teilnahme- und Stimmrecht ausüben, weil über Tarifverhandlungsergebnisse abgestimmt wird, könnte man argumentieren, dass der Insolvenzverwalter dennoch nicht zuständig sein darf, weil er nicht von den Tarifabschlüssen betroffen ist. Allerdings treffen das insolvente Mitglied, an dessen Stelle der Insolvenzverwalter das Teilnahme- und Stimmrecht ausübt, die tariflichen Folgen des Tarifabschlusses. Die Rechtsausübung wird lediglich von der Rechtsinhaberschaft getrennt.252 Das insolvente Mitglied bleibt als Vertragsarbeitgeber an den Tarifvertrag gebunden, der Insolvenzverwalter nimmt aufgrund des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen lediglich die tarifvertraglichen Rechte und Pflichten wahr und kann deshalb auch die Mitgliedschaft beenden. Der Insolvenzverwalter muss während des Insolvenzverfahrens die tariflichen Regelungen aus einem bestehenden oder neu abgeschlossenen Verbandstarifvertrag für das insolvente Mitglied umsetzen. (2) Fehlende tarifpolitische Betroffenheit des insolventen Mitglieds wegen der Zuständigkeit des Insolvenzverwalters? Man könnte andererseits – entsprechend zu den Grundsätzen zur Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte253 – erwägen, dass bei Zuständigkeit des Insolvenzverwalters dem Mitglied die Möglichkeit genommen wird, an tarifpolitischen Entscheidungen teilzunehmen, sodass es auch nicht mehr an den Tarifvertrag gemäß § 3 Abs. 1 TVG gebunden sein kann und aus dem Verband ausscheiden muss. Ist der Insolvenzverwalter zuständig, kann das insolvente Mitglied das Teilnahme- und Stimmrecht nicht selbst ausüben. Insofern stimmt die Situation mit der der Gastmitgliedschaft und der Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte überein. Allerdings nimmt stattdessen – sofern er denn zuständig ist254 – der Insolvenzverwalter das Teilnahme- und Stimmrecht wahr. Geht man davon aus, dass die Interessen des Mitglieds beeinträchtigt werden, weil der Insolvenzverwalter die Interessen aller Gläubiger und nicht nur die des insolventen Mitglieds berücksichtigen muss, ist diese Situation nicht bedingt durch eine Satzungsregelung des Arbeitgeberverbandes, sondern muss dem insolventen Mitglied zugerechnet werden. Ist das insolvente Mitglied etwa aus anderen Gründen verhindert, das Teilnahme- und Stimmrecht Franzen, in: ErfK, TVG, § 2 Rn. 9a; Löwisch/Rieble, TVG, § 2 Rn. 156 ff.; Wilhelm/Dannhorn, NZA 2006, 466 (471 f.). 251 Vgl. dazu § 4 B. I. 3. c). 252 § 1 B. II. 2. 253 Zur Suspendierung der Mitgliedschaftsrechte vgl. § 4 B. I. 3. c). 254 Vgl. § 4 C. II. 1. c) und § 4 C. II. 2. a).

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auszuüben, kann es sich im Anschluss nicht darauf berufen, dass es sein Mitgliedschaftsrecht nicht ausgeübt hat, weshalb es nun auch nicht an den Tarifvertrag gebunden sein kann. bb) Vereinsrechtliche Überlegungen Die Abstimmung über Tarifverhandlungsergebnisse betrifft alle Mitglieder, da sie gemäß § 3 Abs. 1 TVG an diesen Tarifvertrag gebunden sein werden. Durch die gesetzlich angeordnete Unübertragbarkeit der Mitgliedschaft (§ 38 BGB), wird verhindert, dass ein verbandsfremder Dritter, wie der Insolvenzverwalter, auf das Verbandsinnenrecht Einfluss nehmen kann. Kann der Insolvenzverwalter das Teilnahme- und Stimmrecht ausnahmsweise ausüben, weil die Arbeitgeberfunktionen auf ihn übergehen, kann er ohne Zustimmung des Verbands in das Verbandsinnenrecht eingreifen. Der Eingriff ist in diesem Ausnahmefall aber gerechtfertigt, wenn der Insolvenzverwalter zu dem Ergebnis kommt, dass der Fortbestand der Mitgliedschaft der Insolvenzmasse zugutekommt und er deshalb die Verbandsmitgliedschaft nicht beendet. Dann muss er im Einzelfall über die Verhandlungsergebnisse der Tarifverhandlungen abstimmen können. Der Tarifvertragsinhalt, über den abgestimmt werden soll, kann die Insolvenzmasse nämlich erheblich belasten. Die anderen Mitglieder haben hingegen weder einen Einfluss darauf, wie das insolvente Mitglied, noch wie der Insolvenzverwalter abstimmen würde. Insofern kann der Insolvenzverwalter in Verbandsinnenrecht eingreifen. d) Zwischenergebnis Der Insolvenzverwalter kann bei einer fehlenden Satzungsregelung zur Übertragbarkeit der Mitgliedschaft nur das Teilnahme- und Stimmrecht ausüben, wenn über Tarifvertragsverhandlungen abgestimmt werden soll. Dann gehen die Arbeitgeberfunktionen auf ihn über, weil der Abschluss eines Tarifvertrags betroffen ist, durch den auf die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingewirkt wird. Nur wenn die Mitgliedschaft infolge einer Satzungsregelung zu ihrer Übertragbarkeit der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann, kann der Insolvenzverwalter ausnahmsweise weitere Organ- und Schutzrechte ausüben, die einen Vermögensbezug aufweisen. Die geteilte Zuständigkeit steht mit dem Vereins-, Insolvenz- und dem Tarifvertragsrecht in Einklang. Das Amt des Vorstands kann der Insolvenzverwalter hingegen nicht wahrnehmen, obwohl die Arbeitgeberfunktionen auf ihn übergehen. Dieses Amt ist einerseits höchstpersönlicher Natur. Andererseits haben die weiteren Mitglieder ihn nicht durch Wahl (tariflich) legitimiert, das Amt wahrzunehmen. Dem Masseschutz wird dadurch Rechnung getragen, dass der Insolvenzverwalter die Verbandsmitgliedschaft kündigen kann.

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III. Zuständigkeit für Vermögensrechte Abschließend ist zu überprüfen, wer für die Wahrnehmung der Vermögensrechte zuständig ist. Auch hier ist zunächst auf die vereins- und insolvenzrechtliche Ausgangslage einzugehen, um sodann zu untersuchen, ob durch die Wahrnehmung der Vermögensrechte auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingewirkt wird, sodass die Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter übergehen. 1. Abspaltungsverbot für Vorteilsrechte Wie bereits ausgeführt, lassen sich Vermögensrechte in Gewinn- und Gläubigerrechte einteilen.255 Den Vereinsmitgliedern stehen in der Regel zwar keine Gläubigerrechte, indes aber Vorteilsrechte zu. Vorteilsrechte betreffen die Teilnahme am Vereinsleben durch das Recht auf Benutzung der Vereinseinrichtungen und die Inanspruchnahme von Vereinsleistungen.256 Als Vorteilsrechte einzuordnen sind das Recht auf Rechtsberatung durch den Arbeitgeberverband, sowie das Recht, sich durch einen Verbandsvertreter im Prozess vertreten zu lassen (§ 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 ArbGG).257 Für Gläubigerrechte findet das Abspaltungsverbot keine Anwendung, weil diese als selbstständige Forderungsrechte isoliert übertragbar sind.258 Die Vorteilsrechte sind – als Bestandteil einer personenbezogenen Mitgliedschaft – hingegen an die Mitgliedschaft gebunden und nicht isoliert übertragbar.259 Vor dem Hintergrund des Regel-Ausnahme-Verhältnisses der §§ 38, 40 BGB entspricht es dem mutmaßlichen Willen der Satzungsgeber, dass nur Vereinsmitglieder Vereinseinrichtungen nutzen können.260 Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert nichts an dem mutmaßlichen Willen des Arbeitgeberverbandes.261 Im Gegenteil ist es regelmäßig weder im Interesse des Verbandes noch der anderen Mitglieder, dass der Insolvenzverwalter als verbandsfremder Dritter, der die Interessen aller Gläubiger berücksichtigen muss, in das Verbandsinnenleben eingreift. Der Verband hat nicht einmal ein Interesse daran, 255

§ 4 B. II. 2. b) aa). Könen, in: BeckOGK BGB, § 38 Rn. 135; Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 13; Schwennicke, in: Staudingern, BGB, § 38 Rn. 22, 23; Hadding, in: Soergel, BGB, § 38 Rn. 18. 257 Schöpflin, in: BeckOK BGB, § 38, Rn. 20; vgl. auch Rieble, in: MüHdbArbR, § 224 Rn. 21; eine Aufzählung der Vermögensrechte findet sich bei Schwennicke, in: Staudinger, § 38, Rn. 22. 258 § 4 B. II. 2. b) aa). 259 Hadding, in: Soergel, BGB, § 38, Rn. 29; Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 48; Habersack, Die Mitgliedschaft: subjektives und „sonstiges“ Recht, S. 271 ff.; Wagner, in: Reichert, Vereins- und Verbandsrecht, Kapitel 2, S. 209 Rn. 663. 260 Habersack, Die Mitgliedschaft: subjektives und „sonstiges“ Recht, S. 271 f.; Leuschner, in: MüKo BGB, § 38 Rn. 48. 261 Vgl. den Ansatz bei Haas, NZI 2003, 177 (181 f.) für die Teilnahmeberechtigung der Sportvereine am Spiel- und Wettkampfbetrieb. 256

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dass das insolvente Mitglied selbst am Verbandsleben teilnimmt, wenn die Satzung vorsieht, dass die insolventen Mitglieder ausgeschlossen werden oder ihre Mitgliedschaftsrechte zumindest ruhen sollen.262 Grundsätzlich kann der Insolvenzverwalter daher keine Vermögensrechte wahrnehmen. Er kann sich insbesondere nicht durch einen Verbandsvertreter im Prozess vertreten lassen. So hat auch das BAG in einem Urteil aus dem Jahr 1997 entschieden, dass sich der Insolvenzverwalter in einem Berufungsverfahren nicht von einem Verbandsvertreter vertreten lassen kann.263 Hier sah die Satzung allerdings auch vor, dass die Mitgliedschaft durch Auflösung der Firma oder Aufgabe des Betriebs – also mit dem Entschluss zur Betriebsstilllegung – endet.264 2. Kein Übergang der Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter für Vermögensrechte Trotz ihres Vermögensbezugs kann der Insolvenzverwalter die Vorteilsrechte nicht wahrnehmen, weil der mutmaßliche Wille des Verbands in der Regel ergibt, dass nur Vereinsmitglieder die Vereinseinrichtungen nutzen dürfen. Allerdings könnten die Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenzverwalter übergehen, wenn durch die Wahrnehmung der Vorteilsrechte der Abschluss, die Durchführung und die Beendigung des Tarifvertrags betroffen ist und dadurch auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingewirkt wird. Dann könnte er sich auch durch einen Verbandsvertreter im Prozess vertreten lassen. Entgegen der soeben genannten Entscheidung des BAG aus dem Jahr 1997 wird in der Literatur vertreten, dass sich der Insolvenzverwalter wegen des Übergangs der Arbeitgeberfunktionen auch von einem Verbandsvertreter im Prozess vertreten lassen kann.265 Das BAG verlasse mit seiner Entscheidung vom 20. November 1997 seinen eigenen Ausgangspunkt zum Arbeitsrecht im Insolvenzverfahren.266 Der Literaturansicht ist zu widersprechen. Die Arbeitgeberfunktionen gehen nämlich nur auf den Insolvenzverwalter über, wenn auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingewirkt wird.267 Das gilt auch im Prozess.268 Der materiell-rechtliche Übergang der Arbeitgeberfunktionen auf den Insolvenz262

a). 263

Vgl. die Beispiele für Satzungsregelungen des Arbeitgeberverbandes unter § 4 B. I. 2.

So auch BAG, Urteil vom 20. 11. 1997 – 2 AZR 52/97 – NZA 1998, 334. BAG, Urteil vom 20. 11. 1997 – 2 AZR 52/97 – NZA 1998, 334 (335). 265 Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 113; Caspers, in: MüKo InsO, vor §§ 113 – 128 Rn. 14; Vuia, in: MüKo InsO, § 80 Rn. 128. 266 So Windel, in: Jaeger, InsO, § 80 Rn. 113. 267 Vgl. § 2 A. III. 268 BGH, Beschluss vom 6. 12. 2012 – IX ZB 84/12 – NZI 2013, 147 Rn. 13; GmS-OBG Beschluss vom 27. 9. 2010 – GmS-OBG 1/09 – NJW 2011, 1211 Rn. 18; Wittkowski/Kruth, in: Nerlich/Römermann, § 80 Rn. 105. 264

C. Wahrnehmung mitgliedschaftlicher Rechtspositionen des insolventen Mitglieds 185

verwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO, § 108 ff. InsO bedingt prozessual die Stellung als Arbeitgeber i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG.269 Entscheidend für den Übergang der Arbeitgeberfunktionen und damit für die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters ist also, dass die Interessen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen und mit dem Interesse der Gläubiger am Erhalt der Masse auszugleichen sind. Das ergibt sich aus dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck der §§ 108 ff., §§ 120 ff. InsO.270 Eine Kündigungsschutzklage ist also gegen den Insolvenzverwalter zu richten, weil mit dem beantragten Urteil auf das Arbeitsverhältnis eingewirkt wird.271 Davon zu trennen ist jedoch die Frage, ob sich der Insolvenzverwalter im (Kündigungsschutz-)Prozess von einem Verbandsvertreter vertreten lassen kann. Der Arbeitgeberverband bietet eine umfassende Beratungstätigkeit an und leistet Rechtsschutz, um Arbeitgebern einen Anreiz zu geben, dem Verband beizutreten. Diese Vorteilsrechte betreffen allerdings nicht den Abschluss, die Durchführung oder die Beendigung von Tarifverträgen, sodass insofern nicht auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingewirkt wird. Dieses Rechtsverhältnis wird auch nicht anderweitig durch eine etwaige Leistung des Arbeitgeberverbandes an seine Mitglieder berührt. Vielmehr ist dadurch lediglich das Rechtsverhältnis zwischen Mitglied und Verband betroffen. Der Insolvenzverwalter muss also nicht tätig werden, um die Interessen der Arbeitnehmer mit den Interessen der Gläubiger auszugleichen. Somit kann die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für Vorteilsrechte nicht mit dem Übergang der Arbeitgeberfunktionen begründet werden. 3. Ausübung einzelner Vorteilsrechte durch den Insolvenzverwalter bei Zustimmung des Verbands Die Vorteilsrechte sind grundsätzlich – wegen der Regelungen der §§ 38, 40 BGB und des daraus folgenden mutmaßlichen Willens des Vereins – als nicht abspaltbare Bestandteile der personenbezogenen Mitgliedschaft einzuordnen.272 Für sie gehen die Arbeitgeberfunktionen nicht auf den Insolvenzverwalter über. Allerdings kann das hierfür zuständige Organ (Vorstand) den mutmaßlichen Willen des Vereins widerlegen und (in der Satzung) seine Zustimmung dafür erteilen, dass derartige Rechte für den einzelnen Fall einer Inanspruchnahme von Vorteilen als schuldrechtliche Ansprüche abgetreten werden oder einem Dritten zur Ausübung über-

269 BGH, Beschluss vom 6. 12. 2012 – IX ZB 84/12 – NZI 2013, 147 Rn. 13; GmS-OBG Beschluss vom 27. 9. 2010 – GmS-OBG 1/09 – NJW 2011, 1211 Rn. 18. 270 Umfassend dazu § 2 A. III. 271 BAG, Urteil vom 21. 11. 2013 – 6 AZR 979/11 – NZA 2014, 276 Rn. 12; BAG, Urteil vom 21. 9. 2006 – 2 AZR 573/05 – NZA 2007, 404 Rn. 21 ff.; Caspers, in: MüKo InsO, vor §§ 113 bis 128 Rn. 14. 272 Vgl. auch Haas, NZI 2003, 177 (181 f.).

186

§ 4 Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband

lassen werden können.273 Der Insolvenzverwalter kann sich daher von einem Verbandsvertreter im Prozess vertreten lassen, wenn der Vorstand im Einzelfall zustimmt. Dies hätte das BAG in der Entscheidung aus dem Jahr 1997274 überprüfen müssen. Bei fehlender Zustimmung ist dem BAG – zumindest im Ergebnis – beizupflichten, dass sich der Insolvenzverwalter nicht von einem Verbandsvertreter vertreten lassen kann.

D. Zusammenfassende Übersicht zur Zuständigkeitsverteilung zwischen Insolvenzverwalter und insolventem Mitglied Folgende Liste bietet eine Übersicht zur Zuständigkeitsverteilung zwischen Insolvenzverwalter und insolventem Mitglied für die Wahrnehmung der mitgliedschaftlichen Rechtspositionen im Arbeitgeberverband: Rechte des insolventen Mitglieds

Übergang auf den Insolvenzverwalter

Beendigung der Verbandsmitgliedschaft

ja

Durchführung des Tarifvertrags bei fehlender Beendigung der Mitgliedschaft

ja; der Insolvenzverwalter kann auch die Mitgliedschaftsbeiträge aus der Masse begleichen

Organ- und Schutzrechte (v. a. Teilnahmeund Stimmrecht)

wenn der Gegenstand der Beschlussfassung den Abschluss oder die Beendigung des Tarifvertrags betrifft (v. a. bei Abstimmung über Ergebnisse der Tarifvertragsverhandlungen) wenn die Mitgliedschaft der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann und der Gegenstand der Beschlussfassung einen Vermögensbezug aufweist

Aktives und passives Wahlrecht

nein

Vorstandsstellung

nein

Vermögensrechte (v. a. das Recht, sich von einem Verbandsvertreter im Prozess vertreten zu lassen)

bei Zustimmung des Arbeitgeberverbandes im Einzelfall

273

Habersack, Die Mitgliedschaft: subjektives und „sonstiges“ Recht, S. 271 f.; auch Hadding, in: Soergel, BGB, § 38 Rn. 29 scheint davon auszugehen, dass die Zustimmung nicht notwendigerweise in der Satzung erteilt werden muss. 274 BAG, Urteil vom 20. 11. 1997 – 2 AZR 52/97 – NZA 1998, 334 f.

§ 5 Ergebnis A. Rahmenbedingungen der Tarifbindung im Insolvenzverfahren Trotz einer möglichen Massebelastung durch Tarifverträge und des Zusammentreffens unterschiedlichster Interessen im Insolvenzverfahren fehlt es an einer Regelung zur Anpassung und Beendigung von Tarifverträgen in der Insolvenz. Die Tarifvertragsparteien sind daher dafür verantwortlich, auf die Insolvenzsituation zu reagieren und die nach Insolvenzeröffnung fortbestehenden Tarifverträge zu ändern oder zu beenden.1 B. Fortbestand der Tariffähigkeit nach Insolvenzverfahrenseröffnung I. Tariffähigkeit des insolventen nicht verbandsangehörigen Arbeitgebers 1. Der Insolvenzschuldner bleibt auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Vertragsarbeitgeber tariffähig.2 2. Die Arbeitgeberfunktionen werden allerdings vom Insolvenzverwalter gemäß § 80 Abs. 1 InsO wahrgenommen, um die Masse und die Arbeitnehmer zu schützen. Aus den insolvenzrechtlichen Vorschriften der §§ 108 ff. InsO, §§ 120 ff. InsO folgt, dass der Insolvenzverwalter die Arbeitgeberfunktionen umfassend innehat, wenn auf das Arbeitsverhältnis eingewirkt wird. Seine Zuständigkeit beschränkt sich – zum Schutz der Arbeitnehmer und der Masse – nicht auf die Insolvenzmasse.3 3. Weil der Tarifvertrag das Arbeitsverhältnis gestaltet, ist der Insolvenzverwalter daher auch für den Abschluss, die Durchführung und die Beendung des Tarifvertrags zuständig.4

1

§ 1 D. § 2 A. II. 3 § 2 A. III. 1. und § 2 A. III. 2. 4 § 2 A. III. 3. b). 2

188

§ 5 Ergebnis

II. Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes bei Insolvenz des verbandsangehörigen Mitglieds 1. Bei Insolvenz des verbandsangehörigen Mitglieds bleibt der Arbeitgeberverband im Hinblick auf das Mitglied tariffähig.5 2. Die Insolvenz des einzelnen Mitglieds führt unabhängig von seiner Organisationsform nicht zur Auflösung des Arbeitgeberverbandes.6 3. Die Merkmale der demokratischen Organisation und der Leistungsfähigkeit als Voraussetzungen für eine tariffähige Koalition erfordern, dass der Bestand des Arbeitgeberverbandes vom Schicksal des einzelnen Mitglieds unabhängig sein muss.7 III. Exkurs: Tariffähigkeit des Arbeitgeberverbandes bei Verbandsauflösung 1. Der Arbeitgeberverband verliert seine Tariffähigkeit nicht bereits mit Auflösungsbeschluss oder Insolvenzverfahrenseröffnung. 2. Der Vereinsvorstand im Insolvenzverfahren8 und die Liquidatoren außerhalb des Insolvenzverfahrens9 sind hinreichend tariflich legitimiert, um Tarifverträge zu beenden. 3. Mit Vollbeendigung oder bei Notbestellung durch das Registergericht fehlt es allerdings an tariflich legitimierten Organen, die für den Tarifvertrag zuständig sind. Dann ist der Arbeitgeberverband nicht mehr tariffähig. Deshalb muss der Tarifvertrag enden.10 4. Neu abgeschlossene Tarifverträge im Abwicklungszeitraum sind nur wirksam, wenn sie nicht voraussetzen, dass der Arbeitgeberverband über die Abwicklung hinaus fortbesteht. Auch sie enden mit Vollbeendigung.11 C. Beendigung und Anpassung des Tarifvertrags in der Insolvenz des Arbeitgebers I. Herauswachsen aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags 1. Der insolvente Betrieb wächst nicht aus dem betrieblich-fachlichen Geltungsbereich heraus, wenn das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet wurde und die Gläubiger die Abwicklung beschließen.12 5

§ 2 B. I. § 2 B. I. 2. 7 § 2 B. I. 2. a) und § 2 B. I. 2. b). 8 § 2 B. II. 2. a). 9 § 2 B. II. 2. b) aa) und § 2 B. II. 2. b) bb). 10 § 2 B. II. 2. b) cc) und § 2 B. II. 2. b) dd). 11 § 2 B. II. 3. 12 § 3 A. II. 6

§ 5 Ergebnis

189

a) Das gilt sowohl für den gewerblich tätigen Abwicklungsbetrieb13 als auch für den Abwicklungsbetrieb, der nicht mehr gewerblich tätig ist. b) Im Abwicklungsverfahren kommt es nicht auf die Gewerblichkeit an, weil es nicht darum geht, den arbeitstechnischen Zweck zu ersetzen, sondern den Betrieb mit dem ursprünglich arbeitstechnisch werbenden Zweck abzuwickeln. Das rechtfertigt eine unterschiedliche Behandlung von Abwicklungsbetrieben und karitativen Betrieben.14 2. Der insolvente Betrieb wächst aus dem Geltungsbereich des Tarifvertrags heraus, wenn er infolge einer Umstrukturierung etwa örtlich verlagert oder sein Betriebszweck durch eine Teilbetriebsschließung oder -übertragung grundlegend verändert wird.15 3. Die Arbeitnehmerüberlassung und -qualifizierung ist mittlerweile als eigene Branche einzuordnen, sodass die BQG nicht von einem betrieblich-fachlichen Geltungsbereich erfasst wird, der sich auf Gewerbe- oder Industriebetriebe bezieht.16 II. Beendigung des Tarifvertrags durch den Insolvenzverwalter oder den Arbeitgeberverband 1. Dem Insolvenzverwalter steht kein Erfüllungswahlrecht für Tarifverträge zu.17 a) Weder der normative noch der schuldrechtliche Teil eines Tarifvertrags sind als gegenseitige Verträge gemäß § 320 BGB einzuordnen. Beim normativen Teil des Tarifvertrags fehlt es an der Identität der Vertragsparteien, der schuldrechtliche Teil dient lediglich der Durchsetzung des normativen Teils. b) Das durch die Tarifnormen geregelte Arbeitsverhältnis ist zwar synallagmatischer Natur; es wird aber nach § 108 InsO und nicht nach § 103 InsO abgewickelt. Die Anwendung des § 103 InsO auf Tarifverträge mit dem durch die Tarifnormen geregelten synallagmatischen Arbeitsverhältnis zu begründen, ist in sich widersprüchlich.18 2. § 120 InsO ist nicht entsprechend auf die ordentliche Kündigung von Tarifverträgen anzuwenden. Auch wenn die Interessenlage vor allem hinsichtlich der Massebelastung durch Tarifverträge vergleichbar ist, fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke.19

13

§ 3 A. II. 1. § 3 A. II. 2. 15 § 3 A. III. 1. 16 § 3 A. III. 2. 17 § 3 B. I. 18 § 3 B. I. 2. 19 § 3 B. II. 1. b). 14

190

§ 5 Ergebnis

3. Der Tarifvertrag kann nur außerordentlich gekündigt werden, wenn die wirtschaftlichen Belastungen unvorhersehbar wenigstens tendenziell zu einer Existenzgefährdung für den Arbeitgeber führen.20 a) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist hierfür nicht ausreichend. Geldmangel allein entlastet den Insolvenzschuldner nicht. Hierbei handelt es sich um eine Störung aus dem Risikobereich des Kündigenden, auf die der Kündigungsgegner keinen Einfluss hat. Die Insolvenzverfahrenseröffnung führt ferner nicht zwingend zur Abwicklung. Vielmehr kann der Insolvenzschuldner saniert und seine Existenz dadurch gesichert werden.21 b) Für die Frage, wann eine Existenzgefährdung vorliegt, sind die Grundsätze zur Änderungskündigung von Arbeitsverhältnissen zur Lohnanpassung anzuwenden. In beiden Fällen soll das Arbeitsverhältnis grundsätzlich bestehen bleiben, wegen der Existenzgefährdung hat der Arbeitgeber aber ein berechtigtes Interesse daran, dass die Arbeitsbedingungen angepasst werden.22 c) Damit das Festhalten am Tarifvertrag für den insolventen Arbeitgeber unzumutbar wird, ist nicht zwingend erforderlich, dass die Sanierung mit der außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags steht und fällt.23 d) Ausreichend ist, wenn der Fortbestand des Tarifvertrags die Sanierung und damit den Fortbestand des Betriebs bedroht und die Reduzierung der Belegschaft daher absehbar ist.24 e) Nicht ausreichend ist hingegen, wenn der Fortbestand des Tarifvertrags die Reduzierung der Belegschaft erforderlich macht, ohne dass dadurch der Fortbestand des Betriebs bedroht ist. Der Abbau von Arbeitsplätzen kann dazu führen, dass hohe Personalkosten verringert werden, die Produktivität dadurch gesteigert und so eine Sanierung möglich wird. Dann ist die Existenz des Arbeitgebers nicht gefährdet.25 f) Um die Existenzgefährdung nachzuweisen, muss der Insolvenzverwalter regelmäßig einen Sanierungsplan ausarbeiten.26 4. Der Arbeitgeberverband kann den Verbandstarifvertrag grundsätzlich nicht außerordentlich kündigen, wenn nur ein einzelnes Mitglied existenzgefährdet ist. a) Für die Unzumutbarkeit des Festhaltens am Tarifvertrag ist zwar auf die einzelnen Mitglieder abzustellen. Allerdings wird das kollektive Element

20

§ 3 B. II. 2. b) aa). § 3 B. II. 2. b) bb). 22 § 3 B. II. 2. b) cc) (1). 23 § 3 B. II. 2. b) cc) (2). 24 § 3 B. II. 2. b) cc) (3). 25 § 3 B. II. 2. b) cc) (3). 26 § 3 B. II. 2. b) cc) (4).

21

§ 5 Ergebnis

191

dadurch berücksichtigt, dass die Mehrzahl der Mitglieder von der Unzumutbarkeit betroffen sein muss.27 b) Bei einem unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag, bei dem der Geltungsbereich auf einen Arbeitgeber begrenzt ist, ist es hingegen ausreichend, dass dieser Arbeitgeber existenzbedroht ist. Für die weiteren Mitglieder kann das Festhalten am unternehmensbezogenen Verbandstarifvertrag überhaupt nicht unzumutbar sein, weil er für sie nicht gilt.28 III. Änderung der tariflichen Arbeitsbedingungen durch eine abweichende Vereinbarung 1. Wegen des Günstigkeitsprinzips (§ 4 Abs. 3 TVG) bietet sich – sofern der Tarifvertrag keine Öffnungsklausel enthält – bei Insolvenz des Arbeitgebers insbesondere der Abschluss eines Sanierungstarifvertrags an, um von bestehenden tariflichen Arbeitsbedingungen abzuweichen.29 2. Der Sanierungstarifvertrag kann als unternehmensbezogener Verbandssanierungstarifvertrag oder Haussanierungstarifvertrag abgeschlossen werden.30 a) Der Sanierungshaustarifvertrag ist im Außenverhältnis wirksam, wenngleich die Satzung des Arbeitgeberverbandes vorsieht, dass vom Verbandstarifvertrag nicht durch einen Haustarifvertrag abgewichen werden darf.31 b) Wird der persönliche Geltungsbereich eines Sanierungshaustarifvertrags dahingehend eingeschränkt, dass nur einem Teil der Belegschaft Sanierungsopfer abverlangt werden können, unterliegt der Sanierungshaustarifvertrag – im Gegensatz zum unternehmensbezogenen Sanierungsverbandstarifvertrag – keiner Gleichbehandlungskontrolle, weil er nicht von denselben Tarifvertragsparteien abgeschlossen wird.32 c) Der Sanierungshaustarifvertrag gilt bei einer kleinen dynamischen Bezugnahmeklausel nicht für Außenseiter-Arbeitnehmer.33 d) Der Sanierungshaustarifvertrag verdrängt den Verbandstarifvertrag als speziellerer Tarifvertrag. Nach Ende des Sanierungstarifvertrags gilt der Verbandstarifvertrag wieder vollumfänglich. Nach Ende des Sanierungstarifvertrags bleibt der Arbeitgeber daher gemäß § 3 Abs. 1 TVG an den Verbandstarifvertrag gebunden.34 27

§ 3 B. III. 1. und § 3 B. III. 2. § 3 B. III. 3. 29 § 3 C. II. 1. 30 § 3 C. II. 1. b). 31 § 3 C. II. 1. b) aa). 32 § 3 C. II. 1. b) bb). 33 § 3 C. II. 1. b) cc). 34 § 3 C. II. 1. b) dd) (1).

28

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§ 5 Ergebnis

e) Der unternehmensbezogene Sanierungsverbandstarifvertrag löst den Verbandstarifvertrag hingegen grundsätzlich ab, sodass nach dessen Ende auch der Verbandstarifvertrag nicht mehr gilt. Durch Auslegung kann sich aber ergeben, dass der Sanierungstarifvertrag den Verbandstarifvertrag nur verdrängen soll und dass der Verbandstarifvertrag nach Ende des Sanierungstarifvertrags wieder anzuwenden ist.35 3. Die Gewerkschaft kann den Sanierungstarifvertrag nur außerordentlich kündigen, wenn die Sanierung endgültig gescheitert ist. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet noch kein Scheitern der Sanierung. Die Sanierung ist gescheitert, wenn das Unternehmen stillgelegt wird.36 4. Möglich ist des Weiteren der Abschluss eines Tarifsozialplans.37 a) Während der Sanierungstarifvertrag wirtschaftliche Schwierigkeiten beseitigen oder überbrücken soll, ist Ziel des Tarifsozialplans, eine bevorstehende Betriebsänderung (Standortverlagerungen, Stellenabbau, Standortschließungen) zu begleiten.38 b) §§ 123, 124 InsO sind auf Tarifsozialpläne analog anzuwenden. Die Interessenlage ist in Bezug auf den Regelungsinhalt und die Massebelastung vergleichbar.39 Da die §§ 123, 124 InsO nicht die Erzwingbarkeit der Sozialpläne voraussetzen, ist es unerheblich, dass die Interessenlage insofern nicht vergleichbar ist.40 Eine planwidrige Regelungslücke kann angenommen werden, weil es sich bei dem Abschluss von Tarifsozialplänen um eine neuere Entwicklung handelt, durch die die §§ 123, 124 InsO anderenfalls umgangen werden könnten.41 IV. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln im Tarifvertrag 1. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln (Nachverhandlungsklauseln, Rückfallklauseln und Klauseln zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund) verstoßen nicht gegen § 314 BGB. Die Tarifvertragsparteien können die Insolvenz als einen wichtigen Grund einordnen, um den Vertrag zu beenden, weil zwischen ihnen ein – durch die Anforderungen an die Tariffähigkeit sichergestelltes – Kräftegleichgewicht besteht.42

35

§ 3 C. II. 1. b) dd) (2). § 3 C. II. 1. c). 37 § 3 C. II. 2. 38 § 3 C. II. 2. a). 39 § 3 C. II. 2. b) aa). 40 § 3 C. II. 2. b) bb). 41 § 3 C. II. 2. b) cc). 42 § 3 D. II.

36

§ 5 Ergebnis

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2. Die Tarifvertragsnormen gestalten das Arbeitsverhältnis. Sind Klauseln im Arbeitsverhältnis unwirksam, müssen nach dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 119 InsO auch die Tarifnormen unwirksam sein, die das Arbeitsverhältnis gestalten. Anderenfalls könnte § 119 InsO durch Tarifvertragsnormen umgangen werden.43 3. Vereinbarungen zur insolvenzbedingten Änderung oder zum insolvenzbedingten Ende des Tarifvertrags gestalten das Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar. Bewirken insolvenzbedingte schuldrechtliche Vereinbarungen allerdings, dass die Tarifnormen über Arbeitsbedingungen zulasten der Masse geändert werden, sind auch sie gemäß § 119 InsO unwirksam, weil sich dadurch letztlich der Inhalt des Arbeitsverhältnisses zulasten der Masse verändert.44 Das verbietet § 108 Abs. 1 Satz 1 InsO.45 a) Gemäß §§ 108 Abs. 1 Satz 1, 119 InsO sind daher solche Klauseln unwirksam, die der Gewerkschaft ein außerordentliches Kündigungsrecht für den Fall der Insolvenzverfahrenseröffnung über das Vermögen des Arbeitgebers einräumen und die Nachwirkung des gekündigten Tarifvertrags ausschließen, wenn der wieder geltende Verbandstarifvertrag den Arbeitnehmern höhere Masseansprüche einräumt.46 b) Eine tarifvertragliche Rückfallklausel ist ebenso gemäß §§ 108 Abs. 1 Satz 1, 119 InsO unwirksam. Mit Insolvenzantragsstellung gilt aufgrund der auflösenden Bedingung der Verbandstarifvertrag automatisch für die Zukunft. Dadurch sind insolvenzbedingt Tarifnormen anzuwenden, die dem Arbeitnehmer höhere Masseansprüche zugestehen und sich somit negativ auf die Insolvenzmasse auswirken.47 Ferner können die Arbeitnehmer durch die Rückfallklausel rückständige Ansprüche aus der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend machen, die zunächst erloschen sind. Die Rückfallklausel ist daher regelmäßig auch gemäß §§ 105 Satz 2, 119 InsO unwirksam.48 c) Nachverhandlungsklauseln sind nicht unwirksam, weil der Inhalt des Tarifvertrags nicht durch die Insolvenzverfahrenseröffnung, sondern erst durch Vereinbarungen geändert wird, die Ergebnisse der Nachverhandlung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind.49 4. § 119 InsO ist teleologisch zu reduzieren, wenn die Klausel Teil einer Sanierungsvereinbarung ist, der ein schlüssiges Sanierungskonzept zugrunde liegt oder 43

§ 3 D. III. 1. a) bb) (1). § 3 D. III. 1. a) bb) (2). 45 § 3 D. III. 1. b). 46 § 3 D. III. 1. c) aa). 47 § 3 D. III. 1. c) bb) (1). 48 § 3 D. III. 1. c) bb) (2). 49 § 3 D. III. 1. c) cc).

44

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§ 5 Ergebnis

die zur Sanierung des Insolvenzschuldners objektiv geeignet ist. Die Gewerkschaft sollte sich daher vor Aufnahme der Verhandlungen zu einem Sanierungstarifvertrag stets ein tragfähiges Sanierungskonzept vorlegen lassen.50 5. Klauseln, die nicht an die Insolvenzverfahrenseröffnung, sondern etwa an das Scheitern der Sanierung oder an einen fehlenden Sanierungsbedarf anknüpfen, verstoßen hingegen nicht gegen § 119 InsO.51 D. Beendigung und Fortsetzung der Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband bei Insolvenz des Arbeitgebers I. Kein automatisches Ausscheiden des insolventen Mitglieds aus dem Arbeitgeberverband 1. Das insolvente Mitglied scheidet – wegen der körperschaftlichen Struktur des Vereins – nicht automatisch aus dem Arbeitgeberverband aus.52 Es besteht bei Fortbestand der Mitgliedschaft insbesondere nicht die Gefahr, dass der Insolvenzverwalter in das Verbandsinnenleben eingreift. Die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband kann der Insolvenzmasse nicht zugeordnet werden, weil sie kraft gesetzlicher Anordnung (§ 38 Satz 1 BGB) nicht übertragbar und damit nicht pfändbar ist. Anders als für die GbR in § 859 Abs. 1 ZPO, wonach der Anteil eines Gesellschafters am Gesellschaftsvermögen der GbR der Pfändung unterworfen ist, enthält die ZPO in den §§ 857 ff. ferner keine Regelung zur Pfändbarkeit von Vereinsmitgliedschaften.53 2. Die gesetzlich angeordnete Unübertragbarkeit der Mitgliedschaft gilt auch für die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband. a) Der Fortbestand der Tarifbindung und die Fortgeltung des Tarifvertrags ist wegen des § 38 BGB nicht gefährdet, weil das insolvente Mitglied Vertragsarbeitgeber und Vollmitglied bleibt.54 b) Die Unübertragbarkeit der Mitgliedschaft führt nicht zu einer Verletzung der negativen individuellen Koalitionsfreiheit, weil das Mitglied austreten kann. Auch die kollektive Koalitionsfreiheit des Verbandes wird nicht eingeschränkt. § 38 BGB schützt den Verband gerade davor, dass der Insolvenzverwalter als verbandsfremder Dritter in die organisatorische Ausgestaltung des Verbands eingreift.55 c) Ein möglicher Vermögensbezug der Mitgliedschaft durch eine Bindung an den Tarifvertrag ändert nichts daran, dass die Mitgliedschaft auch pfändbar 50

§ 3 D. III. 2. § 3 D. III. 1. b) aa) (3) und § 3 D. IV. 52 § 4 A. I. 53 § 4 A. II. 1. 54 § 4 A. II. 2. a). 55 § 4 A. II. 2. b). 51

§ 5 Ergebnis

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sein muss (§ 36 InsO), um der Insolvenzmasse zugeordnet werden zu können.56 II. Beendigung der Verbandsmitgliedschaft 1. Satzungsregelungen zum Ausschluss des insolventen Mitglieds oder zum Ruhen einzelner Mitgliedschaftsrechte bei Insolvenzverfahrenseröffnung sind grundsätzlich zulässig.57 a) Der satzungsmäßige Beendigungsgrund muss nicht die Intensität eines wichtigen Grundes i. S. e. außerordentlichen Kündigungsrechts erreichen. Das ist auf die Aufnahmefreiheit des Verbandes und die durch den Beitritt des Mitglieds erfolgte Legitimation der Ausschließungsgründe zurückzuführen.58 b) Die Satzung eines Arbeitgeberverbandes mit überragender Machtstellung kann hingegen – wegen des Aufnahmeanspruchs des Mitglieds – den Ausschluss nur vorsehen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Insolvenz des Mitglieds ist kein wichtiger Grund und kann auch nicht zu einem solchen durch Satzung erhoben werden.59 c) Ein Verstoß gegen § 119 InsO liegt durch entsprechende Satzungsregelungen in der Regel nicht vor, weil die mitgliedschaftliche Klausel mit Insolvenzbezug nicht den Arbeitsvertragsinhalt zulasten der Masse verändert.60 d) Sieht die Satzung vor, dass das insolvente Mitglied automatisch aus dem Verband ausscheidet, wirkt der Tarifvertrag für das Mitglied nach, weil der Verband dann zugleich die Tarifzuständigkeit für insolvente Mitglieder verliert.61 Das Mitglied bleibt hingegen gemäß § 3 Abs. 3 TVG tarifgebunden, wenn für seinen Ausschluss noch eine Erklärung des zuständigen Organs erfolgen muss.62 Sollen die Mitgliedschaftsrechte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ruhen, kann das insolvente Mitglied nicht mehr auf das tarifpolitische Geschehen Einfluss nehmen, sodass es nur noch gemäß § 3 Abs. 3 TVG an den Tarifvertrag gebunden ist.63 2. Der Insolvenzverwalter kann die – die Tarifbindung begründende – Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband beenden.64

56

§ 4 A. II. 2. c). § 4 B. I. 58 § 4 B. I. 2. b) bb). 59 § 4 B. I. 2. b) cc). 60 § 4 B. I. 2. c). 61 § 4 B. I. 3. a). 62 § 4 B. I. 3. b). 63 § 4 B. I. 3. c). 64 § 4 B. II.

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§ 5 Ergebnis

a) Die Anforderungen an die außerordentliche Kündigung der Mitgliedschaft entsprechen denen der außerordentlichen Kündigung des Tarifvertrags (siehe oben Punkt B. II. 3.).65 b) Da die Verbandsmitgliedschaft die Bindung an den Tarifvertrag begründet, der wiederum das Arbeitsverhältnis gestaltet, muss der Insolvenzverwalter die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband kündigen können, um die Beendigung der Tarifbindung zu veranlassen. Auf den Insolvenzverwalter gehen die Arbeitgeberfunktionen für den Abschluss, die Durchführung und die Beendigung von Tarifverträgen über, weil dadurch auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingewirkt wird. Auf das Arbeitsverhältnis wird eingewirkt, weil durch die Beendigung der Verbandsmitgliedschaft ein neu abgeschlossener Verbandstarifvertrag nicht mehr für die Arbeitnehmer gilt.66 c) Durch die Zuständigkeit des Insolvenzverwalters für die Beendigung der Mitgliedschaft werden die Interessen der anderen Mitglieder oder des Verbands nicht berührt, weil der Insolvenzverwalter infolge der Beendigung der Mitgliedschaft nicht in das Verbandsinnenrecht eingreifen kann.67 III. Wahrnehmung der mitgliedschaftlichen Rechtspositionen des insolventen Mitglieds bei fortbestehender Verbandsmitgliedschaft 1. Beendet der Insolvenzverwalter die Verbandsmitgliedschaft nicht, muss er den Tarifvertrag im Außenverhältnis gegenüber den tarifgebundenen Arbeitnehmern und im Innenverhältnis gegenüber dem Arbeitgeberverband umsetzen. Dadurch werden die Interessen der weiteren Mitglieder und des Verbands nicht berührt.68 2. Führt der Insolvenzverwalter die Verbandsmitgliedschaft fort, weil er sich einen Vorteil für die Masse verspricht, kann er mit befreiender Wirkung für das insolvente Mitglied die Mitgliedschaftsbeiträge aus der Insolvenzmasse zahlen (§ 267 Abs. 1 BGB), sofern es sich um Geldleistungspflichten handelt.69 3. Der Insolvenzverwalter kann Organ- und Schutzrechte (z. B. Teilnahme-, Redeund Stimmrecht) nur ausüben, wenn auf ihn die Arbeitgeberfunktionen übergehen oder die Mitgliedschaft infolge einer Satzungsregelung zu ihrer Übertragbarkeit ausnahmsweise der Insolvenzmasse zugeordnet werden kann und das Mitgliedschaftsrecht einen Vermögensbezug aufweist.70 a) Die Arbeitgeberfunktionen gehen auf den Insolvenzverwalter nur über, wenn der Abschluss oder die Beendigung des Tarifvertrags betroffen ist und da65

§ 4 B. II. 1. a) aa). § 4 B. II. 2. c). 67 § 4 B. II. 2. c). 68 § 4 C. I. 1. 69 § 4 C. I. 2. 70 § 4 C. II.

66

§ 5 Ergebnis

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durch auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eingewirkt wird.71 b) Das ist der Fall, wenn ausnahmsweise über Ergebnisse der Tarifverhandlungen abgestimmt werden soll. In der Regel werden die Mitglieder in das tarifpolitische Geschehen nur dadurch einbezogen, dass sie den Vorstand und die Tarifkommission wählen. Deren Wahl wirkt sich allerdings nicht auf das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aus.72 c) Durch die teilweise Zuständigkeit des Insolvenzverwalters (v. a. wenn über Ergebnisse der Tarifverhandlungen abgestimmt werden soll) ändert sich nichts an der tarifpolitischen Betroffenheit des insolventen Mitglieds. Der Übergang der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter trennt die Rechtsinhaberschaft von der Rechtsausübung. Das insolvente Mitglied treffen jedoch die Folgen tarifpolitischer Entscheidungen.73 d) Ist das insolvente Mitglied auch Mitglied des Vorstands des Arbeitgeberverbandes, betreffen seine Aufgaben den Abschluss und die Beendigung von Tarifverträgen, weil der Vorstand hierfür zuständig ist. Durch den Abschluss und die Beendigung von Tarifverträgen wird auf das Arbeitsverhältnis eingewirkt.74 e) Aus vereins- und tarifrechtlichen Erwägungen muss das insolvente Mitglied dennoch zuständig bleiben, weil die Interessen des Verbandes und der Verbandsmitglieder durch eine etwaige Zuständigkeit des Insolvenzverwalters berührt würde. Dieser ist tariflich nicht legitimiert, sondern wird vom Insolvenzgericht eingesetzt. Dieses Amt ist ferner höchstpersönlicher Natur. Die Masse wird dadurch geschützt, dass der Insolvenzverwalter die Verbandsmitgliedschaft kündigen kann (siehe oben Punkt D. II. 2.).75 4. Des Weiteren kann der Insolvenzverwalter die Vorteilsrechte nicht wegen eines Übergangs der Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen. Die Rechte betreffen das Rechtsverhältnis zwischen Mitglied und Verband und nicht das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.76 a) Die Vorteilsrechte sind – wegen der Regelungen der §§ 38, 40 BGB und des daraus folgenden mutmaßlichen Willens des Vereins, dass nur Vereinsmitgliedern die Vorteile der Mitgliedschaft zustehen sollen – als nicht abspaltbare Bestandteile der personenbezogenen Mitgliedschaft einzuordnen.77 71

§ 4 C. II. 2. a). § 4 C. II. 2. a). 73 § 4 C. II. 2. c) aa). 74 § 4 C. II. 2. a). 75 § 4 C. II. 2. b). 76 § 4 C. III. 2. 77 § 4 C. III. 1.

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§ 5 Ergebnis

b) Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ändert nichts an dem mutmaßlichen Willen des Arbeitgeberverbandes. Allerdings kann der Vorstand der Ausübung der Vorteilsrechte durch einen Dritten, insbesondere der Vertretung des Insolvenzverwalters durch einen Verbandsvertreter im Einzelfall zustimmen und den mutmaßlichen Willen des Arbeitgeberverbandes widerlegen. Dann kann sich der Insolvenzverwalter im Einzelfall durch einen Verbandsvertreter vertreten lassen.78

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§ 4 C. III. 3.

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Stichwortverzeichnis Änderungskündigung 93 f., 97 ff., 104, 192 Arbeitgeberfunktionen 47 ff., 51 ff., 64 f., 81, 103, 174 ff., 180 ff., 189, 198 ff. – Übergang 49, 54 f., 174 f., 180, 182, 186 f. – Zuständigkeit Insolvenzverwalter 25, 32, 37, 46, 49, 51 ff., 55, 62, 64, 153, 170, 174 f., 176 f., 181, 183, 187, 198, 199 f. Arbeitgeberverband 25 ff., 42, 45 f., 56 ff., 64 ff., 68 f., 71 f., 81, 83, 104, 106 f., 112, 115 ff., 124 f., 148 ff., 151 ff., 170, 173 ff., 180 ff., 185, 187 f., 190 ff., 196 ff. – Auflösung 47, 56 f., 61 ff., 67, 172, 186, 190 – Demokratische Organisation 59 f., 190 – Leistungsfähigkeit 60, 190 – Organisationsform 57 f., 60, 148, 190 Erfüllungswahlrecht 81 f., 84, 129, 191 Existenzgefährdung 94, 96 ff., 102, 106 f., 192 f. Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit 32, 155 Gläubigerbefriedigung 29, 33, 37, 42, 78, 133, 178 Gläubigerbenachteiligung 140 f., 143 f. Gläubigergemeinschaft 35, 132 Gläubigergesamtheit 33, 179 Insolvenz 25 ff., 32 ff., 36, 38, 41 f., 44, 47, 56 f., 61 f., 64, 73, 75, 78, 81 f., 84 f., 87, 89 f., 96, 108, 110, 117, 122 ff., 128 ff., 137 ff., 144 f., 147 f., 150, 152 ff., 160 ff., 169, 184, 189 ff., 193, 195 ff. Insolvenzbedingte Änderungs- und Lösungsklauseln 122, 195 – Insolvenzbedingte Arbeitsvertragsänderung 134, 136, 140 – Klausel zur Insolvenz als außerordentlichem Kündigungsgrund 124, 128, 137 f., 144 f.

– Nachverhandlungsklausel 45, 92, 123, 125, 128, 139, 144 f., 195 f. – Rückfallklausel 124, 128, 134, 137, 138 ff., 144 f., 195 f. – Sanierungsprivileg 140 ff. Insolvenzbeschlag 32, 149, 178 Insolvenzforderung 135, 139 (Insolvenz-)Gläubiger 28, 30 f., 33 f., 37 f., 42, 68, 82, 87 f., 95 f., 120 f., 130 ff., 135, 141 ff., 172, 183, 185, 187, 191 Insolvenzmasse 29 ff., 39, 41 f., 47 ff., 51, 53, 55 f., 64 ff., 73, 78, 82, 84, 120, 127, 131, 133, 135 f., 140, 144 f., 147 ff., 155, 169 ff., 176 ff., 180, 182, 184, 188 f., 196 f., 199 – Massebelastung 36 f., 39 f., 87, 90, 120, 122, 189, 192, 194 – Massebezug 30, 49, 53 – Masseforderung 35, 135 f., 139 – Masseneutrale Regelungen/Tarifnormen 27, 39, 53 – Masseschutz 130, 184 – Masseverbindlichkeiten 48, 50, 121, 135, 173 – Vermögensbezug 65, 154, 178 ff., 182, 188, 197, 199 Insolvenzschuldner 28 ff., 34 f., 40 f., 43, 47 ff., 53 f., 56, 79, 95 f., 99, 102, 111, 118, 130, 132, 142, 144, 149, 153, 173, 189, 192 Insolvenzverfahren 28 f., 31, 33, 35 ff., 42, 65 f., 72 f., 79, 82, 86, 119, 131, 144 ff., 157 f., 186, 189, 191 Insolvenzverfahrenseröffnung 26, 28 f., 33 f., 38, 41 f., 46 f., 56 f., 62, 65, 72, 75 f., 78, 82, 84, 95 ff., 117, 129, 131 f., 135 f., 138, 147, 149, 155 f., 159, 162 f., 165, 168, 189 f., 192, 195 ff. Insolvenzverwalter 25 f., 29 ff., 34 ff., 40, 45, 47 ff., 62 ff., 76, 79 ff., 84 ff., 90, 92 f., 96 ff., 100, 102 ff., 107, 112, 116 f., 119, 121, 128, 130 f., 135, 143, 147 ff., 153 ff.,

210

Stichwortverzeichnis

157, 162, 165, 167, 170 ff., 191, 193, 196 ff. – Übergang der Arbeitgeberfunktionen siehe Arbeitgeberfunktionen – Zuständigkeit siehe Arbeitgeberfunktionen Juristische Person

32, 47, 67, 80, 155

Liquidation 47, 66, 68, 71 f., 118 – Liquidatoren 62 f., 66 ff., 72, 190 – Nachtragsliquidation 69 f. Masse 26, 30, 33 ff., 37 ff., 42, 49 ff., 56, 82 f., 87, 120 f., 127, 130, 132 ff., 143 ff., 150, 154, 158, 162 f., 173, 176 f., 182, 187 ff., 195, 198 ff. Sanierung 28 f., 36, 42 ff., 52, 79, 87, 96 ff., 116 ff., 123, 131, 133, 135, 140 ff., 165 f., 192 ff., 196 – Insolvenzplan 29, 101 f., 118 – Sanierungsplan 99 ff., 142, 166, 193 – Sanierungsvereinbarung 140, 144, 196 – Scheitern 98 f., 117, 131, 143, 146, 166, 194 – Übertragende Sanierung 79, 118 Sanierungstarifvertrag 26, 110 ff., 116 ff., 124, 128, 137 ff., 144 f., 193 f., 196 – Sanierungshaustarifvertrag 112 ff., 116, 193 f. – Unternehmensbezogener Sanierungsverbandstarifvertrag 113, 117 Tarifbindung 25 ff., 32, 41, 74, 89, 99, 103, 152 f., 164, 167, 174 f., 189, 197 f. – Nachbindung 44, 70, 103, 152, 162 f., 166, 168 f., 173, 182 – Nachwirkung 41, 98, 103, 115 f., 137, 145, 162 f., 195 Tariffähigkeit 26 f., 46 f., 56, 59, 61 ff., 71 f., 125, 145, 189 f., 195 Tarifsozialplan 108, 110, 119, 120 ff., 194 Tarifvertrag 25 ff., 37 f., 40 f., 43, 46, 52 ff., 62 f., 65, 69 f., 72 ff., 77, 80, 83 ff., 90 ff., 102 ff., 113 ff., 120, 122 ff., 136 ff., 144 ff.,

– – – – – – – – –

– – –

147, 152 ff., 157, 161 ff., 168 f., 173 f., 176, 179, 183 f., 189 ff., 192 ff., 197 ff. Ablösung 115 ff. Außerordentlich Kündigung 25, 90 ff., 96 ff., 102 ff., 106 f., 110, 117, 156 f., 163, 165, 198 Bezugnahmeklausel 42, 109, 113 f., 117, 194 Durchführungs- und Friedenspflicht 40, 54 Geltungsbereich 73 ff., 107, 112, 168, 191 f. Günstigkeitsprinzip 108, 119 Haustarifvertrag 111 f., 193 Herauswachsen 74, 79, 191 Kündigung 25 f., 38, 41, 55, 66 f., 69, 81, 84 ff., 90 ff., 110, 117, 124 f., 127, 137 f., 145, 149, 156 f., 159, 162 f., 165 ff., 172 ff., 192, 198 Tarifnormen 37 ff., 46, 53 ff., 65, 75, 77, 80 f., 83 f., 86, 88, 104, 108, 126 ff., 136 f., 140, 145, 162, 173, 176, 191 f., 195 Verbandstarifvertrag 26, 41, 65, 74, 81, 104 ff., 110 ff., 124, 128, 137 ff., 145 f., 152 f., 161 f., 169, 175 f., 183, 193 ff., 198 Verdrängung 114, 117

Umstrukturierung

73, 79 f., 116, 191

Verbandsmitgliedschaft 26, 32, 114, 147, 154 f., 165, 173 ff., 181 ff., 188, 197 ff. – Abspaltungsverbot 170 f., 177, 185 – Ausscheiden 61, 134, 147 f., 150, 159, 162, 172, 182 f., 196 – Austrittsrecht 60, 154, 170 f. – Höchstpersönlichkeit 149, 151, 181 – Mitgliedschaftsrechte 25 ff., 155, 157 ff., 162, 164, 170 f., 175 ff., 182 ff., 197 f. – Organ- und Schutzrechte 171, 175, 177, 180, 182, 184, 188, 199 – OT-Mitgliedschaft 164, 167 ff., 182 – Vermögensrechte 31, 164, 175, 185 ff. – Vorteilsrechte 185 ff., 200 Vereinsmitgliedschaft 149 ff., 172 Wichtiger Grund 25, 43, 91, 94, 117, 156, 161, 165 f., 197