Über die Wissenschaften / De scientiis: Nach der lateinischen Übersetzung Gerhards von Cremona. Lateinisch-deutsch 378731718X, 3787318771, 9783787318773

Al-Farabi (870-950) war einer der bedeutendsten arabischen Philosophen, der sich um die Vermittlung der islamischen Phil

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German Pages 450 [452] Year 2008

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Über die Wissenschaften / De scientiis: Nach der lateinischen Übersetzung Gerhards von Cremona. Lateinisch-deutsch
 378731718X, 3787318771, 9783787318773

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A LFĀ R Ā BĪ

Über die Wissenschaften De scientiis Nach der lateinischen Übersetzung Gerhards von Cremona

Mit einer Einleitung und kommentierenden Anmerkungen herausgegeben und übersetzt von

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Lateinisch – deutsch

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 

Bibliographische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN ---

© Felix Meiner Verlag . Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§  und  URG ausdrücklich gestatten. Satz: post scriptum, Emmendingen / Hinterzarten. Druck: Strauss, Mörlenbach. Buchbinderische Verarbeitung: Litges & Dopf, Heppenheim. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSINorm resp. DIN-ISO , hergestellt aus   chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany. www.meiner.de

I N H A LT

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V II Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . X I . Al-Fārābī  | . Al-Fārābī und seine Schriften  | . Die Wissenschaftseinteilung al-Fārābīs  | . Wissenschaftseinteilung in der Zeit nach al-Fārābī  | . Der arabische Text von IhsāÞ al-ÝUlūm  | . Die hebräischen Textzeugen von IhsāÞ al-ÝUlūm  | . Gerhard von Cremona  | . Leben und Schriften  | . Die Übersetzung von De scientiis  | . Das Fortwirken von al-Fārābīs De scientiis im lateinischen Mittelalter  | . Die lateinischen Handschriften   | . Die Textgestaltung    | . Zur deutschen Übersetzung und zum Kommentar    | Conspectus siglorum   

A LFĀ R Ā BĪ

De scientiis / Über die Wissenschaften Introductio / Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  /    /    De scientia lingue / Über die Wissenschaft von der Sprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  /    /     De scientia dialetice / Über die Wissenschaft der Logik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  /    /     De scientia doctrinarum / Über die mathematischen Wissenschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  / 

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Inhalt

  /     De scientia naturali et scientia divina / Über die Naturwissenschaft und die göttliche Wissenschaft . . . .  /    /     De scientia civili et scientia legis et scientia elocutionis / Über die Staatswissenschaft, die Rechtswissenschaft und die Wissenschaft der Beredsamkeit . . . . . . . . . . .  /  Anmerkungen des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 Lateinisches Wörterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 Griechisches Wörterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 Arabisch-lateinisches Wörterverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . 342 Namensverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

VORWOR T

Al-Fārābī galt den Arabern als der »zweite Lehrer« nach dem »ersten Lehrer« Aristoteles, ein Titel, der seiner Bedeutung für die arabische Philosophie des Mittelalters voll gerecht wird. Im deutschen Sprachbereich ist jedoch al-Fārābī gegenüber Ibn Sīnā (Avicenna) und Ibn Rušd (Averroes) nur wenig Beachtung geschenkt worden. Die einzige Monographie zu al-Fārābī stammt von M. Steinschneider und wurde  verfaßt. Die einzigen Übersetzungen von Texten al-Fārābīs stammen von F. Dieterici aus den Jahren – und von M. Horten aus dem Jahr . Es war daher ein sehr berechtigtes Anliegen des Verlags, al-Fārābī mit einer zentralen Schrift den ihm gebührenden Platz in der »Philosophischen Bibliothek« einzuräumen. Die vorliegende Studienausgabe von al-Fārābīs IhsāÞ al-ÝUlūm in der lateinischen Übersetzung Gerhards von Cremona unter dem Titel De scientiis ist ein ebenso interessantes wie risikoreiches Unternehmen. Der Text umfaßt die Bereiche der Sprachwissenschaft, der Logik und der wissenschaftlichen Methodenlehre, der Mathematik, Astronomie, Musik, aller Naturwissenschaften, der Metaphysik und schließlich der Politik, des (islamischen) Rechts und der (islamischen) Theologie. Die Schrift al-Fārābīs ist in arabischen, hebräischen und lateinischen Versionen erhalten. Es handelt sich also um einen Text, der in den drei wichtigen Kultur- und Wissenschaftssprachen des Mittelalters vorhanden war. Eine textkritische Edition, die alle bekannten Handschriften erfaßt, gibt es jedoch bisher für keine der drei Textgruppen. Die ideale Ausgabe bestünde also in einer textkritischen Edition des arabischen, hebräischen und lateinischen Textes zusammen mit einer Übersetzung und einem von Spezialisten der einzelnen Gebiete erstellten Kommentar. Ein solches Unternehmen würde eine interdisziplinäre Forschergruppe erfordern: Orientalisten und Latinisten für die Textedi-

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Franz Schupp

tion, Sprachwissenschaftler, Logikhistoriker, Wissenschaftshistoriker, Philosophiehistoriker und Islamwissenschaftler für die Kommentierung.¹ Eine Studienausgabe hat eine andere und weniger anspruchsvolle Zielsetzung. Der in der vorliegenden Ausgabe zugrunde gelegte Text ist die von Gerhard von Cremona im . Jhd. hergestellte lateinische Übersetzung von IhsāÞ al-ÝUlūm. Den Text aus dem Lateinischen zu übersetzen ist deshalb gerechtfertigt, weil die lateinische Übersetzung Gerhards von Cremona ebenso wie die darauf beruhende Exzerpt-Übersetzung des Dominicus Gundissalinus eine eigene Wirkungsgeschichte in der lateinischen Philosophie des Mittelalters gehabt hat. Für die vorliegende Studienausgabe wurde die lateinische Version des Textes aufgrund aller bisher bekannten Handschriften mit einem kritischen Apparat hergestellt, der zwar nicht alle Textvarianten für alle Handschriften, aber doch alle Varianten für die Pariser Grundlagenhandschrift und alle interpretationsrelevanten Varianten der anderen Handschriften enthält. Die Kommentierung des gesamten Textes durch einen alleinigen Herausgeber ist sicher problematisch, da hier eindeutige Kompetenzgrenzen deutlich werden müssen. Ich bin mir der Grenzen dessen, was ich hier leisten konnte, durchaus bewußt. Bei einzelnen Fragen waren Kollegen sehr hilfreich, von denen vor allem Charles Burnett (Warburg Institute London), Josef van Ess (Universität Tübingen), Hans Daiber (Universität Frankfurt) und Ulrich Rebstock (Universität Freiburg) zu nennen sind. Besonderen Dank bin ich Herrn Rainer Brunner (derzeit Princeton) schuldig, der die Arbeit in vielfacher Weise unterstützt hat. Selbstverständlich sind alle Fehler und Mängel der vorliegenden Arbeit ausschließlich mir anzurechnen.

¹ Am Centre national de la recherche scientifique in Paris ist ein solches Unternehmen, das die arabische, hebräische und lateinische Textversion, eine Übersetzung ins Französische und eine Kommentierung durch mehrere Spezialisten vorsieht, tatsächlich in Vorbereitung.

Vorwort

IX

Die Forschungsarbeit für diese Edition wurde unterstützt durch die Fritz Thyssen Stiftung Köln, die mir u. a. mehrwöchige Forschungsaufenthalte in Beirut und Damaskus ermöglicht hat. Der Fritz Thyssen Stiftung sei an dieser Stelle Dank ausgesprochen.

E I N L E I T U NG

. Al-Fārābī . Al-Fārābī und seine Schriften Vom Leben al-Fārābīs ist fast nichts bekannt.¹ Sein voller Name war al-Fārābī Abū Nasr Muhammad ibn Tarkhān ibn Awzalgh. Bei den Lateinern wurde er u. a. Alfarabius, Alpharabius oder Abunazar genannt. Die gesicherten Daten sind folgende: AlFārābī wurde in Wasīf, einem Ort in der Nähe der Stadt Fārāb in Turkestan geboren. Die Familie war türkisch, und sein Vater war in einer militärischen Funktion tätig. Al-Fārābī kam zu einem nicht überlieferten Zeitpunkt nach Bagdad. Seine Muttersprache war also ein türkischer Dialekt, ² er lernte später Arabisch und sein arabischer Stil wird allgemein als sehr gut angesehen. Im Jahre  ging er an den Hof des Hamdāniden Sayf ad-Dawla, lebte also hauptsächlich in Aleppo, am Ende seines Lebens aber dann in Damaskus. Da al-Fārābī  im Alter von etwa  Jahren gestorben ist, muß er etwa um  geboren sein. Al-Fārābīs Lehrer im Bereich der Philosophie war vor allem, wie al-Fārābī selbst berichtet, der nestorianische Christ Yūhannā ben Haylān (gest. um ). ³ Außerdem studierte er Logik bei dem nestorianischen Christen und Logiklehrer Abū Bišr Mattā (um –) und arabische Grammatik bei Abū Bakr ibn asSarrāf (um –/). Aus der Tatsache, daß al-Fārābī bei einem Lehrer arabische Grammatik studierte, läßt sich nichts ¹ Vgl. z. B. die wenigen Angaben in der Kurzbiographie Al-Qiftīs: Über Alfārābī, S. –. ² Auch diese Annahme ist aber letztlich nur erschlossen. Vgl. Zimmermann , S. XLV II . ³ Vgl. Kap. II , Anm. .

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über die Arabischkenntnisse al-Fārābīs zu diesem Zeitpunkt entnehmen,⁴ da, worauf noch zurückzukommen sein wird, die Grammatik, mit der auch Sprach- und Literaturwissenschaft verbunden war (vgl. das Kap. II von De scientiis), zu dieser Zeit eine bereits Jahrhunderte alte und hoch spezialisierte Wissenschaft geworden war, deren Beherrschung einen kompletten Studiengang erforderte. Soweit das historisch Gesicherte, alle übrigen Nachrichten sind entweder mehr oder weniger begründete Vermutungen oder stammen aus Quellen, bei denen manchmal begründete Zweifel bestehen, ob diese Nachrichten tatsächlich zutreffen. Vieles ist auch einfach legendenhaft. Für die Zeit der frühen Jugend al-Fārābīs gibt es keinerlei Nachrichten. Zu beachten ist jedoch, daß die Gegend, aus der er stammte, erst verhältnismäßig spät, in der Mitte des . Jhd.s, unter islamische Herrschaft gekommen war. Es ist also durchaus wahrscheinlich, daß die Familie al-Fārābīs erst seit einer Generation muslimisch war. ⁵ Al-Fārābī stammte also aus einer nicht-arabischen Familie, seine Muttersprache war vermutlich nicht Arabisch, und in seiner Familie gab es ebenso vermutlich keine lange islamische Tradition. Dieser Hintergrund ist zu berücksichtigen, wenn al-Fārābī später die Auffassung vertreten wird, daß die Logik den Einzelsprachen, also auch dem Arabischen gegenüber, vorgeordnet ist, und ganz ähnlich, wenn er die Philosophie allen Religionen, also auch dem Islam gegenüber, als das oberste Kriterium der Wahrheit und die reinste Form derselben ansehen wird. Zunächst studierte al-Fārābī ohne Zweifel die »arabischen Wissenschaften«, erst später hat er sich den »fremden« Wissenschaften zugewandt (vgl. zu dieser Einteilung und Reihenfolge weiter unten .). Fraglich ist allerdings der Zeitpunkt, zu dem al-Fārābī bei Yūhannā ben Haylān studiert hat, und somit der ⁴ Fakhry , S. , nimmt an, daß al-Fārābī erst nach seiner Ankunft in Bagdad Arabisch lernte. ⁵ Dunlop , S. .

Einleitung

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Zeitpunkt des Beginns seiner Beschäftigung mit der Philosophie. Von Yūhannā ben Haylān wird berichtet, daß er im Jahre  von Merw nach Bagdad übersiedelte. Manche Forscher nehmen an, daß al-Fārābī schon in seiner frühen Jugend nach Bagdad kam⁶ und dann bei Yūhannā ben Haylān nach dessen Ankunft in Bagdad studierte. Dies ergäbe einen ziemlich späten Zeitpunkt des Beginns der philosophischen Studien al-Fārābīs. Es legt sich also eher nahe, anzunehmen, daß al-Fārābī zunächst bei Yūhannā ben Haylān in Merw, das nicht allzu fern von seiner Heimat lag, studierte.⁷ Der Hauptgegenstand der Studien al-Fārābīs war zunächst die Logik. In der arabischen Tradition der Gelehrten-Biographien wird al-Fārābī auch in erster Linie als Logiker⁸ und erst nachgeordnet als Philosoph der Politik betrachtet. Ibn Tufail (–) bringt eine wohl verbreitete Meinung zum Ausdruck, wenn er von al-Fārābī sagt: Diejenigen Bücher Fārābīs, die uns erreicht haben, handeln größtenteils von Logik, und was darin an eigentlicher Philosophie vorkommt, gibt Anlaß zu mancherlei Zweifeln.⁹

⁶ Walzer, in EI II , S. b. ⁷ So Mahdi , S.  a – b, van Ess , S. , Anm. , Bakar , S. –. Walzer, in EI II , S. a, läßt auch diese Möglichkeit offen. ⁸ Es gibt arab. Handschriften, die ausschließlich Texte von alFārābī zur Logik enthalten. Vgl. z. B. die berühmte Handschrift Breslau, Universitätsbibliothek ms.  TE . Die Liste der darin enthaltenen logischen Texte findet sich in Gutas , S.  f. Eine ähnliche Handschrift, die aber noch einige weitere Texte enthält, befi ndet sich in Istanbul, Süleymaniye Kütüphanesi, Hamidiyyah ms. . Vgl. ebd., S. , Anm. , und Haddad , S. , Anm. . Die logischen Schriften al-Fārābīs sind im arab. Text erst in der . Hälfte des . Jhd.s veröffentlicht worden. Vgl. dazu Fakhry , Art. III , S. –. ⁹ Ibn Tufail: Hayy ibn Yaqzān, S. . Im folgenden verweist Ibn Tufail als Beispiel auf die uneinheitliche Seelenauffassung al-Fārābīs. Vgl. dazu Kap. V, Anm. .

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Manchmal wird auch angenommen, daß al-Fārābī sich vor seinen philosophischen Studien dem Studium der Musik widmete. Mahdi vermutet, daß er in Buchara solche Studien durchgeführt hat.¹⁰ Sicher bezeugt ist auch dies nicht. Wir wissen nur aus al-Fārābīs Schriften, so vor allem aus dem Großen Buch der Musik, daß er außergewöhnliche theoretische Kenntnisse auf diesem Gebiet hatte, und es geht aus einem – allerdings stark legendenhaft geprägten – Bericht hervor, daß er auch ein ausgezeichneter ausübender Musiker gewesen sein dürfte.¹¹ Ein besonders heikles Problem liefert eine Mitteilung von al-Iattābī (–), der sich auf al-Fārābīs eigene Berichte über seine Studien beruft, in der behauptet wird, al-Fārābī sei nach dem Studium der . Analytik des Aristoteles für acht Jahre (!) zum weiteren Studium nach Byzanz gegangen. Mahdi, der wohl eine unumstrittene Autorität im Bereich der al-FārābīForschung darstellt, ist der Meinung, daß es kaum möglich ist, an der Authentizität dieses Berichts zu zweifeln.¹² Unter dieser Voraussetzung müßte man allerdings annehmen, daß al-Fārābī gute Griechischkenntnisse besaß. Genau dagegen wird jedoch von bedeutenden Forschern wie Rosenthal, Walzer und Zimmermann auf eine inzwischen berühmt gewordene Stelle aus De scientiis hingewiesen, an der al-Fārābī eine eindeutig falsche »etymologische« Erklärung des griechischen Wortes sophístês liefert,¹³ die als Beweis dafür gilt, daß al-Fārābī nicht Griechisch konnte.¹⁴ Entsprechend nehmen diese Forscher auch an, ¹⁰ Mahdi , S. b. ¹¹ Vgl. Kap. III , Anm. . ¹² Mahdi , S. . Bakar , S.  f., schließt sich dieser Meinung an. Vgl. auch Jaff ray , S. X XI . ¹³ Vgl. dazu Kap. II , Anm. . ¹⁴ Vgl. Rosenthal , S. , Anm. , Walzer , S. , Anm. , Grinaschi, in der Anmerkung zu al-Fārābī: Deux ouvrages sur la Rhétorique, S.  f., Zimmermann , S. XLV II , Gutas , S. , Anm. . Auf ein weiteres Beispiel, das zeigt, daß al-Fārābī keine Griechischkenntnisse besaß, weist Zimmermann , S. , hin. Gätje

Einleitung

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daß die Nachricht über al-Fārābīs Aufenthalt in Byzanz nicht zutriff t.¹⁵ Ich halte den Bericht vom Aufenthalt al-Fārābīs in Byzanz für eine Legende, die nach folgendem Muster entstanden ist: Nach der Lektüre des entscheidenden Buches (d. h. der . Analytik des Aristoteles) machte al-Fārābī sich auf in das gelobte »Land der Griechen« (= Byzanz), so wie die Weisen aus dem Morgenland, die den Stern gesehen hatten (der die Geburt Jesu verkündete) und die daraufhin nach Bethlehem reisten. Die Frage der Griechischkenntnisse al-Fārābīs ist nicht nur historisch interessant, sondern auch wichtig für die Einschätzung des Textes von De scientiis, der ja auf weite Strecken hin Fragen der griechischen Wissenschaft behandelt. Wir dürfen dabei nicht annehmen, al-Fārābī habe direkt auf irgendwelche (inzwischen vielleicht verlorengegangene) spätantike griechische Quellen im Originaltext zurückgegriffen. Er konnte mangels griechischer Sprachkenntnisse nur auf antike oder spätantike griechische Quellen zurückgreifen, sofern diese in arabischen Übersetzungen vorlagen. Allerdings ist es auch bei Vorliegen arabischer Übersetzungen nicht immer gesichert, daß al-Fārābī diese auch verwendet hat. Al-Fārābī besaß ohne Zweifel eine sehr breite Kenntnis der zur Verfügung stehenden arabischen Übersetzungen aus dem Griechischen, er kannte oder verwendete jedenfalls aber nicht alles, was zu seiner Zeit an Texten prinzipiell erreichbar war. In den meisten Fällen, in denen alFārābī sich – gewöhnlich in sehr allgemeiner Weise – auf »die , S. , nimmt an, daß al-Fārābī nicht nur keine Griechisch-, sondern auch keine Syrischkenntnisse besaß. Dies bedeutet, daß alFārābī nicht auf ältere syrische Übersetzungen zurückgreifen konnte, sondern einzig auf Übersetzungen (aus dem Syrischen oder direkt aus dem Griechischen) ins Arabische angewiesen war. ¹⁵ Walzer, in EI II , b, erwähnt den Bericht über diesen Aufenthalt überhaupt nicht. Netton , S. , und Fakhry , S. –, nehmen in ihrem biographischen Überblick darauf keinen Bezug. Auch Gutas , S. , Anm. , äußert Zweifel über die Zuverlässigkeit dieses Berichts.

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Kommentatoren« beruft, dürfte er kaum wirklich deren Texte in der arabischen Version gekannt haben, sondern bezog seine Informationen eher von Marginalanmerkungen zu den Aristoteles-Texten, aus Kompendien oder aus Mitteilungen seiner syrischen Lehrer.¹⁶ Aus dem . Jhd. ist z. B. der berühmte Kodex ar.  der Pariser Nationalbibliothek erhalten, in dem in Marginalien neben dem Korpus der Aristotelischen Schriften zur Logik auch bereits viel Kommentarmaterial enthalten ist.¹⁷ Solche mit Glossen versehenen Übersetzungen dürften ziemlich weit verbreitet gewesen sein. Es ergibt sich somit mit großer Wahrscheinlichkeit, daß al-Fārābī jedenfalls von , dem Zeitpunkt der Übersiedlung von Yūhannā ben Haylān nach Bagdad, bis , als er an den Hof Sayf ad-Dawlas zog, in Bagdad lebte. Er verbrachte also mehr als  Jahre in der Hauptstadt des Kalifats, und dort hatte er einen reichhaltigen Bestand von Übersetzungen zur Verfügung. Wenn al-Fārābī in IhsāÞ al-Ýulūm (De scientiis) eine Einleitung in alle Wissenschaften vorlegt, so kann er dies aufgrund einer gesicherten arabischen Textbasis tun. Im Jahre  verließ al-Fārābī Bagdad. Dies hing mit großer Wahrscheinlichkeit mit der politischen Lage zusammen. Innere Unruhen in Bagdad machten das Leben dort sehr unsicher, sogar der Kalif mußte samt seiner Umgebung nach Mosul fl iehen.¹⁸ Möglicherweise spiegelt sich in einem Aphorismus al-Fārābīs der Grund für seinen Weggang von Bagdad wider:¹⁹ […] dem tugendhaften Menschen ist es verboten, unter verdorbenen Herrschaften zu leben, und es ist für ihn verpfl ichtend, in eine der guten Herrschaften auszuwandern, falls solche in seiner Zeit tatsächlich existieren. Wenn keine solche existieren, dann ist der

¹⁶ ¹⁷ ¹⁸ ¹⁹

Vgl. Zimmermann , S.  und  f. Vgl. Hugonnard-Roche . Vgl. Mahdi , S. b. Dies vermutet Bakar , S. .

Einleitung

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tugendhafte Mensch ein Fremder in dieser Welt und er ist elend in seinem Leben, der Tod ist für ihn besser als das Leben. ²⁰

Al-Fārābī dürfte zunächst nach Damaskus gegangen sein, und als auch dort politische Unruhen ausbrachen, zog er möglicherweise nach Ägypten.  übernahm der Hamdānide Sayf ad-Dawla die Herrschaft in Syrien. Dieser lud verschiedene Wissenschaftler und Dichter an seinen Hof ein, darunter auch al-Fārābī, der also etwa ein Jahr vor seinem Tod dorthin ging. Sayf ad-Dawla gehörte der Richtung der Schiiten an, und verschiedene Forscher haben gute Gründe dafür angeführt, daß auch al-Fārābī eher für diese Richtung des Islam Sympathien hegte. ²¹ Von dieser verhältnismäßig kurzen Zeit am Hof Sayf ad-Dawlas berichtet al-Qiftī, daß al-Fārābī dort »mit dem Gewande der Sufis bekleidet« auftrat.²² Auch bei dieser Nachricht ist größte Vorsicht geboten. Al-Fārābī stand den zu seiner Zeit an Einfluß gewinnenden islamisch-mystischen Bewegungen eher ablehnend gegenüber. ²³ Auch der vollkommenste Mensch, also bei al-Fārābī der Philosoph / Prophet / Herrscher des Musterstaats, der zu der größtmöglichen Einigung mit dem aktiven Intellekt gelangt ist, trägt keinerlei Kennzeichen eines Mystikers. Al-Fārābīs Plato-Lektüre war im Gegensatz zu den Tendenzen der spätantiken griechischen Tradition und zu jenen seiner eigenen Zeit nicht metaphysisch und mystisch, sondern politisch. ²⁴ Auch der Aristotelismus al-Fārābīs, also eine Form eines logisch-wissenschaftlichen Rationalismus, läßt kaum Raum für Mystik. ²⁵ Spätere Sufis haben sich nie auf al-Fārābī berufen, sie

Aphorism , S.  f. Übers. v. F. S. Vgl. Najar , und Walzer , S.  f. Al-Qiftī: Über Alfārābī, S. . Vgl. Walzer , S. . Vgl. Walzer , S. , und Mahdi , S. –. Vgl. auch Kap. V, Anm. . ²⁵ Vgl. Endreß  b, S. .

²⁰ ²¹ ²² ²³ ²⁴

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folgten eher der Sufi-Autorität al-Ghazālī (/–), der bekanntlich al-Fārābī als »Ungläubigen« bezeichnet hat. ²⁶ Es gibt eben glaubwürdige und unglaubwürdige Legenden, die Erzählung von den großartigen musikalischen Fähigkeiten alFārābīs gehört zu den ersteren, die von seinem Sufitum zu den letzteren, und möglicherweise hat die erstere Legende den Anlaß zur letzteren gegeben. Al-Fārābī hat eine große Anzahl von Schriften verfaßt, von denen aber nur ein Teil erhalten ist. ²⁷ Über die Chronologie der Schriften al-Fārābīs gibt es keine historischen Nachrichten. Es legt sich aber nahe, anzunehmen, daß die Kommentare und Paraphrasen zu Aristotelischen Schriften vor den systematischen Werken entstanden sind. Unter dieser Voraussetzung kann man also vermuten, daß der Traktat zur Einteilung der Wissenschaften zu den späteren Schriften al-Fārābīs gehört. ²⁸ Schon bald erhielt al-Fārābī den Ehrentitel »der zweite Lehrer« (al-MuÝallim av-Vani), wobei Aristoteles als der »erste Lehrer« bezeichnet wurde. Für die Bezeichnung »Lehrer« für Aristoteles gibt es in der griechischen Tradition keine Zeugnisse, es handelt sich also sowohl beim »ersten« wie beim »zweiten Lehrer« um einen Titel, der aus der Tradition der islamischen Philosophie stammt. Eine eindeutige Erklärung für den Grund der Einführung dieses Ehrentitels gibt es nicht. H. S. Nasr hat mit guten Gründen die Vermutung geäußert, daß die Bezeichnung »Lehrer« weniger mit dem Begründer einer »Schule« zusammenhängt – dann wäre ja z. B. Plato mit gleichem Recht als »Lehrer« bezeichnet worden –, sondern vielmehr auf jemanden zutriff t, der ²⁶ Al-Ghazālī: Der Erretter aus dem Irrtum, S. . ²⁷ Eine Liste der Schriften al-Fārābīs ist schon im . Jhd. zusam-

mengestellt worden. Vgl. al-Qiftī: Über al-Fārābī, S. –. Zu den erhaltenen Schriften vgl. Steinschneider , und Brockelmann , I, S. –. Inzwischen neu aufgefunden und von M. Mahdi  veröffentlicht: Kitāb al-Alfāz al-MustaÝmala fī-l-Mantiq (Utterances employed in Logic). ²⁸ So Dunlop , S.  f.

Einleitung

XIX

Methoden des Studiums, eine Einteilung der Studiengebiete und eine Erklärung der Zusammenordnung und Einheit des Wissens und der Wissenschaften liefert. Genau dies triff t auf Aristoteles wie auf al-Fārābī in hervorragender Weise zu. Und damit rückt selbstverständlich al-Fārābīs IhsāÞ al-ÝUlūm, also die Einteilung der Wissenschaften in den Mittelpunkt und kann als eigentlicher Grund für den Ehrentitel »zweiter Lehrer« angesehen werden. ²⁹

. Die Wissenschaftseinteilung al-Fārābīs Eine Grundproblematik: »Arabische« und »fremde« Wissenschaften Der arabische Titel der Schrift lautet IhsāÞ al-ÝUlūm. Der arabische Ausdruck ihsaÞ bedeutet »Aufzählung«, ³⁰ Ýilm (Pl. Ýulum) bedeutet zunächst einmal ganz allgemein »Wissen«, dann in einem spezielleren Sinn »Wissenschaft«. Diese weitere und engere Bedeutung ist im ganzen Traktat al-Fārābīs im Auge zu behalten, da nicht alle Disziplinen, die er behandelt, auch unter den von al-Fārābī streng nach der . Analytik des Aristoteles entwickelten Begriff von »Wissenschaft« fallen.³¹ Hinter diesem und ähnlichen scheinbar neutralen Buchtiteln³² steht eine ziemlich komplexe Problematik, die den arabisch-islamischen Philosophen von Anfang an klar bewußt war. In der ²⁹ Nasr , S.  f. ³⁰ Gerhard von Cremona hat in seinem Buchtitel De scientiis dieses Element der »Einteilung /Aufzählung« nicht berücksichtigt. Dasselbe gilt für die Übersetzung des Gundissalinus. In dessen eigener, sehr stark an al-Fārābī orientierten Schrift De divisione philosophiae ist aber im Titel mit divisio dieses Element der Einteilung wieder aufgenommen. Vgl. auch weiter unten Anm.  und . ³¹ Der lat. Begriff scientia entsprach vermutlich schon im . Jhd. eher der engeren Bedeutung von Ýilm. ³² Vgl. z. B. al-Iwārizmī: Mafātīh al- ÝUlūm (Schlüssel der Wissenschaften).

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Zeit vom . bis . Jhd. war vor allem in Bagdad eine große Anzahl wissenschaftlicher und philosophischer Werke aus dem Griechischen – teilweise über das Syrische – übersetzt worden. ³³ Mit diesen Quellentexten war – teilweise auch wieder über syrische Mittelglieder – den arabischen Philosophen auch einiges von den spätantiken Einleitungsschriften bekannt geworden, in denen die Definition und die Einteilung der Philosophie und der Wissenschaften behandelt worden waren. In der spätantiken Schultradition der Aristoteleskommentatoren hatte sich ein -Punkte-Programm zur Einführung in die Schriften des Aristoteles herausgebildet, das sich mit kleinen Verschiedenheiten bei Ammonios (/–/), Olympiodoros (/ – nach ), Elias (. Jhd.), Philoponos (um –) und Simplikios (. Jhd.) findet. ³⁴ Mit Stephanos hörte in Byzanz in der . Hälfte des . Jhd.s die Kommentierung der Schriften des Aristoteles allerdings auf, und auch das Interesse an Philosophie und Wissenschaft im Sinne der Alexandriner schwand zusehends. ³⁵ Die großen Diskussionen um das Verhältnis von Glaube und Wissen, die die griechischen Kirchenväter zu einer intensiven Beschäftigung mit der Philosophie, allerdings hauptsächlich mit der platonischen, herausgefordert hatten, waren in der byzantinischen Orthodoxie längst vergessen. Aber auch bei den syrischen nestorianischen Christen, die sich im Bereich der Wissenschaften fast nur noch mit Medizin und Astronomie /Astrologie beschäftigten, waren die Fragen über Begriff und Einteilung von Philosophie und Wissenschaft zu einem Bildungsklischee abgesunken. ³⁶ Mit den arabischen Übersetzungen der Schriften der griechischen Philosophie und Wissenschaft war bei den Arabern von ³³ Diese Entwicklung ist ziemlich gut erforscht, vgl. z. B. Meyerhof , O’Leary , Walzer , Peters b, Badawi , Hugonnard-Roche , Gutas . ³⁴ Vgl. Westerink , S.  f. ³⁵ Vgl. Schupp , II , S. –. ³⁶ Vgl. Endreß , S. –.

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Anfang an eine intensive Rezeption dieses Wissens verbunden, aber in der islamischen Gesellschaft gab es eben auch ein anderes Wissen, nämlich jenes, das im Koran enthalten war und das als göttliche Offenbarung durch den Propheten aufgefaßt wurde. Vor allem im Zusammenhang mit der Festlegung der verbindlichen Textlesung des Koran, wofür ja zunächst einmal eine durchgängige und offizielle Vokalisierung des Textes erforderlich war, die erst in diesem Zusammenhang entwickelt wurde, hatte sich die Grammatik (nahw) als eigenständige und hoch entwickelte Disziplin herausgebildet. Sibawaih (gest. ) war der erste, der eine auf strengen Regeln beruhende systematische Grammatik des Arabischen hergestellt hatte, und seine Arbeit wurde grundlegend für alle späteren Grammatiker. Es entwickelten sich dann auch konkurrierende Grammatikerschulen, vor allem die von Basra und Kufa. Die arabischen Grammatiker hatten eine wichtige soziale Stellung inne, die von einem entsprechenden Selbstbewußtsein begleitet war. Wichtig für die Feststellung des »richtigen« Arabisch war auch die Beschäftigung mit der altarabischen Dichtung, so daß auch die Poetik (Ýilm al-ašÝar), in der die formalen Prinzipien der verschiedenen Arten der Dichtung erfaßt wurden, hoch entwickelt war. Ähnliches gilt für die Koranauslegung, die vor allem in den Händen der Juristen lag. Seit aš-ŠāfiÝi (–) hatte sich die Rechtslehre (usul al-fiqh) als eigenständige Disziplin herausgebildet. ³⁷ Die Frage, wie aus Bestimmungen, die im Koran vorgefunden wurden, weitere Gesetze abgeleitet werden konnten, war selbstverständlich zentral, und es wurden Kriterien für entsprechende Analogieschlüsse (qiyas, Pl. qiyasat) aufgestellt. Auch im Bereich des Rechts hatten sich seit der Zeit der Abbasiden, also seit der Mitte des . Jhd.s, verschiedene Schulen entwickelt. Weniger bedeutsam – alle entscheidenden Fragen wurden ja von den Juristen behandelt – war die islamische Theologie (kalam). ³⁸ Hier wurden aber wichtige ³⁷ Vgl. z. B. die grundlegende Arbeit von Schacht/Bergsträsser . ³⁸ Zum Überblick vgl. Abdel Haleem  und Pavlin .

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Fragen wie z. B. die der Einheit Gottes und der damit verbundenen Probleme der Interpretation der Attribute Gottes diskutiert. Innerhalb des kalam vertrat die in der . Hälfte des . Jhd.s in Basra entstandene Schule der MuÝtaziliten eine beinahe »rationalistische« Position, und die Lehren dieser Schule wurden in der . Hälfte des . Jhd.s sogar von den Kalifen unterstützt. Es gab also zur Zeit der Übersetzungen und der Rezeption der griechischen Philosophie und Wissenschaft drei Disziplinen – Sprachwissenschaft, Rechtswissenschaft und Theologie –, die zusammengenommen beanspruchten, die für die islamische Gesellschaft entscheidenden und maßgeblichen Erkenntnisse zu liefern. Als das »neue« Wissen der griechischen Philosophie und Wissenschaft bekannt wurde, fanden die Araber in ihrer Sprache keinen Ausdruck, mit dem sie es bezeichnen konnten, sie bildeten also ein Lehnwort aus dem Griechischen (falsafa = philosophía). ³⁹ Dieses neue Wissen wurde aber als »fremdes« Wissen aufgefaßt, und es wurde rasch deutlich, daß in der Bestimmung des Verhältnisses dieser beiden Formen des Wissens ein Spannungs- und möglicherweise ein Konfl iktpotential vorlag. Eine Zuordnung der verschiedenen Wissenschaften wurde somit dringend erforderlich. Es ist klar, daß innerhalb der arabisch-islamischen Gesellschaft die Philosophie – bei der immer die griechischen Wissenschaften mitinbegriffen sind – unter Legitimationszwang stand. In diesem völlig neuen gesellschaftlichen Kontext erhielten die spätantiken Schriften zum Begriff und zur Einteilung der Philosophie, die faktisch bedeutungslos geworden waren, plötzlich eine ganz neue Relevanz.⁴⁰ Schon al-Kindī (um  – um ), der erste der bedeutenden arabischen Philosophen, befaßte sich mit der Frage der Einteilung der Wissenschaften. Die entsprechenden Schriften sind zum Großteil nicht erhalten. Überliefert ist nur ein Traktat über das Studium der Aristotelischen Schriften, der wesentliche Gehalt ³⁹ Vgl. EI II , S.  b –  a. ⁴⁰ Endreß , S. .

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der anderen Schriften kann jedoch annähernd rekonstruiert werden.⁴¹ Systematisch werden die aristotelischen Wissenschaften bei al-Kindī eingeteilt in Logik, Physik, Seelenlehre, Theologie und Ethik.⁴² Bei al-Kindīs Einteilung ist der Hintergrund spätantiker Einteilungsschemata klar ersichtlich.⁴³ Die griechischen Wissenschaften wurden bei al-Kindī aber mit den islamischen Wissenschaften nicht in ein einheitliches Schema zusammengefaßt. Unter dem Einfluß al-Kindīs, aber auch wieder unter Rückgriff auf spätantike alexandrinische Quellen – vor allem auf Ammonios – hat Qustā ibn Lūqā (um –) eine kurze Einteilung der Wissenschaften aufgestellt, die auch eine Liste der entsprechenden Aristotelischen Schriften enthält.⁴⁴ Besonders aufschlußreich im vorliegenden Zusammenhang ist die Einteilung der Wissenschaften des bedeutenden Mathematikers (des Erfinders der Algebra) al-Iwārizmī (. Hälfte . Jhd.): Ich habe mein Werk in zwei Bücher eingeteilt. Eins ist den Wissenschaften des islamischen Religionsgesetzes und den damit zusammenhängenden arabischen Wissenschaften gewidmet und das zweite den Wissenschaften, die von Fremden wie den Griechen und anderen Nationen herrühren. Kapiteleinteilung des ersten Buches: () Jurisprudenz, () Religionsphilosophie, () Grammatik, () Schreibkunst, () Poesie und Prosodie, () Geschichte. Zweiter Teil: () Philosophie, () Logik, () Medizin, () Arithmetik, () Geometrie, () Astronomie-Astrologie, () Musik, () Mechanik, () Alchemie.⁴⁵ Vgl. Cortabarria Beitia . Vgl. Jolivet , S.  f. Vgl. das Grundschema bei Moraux , S. . Text und Kommentar in Daiber  a. Diese Einteilung folgt aber teilweise anderen Gesichtspunkten als die al-Fārābīs, kann also al-Fārābī nicht als Vorlage gedient haben. ⁴⁵ Rosenthal , S.  f. (unter Weglassung der Angabe der Anzahl der Abschnitte der einzelnen Kapitel).

⁴¹ ⁴² ⁴³ ⁴⁴

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Hier ist das Problem schon deutlich ausgesprochen: Es gibt die Wissenschaften des islamischen Religionsgesetzes, dies sind die »arabischen« Wissenschaften, und es gibt die »fremden« Wissenschaften, also vor allem die der Griechen. Die Aneinanderreihung der beiden Wissenschaftskomplexe löst indes das zugrundeliegende Problem in keiner Weise. Wie spannungsgeladen und gesellschaftlich / politisch relevant die Problematik war, läßt sich aus einer berühmten Diskussion ersehen, in der es um das Verhältnis der formalen Disziplinen der beiden Bereiche, also der Grammatik und der Logik ging. Im Jahre  fand im Palast des Wesirs al-Muqtadir (–) eine aufsehenerregende öffentliche Diskussion statt. Die Diskussionspartner waren Abū Bišr Mattā und Abū SaÝīd as-Sīrāfī (–), ein bedeutender Kalām-Gelehrter, Jurist und Grammatiker.⁴⁶ Das Thema der Diskussion war nicht die abstrakte Frage des Verhältnisses von Grammatik und Logik, sondern die kulturpolitisch relevante Frage des konkreten Verhältnisses von arabischer Grammatik und griechischer Logik.⁴⁷ Die Position as-Sīrāfīs, des Vertreters der »arabischen« Wissenschaften, ist mit der folgenden Frage klar ausgesprochen: Begründet hat doch die Logik ein Mann von den Griechen auf Grund ihrer Sprache und ihrer Konvention darin und ihrer durch Übereinkunft anerkannten Regeln und Formen – wieso müssen denn Türken und Inder und Perser und Araber die Logik beachten, deren Urteil und Schiedsspruch annehmen, akzeptieren, was sie verbürgt und ablehnen, was sie zurückweist? ⁴⁸

⁴⁶ Der Text ist in einer dt. Übersetzung (mit Kommentar) in Endreß , S. –, nachlesbar. Diese Diskussion wird genau und detailliert ebd., S. –, analysiert. ⁴⁷ Es soll allerdings nicht übersehen werden, daß as-Sīrāfī unabhängig von der angesprochenen kulturgeschichtlich bedeutsamen Diskussion Fragen über das Verhältnis von Denken und Sprechen aufwirft, die auch in unserer Gegenwart weiter aktuell sind. Vgl. z. B. ElamraniJamal , S. –, und Kühn . ⁴⁸ Text in: Endreß , S. .

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Der – vom Veranstalter vorprogrammierte – Sieg in der Diskussion wurde erwartungsgemäß as-Sīrāfī zugesprochen. Al-Fārābī war ohne Zweifel über diese Diskussion informiert und für ihn als Vertreter der falsafa konnte dies nicht das letzte Wort sein. Es war klar geworden, daß es jetzt darum ging, aufzuweisen, daß die Philosophie und die griechischen Wissenschaften nicht als Konkurrenten der »arabischen« Wissenschaften aufgefaßt werden durften, daß sie aber auch nicht einfach als angefügte Ergänzung der »arabischen« Wissenschaften eingeordnet werden durften. Gefragt war also eine übergreifende Ordnung. Für den Kanon der griechischen Wissenschaften griff alFārābī auf die schon genannten spätantiken Einleitungsschriften zu den Werken des Aristoteles zurück, in denen gleichzeitig eine Wissenschaftseinteilung enthalten war. Aufgrund der Forschungen von D. Gutas ist es sogar möglich, ziemlich genau anzugeben, auf welchen der spätantiken Kommentatoren al-Fārābī zurückgriff.⁴⁹ Da die Übermittlung an al-Fārābī traditionsgeschichtlich prinzipiell relevant ist und auch mit al-Fārābīs eigener Darstellung übereinstimmt, sei sie hier kurz dargestellt. Die Quellenangabe stammt allerdings nicht von al-Fārābī, sondern von Miskawaih (–), dem Verfasser der Schrift Tartīb assÝādāt (Die Ordnung der Glückseligkeit), ⁵⁰ in der ein Text enthalten ist, der einen eindeutigen Paralleltext zu al-Fārābīs IhsāÞ alÝUlūm (De scientiis) darstellt. Miskawaih gibt dabei ausdrücklich an, daß es sich nicht um eine Schrift von ihm selbst handelt,

⁴⁹ Walzer , S.  f., hatte auf die Einteilung des Elias und ihre Nähe zu der al-Fārābīs hingewiesen und für die weitere Forschung die Aufgabe gestellt, die Zwischenglieder zu al-Fārābī aufzufi nden. Gutas  hat diese Aufgabenstellung aufgegriffen und mit der Schrift Pauls des Persers einen überzeugenden Lösungsversuch vorglegt. Im folgenden übernehme ich diese Forschungsergebnisse. ⁵⁰ Vgl. den Titel der Einführung zu al-Fārābīs Philosophy of Plato and Aristotle, der in der engl. Übersetzung lautet: The Attainment of Happiness.

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sondern um einen Text, den Paul der Perser geschrieben hat. ⁵¹ Da Paul der Perser diesen Text für den sassanidischen König Anūširwān geschrieben hat, der von  bis  regierte, ist die Entstehungszeit des Textes in diese Periode zu verlegen. Paul der Perser war ein nestorianischer, also christlicher Philosoph und Theologe, der dann, als es ihm nicht gelang, Metropolit zu werden, Zoroastrier wurde. Da diese Schrift für den persischen König bestimmt war, war sie vermutlich in Pahlevi abgefaßt, da aber ihr Autor ein nestorianischer Christ war, kann angenommen werden, daß es auch eine syrische Version gab. Erhalten ist allerdings nur die bei Miskawaih überlieferte arabische Übersetzung. Und diese Übersetzung lag nicht nur Miskawaih, sondern eben auch schon al-Fārābī bei dessen Abfassung von De scientiis vor. Gutas äußert auch eine gut begründete Vermutung, wer der Übersetzer gewesen sein könnte: Abū Bišr Mattā, der einer der Lehrer al-Fārābīs war. ⁵² Ein Textvergleich mit der bei Miskawaih erhaltenen Version Pauls des Persers zeigt, daß diese Einleitungsschrift eine große Nähe zu der des schon genannten Elias aufweist. ⁵³ Da sie jedoch nicht genau mit der Einteilung des Elias übereinstimmt, ist eine andere unmittelbare Quelle anzunehmen. Alle spätantiken Aristoteleskommentatoren haben solche Einleitungsschriften verfaßt, aber nicht alle derselben sind erhalten. Da Paul der Perser sich in anderen seiner Schriften sehr genau an die Vorlagen des David hält, kann also vermutet werden, daß die unmittelbare Vorlage für den Text Pauls des Persers die entsprechende Einleitungsschrift Davids war. ⁵⁴ Der Übersetzer dieser Schrift ins Arabische hat aber – inzwischen war ja der direkte Kontakt zu griechischen Texten fast gänzlich abgebrochen – für seine arabischen Leser einige Erläuterungen ⁵¹ Gutas , S.  f. ⁵² Gutas , S. –. ⁵³ Vgl. die tabellarische Zusammenstellung dieser Einteilung in Gutas , S. . ⁵⁴ Gutas , S. –.

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des Textes hinzugefügt, die vielleicht ursprünglich Glossen darstellten. ⁵⁵ Es ergibt sich also folgende Überlieferungslinie: () Eine griechische Einleitungsschrift eines spätantiken Aristoteleskommentators, Elias oder David, im . Jhd. () Die Übernahme dieser Einleitungsschrift durch den syrischen Aristoteleskommentator Paul den Perser im . Jhd., d. h. es entsteht eine syrische Version dieser Schrift. () Ein Übersetzer, vermutlich Abū Bišr Mattā, stellt in der . Hälfte des . Jhd.s eine arabische Version dieser syrischen Version her und versieht sie mit Erläuterungen. () Al-Fārābī übernimmt große Teile dieser arabischen Version einschließlich der Erläuterungen, ordnet sie aber anders und fügt auch ganz neue Teile hinzu. Diese philologisch nachweisbare Überlieferungslinie entspricht also ziemlich genau der von al-Fārābī selbst aufgestellten Kulturtheorie »Von Alexandrien nach Bagdad«, innerhalb deren er auch wiederum selbst auf seinen syrischen Vermittler, einen nestorianischen Christen, hinweist. ⁵⁶ Bei al-Fārābī liegt – ganz im Unterschied zu Miskawaih – nicht eine einfache Übernahme eines überlieferten Textes vor, sondern eine Verarbeitung diese Vorlage im Rahmen einer ganz persönlichen Zielsetzung. Und diese Zielsetzung ergab sich für al-Fārābī aus der häufig von beiden Seiten aggressiv und exklusiv vertretenen Theorie der »zwei Kulturen« – der »arabischen« und der »fremden« – mit den ihnen entsprechenden Wissenschaften. Al-Fārābī war der erste arabisch-islamische Philosoph, der eine positive, außerhalb aller (expliziten) Polemik stehende Lösung des Problems vorlegte. ⁵⁷ In seiner Einteilung der Wissenschaften wird die Unterscheidung in »arabische« und »fremde« Wissenschaften überhaupt nicht mehr verwendet. Die »arabischen« ⁵⁵ Vgl. die Übersicht in Gutas , S. –. Vgl. auch im Kommentar der vorliegenden Ausgabe z. B. Kap. II , Anm. . ⁵⁶ Vgl. Kap. II , Anm.  und . ⁵⁷ Vgl. Rudolph , S.  f.

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Wissenschaften sind eingebaut in ein übergeordnetes System: Die Grammatik wird als Kapitel I behandelt, aber so, daß es dort nicht nur um die arabische Grammatik geht – auch wenn diese selbstverständlich im Vordergrund steht – sondern auch um allgemeinste Strukturen, die allen Sprachen gemeinsam sind, so z. B. die Einteilung der Teile eines Satzes in Nomina, Verben und Partikeln. ⁵⁸ Al-Fārābī hatte für seine Konzeption der Grammatik durchaus eigene Vorstellungen, die von denen der arabischen Grammatiker verschieden waren. Er dachte dabei zwar nicht an eine »universelle Grammatik«, ⁵⁹ wohl aber an eine nach logischen Gesichtspunkten aufgebaute Grammatik des Arabischen und anderer Einzelsprachen. Darüber, wie jedenfalls bestimmte Teile einer solchen aussehen könnten, gibt der äußerst interessante Traktat Kitāb al-Alfāz al-MustaÝmala fīl-Mantiq (Das Buch über die Ausdrücke, die in der Logik verwendet werden) Auskunft.⁶⁰ Al-Fārābī stellt dabei ausdrücklich fest, daß er gegebenenfalls von der Terminologie und Analyse der arabischen Grammatiker abweicht.⁶¹ Besonders kennzeichnend für das Vorgehen al-Fārābīs ist seine Behandlung der Partikeln. Er stellt zunächst einmal fest, daß die arabischen Grammatiker nicht versucht haben, für diese Teile der Rede Klassifizierungsbegriffe aufzufinden und zu verwenden, weshalb er auf Werke griechischer Grammatiker zurückgreifen müsse.⁶² Al-Fārābī kannte die Einteilungen und Definitionen des griechischen Grammatikers Dionysios Thrax (um – v. Chr.),⁶³ es scheint ⁵⁸ Vgl. Kap. II , Anm. . ⁵⁹ Dies meinte Walzer , S. . ⁶⁰ Eine deutsche Übersetzung dieses Traktats gibt es nicht. Wichtige Teile von al-Fārābīs Traktat liegen in einer französischen Übersetzung in Elamrani-Jamal , S. –, vor. Eine engl. Übersetzung findet sich in der PhD Diss. von Jaff ray , S. –. Eine sehr gute Übersicht des Inhalts dieses Traktats fi ndet sich in Gätje . ⁶¹ Elamrani-Jamal , S. . ⁶² Elamrani-Jamal , S. . ⁶³ Es gab von der Techne grammatike des Dionysios Th rax eine im

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aber, daß al-Fārābī darüber hinaus Kenntnis auch von Einteilungen anderer griechischer Grammatiker hatte. ⁶⁴ Al-Fārābī arbeitete mit diesem Material, er übernahm jedoch nicht einfach ein vorliegendes Schema.⁶⁵ In systematischer Hinsicht orientierte al-Fārābī sich aber weniger an den griechischen oder arabischen Grammatikern, sondern an Aristoteles, vor allem an dessen Kategorien und an Peri hermeneias. In seiner Einteilung der Fragepartikeln z. B. ist es ganz offensichtlich, daß die Kategorienlehre (z. B. »wo?«, »wann?«, »wie groß?«, »wie beschaffen?« usw.) sowie die Ursachenlehre (z. B. »woraus?«, »wozu?«) des Aristoteles und dessen Kommentatoren – mit entsprechenden Einflüssen der stoischen Grammatik – im Hintergrund steht.⁶⁶ Al-Fārābī stellt also nicht einfach eine traditionelle arabische Grammatik der »arabischen Wissenschaften« der »fremden Wissenschaft« der Logik gegenüber, wie dies in der Diskussion von  der Fall gewesen war, sondern geht von einer schon sprachlogisch organisierten arabischen Grammatik aus, wodurch der Gegensatz von vornherein entschärft ist. Der Standpunkt der Universalisierung steht also schon bei der Beschreibung des Partikulären im Hintergrund. Dies bedeutet aber, daß die Grammatik, die al-Fārābī als Kapitel I aufführt, eine formal anders strukturierte Grammatik ist als jene, die weiter oben in der Einteilung al-Iwārizmīs genannt worden war. Dasselbe gilt bei al-Fārābīs Einordnung des Rechts und der islamischen Theologie. Die islamische Rechtslehre und die islamische Theologie werden in Kap. V in die Staatswissenschaft eingeordnet, aber auch wiederum so, daß sie nur als eine be-

. Jhd. entstandene syrische Übersetzung. Vgl. Baumstark , S. . Auch schon die syrische Grammatik wurde nach Prinzipien dieser Grammatik des Dionysios Th rax bearbeitet. Vgl. Steinthal , II , S. , Anm. ⁶⁴ Gätje , S. . ⁶⁵ Ebd., S. . ⁶⁶ Ebd., S. .

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stimmte Ausprägung von Formen verstanden werden, die auch bei anderen Völkern vorkommen. Das leitende Prinzip ist also auch hier die Partikularisierung der »arabischen« Wissenschaften gegenüber dem Universalen der Philosophie.⁶⁷ Al-Fārābī war sich aber bewußt, daß eine solche einfache Unterordnung der islamischen Wissenschaften unter die Philosophie dem absoluten Wahrheitsanspruch der islamischen Glaubensgemeinschaft nicht gerecht wurde, und wir können vermutlich zu Recht sagen, daß dies auch al-Fārābīs persönlichem Selbstverständnis als Muslim nicht entsprach. Al-Fārābīs Lösung bestand darin, daß er zwar nur eine Wahrheit annahm, dieser Wahrheit aber in der Philosophie und in der Religion verschiedene Sprachformen zugeordnet werden. Was in der Philosophie durch Beweis begriffen wird, das wird in der Religion durch bildliche Vorstellungen ausgedrückt. Al-Fārābī konnte dabei auf das in spätantiker und arabischer Tradition »erweiterte« Aristotelische Organon zurückgreifen, das außer den Kategorien, Peri hermeneias, der Ersten und Zweiten Analytik, der Topik und den Sophistischen Widerlegungen auch die Rhetorik und Poetik umfaßte. Alle Methoden, die in diesen Schriften behandelt werden, dienen der Wahrheitsfindung und der Darstellung der Wahrheit. Es ist dann ohne weiteres möglich, anzunehmen, daß das, was der Philosoph mit Beweisen, die den beiden Analytiken entsprechen, erfaßt und anderen in dieser Beweisform nahebringt, in symbolisch-bildlicher Form entsprechend der Poetik dargestellt und dann versucht wird, die Menschen mit den Mitteln der Rhetorik davon zu überzeugen.⁶⁸ Dazwischen liegt die Darstellungsform der islamischen Theologie, die mit den Methoden der Topik und den dialektischen Schlüssen arbeitet. Diesen verschiedenen Erkenntnis- und Darstellungsformen entsprechen verschiedene Gruppen der Gesellschaft: Die wissenschaftliche Erkenntnis ⁶⁷ Endreß , S. . ⁶⁸ Vgl. Rudolph , S.  f. Vgl. auch Kap. II , Anm.  und , und Kap. V, Anm. .

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findet sich nur bei wenigen, die Mehrheit des Volkes kann die Wahrheit nur in symbolisch-bildlicher Form erfassen.⁶⁹ Den Ausgangs- und Schnittpunkt dieser verschiedenen Erkenntnis- und Darstellungsformen findet al-Fārābī in der politischen Philosophie. Der ideale Herrscher ist zugleich Philosoph und Prophet.⁷⁰ Diesen Zusammenhang stellte al-Fārābī in einer sehr verschiedenen Sprachform und mit einer anderen Zielvorstellung in ausführlicher Form im Musterstaat dar. Der Katalog der Wissenschaften in De scientiis ist sehr stark neutral und deskriptiv gehalten, nur etwa in Kap. II über die Logik hört man al-Fārābī etwas persönlicher sprechen. Dies soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß hinter diesem neutralen Auf bau eine ganz präzise Auffassung vom Ziel der Philosophie steht, wie es aus einem anderen Text ganz deutlich wird. Im Hintergrund des Aufbaus von De scientiis steht mehr als ein Studienführer, es geht hier um das gesamte philosophische Programm al-Fārābīs, nach dem die Philosophie dem Erreichen des höchsten Ziels des menschlichen Lebens dient: Das Endziel aber, das man beim philosophischen Studium erstrebt, ist die Erkenntnis vom erhabenen Schöpfer, daß nämlich derselbe Einer sei, sich nicht bewege, daß er die schaffende Ursache für alle Dinge ist und diese Welt in seiner Güte, Weisheit und Gerechtigkeit ordne. Die Tätigkeit aber, welche der Philosoph ausübt, ist die Verähnlichung mit dem Schöpfer, soweit dies die menschlichen Fähigkeiten gestatten.⁷¹ Der Weg, wel-

⁶⁹ Der Gedanke, daß das ganze Volk »aufgeklärt« werden müsse, war al-Fārābī wie auch allen späteren Vertretern der falsafa fremd. ⁷⁰ Vgl. Kap. V, Anm. . ⁷¹ Die Definition des Zieles der Philosophie als der Verähnlichung mit Gott ist schon bei Eudor von Alexandrien (um  v. Chr. – um  n. Chr.) nachweisbar. Diese Defi nition fi ndet sich dann bei den Aristoteleskommentatoren Ammonios, David und Elias, und sie wird auch bei zahlreichen arab. Autoren verwendet. Vgl. Berman , S. , und Daiber  a, S.  f. Der einschränkende Nachsatz »soweit dies

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chen der der Philosophie Befl issene einschlagen muß, ist das Streben zum rechten Tun und die Erreichung des Endziels. Das Streben zum Tun findet durch die Wissenschaft statt. Denn die Vollendung des Wissens ist die Tat. Die Erreichung des Endziels in der Wissenschaft wiederum findet nur durch die Erkenntnis der Natur statt, denn diese liegt unserem Verständnis zunächst, dann folgt die Mathematik. Das Endziel wird im Handeln zunächst dadurch erreicht, daß der Mensch zuerst sich selbst wohl herstelle, dann aber die anderen, die in seinem Haus oder seiner Stadt wohnen, schule.⁷²

Trennt man in De scientiis die beiden formalen und propädeutischen Disziplinen ab, so findet man dann in diesem Zitat die drei restlichen Kapitel III –V wieder, allerdings mit der Umstellung der Reihenfolge von Naturwissenschaft und Mathematik, so wie es dem mittel- und neuplatonischen Aufstiegsschema zu immer größerer Materiefreiheit entsprach.⁷³ Al-Fārābī gibt diesem spätantiken Schema aber auch wiederum seine ganz persönliche Note, wenn er an den Abschluß nicht nur eine individuelle Ethik stellt, sondern mit einer politischen Theorie auch eine politische Tätigkeit fordert. Die Verähnlichung mit Gott ist hier ganz präzise als eine Verähnlichung mit dem Schöpfer die menschlichen Fähigkeiten gestatten« wurde im islamischen Bereich besonders wichtig, da er eine unio mystica , wie sie einige Neuplatoniker annahmen, ausschließt. Zu Recht oder zu Unrecht wurde eine solche Lehre einer unio mystica al-Hallāf (–), einem Zeitgenossen al-Fārābīs, zugeschrieben, der schließlich wegen seiner »häretischen« Auffassungen hingerichtet wurde. Zu al-Hallāf vgl. EI III ,  b –  b, und Schimmel , S. –. ⁷² Al-Fārābī: Über die notwendigen Vorstudien der Philosophie, S.  f. ⁷³ Die Reihenfolge Physik, Mathematik, Theologie, wie sie sich bei Aristoteles in der Metaphysik XI , b –, fi ndet, wurde von spätantiken griech. Aristoteleskommentatoren häufig verwendet und auch arab. Autoren folgten seit al-Kindī gerne diesem Schema. Vgl. Daiber  a, S.  f.

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als Schöpfer der Welt konzipiert. Nach al-Fārābī besteht eine Strukturparallele zwischen der kosmologischen Ordnung der Welt durch Gott und der politischen Ordnung der Welt durch den Philosophen / Herrscher.⁷⁴ Die Verähnlichung mit Gott ist also nicht eine theoretische und schon gar nicht eine mystische, sondern eine praktisch-politische Zielsetzung.⁷⁵ Dies lag nicht auf der Linie der spätantiken Philosophen, die sich längst von der Politik verabschiedet hatten, und mit dieser Zielvorstellung steht al-Fārābī auch bei den arabischen Philosophen ziemlich alleine da.⁷⁶ Al-Fārābī war überzeugt, mit seinem Aufbau von Philosophie und Wissenschaften und mit der darin enthaltenen Zielsetzung für das menschliche Leben einen nicht kultur- oder religionsspezifischen Standpunkt erreicht zu haben. Man muß allerdings sehen, daß al-Fārābī zwar im Aufbau von De scientiis nicht mehr mit der Gegenüberstellung oder Aneinanderreihung von »arabischen« und »fremden/griechischen« Wissenschaften arbeitet, daß es ihm aber nicht oder wenigstens nicht ganz gelungen ist, die mit dieser Gegenüberstellung verbundenen Sachprobleme auch zu lösen.

⁷⁴ Bei al-Fārābī gilt: So wie es in der Welt ein erstes Prinzip gibt, so gibt es in jeder Nation oder in jeder Stadt einen höchsten Befehlshaber. Vgl. z. B. al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. . ⁷⁵ Bermann , S. –, und Endreß b, S.  f. ⁷⁶ Es gab allerdings arab. Autoren auch schon vor al-Fārābī, die der Philosophie auch durchaus politische Aufgaben zuordneten. Vgl. z. B. Qustā ibn Lūqā (um –), der vom praktischen Teil der Philosophie (aristotelisch eingeteilt in Ethik, Ökonomie und Politik) u. a. erwartete: »Leitung des Volkes, die umschrieben wird als Leitung und Schutz der Städte, Obhut für ihre Bewohner, Aufstellen der Gesetze für sie und das Rechtsprechen unter ihnen.« Text in Daiber  a, S. .

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Bleibende interne Problematik der beiden Gruppen der Wissenschaft Beginnen wir mit einer ganz einfachen Beobachtung: Es gibt in De scientiis Disziplinen, zu denen al-Fārābī bibliographische Angaben – hauptsächlich Aristotelische Schriften – liefert, und es gibt Disziplinen, zu denen er keine solchen Angaben liefert. Die Gruppe von Disziplinen, zu denen keine Literaturangaben vorhanden sind, ist nun genau die Gruppe der »arabischen« Wissenschaften Grammatik (Kap. I), Recht und Theologie (Kap. V ). Die Strategie lautet also: Literaturangaben zu den »fremden/ griechischen« Wissenschaften, keine Literaturangaben zu den »arabischen« Wissenschaften. Der Hintergrund dieser Aufteilung besteht vermutlich in einem ganz einfachen Sachverhalt. Al-Fārābī wandte sich mit seiner Schrift über die Einteilung der Wissenschaften an gebildete Muslime, die sich Wissen in den »fremden« Wissenschaften aneignen wollten. Ein gebildeter Muslim aber hatte längst an einer der islamischen Schulen das Basiscurriculum der »arabischen« Wissenschaften durchlaufen und kannte nicht nur die entsprechenden Einführungsschriften, sondern auch weiterführende Literatur. Hinweise auf bestimmte Schriften für diese Wissenschaften konnten also ausbleiben.⁷⁷ Für dieses Curriculum gab es geregelten Unterricht an der mit der Moschee verbundenen Grundschule, zu der auch eine Bibliothek gehörte. Dieser institutionell geregelte Unterricht fand schon seit langer Zeit statt, und zur Zeit al-Fārābīs bildete sich die Einrichtung der madrasa als höherer Schule für Recht und Theologie heraus.⁷⁸ Ganz anders stellte sich die Situation für das Studium der »fremden« Wissenschaften dar. Für sie gab es in der ⁷⁷ Wenn man das weiter oben zur Grammatik Gesagte berücksichtigt, wird man allerdings auch vermuten dürfen, daß es für al-Fārābī Lehrbücher dieser Disziplinen, die nach seinem nicht-kulturspezifischen Standpunkt strukturiert waren, noch gar nicht gab. ⁷⁸ Vgl. EI V,  a – a, und Makdisi , S. –.

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islamischen Gesellschaft der Zeit al-Fārābīs (und noch für eine lange Zeit danach) keinen institutionellen Rahmen von Schulen und keine professionellen Lehrer.⁷⁹ Wohl aber gab es an verschiedenen Orten, vor allem natürlich in Bagdad und Basra, öffentlich zugängliche Bibliotheken. Der an diesen Wissenschaften interessierte Muslim mußte sich also das entsprechende Wissen weithin durch Selbststudium erarbeiten. In seiner Einführung in die Gesamtheit der Wissenschaften mußte al-Fārābī daher für diese »fremden« Wissenschaften entsprechende Literaturhinweise für einen ersten Überblick mitliefern. Der westliche Leser – und wahrscheinlich auch der lateinische Leser des Mittelalters – setzt die ersten beiden Kapitel mit den Titeln Scientia lingue und Scientia logice vermutlich sofort mit den ersten beiden Teilen des Triviums in Verbindung, parallelisiert sie so mit den Teilen Grammatik und Logik und stellt dann nur etwas verwundert fest, daß der dritte Teil des Triviums, also die Rhetorik, bei al-Fārābī als Unterteil der Logik behandelt wird. Und daß al-Fārābī dort dann auch noch die Poetik einbaut, beunruhigt den westlichen Leser auch nicht besonders, denn er weiß ja, daß in der lateinischen Rhetorik auf weite Strecken hin mit Beispielen aus der Dichtung gearbeitet wurde. Diese Gleichung geht jedoch nicht auf. Das Kap. I bei al-Fārābī ist nämlich gar nicht mit »Wissenschaft von der Grammatik« überschrieben, sondern mit »Wissenschaft von der Sprache« (Ýilm al-lisan). Diese Wissenschaft der Sprache umfaßte, wie auch aus der oben angeführten Einteilung al-Iwārizmīs hervorgeht, als »arabische« Wissenschaft begriffen die Grammatik, die Kunst des Schreibens, die Prosodie und die Poetik. Al-Fārābī behandelt dann auch tatsächlich alle Teile der arabischen Wissenschaft der Sprache in Kap. I, einschließlich der Poetik (Ýilm al-ašar). Dann behandelt al-Fārābī aber in Kap. II die Poetik nochmals im Anschluß an die Aristotelische Poetik. Diese zweimalige Behandlung der Poetik bedeutet aber letzt⁷⁹ Vgl. Makdisi , S. –.

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lich nichts anderes, als daß al-Fārābī in Hinsicht auf die Wissenschaft der Sprache zwar die Begriff lichkeit von »arabischen« und »fremden/griechischen« Wissenschaften vermeidet, faktisch aber doch nicht eine einheitliche Systematik erreicht wird, insofern eben die »arabische« Poetik in Kap. I, die »griechische« Poetik aber in Kap. II behandelt wird, es also an diesem Punkt eigentlich bei der Nebeneinander-Stellung bzw. Aneinanderreihung al-Iwārizmīs bleibt. Ganz ähnliche Probleme ergeben sich auch bei der Musik, die als »arabische« Wissenschaft engstens mit der Poesie verbunden war, bei al-Fārābī aber entsprechend der griechischen Einteilung unter die mathematischen Disziplinen eingereiht wird. Dann greift al-Fārābī aber wiederum auf die Einteilung der arabischen Musiklehre zurück, in der auch die Metrik behandelt wird, die aber auch schon in Kap. I im Zusammenhang der Dichtungslehre aufgeführt worden war.⁸⁰ Auch der Einbau der beiden anderen »arabischen« Wissenschaften, der Rechtslehre und der Theologie, in Kap. V ist nicht so unproblematisch, wie es auf den ersten Blick hin aussieht. Die allgemeine Einordnung der Rechtslehre bei al-Fārābī ist dabei verhältnismäßig unproblematisch, da es innerhalb der griechischen Wissenschaft keine eigene Jurisprudenz gab. Dort wurden, bei Plato wie bei Aristoteles, nur allgemeinste Grund lagen der Gesetzgebung innerhalb der Abhandlungen über die Politik geliefert, eine der islamischen Rechtslehre vergleichbare Disziplin, in der einzelne Gesetzesvorschriften wie z. B. das Erbrecht detailliert behandelt werden, gab es aber nicht. Entsprechend gab es auch keine Disziplin, die wir als Rechtshermeneutik oder als Rechtslogik bezeichnen könnten. Die islamische Rechtshermeneutik war hingegen unter der Bezeichnung usul al-fiqh jedenfalls seit aš-Šāf Ýī eine ausgebaute und differenzierte Disziplin. ⁸¹ Al-Fārābī konnte daher in Kap. V zwar ziemlich ⁸⁰ Vgl. Kap. III , Anm. . ⁸¹ Später bildeten sich verschiedene Rechtsschulen (madahib, Pl. von madhab) heraus, die jeweils in verschiedenen Regionen vor-

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problemlos die Jurisprudenz in den Rahmen der Politik einfügen, es war ihm aber ohne Zweifel klar, daß eine solche Unterordnung der Rechtslehre unter die philosophische Disziplin der politischen Philosophie in keiner Weise dem Selbstverständnis der islamischen Rechtsgelehrten entsprach. Problematisch für die Systematik al-Fārābīs wird jedoch die nähere Bestimmung des Inhalts dieser Rechtslehre. Innerhalb der Rechtslehre werden nämlich die Fragen über Gott, seine Eigenschaften, über die Welt und die damit zusammenhängenden Gegenstände aufgeführt. Dies entspricht genau dem Verständnis der »arabischen« Wissenschaftler, nach denen die oberste Autorität in Glaubensfragen den Rechtsgelehrten (faqih, Pl. fuqaha) zusteht. Eine solche Kompetenz von Rechtsgelehrten für Fragen der Religion oder der Metaphysik ist im Bereich der »fremden/griechischen« Wissenschaft undenkbar. Ganz entsprechend findet sich die Behandlung dieser Fragen bei al-Fārābī dort, wo er der griechischen Einteilung der Philosophie und der Wissenschaften folgt, in De scientiis auch an einer ganz anderen Stelle, nämlich am Ende von Kap. IV. Dort wird die scientia divina (Ýilm al-ilahi) ⁸² behandelt, die al-Fārābī mit dem bibliographischen Hinweis auf die Aristotelische Metaphysik versieht. Die Einordnung der Metaphysik nach den Naturwissenschaften in Kap. IV von De scientiis entspricht der auf den Herausgeber der Schriften des Aristoteles, Andronikos von Rhodos (. Jhd. v. Chr.), zurückgehenden Bezeichnung der Metaphysik als des Buches, das »nach der Physik« kommt, was al-Fārābī genau so wörtlich im Arabischen wiedergibt.⁸³ Es ergibt sich also auch hier wiederum, daß aufgrund der verschiedenen Wissenschaftstheorie, die in der »arabischen« und der »fremden« Wissenschaft impliziert ist, al-Fārābī herrschten. Im Heimatland al-Fārābīs galt die auf aš-Šāf Ýī zurückgehende Schule, so daß al-Fārābī in seinem frühen Studiengang mit dieser Rechtsschule vertraut wurde. Vgl. Bakar , S. . ⁸² Vgl. Kap. IV, Anm. . ⁸³ Vgl. Kap. IV, Anm. .

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ein und denselben Gegenstand zweimal aufführt und an verschiedenen Stellen einordnet. Ganz Ähnliches gilt für die Einordnung des kalam, also der islamischen Theologie.⁸⁴ Eine vergleichbare Disziplin gab es im Bereich der griechischen Wissenschaft überhaupt nicht. Al-Fārābī fügte den kalam also einfach an die Rechtslehre an, so wie dies im Bereich der »arabischen« Wissenschaften üblich war. Eine Klärung des Verhältnisses von kalam und Metaphysik findet aber nicht statt.⁸⁵

Die historische Rekonstruktion des Entstehens der Wissenschaften In De scientiis führt al-Fārābī eine deskriptiv-synchrone Systematisierung der zu seiner Zeit vorhandenen Wissenschaften durch.⁸⁶ Im zweiten Teil des Kitāb al-Iurūf, der leider bisher in keine westliche Sprache übersetzt wurde, nimmt al-Fārābī eine historische Rekonstruktion des Auftretens dieser Wissenschaften vor.⁸⁷ Es geht dabei aber nicht notwendigerweise um diese ⁸⁴ Al-Fārābī hatte für die Vertreter des kalam, die mutakallimun, wenig Sympathien und hat sich vermutlich mit dem kalam auch kaum eingehend beschäftigt. Nur eine einzige (nicht erhaltene) Schrift alFārābīs beschäftigt sich mit einem Vertreter desselben, nämlich mit ar-Rēwandī. Zur möglichen Bedeutung dieser Schrift für die Darstellung des kalam in De scientiis vgl. Kap. V, Anm. . ⁸⁵ Auch Gardet/Anawati , S. , stellen fest, daß al-Fārābī fiqh und kalam ohne ersichtliche erkenntnistheoretische Prinzipien einfach an die anderen Wissenschaften anfügt. ⁸⁶ Demgegenüber geht es in De ortu scientiarum um das sachliche Hervorgehen der einzelnen Disziplinen aus obersten Prinzipien. Diese nur lateinisch erhaltene Schrift wurde meist als Übersetzung einer Schrift al-Fārābīs angesehen. Beichert , S. , Farmer , S. , und Burnett , S. , bezweifeln die Korrektheit dieser Zuschreibung. Ich halte diese Zweifel für berechtigt, vgl. Kap. III , Anm. . ⁸⁷ Vgl. dazu die zusammenfassenden Darstellungen in Mahdi , S. – (ursprünglich ), Heinrichs , S. –, ElamraniJamal , S. –, Gutas , S.  f., Endreß  a, S. . Die

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Wissenschaften selbst, sondern um die Gegenstände, die in diesen – möglicherweise später – behandelt werden. Die Dichtung geht der Poetik ebenso voraus wie die Redekunst der Rhetorik. Al-Fārābī vertritt die (richtige) Auffassung, daß es zuerst die Praxis mit impliziten Regeln gibt und die explizite Formulierung der Regeln, die eine solche Praxis leiten, erst später erfolgt. Die Entwicklung ist strukturiert durch das Auftreten der beiden »göttlichen« Philosophen Plato und Aristoteles. Es ergibt sich dann folgender historischer Entwicklungsgang: ⁸⁸ () Vorplatonische Periode: Poetik, Rhetorik, die Kunst, die Tradition zu bewahren, Grammatik, Mathematik, Physik, Sophistik, Dialektik. () Platon: Politische Wissenschaft. () Aristoteles: Beweislehre. () Nacharistotelische Periode: Religionsgesetzgebung (fiqh, kalam). Auch hier findet sich bei al-Fārābī implizit der Bestand der »islamischen« Wissenschaften neben den »fremden« Wissenschaften wieder, und zwar nicht nur in den beiden offensichtlichen Fällen von fiqh und kalam, sondern schon in den ersten Schritten. Zwei Bereiche der ersten Periode – die Kunst, die Tradition zu bewahren und die Grammatik – finden sich auch in De scientiis gleich zu Beginn von Kap. I als conservatio dictionum und scientia illarum dictionum wieder. Die Sammlung und Aufbewahrung der »reinen« arabischen Sprache ist der Grammatik vorausgegangen.

ausführlichste Darstellung fi ndet sich bei Mahdi. Eine kurze Fassung dieser Periodeneinteilung fi ndet sich in al-Fārābī: Deux ouvrages sur la Rhétorique, S. . Es gibt ein Aristoteles zugeschriebenes Fragment, das einen historischen Werdegang des Auftretens der Philosophie beschreibt. Vgl. Aristoteles: Select fragments, Fragm. , S. –. Mahdi , S. , verweist im Zusammenhang mit der historischen Darstellung der Entwicklung von Philosophie und Wissenschaft bei al-Fārābī auf dieses Fragment. ⁸⁸ Vgl. z. B. Gutas , S. .

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In dieser Reihenfolge ist sogar ein ganz altes Element der arabischen Gesellschaftsordnung enthalten: die Einteilung in Nomaden und Stadtbewohner.⁸⁹ Wenn die reine, unverdorbene Sprache aufgesucht werden sollte, die in ihr enthaltene Dichtung und Redekunst, gingen nach al-Fārābī die Forscher zu den Nomaden, nicht zu den Stadtbewohnern. Die Forscher selbst und so auch die ersten Grammatiker aber sind Stadtbewohner, nämlich von Kufa und Basra.⁹⁰ Die systematische Absicht, die hinter dieser historischen Konstruktion des Entstehens der Wissenschaft steht, ist vermutlich ein und dieselbe wie in De scientiis. Es geht al-Fārābī darum, zu zeigen, daß alle Wissenschaften in einem historisch gewachsenen Zusammenhang stehen,⁹¹ er möchte also auch hier über den Gegensatz von »arabischen« und »fremden/griechischen« Wissenschaften hinausgelangen. Die Entwicklung des wissenschaftlichen Denkens ist eigentlich mit der Auffindung der aristotelischen Beweislehre abgeschlossen und kann dem Verständnis al-Fārābīs nach nicht mehr überboten werden. In der historisch letzten Periode hingegen, in der die (islamische) Religionsgesetzgebung stattfindet, wird zur Vermittlung der Wahrheit aber wiederum mit Poetik, Rhetorik und Dialektik gearbeitet, also mit Verfahren, die einer früheren, »überwundenen« Periode angehören.⁹² Überspitzt ausgedrückt: Während der »erste Lehrer« (Aristoteles) mit einer Entwicklung »Vom Mythos zum Logos« rechnete (die bekannterweise historisch auch nicht so zutriff t), ⁸⁹ Dies wird ein zentrales Konstruktionsprinzip der Geschichte der islamischen Völker in der berümten Muqaddima Ibn Ialdūns darstellen. ⁹⁰ Vgl. Elamrani-Jamal , S. , dort ein sehr aufschlußreiches Zitat in französ. Übersetzung. ⁹¹ Gutas , S. , Anm. , nennt dies eine idealist systematization of cultural history und verweist darauf, daß diese Konstruktion später von Ibn Sīnā (Avicenna) und Suhrawardī (–) übernommen wurde. ⁹² Vgl. Rudolph , S. .

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rechnete der »zweite Lehrer« (al-Fārābī) mit einer Entwicklung, in der Logos und Mythos – gesellschaftlich verschiedenen Gruppen zugeordnet – nebeneinander bestehen bleiben.⁹³ Dies stellt historisch und soziologisch gesehen eine durchaus erwägenswerte Annahme dar.

Wissenschaftseinteilung und die Rangordnung der Wissenschaften Die Wissenschaftseinteilung in De scientiis ist ziemlich deskriptiv, eine Rangordnung der Wissenschaften ist nur implizit enthalten: Die zentrale Stellung der . Analytik in Kap. II gibt jedoch bereits einen Hinweis darauf, daß al-Fārābī eine Rangordnung in Hinsicht darauf im Auge hat, in wie strenger Weise die einzelnen Wissenschaften der Beweistheorie des Aristoteles entsprechen. Des weiteren läßt al-Fārābī im Abschnitt über die göttliche Wissenschaft in Kap. IV keinen Zweifel daran, daß in ontologischer Hinsicht die Metaphysik einen Vorrang vor allen anderen Wissenschaften hat. Und die Tatsache, daß er in Kap. V einen idealen Herrscher / Philosophen / Propheten vorsieht, der nicht nur über die höchste Weisheit verfügt, sondern der auch in der Lage ist, diese in eine Gesellschaftsordnung umzuformen, die dem Menschen das Erreichen der höchsten Glückseligkeit sichert, zeigt, daß er auch an eine Rangordnung der Wissenschaften in der Zuordnung derselben zu Ethik und Politik denkt. Es ergibt sich also eine verschiedene Rangordnung je nachdem, ob die Wissenschaften in logisch-beweistheoretischer, ontologischer oder ethisch-politischer Hinsicht analysiert werden. Zu den letzteren gehören, wie ja in Kap. V ganz deutlich wird, auch die religiösen Wissenschaften. Was in De scientiis implizit enthalten ist, sagt al-Fārābī in der Abhandlung über die Vortreff lichkeit der Wissenschaften und Künste ganz explizit:

⁹³ Vgl. Heinrichs , S. .

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Der Vorzug der Wissenschaften (Ýulum) und Künste (sinaÝat) beruht auf dreierlei: a. der Erhabenheit ihres Gegenstandes; b. dem genauen Durchgehen der Beweise (barahin); c. dem reichen Nutzen derselben, wobei gleich ist, ob derselbe erst zukünftig oder schon gegenwärtig verliehen wird. Zu dem, was vor dem anderen als Vorzug einen großen Nutzen gewährt, gehört die Religionswissenschaft (al-Ýulum aš-šarÝiya), so wie auch die Kunstfertigkeiten, deren man zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Völkern bedurfte. Wegen der genauen Beweise hat die Geometrie den Vorzug. Wegen ihres erhabenen Gegenstandes verdient die Sternkunde den Vorzug. Bisweilen sind aber alle drei Vorzüge, oder doch zwei derselben in einer Wissenschaft vereinigt, wie in der Theologie (Ýilm al-ilahi).⁹⁴

Diese drei Gesichtspunkte der bewertenden Einteilung der Wissenschaften entsprechen genau den drei Schwerpunkten der Schriften al-Fārābīs: Logik, Metaphysik, Politik.⁹⁵ Eine Unteroder Überordnung dieser drei Gesichtspunkte liegt bei al-Fārābī nicht vor und kann auch gar nicht vorliegen, da es sich dabei um jeweils pragmatisch von dem entsprechenden Ziel her selbständige und aufeinander nicht rückführbare Perspektiven handelt. Dort aber, wo es um den Charakter der verschiedenen Disziplinen als Wissenschaften geht – und dies ist ja das Thema von De scientiis –, steht ohne Zweifel der logisch-beweistheoretische Gesichtspunkt im Vordergrund. Dies erklärt auch den auffallenden Sachverhalt, daß al-Fārābī die Medizin nicht in seinen Kanon der Wissenschaften aufnimmt, obwohl die Medizin in den anderen arabischen Übersichten zu den Wissenschaften gezählt wird.⁹⁶ Beweistheore⁹⁴ Al-Fārābī: Über den Wert der Astrologie, S. . Vgl. zu diesem Text auch Bakar , S. –. ⁹⁵ Die Musik, der al-Fārābī einen umfangreichen Traktat gewidmet hat, stellt einen persönlichen, nicht einen systematischen Interessensschwerpunkt al-Fārābīs dar. ⁹⁶ Vgl. zu al-Iwārizmī Rosenthal , S. , zu Ibn Iazm ebd.,

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tisch gesehen gibt es syllogistische und nicht-syllogistische Künste, und die Medizin, die als Ziel eine bestimmte (heilende) Tätigkeit hat, gehört zu letzteren. ⁹⁷ Des weiteren gilt, daß eine Wissenschaft die Ursachen der Dinge zu erforschen hat, wie al-Fārābī in Kap. IV von De scientiis darlegt. In einer kleinen Schrift stellte al-Fārābī eine Liste von sieben Teilen der Medizin auf, von denen nur drei zur Wissenschaft gehören: die Beschreibung der Körperteile, die Arten der Gesundheit und die Arten der Krankheiten. Die anderen Teile, die es mit der Heilkunde, also dem eigent lichen Ziel der Medizin zu tun haben, d. h. die Diagnose individueller Krankheitserscheinungen sowie die konkreten Maßnahmen zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Gesundheit, sind nicht als Wissenschaft zu betrachten.⁹⁸ Die Medizin ist ihrem prinzipiellen Ziel nach eine praktische Kunst, deren Ziel es ist, akzidentelle Zustände, d. h. Krankheiten, zu verändern, d. h. zu heilen.⁹⁹ Die Medizin als Heilkunde beschäftigt sich mit Einzelnem, nicht mit Allgemeinem.¹⁰⁰ Die Medizin ist daher eine Kunst (sinaÝa), keine Wissenschaft (Ýilm).¹⁰¹ Von hier aus betrachtet bleibt aber auch die Stellung von fiqh und kalam in De scientiis prekär. Im Book of Religion spricht sich al-Fārābī deutlicher aus: Die religiösen Wahrheiten, auf denen die religiösen Wissenschaften beruhen, werden ohne demonS. . Auch Ibn Sīnā (Avicenna) folgt in diesem Punkt nicht al-Fārābī. Vgl. Savage-Smith , S.  f. ⁹⁷ Al-Fārābī: Introductory Risālah on Logic, S. . ⁹⁸ Strohmaier , S. . ⁹⁹ Ebd., S. . ¹⁰⁰ Al-Fārābī: Deux ouvrages sur la Rhétorique, S. . ¹⁰¹ Plessner . Es ist allerdings zu beachten, daß bei al-Fārābī nicht durchgängig eine strenge wissenschaftstheoretische Unterscheidung von »Kunst« (sinaÝa) und »Wissenschaft« (Ýilm) vorliegt. Dies gilt auch für andere arab. Autoren des . Jhd.s. In den Zusammenhang des Ausschlusses der Medizin aus dem Kanon der Wissenschaften gehört auch die Polemik al-Fārābīs gegen Galen. Vgl. Zimmermann .

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strative Beweise angenommen.¹⁰² Sie haben ihren Ursprung in der Aufgabe des idealen Herrschers, das Volk auf den richtigen Weg zu führen und es vor Abwegen zu bewahren. Genau diese Tätigkeit ist aber ganz ähnlich jener des Arztes, und daher sind die Künste, die sich damit beschäftigen, ähnlich der Medizin, sie befassen sich mit Partikulärem.¹⁰³ Noch problematischer ist die Stellung der Astrologie, die al-Fārābī neben der auf mathematischen Beweisen beruhenden Astronomie in Kap. III auch – wenn auch nur ganz kurz – aufführt, ohne auf die Frage einzugehen, ob in der Astrologie überhaupt und wenn ja, welche Beweisform zur Anwendung gelangt.¹⁰⁴ Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß al-Fārābī in der Schrift De scientiis – die ja auch der Werbung für diese Wissenschaften dienen sollte – in Hinsicht auf einige der »allgemein bekannten Wissenschaften« (so im Einleitungssatz des Traktats) Kompromisse einging, um den Leser nicht durch das Fehlen einer »allgemein bekannten Wissenschaft« zu verunsichern. Das Fehlen der Medizin bleibt dabei aber doch auffällig.¹⁰⁵

Wissenschaftseinteilung und Lernprozeß Es wurde schon weiter oben gesagt, daß al-Fārābīs De scientiis als eine Art Einführung für Studienanfänger (mit Literaturhinweisen) für das Selbststudium konzipiert war. Es handelt sich dabei allerdings um eine sachliche Einführung, die nicht ¹⁰² Al-Fārābī: Book of Religion, S. . ¹⁰³ Ebd., S. –. Vgl. Mahdi , S. . ¹⁰⁴ In der kleinen Schrift über den Wert der Astrologie versucht alFārābī, die in der Astrologie vorhandenen wissenschaftlichen Fragen von jenen zu trennen, die nichts mit Wissenschaft zu tun haben. Vgl. dazu Druart  und . ¹⁰⁵ In der jüd. Adaptation von De scientiis wird daher versucht, diesem »Mangel« zu begegnen. Vgl. weiter unten . .

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notwendigerweise auch dem Ablauf des Studiums, d. h. einem Curriculum entspricht. Gerade beim Selbststudium ist es entscheidend, die verschiedenen Gegenstände in der dem jeweiligen Erkenntnisstand entsprechenden richtigen Reihenfolge zu studieren. Dies war eine Frage, die sich auch schon andere an Philosophie und Wissenschaft Interessierte vor al-Fārābī gestellt hatten. In Hinsicht auf ein Studienprogramm schlug z. B. al-Kindī folgende Reihenfolge vor: Mathematik, Logik, Physik, Metaphysik, Ethik.¹⁰⁶ Al-Fārābī wußte, daß es verschiedene Lernprogramme gab, die den Einstieg in das Studium mit jeweils verschiedenen Wissenschaften vorschlugen: Platoniker: Mathematik, Theophrast: Ethik, Boethos: Naturwissenschaften, Andronikos: Logik.¹⁰⁷ Wenn also auch al-Fārābī einen Aufbau des Lernprozesses ausgehend von der Mathematik vorschlug, so wußte er, daß er hier den Platonikern folgte. Er hatte dafür aber auch didaktische Gründe. In systematischer Hinsicht führt al-Fārābī in De scientiis die Logik vor der Mathematik an. In didaktischer Hinsicht allerdings sollten, wie er an anderer Stelle schreibt, zunächst einige Grundkenntnisse der Mathematik vermittelt werden, damit der Studierende erst einmal erfaßt, wie ein bestimmter logisch korrekter Beweis aussieht: Der Beweis aber zerfällt in zwei Arten, den mathematischen und den logischen. Also muß man zuerst von der Mathematik so viel erlernen, als man zur Übung des mathematischen Beweises gebraucht, dann erst übe man sich in der Wissenschaft der Logik.¹⁰⁸

Der Schüler begreift eben die Theorie des korrekten Beweises besser, wenn er schon solche korrekten Beweise durchgeführt hat. Das eigentliche Studium der Wissenschaften beginnt aber erst dann, wenn jemand die formalen Disziplinen der Gramma¹⁰⁶ Jolivet , S.  f. ¹⁰⁷ Al-Fārābī: Vorstudien der Philosophie, S.  f. ¹⁰⁸ Al-Fārābī: Über die notwendigen Vorstudien der Philosophie, S. .

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tik und Logik beherrscht. In einem ausführlichen Aphorismus sieht al-Fārābī folgende Schritte des Studienaufbaus vor:¹⁰⁹ () Mathematik, Optik, Astronomie, Lehre von den Gewichten. () Naturwissenschaften () Metaphysik () Praktische Philosophie Nimmt man an, daß Grammatik und Logik Instrumente der Wissenschaften sind, die schon erlernt sein müssen, wenn jemand an das Studium der Wissenschaften herangeht, so sieht man sofort, daß der Aufbau von al-Fārābīs Studienordnung genau der systematischen Einführung in De scientiis entspricht. Es fehlen nur fiqh und kalam, also die beiden Künste, die auf der Offenbarung beruhen. In seiner Studienordnung führt alFārābī (für einige) die Offenbarung als alternativen Weg der praktischen Philosophie ein.¹¹⁰ Es geht dabei wohl eher um eine didaktische Frage: Einige Schüler werden zunächst über die Vorstellungen/Bilder mit den Inhalten der praktischen Philosophie vertraut gemacht, was ein späteres begriff lich-beweistheoretisches Verständnis derselben nicht ausschließt.

. Wissenschaftseinteilung in der Zeit nach al-Fārābī Das Grundproblem der Unterscheidung in »arabische« und »fremde/griechische« Wissenschaften blieb bis ans Ende des Mittelalters bestehen. Das Paradigma dieser Problematik, das in der Diskussion des Verhältnisses von arabischer Grammatik und griechischer Logik zur Zeit al-Fārābīs aktuell war, blieb dies auch in der folgenden Zeit im . Jhd. Schon der Schüler Abū Bišr Mattās und al-Fārābīs, der christlich-monophysitische ¹⁰⁹ Al-Fārābī: Aphorism , S. –. Derselbe Studienauf bau findet sich in Philosophy of Plato and Aristotle, S. –. ¹¹⁰ Al-Fārābī: Aphorism , S. .

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Philosoph Yahyā ibn ÝAdī (/–),¹¹¹ verfaßte wiederum eine Schrift Über den Unterschied zwischen Logik und Grammatik.¹¹² Und auch ein weiterer Schüler Mattās, der islamische Philosoph Abū Sulaimān as-Sifistānī (um / – um / ),¹¹³ diskutierte wiederum dieselbe Frage.¹¹⁴ Die Grundpositionen der Diskussion blieben ziemlich unverändert. Im . Jhd. verfaßte eine Gruppe, die sich »Brüder der Reinheit« (Iiwān as-SafāÞ) nannte und die vermutlich in Basra ihren Ursprung hatte,¹¹⁵ eine Reihe von Sendschreiben, die eine Art Enzyklopädie darstellen (diese Briefe wurden vor allem von den Ismailiten hoch geschätzt). Diese Gruppe stand der griechischen Philosophie durchaus wohlwollend gegenüber, entwikkelte aber auch Gedanken, die der Gnosis ziemlich nahe stehen. Auch der Einteilung dieser Enzyklopädie liegt die Trennung in die »arabischen« und die »fremden« Wissenschaften zugrunde, auch wenn dafür andere Namen verwendet werden.¹¹⁶ Eine Generation nach al-Fārābī beschäftigte sich in al-Andalus der bedeutende Jurist und Theologe Ibn Hazm (–) mit der Einteilung der Wissenschaften, und auch er blieb bei der traditionellen Einteilung in die islamischen Wissenschaften, die zuerst erlernt werden sollten, und die »fremden« Wissenschaften, die in der Folge studiert werden sollten.¹¹⁷ Der »Einheitsversuch« al-Fārābīs blieb aber doch weiter bekannt. Noch ein Jahrhundert später berief sich al-Batalyūsi (–) bei der Bestimmung des Verhältnisses von religiösem Gesetz und Philosophie ¹¹¹ ¹¹² ¹¹³ ¹¹⁴ ¹¹⁵

Vgl. zu diesem Netton , S. –. Dt. Übersetzung in Endreß , S. –. Vgl. zu diesem Netton , S. –. Vgl. Elamrani-Jamal , S. –. Vgl. zu diesen EI III , S.  a – b, sowie Netton  und

.

¹¹⁶ Vgl. die Inhaltsübersicht in: Brüder der Reinheit: Die Logik und Psychologie der Araber im zehnten Jahrhundert, S.  f., und Gardet/ Anawati , S.  f. ¹¹⁷ Vgl. Chejne , S. –.

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ausdrücklich auf al-Fārābī und wiederholte dessen Position aus De scientiis.¹¹⁸ Ibn Sīnā (Avicenna) hingegen unternahm in verschiedenen Anläufen einen aristotelisch-platonischen, aber eigenständigen Aufbau. Die Grundeinteilung ist dabei die in Logik, Naturwissenschaft, Mathematik, Metaphysik, wobei die Logik als Instrument aller Wissenschaften am Beginn oder als Abschluß stehen kann.¹¹⁹ Einflußreich und repräsentativ war auch die Einteilung al-Ghazālīs (/ – ), dessen Grundvoraussetzung des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung aber eine prinzipiell andere als die al-Fārābīs ist, insofern seiner Auffassung nach »die Vernunft keineswegs aus sich heraus alle Fragen umfassend beantworten kann«.¹²⁰ Vernunft und Offenbarung sind einander nicht entgegengesetzt, aber komplementär. Daraus ergibt sich al-Ghazālīs Grundunterscheidung in Religionswissenschaften (al-Ýulum aš-šarÝiya) und Vernunftwissenschaften (al-Ýulum al-Ýaqliya). Unter die Vernunftwissenschaften fallen dann so ziemlich genau jene Disziplinen, die bei al-Fārābī in den Kap. II – IV behandelt werden, der gesamte Bereich der politischen Ordnung wird hingegen unter die Religionswissenschaften eingeordnet, und auch die Sprachwissenschaft gehört als Vorbereitungswissenschaft derselben in diesen Bereich.¹²¹ D. h.: Al-Fārābīs Einheits-Systematik wurde wieder rückgängig gemacht, und es ergibt sich im Prinzip wiederum die Einteilung al-Iwārizmīs. Es muß aber nochmals betont werden, daß es dabei eben nie einfach nur um ein Problem der Klassifizierung von Disziplinen geht, sondern um die für die damalige Zeit kulturell und gesellschaftlich entscheidende Frage des Verhältnisses von Vernunft und Offenbarung. ¹¹⁸ Text in französ. Übersetzung in: Elamrani-Jamal , S. – .

¹¹⁹ Vgl. dazu im Überblick Jolivet , S. –. ¹²⁰ Al-Ghazālī: Der Erretter aus dem Irrtum, S. . ¹²¹ Vgl. die Einteilung al-Ghazālīs in Übersicht in Bakar , S. –.

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Al-Fārābīs IhsāÞ al-ÝUlūm wurde vermutlich im arabischen Bereich bei der Redaktion von Einführungsschriften ziemlich häufig verwendet. In al-Qiftīs aus der . Hälfte des . Jhd.s stammender Sammlung von Biographien und Bibliographien bedeutender arabischer Gelehrter wird al-Fārābīs Schrift als richtungweisend bezeichnet: Dann gibts von ihm ein vorzügliches Buch, die Aufzählung der Wissenschaften mit der Lehre von den Zielen derselben. Darin ist er originell und ging keiner vor ihm diesen Weg, und können die Studierenden aller Wissenschaften nicht umhin, sich von diesem Buch leiten zu lassen und dasselbe zunächst zu studieren.¹²²

Vermutlich wurde IhsāÞ al-ÝUlūm von zahlreichen arabischen, hebräischen und syrischen Autoren zur Herstellung von Einleitungsschriften verwendet. Da der Bereich dieser Schriften aber bisher wenig erforscht ist, läßt sich darüber noch nichts Genaues angeben. Ein bekanntes Beispiel sei jedoch genannt, da es auch für die Textgeschichte des arabischen Textes von IhsāÞ al-ÝUlūm wichtig ist. Ibn Tumulūs (/–), ein in al-Andalus lebender Schüler des Ibn Rušd (Averroes),¹²³ verfaßte eine Einleitung in die Logik, in deren Einleitung er beschreibt, auf welche Widerstände die Logik von Seiten der Religionsgelehrten triff t und wie schwierig es war, entsprechende Bücher zur Logik aufzufinden.¹²⁴ Er fand zunächst einiges dazu in den Schriften al-Ghazālīs, dann aber traf er auf al-Fārābīs Buch der Logik.¹²⁵ Schließlich liefert er selbst eine Einleitung in die Logik, wobei er sagt, daß er dann, wenn er darüber bei anderen Autoren etwas Geeignetes gefunden hat, dies textgenau übernommen hat, ohne aber in diesem Zusammenhang einen Namen – also we¹²² Al-Qiftī: Über Alfārābī, S. . ¹²³ Daß Ibn Tumulūs tatsächlich ein Schüler Ibn Rušds war, dürfte nach der Arbeit von Aouad / als gesichert gelten können. ¹²⁴ Ibn Tumulūs: Introducción al arte de la lógica, S. –. ¹²⁵ Ebd., S. .

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der al-Ghazālī noch auch al-Fārābī – zu nennen. Tatsächlich ist der ganze bei Ibn Tumulūs dann folgende Text nichts anderes als die Abschrift des zweiten Kapitels von al-Fārābīs IhsāÞ al-ÝUlūm. Ibn Tumulūs kannte diese Schrift also sehr genau. In seiner eigenen Einleitung geht er dann auch auf die Einteilung der Wissenschaften ein, folgt darin aber nicht der von al-Fārābī vorgelegten, sondern geht wiederum auf die traditionelle Einteilung zurück: () Propädeutische Wissenschaften (= Kenntnis der arabischen Sprache): Grammatik, Lexikographie, Kunst des Briefschreibens, Poetik, Rhetorik, Metrik. () Wissenschaften von den Grundlagen der Religion und des Rechts. () Die alten Wissenschaften: Medizin, Physik, Geometrie, Arithmetik, Astronomie, Musik, der merkantile Kalkül (von dem er sagt, daß er bei den Arabern wesentlich intensiver als bei den alten Autoren behandelt wurde).¹²⁶ An einem Punkt geht Ibn Tumulūs allerdings in interessanter Weise über das hinaus, was al-Fārābī in IhsāÞ al-ÝUlūm sagt. Ibn Tumulūs identifiziert ausdrücklich den Gehalt der Metaphysik mit dem, was in den Grundlagen der Religion behandelt wird.¹²⁷ Damit folgt er allerdings dem, was al-Fārābī der Sache nach meint, und was dieser auch im Musterstaat und im Book of Religion ganz deutlich ausgesprochen hat. Möglicherweise folgte Ibn Tumulūs, der ja kaum als selbständiger Philosoph bezeichnet werden kann, mit dieser Auffassung Ibn Rušd, dessen Auffassung in ihrer Grundlage wiederum auf al-Fārābī zurückgeht.¹²⁸ Am Ende des Mittelalters finden wir bei dem großen arabischen Historiker Ibn Ialdūn (–) nochmals die traditionelle Einteilung in »arabische« und »fremde« Wissenschaf-

¹²⁶ Ebd., S.  f. ¹²⁷ Ebd., S.  f. ¹²⁸ Vgl. auch Kap. V, Anm. .

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ten.¹²⁹ Es gilt, was G. Endreß zu dieser Frage gesagt hat: »Dort, wo man im islamischen Mittelalter die Wissenschaften einteilt, bleiben ›einheimisch‹ und ›fremd‹ oberste Ordnungsklassen: Ein Fremdling ist auch die Philosophie mit ihrer Logik, trotz ernster, ja leidenschaftlicher Bemühung, bei ihren arabischen Erben geblieben. Aber in der Begegnung mit ihr wurde die Kultur des Islams unauslöschlich geprägt.« ¹³⁰ Was hier in Hinsicht auf die theoretische Frage der Einteilung der Wissenschaften festgestellt wird, gilt gleicherweise in institutioneller Hinsicht. Weiter oben wurde für die Periode vor al-Fārābī und für seine Zeit gesagt, daß es Schulen nur für die »arabischen« Wissenschaften, nicht aber für die »fremden« Wissenschaften gab, und dies galt auch für die weiteren Jahrhunderte des Mittelalters. Wer sich also mit »fremden« Wissenschaften im Privatstudium und in Diskussionsrunden in einer Bibliothek – an der durchaus auch Lehrer der nahen madrasa teilnehmen konnten und dies auch nicht selten taten – beschäftigen wollte, las am besten zunächst einmal IhsāÞ al-ÝUlūm. Dies gilt vor allem für die  vom Wezir Nizām al-Mulk in Bagdad gegründete Nizāmīya-Schule, die das Modell für die madrasa an vielen Orten lieferte. Etwas anders verhält es sich mit der  von den Fatimiden in Kairo gegründete al-Azhar Universität, an der Logik, Philosophie und Mathematik eine wichtige Rolle spielten.¹³¹

¹²⁹ Ibn Ialdūn: Muqaddima, Kap. –, S. –, für die »arabischen«, Kap. –, S. –, für die »fremden« Wissenschaften. ¹³⁰ Endreß , S. . ¹³¹ Es ist nicht zu übersehen, daß die Studienpläne der Bagdader Schule die sunnitischen Ziele höherer Erziehung widerspiegeln, die Kairoer Studienpläne hingegen die schiitischen Ziele derselben. Vgl. Fakhry , S.  f.

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. Der arabische Text von IhsāÞ al-ÝUlūm Von IhsāÞ al-ÝUlūm sind bisher fünf Handschriften bekannt: () Escorial, ms. , fol. –.¹³² Diese Handschrift ist mit dem Jahr  ( unserer Zeitrechnung nach) datiert.¹³³ () Nafaf, . Jhd.¹³⁴ () Istanbul, Bibliothek Köprülü, ms. , . Jhd.¹³⁵ () Princeton, ms. , Yahuda Section , fol.  b –  b. . Jhd.¹³⁶ () Lucknow (Indien), Dār al-Ýulūm.¹³⁷ Der arabische Text ist nicht fehlerfrei überliefert,¹³⁸ und eine definitive kritische Edition, die alle Handschriften berücksichtigt, gibt es bisher nicht. Bei einigen Stellen ist es auch zweifelhaft, ob sie wirklich zum ursprünglichen Text gehören.¹³⁹ Es gehörte zur üblichen Praxis der Textüberlieferung bei den Arabern, daß an bestimmten Stellen Texterweiterungen vorgenommen wurden, die möglicherweise ursprünglich Randglossen waren (ge¹³² Derenbourg, H.: Les manuscrits arabes de l’Escurial. Paris  (Nachdruck Hildesheim ), S.  f. ¹³³ A. G. Palencia edierte  diese Handschrift zugleich mit einer Edition des lat. Textes nach der Handschrift aus Paris. In der . Aufl .  fügte Palencia auch die Varianten des von Amīn  in . Aufl . edierten Textes hinzu. ¹³⁴ Diese Handschrift wurde  von Ridā aš-Šabīy herausgegeben. Ich übernehme die Angabe dieser Edition, die in einer bei uns kaum zugänglichen Zeitschrift enthalten ist, von Bouyges , S. , Anm. : Al Irfan, Revue scientifique littéraire et mensuelle, Irfan, Saida (Syrien) V I (), S. –, S. –, und –. ¹³⁵ Bouyges , S. . ¹³⁶ Mach, R: Catalogue of Arabic Manuscripts (Yahuda Section) in the Ga rrett Collection. Princeton , S. . ¹³⁷ Ich übernehme diese Angabe aus Farmer , S. , hatte aber keine Möglichkeit, sie zu verifi zieren. Nähere Angaben sind mir nicht bekannt. ¹³⁸ Vgl. z. B. Kap. I, Anm. , und Kap. III , Anm. . Zur Handschrift von Nafaf vgl. Bouyges , S.  f. ¹³⁹ Vgl. Kap. III , Anm. , und Kap. V, Anm. .

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nau dasselbe gilt auch für die lateinische Textüberlieferung, vgl. zu den Marginalanmerkungen in der Pariser Handschrift weiter unten ). Die gegenwärtig beste verfügbare Ausgabe ist die . Aufl. der Edition von U. Amīn.¹⁴⁰ In dieser Edition wird als Basistext die Handschrift verwendet, die heute in Princeton liegt, ¹⁴¹ es werden aber seit der . Aufl. auch Varianten aus den Handschriften aus dem Escorial, aus Nafaf und Istanbul angeführt und zusätzlich zahlreiche Textstellen aus der lateinischen Übersetzung Gerhards von Cremona nach der Edition von Palencia. Außerdem fügt Amīn in der . Aufl. auch die Varianten des arabischen Textes von Kapitel II , der bei Ibn Tumulūs enthalten ist, nach der Ausgabe von M. Asín Palacios von  hinzu¹⁴² sowie die Varianten des Textteiles von Kap. II , der in Ibn Abī UsaibiÝa: ÝUyūn al-AnbāÞ (Die Quellen der Nachrichten) enthalten ist.¹⁴³ Es mag zunächst überraschen, daß in einer kritischen Edition des arabischen Textes auch ein lateinischer Text als Textzeuge aufgenommen wird. Dieses Vorgehen ist jedoch gut begründet. Die Handschrift aus dem Escorial (. Jhd.) und die aus Nafaf ¹⁴⁰ . Aufl. Kairo , . Aufl. Kairo , . Aufl. Kairo . Im Kommentar wird die . Aufl . verwendet. Die Verarbeitung der in dieser Edition verwendeten Textzeugen läßt allerdings an einigen Stellen zu wünschen übrig. ¹⁴¹ U. Amīn stellte seine Edition aufgrund einer Handschrift her, von der ein Mikrofi lm in der Ägyptischen Nationalbibliothek (Dār alkutub) Kairo (Signatur ) vorhanden war. Den Fundort der Handschrift gab Amīn nicht an. Aufgrund einer Angabe von M. Mahdi von  in al-Fārābī: Kitāb al-Milla wa nusūs uhrā, S.  und  f., handelt es sich dabei um die Handschrift, die jetzt in Princeton liegt (Yahuda ). Mahdi hat ebd., S. –, eine Neuedition eines Teils von Kap. V von IhsāÞ al-ÝUlūm hergestellt (entspricht S. – der . Aufl . der Edition von Amīn). Dieser Teil betriff t die textlich ganz nahen Stellen des Kitāb al-Milla (Book of Religion) und von IhsāÞ al-ÝUlūm. ¹⁴² Abentomulus: Introducción al arte de la lógica. ¹⁴³ Hrsg. v. A. Müller, Kairo , S.  f. Vgl. auch den Textabdruck in Steinschneider , S. –.

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und Princeton (. Jhd.) sind jünger als die lateinischen Handschriften aus Paris und Graz, und die Handschrift aus Istanbul stammt aus dem . Jhd. Damit gehören die beiden genannten lateinischen Handschriften aus dem . und dem Anfang des . Jhd.s zu den ältesten Handschriften, und die Wort-für-WortÜbersetzung Gerhards von Cremona stellt einen Textzeugen auch für die Herstellung des korrekten arabischen Textes dar.¹⁴⁴ Das gleiche gilt auch für die hebräischen Übersetzungen.¹⁴⁵ Man kann auch die Frage stellen, auf welcher arabischen Textgrundlage von IhsāÞ al-ÝUlūm Gerhard von Cremona seine Übersetzung hergestellt hat. Daß keiner der erhaltenen Textzeugen in Frage kommt, ist aus den Entstehungsdaten klar. Aufgrund des Entstehungsortes der Übersetzung, also Toledo, könnte man vermuten, daß es eine frühere Handschrift jener Textfamilie war, zu der auch die Handschrift aus dem Escorial gehört.¹⁴⁶ Bei dieser Annahme ist aber Vorsicht geboten. M. Alonso meint, daß die lateinische Übersetzung Gerhards von Cremona an manchen Stellen der Handschrift aus dem Escorial näher steht, an anderen Stellen aber wiederum eher jener des Textes von Amīn (also der Handschrift aus Princeton).¹⁴⁷ Ein systematischer Textvergleich der arabischen Handschriften und der lateinischen Übersetzung Gerhards von Cremona wurde für die vorliegende Textausgabe nicht unternommen.¹⁴⁸ Aus der gelegentlichen Über¹⁴⁴ Darauf hat schon Bouyges , S. , hingewiesen. Es sei hier angemerkt, daß auch für die Textherstellung zahlreicher griech. Texte der Antike das gleiche gilt: In manchen Fällen ist die arab. Übersetzung der älteste vorhandene Textzeuge eines griech. Textes. ¹⁴⁵ Vgl. z. B. Kap. III , Anm.  und . ¹⁴⁶ So Farmer , S. . ¹⁴⁷ Einleitung zu Gundissalinus: De scientiis, S. –. ¹⁴⁸ Bouyges , S. , vermutet, daß die Handschrift aus Nafaf die gleiche Textrezension darstellt wie jene, auf der die lat. Übersetzung Gerhards von Cremona in der Pariser Handschrift beruht. Bouyges analysiert ebd., S. –, sehr detailliert den Text aus Nafaf und vergleicht ihn mit den Zitaten aus al-Fārābīs De scientiis, die in Gundissa-

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prüfung einzelner Stellen legt sich aber doch die Annahme nahe, daß die arabische Textvorlage der Übersetzung Gerhards von Cremona zu jener Textfamilie gehörte, aus der die Handschrift des Escorial stammt.¹⁴⁹

. Die hebräischen Textzeugen von IhsāÞ al-ÝUlūm Auch bei den jüdischen Schriftstellern war al-Fārābīs IhsāÞ al-ÝUlūm bekannt und wurde auch verwendet. Die jüdischen Schriftsteller, die in arabischen Ländern lebten und deren Umgangssprache Arabisch war, benötigten keine Übersetzung dieser Schrift. IhsāÞ al-ÝUlūm wird bei ihnen schon seit dem Beginn des . Jhd.s zitiert. Ein gutes Beispiel dafür ist Joseph ben Jehuda ÝAqnīn (um –) mit seiner Schrift über die Heilung der Seele (Tibb an-Nufūs). Dieser Text ist arabisch abgefaßt, aber mit hebräischen Buchstaben geschrieben. Im . Kapitel dieser Schrift gibt Jehuda ÝAqnīn eine Übersicht über die philosophischen Wissenschaften, wobei er weithin fast wörtlich die Kapitel II – IV aus al-Fārābīs IhsāÞ al-ÝUlūm referiert,¹⁵⁰ dabei aber auch durchaus interessante biblische, sachliche und bibliographische

linus: De divisione philosophiae enthalten sind. Da zwischen den Übersetzungen von De scientiis durch Gerhard von Cremona und Gundissalinus aber doch erhebliche Unterschiede bestehen, ist es offensichtlich, daß ein vollständiger arab. Text von De scientiis eine Nähe zur Übersetzung Gerhards von Cremona aufweisen muß, sagt aber ohne genaueren Textvergleich noch nichts über die arab. Textvorlage aus, die Gerhard von Cremona zur Verfügung hatte. ¹⁴⁹ Vgl. z. B. Kap. I, Anm.  und . Es bleiben jedoch Probleme übrig, vgl. Kap. III , Anm. . ¹⁵⁰ Dieser Text ist in deutscher Übersetzung zugänglich in Güdemann , S. –. Die Abhängigkeit von al-Fārābīs De scientiis hat Güdemann nicht erfaßt, es gab damals allerdings außer der Edition der Version des Gundissalinus bei Camerarius keine Textedition von De scientiis.

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Erweiterungen liefert. So fügt ÝAqnīn unter der Überschrift »Naturwissenschaft« vor der Behandlung der Physik die Medizin ein.¹⁵¹ Auch der Abschnitt über die Metaphysik wird wörtlich aus al-Fārābīs Schrift übernommen.¹⁵² Aber auch die anderen Kapitel waren Jehuda ÝAqnīn durchaus bekannt. Er übernimmt sogar wörtlich einen Abschnitt aus Kapitel V, in dem al-Fārābī – ohne ihr zuzustimmen – eine Richtung der islamischen Theologie beschreibt, deren Richtlinien nun von Jehuda ÝAqnīn jedoch ganz positiv aufgenommen werden und den philosophischen Disziplinen als deren Grenzsetzung vorangestellt werden.¹⁵³ AlFārābīs Text wurde hier also weitgehend übernommen, aber in einen Zusammenhang gestellt, der seiner ursprünglichen Zielsetzung eigentlich entgegengesetzt ist. Nichtsdestoweniger stellt Jehuda ÝAqnīns Schrift ein wichtiges Zeugnis für die Präsenz von al-Fārābīs IhsāÞ al-ÝUlūm in der jüdischen Kultur dar. Im . Jhd. verwendete Shem Tov Fal(a)quera (um –) in seinem Reshit Hokmah (Anfang der Weisheit) große Teile des Textes von al-Fārābī.¹⁵⁴ Die Absicht Fal(a)queras war ähnlich wie bei Jehuda ÝAqnīn, den jüdischen Gläubigen die Übereinstimmung der griechischen Wissenschaften mit ihren Heiligen Schriften nachzuweisen. Im Prinzip war dies auch die Absicht al-Fārābīs gegenüber seinen muslimischen Zeitgenossen, diese Absicht tritt aber bei den jüdischen Autoren viel deutlicher hervor als bei al-Fārābī.¹⁵⁵ Eine hebräische Übersetzung war besonders ¹⁵¹ Vgl. ebd. S. –. ¹⁵² Ebd. S. –. ¹⁵³ Ebd. S. –, wobei der Prophet, der bei al-Fārābī keinen Na-

men erhielt, nun bei ÝAqnīn im Kontext jüdischer Philosophie ausdrücklich mit »Moses« benannt wird. Vgl ebd., S.  f. Vgl. auch im Kommentar weiter unten Kap. V, Anm. . ¹⁵⁴ Edition von M. David , der aber den Zusammenhang mit alFārābīs Einteilung der Wissenschaften nicht kannte. Zu dieser Abhängigkeit vgl. Steinschneider , S. , Efros , und mit Korrekturen zu letzterem Strauss , S. –. ¹⁵⁵ Strauss , S. , bemerkt dazu sehr treffend: »Falqeras Buch ist

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für Juden erforderlich, die außerhalb der Länder lebten, in denen Arabisch die Umgangssprache war. Qalonymos ben Qalonymos (/ – nach ) fertigte in Arles im Jahre  eine hebräische Version von IhsāÞ al-ÝUlūm an, die den Text al-Fārābīs größtenteils genau wiedergibt,¹⁵⁶ aber auch Kürzungen und Erweiterungen entsprechend den Bedürfnissen der jüdischen Leserschaft der Zeit enthält.¹⁵⁷ Auch Qalonymos fügt wie schon ÝAqnīn die Medizin ein und zwar nach der Physik,¹⁵⁸ was der Einteilung Avicennas entsprach. Im weiteren läßt er aber auch die Alchemie, die Magie und ähnliche Gebiete folgen,¹⁵⁹ bevor er wieder zum Text al-Fārābīs zurückkehrt und nach der Physik die Metaphysik behandelt. Ein Jahrhundert später () schrieb Moses von Rieti ( – nach ), der jüdische Hausarzt des Papstes Pius II ., das große, nach dem Vorbild Dantes konzipierte Gedicht Miqdash MeÞat (Ein kleineres Heiligtum), in dem die Einteilung der Wissenschaften al-Fārābīs auf der Grundlage der Übersetzung von Qalonymos verwendet wird.¹⁶⁰

ein entschieden jüdisches Buch, während die Vorlage nicht im selben Grad ein islamisches Buch ist.« ¹⁵⁶ Die arab. Textvorlage dieser hebr. Übersetzung war mit großer Wahrscheinlichkeit eine Handschrift, die zu der selben Handschriftenfamilie gehört wie die Handschrift aus dem Escorial. Vgl. Zonta , S. X X XII . Sie gehört also in die Textüberlieferung, aus der auch die arab. Textvorlage Gerhards von Cremona stammt. ¹⁵⁷ Hebr. Text und italienische Übersetzung in Zonta . ¹⁵⁸ Zonta , S. . ¹⁵⁹ Zonta , S.  f. ¹⁶⁰ Vgl. Steinschneider , S. . Eine Auf listung der verwendeten Stellen fi ndet sich bei Zonta , S. X XIX f.

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. Gerhard von Cremona . Leben und Schriften Gerhard von Cremona (um –) ist der bedeutendste Übersetzer des . Jhd.s von Schriften aus dem Arabischen ins Lateinische. Es ist eine kurze Biographie und eine Liste der Übersetzungen Gerhards von Cremona erhalten,¹⁶¹ die beide gewöhnlich den socii, von denen in der Biographie gesprochen wird, zugeschrieben wurden. Es gibt aber textinterne und textgeschichtliche Gründe für die Annahme, daß nur die Liste von diesen socii stammt, die Biographie hingegen später, möglicherweise im Geburtsort Gerhards, also in Cremona, verfaßt wurde.¹⁶² Gerhard von Cremona kam vermutlich in jungen Jahren nach Toledo, da nur so die sehr große Anzahl seiner Übersetzungen erklärt werden kann. Das genaue Datum seiner Ankunft in Toledo ist nicht bekannt. Nimmt man an, daß er nach Beendigung des Studiums der Freien Künste mit etwa  Jahren nach Toledo gekommen ist, so kommt man etwa auf das Jahr .¹⁶³ Nach dem Bericht der Biographie kam er nach Toledo, um den Text des Almagest des Ptolemaios zu finden,¹⁶⁴ den er später auch tatsächlich übersetzte.¹⁶⁵ Nach Angaben des Chartulariums der Kathedrale von ¹⁶¹ Die maßgebliche Ausgabe der Biographie ist enthalten in Burnett a, S.  f., die Liste der Übersetzungen in ebd., S. – (letztere zitiere ich im Kommentar als Gerardi nomina librorum mit Angabe der jeweiligen Nummer). Ältere Ausgabe der Biographie in Sudhoff, S.  f., der Liste der Übersetzungen in ebd., S. –. Zu der Liste der Übersetzungen vgl. G. Sarton: Introduction to the History of Science, Baltimore , II , , S. –, McVaugh in E. Grant: A Source Book in medieval Science, Cambridge , S. –, und vor allem Lemay , S. –. ¹⁶² Lemay , S.  f. ¹⁶³ So Lemay , S. , und Kunitzsch , S. . ¹⁶⁴ Vgl. die Biographie in Burnett a, S. . ¹⁶⁵ Kunitzsch , S. –, vertritt aufgrund einer genauen Ana-

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Toledo wird Gerhard von Cremona dort als Kanoniker aufgeführt, und in diesem Zusammenhang wird er als dictus magister bezeichnet.¹⁶⁶ Auch in der Biographie findet sich die Bezeichnung Magister Gerardus.¹⁶⁷ Es kann sich dabei nicht um den Universitätstitel magister handeln, da dieser erst seit dem Entstehen der Universitäten im . Jhd. eingeführt wurde. Es kann damit aber auch nicht der magister der Kathedralschule gemeint sein, da dieser nur ganz elementaren Unterricht erteilte, was sicher nicht die Aufgabe Gerhards von Cremona war. Dazu kommt noch, daß im Chartularium für die in Frage kommende Periode ein gewisser Johannes als magister der Kathedralschule von Toledo genannt wird.¹⁶⁸ Auf der anderen Seite geht aus einem bekannten und häufig diskutierten Bericht Daniels von Morley (um  – um ), der sich bis  auf der Suche nach Handschriften der arabischen Wissenschaft in Toledo aufhielt, hervor, daß in Toledo wissenschaftliche Diskussionen stattfanden, an denen auch Gerhard von Cremona teilnahm bzw. die er vermutlich leitete.¹⁶⁹ Bei den genannten Diskussionen ging es um Fragen der Astronomie und Astrologie.¹⁷⁰ Für einen institutionalisierten Unterricht höherer Studien an der Kathedrale von Toledo gibt es aber keinerlei Hinweis. Auch gab es in Toledo keine Universität. Es muß sich also um informelle Lehrgespräche gehandelt haben, und die schon genannten socii waren vermutlich Studenten, die bei Gerhard von Cremona ohne einen institutio-

lyse der verschiedenen Textversionen der Übersetzung des Almagest die Auffassung, daß Gerhard von Cremona während beinahe der gesamten Zeit seines Aufenthalts in Toledo an dieser Übersetzung gearbeitet hat. ¹⁶⁶ Burnett , S. , und ders. , S. . ¹⁶⁷ Vgl. die Biographie in Burnett a, S. . ¹⁶⁸ Burnett , S.  f. ¹⁶⁹ Daniel von Morley: Philosophia, N. –. Vgl. dazu Burnett , S. –, und ders. , S. –. ¹⁷⁰ Vgl. Kap. III , Anm. .

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nellen Kontext im Rahmen solcher Diskussionen studierten.¹⁷¹ Im arabisch-islamischen Bereich kam es häufig vor, daß sich Schüler, die sich mit den »fremden« Wissenschaften beschäftigen wollten, um einen Lehrer scharten.¹⁷² Räume für einen solchen Unterricht fanden sich häufig in Bibliotheken. Obwohl hier also möglicherweise ein aus der islamischen Kultur stammendes Modell dahinterstand, war eine solche »Schule« auch in christlicher Umgebung sicher in keiner Weise auffällig. Auch im lateinischen Bereich war es im . Jhd. ein besonders in Paris bekanntes Phänomen, daß sich um einen bekannten Lehrer wie etwa Abaelard Schüler versammelten, ohne daß dabei ein institutioneller Rahmen vorhanden war, so daß diese »Schule« auch mit dem Weggang des Lehrers einfach aufhörte. In seinem Heimatland Italien hatte Gerhard von Cremona keine Möglichkeit, Arabisch zu lernen. Er hat also Arabisch in Toledo erlernt. Was dies allerdings in Wirklichkeit bedeutet, ist mehr als unklar. In allen arabischsprachigen Ländern gab es seit Jahrhunderten einen großen Unterschied zwischen dem geschriebenen klassischen Arabisch der gelehrten Literatur auf der einen Seite und der gesprochenen Sprache des jeweiligen Landes auf der anderen. Für das klassische Arabisch gab es zwar seit Jahrhunderten umfangreiche Abhandlungen zur arabischen Grammatik, dies waren aber sprachwissenschaftliche Untersuchungen und keine Lehrbücher zum Erlernen der arabischen Sprache, und sie waren eigentlich überhaupt nur für jemanden verstehbar, der schon Arabisch konnte. Mit solchen Werken der Grammatik hat sich Gerhard von Cremona nie beschäftigt. In Kap. I von De scientiis findet sich bei Gerhard von Cremona ein ziemlich »primitiver« Übersetzungsfehler – prepositiones statt richtig particula¹⁷³ –, der zeigt, daß Gerhard von Cremona mit der Terminologie der arabischen Grammatik nicht sonderlich ¹⁷¹ Vgl. Burnett a, S. . ¹⁷² Weber , S. –. ¹⁷³ Vgl. Kap I, Anm. .

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vertraut war. Sein Interesse lag eben in der Naturwissenschaft, Arabisch war für ihn nur ein Mittel, um sich mit den ihn interessierenden Werken beschäftigen zu können. Es ist also anzunehmen, daß Gerhard von Cremona einfach im Umgang mit den arabischsprachigen Bewohnern von Toledo das lokale Arabisch von al-Andalus erlernte.¹⁷⁴ Gerhard von Cremona kam also nach Toledo, um den Almagest des Ptolemaios zu übersetzen. Warum hat dann Gerhard von Cremona überhaupt die Übersetzung von al-Fārābīs IhsāÞ al-ÝUlūm unternommen? Die Antwort darauf ist vermutlich ziemlich einfach: Gerhard von Cremona war nach Toledo gekommen auf der Suche nach wissenschaftlicher Literatur, die im lateinischen Bereich nicht vorhanden war. Bei der Frage danach, welche wissenschaftliche Literatur bei den Arabern als grundlegend angesehen wurde, erhielt er ohne Zweifel von jedem mit solchen Fragen Beschäftigten die Antwort, daß sich die beste Einführung dazu in al-Fārābīs IhsāÞ al-ÝUlūm fand. Es ist sogar durchaus möglich, daß Dominicus Gundissalinus (um  – nach ), der als Archidiakon der Kathedrale von Segovia (aber mit Wohnsitz in Toledo) für Fragen der höheren Bildung zuständig war, ihn auf diese Schrift hingewiesen hat (darauf ist weiter unten noch zurückzukommen). Im weiteren folgte er dann diesem »Studienführer« und nicht dem Trend der an Philosophie interessierten Araber, Juden oder mozarabischen Christen, bei denen zu dieser Zeit die Schriften Ibn Sīnās (Avicenna) im Zentrum standen. Gundissalinus entsprach hier erheblich mehr diesem Trend. Gerhards Interessen sind eher von den Erwartungen der Schulen im Norden Europas bestimmt, die sich in ihrer logisch-wissenschaftlichen Ausrichtung ziemlich genau mit dem treffen, was Gerhard von Cremona in al-Fārābīs De scientiis begegnete. Im arabischen Bereich lagen ähnliche Interessen nur bei Ibn Rušd (Averroes) vor, der aber mit seinen an der früheren Bagdader Schule orientierten Aristoteles-Kommenta¹⁷⁴ Vgl. Kunitzsch , S.  f.

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ren eine eher isolierte Erscheinung darstellt. Ob zwischen den Zeitgenossen Gerhard von Cremona und Ibn Rušd irgendeine Beziehung bestand, läßt sich nicht feststellen.¹⁷⁵ Der Zeitpunkt, zu dem Gerhard von Cremona die Übersetzung von De scientiis hergestellt hat, ist nicht bekannt. Da es sich um eine Einleitungs- und Überblicksschrift handelt, könnte man annehmen, daß Gerhard sie eher zu Beginn seiner Tätigkeit übersetzt hat.¹⁷⁶ Einen Beweis dafür gibt es aber nicht. Die socii jedenfalls haben De scientiis als eine Art Programmschrift für die Übersetzungstätigkeit Gerhards aufgefaßt und haben die (allerdings nicht vollständige) Liste der Übersetzungen in etwa nach der in De scientiis vorliegenden Einteilung der Wissenschaften aufgebaut.¹⁷⁷ Tatsächlich hat Gerhard von Cremona auch einen großen Teil der in De scientiis genannten Schriften selbst übersetzt.¹⁷⁸ Alfred von Sareshel, der zu dem Kreis um Gerhard von Cremona gehörte, der also einer der socii sein könnte und der sich als Fortsetzer der Arbeit Gerhards verstand, nimmt bei der Beschreibung seines Arbeitsprogramms ausdrücklich auf al-Fārābīs De scientiis Bezug.¹⁷⁹ Gerhard von Cremona ging allerdings in einem ganz wichtigen Punkt in seiner Übersetzungstätigkeit über das Programm hinaus, das in De scientiis vorlag. Al-Fārābī hat, wie weiter oben besprochen, die Medizin nicht in seinen Wissenschaftskanon aufgenommen. Bei Gerhard von Cremona hingegen liegt ein deutlicher Schwerpunkt seiner Übersetzungstätigkeit im Bereich der Medizin,¹⁸⁰

¹⁷⁵ Vgl. Burnett a, S. . ¹⁷⁶ Anders Zonta , S. X X , und Hugonnard-Roche , S. , die ein Entstehungsdatum – annehmen. ¹⁷⁷ Burnett , S. . ¹⁷⁸ Zur Liste der Übersetzungen Gerhards von Cremona vgl. weiter oben Anm. . Auf einzelne Übersetzungen, die im Zusammenhang mit De scientiis stehen, wird im Kommentar hingewiesen. ¹⁷⁹ Burnett , S. . Vgl. Kap. IV, Anm. . ¹⁸⁰ Vgl. Gerardi nomina librorum, N. –.

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die berühmteste dieser Übersetzungen ist die des Canons Ibn Sīnās (Avicenna),¹⁸¹ die auch jene war, die den größten Einfluß aller Übersetzungen Gerhards überhaupt erlangte.

. Die Übersetzung von De scientiis Von al-Fārābīs Schrift IhsāÞ al-ÝUlūm gibt es unter dem Titel De scientiis zwei Übersetzungen: Eine von Dominicus Gundissalinus und eine von Gerhard von Cremona. Daran, daß die beiden Übersetzungen zusammenhängen, kann aufgrund zahlreicher textidentischer Stellen kein Zweifel bestehen. Andererseits bestehen ganz auffällige und charakteristische Unterschiede. Der Text Gerhards von Cremona stellt eine genaue und vollständige Wort-für-Wort-Übersetzung des arabischen Textes al-Fārābīs dar, während Gundissalinus den Text al-Fārābīs gekürzt wiedergibt, aber auch einige kurze Ergänzungen hinzufügt und ihn gelegent lich etwas anders anordnet. Die Teile über die typisch islamischen Wissenschaften in Kap. V läßt er überhaupt weg, und das für arabische Leser bestimmte Kapitel I über die Grammatik arbeitet er stark gekürzt so um, daß die Bezüge zum Arabischen vollständig wegfallen. Von den meisten Forschern wurde bis vor etwa zehn Jahren angenommen, Gundissalinus hätte zunächst diese auszugsweise Übersetzung hergestellt und Gerhard von Cremona hätte dann unter Verwendung dieser Übersetzung seine eigene, vollständige Übersetzung verfaßt.¹⁸² Die Gründe, die dafür angeführt werden, sind nicht unbedingt überzeugend. Alonso stellt einige Textstellen beider Übersetzungen gegenüber und stellt richtig fest, daß an einigen Stellen Gerhard von Cre¹⁸¹ Ebd., N. . ¹⁸² So Alonso in der Einleitung zu Gundissalinus: De scientiis, S. – , Farmer , S.  f., Salmon , S.  f., Alonso , S.  f., Lemay , S. , Fakhry , S. , Daiber  b, S.  f., Zonta , S. XIX f.

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mona eine mangelhafte Übersetzung liefert, während bei Gundissalinus die richtigere vorliegt.¹⁸³ Es ist allerdings nicht recht einzusehen, warum Gerhard von Cremona Stellen, die bei Gundissalinus ziemlich gut übersetzt waren, durch eine ungeschicktere Übersetzung ersetzt haben sollte. Es gibt aber auch eine Anzahl von Forschern, die – wenn auch gewöhnlich nur ganz beiläufig – die umgekehrte Reihenfolge annehmen, so daß die These lautet: Die Übersetzung Gerhards von Cremona geht jener von Gundissalinus voraus, Gundissalinus hat dann in seiner auszugsweisen Übersetzung den Text von Gerhard von Cremona an vielen Stellen einfach übernommen, aber an einigen Stellen Korrekturen vorgenommen.¹⁸⁴ Diese Reihenfolge macht auch einige terminologische Verschiedenheiten gut erklärlich. Gerhard von Cremona verwendet z. B. die Begriffe speculativa / activa , während Gundissalinus dafür theorica /practica setzt.¹⁸⁵ Gundissalinus verwendet also einfach die üblichere Terminologie. Eine weitere auffällige terminologische Verschiedenheit besteht darin, daß Gundissalinus den Begriff essentie an den Stellen verwendet, wo Gerhard von Cremona existentia (Pl. von existens) gebraucht.¹⁸⁶ Lemay, der von der Priorität der Übersetzung des Gundissalinus ausgeht, sieht in der Verwendung von existentia durch Gerhard von Cremona ein bewußtes Abgehen von der zu seiner Zeit üblicheren (boethianischen) Verwendung von essentia .¹⁸⁷ Auch hier jedoch ist die umgekehrte Annahme zumindest ebenso plausibel: Gundissalinus, der vermutlich eine ¹⁸³ Alonso in der Einleitung zu Gundissalinus: De scientiis, S. . ¹⁸⁴ Jolivet , S.  f., Burnett  (ursprünglich ), S. , ders. , S. , Hugonnard-Roche , S. , und Weber , S.  f. Burnett a, S. , ist etwas vorsichtiger und nimmt eher eine parallele Bearbeitung an, aber so, daß Gerhard von Cremona und Gundissalinus bei ihrer Übersetzung dem anderen jeweils ihre Ergebnisse mitteilten. ¹⁸⁵ Vgl. Kap. III , Anm. . ¹⁸⁶ Vgl. Kap. IV, Anm. . ¹⁸⁷ Lemay , S.  f.

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bessere philosophische Ausbildung als Gerhard von Cremona hatte, bringt die Übersetzung Gerhards auf den damals üblichen terminologischen Standard. Die Übersetzungstechnik Gerhards von Cremona war die, die auch andere Übersetzer in Toledo anwandten: Es wurde so weit wie nur möglich Wort für Wort aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt.¹⁸⁸ Gerhard von Cremona kann als der Toledaner Übersetzer angesehen werden, der diese Methode am konsequentesten angewendet hat.¹⁸⁹ Bardenhewer hat schon  festgestellt: […] Die Arbeit Gerhards von Cremona [ist] eher als eine ängstliche Nachbildung denn als eine Übersetzung des arabischen Textes zu bezeichnen. Dem Sprachgeist und der Grammatik des Lateinischen hat Gerhard auch nicht die mindeste Rechnung getragen: im treuesten und strengsten Anschluß an seine Vorlage hat er Wort für Wort latinisiert.¹⁹⁰

Dieses Urteil wurde und wird von allen bestätigt, die sich mit Übersetzungen Gerhards von Cremona beschäftigt haben, auch wenn heute nicht mehr gesagt wird, daß Gerhard dabei »ängstlich« gewesen sei; man nimmt vielmehr an, daß Gerhard ganz sicher war, daß dies die richtige Übersetzungsmethode sei. Gerhard war in seinem Verfahren dabei so konsequent, daß dann, wenn eine Übersetzung Gerhards, aber keine textgenau entsprechende arabische Vorlage vorliegt, der Schluß gezogen werden kann, daß es noch eine andere arabische Textversion gegeben

¹⁸⁸ Dies war jedoch durchaus nicht die einzige Möglichkeit. Es gab auch Übersetzer, die mehr auf den lat. Stil achteten, und es gab auch solche, die eine sinngemäße Wiedergabe anzielten, auch wenn diese nicht dem Wortlaut entsprach. Vgl. Burnett , S. –. ¹⁸⁹ Burnett , S. , Hugonnard-Roche , S.  f., Kunitzsch , S. . ¹⁹⁰ Bardenhewer, S. . Einige Beispiele der Übersetzungsweise Gerhards ebd., S. –.

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haben muß.¹⁹¹ Und wenn eine in einem halbwegs glatten Latein abgefaßte Übersetzung Gerhards vorliegt, kann geschlossen werden, daß hier eine spätere Überarbeitung stattgefunden haben muß.¹⁹² Ähnliches gilt auch für die vorliegenden Handschriften von De scientiis : Auch ohne den eindeutigen Befund, der sich aus der verschiedenen Schriftart der Handschriften aus Paris (= P) und Brügge (= B) ergibt (vgl. dazu weiter unten ), aus dem hervorgeht, daß B wesentlich später als P geschrieben wurde, könnte man allein aus der Tatsache, daß B den lateinisch besser lesbaren Text liefert, schließen, daß die ursprüngliche Version Gerhards die von P ist und die von B eine – wenn auch nicht sehr weitgehende – spätere Überarbeitung darstellt. Die Probleme, die sich aus dieser Übersetzungstechnik Gerhards von Cremona für den lateinischen Text von De scientiis ergeben, sind erheblich.¹⁹³ Die Wort-für-Wort-Übersetzung bringt es mit sich, daß verschiedene Eigentümlichkeiten der arabischen Syntax ins Lateinische übertragen werden. Dies im einzelnen darzustellen, überschreitet den Rahmen einer Einleitung. Eine ziemlich große Anzahl von Problemen des lateinischen Textes läßt sich also durch syntaktische Merkmale des Arabischen erklären. Man könnte daher meinen, daß es bei Unklarheiten im lateinischen Text das Einfachste wäre, auf den arabischen Text zurückzugreifen. Dies ist sicher in einigen Fällen hilfreich, kann jedoch nicht als allgemeine Regel gelten. An mehreren Stellen findet es sich, daß dort, wo der lateinische Text unklar ist, das gleiche auch für den arabischen Text gilt.¹⁹⁴ Nicht ¹⁹¹ Dies ist z. B. der Fall bei der Übersetzung der . Analytik des Aristoteles. Vgl. Minio-Paluello . ¹⁹² Dies ist z. B. der Fall bei der Übersetzung der Elemente Euklids. Vgl. Kunitzsch . ¹⁹³ Eine übergreifende Untersuchung zur Übersetzungstechnik Gerhards von Cremona liegt bisher nicht vor. Einige Bemerkungen dazu fi nden sich bei Opelt , vgl. aber die kritischen Bemerkungen dazu in Kunitzsch , S. . ¹⁹⁴ Schoonheim , S. , stellt dies mit Bezug auf die arab.–lat.

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nur die Syntax, sondern auch die Terminologie der Übersetzung Gerhards von Cremona ist an vielen Stellen problematisch. Bei seiner Übersetzung hat Gerhard von Cremona sich offensichtlich kein arabisch-lateinisches Glossar erstellt, so daß er häufig ein und dasselbe arabische Wort durch verschiedene lateinische Worte wiedergibt.¹⁹⁵ Die Vorstellung eines solchen Glossars ist keineswegs ein unerlaubter Anachronismus, da es im . Jhd. in Spanien ein arabisch-lateinisches Glossar für den theologischen Gebrauch gab, das deshalb erforderlich war, weil viele arabischsprachige Kleriker in der Zuordnung von lateinischen Ausdrükken zu den ihnen geläufigeren arabischen Ausdrücken unsicher waren.¹⁹⁶ Auf einzelne Probleme der Terminologie Gerhards von Cremona wird im Kommentar durch Rückgriff auf den arabischen Text eingegangen werden.¹⁹⁷ Eine Frage der Übersetzungstechnik Gerhards von Cremona betriff t das in den letzten Jahren erneut diskutierte Problem der Mitarbeit arabischsprachiger »Gehilfen«.¹⁹⁸ Für eine solche Mitarbeit liegt im Fall von Gerhard von Cremona eine sehr bekannte Nachricht vor. Bei der Übersetzung des Almagest bediente sich Gerhard von Cremona der Hilfe des Mozarabers Ga-

Übersetzung der aristotelischen Metheora durch Gerhard von Cremona fest, dasselbe gilt aber auch für De scientiis. ¹⁹⁵ In verschiedenen Fällen verwendet Gerhard von Cremona aber doch konsequent ein lat. für ein arab. Wort, was allerdings dann, wenn diese Übersetzung eher ungeschickt ist, auch wieder störend ist. So wird z. B. das arab. raful (Grundbedeutung »Mann/Mensch«) von Gerhard von Cremona durchgängig durch homo wiedergegeben. Im Arabischen hat raful aber auch die Bedeutung von »irgendjemand/ irgendeiner«, was lat. besser durch aliquis wiedergegeben würde. In der deutschen Übersetzung wird dem Rechnung getragen. ¹⁹⁶ Glossarium Latino – Arabicum. Diese von C. F. Seybold  herausgegebene Ausgabe ist keine textkritische Edition. Zu diesem Glossar vgl. Koningsveld . ¹⁹⁷ Vgl. dazu auch das arabisch-lateinische Glossar im Anhang. ¹⁹⁸ Vgl. z. B. d’Alverny .

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lippus, wie Daniel von Morley berichtet.¹⁹⁹ Da gelegentlich auch in anderen Fällen von einer solchen Mitarbeit eines Mozarabers oder eines arabischsprachigen Juden berichtet wird, ²⁰⁰ entstand daraus die Annahme, daß dies die Regel gewesen sei, und dabei wurde zusätzlich angenommen, daß zunächst eine Übersetzung aus dem Arabischen ins Altkastilische (vorgenommen von dem Mozaraber) erstellt wurde und dann dieser Text von dem westlichen Übersetzer ins Lateinische übertragen wurde. ²⁰¹ Von einer solchen »Zwischenstufe« bei den Übersetzungen, die in Toledo hergestellt wurden, ist jedoch nicht die geringste Spur zu finden, und es ist anzunehmen, daß sie überhaupt nicht existierte. Soweit also überhaupt eine solche Mitarbeit eines arabischsprachigen »Gehilfen« stattgefunden hat, bestand diese vermutlich im Vorlesen des arabischen Textes. ²⁰² Dies war tatsächlich eine wichtige Hilfestellung, insofern die arabischen Texte in einer Konsonantenschrift abgefaßt sind und das richtige Verständnis eines Satzes erst aufgrund der korrekten Vokalisierung möglich ist. Daß ein Übersetzer im Zusammenhang dieses Vorlesens gelegentlich, wenn er ein arabisches Wort nicht kannte, nach dessen Bedeutung gefragt haben mag, ist eine naheliegende Annahme. Es ist aber festzuhalten, daß bei Gerhard von Cremona nur in diesem einzigen Fall von einer solchen Mitarbeit gesprochen wird, und es ist anzunehmen, daß er alle übrigen Übersetzungen ohne eine solche Hilfestellung hergestellt hat. ²⁰³ Im Falle der Übersetzung von De scientiis ist eine solche Mithilfe so-

¹⁹⁹ Daniel von Morley: Philosophia, N. . ²⁰⁰ So wird z. B. auch von einer Zusammenarbeit des Gundissalinus mit dem jüdischen Gelehrten Avendauth berichtet. Vgl. d’Alverny , S.  f., und Burnett , S.  f. ²⁰¹ Diese falsche Auffassung fi ndet sich auch in Schupp , II , S. . ²⁰² Burnett , S. . Auch Schoonheim , S. , rechnet mit einer solchen Möglichkeit. ²⁰³ Lemay , S.  f.

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gar mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen. Der beste Beweis dafür liegt in der völlig verständnislosen Wiedergabe von kalam durch eloquentia und von mutakallim durch loqax. ²⁰⁴ Jeder gebildete arabischsprachige Toledaner hätte Gerhard von Cremona darauf aufmerksam machen können, daß es dabei um islamische Theologie und islamische Theologen ging.

. Das Fortwirken von al-Fārābīs De scientiis im lateinischen Mittelalter Zunächst stellt sich die Frage nach dem Grund des Interesses an al-Fārābīs De scientiis bei den lateinischen Philosophen. AlFārābī, bei den Lateinern meist Alphorabius genannt, war ja keineswegs ein bekannter Name wie Aristoteles oder Ptolemaios. Dies blieb auch später so. Al-Fārābī hat bei den Lateinern nie eine Bedeutung erlangt, die mit der des Avicenna oder des Averroes vergleichbar wäre. ²⁰⁵ Es wurden auch nur verhältnismäßig wenige Schriften al-Fārābīs ins Lateinische übersetzt. ²⁰⁶ Da das Interesse an De scientiis also nicht auf einem autoritativen Namen beruhte, mußte ein sachlicher Grund dafür vorliegen. Im . Jhd. war es deutlich geworden, daß die traditionelle Einteilung der Wissenschaften in Trivium (Grammatik, Logik, Rhetorik) und Quadrivium (Arithmetik, Geometrie, Musik, Astronomie) nicht mehr ausreichte. ²⁰⁷ Schon vor dem Bekanntwerden der neuen Texte durch die in Toledo hergestellten Übersetzun-

²⁰⁴ Vgl. Kap. V, Anm.  und . Besser P m , S. : prolocutor. ²⁰⁵ Auch im lat. Bereich war die Bezeichnung Magister secundus bekannt, wurde aber nur selten verwendet und hatte keine wirkliche sachliche Bedeutung. ²⁰⁶ Vgl. dazu Salmon . Zur Verwendung einiger logischen Schriften al-Fārābīs, bei den lat. Philosophen vgl. Grinaschi . ²⁰⁷ Zur Einteilung der Wissenschaften im Mittelalter vgl. Weisheipl .

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gen aus dem Arabischen hatte Hugo von St. Viktor in seinem um  verfaßten Didascalicon eine neue Wissenschaftseinteilung vorgenommen, in der neben den traditionellen theoretischen Wissenschaften auch praktische und mechanische Wissenschaften eingeführt wurden. ²⁰⁸ Diese neue Wissenschaftseinteilung führte aber zunächst nicht zu einer Neugestaltung des Lehrbetriebes. Dies änderte sich erst durch Gundissalinus, der zunächst eine Adaptation von De scientiis für seine lateinischen Leser herstellte und der dann einen eigenen Entwurf der Einteilung der Wissenschaften in seiner Schrift De divisione philosophiae vorlegte. In dieser Schrift verwendet Gundissalinus zwar große Teile dessen, was sich in al-Fārābīs De scientiis findet,²⁰⁹ daneben werden aber außer lateinischen Autoren wie Boethius und Isidor von Sevilla auch weitere arabische Autoren wie Avicenna und al-Ghazālī herangezogen, und schließlich ist die Einteilung selbst eine ganz andere. ²¹⁰ Der Text von al-Fārābīs De scientiis liefert für Gundissalinus also Bauelemente, nicht aber das Konstruktionsprinzip. ²¹¹ Für den eigentlichen Aufbau des Systems der Wissenschaften bei Gundissalinus lieferte Ibn Sīnā (Avicenna) die Grundlage. ²¹² Gundissalinus versucht also, dem ²⁰⁸ Vgl. die Übersicht dieser Einteilung der Wissenschaften in Schupp , II , S.  f. ²⁰⁹ Baur führt in seiner vorzüglichen Ausgabe von De divisione philosophiae in den Anmerkungen alle Quellen genau auf, so daß sich die Verwendung von al-Fārābīs De scientiis leicht überprüfen läßt. Bouyges , S. , hat errechnet, daß etwa drei Fünftel des Textes aus De scientiis in De divisione philosophiae Verwendung fi nden. ²¹⁰ Eine gute schematische Übersicht in Gegenüberstellung der Einteilung der Wissenschaften bei al-Fārābī und Gundissalinus findet sich in Bouyges , S. –. Für eine detaillierte Analyse des Auf baus von De divisione philosophiae vgl. Hugonnard-Roche . ²¹¹ Bouyges , S. . ²¹² Das gesamte Kapitel, in dem in De divisione philosophiae, S. – , die Gemeinsamkeiten und die Unterschiede der Wissenschaften behandelt werden, stammt – wie Gundissalinus auch in der Überschrift angibt – aus Avicennas Enzyklopädie aš-Šifā.

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Anliegen Hugos von St. Viktor zu entsprechen, aber so, daß die jetzt vorliegenden Textgrundlagen eingebracht werden. Die weitere Wirkung von De divisione philosophiae gehört daher nicht mehr unmittelbar in den Zusammenhang von al-Fārābīs De scientiis. ²¹³ Es dürfte daher feststehen, daß der Einfluß von al-Fārābīs De scientiis auf die mittelalterliche Philosophie hauptsächlich über Gundissalinus und nur zu einem geringen Teil über die Übersetzung Gerhards von Cremonas lief. Wenn wir uns an das erinnern, was weiter oben über die »arabischen« und die »fremden« Wissenschaften gesagt wurde und in welcher Weise al-Fārābī versuchte, diese Zweiteilung zu überwinden, so muß jetzt – vereinfachend – zu der Bearbeitung durch Gundissalinus gesagt werden, daß dieser durch die weiter oben erwähnte Eliminierung der »arabischen« Wissenschaften letztlich den bei alFārābī vorliegenden Vorgang rückgängig gemacht hat. Wenn von einem Fortwirken der Wissenschaftseinteilung al-Fārābīs gesprochen wird, so gilt dies also nur in einem ziemlich eingeschränkten Sinn. Die Tatsache, daß die adaptierende Version des Gundissalinus weitere Verbreitung fand als die genaue Übersetzung von Gerhard von Cremona, läßt sich schon aus der Zahl der überlieferten Handschriften ersehen, obwohl angesichts der Kontingenz der Auf bewahrung von Handschriften bei diesem Argument immer Vorsicht geboten ist. Jedenfalls aber ist es auffällig, daß den drei bisher bekannten Handschriften der Übersetzung Gerhards von Cremona mindestens acht Handschriften der Version des Gundissalinus gegenüberstehen. ²¹⁴ Nichtsdestoweniger ist die Handschrift aus Brügge, die eine stilistische und terminolo²¹³ In den an den Text anschließenden Untersuchungen zu Gundissalinus: De divisione philosophiae, S. –, analysiert Baur ausführlich diesen Text und stellt ebd., S. –, dessen Einfluß im lat. Mittelalter dar. ²¹⁴ Alonso, Einleitung zu Gundissalinus: De scientiis, S.  f.

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gische Überarbeitung des Textes von Gerhard von Cremona darstellt (vgl. dazu weiter unten ), ein Zeuge dafür, daß jedenfalls bis ins . Jhd. die Übersetzung Gerhards von Cremona Verbreitung gefunden hat. Daß der Text von al-Fārābīs De scientiis in der Version des Gundissalinus bis an das Ende des Mittelalters bekannt war und verwendet wurde, ²¹⁵ zeigt sich in dem monumentalen Werk Speculum doctrinale des Vinzenz von Beauvais (vor −). ²¹⁶ Das Werk des Vinzenz von Beauvais erfreute sich einer großen Verbreitung und wirkte über das Ende des Mittelalters hinaus. Im Spätmittelalter wurde eine französische, eine katalanische und eine mittelniederländische Übersetzung hergestellt, und am Beginn der Neuzeit erschienen seit  die ersten Frühdrucke dieses Werkes. Auf diese Weise blieb al-Fārābī und seine Schrift De scientiis bekannt, auch wenn in der Folgezeit darauf kaum noch Bezug genommen wurde. Im Jahre  erschien, herausgegeben von Wilhelm Camerarius, in Paris der Text von De scientiis in der Version von Gundissalinus in dem Sammelband Alpharabii vetustissimi Aristotelis interpretis Opera omnia quae latina lingua conscripta reperiri potuerunt ex antiquissimis manuscriptis eruta.²¹⁷

²¹⁵ So liegt z. B. dem Opus Maius Roger Bacons (um –) die folgende, in ()–() deutlich an al-Fārābīs De scientiis orientierte Einteilung zugrunde: () Die Ursachen der menschlichen Unwissenheit, () Die Verbindung von Philosophie und Theologie, () Das Studium der Sprache, () Die mathematischen Wissenschaften, () Die Optik, () Die experimentelle Wissenschaft, () Die Moralphilosophie. ²¹⁶ Im Anhang zu Gundissalinus: De scientiis, S. , stellt der Herausgeber Alonso fest, daß im Speculum doctrinale fast der gesamte Text von De scientiis in der Version des Gundissalinus enthalten ist. ²¹⁷ Außer De scientiis ist darin aber nur noch der Traktat De intellectu et intellecto enthalten. Dieses Buch fand nur wenig Verbreitung und es ist nur in wenigen Bibliotheken erhalten.  wurde ein Nachdruck hergestellt.

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. Die lateinischen Handschriften Die Edition des Textes beruht auf den drei bekannten lateinischen Handschriften aus Paris, Graz und Brügge. ²¹⁸ P Paris, Bibliothèque Nationale, lat. , fol.  v –  v. Pergament, Folio-Format, zwei Kolumnen,  Blatt. Titel am Beginn der einzelnen Traktate mit Initialen rot und blau. Auf fol.  v sind die letzten vier Zeilen des Textes zur Verzierung rot unterstrichen. Zahlreiche Marginalanmerkungen. . Jhd. ²¹⁹ Brauner Ledereinband mit Goldverzierung aus dem . Jhd., am Buchrücken: »Mathematica«. Die Handschrift enthält eine Anzahl von lateinischen Übersetzungen arabischer Traktate größtenteils mathematischen und naturwissenschaftlichen Inhalts. Es handelt sich zu einem großen Teil um Übersetzungen Gerhards von Cremona. ²²⁰ Eine Aufzählung der einzelnen Traktate findet sich im Katalog der Bibliothèque Nationale. ²²¹ Sowohl der Text wie auch die Marginalanmerkungen sind sehr sorgfältig geschrieben und enthalten fast keine Fehler. Der Verfasser der Marginalanmerkungen zeigt Kenntnisse des Arabischen. Besonders zahlreich sind die Anmerkungen in Kap. I, wo ²¹⁸ Vgl. Thorndike, L./Kibre, P.: A Catalogue of Incipits of Medieval Scientifi c Writings in Latin. London , Sp. . Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß es noch weitere Handschriften dieses Textes gibt. Forschungen nach weiteren Handschriften wurden für die vorliegende Edition nicht unternommen. ²¹⁹ Vgl. Burnett a, S.  f. D’Alverny , S.  f. nimmt die . Hälfte des . Jhd.s als Entstehungszeit und Italien als Entstehungsort an. B. Bischoff nimmt als Entstehungsdatum  oder kurz vorher an. Vgl. Lorch , S. . Ich halte diese Datierung für richtig. ²²⁰ Vgl. d’Alverny , S.  f. ²²¹ Deslie, L. V.: Inventaire des manuscrits latins conservés à la Bibliothèque Nationale sous les numéros –. Paris – (Nachdruck Hildesheim ), S.  f.

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der Verfasser Sachverhalte der Grammatik des Arabischen, die dem lateinischen Leser nicht verständlich sind, erklärt. ²²² Ob der Verfasser der Marginalanmerkungen bei seiner Arbeit auch tatsächlich den arabischen Text vor sich liegen hatte, läßt sich nicht mit Gewißheit ausmachen. Einige Anmerkungen lassen Zweifel daran aufkommen. ²²³ Aus der völlig übereinstimmenden Handschrift ergibt sich, daß P und P m von ein und derselben Hand geschrieben ist. Die sorgfältig und mit genauer Platzaufteilung geschriebenen Marginalanmerkungen legen es nahe, daß der Kopist von einer Vorlage abgeschrieben hat, in der diese Marginalanmerkungen bereits vorhanden waren. Die Marginalanmerkungen gehören jedoch eindeutig nicht zum ursprünglichen Text Gerhards von Cremona, da sie keine Entsprechungen im Text von G aufweisen. Es gab also eine ursprüngliche Textform ohne diese Anmerkungen. Nichtsdestoweniger kommt diesen Marginalanmerkungen ein ziemlich hoher Grad von Authentizität zu. Dies ergibt sich – all dies ist natürlich etwas hypothetisch – aus folgendem: () Da die Handschrift Ende des . oder spätestens Anfang des . Jhd.s entstanden ist, ist sie bald nach dem Tod Gerhards von Cremona geschrieben worden. () Die Schriftart zeigt, daß diese Handschrift in Italien geschrieben worden ist. ²²⁴ () In einem Bericht des italienischen Chronisten Franciscus Pipinus, der um  entstanden ist, wird berichtet, daß die Bibliothek Gerhards von Cremona nach Italien gebracht wurde und dem dortigen Konvent von Santa Lucia übergeben wurde, wo Gerhard auch begraben wurde. ²²⁵ () Es ist durchaus möglich, daß ²²² Solche Marginalanmerkungen eines Bearbeiters, der über Arabischkenntnisse verfügte, für lateinischsprachige Leser sind keine Ausnahme, sie fi nden sich auch in anderen Handschriften. Vgl. Burnett , S. –. ²²³ Vgl. z. B. Kap. II , Anm.  und . ²²⁴ Vgl. d’Alverny , S. , und Burnett a, S. . ²²⁵ Vgl. Lemay , S. . Allerdings berichtet Francisco Arisi , daß es von der Bibliothek Gerhards keine Spur gebe. Vgl. ebd. Diese

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sich unter den socii Gerhards auch solche aus Italien befanden, die dann nach dessen Tod in ihre Heimat zurückkehrten und die Bibliothek Gerhards nach Italien brachten. ²²⁶ () Unter dieser Voraussetzung kann man annehmen, daß sich unter diesen Handschriften auch die von De scientiis befand und zwar mit den Marginalanmerkungen P m , sodaß P + P m die Abschrift des »Handexemplars« Gerhards von Cremona darstellen könnte. Dann aber stammen die Marginalanmerkungen unmittelbar aus dem Kreis um Gerhard von Cremona, also vermutlich von einem seiner socii und sind wahrscheinlich schon zu dessen Lebzeiten entstanden. ²²⁷ In P finden sich einige expunktierte Worte, die immer eindeutig richtige Korrekturen darstellen, und die schon vom Schreiber von P selbst stammen, da dann jeweils sofort die richtige Form geschrieben wurde. An anderen Stellen fi nden sich Unterstreichungen von einer späteren Hand, bei denen es in einigen Fällen eindeutig ist, daß es sich um ganz korrekte Streichungen handelt. An einigen anderen, allerdings ganz wenigen Stellen ist dies jedoch nicht der Fall (z. B. fol.  rb). In diesen Fällen wurden diese Textstellen im Text belassen, besonders dann, wenn sie sich auch in G und /oder B finden. G Graz, Universitätsbibliothek (urspr. Benediktinerstift St. Lambrecht), Hs. , fol.  v –  r. Pergament, FolioFormat, zwei Kolumnen,  Blatt. Abwechselnd rote und blaue Initialen mit Zierstrichen, Gold-Initiale am Beginn

Nachricht von Jahrhunderten später hat jedoch kaum Bedeutung, da sich im Mittelalter Handschriftenbestände sehr rasch verstreuen konnten. ²²⁶ Diese Annahme wird von d’Alverny , S. , gemacht. ²²⁷ Einige der Anmerkungen könnten auch von Gerhard von Cremona selbst stammen, nicht aber alle, da u. a. Änderungen vorgeschlagen werden, die seiner Übersetzungsmethode nicht entsprechen. Vgl. z. B. Kap. IV, Anm. .

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des ersten Textes. . Jhd. Ledereinband aus dem . Jhd. Einige Initialbilder (Lehrer und Schüler). Nordfranzösische Buchminuskel, verschiedene Schreiber. Die Handschrift enthält Traktate hauptsächlich naturwissenschaftlichen Inhalts der spätantiken, der arabischen, der jüdischen und der lateinischen Philosophie. Eine Beschreibung der einzelnen Texte findet sich im Handschriftenkatalog der Universitätsbibliothek. ²²⁸ Im Text von De scientiis finden sich einige wenige Marginalanmerkungen von einer wesentlich späteren Hand, die aber nur Stichworte zu Überschriften aus dem Text wiedergeben. Die Schrift und die äußere Gestaltung von G ist zwar ziemlich gut, der Text der Abschrift ist aber sehr fehlerhaft. Der Text von G steht im großen und ganzen dem von P ziemlich nahe, P kann jedoch nicht die direkte Vorlage von G gewesen sein, da alle Anmerkungen von P m , die Erläuterungen darstellen, fehlen, jene aber, die Textkorrekturen darstellen, im Text von G vorhanden sind. Es muß daher vor P und G eine ursprünglichere Form X gegeben haben. Einige wenige Stellen legen es aber nahe, daß zwischen dieser Form X und der Abschrift von G ein Korrekturvorgang stattgefunden hat. ²²⁹ In den Handschriftenkatalogen wird für die Pariser Handschrift das . Jhd. angegeben, für die Grazer Handschrift das . Jhd. Es ist jedoch m. E. weder vom philologischen noch vom textimmanenten Bestand her eindeutig, daß die Pariser Handschrift wirklich vor der Grazer Handschrift entstanden ist. Es ist durchaus möglich, daß beide Handschriften an der Wende vom . zum . Jhd. entstanden sind, so daß die Grazer Handschrift sogar älter als die Pariser Handschrift sein könnte.

²²⁸ A. Kern: Die Handschriften der Universitätsbibliothek Graz. Leipzig , S. –. ²²⁹ Vgl. z. B. Kap. II , Anm. , und Kap. III , Anm. .

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B Brügge, Stadtbibliothek, Hs. , fol.  r –  v. . Jhd. Die Handschrift stammt ursprünglich aus der Zisterzienserabtei Ten Duinen (Dünenabtei, Abbaye des Dunes). ²³⁰ Pergament, Folio-Format, zwei Kolumnen,  Blatt. Ledereinband (auf Holz) des . Jhds. Auf der hinteren Außenseite des Einbandes befindet sich in einem Metallrahmen mit durchsichtiger Folie ein Inhaltsverzeichnis des Bandes, darin u. a. »Alpharabii de scienciis«. Eine Aufzählung der einzelnen, hauptsächlich naturwissenschaftlichen Traktate hat de Poorter zusammengestellt. ²³¹ Die Handschrift ist von verschiedenen Schreibern in einer steilen Bastarda in zwei Kolumnen geschrieben. An den Kapitelanfängen finden sich einfache rot und blau verzierte Initialen. Die Überschrift des Traktats (fol.  ra) ist (vermutlich von einer anderen Hand) rot geschrieben, ebenso die Überschriften Incipit capitulum primum de scientia lingue et partibus eius (fol.  ra), Capitulum de scientia logices (fol.  vb), Astrologia (fol.  vb), De scientia ponderum (fol.  ra), De scientia civili (fol.  va), und De scientia eloqutionis (fol.  ra). ²³² Der Text dieser rot einzusetzenden Teilüberschriften ist jeweils in kleiner Schrift am Rand angegeben. Die Handschrift ist verhältnismäßig sorgfältig geschrieben und enthält keine Korrekturen. An einigen wenigen Stellen finden sich lacunae, vermutlich Stellen, die der Schreiber nicht entziffern konnte. Dies dürfte ein Hinweis darauf sein, daß der Schreiber nicht die sehr gut geschriebene Handschrift P, sondern eine andere Handschrift vor sich liegen hatte. ²³⁰ Isaac, M. Th.: Les livres manuscrits de l’Abbaye des Dunes. D’après

le catalogue du XV II e siècle. Aubel (Belgien) , S. . ²³¹ De Poorter, A.: Manuscrits de philosophie aristotélicienne à la Bibliothèque de Bruges. In: Revue néoscolastique de philosophie  (), S.  f. Vgl. auch de Poorter, A.: Catalogue des manuscrits de la Bibliothèque publique de Bruges. Gembloux, , S. –. ²³² Ein Grund für die Hervorhebung gerade dieser Überschriften ist nicht ersichtlich.

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Der Text von B ist dadurch gekennzeichnet, daß in ihm versucht wird, das Latein der ursprünglichen Übersetzung zu verbessern. Es handelt sich aber ohne Zweifel nicht um eine Überarbeitung aufgrund des arabischen Originaltextes, sondern um eine Verbesserung, die sich rein innerhalb des schon vorliegenden lateinischen Textes bewegt. Zwischen B und P liegt eine eindeutige Beziehung vor, allerdings so, daß P nicht die direkte Vorlage für B gewesen ist (vgl. weiter oben), sondern eine gemeinsame Vorlage und eine Zwischenstufe anzunehmen ist. Zahlreiche, aber nicht alle Marginalanmerkungen aus P finden sich in B in den Text integriert. Das Fehlen einiger Anmerkungen in B kann daraus erklärt werden, daß Erläuterungen, die eine Kenntnis des Arabischen voraussetzen, kaum noch verstanden und deshalb weggelassen wurden. ²³³ Die in P durch Unterstreichung getilgten Worte sind in B meist nicht mehr vorhanden.

Zusammenfassung Man kann also zwischen dem Autograph und den drei Textzeugen P, G und B verschiedene Zwischenstufen vermuten, für die wir keine Textzeugen mehr zur Verfügung haben. X Eine Abschrift des Autographs, die vermutlich einige wenige kleinere Fehler enthielt. Y

Eine Abschrift von X, in der weitere kleine Fehler hinzukamen, die jedoch von einem Bearbeiter (möglicherweise aufgrund des Autographs) am Rande korrigiert wurden. Diese Korrekturen könnten aber auch erst in Z vorgenommen worden sein.

²³³ So wird z. B. in Kap. II in P m logos durch in arabico alnoct erläutert, was sich in B nicht mehr fi ndet.

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Z Eine Abschrift, deren Bearbeiter entweder die Korrekturen am Rand von Y übernahm oder diese Korrekturen selbst vornahm. Dieser Bearbeiter konnte Arabisch und fügte die erläuternden Marginalien hinzu. Beide Arten von Marginalanmerkungen werden dann in P von P m übernommen. V Eine Abschrift, bei der deren Bearbeiter einige wenige Korrekturen an X vornahm. W Eine Abschrift, bei der deren Bearbeiter Verbesserungen des lateinischen Stils vornahm und der auch einige arabische Wörter eliminierte. X Y

V

Z W

P

G

B Dieses Schema entspricht mit Sicherheit nicht dem tatsächlichen Verlauf der Geschichte der Handschriften. Bei jeder der eingesetzten Unbekannten (X, Y, Z, V, W ) sind mehrere Zwischenglieder denkbar. Die Unbekannten stellen jedoch jenes Minimum dar, das die hauptsächlichen (wenn auch nicht alle) Textunterschiede erklärt. Die somit erforderliche Annahme mehrerer nicht überlieferter Textversionen ist aber jedenfalls ein Hinweis darauf, daß der Text Gerhards von Cremona weiter verbreitet war, als es die drei bisher bekannten Handschriften vermuten lassen. Besonders die Tatsache, daß im . Jhd. eine neue, stilistisch verbesserte Handschrift im Norden Europas auftaucht, läßt auf eine längere und umfangreichere Textgeschichte schließen.

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. Die Textgestaltung Grundlage des Textes ist die Pariser Handschrift. Diese ist eindeutig die beste und authentischste und wahrscheinlich auch die älteste erhaltene Handschrift. Diese Handschrift wurde von A. G. Palencia erstmals veröffentlicht. Für die vorliegende Ausgabe wurde jedoch eine neue Transkription der Handschrift hergestellt. ²³⁴ Die Handschrift aus Graz ist sehr fehlerhaft, als einziger Textzeuge gäbe sie kaum die Möglichkeit einer Veröffentlichung des Textes. Als sehr früher Textzeuge stellt diese Handschrift aber an vielen Stellen einen wichtigen Vergleichstext dar. Die Handschrift aus Brügge ist um mindestens mehr als hundert Jahre jünger als die beiden anderen Handschriften und stellt eine Bearbeitung dar, die in ihren stilistischen Merkmalen eindeutig nicht mehr die Übersetzung Gerhards von Cremona darstellt. Der lateinische Text der vorliegenden Ausgabe ist also außer an ganz wenigen, immer eindeutig gekennzeichneten Stellen jener der Pariser Handschrift. Der textkritische Apparat zu P ist vollständig. Varianten aus G und B werden nur dann angeführt, wenn sie in irgendeiner textgeschichtlichen oder sachlichen Hinsicht interessant sind. ²³⁵ Gelegentlich werden Textvarianten angeführt, die nicht eigentlich der Interpretation dienen, die aber anzeigen, daß die Kopisten mit einer Textstelle oder mit der Schreibung eines Wortes besondere Schwierigkeiten hatten. Wird eine Variante aus B angeführt, ohne daß sich auch eine Angabe zu G vorfindet, so bedeutet dies immer, daß an dieser Stelle G mit P übereinstimmt.

²³⁴ In Palencias Transkription findet sich eine nicht geringe Anzahl von Fehllesungen. ²³⁵ Es werden dabei auch Varianten aus B aufgenommen, die eindeutig nicht aus dem ursprünglichen Text stammen. Aufschlußreich ist z. B., daß an mehreren, allerdings nicht an allen Stellen in Kap. IV in B existentia durch entia ersetzt wird. Ähnliches gilt für die Ersetzung von prepositiones in P durch syncathegoremata in B.

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Bei jeder angeführten Variante wurde der Textbefund sowohl von G als auch von B überprüft. Die Satzzeichen und der gelegentliche Satzbeginn mit Majuskel variieren in den drei Handschriften in erheblichem Ausmaß. Die Textfassung folgt der Satzzeichensetzung von P. Das einzige Satzzeichen, das in P verwendet wird, ist ein Punkt. Dieser wird in der Transkription dann, wenn der Text mit Minuskel weitergeführt wird, als Komma wiedergegeben, dann wenn eine Majuskel folgt, als Punkt. Innerhalb des Textes von P finden sich außer zu Beginn eines neuen Kapitels, der jeweils durch eine verzierte Initiale gekennzeichnet ist, nur ganz wenige Zeichen, die den Beginn eines neuen Absatzes kennzeichnen. Zur besseren Übersichtlichkeit wurden daher innerhalb der Kapitel einige wenige Absätze, meist entsprechend den in G vorgegebenen, eingefügt. Die Marginalanmerkungen der Pariser Handschrift, die textund interpretationsgeschichtlich sehr aufschlußreich sind, werden in einem eigenen Apparat angeführt. Dieser gesamte Apparat betriff t also P m. Aus P m wurden ausschließlich jene Worte in den Text integriert, bei denen, vor allem aufgrund ihres Vorhandenseins auch in G, angenommen werden kann, daß sie im ursprünglichen Text Gerhards von Cremona standen und vom Autor der Marginalanmerkungen dann entsprechend am Rand ergänzt wurden. Der Verfasser der Marginalanmerkungen setzt dann, wenn sich seine Erläuterung auf mehrere Worte bezieht, das Einfügungszeichen meist über das erste Wort des betreffenden Ausdrucks. In der vorliegenden Edition wurde das Anmerkungszeichen sinngemäß an das Ende des Ausdrucks bzw. der Wortfolge gesetzt.

. Zur deutschen Übersetzung und zum Kommentar Weiter oben wurde die arabisierende lateinische Übersetzung Gerhards von Cremona besprochen, und daraus sind schon die

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meisten Probleme ersichtlich, die sich für die deutsche Übersetzung ergeben. Das Latein Gerhards stellt tatsächlich ein erhebliches Problem dar. P. L. Schoonheim hat mit Bezug auf die lateinische Übersetzung der aristotelischen Metheora durch Gerhard von Cremona zu Recht festgestellt: »Man fragt sich des öfteren: was haben die Lateiner im Mittelalter überhaupt verstanden?«, er fügt aber sofort hinzu, daß Albertus Magnus doch bemerkenswert viel davon verstanden hat. ²³⁶ In dieser Hinsicht ist der spätere Bearbeiter von B durchaus aufschlußreich. Dieser versuchte nur lateinisch-textintern den Text Gerhards von Cremona etwas besser lesbar zu machen und hat dabei einige Verbesserungen durchgeführt, die zeigen, daß es einem mittelalterlichen Leser durchaus möglich war, auch schwer verständlichen Stellen einen guten Sinn abzugewinnen. Die Frage, was die Lateiner des Mittelalters vom Text von De scientiis verstanden haben können, soll also das hermeneutische Prinzip der deutschen Übersetzung liefern. Es wurde daher nicht versucht, eine elegante und möglichst gut lesbare Übersetzung herzustellen – was ohnedies kaum möglich wäre – , der lateinische Text ist eben »holprig« und das soll auch in der Übersetzung nicht wegpoliert werden. Das eben Gesagte betriff t nicht nur die problematische Syntax des Textes, sondern auch die Terminologie. Auch hier gilt: Es soll das übersetzt werden, was ein mittelalterlicher lateinischer Leser unter den gebrauchten Begriffen vermutlich verstanden hat. Über manche sonderbaren Ausdrücke im Text Gerhards von Cremona haben mittelalterliche Leser wahrscheinlich einfach hinweggelesen. Der Kommentar gibt Gelegenheit, an einigen Stellen auf terminologische Fragen einzugehen und die Brücke zum arabischen Text herzustellen. Alle auf arabische Worte bezogenen Bedeutungserklärungen stammen aus H. Wehr, Arabisches Wörterbuch für die Schriftsprache der Gegenwart. Im Kommentar werden zahlreiche Hinweise auf die arabische Textüberlieferung der entsprechenden Quellenschriften gelie²³⁶ Schoonheim , S. .

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fert. Damit ist nicht nur eine Pfl ichtübung eines Kommentators des . Jhd.s gemeint, ich folge hier den Glossen der Textvorlage al-Fārābīs, in denen auch schon einige (wenige) entsprechende Angaben zu arabischen Textausgaben geliefert wurden. ²³⁷ Es soll dadurch aber auch deutlich werden, welch großer Textbestand griechischer Philosophie und Wissenschaft und darüber hinausgehender arabischer Wissenschaft al-Fārābī zur Verfügung stand. ²³⁸ Diese – keineswegs vollständigen – Hinweise werden jedoch nur für die Zeit bis zur Mitte des . Jhd.s geliefert, um darauf hinzuweisen, welche Werke al-Fārābī zugänglich waren oder zumindest zugänglich sein konnten. Der Kommentar ist für Leser und Benutzer der »Philosophischen Bibliothek« gedacht, für die (wie auch für mich selbst) gelten dürfte, daß sie selbst dann, wenn sie das Arabicum erworben haben, bei Verweisen auf Paralleltexte al-Fārābīs doch zunächst einmal zu Übersetzungen in westliche Sprachen greifen werden. Diese Textverweise beziehen sich daher mit ganz wenigen Ausnahmen – wo keine Übersetzung vorliegt oder wo es auf einen bestimmten arabischen Begriff ankommt – auf solche Übersetzungen. Auch die Stellenangaben der arabischen Texte, jeweils mit arabischem Kurztitel, anzuführen, hätte den ohnedies schon ziemlich komplizierten Kommentar zu sehr belastet, es wurde daher darauf verzichtet. Völlig ausgeschlossen ist es selbstverständlich, im Rahmen eines Kommentars die Entwicklung der arabischen Philosophie und aller Wissenschaften, die in De scientiis behandelt werden, nachzuzeichnen. Dafür gibt es inzwischen ganz ausgezeichnete Überblicksdarstellungen, auch wenn in diesen Forschungsbereichen noch sehr viele Fragen nur unzureichend aufgearbeitet sind. Der beste Kommentar zu al-Fārābīs De scientiis ist die Lektüre ²³⁷ Vgl. Gutas , S.  f. ²³⁸ Ein Vergleich mit dem, was demgegenüber ein lateinischer Philosoph in der ersten Hälfte des . Jhd.s zur Verfügung hatte, ist durchaus lohnenswert. Vgl. dazu Schupp , II , S.  f.

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anderer Schriften al-Fārābīs, von denen ja eine ganze Reihe in (wenigen und alten) deutschen sowie in englischen und französischen Übersetzungen vorliegen.

  P Pc Pm

Paris, Bibliothèque nationale, ms. lat. , fol.  v –  v manus quae correxit P manus quae scripsit in margine P

G Gm

Graz, Universitätsbibliothek, ms. , fol. v – r manus quae scripsit in margine G

B Bc Bm

Brügge, Stadtbibliothek, ms. , fol. r – v manus quae correxit B manus quae scripsit in margine B

add. del. interlin. om.

addit delevit inter lineas omittit

] ? ! …

scripsit lectio incerta sic! addit editor

A LFĀ R Ā BĪ Ü B ER D I E W I S S EN S C H A F T EN

              ,     

P va G va B ra

Nostra in hoc libro intentio, est scientias famosas comprehendere, scilicet unamquamque, et docere summam quam unaqueque earum continet, et partes omnis earum habentis partes, I et summam que in unaquaque parte earum existit. Et ponemus eas in quinque capitulis. Capitulum igitur primum, est de scientia lingue, et partibus eius. Et capitulum secundum, est de scientia dialetice, et partibus eius. Et capitulum tertium, est de scientiis doctrinalibus, que sunt aritmethica, et geometria, et scientia aspectuum, et scientia stellarum doctrinalis. Et scientia musice. Et scientia ponderum. Et scientia ingeniorum. Et capitulum quartum, est de scientia naturali, et partibus eius, et de scientia divina et partibus eius. Et capitulum quintum, est de scientia civili et partibus eius, et de scientia iudicii, et scientia elocutionis. scilicet non ideo quin unaqueque habeat partes, sed quia est que continet sub se alias scientias ut mathematica, dialetica enim non continet sub se aliam scientiam. I

1–4 LIBER … VERBA] Alfarabius vel Albunazir de sententiis G m In

isto libro ponuntur recapitulationes doctorum qui scripserunt de scientiis liberalibus in margine superiori G m Liber Alfarabii de scientiis translatus a magistro Gerardo Cremonensi de arabico in latinum B 7 omnis ] om. B 12 dialetice ] dyaletice G legice (recte : logice) B 15 aritmethica ] inbismetica (!) G arismetica sic semper B 19 et de scientia divina et partibus eius ] om. G 21 elocutionis ] locutionis B

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      ,             ,       ¹ Unsere Absicht in diesem Buch ist es, die allgemein bekannten² Wissenschaften zusammenzufassen, und zwar eine jede von ihnen, und einen Überblick über das zu geben, was jede einzelne enthält, sowie über die Teile einer jeden von ihnen, ³ soweit sie Teile hat, I ebenso wie einen Überblick über das, was in jedem der Teile vorliegt.⁴ Wir legen sie [d. h. diese Wissenschaften] in fünf Kapiteln vor. Das erste Kapitel handelt also von der Wissenschaft der Sprache und deren Teilen. Das zweite Kapitel handelt von der Wissenschaft⁵ der Logik ⁶ und deren Teilen. Das dritte Kapitel handelt von den mathematischen Wissenschaften.⁷ Dies sind die Arithmetik, die Geometrie, die Optik, die mathematische Astronomie, die Wissenschaft der Musik, die Wissenschaft von den Gewichten und die [technische] Erfindungswissenschaft. Das vierte Kapitel handelt von der Naturwissenschaft und deren Teilen und von der göttlichen Wissenschaft und deren Teilen. Das fünfte Kapitel handelt von der Staatswissenschaft ⁸ und deren Teilen, von der Rechtswissenschaft ⁹ und von der Wissenschaft der Beredsamkeit.¹⁰ Allerdings nicht so als ob jede derselben Teile hätte, da es solche gibt, die unter sich andere Wissenschaften enthalten, wie z. B. die Mathematik, wogegen die Logik unter sich keine andere Wissenschaft enthält. I

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Introductio

Utilitas autem que provenit ex eo quod est in hoc libro, est quod cum homo vult addiscere aliquam harum scientiarum, et speculatur in ipso, scit super quam sit audax, et in quam speculetur, et quid adipiscatur per aspectum eius, et que sit utilitas illius, et quam bonitatem adipiscatur per ipsam, ut sit ipsius audacia super illud super quod audet de scientiis secundum previsionem et cognitionem, non secundum ignorantiam et casum I fortuitum. Et per hunc quidem librum, potest homo comparationem facere inter scientias, et scire que sit melior, et que utilior, et que certior, et que firmior, et fortior, et que vilior, et infirmior, et debilior. Et per ipsum iterum fit iuvamentum in detegendo illum qui se iactat scire aliquam harum scientiarum, et non est ita. Nam cum queritur enunciare de summa que est in ipsa, et comprehendere partes eius, et summam que in unaquaque earum existit, et non potest, declaratur falsitas iactantie ipsius et detegitur eius deceptio. Et per ipsum iterum declaratur in eo qui bene scit aliquam scientiam ex eis, an bene scit ipsam totam, aut quasdam partes eius, et que sit quantitas quam bene scit. Et iuvatur per ipsum indagator plurium scientiarum, cuius intentio est comprehendere summam que est in omni scientia, et qui vult similari professoribus alicuius scientie, ut estimetur quod sit ex eis. idest sicut contingit illi qui incipit aliquid unde timet ne ad malum fi nem perveniat ut fuit (?). I

3 ipso ] sit add. P et del. P c

7 cognitionem ] cogitationem B 10 vilior ] et que inutilior add. B 11 fit ] scit G sit B 13 queri13 enunciare ] ab eo B 15 potest ] dare ratiotur ] querit G

nem add. B

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Über die Wissenschaften

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Der Nutzen aber, der sich aus dem ergibt, was in diesem Buch enthalten ist, besteht darin, daß jemand, der eine dieser Wissenschaften erlernen will und der sich in ihm [d. h. diesem Buch] umsieht, weiß, worauf er sich einläßt¹¹ und worin er sich umsieht und was dadurch, daß es in Augenschein genommen wird, erlangt wird, was der Nutzen dieser [Wissenschaft] ist und welche Fähigkeit durch sie erlangt wird, so daß sein Wagemut bezüglich dessen, was er in Hinsicht auf die Wissenschaften in Angriff nimmt, mit Umsicht und Einsicht und nicht mit Unwissenheit und dem reinen Zufall überlassen geschehen wird. I ¹² Mit diesem Buch kann jemand zwischen den Wissenschaften einen Vergleich anstellen und erfassen, welche von ihnen besser, nützlicher, sicherer, zuverlässiger und wirksamer ist und welche geringer an Wert, weniger zuverlässig und weniger wirksam ist. Durch es [d. h. dieses Buch] wird weiterhin eine Hilfestellung geleistet, jemanden, der sich rühmt, eine bestimmte Wissenschaft genau zu kennen, ohne daß dies der Fall ist, zu entlarven. Wenn nämlich von ihm gefordert wird, einen Überblick dessen, was in ihr enthalten ist, zu liefern und deren Teile zu beschreiben und ebenso einen Überblick dessen, was in jedem von diesen enthalten ist, und er dazu nicht in der Lage ist, wird die Falschheit seines Anspruchs offenbar und sein Täuschungsmanöver wird entlarvt. Weiterhin wird durch es [d. h. dieses Buch] bei jemandem, der eine dieser Wissenschaften genau kennt, offenbar, ob er sie in ihrer Gesamtheit genau kennt oder [nur] Teile derselben, und wie groß der Umfang dessen ist, was er genau kennt. Es unterstützt auch jenen, der mehrere Wissenschaften erforscht und dessen Absicht es ist, die Gesamtheit dessen zu erfassen, was in jeder einzelnen Wissenschaft enthalten ist, und der sich den Professoren einer Wissenschaft angleichen will, so daß er als einer von ihnen gilt. D. h., wie es jemandem widerfährt, der etwas beginnt, bei dem er fürchtet, daß es zu keinem guten Ende führt, wie es [schon] vorgekommen ist. I

 

  

Scientia lingue in summa, duorum est modorum. Quorum unus, est conservatio dictionum significantium apud gentem aliquam, et scientia eius quod unaqueque earum significat. Et secundus, est scientia canonum illarum dictionum. Et canones quidem in omni arte, sunt orationes universales, scilicet aggregative, in unaquaque quarum continentur res plures de illis quas ars illa comprehendit, donec veniant super omnes res I que sunt illi arti supposite, aut super plurimum earum. Et sunt preparate aut per eas contineatur illud quod est illius artis, ne ingrediatur in eam quod non est eius, aut removeatur ab ea quod est ipsius, aut ut per eas P vb experiatur id de quo non sit se|curitas quin aliquis in ipso iam erraverit, aut ut per eas fiat facile scire quod hec ars comprehendit, et servare illud. II Et res quidem singulares plures non fiunt artes aut in artibus, nisi quia comprehenduntur in canonibus advenientibus in anima hominis secundum ordinem notum. Et B rb illud est, sicut scriptura, et medicina, et agricultura, et archi tectura, et alie artium, active sint sive speculative. Et omnis oraG vb tio existens canon ¦ in arte aliqua, nominatur per id quod ipsa est canon, propter unum eorum que diximus, aut propter omnia. Quamobrem antiqui nominabant omne instrumentum facI II

Comprehendant. idest in memoria habere.

1 f. CAPITULU M … LINGUE ] Incipit capitulum primum de scientia lingue et partibus eius B 9 veniant super ] comprehendant B 19 artium ] sive add. G B 20 f. per id quod ipsa est ] om. B 21

propter ] unquam add. P et del. P c

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 

      Die Wissenschaft von der Sprache¹ umfaßt – zusammenfassend – zwei Bereiche. Der eine betriff t die Bewahrung² der bei einem bestimmten Volk [gebrauchten] bedeutungsvollen Ausdrücke ³ und die Kenntnis dessen, was ein jeder von ihnen bedeutet. Der zweite betriff t die Wissenschaft der Regeln⁴ für jene Ausdrücke. Regeln freilich sind in jeder Kunst allgemeine, also übergreifende, Aussagen, bei denen jede derselben mehrere von den Dingen enthält, die jene Kunst umfaßt, bis sie alle Dinge enthalten, I die Gegenstand jener Kunst sind, oder [wenigstens] die meisten von ihnen. Sie [d. h. diese Regeln] sind aufgestellt, um mit ihnen entweder das zu umgrenzen, was zu jener Kunst gehört, damit nicht etwas in sie eindringt, was nicht zu ihr gehört, oder etwas aus ihr entfernt wird, was zu ihr gehört, oder um mit ihnen eine Untersuchung über etwas zu unternehmen, bei dem es keine Sicherheit gibt, da dabei schon jemand einen Irrtum begangen hat, oder damit es durch sie leicht werde, zu wissen, was diese Kunst enthält und dies festzuhalten. II Die zahlreichen einzelnen Dinge werden nicht zu Künsten bzw. werden nicht in Künsten [erfaßt], außer insofern sie unter Regeln begriffen werden, die in der Seele des Menschen gemäß einer bekannten Ordnung auftreten. Dies verhält sich so wie z. B. in der Schrift[-Kunst], in der Medizin, in der Landwirtschaft, in der Architektur und in den anderen Künsten, seien diese nun praktisch oder theoretisch. ⁵ Jeder Satz, der als Regel in irgendeiner Kunst gegeben ist, wird aufgrund dessen, was er ist, als Regel bezeichnet wegen eines jener Dinge, die wir aufgeführt haben, oder wegen allen von ihnen. Deshalb nannten die Alten Regel jedes Instrument, ⁶ I II

Zu umfassen. Und im Gedächtnis zu bewahren.

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Capitulum I

tum ad experiendum illud in quo iam forsitan erravit sensus ex quantitate corporis, aut qualitate aut alio, sicut perpendiculum, et circinus, et regula, et pondera, canones. Et nominabant iterum aggregationes computationum, et tabulas stellarum, canones, et libros abbreviatos qui sunt positi libris prolixis, rememorationes, canones, quoniam sunt res parvi numeri, comprehendentes res plures. Et nos per hoc quod scimus eas, et servamus ipsas et sunt parvi numeri, scimus iam res pluris numeri. Et nunc quidem redeamus ad illud in quo fuimus. Et I dicamus quod dictionum significantium in lingua omnis gentis, duo sunt modi, scilicet simplices et composite. Simplices ergo, sunt sicut albedo et nigredo, et homo et animal. Et composite, sicut cum dicimus homo est animal, Socrates est albus. Et simplicium quidem, alie sunt que sunt nomina propria, sicut Socrates et Plato, et alie sunt que significant rerum genera et species earum, sicut homo et equus, et animal, et albedo et nigredo. Et simplicium significantium genera et species, alie sunt nomina et alie verba, et alie prepositiones. Et nominibus quidem et verbis accidunt masculinitas et femininitas, et singularitas, et dualitas, et pluralitas. Et verbo accidunt proprie tempora. Et sunt preteritum et presens et futurum. Et scientia quidem lingue apud omnem gentem dividitur in septem partes magnas, scilicet scientiam dictionum simplicium, et scientiam dictionum compositarum, et scientiam canonum I

vel ergo.

2 alio ] modo add. B 3 circinus ] circulum B 5 positi ] in add. G 6 canones ] canonum G 13 animal ] albus G 18 prepositiones ] sincathegoremata B 19 pluralitas ] G B pluritas P 22 omnem gentem ] omnes gentes G 23 septem ] [= »« arabico ] G VII B

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Über die Wissenschaft von der Sprache

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das zur Überprüfung dessen dient, bei dem die Sinneswahrnehmung vielleicht schon einen Irrtum in Hinsicht auf die Quantität oder die Qualität eines Körpers oder in Hinsicht auf irgend etwas anderes begangen hat, [solche Instrumente sind] z. B. das Lot, der Zirkel, das Lineal und die Gewichte. Sie nannten weiterhin Regeln die Zusammenstellungen von Berechnungen und die Tabellen der [Positionen der] Sterne, und ebenso die Bücher, die dazu dienen, als Kurzfassungen umfangreicher Bücher im Gedächtnis bewahrt zu werden, da sie Gegenstände von geringer Anzahl darstellen, die [doch] viele Gegenstände umfassen. Und dadurch, daß wir sie, obwohl sie von geringer Anzahl sind, erfassen und im Gedächtnis bewahren, erfassen wir schon Gegenstände einer größeren Anzahl. Jetzt aber kehren wir zu dem zurück, was wir vorher behandelt haben. Und I wir sagen, daß es in der Sprache eines jeden Volkes zwei Gruppen von bedeutungsvollen Ausdrücken gibt, nämlich einfache und zusammengesetzte. Einfache [Ausdrücke] sind z. B. Weißheit, Schwärze, Mensch und Lebewesen. Zusammengesetzte [Ausdrücke liegen vor], wenn wir z. B. sagen: Der Mensch ist ein Lebewesen, Sokrates ist weiß. Bei den einfachen [Ausdrükken] sind die einen Eigennamen, wie z. B. Sokrates und Plato,⁷ andere hingegen sind solche, die Gattungen und deren Arten bezeichnen, wie z. B. Mensch, Pferd, Lebewesen, Weißheit und Schwärze. Bei den Gattungen und Arten der einfachen bedeutungsvollen [Ausdrücke] ⁸ sind die einen Namen, andere sind Verben, und wieder andere sind Präpositionen.⁹ Die Nomina haben die Eigenschaft, männlich und weiblich zu sein, und im Singular, Dual¹⁰ und Plural zu stehen. Die besondere Eigenschaft der Verben sind die Zeiten, und diese sind die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft.¹¹ Die Wissenschaft von der Sprache wird bei allen Völkern in sieben große Teile eingeteilt:¹² die Wissenschaft von den einfachen Ausdrücken, die Wissenschaft von den zusammengesetzI

D. h.: Folglich.

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Capitulum I

dictionum, quando sunt simplices, et scientiam canonum dictionum quando componuntur, et canonum verificationis scripture, et canonum verificationis lectionis, et canonum versuum. Scientia ergo dictionum simplicium significantium comprehendit scientiam eius quod significat unaqueque dictionum simplicium significantium genera rerum et species earum et servationem I earum, et a quibus edocte sint, scilicet omnes proprie illi lingue, et intrantes in eam, et extranee ab ea, et famose apud eos omnes. Et scientia dicitionum compositarum, est scientia orationum que inveniuntur composite apud illam gentem. Et sunt ille quas fecerunt rethorici ipsorum et eorum versificatores, et cum quibus locuntur qui multum sapientes sunt apud eos. Et eorum elocutiones qui apud eos sunt famosi. Et earumque a quibus habentur, II et conservationis III earum prolixe sint aut breves, ponP ra derate sint sive non pon|derate. Et scientia quidem canonum dictionum simplicium, inquirit imprimis in litteris communibus, IV de numero earum, et unde egrediatur unaqueque earum instrumentis vocalibus, et de vocalibus earum et non vocalibus et de illis que ex ipsis componuntur in illa lingua, et de illis que non componuntur, et de illis earum que minus componuntur donec I II III IV

idest memoriam. idest scitur a quibus facte sunt ille dictiones. idest memorie. idest que sunt in qualibet gente.

6 f. servationem earum ] om. G scientiam servationis [sequitur lacuna ] B 7 et … omnes ] om. B 9 f. orationum ] dictionum G sermonum B 11 versificatores ] poete B 12 qui multum sapientes sunt ] exercitati B 12 f. Et … famosi ] et eloquentes et famosi B 15 ponc derate ] sunt add. P et del. P 13–15 Et earumque … ponderate ] Et

scientia conservationis earum sive sint prolixe sive abbreviate et sive rithmice sive non rithmice. B 16 communibus ] om. B 17 unde … earum ] de loco formationis earum in B 18 non vocalibus ] consonantibus B 20 illis earum que minus componuntur ] minima eorum compositione B

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Über die Wissenschaft von der Sprache

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ten Ausdrücken, die Wissenschaft von den Regeln der Ausdrücke, wenn sie einfach sind, die Wissenschaft von den Regeln der Ausdrücke, wenn sie zusammengesetzt werden, die [Wissenschaft] von den Regeln der Berichtigung¹³ der Schrift, die der Regeln der Berichtigung der Lesung und die der Regeln der Verse. Die Wissenschaft der einfachen bedeutungsvollen Ausdrücke umfaßt die Wissenschaft davon, was jeder einzelne der einfachen bedeutungsvollen Ausdrücke bedeutet, also die Gattungen und Arten der Dinge, sowie die Bewahrung derselben, I dann, woher sie ihre Bedeutung haben, und dies betriff t alle jene, die dieser Sprache eigentümlich sind und in sie eingehen, und alle jene, die ihr fremd sind,¹⁴ und jene, die allen bekannt sind. Die Wissenschaft der zusammengesetzten Ausdrücke ist die Wissenschaft der Sätze, die bei einem bestimmten Volk als zusammengesetzte vorgefunden werden. Es sind diese jene [Sätze], die die Redner und Dichter desselben geschaffen haben und mit denen jene sich ausdrücken, die bei ihnen besonders kenntnisreich sind, sowie die Aussprüche jener, die bei ihnen berühmt sind.¹⁵ Des weiteren [betriff t dies die Kenntnis], von wem sie herrühren, II und dann die Bewahrung derselben, III seien sie nun lang oder kurz, gewichtet oder nicht gewichtet.¹⁶ Die Wissenschaft der Regeln der einfachen Ausdrücke erforscht vor allem die allgemein gebrauchten Buchstaben, IV deren Anzahl, und mit welchen Stimmwerkzeugen ein jeder von ihnen artikuliert wird, des weiteren die Vokale und die Nicht-Vokale¹⁷ sowie jene, die aus diesen in jener Sprache zusammengesetzt werden, und jene, die nicht zusammengesetzt werden, und jene, die weniger zusammengesetzt werden, bis dann daraus ein bedeutungsvol-

I II III IV

D. h. [im] Gedächtnis. D. h., es ist bekannt, von wem jene Ausdrücke herrühren. D. h. die Erinnerung im Gedächtnis. D. h. jene, die bei dem jeweiligen Volk gebraucht werden.

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Capitulum I

proveniat ab eis dictio significans, et de eis I que plurimum componuntur, et de litteris essentialibus que non permutantur in constitutione dictionis apud accidentia dictionum ex dualitate, et pluralitate, et masculinitate et femininitate, et derivatione et aliis, et de litteris quibus fit alteratio dictionum apud accidentia, et de litteris que occultantur cum sibi obviant. Deinde post hoc, dat canones exemplorum dictionum simplicium, et distinG ra guit inter exempla primitivarum que non sunt derivata ex ¦ aliquo, et inter ea que sunt derivata. Et dat exempla specierum dictionum derivatarum, et distinguit in exemplis primis inter illas que ex eis sunt masdurum, et sunt ille ex quibus fit verbum, II et inter illas que ex eis non sunt masdurin III verbi, et qualiter alternantur almasdur donec fiant verba. Et dat species exemplorum B va verbi, et qualiter procedunt cum verbo, donec fiat imperativum, et neien IV et quod est homogeneum illius. Et speculatur in speciebus quantitatis earum. Et sunt ternitas, et quaternitas, et que sunt plures eis, et dupla earum et non dupla, et in qualitate earum. Et sunt integre earum et corrupte. Et docet quomodo fit totum illud apud masculinitatem et femininitatem, et dualitatem, et plurialitatem, et in personis verbi, et in temporibus eius omnibus. Et persone quidem sunt ego, et tu, et ille et ipse. Deinde inquirit de dictionibus quas proferre est difficile impriillis. II idest verbalia. III idest facientes verbum. IV imperativum dicitur verbum apud arabes cum sit locutio subiecto, et nein cum aequali vel maiore, et fit exortando. I

1 significans ] significativa B 11 masdurum ] modorum (!) G verbalia B 11 fit verbum ] fiunt verba B 12 masdurin ] modorum (!) G verbalia B 12 que ex eis … verbi ] que non sunt verbalia B 13 almasdur ] almas durum (!) G verbalia B 14 procedunt ] pro15 neien ] aut prohibitivum B 18 earum et ] vel B ceditur B 18 docet ] verificat B 20 pluralitatem ] G B pluritatem P 22 dif-

ficile ] possibile G

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Über die Wissenschaft von der Sprache

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ler Ausdruck hervorgeht, sowie jene, I die aus mehreren zusammengesetzt werden. Weiterhin [behandelt sie] die wesentlichen Buchstaben, die beim Aufbau eines Ausdrucks durch die Akzidenzien¹⁸ der Ausdrücke, also durch Dualität, Pluralität, Maskulinität und Femininität sowie durch Ableitung und anderes nicht verändert werden, und die Buchstaben, bei denen eine Veränderung der Ausdrücke durch die Akzidenzien stattfindet, und die Buchstaben, die verschwinden, wenn sie aufeinandertreffen.¹⁹ Danach liefert sie Regeln der Beispiele der einfachen Ausdrücke, wobei sie die Beispiele der einfachen Ausdrücke, die nicht von irgendeinem anderen [Ausdruck] abgeleitet sind, von jenen unterscheidet, die abgeleitet sind. ²⁰ Sie liefert Beispiele der Arten der abgeleiteten Ausdrücke, und sie unterscheidet bei den Beispielen der einfachen [Ausdrücke] zwischen jenen von ihnen, die ein masdurum II ²¹ sind, und dies sind jene, aus denen ein Verb hervorgeht, und jenen, die nicht masdurin III eines Verbs sind, und in welcher Weise die almasdur verändert werden, bis daraus Verben hervorgehen. ²² Und sie liefert Beispiele des Verbs und wie vorgegangen wird, damit ein Imperativ hervorgeht, und neien IV ²³ [hervorgeht] und das, was mit jenem homogen ist. Sie behandelt die Arten der Anzahl derselben [d. h. der Buchstaben]. ²⁴ Diese sind die Dreizahl, die Vierzahl und jene, die mehr als diese sind, weiterhin die Doppelten und die Nicht-Doppelten, ²⁵ ebenso die Qualität derselben, und da gibt es vollständige und unvollständige. ²⁶ Sie lehrt auch, wie all dies in Hinsicht auf die Maskulinität, die Femininität, ²⁷ den Dual und den Plural auf die Personen des Verbs und auf alle seine Zeiten bezogen wird. ²⁸ Die Personen sind [z. B.] ich und du, jener und er.²⁹ Und schließlich untersucht sie jene Ausdrücke, deren Aussprache schwierig ist, Diese. D. h. Verbalien. III D. h., die ein Verb bilden. IV Imperativ wird bei den Arabern eine Rede genannt, die sich an einen Untergebenen richtet, und nein eine, die sich an einen Gleich- oder Höhergestellten richtet, und dies geschieht durch Ermunterung. I

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Capitulum I

mis cum componuntur, quare alterantur donec fiat facile proferre eas. Et scientie canonum dictionum quando componuntur, duo sunt modi. Quorum unus dat canones extremitatum nominum, et verborum quando componuntur aut ordinantur. Et secundus dat canones in dispositionibus compositionis et ordinationis ipsius quomodo sunt in illa lingua. Et scientia quidem canonum extremitatum, est illa quae nominatur apud arabes scientia grammatice. Ipsa namque docet quod extremitates I non sunt imprimis, nisi nominibus, deinde verbis. Et quod extremitatum nominum alie sunt que sunt in principiis earum sicut elif et lem II cognitionis in arabico, aut quod stat loco earum in reliquis linguis, et alie sunt que sunt in finibus earum, et sunt extremitates postreme. Et ille quidem sunt que nominantur littere declinationis, et quod verbo non sunt extremitates prime, et quod non sunt ei nisi extremitates postreme. Et extremitates quidem postreme in nominibus et verbo, sunt in arabico sicut atenuiet III tres, et motus tres, et algesma, et res alia si amministratur in

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idest terminationes per casum quibus inflectuntur per casus. Elif et lem apud arabes iste due littere coniunguntur et fit inde unus 20 articulus, scilicet al et preponitur dictionibus ad cognitionem faciendam. III Tenuiet etc. Sciendum est apud arabes tres virgulas esse quarum quedam superponuntur in fi ne dictionum et alie supponuntur, et sunt iste figure earum j et significat superior a, et media u vel o, et inferior i. 25 Et cum sunt ita sole, dicuntur motus, et cum duplantur dicuntur tenuiet. Et gesma est figura huiusmodi ° significans quod precedens littera cum sequenti proferenda. I

II

1 componuntur ] G ponuntur P B 1 fiat facile ] sit add. P et del. P c 4 extremitatum ] ex extremitatis P c 5 aut ] et G 11 elif et

lem ] articula prepositionis qui dicuntur in arabico elyflem scilicet al B 17 atenuiet ] atheniis (?) G attemueti (!) B 18 algesma ] gesma B

Über die Wissenschaft von der Sprache

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besonders dann, wenn sie zusammengesetzt werden, weshalb sie so lange verändert werden, bis ihre Aussprache leicht wird. ³⁰ Die Wissenschaft der Regeln der zusammengesetzten Ausdrücke umfaßt zwei Bereiche. In einem derselben werden die Regeln der Endungen der Namen und Verben geliefert, wenn sie zusammengesetzt bzw. einander zugeordnet werden. Im zweiten werden die Regeln für die Anordnung der Zusammensetzung und Zuordnung, wie sie in der jeweiligen Sprache gegeben sind, geliefert. Die Wissenschaft der Regeln für die Endungen ist jene, die bei den Arabern die Wissenschaft der Grammatik genannt wird. ³¹ Diese lehrt nämlich, daß die Endungen vor allem und zunächst einmal bei den Namen vorkommen, I dann bei den Verben³² und daß bei den Endungen der Namen die einen am vorderen Ende derselben stehen, wie z. B. im Arabischen das elif und lem II ³³ der Kennzeichnung³⁴ oder was eben an deren Stelle in den anderen Sprachen steht, während die anderen jene sind, die am Ende derselben stehen, und dies sind die Schluß-Endungen, die Deklinations-Buchstaben genannt werden. ³⁵ Beim Verb gibt es keine Endungen am vorderen Ende, sondern nur SchlußEndungen. ³⁶ Im Arabischen gibt es bei den Namen und beim Verb Schluß-Endungen, wie z. B. die drei atenuiet, III ³⁷ die drei Bewegungen, ³⁸ das algesma ³⁹ und anderes, wenn eine Endung D. h., Endungen für den Fall, durch die sie in Hinsicht auf die Fälle gebeugt werden. II Die Buchstaben elif und lem werden bei den Arabern verbunden, so daß sich daraus dann ein Artikel ergibt, nämlich al, und dieser wird den Ausdrücken vorangestellt, um eine Kennzeichnung herzustellen. III Tenuiet usw. Man muß wissen, daß es bei den Arabern drei Strichzeichen gibt, von denen einige am Ende der Ausdrücke darüber- und andere daruntergesetzt werden, und dies sind die Figuren derselben: j [der Strich] darüber bedeutet a, der mittlere u bzw. o, der darunter i. Und da es nur diese gibt, werden sie Bewegung genannt, und wenn sie verdoppelt werden, werden sie tenuiet genannt. Und gesma ist die Figur des °, die bedeutet, daß der vorausgehende Buchstabe mit dem folgenden auszusprechen ist. I

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Capitulum I

lingua arabica extremitas. Et docet quod de dictionibus sunt que non declinantur in extremitatibus omnibus, immo non sunt constitute nisi super extremitatem unam tantum, in omnibus P rb dispositioni|bus in quibus declinantur alie dictionum, et alie sunt que declinantur in quibusdam earum et in quibusdam non, et alie sunt que declinantur in omnibus earum. Et comprehendit extremitates omnes. Et distinguit extremitates nominum ab extremitatibus verbi. Et comprehendit omnes dispositiones in quibus declinantur nomina declinabilia, et omnes dispositiones in quibus declinantur verba, deinde docet in quibus dispositionibus accidit unicuique nominum et verbo que extremitas. Venit ergo imprimis ad comprehendendam unamquamque dispositionum nominum singularium declinabilium, que accidit eis in omni qualibet dispositione cuiuslibet extremitatum nominum, deinde dat simile illius in nominibus dualibus, et pluralibus. Deinde dat illius simile in verbo singulari, et in duali, et plurali, usquequo comprehendat dispositiones in quibus permutantur extremitates in verbis que posite sunt eis, deinde docet nomina que declinantur in quibusdam extremitatibus, et in quibus declinantur, et in G rb quibus non declinantur. Postea docet nomina ¦ quorum unumquodque constitutum est super extremitatem unam tantum, et quod editum est super quam extremitatem, et que sint prepositiones. Quod si fuerit eorum consuetudo, ut unaqueque earum sit edita super extremitatem unam, aut quedam earum super unam tantum, et quedam earum declinentur, in aliqua extremitatum, docet totum illud. Et si invente fuerint eis dictiones in esse quarum dubitetur an sint prepositiones, aut nomina aut verba, aut immaginetur in eis quod quedam earum simillantur nominibus, 1 et res … arabica ] et si qua sit altera in arabico B 16 et in duali ] om. B 22 extremitatem ] extremitatum tantum G 22 f. prepositiones ] syncathegoremata B 23 f. unaqueque earum sit edita ] unumquodque eorum sit editum B 24 quedam earum ] quod25 quedam earum declinentur ] quoddam eorum dam eorum B declinetur B 27 prepositiones ] syncathegoremata B

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Über die Wissenschaft von der Sprache

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in der arabischen Sprache angewandt wird. Sie [d. h. die Grammatik] lehrt auch, daß es Ausdrücke gibt, die nicht mit allen Endungen dekliniert werden,⁴⁰ sondern in allen Anordnungen nur mit einer der Endungen konstruiert sind,⁴¹ mit denen andere Ausdrücke dekliniert werden, während es andere gibt, die mit einigen dekliniert werden und mit einigen nicht [dekliniert werden],⁴² und wiederum andere, die mit allen dekliniert werden. Sie [d. h. die Grammatik] behandelt alle Endungen, und sie unterscheidet die Endungen der Namen von den Endungen des Verbs. Sie umfaßt alle Anordnungen, mit denen die deklinierbaren Namen dekliniert werden, und alle Anordnungen, mit denen die Verben konjugiert werden, und sie lehrt dann, mit welchen Anordnungen einem jeden der Namen und einem jeden Verb welche Endung zukommt. Sie gelangt folglich vor allem zur Zusammenfassung der Anordnungen der deklinierbaren Namen im Singular, die ihnen in einer beliebigen Anordnung der Endungen der Namen zukommen, und dann liefert sie das Entsprechende für die Namen im Dual und im Plural. Im folgenden liefert sie das Entsprechende für das Verb im Singular, im Dual, und im Plural, bis sie [alle] die Anordnungen umfaßt, mit denen die Endungen bei den Verben verändert werden, die bei ihnen gesetzt werden. Schließlich lehrt sie bei den Namen, die mit gewissen Endungen dekliniert werden, in welchen [Anordnungen] sie dekliniert werden und in welchen nicht. Dann lehrt sie, welche Namen nur mit einer Endung konstruiert werden und was für jeweils welche Endung festgelegt ist und welche Präpositionen es gibt. Sie lehrt, daß es bei diesen [d. h. den Namen] gewöhnlich zutriff t, daß jede von ihnen [d. h. von den Deklinationsendungen] auf eine [jeweils verschiedene] Endung festgelegt ist, oder einige von ihnen auf nur eine Endung, und daß einige von ihnen mit einigen der Endungen dekliniert werden.⁴³ Wenn unter ihnen Ausdrücke gefunden werden, bei denen ein Zweifel auftritt, ob sie Präpositionen, Namen oder Verben sind,⁴⁴ und wenn man meint, daß einige von ihnen Namen, andere wiederum Verben ähnlich scheinen, so ist erforderlich, daß

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Capitulum I

et quedam simillantur verbis, indiget ut doceat que istarum currant cursu nominum, et in quibus extremitatum suarum decliB vb nantur, et que earum currant cursu verbi, et in quibus extremitatum suarum declinantur. Modus autem qui dat regulas compositionis ipsius, declarat imprimis qualiter componantur dictiones, et ordinentur in illa lingua, et secundum quot species donec fiant orationes. Deinde declarat, que est compositio et ordinatio melior in illa lingua. Et scientia quidem canonum scripture, declarat imprimis que scribantur in lineis de litteris eorum, et que non scribantur, deinde declarat in eis que scribuntur in lineis, qualis sit via sua ad hoc ut scribantur. Et scientia quidem verificandi lectionem, docet loca punctorum, et signorum que ponuntur litteris apud eos, scilicet eis que non scribuntur in lineis litterarum eorum, et signorum, quibus discernitur inter litteras communes, et signa que ponuntur litteris que cum sibi obviant, occultantur quedam in quibusdam, aut auferuntur quedam propter quasdam, et signa que ponuntur apud eos cesuris orationum. Et discernit signa cesurarum parvarum a signis cesurarum mediarum et magnarum. Et declarat signa maliciarum dictionum et orationum ligatarum, et quarum quedam minuunt quasdam, et proprie quando elongatur quod est inter eas. Et scientie quidem canonum versuum secundum modum qui P va con|venit scientie lingue, tres sunt partes. Quarum una comprehendit pondera usitata in versibus eorum, simplicia sint pondera sive composita, deinde comprehendit compositionem litte-

13 verificandi ] verificans B 14 scilicet ] add. interlin. P c 19 orationum ] dictionum G 21 maliciarum ] [error manuscripti arabici ?] 21 quarum ] quare G 26 eorum ] an add. G sive add. B

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Über die Wissenschaft von der Sprache

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sie [d. h. die Grammatik] lehrt, welche von ihnen gewöhnlich als Namen in Umlauf sind und mit welchen Endungen sie dekliniert werden und welche von ihnen gewöhnlich als Verben in Umlauf sind und mit welchen Endungen sie konjugiert werden. Der Bereich [der Wissenschaft der Sprache], in dem die Regeln der Zusammensetzung geliefert werden, erklärt vor allem in welcher Art und Weise in einer bestimmten Sprache Ausdrücke zusammengesetzt und zusammengeordnet werden und auf wie viele Arten und Weisen [dies geschieht], bis sich schließlich Sätze ergeben.⁴⁵ Dann erklärt sie, welche die bessere Zusammensetzung und Ordnung in dieser Sprache ist.⁴⁶ Die Wissenschaft der Regeln⁴⁷ der Schrift erklärt vor allem, welche Buchstaben auf den Linien geschrieben werden und welche nicht so geschrieben werden. Dann erklärt sie bei jenen, die auf den Linien geschrieben werden, welches die Verfahrensweise ist, damit sie [richtig] geschrieben werden.⁴⁸ Die Wissenschaft des richtigen Lesens ⁴⁹ lehrt die Orte der Punkte und der Zeichen, die bei den Buchstaben hinzugesetzt werden, nämlich jener, ⁵⁰ die nicht innerhalb der Linien der Buchstaben geschrieben werden, ⁵¹ und der Zeichen, mit denen zwischen gewöhnlichen Buchstaben unterschieden wird, ⁵² und Zeichen, die bei Buchstaben gesetzt werden, die, wenn sie aufeinandertreffen, die einen in den anderen verbergen oder die einen wegen der anderen weglassen, ⁵³ und Zeichen, die zu ihnen für die Trennungen der Sätze hinzugesetzt werden. Und sie unterscheidet die Zeichen der kleinen Trennungen von den Zeichen der mittleren und großen Trennungen. ⁵⁴ Und sie erklärt die Zeichen der unkorrekten⁵⁵ Verbindungen von Ausdrücken und von Sätzen und welche von ihnen welche andere verkürzen und wann genau das, was zwischen ihnen ist, verlängert wird. Die Wissenschaft der Regeln⁵⁶ der Verse ⁵⁷ gemäß der Weise, die der Wissenschaft von der Sprache entspricht, hat drei Teile. Einer dieser Teile umfaßt die Gewichtungen, ⁵⁸ die in den Versen verwendet werden, seien diese Gewichtungen nun einfach oder zusammengesetzt. Dann umfaßt sie die Zusammensetzung

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Capitulum I

rarum almuagemmati, I ex unaquaque specie quarum, provenit unumquodque ponderum eorum, et sunt que dicuntur apud arabes cause et radices, et apud grecos cesure et pedes. Deinde inquirit de quantitatibus versuum, et imnorum, et ex quantis litteris, et cesuris completur metrum in unoquoque pondere, deinde discernit pondera completa a diminutis, et que pondera sunt pulcriora, et meliora, et delectabiliora ad audiendum. Et pars quidem secunda est aspectus in finibus versuum, scilicet unoquoque pondere, quis eorum sit secundum modum unum, et qui eorum sint secundum modos plures. Et de istis, quis sit completus, et quis additus, et quis diminutus, et qui fines serventur cum una et eadem littera in versibus omnibus, II et qui eorum cum litteris pluribus una in imnis, et quot plures littere sunt que sunt fines versuum apud eos, deinde docet de illis qui sunt cum litteris pluribus an liceat ut permutentur de loco quarumdam litterarum, alie equales eis in tempore quo proferuntur, aut non. Et declarat in istis, quarum litterarum est via ut serventur eedem in imno toto, et de quibus earum licet ut permutentur cum litteris equalibus eis in tempore. Et pars quidem tertia inquirit de eo quod est conveniens ut G va utatur ¦ in versibus ex dictionibus apud eos de illis quibus non est conveniens uti in oratione que non est versus. Hec est ergo summa eius quod est in unaquaque partium scientie lingue. I II

idest alfabet. idest una littera in fi nibus omnium versuum.

1 almuagemmati ] aluma gemmiati G alfabeti B 1 provenit ] G B pervenit P 4 quantitatibus ] quantitate G 4 imnorum ] ymnorum et ricinorum [recte: ritmorum ? ] G metrorum B 8 f. scilicet ] add. c interl. P 13 in imnis ] P in ymnis G om. B 13 quot ] qui G quod B 18 imno ] hymno G uno B 22 oratione ] dictione G

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der Buchstaben des almuagemmati, I ⁵⁹ von denen jede eine bestimmte Gewichtung ergibt, die bei den Arabern Ursachen und Wurzeln ⁶⁰ genannt werden, bei den Griechen hingegen Zäsuren ⁶¹ und Füße. Dann erforscht sie die Quantität der Verse und der Hymnen ⁶² und aufgrund von wie vielen Buchstaben und Zäsuren ein Maß ⁶³ in jeder Gewichtung vollständig ist, ⁶⁴ dann unterscheidet sie die vollständigen von den verminderten ⁶⁵ Gewichtungen und welche Gewichtungen schöner, besser und zum Anhören erfreulicher sind.⁶⁶ Der zweite Teil ⁶⁷ betriff t die Betrachtung der Versenden in jeder der Gewichtungen, welche von ihnen gemäß nur einer Weise ist und welche von ihnen gemäß mehreren Weisen sind. Weiterhin, welche vollständig, welche erweitert und welche vermindert ist und welche Endformen mit ein und demselben Buchstaben in allen Versen⁶⁸ gewahrt werden II und welche von ihnen mit mehreren Buchstaben jeweils in einem Hymnus ⁶⁹ und was die größtmögliche Zahl der Buchstaben ist, die es bei ihnen als Versenden gibt. Dann lehrt sie bei jenen, die mit mehreren Buchstaben [gebildet] sind, ob es erlaubt ist, daß an die Stelle verschiedener Buchstaben verändernd andere gesetzt werden, die in Hinsicht auf das Zeitmaß des Aussprechens mit ihnen gleich sind, oder ob dies nicht erlaubt ist. Sie erklärt, bei welchen Buchstaben es einen Weg gibt, so daß ein und dieselben in einem ganzen Hymnus gewahrt bleiben, und bei welchen von ihnen es erlaubt ist, daß sie mit Buchstaben, mit denen sie in Hinsicht auf das Zeitmaß gleich sind, vertauscht werden dürfen.⁷⁰ Im dritten Teil wird erforscht, daß es Ausdrücke gibt, bei denen es angemessen ist, daß sie in einer Versrede verwendet werden, bei denen es aber nicht angemessen ist, daß sie in einer Rede Verwendung finden, die kein Vers ist.⁷¹ Dies also ist die Zusammenfassung dessen, was in einem jeden Teil der Wissenschaft von der Sprache behandelt wird. I II

D. h. des Alphabets. D. h.: ein Buchstabe an den Enden aller Verse.

 

  

Enunciabimus itaque summatim quod est in ea, deinde eius utilitatem, postea ipsius subiecta, deinde intentionem ethimologie nominis eius, postea comprehendemus partes ipsius, et summam que in unaquaque earum existit. Ars igitur dialetice in summa dat canones quorum est proprietas rectificare rationem et dirigere hominem ad viam rectitudinis, et ad veritatem in omni in quo est possibile ut error cadat ex rationatis, et canones qui custodiant ipsum et defendant ab errore qui provenit ignoranter, et errore qui fit cum industria in rationatis, et canones quibus experitur in rationatis illud de quo non sit securitas quin iam aliquis in ipso erraverit. Et illud est, B ra quoniam de rationatis sunt res in quibus numquam est possibile rationi errare, et sunt ille super quarum cognitionem et verificationem, homo invenit animam suam quasi creatam, sicut quod totum est maius suis partibus et quod omnis ternarius est numerus impar, et res alie in quibus est ut erret et avertatur a veritate, ad illud quod non est verum, et sunt illa quorum proprietas est ut comprehendantur cogitatione et consideratione vehementi et ratiocinatione, et significatione. In istis ergo sine illis, indiget homo qui querit stare super veritatem certam in omnibus suis inquisitionibus, regulis dialetice.

2 DI A LETICE ] logices B 4 ethimologie ] et ethimologiam B 7 dialetice ] dyalectice G dyaletica B (in G et B semper dyaletica) 7 f. proprietas ] est add. P 12 rationatis ] ratiocinatis sic saepe B 17 suis partibus ] sua parte G 18 est ] possibile add. B 18 veric 20 et ] a add. P 21 sine illis ] sive tate ] et est add. P et del. P

illis G om. B

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 

    

Wir werden also zusammenfassend darstellen, was in ihr [d. h. der Logik] enthalten ist, dann ihren Nutzen, weiterhin ihre Gegenstände, dann den Sinn der Etymologie ihres Namens und schließlich werden wir ihre Teile aufzählen und eine Zusammenfassung dessen liefern, was in jedem von ihnen enthalten ist.¹ Die Kunst der Logik ² liefert zusammenfassend Regeln, deren Kennzeichen es ist, die Vernunft³ zu berichtigen und den Menschen auf den Weg der Korrektheit und zur Wahrheit⁴ bei allem zu führen, wo es möglich ist, daß ein Irrtum bei den Vernunftgehalten⁵ auftritt, und [sie liefert] Regeln, die ihn schützen und vor einem Irrtum bewahren, der unwissentlich entsteht, und vor einem Irrtum, der absichtlich bei den Vernunftgehalten hervorgerufen wird, und [sie liefert] Regeln, durch die bei den Vernunftgehalten das überprüft wird, bei dem es keine Sicherheit gibt, da dabei jemand schon einen Irrtum begangen hat.⁶ Dies ist so, weil es bei den Vernunftgehalten Dinge gibt, bei denen die Vernunft niemals irren kann, und dies sind jene, deren Erkenntnis und deren Nachweis der Wahrheit der Mensch gleichsam in seiner Seele [ein]geschaffen vorfindet,⁷ wie z. B., daß das Ganze größer ist als seine Teile und daß die Dreizahl eine ungerade Zahl ist.⁸ Es gibt andere Dinge, bei denen es möglich ist, daß sie [d. h. die Seele] irrt und von der Wahrheit abgewendet wird auf das hin, was nicht wahr ist, und dies sind jene, deren Kennzeichen es ist, daß sie durch stürmisches Denken und Überlegen erfaßt werden, und zwar durch Vernunftüberlegung und [Interpretation der] Bedeutung.⁹ Bei diesen folglich – und nicht bei den ersteren – benötigt der Mensch, der eine gesicherte Wahrheit bei allen seinen Untersuchungen anstrebt, die logischen Regeln.

24 P vb

Capitulum II

| Et hec quidem ars proportionatur arti grammatice. Et illud est, quia proportio artis dialetice ad rationem et rationata, est sicut proportio artis grammatice ad linguam et dictiones. Totum igitur quod dat nobis scientia grammatice ex canonibus in dictionibus, scientia dialetice dat nobis eius compar in rationatis. Et proportionatur iterum scientie alhorod. I Proportio enim scientie dialetice ad rationata, est sicut proportio alhorod ad pondera versuum. Et totum quod nobis dat scientia alhorod ex canonibus in ponderibus versuum, eius compar dat nobis scientia dialetice in rationatis. Et iterum canones dialetici qui sunt instrumenta quibus experitur in rationatis de quibus non est securitas quin ratio iam erraverit in eis et defecerit in comprehensione veritatis eorum, sunt similes ponderibus et mensuris que sunt instrumenta cum quibus experitur in pluribus corporum de quibus non est securitas quin sensus iam erraverit aut defecerit in comprehensione mensurationis eorum, et sicut regule quibus experitur in lineis de quibus non existit securitas quin sensus iam erraverit aut defecerit in comprehensione rectitudinis earum. Et sicut circinus quo experitur in lineis de quibus non est securitas quin sensus iam erraverit aut defecerit in comprehensione rotunditatis earum. Hec est ergo summa intentionis dialetice, et declaratur ex intentione eius, maxima utilitas. Et illud, in omni cuius veriI

idest de ponderibus versuum.

1 hec ] hic P del. et hec add. interlin. P c 2 rationata ] ratioci6 alhorod ] athorod G ponderum metri B 7 alnationem G c horod ] ex alhahorod P ponderum metri B 7 f. versuum ] metri (?) B 8 alhorod ] alborod G ponderum metri B 9 ponderibus ] ponde9 versuum ] metri B 17 lineis ] harmoniis (?) G rantibus G 18 comprehensione ] mensurationis add. P et del. P c 19 lineis ] ha20 rotunditatis ] rectitudinis G renis (= harmoniis ?) G

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Diese Kunst wird nun in ein Verhältnis zur Grammatik gesetzt.¹⁰ Dies ist deshalb der Fall, weil das Verhältnis der Kunst der Logik zur Vernunft und zu den Vernunftgehalten genau so ist wie das Verhältnis der Kunst der Grammatik zur Sprache und zu den sprachlichen Ausdrücken. Die Gesamtheit dessen, was uns die Wissenschaft der Grammatik durch die Regeln im Bereich der sprachlichen Ausdrücke liefert, das liefert uns deren Gegenstück, die Wissenschaft der Logik, im Bereich der Vernunftgehalte. Sie [d. h. die Logik] steht des weiteren in einem Verhältnis zur Wissenschaft des alhorod.I ¹¹ Das Verhältnis der Wissenschaft der Logik zu den Vernunftgehalten ist nämlich genau so wie das Verhältnis des alhorod zu den Versmaßen. Und die Gesamtheit dessen, was uns die Wissenschaft des alhorod durch die Regeln im Bereich der Versmaße liefert, das liefert uns deren Gegenstück, die Wissenschaft der Logik, im Bereich der Vernunftgehalte.¹² Des weiteren: Die logischen Regeln, die die Instrumente sind, mit denen die Vernunftgehalte überprüft werden, bei denen es keine Sicherheit gibt, daß die Vernunft dabei nicht schon geirrt und beim Begreifen der Wahrheit gefehlt hat, sind den Gewichten und Maßen ähnlich, die die Instrumente sind, mit denen die meisten Körper überprüft werden, bei denen es keine Sicherheit gibt, daß die Sinneswahrnehmung dabei nicht schon geirrt oder beim Begreifen des Maßes derselben gefehlt hat; und sie verhalten sich so wie die Regeln, mit denen Linien überprüft werden, bei denen es keine Sicherheit gibt, daß die Sinneswahrnehmung dabei nicht schon geirrt oder beim Begreifen der Richtigkeit gefehlt hat, und wie der Zirkel, mit dem Linien überprüft werden, bei denen es keine Sicherheit gibt, daß die Sinneswahrnehmung dabei nicht schon geirrt oder beim Begreifen der Rundheit derselben gefehlt hat. Dies also ist die Zusammenfassung der Zielsetzung der Logik, und aus dieser Zielsetzung erklärt sich der überaus große Nutzen derselben. Und

I

D. h.: Über die Gewichtungen der Verse.

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Capitulum II

ficationem querimus apud nos, et in eo cuius verificationem querimus apud alios, et in eo cuius verificationem querunt alii apud nos. Nam cum fuerint apud nos canones illi, et quesiverimus invenire illud quod quesitum est et verificationem eius apud nos, non absolvemus mentes nostras in inquisitione eius quod verificamus solute procedentes in res indefinitas, et conantes incedere ad illas undecumque accidat, et ex partibus que forsitan facient nos errare et estimare in eo quod non est verum quod est verum, G vb et non percipiemus illud, immo ¦ oportet ut iam sciamus qua via oporteat nos ire ad illud et secundum quam rerum incedemus, et unde incipiemus in incessu, et qualiter ultime procedemus cum mentibus nostris super unamqamque rem ex eis usque quo perveniamus procul dubio ad nostrum inquisitum. Et cum hoc erimus iam scientes omnes res facientes nos errare et regentes super nos, I et cavebimus ab illis apud nostram incessionem. Et tunc quidem verificabitur in eo quod invenimus, quod invenimus in eo veritatem, et non erravimus. Et cum viderimus rem aliquam quam invenimus, et immaginabitur nobis quod iam erravimus in ea, experiemur eam statim. Et si fuerit in ea error, percipiemus ipsum, et rectificabimus locum erroris facile. Et illa quidem erit B rb dispositio nostra in eo cuius verificationem querimus apud alios. Nam nos non verificamus sententiam apud alios, nisi cum rebus P ra et viis similibus illis quibus verificamus eam apud nos. | Quod si I

scilicet veritatem.

6 solute ] absolute B

14 nos ] scilicet veritatem B 15 incessio16 quod invenimus ] om. G B 16 f. in nem ] G B incesionem P eo ] om. G 18 immaginabitur ] ymaginabitur sic semper G B (simi-

liter in G et B semper ymago)

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dies gilt für alles, dessen Überprüfung wir bei uns wünschen, und für alles, dessen Überprüfung wir bei anderen wünschen, und für das, dessen Überprüfung andere bei uns wünschen. Wenn wir nämlich über diese Regeln verfügen, und wenn wir das, was gesucht wird, auffinden und überprüfen wollen, dann werden wir unseren Geist bei der Erforschung dessen, was wir überprüfen, nicht umherschweifen lassen, indem wir zügellos auf nicht klar umgrenzte Dinge zugehen und versuchen, zu ihnen zu gelangen, von wo aus es sich eben gerade ergibt, und die Sache von einer Seite angehen, die uns vielleicht zu einem Irrtum verleitet und uns meinen läßt, daß etwas, das wahr ist, nicht wahr ist und wir dies nicht bemerken. Vielmehr ist es erforderlich, daß wir schon wissen, auf welchem Weg wir vorangehen sollen und gemäß welcher Kenntnis der Dinge und von wo aus wir bei unserem Vorgehen beginnen sollen und wie wir letztlich mit unserem Geist bei jedem einzelnen der Dinge vorangehen sollen, bis wir zu dem von uns Gesuchten gelangen, ohne daß ein Zweifel übrigbleibt. Und mit diesem Verfahren werden wir alle Dinge erkennen, die uns zu einem Irrtum verleiten und die über uns I Macht ausüben, und wir werden uns vor ihnen bei unserem Vorgehen hüten. Dann allerdings wird sich bei dem, was wir gefunden haben, erweisen, daß wir in ihm eine Wahrheit gefunden und nicht einen Irrtum begangen haben. Wenn wir aber etwas sehen, das wir gefunden haben, und wir den Eindruck haben, daß wir dabei einen Irrtum begangen haben, werden wir dies sofort bemerken. Und wenn dabei ein Irrtum vorliegt, werden wir ihn wahrnehmen und mit Leichtigkeit die Stelle des Irrtums berichtigen. Und dies wird auch unser Verfahren sein bei etwas, dessen Überprüfung wir bei anderen wünschen.¹³ Denn wir überprüfen eine Auffassung¹⁴ von anderen nur mit Vorgangsweisen und Methoden,¹⁵ die jenen ähnlich sind, mit denen wir solche auch bei uns selbst überprüfen. Wenn je-

I

D. h. die Wahrheit.

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Capitulum II

aliquis infestaverit nos in argumentationibus et orationibus quibus loquimur in verificatione illius sententie apud eum, et quesiverit a nobis modum verificationis illius ei, et quomodo facte sunt ad verificandum illam sententiam non ad verificandum contrarium ipsius, et quare facte sunt digniores aliis ad verificandam illam sententiam, poterimus declarare illi omnia illa. Et similiter quando voluerint alii verificare apud nos sententiam aliquam, erit nobiscum quo experiamur orationes et argumentationes eorum quibus conantur verificare illam sententiam. Quod si fuerint in veritate verificantes, declarabitur ex quo modo verificetur per eas. Quare recipiemus illud quod inde recipiemus a scientia et provisione. Et si aliquis errare fecerit I aut erraverit, II declarabitur ex quo modo errare fecit, aut erravit. Quare destruemus quod destruemus inde a scientia et provisione. Et si nos ignoraverimus dialeticam, erit nostra dispositio in omnibus illis rebus econverso, et secundum contrarium. Et maius toto illo et turpius et magis horrendum et dignius ad cavendum et timendum, est illud quod comitatur nos cum volumus considerare III in sententiis contrariis, aut iudicare inter disputantes in eis, et in orationibus et argumentationibus quas unusquisque affert ad verificandam sententiam suam, et destruendam sententiam adversarii sui. Nam si nos ignoraverimus dialeticam, non erimus certi secundum veritatem I II III

vel deceperit. vel deceptus fuerit. vel speculari.

3 ei ] om. G

18 considerare ] vel speculari add. B

bus ] et disputationibus add. P et del. P

c

19 orationi-

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mand unsere Argumentationen und Behauptungen,¹⁶ die wir bei der Überprüfung seiner Auffassung ihm gegenüber vorbringen, angreift und er von uns die Methode der Überprüfung erfahren will und auf welche Weise sie [d. h. die Argumentationen und Behauptungen] zum Nachweis der Wahrheit jener Auffassung dienlich sind und nicht zum Nachweis des Gegenteils derselben und warum sie zum Nachweis der Wahrheit jener Auffassung geeigneter sind als andere, dann können wir ihm all dies erklären. In ähnlicher Weise können wir, wenn andere uns gegenüber irgendeine Auffassung nachweisen wollen, die Behauptungen und Argumentationen, mit denen sie die Wahrheit jener Auffassung nachweisen wollen, überprüfen. Ob sie tatsächlich die Wahrheit nachweisen, wird aus der Art und Weise klar werden, mit der der Nachweis durchgeführt wird. Deshalb werden wir das, was wir tatsächlich annehmen, mit Wissen und Umsicht annehmen. Und wenn jemand uns zu einem Irrtum verleitet I oder er selbst einen Irrtum begangen hat, II wird klar werden, auf welche Weise er Veranlassung zu einem Irrtum gegeben hat oder er selbst einen Irrtum begangen hat. Deshalb werden wir aus dem Wissen und aus der Umsicht das entfernen, was wir entfernen müssen. Wenn wir die Logik nicht kennen, wird unsere Lage in all diesen Dingen genau die umgekehrte und entgegengesetzte sein. Schlimmer als all dies und häßlicher, abschrekkender und unbedingt zu vermeiden und zu fürchten ist das, was uns begleitet, wenn wir [ohne Kenntnis der Logik] entgegengesetzte Auffassungen in Erwägung ziehen wollen III oder wenn wir bei Disputierenden über das, was ein jeder von ihnen an Behauptungen und Argumentationen zur Begründung der Wahrheit seiner Auffassung und zur Widerlegung der Auffassung seines Gegners vorbringt, ein Urteil fällen wollen. Wenn wir nämlich die Logik nicht kennen, werden wir keine Sicherheit in I II III

Oder getäuscht hat. Oder getäuscht wurde. Oder ins Auge fassen.

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Capitulum II

de aliquo eorum qui vere invenit, quomodo vere invenit, et ex qua parte vere invenit, et qualiter facte sunt eius argumentationes facientes necessario verificationem sententie sue, neque super errorem alicuius eorum qui erravit aut errare fecit, qualiter et ex qua parte errare fecit, aut erravit, et qualiter facte sunt eius argumentationes non necessario verificantes sententiam eius. Quare accidet nobis tunc aut ut hesitemus in sententiis omnibus, ita ut ignoremus que sit vera, I et que sit corrupta, aut ut estimemus quod omnes quamvis sint contrarie sint vere, aut ut estimemus quod in nulla earum sit veritas, aut ut incipiamus verificare quasdam earum, et quasdam destruere. Quare conabimur verificare quod verificatur, et destruere quod destruitur ita quod nesciemus ex quo modo est ita. Et si contradixerit nobis aliquis in eo quod verificamus aut destruimus, non poterimus ostendere ei modos illius. Et si contingerit ut sit in eo quod verificamus, aut destruimus aliquid quod sit in veritate ita, non erimus certi in aliquo horum duorum quod in veritate sit sicut est apud nos, immo credemus et estimabimus in omni quod est verum apud nos, fortasse ut sit corruptum, et in eo quod est corruptum apud G ra nos, fortasse quod est verum, et fortasse re¦dibimus ad contrarium eius super quod sumus in utrisque rebus simul, et fortasse superveniet nobis aliquid de foris aut cogitatio aliquorum orietur I

vel sana.

5 f. argumentationes ] opiniones G

8 vera ] vel sana add. B

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Hinsicht auf die Wahrheit dessen haben, was jemand tatsächlich herausgefunden hat, und auf die Art und Weise, wie er es tatsächlich herausgefunden hat und in welcher Hinsicht er es tatsächlich herausgefunden hat, und wie seine Argumentationen beschaffen sind, die mit Notwendigkeit den Beweis der Wahrheit seiner Auffassung begründen. Ebensowenig werden wir Sicherheit erlangen in Hinsicht auf den Irrtum von jemand, der einen Irrtum begangen oder jemanden zu einem Irrtum verleitet hat, in welcher Weise und in welcher Hinsicht er zu einem Irrtum verleitet oder selbst einen Irrtum begangen hat und wie seine Argumentationen beschaffen sind, die nicht mit Notwendigkeit den Beweis der Wahrheit seiner Auffassung begründen. Daher wird es uns widerfahren, daß wir entweder bei allen Auffassungen zögern, so daß wir nicht wissen, welche wahr I und welche falsch ist, oder wir werden meinen, daß alle wahr sind, selbst wenn sie einander entgegengesetzt sind, oder wir werden meinen, daß in keiner von ihnen Wahrheit enthalten ist, oder wir werden uns daranmachen, die Wahrheit von einigen von ihnen zu begründen und andere zu widerlegen, wobei wir versuchen werden, die Wahrheit von etwas zu begründen und etwas anderes zu widerlegen, aber so, daß wir dabei nicht wissen werden, aufgrund welchen Verfahrens dies so ist. Und wenn uns jemand in Hinsicht auf das, was wir beweisen oder widerlegen, widerspricht, werden wir ihm unsere Verfahren nicht aufzeigen können. Und wenn es zufällig zutriff t, daß bei dem, was wir beweisen oder widerlegen, etwas vorliegt, das sich tatsächlich so verhält, werden wir in keinem der beiden Fälle Gewißheit darüber haben, daß es sich tatsächlich so verhält, wie wir es annehmen, vielmehr werden wir glauben und meinen, daß alles, was wir als wahr annehmen, vielleicht falsch ist, und das, was wir als falsch annehmen, vielleicht wahr ist, und möglicherweise gehen wir zum Gegenteil dessen über, was wir in beiden Fällen angenommen haben, und möglicherweise tritt uns von außen komI

Oder vernünftig.

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Capitulum II

in animabus nostris, et removebit | nos ab eo quod apud nos est hodie verum aut corruptum ad contrarium eius. Quare erimus in omnibus illis sicut dicit proverbium ligneator noctis. Et ista quidem accidunt nobis in hominibus qui iactant se apud nos integritatem habere in scientiis. Ergo si nos ignoraverimus dialetiB va cam, non erit apud nos quo experiamur eos. Ergo aut bene opinabimur de eis omnibus, aut erimus ambigui in eis omnibus, aut incipiemus discernere inter eos. Et erit totum illud a nobis fortuitum, et ita quod non erimus certi. Quare non erimus securi, quin sit in eis de quibus bonam habuimus opinionem deceptor et falsus. Erit ergo iam famosus apud nos destructor, et eligemus illum qui derisionem faciet de nobis, et nos non percipiemus, aut erit in eis quos sprevimus verax, et nos iam repulimus eum, et nos non percepimus, hoc est ergo nocimentum ignorantie nostre in dialetica, et iuvamentum si eam sciverimus. Et manifestum est quod necessaria est illi, qui vult ne sit contentus in suis credulitatibus et sententiis super opiniones, et sunt credulitates I que non reddunt sibi securum illum cuius sunt, II quin ab eis redeat ad earum contraria. Et non est necessaria ei qui eligit stare et contentus esse in suis sententiis super opinionem, et sufficit sibi cum eis. Ille autem qui estimat quod usus in orationibus et disputationibus topicis, aut usus in disciplinis sicut scientia

P rb

I II

scilicet oppiniones. quas qui habet non est securus.

10 opinionem ] G B oppinionem sic saepe P 13 verax ] verus G c 16 quod ] necessarium est add. P et del. P 17 credulitates ] securic 18 securum ] ex securumrum P tates G

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Über die Wissenschaft der Logik

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mend etwas überraschend entgegen oder es tritt die Vorstellung von etwas in unserem Geist auf und bewegt uns weg von dem, was wir heute als wahr oder falsch annehmen, hin zum Gegenteil davon. Deshalb werden wir bei all diesen Angelegenheiten sein wie der sprichwörtliche Holzfäller in der Nacht.¹⁷ Und das wird uns auch bei Menschen widerfahren, die uns gegenüber beanspruchen, über eine vollständige Kenntnis in den Wissenschaften zu verfügen. Wenn wir dann keine Kenntnis der Logik haben, verfügen wir über nichts, womit wir sie auf die Probe stellen könnten, und wir werden folglich eine gute Meinung von allen haben, oder wir werden an allen Zweifel haben, oder wir werden beginnen, unter ihnen zu unterscheiden. All dies wird aber von unserer Seite her aufs Geratewohl geschehen und so, daß wir zu keiner Sicherheit gelangen. Daher werden wir keine Sicherheit darüber erlangen, ob unter jenen, über die wir eine gute Meinung haben, ein Täuscher und Fälscher ist. Es wird also [möglicherweise] ein Zerstörer [der Wahrheit] bei uns in hohem Ansehen stehen, und wir werden jemanden auswählen, der sich über uns lustig macht, ohne daß wir es bemerken, oder es wird unter jenen, die wir verachteten, einer sein, der die Wahrheit sagt, ohne daß wir es bemerken, den wir aber zurückgewiesen haben. Dies also ist der Schaden unserer Unkenntnis der Logik und der Nutzen, wenn wir sie kennen. Und es ist offenkundig, daß sie erforderlich ist für den, der sich bei seinen Annahmen¹⁸ und Auffassungen nicht mit Meinungen¹⁹ zufrieden geben will. Annahmen I ²⁰ aber sind so beschaffen, daß sie dem, der sie vertritt, keine Gewähr geben, II daß er nicht von ihnen ab- und zu ihrem Gegenteil übergehen soll. Dies ist aber nicht erforderlich für den, der die Wahl triff t, dabei stehenzubleiben und sich mit seinen Auffassungen als Meinungen zufrieden zu geben und der daran sein Genügen findet. Jemand aber, der meint, daß das Geübtsein in Reden und topischen Disputationen oder das GeübtI II

D. h. Meinungen. Jener, der sie vertritt, hat darüber keine Sicherheit.

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Capitulum II

geometrie et aritmetice excusat a scientia canonum dialetice, aut stat loco eius, aut facit operationem ipsius, aut dat homini virtutem ad experiendam omnem orationem et omnem diputationem et omnem sententiam, aut dirigit hominem ad veritatem et certitudinem ita ut non erret in aliqua reliquarum scientiarum penitus, est sicut ille qui estimat quod usus et studium in memoria versuum et epistolarum et multiplicatio reddendi eos sicut ab alio audivit, excuset in rectificationem lingue, et in hoc ne erret homo a regulis grammatice, et stat loco eius, et facit eius operationem, et quod dat homini virtutem qua experiatur declinationem omnis sermonis an recte invenit in eo aut erravit. Et illud quidem quod est dignum respondere in esse grammatice hic, est id quod respondetur in esse dialetice illic. Et similiter sermo illius qui estimat quod dialetica sit superflua neque sit necessaria cum possibile sit in hora aliqua inveniri hominem perfecte nature qui omnino veritatem non pertransit preter quod ipse iam sciat aliquid de regulis dialetice. Est sicut sermo eius qui estimat quod grammatica sit superflua, cum in hominibus inveniatur aliquis qui omnino non erret preter quod sciat aliquid de regulis grammatice. Nam responsio in utrisque sermonibus simul, est responsio una. Subiecta autem dialetice et sunt ea in quibus dat regulas, sunt rationata inquantum significant ea dictiones, et dictiones inquantum sunt significantes rationata. Et illud est, quoniam nos

1 aritmetice ] arismetice sic semper G B 9 a ] in B 14 f. possic 15 aliqua ] ex qualiqua P 20 simul ] simibile ] impossibile G

lis G B

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sein in Disziplinen wie der Wissenschaft der Geometrie und der Arithmetik eine Ausrede dafür liefert, keine Kenntnis der Regeln der Logik zu haben, bzw. der meint, daß dieses Geübtsein an die Stelle der Logik tritt oder deren Aufgabe übernimmt oder dem Menschen die Fähigkeit verleiht, jede Rede, jede Disputation und jede Auffassung zu überprüfen, bzw. daß sie [d. h. die Kenntnis der Geometrie und der Arithmetik] den Menschen zur Wahrheit und Sicherheit führt, so daß er in keiner der übrigen Wissenschaften in einen Irrtum gerät, ²¹ der verhält sich ganz und gar wie jemand, der meint, daß das gedächtnismäßige Einüben und Erlernen von Versen und Brieftexten und das häufige Aufsagen derselben, so wie er sie von jemand anderem gehört hat, ausreiche, so daß er bei der Berichtigung der Sprache, um in ihr keine Fehler zu begehen, von den Regeln der Grammatik absehen könne, bzw. meint, daß dieses Einüben an die Stelle der Grammatik tritt oder deren Aufgabe übernimmt und dem Menschen eine Fähigkeit verleiht, durch die er in jeder Rede die Deklination²² überprüfen kann, um zu sehen, ob er sie richtig bewerkstelligt hat oder ob er einen Irrtum begangen hat. Und das, was hier die richtige Antwort im Fall der Grammatik ist, ist genau das, was dort im Fall der Logik als Antwort gegeben werden muß. Ganz ähnlich verhält es sich mit der Behauptung von jemand, der meint, die Logik sei überflüssig und nicht erforderlich, da es möglich sei, daß irgendwann ein Mensch mit einer vollkommenen Naturanlage angetroffen werde, der in keinem Fall die Wahrheit verfehlt, ohne daß er irgend etwas von den Regeln der Logik weiß. ²³ Dies ist genauso wie die Behauptung von jemand, der meint, die Grammatik sei überflüssig, da unter den Menschen einer angetroffen wird, der in keinem Fall einen [sprachlichen] Fehler begeht, ohne daß er irgend etwas von den Regeln der Grammatik weiß. Die Antwort auf diese beiden Behauptungen ist ein und dieselbe. Die Gegenstände der Logik, also das, wofür sie Regeln liefert, sind die Vernunftgehalte insofern sie sich auf Ausdrücke ²⁴ beziehen, und die Ausdrücke, insofern sie Vernunftgehalte ²⁵ bezeich-

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non verificamus sententiam apud nos, nisi ita ut cogitemus, et P va consideremus | multum et erigamus in nobis ipsis I res II et rationata quorum proprietas est verificare illam sententiam. Et verificamus eam apud alios, ita ut loquamur eis sermonibus quibus facimus eos intelligere res et rationata quorum proprietas est verificare illam sententiam. Et non est possibile ut verificemus quamlibet sententiam quibuslibet rationatis, neque ut sumanG rb tur illa ¦ rationata quolibet numero, neque quibuslibet dispositionibus, aut compositionibus, aut ordinibus quibuslibet, immo indigemus in omni sententia cuius querimus verificationem, rebus et rationatis terminatis, et ut sint cum numero aliquo noto et secundum dispositiones, et compositiones, et ordines notos. Et oportet ut illa sit dispositio dictionum eorum quibus fit interpretatio de eis cum verificamus eam ad alios. Quapropter indigemus regulis defendentibus nos in rationatis et in interpretatione de eis, et custodientibus nos ab errore in eis utrisque. Et hec duo, scilicet rationata, et sermones quibus fit interpretatio de eis, nominaverunt antiqui logos III et sermonem. Et nominaverunt rationata sermonem et logos interiorem et fixum in anima. B vb Et illud quo fit interpretatio de eis, sermonem et logos exteriorem cum voce. Et illud quo homo verificat sententiam apud se ipsum, est sermo fixus in anima. Et illud quo verificat eam apud alium, est sermo exterior cum voce. Sermonem igitur cuius proI II III

vel animabus nostris. idest formas. in arabico alnoct.

5 eos ] G B eum P

12 ordines notos ] ordinationes G

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nen. ²⁶ Dies ist so, weil wir die Wahrheit einer Auffassung nur so beweisen, daß wir viel nachdenken und überlegen und uns I Sachverhalte II ²⁷ und Vernunftgehalte, deren Funktion es ist, die Wahrheit dieser Aussage zu beweisen, vorstellen. Wir beweisen die Wahrheit einer Aussage anderen gegenüber, indem wir ihnen Behauptungen vorlegen, mit denen wir ihnen Sachverhalte und Vernunftgehalte begreiflich machen, deren Funktion es ist, die Wahrheit dieser Aussage zu beweisen. Es ist nicht möglich, eine beliebige Aussage durch beliebige Vernunftgehalte zu beweisen und auch nicht durch Heranziehen einer beliebigen Anzahl von Vernunftgehalten und auch nicht mit beliebigen Anordnungen, Zusammenstellungen und Reihenfolgen; vielmehr benötigen wir bei jeder Aussage, deren Wahrheit wir beweisen wollen, ganz bestimmte Sachverhalte und Vernunftgehalte, und zwar in einer anerkannten Anzahl und gemäß anerkannten Anordnungen, Zusammenstellungen und Reihenfolgen. Und es ist erforderlich, daß dies auch die Anordnung der Ausdrücke betriff t, durch die die Interpretation der Vernunftgehalte geleistet wird, wenn wir deren Wahrheit anderen gegenüber beweisen. Deshalb benötigen wir Regeln, mit denen wir uns bei den Vernunftgehalten und bei ihrer Interpretation absichern und die uns in Hinsicht auf beides vor Irrtum schützen. Und diese beiden, nämlich die Vernunftgehalte und die sprachlichen Darstellungen, durch die ihre Interpretation geleistet wird, nannten die Alten logos III und Rede. ²⁸ Und sie nannten die Vernunftgehalte die Rede und den inneren und in der Seele festgehaltenen logos, und das, wodurch deren Interpretation geschieht, [nannten sie] die Rede und den mit Lauten gebildeten äußeren logos. Das, womit der Mensch eine Aussage bei sich selbst beweist, ist die in der Seele festgehaltene Rede. Und das, womit er eine Aussage einem anderen gegenüber beweist, ist die mit Lauten gebildete äußere Rede. I II III

Oder in unseren Seelen. D. h. Formen. Auf arabisch alnoct.

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Capitulum II

prietas est verificare sententiam aliquam, nominaverunt antiqui sillogismum, sive sit sermo fi xus in anima sive exterior cum voce. Dialetica ergo dat regulas quarum preces sit rememoratio in utrisque sermonibus simul. Et ipsa quidem communicat grammatice communitate quadam per hoc quod dat de regulis dictionum, et differt ab ea in hoc, quod scientia grammatice non dat regulas nisi que sunt proprie dictionibus gentis alicuius, et scientia dialetice non dat regulas nisi communes que communicant dictionibus gentium omnium. In dictionibus enim sunt dispositiones in quibus communicant dictiones omnium gentium, sicut quod dictionum alie sunt simplices et alie composite, et simplices sunt nomen et verbum et prepositio, et quod earum quedam sunt que sunt ponderate, et quedam que non sunt ponderate, et his similia. Et hec sunt dispositiones que sunt proprie uni lingue et alie lingue non, sicut quod nominativus est marfuha, I et accusativus mansub, II et in genitivo non ingreditur lem, alif cognitionis. III Ista enim et plura alia, sunt propria lingue arabice. Et similiter in lingua omnis gentis sunt dispositiones que proprie sunt ei. Et illud quod est in scientia grammatice de rebus communibus dictionibus gentium non recipiunt grammatici nisi inquantum est inventum in illa lingua cui facta est grammatica, sicut sermo grammaticorum arabum quod partes orationis in arabico sunt nomen et verbum P vb et prepositio, et sicut sermo grammati|corum grecorum, partes I II III

idest terminatur in u. idest cum virgula quadam que nominatur fi da. idest non ponitur ei articulus al qui fit ex lem alif.

2 sillogismum ] G B silogismum sic semper P 4 simul ] om. B 13 prepositio ] sincathegoremata (?) B 15 alie ] B alii P G 16 nomic nativus ] ex nominanimustivus P 16 marfuha ] mea sua (!) G marfoum (?) B 16 accusativus ] B acusativus P 16 mansub ] meam suam (!) G marsabum (?) B 17 et in genitivo ] quod casuali con17 ingreditur lem ] preponitur articulus structo cum genitivo B scilicet al, qui in arabico dicitur elif lem B 23 arabum ] ex arabum

arabum P c

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Die Rede, deren Funktion es ist, die Wahrheit einer Aussage zu beweisen, nannten die Alten Syllogismus, sei es, daß dies eine in der Seele festgehaltene oder eine mit Lauten gebildete äußere Rede ist. Die Logik liefert also Regeln, die in beiden Arten der Rede zugleich im Gedächtnis behalten werden sollen. Die Logik stimmt mit der Grammatik darin überein, daß sie Regeln für die Ausdrücke liefert, und sie ist von ihr dadurch unterschieden, daß die Wissenschaft der Grammatik nur Regeln liefert, die den Ausdrücken eines bestimmten Volkes eigentümlich sind, während die Wissenschaft der Logik nur Regeln liefert, die den Ausdrücken aller Völker gemeinsam sind. ²⁹ Bei den Ausdrücken gibt es nämlich Anordnungen, die den Ausdrücken aller Völker gemeinsam sind, wie z. B., daß von den Ausdrükken die einen einfach, die anderen zusammengesetzt sind; ³⁰ die einfachen sind Name, ³¹ Verb und Präposition, ³² und von ihnen sind die einen gewichtet, die anderen nicht gewichtet³³ und ähnliches mehr. Und dann gibt es solche Anordnungen, die der einen Sprache eigentümlich sind und einer anderen Sprache nicht, wie z. B., daß der Nominativ marfuha I ist und der Akkusativ mansub II ³⁴ und daß in den Genitiv zur Kennzeichnung alif lem nicht eingeht. III ³⁵ Diese und viele andere sind nämlich Eigentümlichkeiten der arabischen Sprache. ³⁶ Und in ähnlicher Weise gibt es in der Sprache jeden Volkes Anordnungen, die ihr eigentümlich sind. Die Grammatiker erfassen in der Wissenschaft der Grammatik das, was den Ausdrücken der Völker gemeinsam ist, nur insoweit, als es in jener Sprache angetroffen wird, für die diese Grammatik aufgestellt wurde, wie z. B. die Feststellung der arabischen Grammatiker, daß die Teile der Rede im Arabischen Name, Verb und Präposition sind, und wie z. B. die Feststellung der griechischen Grammatiker, daß die Teile der Rede Name, D. h., er endet auf u. D. h. mit einem gewissen Strichzeichen, das fi da genannt wird. III D. h. es wird in ihm nicht der Artikel al gesetzt, der aus lem alif gebildet wird. I

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orationis in greco, sunt nomen, et verbum, et prepositio. Et hec quidem divisio non invenitur in arabico tantum, aut in greco tantum, immo in omnibus linguis. Et acceperunt eam grammatici arabum, secundum quod ipsa est in arabico, et grammatici grecorum, secundum quod ipsa est in greco. Scientia ergo grammatice in omni lingua non speculatur nisi in eo quod est proprium lingue illius gentis, et in eo quod est commune ei et alii, non inquantum est commune, sed inquantum est inventum in lingua eorum proprie. Iste ergo sunt differentie inter speculationem illorum de grammatica in dictionibus, et inter speculationem illorum de dialetica in eis. Et est quod grammatica dat regulas que sunt proprie dictionibus gentis alicuius, et accipit illud quod est commune ei et alii non inquantum est commune, immo inquantum est inventum in lingua cui facta est illa grammatica. Et dialetica in eo quod dat regulas dictionum, non dat nisi regulas in quibus communicant dictiones gentium, et accipit eas inquantum sunt communes, et neque considerat in aliquo eorum que communicant dictionibus gentis alicuius, immo precipit ut sumatur illud quod necessarium est inde ab illis qui habent illius lingue scientiam. Eius autem ethimologia manifestum est quod est edita a summa intentionis eius. Et illud est quoniam ipsa est derivata a G va logos. ¦ Et hec quidem dictio dicta est apud antiquos secundum tres intentiones, quarum una est sermo exterior cum voce, et est ille quo fit interpreatio lingue de eo quod est in mente. Et secunda est sermo fi xus in anima, et est rationata que dictiones significant. Et tertia, est virtus animalis I creata in homine, qua I

scilicet ab anima.

8 inventum ] G B inventa P 10 illorum de grammatica ] gram11 illorum ] illorum illorum P 21 ethimolomaticorum B c gia ] ethymologia B 25 de ] ex de de P 27 qua ] que G B

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Verb und Präposition sind. ³⁷ Diese Einteilung findet sich allerdings nicht nur im Arabischen oder nur im Griechischen, sondern in allen Sprachen. ³⁸ Die Grammatiker der Araber haben sie aufgestellt, insofern sie sich im Arabischen findet, und die Grammatiker der Griechen, insofern sie sich im Griechischen findet. Die Wissenschaft der Grammatik untersucht in jeder Sprache nur das, was der Sprache dieses Volkes eigentümlich ist, und untersucht das, was ihr und anderen³⁹ gemeinsam ist, nicht, insofern es gemeinsam ist, sondern insofern es genau in dieser Sprache vorgefunden wird. Dies also sind die Unterschiede der Untersuchungen der Grammatiker in Hinsicht auf die Ausdrücke und der Untersuchungen der Logiker in Hinsicht auf dieselben. Und so ergibt sich, daß die Grammatik Regeln liefert, die den Ausdrücken eines bestimmten Volkes eigentümlich sind, und sie erfaßt das, was sie und eine andere [Sprache] gemeinsam hat, nicht, insofern dies gemeinsam ist, sondern insofern es in jener Sprache vorgefunden wird, für die diese Grammatik aufgestellt wurde. Und da, wo die Logik Regeln für Ausdrücke liefert, liefert sie Regeln nur für das, was den Ausdrücken der Völker gemeinsam ist, und sie begreift diese, insofern sie gemeinsam sind, und sie betrachtet dabei nichts von dem, was den Ausdrükken eines bestimmten Volkes eigentümlich ist, sondern gibt die Anweisung, daß das, was diesbezüglich erforderlich ist, von jenen geleistet wird, die über die Kenntnis jener Sprache verfügen. Es ist offensichtlich, daß ihre Etymologie⁴⁰ von der Gesamtheit ihres Zieles her stammt. Dies ist der Fall, weil sie von logos abgeleitet ist.⁴¹ Dieser Ausdruck wird bei den Alten in einem dreifachen Sinn verwendet. Der eine ist: Eine mit Lauten gebildete äußere Rede, und zwar jene, durch die die sprachliche Darstellung dessen, was im Geist ist, vorgenommen wird. Der zweite ist: Eine in der Seele festgehaltene Rede, und dies sind die Vernunftgehalte, die durch die Ausdrücke bezeichnet werden. Der dritte ist: Die im Menschen geschaffene Seelenfähigkeit, I I

Nämlich: von Seele [abgeleitet].

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discernit discretione propria homini absque reliquis animalibus, et est illa qua homini comprehenduntur rationata, et scientie, et artes, et ea fit consideratio. Et ea discernit inter bona opera et mala. Et ipsa invenitur in omni homine, ita quod in infantibus, sed est parva nondum perveniens ad hoc ut suas efficiat operationes, sicut virtus pedis infantis ad ambulandum, et sicut ignis parvus qui non pervenit ad hoc ut comburat ligna crossa, et in B ra demoniacis, et ebriis, sicut oculus obliquus, et in dormiente sicut oculus clausus, et in eo cui inest occultatio, sicut oculus in quo est caligo ex vapore aut alio. Hec ergo scientia propterea quod dat regulas in logos exteriore, et regulas in logos interiore, et rectificat cum eo quod dat de regulis in utrisque rebus logos tertiam que inest homini cum creatione, et dirigit eum ita ut non faciat operationem suam in utrisque rebus nisi secundum illud quod est rectius, et perfectius, et melius, nominatur nomine derivato a logos que dicitur secundum tres modos, sicut plures librorum qui dant regulas in logos exteriore tantum de libris illorum qui sunt scientie grammatice P ra tantum, no|minantur nomine dialetice. Et manifestum est quod illud quod dirigit ad illud quod rectum est in omnibus modis logos, est dignius hoc nomine. Partes autem dialetice, sunt octo. Et illud est, quoniam species sillogismi, et species sermonum quibus queritur verificatio sententie aut quesiti in summo, et species artium quarum operationes post ipsarum perfectionem, sunt uti sillogismis in lo-

5 nondum ] G B nundum P c

7 crossa ] grossa G B 13 utrisque ] 22 octo ] De partibus Loyce add. G m

partibus add. P et del. P 24 species artium ] ars artium B

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durch die dieser unterscheiden kann mittels eines Unterscheidungsvermögens, das ihm als einzigem von den übrigen Lebewesen zu eigen ist, und dies ist jenes, aufgrund dessen vom Menschen⁴² die Vernunftgehalte, die Wissenschaften und die Künste erfaßt werden und aufgrund dessen das Begreifen geleistet wird. Mit ihm unterscheidet er zwischen guten und bösen Handlungen.⁴³ Diese Fähigkeit findet sich in jedem Menschen, sogar bei den Kindern, sie ist aber bei ihnen schwach und gelangt noch nicht dazu, ihre Tätigkeit voll auszuüben,⁴⁴ so wie auch die Kraft des Fußes eines Kindes zum Gehen noch nicht ausreicht und wie ein schwaches Feuer nicht ausreicht, um große Holzstücke zu verbrennen. Diese Fähigkeit findet sich auch bei Besessenen und Betrunkenen, aber nur so wie ein schielendes Auge oder wie ein geschlossenes Auge bei einem Schlafenden oder bei einem Ohnmächtigen oder wie ein Auge, das aufgrund von Dampf oder einer anderen Ursache verschleiert ist. Diese Wissenschaft also wird, da sie Regeln für den äußeren logos und Regeln für den inneren logos liefert und da sie mit den Regeln in beiden Bereichen dem dritten logos, der dem Menschen [schon] mit seiner Erschaff ung innewohnt, die Richtschnur gibt und ihn leitet, so daß er in beiden Bereichen nur das tut, was richtiger, vollkommener und besser ist, mit einem Namen bezeichnet, der von logos in diesem dreifachen Sinn abgeleitet ist. Es werden z. B. viele Bücher, die nur Regeln für den äußeren logos liefern, die also nur Bücher der grammatischen Wissenschaft sind, doch mit dem Namen Logik bezeichnet.⁴⁵ Es ist [aber] offensichtlich, daß das, was zu dem anleitet, was in allen Bedeutungsweisen von logos richtig ist, mehr Anspruch auf diesen Namen hat. Die Logik hat acht Teile.⁴⁶ Und dies ist so, weil die Arten des Syllogismus ⁴⁷ und die Arten der Reden, für die im strengsten Sinn die Überprüfung der Wahrheit einer Auffassung oder von etwas Gesuchtem angestrebt wird, und ebenso die Arten der Künste, deren Tätigkeiten, sobald sie zur Vollkommenheit gelangt sind, in der Anwendung der Syllogismen bei den Reden

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cutionibus, in summo sunt quinque, demonstrativa et topica, et sofistica, et rethorica, et poetica. Demonstrative ergo sunt sermones quorum proprietas est, ut acquirant scientiam certam in inquisito cuius scientia queritur sive utatur eis homo in eo quod est inter ipsum et seipsum in inventione illius quesiti, aut eis loquatur alio, aut eis loquatur ipsi alius, in verificando illud quesitum. Ipsorum enim in omnibus suis dispositionibus proprietas, est ut acquirant scientiam certam. Et est scientia cuius contrarium non est possibile penitus ut sit, neque est possiblile ut homo ab ea avertatur, neque ut credat in ea possibile esse ut ab ea avertatur, neque supervenit ei in ipsa, sollicitudo faciens eum errare, neque error removens ipsum ab ea, neque hesitatio, neque opinio aliquo modo neque per causam aliquam. Et sermones quidem topici sunt, quorum proprietas est ut utantur in duabus rebus. Quarum una est in hoc ut querat inquisitor ex rebus famosis quas concedunt omnes homines victoriam respondentis in positione, quam respondens nititur servare aut defendere cum sermonibus iterum famosis. Et quando querit quesitor victoriam respondentis expertibus, et cum sermonibus qui non sunt famosi, et querit respondens servare illud quod posuit aut defendere cum sermonibus qui non sunt famosi, non est illa eius operatio, operatio secundum viam topice. Et secunda est ut que-

2 sofistica ] sophistica G B 3 demonstrative ] demonstrativi B 6 loquatur alio ] loquatur alii P elocantur alii G utatur eis ad alium B 6 f. eis loquatur ipsi alius ] eis loquatur ipsi in aliis G alius utatur eis ad ipsum B 9 certam ] rectam G 12 sollicitudo ] G similitudine P c similitudo P B 16 rebus ] famosis add. G 23 operatio ] om. B

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besteht, insgesamt fünf sind: demonstrativ, topisch, sophistisch, rhetorisch und poetisch.⁴⁸ Demonstrativ sind Reden, deren Kennzeichen es ist, daß sie ein sicheres Wissen⁴⁹ in Hinsicht auf das Untersuchte vermitteln, dessen Erkenntnis angestrebt wird, sei es, daß der Mensch sie bei dem zur Geltung bringt, was er bei sich selbst unternimmt, um das Gesuchte aufzufinden, sei es, daß er sie beim Beweis des Untersuchten gegenüber anderen vorbringt, sei es, daß ein anderer sie ihm gegenüber vorbringt. Das Kennzeichen dieser Reden in allen ihren Anordnungen ist es nämlich, daß sie ein sicheres Wissen vermitteln. Wissen liegt dort vor, wo es ganz und gar nicht möglich ist, daß das Gegenteil zutriff t, und es ebensowenig möglich ist, daß der Mensch von ihm abgewendet wird, und ebensowenig, daß er glaubt, daß es dabei möglich sei, daß er von ihm abgewendet wird, und ebensowenig, daß dabei bei ihm eine Beunruhigung⁵⁰ auftritt, die ihn zu einem Irrtum verleitet, und ebensowenig, daß ein Irrtum auftritt, der ihn von ihm entfernt, und ebensowenig ein Zögern oder eine auf irgendeine Weise oder durch irgendeine Ursache auftretende [irrtümliche] Meinung. ⁵¹ Die topischen Reden sind solche, deren Kennzeichen es ist, in zwei Fällen Anwendung zu finden. Einer davon besteht darin, daß der, der eine Untersuchung vornimmt, anstrebt, aus allgemein anerkannten Ansichten, ⁵² die alle Menschen zugestehen, den Sieg gegenüber einer These des Verteidigers zu erlangen, die dieser sich bemüht – auch wiederum mit allgemein anerkannten Ansichten – aufrechtzuerhalten oder zu verteidigen. Und wenn der, der eine Untersuchung vornimmt, versucht, mit Erfahrungsgebenheiten und mit Ansichten, die nicht allgemein anerkannt werden, den Sieg über den Verteidiger zu erlangen, und wenn der Verteidiger versucht, das, was er als These aufgestellt hat, mit Ansichten aufrechtzuerhalten oder zu verteidigen, die nicht allgemein anerkannt werden, so handelt es sich bei diesem Vorgehen nicht um eines gemäß dem Verfahren der Topik. ⁵³ Der zweite Fall liegt dann vor, wenn ein Mensch versucht, durch sie

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rat homo per eas casum opinionis fortis in sententia, cuius vult G vb verificationem aut apud se aut apud ¦ alium, donec faciat immaginari quod sit certa preter quod sit certa. Et sermones quidem sophistici sunt, quorum proprietas est ut errare faciant, et deviant, et occultent. Quare estimari faciunt in eo quod non est verum, 〈quod sit verum〉 , et in eo quod est verum, quod non est verum, et faciunt estimari de eo qui non est sapiens quod est sapiens, 〈et〉 provectus, et faciunt opinari de eo qui est sapiens 〈et〉 sciens, quod non est ita. Et hoc quidem nomen, scilicet sophystica, est nomen virtutis qua homo potest facere errare, et decipere, et occultare cum sermone et deceptione, aut in se ipso quod est habens sapientiam et scientiam et bonitatem, et in alio quod habet diminutionem preter quod sit ita in veritate aut in sententia vera quod non est vera, et in ea que non est vera quod est vera. Et est compositum in greco ex sophos, et est sapienentia, et ex estos, et est deceptio. Quare intentio eius est sapientia deceptrix. Et omnis cui inest virtus ad decipiendum aut ad faciendum P rb errare cum sermone in qualibet | re, nominatur hoc nomine, et B rb dicitur quod est sophysta. Et non est quemadmodum opinantur quidam quod sophista fuit nomen hominis qui fuit in tempore antiquo, cuius intentio fuit destruere comprehensa et scientias, et secta illorum qui sequuntur sententiam illius et defendunt eius intentionem, est eorum qui nominantur sophiste. Et omnis qui concedit sententiam illius hominis et defendit eam, nominatur hoc nomine, hec enim opinio valde est feda, quoniam non fuit in

1 casum ] rationem G 3 preter quod sit certa ] om. G 5 estimac ri ] estimare B 6 quod ] non add. B et del. B 6 quod sit verum ] B quod non est verum add. G 8 et ] G B 9 et ] B 9 sciens ] provectus B 10 sophystica ] sophistica G 14 sententia ] scientia GB 15 est ] hoc nomen add. B 16 ex estos ] xestos (!) G 19 sophysta ] sophista sic semper G B 22 sententiam ] scientiam G c 25 feda ] i add. P et del. P

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[d. h. durch allgemein anerkannte Ansichten] für das Vorliegen einer überzeugenden Meinung einzutreten bei einer These, deren Wahrheit er bei sich oder gegenüber anderen zu beweisen sucht, bis er sich schließlich einbildet, daß sie sicher ist, obwohl sie gar nicht sicher ist. Die sophistischen Reden sind jene, deren Kennzeichen es ist, daß sie zu Irrtum und Irrweg anleiten und daß sie die Wahrheit verdecken. Und so geben sie Anlaß dazu, daß etwas, das nicht wahr ist, für wahr gehalten wird, und daß etwas, das wahr ist, für nicht wahr gehalten wird, und sie geben Anlaß, daß jemand, der nicht weise ist, für weise und fortgeschritten gehalten wird, und sie geben bei jemandem, der weise und wissend ist, Anlaß zur Meinung, daß es sich nicht so verhält. Dieser Name, nämlich Sophistik, ist der Name für die Fähigkeit, durch die jemand in der Lage ist, zum Irrtum zu verleiten und zu täuschen und die Wahrheit durch Rede und Täuschung zu verdecken, entweder so, daß er selbst Weisheit, Wissenschaft und Tugend zu besitzen scheint, während ein anderer diese nicht in demselben Maß besitzt, wogegen es sich in Wahrheit nicht so verhält, oder so, daß eine These, die wahr ist, als nicht wahr erscheint, bzw. daß eine, die nicht wahr ist, als wahr erscheint. Dieser Name ist im Griechischen zusammengesetzt aus sophos, und das heißt Weisheit, und aus estos, und das heißt Täuschung. ⁵⁴ Deshalb ist ihr Ziel eine täuschende Weisheit. Und jeder, der in einer beliebigen Angelegenheit die Fähigkeit besitzt, durch eine Rede zu täuschen oder zu einem Irrtum zu verführen, wird mit diesem Namen bezeichnet, und man sagt, er sei ein Sophist. Und es verhält sich nicht so, wie manche meinen, daß Sophist der Name eines Menschen war, der vor langer Zeit lebte, und dessen Ziel es war, die Verstandeserkenntnisse und die Wissenschaften zu zerstören, und daß die Sekte jener, die seiner Auffassung folgen und sein Ziel verteidigen, Sophisten genannt werden. Daß jeder, der die Auffassung dieses Menschen zuläßt und sie verteidigt, mit diesem Namen bezeichnet wird, ist eine ganz törichte Meinung, weil es nicht den Tatsachen entspricht, daß es früher

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eo quod preteriit homo cuius intentio fuerit, destruere sententias et comprehensa, qui hoc nomine nuncupatus fuerit, neque antiqui nominaverunt hoc nomine aliquem ad hoc ut ipsum proportionarent homini qui nuncupatus fuerit sophista, immo non nominabant hominem hoc nomine, nisi propterea quod virtus eius et modus locutionis ipsius et potentia eius erat secundum bonitatem faciendi errare et decipiendi quicunque hominum esset, sicut nominabant hominem topicum non quod proportionetur homini qui nominatus fuerit topicus, immo nominabant eum topicum propter virtutem eius et modum locutionis ipsius et propter potentiam eius secundum bonitatem utendi arte sua quicumque hominum esset. Ille ergo cui inest hec virtus, et ars, est sophista. Et eius virtus, est sophistica. Et operatio eius procedens ab ipsius virtute, est opus sophiste. Et sermones quidem rethorici, sunt quorum proprietas est ut inquiratur cum eis sufficientia homini in qualibet sententia, et ut inclinetur eius sensus ad hoc ut acquiescat ei quod sibi dicitur, et credat per illud credulitate aliqua aut debiliore aut fortiore. Et credulitates quidem sufficientes, sunt infra opinionem fortem, et superfluunt. Ergo sunt quedam magis addite quam quedam, secundum superfluitatem sermonum in virtute et eorum que utuntur cum eis. Quidam enim sermones sufficientes, sunt magis sufficientes et magis ultimi et fi rmiores quibusdam, sicut accidit in testimoniis. Ipsa enim quanto sunt plura, sunt magis ultima in sufficientia et in faciendo evenire credulitatem cum proposito, magis sufficientia, et sunt magis facientia acquiescere animam ei quod dicitur, quamvis cum superfluitate sufficientie

2 fuerit neque ] del. (?) P c non del. G B 3 f. ut ipsum … fuerit ] del. c (?) P non del. G B 16 sententia ] scientia G 20 superfluunt ] superfluum G 20 addite ] audite G 24 plura ] tanto add. B

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einmal einen Menschen gab, dessen Ziel es war, die Thesen und die Verstandeserkenntnisse zu zerstören, der mit diesem Namen bezeichnet wurde, und die Alten haben mit diesem Namen auch nicht jemanden deshalb bezeichnet, um ihn mit einem Menschen in Verbindung zu setzen, der den Namen Sophist trug, vielmehr bezeichneten sie einen Menschen mit diesem Namen nur deshalb, weil seine Fähigkeit, seine Art des Sprechens und seine Gewandtheit darauf ausgerichtet war, wirkungsvoll zum Irrtum zu verleiten und zu täuschen, wer auch immer er sei, genauso wie sie einen Menschen nicht deshalb Topiker nannten, um ihn mit einem Menschen in Verbindung zu bringen, der Topiker genannt wurde, vielmehr nannten sie ihn Topiker wegen seiner Fähigkeit, seiner Art des Sprechens und seiner Gewandtheit in der wirkungsvollen Anwendung seiner Kunst, wer auch immer er sei. Jener also, der über diese Fähigkeit und über diese Kunst verfügt, wird Sophist genannt. Und seine Fähigkeit ist sophistisch. Und die Handlung, die von seiner Fähigkeit ausgeht, ist die Handlung eines Sophisten. Die rhetorischen Reden sind jene, deren Kennzeichen es ist, daß mit ihnen angestrebt wird, für jemanden eine genügende Überzeugungskraft⁵⁵ für jede beliebige These zu finden, so daß dessen Sinn dazu geneigt gemacht wird, daß er mit dem einverstanden ist, was ihm gesagt wird, und daß er dadurch mit größerer oder geringerer Überzeugung daran glaubt. Die ausreichenden Überzeugungen liegen unterhalb einer festen Meinung, und es gibt deren sehr viele. Folglich sind die einen in ihrer Überzeugungskraft hinreichender⁵⁶ als andere gemäß der großen Anzahl der wirksamen Reden und dem, was mit ihnen zur Anwendung kommt. Bestimmte wirksame Reden sind nämlich wirksamer, abschließender und sicherer als gewisse andere, wie es z. B. bei Zeugenaussagen der Fall ist. Je zahlreicher diese nämlich sind, desto abschließender sind sie in ihrer Wirkung und desto hinreichender sind sie zum absichtsvollen Hervorrufen einer Überzeugung und desto mehr sind sie dazu angetan, daß sich die Seele mit dem, was gesagt wird, einverstanden erklärt, obwohl trotz

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sue, nullum eorum sit faciens evenire opinionem fortem proximam certitudini. Per ista ergo diversificantur rethorici a topicis in hoc capitulo. G ra Et poetici quidem sermones, sunt qui ¦ componuntur ex rebus quarum proprietas est, ut immaginari faciant in re in qua est locutio, dispositionem aliquam, aut aliquid melius, aut deterius, et illud aut erit pulcritudo, aut feditas, aut altitudo, 〈aut vilitas〉 aut aliud de illis que simillantur istis. Et accidit nobis cum audimus sermones poeticos de immaginatione que per eos cadit in animabus nostris, simile ei quod accidit nobis cum aspicimus ad rem que similis est ei quod abhorretur. Nam statim immaginatur nobis in illa re, quod est ex eis que abhorrentur. Eriguntur P va ergo anime nostre | ex ea, et alienant eam, licet certi simus quod in veritate non est sicut immaginatur nobis. Facimus ergo in eo quod immaginari nobis faciunt sermones poetici, quamvis sciamus quod res non est ita, sicut esset nostra operatio in eo si certi essemus quod res esset sicut immaginari nobis facit ille sermo, hominis enim operationes, multociens plus secuntur eius immaginationem, quam sequantur eius opinionem, aut ipsius scientiam. Nam sepe est eius scientia aut ipsius opinio, contraria eius immaginationi. Quare est eius operatio in re secundum eius immaginationem non secundum eius opinionem aut ipsius scientiam, sicut accidit nobis cum aspicimus ad immagines representantes nobis rem, et ad res similes rei. Et non utuntur sermonibus poeticis, nisi in loquendo homini quem faciant procedere ad faciendum aliquid cum intentione ad illud, et gradatione ad ipsum. Et illud est, aut ut homini gradato non sit provisio diri-

1 sue ] et add. P et del. P c 5 re ] esse G 7 aut vilitas ] G B 10 animabus nostris ] animas nostras B 13 alienant ] repudiant B 15 nobis ] nos B 17 nobis ] nos B

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der großen Anzahl ihrer Überzeugungsgründe keiner derselben eine feste Meinung hervorbringt, die der Gewißheit nahekommt. Und deshalb werden in diesem Kapitel die Topiker von den Rhetoren unterschieden. Die poetischen Reden sind jene, die aus Bestandteilen zusammengesetzt sind, deren Kennzeichen es ist, daß sie eine imaginäre Vorstellung einer Sache, von der die Rede ist, hervorbringen, ⁵⁷ die besser oder schlechter sein kann, und dies wird entweder Schönheit oder Häßlichkeit bzw. Erhabenheit oder Niedrigkeit sein oder etwas, was diesen ähnlich ist. Wenn wir poetische Reden hören, wiederfährt uns aufgrund der Vorstellung, die durch sie in unsere Seelen gelangt, etwas, das dem vergleichbar ist, was uns widerfährt, wenn wir ein Ding ansehen, das etwas ähnlich ist, das wir verabscheuen. Denn sofort erweckt jenes Ding in uns die Vorstellung, daß es zu jenen gehört, die verabscheut werden. Unsere Seelen wenden sich also gegen es und vermeiden es, selbst wenn wir sicher sind, daß es sich in Wirklichkeit nicht so verhält, wie wir es uns vorstellen. Wir handeln also so, wie es uns die poetischen Reden in unserer Vorstellung nahelegen, obwohl wir wissen, daß sich die Sache in Wirklichkeit anders verhält, [wir handeln] also so, wie wir handeln würden, wenn wir sicher wären, daß sich die Sache so verhält, wie es uns diese Rede in unserer Vorstellung nahelegt. Die Handlungen des Menschen folgen nämlich sehr häufig eher seiner Vorstellung als seiner Meinung oder seinem Wissen. ⁵⁸ Häufig nämlich ist sein Wissen oder seine Meinung seiner Vorstellung entgegengesetzt. Deshalb entspricht seine Handlung in Wirklichkeit seiner Vorstellung, nicht seiner Meinung oder seinem Wissen, so wie es uns widerfährt, wenn wir Vorstellungen betrachten, die uns ein Ding und andere diesem ähnliche Dinge zur Darstellung bringen. Die poetischen Reden werden nur angewandt, um sich an jemanden zu richten, der dazu gebracht werden soll, daß er etwas mit Interesse und wachsender Erwartung tut. Und dies geschieht entweder, damit der erwartungsvolle Mensch nicht durch Voraussicht⁵⁹ geleitet wird, so

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Capitulum II

gens ipsum, quare vadit ad operationem que queritur ab eo cum immaginatione, et erigitur ei immaginatio loco provisionis, aut B va sit homo cui fit provisio a quo queritur operatio, et non est securitas cum providerit in ea quin prohibeatur ab ipsa, quare festinandus est sermonibus poeticis ut preveniatur eius provisio cum immaginatione, ita ut properet ad illam actionem, et erit I ex eo cum evasione, antequam succurrat cum sua provisione ei quod est in fine illius operationis, quare prohibeatur ab ea penitus, aut succedat ei et videat ne properet cum ea, et postponat ipsam ad horam aliam. Et propter illud facti sunt sermones poetici absque aliis pulcri et decentes, et sublimes, et ponuntur eis decor et declaratio cum rebus que dicte sunt in scientia loice. Iste ergo sunt species sillogismorum et artium sillogisticarum, et species locutionum quibus utuntur ad verificandum aliquid in rebus omnibus. Et sunt in summa quinque, certificativa, et opinativa, et errativa, et sufficiens, et imaginativa. Et unicuique harum quinque artium, insunt res sibi proprie, et insunt eis res alie in quibus communicant. Et sermones quidem sillogistici fi xi sunt in anima aut extra cum voce, sunt compositi, in anima quidem fi xi, ex rationatis pluribus ligatis, ordinatis, adiuvantibus se ad verificandum rem unam, et extrinseci cum voce, ex dictioI

scilicet illa actio.

4 f. festinandus ] festinandum B 6 actionem ] scilicet illa actio add. B 6 et ] scilicet illa actio add. B 12 loice ] logice G logices B 14 locutionum ] cuius add. P et del. P c 14 utuntur ] locuntur G 16 opinativa ] G B oppinativa P 19 sunt ] G B sint P 21 unam ] G B una P

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daß er an die Handlung, die ihm durch eine Vorstellung nahegebracht wird, herangeht, und zwar [geschieht das] so, daß in ihm eine Vorstellung anstelle der Voraussicht hervorgerufen wird, oder es handelt sich bei dem Menschen, von dem eine Handlung gewünscht wird, um jemanden, der über Voraussicht verfügt, der aber bei der Voraussicht der Handlung zu keiner Sicherheit gelangt, so daß er von ihr abgehalten wird, weshalb rasch zu poetischen Reden zu greifen ist, damit seiner Voraussicht durch eine Vorstellung zuvorgekommen wird, so daß er unverzüglich diese Handlung unternimmt und er sie I somit sofort durchführt, ehe ihm durch seine Voraussicht das, was das Ziel jener Handlung ist, zu Bewußtsein kommt, weshalb er von ihr ganz und gar abgehalten würde, oder diese Voraussicht eintritt und er ins Auge faßt, es mit dieser [Handlung] nicht eilig zu haben, und er sie so auf einen späteren Zeitpunkt verschiebt. Deshalb sind die poetischen Reden im Unterschied zu den anderen schön, anmutig und erhaben, und es wird ihnen Schmuck und Glanz verliehen mit Dingen, die in der Wissenschaft der Logik aufgeführt wurden. Dies also sind die Arten der Syllogismen und der syllogistischen Künste und die Arten der Reden, die bei allen Dingen zur Überprüfung der Wahrheit zur Anwendung kommen. Und es sind insgesamt fünf: Sicherheit herstellende, Meinung liefernde, ⁶⁰ Irrtum hervorrufende, Überzeugung vermittelnde und Vorstellungen erzeugende. Jede dieser fünf Künste enthält Dinge, die ihnen eigentümlich sind, und wiederum andere, die ihnen gemeinsam sind. Die syllogistischen Reden sind, sei es, daß sie in der Seele festgehalten oder außerhalb mit Lauten gebildet sind, zusammengesetzt, und zwar dann, wenn sie in der Seele festgehalten sind, aus mehreren Vernunftgehalten, die verbunden und geordnet sind und die dazu dienen, eine Sache zu beweisen, und dann, wenn sie äußerlich mit Lauten gebildet sind, aus mehreren Ausdrücken [zusammengesetzt sind], die I

D. h. diese Handlung.

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Capitulum II

nibus pluribus ligatis, ordinatis, significantibus illa rationata, et sunt compares illis, quare facti sunt cum sua comparitate ad illos comitantes, et adiuvantes se ad verificandum aliquid apud auditum. Et minores sermones extrinseci, sunt compositi ex duabus dictionibus. Et minores sermones fi xi in anima, sunt compositi ex duobus rationatis simplicibus. Et isti quidem sunt sermones simplices. Et sermones sillogistici, non componuntur nisi a serG rb monibus simplicibus, quare fiunt sermones compositi. ¦ Et minores sermones compositi, sunt qui sunt compositi a duobus serP vb monibus sim|plicibus. Et plures eorum sunt indefiniti.I Omnis ergo sermonis sillogistici partes magne, sunt sermones simplices, et partes eius parve, et sunt partes partium eius, sunt simplicia rationatorum et dictionum significantium ea. Fiunt ergo partes dialetice necessario octo, quarum unaqueque pars est in libro. In primo quidem sunt regule simplicium ex rationatis et dictionibus significantibus ea. Et sunt in libro nominato arabice quidem almaculet, II et grece cathegorie. Et in secundo sunt regule sermonum simplicium, rationatorum qui sunt compositi ex duobus sermonibus simplicibus, et dictionum significantium ea compositarum ex duabus dictionibus, et sunt in libro nominato arabice quidem alhibar interpretatio, et grece pergermenias. Et in tertio sunt sermones quibus experiuntur sillogismi communes artibus quinque. Et sunt in libro nominato arabice quidem sillogismi, et grece analetica prima. I II

indeterminati. idest rationata.

14 dialetice ] logice B

15 libro ] uno add. B 17 almaculet ] de almanibus (!) G maaculetum (?) B 17 cathegorie ] kathegorie B 20 f. dictionibus ] G B dictionum P 21 alhibar ] P m G ybaracum (!) B 21 f. interpretatio ] om. B 22 pergermenias ] periarmonias (!) G pro25 sillogismi ] liber de silbabiliter in forma abbreviata sic etiam in B 25 analetica ] analaoca (?) G 25 prima ] priores B logismo B

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verbunden und geordnet sind, und die diese Vernunftgehalte bezeichnen, und sie sind das Gegenstück von diesen, weshalb sie dazu da sind, um diese als ihr Gegenstück zu begleiten und dazu zu dienen, etwas gegenüber dem, der zuhört, zu beweisen. Die kleinsten äußeren [d. h. sprachlichen] Reden sind aus zwei Ausdrücken zusammengesetzt.⁶¹ Und die kleinsten in der Seele festgehaltenen Reden sind aus zwei einfachen Vernunftgehalten zusammengesetzt. Und dies sind die einfachen Reden. Die syllogistischen Reden sind nur aus einfachen Reden zusammengesetzt, wodurch zusammengesetzte Reden entstehen. Die kleinsten zusammengesetzten Reden sind jene, die aus zwei einfachen Reden zusammengesetzt sind. Die größte Anzahl von ihnen hingegen ist unbegrenzt. I Die großen Teile jeder syllogistischen Rede sind einfache Reden, und die kleinen Teile, die Teile seiner [d. h. der syllogistischen Rede] Teile sind, sind die einfachen Vernunftgehalte und die sie bezeichnenden Ausdrücke. Es ergeben sich also mit Notwendigkeit acht Teile der Logik, von denen jeder in einem Buch behandelt wird.⁶² Im ersten werden die Regeln der einfachen Vernunftgehalte und der sie bezeichnenden Ausdrücke behandelt. Und diese werden in dem Buch behandelt, das arabisch Almaculet II ⁶³ und griechisch Kategoriai heißt.⁶⁴ Im zweiten werden die Regeln der einfachen Reden über Vernunftgehalte behandelt, die aus zwei einfachen Vernunftgehalten ⁶⁵ bestehen, sowie der sie bezeichnenden Ausdrücke, ⁶⁶ die aus zwei Ausdrücken bestehen. Und diese werden in dem Buch behandelt, das arabisch Alhibar,⁶⁷ Die Auslegung, und griechisch Peri hermeneias heißt.⁶⁸ Im dritten werden die Reden behandelt, durch die die den fünf Künsten gemeinsamen Syllogismen in ihrer Geltung überprüft werden. Und diese werden in dem Buch behandelt, das arabisch⁶⁹ Die Syllogismen und griechisch Analytika protera heißt.⁷⁰ I II

Unbeschränkt. D. h. Vernunftgehalte.

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Capitulum II

Et in quarto sunt regule quibus experiuntur sermones demonstrativi, et regule rerum quibus componitur phylosophia, et totum quo fiunt operationes magis complete, et melius, et perfectius. Et est arabice liber demonstrationis, et grece analetica secunda. Et in quinto sunt regule quibus experiuntur sermones topici, et qualiter est questio topica, et responsio topica, et ad summum regule rerum quibus componitur ars topica, et quibus fiunt operationes eius melius et perfectius et penetrabilius. Et est arabice liber locorum topicorum, et grece topica. Et in sexto imprimis sunt regule rerum quarum proprietas est ut errare faciant a veritate, et occultent, et hesitare faciant, et comprehensio omnium rerum quibus utitur ille cuius intentio est decipere et fraudare in scientiis, et sermonibus. Deinde post ista comprehensio eius quo oportet obviari sermonibus errare facienB vb tibus quibus utitur iactator et deceptor, et qualiter destruantur, et quibus rebus expellantur, et qualiter sibi caveat homo ab hoc ut erret in questione sua, aut errare faciat. Et iste liber nominatur, grece sophistica. Et est eius intentio sapientia deceptrix. Et in septimo quidem sunt regule quibus experiuntur et quibus probantur sermones rethorici, et species prosarum, et sermones bene loquentis, et rethorici, et faciunt scire an sint secundum intentionem rethorice, aut non, et comprehenduntur omnes res quibus componitur ars rethorice, et docet qualiter sit ars sermo-

4 f. analetica secunda ] analrata (!) secunda G analetici posteriores B 12 f. et comprehensio ] a veritate G 14 fraudare ] fraudari P G defraudare B 18 ut ] ne G 18 nominatur ] inatur add. P et del. P c 19 sophistica ] sophistice G

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Im vierten Buch werden die Regeln behandelt, mit denen die beweisenden Reden in ihrer Geltung überprüft werden sowie die Regeln für die Dinge, die den Gegenstand der Philosophie ausmachen, und für all das, wodurch die Untersuchungen vollständiger, besser und vollkommener werden. Und diese werden in dem Buch behandelt, das arabisch⁷¹ Das Buch der Beweise und griechisch Analytika hystera heißt.⁷² Im fünften Buch werden die Regeln behandelt, mit denen die topischen Reden überprüft werden und wie eine topische Frage und eine topische Antwort beschaffen ist, und es werden überhaupt die Regeln behandelt, aus denen die topische Kunst besteht, durch die die Untersuchungen besser, vollkommener und durchgreifender werden. Und diese werden in dem Buch behandelt, das arabisch⁷³ Das Buch der topischen Örter und griechisch Topika heißt.⁷⁴ Im sechsten sind vor allem die Regeln der Dinge enthalten, deren Kennzeichen es ist, daß sie gegenüber der Wahrheit zum Irrtum verleiten, die Wahrheit verdecken und zu Unsicherheit führen, und ebenso eine Zusammenfassung aller Dinge, die der gebraucht, dessen Absicht es ist, bei Erkenntnissen und Reden zu täuschen und zu betrügen. Im folgenden enthält es eine Zusammenfassung dessen, was den Reden, die zum Irrtum verleiten, die vom Schönredner und Fälscher angewendet werden, entgegengesetzt werden muß, auf welche Weise sie unschädlich gemacht werden und womit sie abgeschüttelt werden und wie der Mensch sich davor hüten kann, daß er bei seiner Frage in Irrtum gerät oder andere zu einem Irrtum verleitet. Und dieses Buch wird griechisch Sophistika⁷⁵ genannt.⁷⁶ Sein Ziel ist eine täuschende Weisheit. Das siebente Buch enthält die Regeln, mit denen die rhetorischen Reden zur Geltung gebracht und überprüft werden, weiterhin die Arten der Prosa, die Reden dessen, der gut zu reden versteht sowie die des Rhetors, und man erfährt durch sie, ob sie dem Ziel der Rhetorik entsprechen oder nicht. Es werden alle Dinge umfaßt, aus denen die Redekunst besteht, und es [d. h.

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Capitulum II

num rethoricorum, et prosarum, in unoquoque tractatu rerum, et quibus rebus fiant meliores et perfectiores, et sint eorum operationes penetrabiliores, et magis ultime. Et iste liber, nominatur grece rethorica, et est arabice alchatabati. Et in octavo sunt regule quibus experiuntur versus, et species sermonum metricorum facti et illi qui fiunt in unoquoque tractatu rerum, et comprehendit omnes res quibus completur ars versuum, et quot sint species eius, et quot sint species versuum et P ra sermonum metricorum, et qualiter sit ars omnis | speciei eorum, et in quibus rebus fiant, et quibus rebus componantur, et fiant melius, et sublimius, et manifestius, et delectabilius, et cum quibus oporet ut sint donec fiant magis ultimi et penetrabiliores. Et iste liber nominatur grece sumica, I et est liber versuum. Iste ergo sunt partes dialetice, et summa quam unaqueque earum comprehendit. Et pars quidem quarta, est vehementioris G va antecessionis ¦ earum in sublimitate et dignitate. Et per dialeticam quidem non queritur secundum intentionem primam, nisi pars quarta. Et relique partes non sunt facte, nisi propter quartam. Et tres antecedunt eam in ordine doctrine, cum sint preparamenta et introductiones II et vie ad ipsam. Et relique quatuor que eam sequuntur, sunt propter duas res. Quarum una est quia in unaquaque earum est sustentamentum aliquod et adiutorium, licet ipse sint sicut instrumentum parti quarte. Et adiutorium quarundam est maius, et quarundam minus. Et secunda est, seI II

idest poetica. vel aplanamenta vel instrumenta.

4 arabice ] P m G B 4 alchatabati ] alka6 fiunt ] G B fient P 11 et mataban (!) G alchicabatu (!) B nifestius ] om. G 13 sumica ] idest poetica add. B 14 dialetice ] logices B 16 f. dialeticam ] logicam B 17 primam ] propriam G

4 est ] nominatur B

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dieses Buch] lehrt, wie bei irgendeiner Behandlung einer Sachfrage die Kunst der rhetorischen Reden und der Prosareden beschaffen ist und wodurch sie besser und vollkommener werden, so daß ihre Anwendungen eindringlicher und durchgreifender sind. Und dieses Buch wird griechisch Rhetorike und arabisch Alchatabati ⁷⁷ genannt.⁷⁸ Im achten Buch sind die Regeln enthalten, durch die die Verse und die Arten der metrischen Reden überprüft werden, sowie jene, die bei der einzelnen Behandlung einer Angelegenheit angewandt werden. Sie umfaßt alle Dinge, durch die die Dichtkunst vollendet wird, und sie erklärt, wie viele Arten davon es gibt und wie viele Arten von Versen und metrischen Reden⁷⁹ und wie die Kunst jeder ihrer Arten beschaffen ist und auf welche Dinge sie Anwendung finden und aus welchen Dingen sie zusammengesetzt sind, so daß sie besser, erhabener, offenkundiger und erfreulicher werden, und was angewendet werden muß, damit sie durchgreifender und eindringlicher werden. Und dieses Buch heißt griechisch Sumika, I ⁸⁰ und es ist das Buch der Verse.⁸¹ Dies also sind die Teile der Logik, und dies ist die Zusammenfassung dessen, was ein jeder von ihnen enthält.⁸² Der vierte Teil freilich ist seiner Bedeutung und Würde nach der weitaus herausragendste⁸³ von ihnen. In der Logik werden dem vorrangigen Ziel nach Untersuchungen nur wegen des vierten Teils unternommen.⁸⁴ Die übrigen Teile werden nur wegen des vierten erstellt. Drei Teile gehen diesem in der Ordnung des Unterrichts voraus, insofern sie Vorbereitung, II Einleitung und Hinweg zu ihm sind. Und die übrigen vier Teile, die auf diesen folgen, sind aus zwei Gründen erstellt. Der eine ist der, daß in einer jeden derselben eine Unterstützung und Hilfe geliefert wird, so als ob sie gleichsam ein Instrument für den vierten Teil wären.⁸⁵ Die Hilfe, die die einen von ihnen leisten, ist größer, die von I II

D. h. Poetika. Oder Wegbereiter oder Instrumente.

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cundum modum cautele. Et illud est, quoniam si non discernerentur iste artes ab invicem in effectu ita ut scirentur regule uniuscuiusque earum secundum suam singularitatem I discrete a regulis alterius, non esset homo securus cum ipse inquireret veritatem et certitudinem, quin uteretur rebus topicis ita quod non perciperet quod essent topice, quare removeretur per illud a certitudine ad opinionem fortem, aut uteretur ita quod non perciperet rebus rethoricis, et removeretur per id ad sufficientiam, aut uteretur illis que errare faciunt ita quod non perciperet, et aut facerent ipsum estimare in eo quod non est verum quod est verum, et credere illud, aut facerent ipsum hesitare, aut uteretur rebus metricis ita quod non perciperet quod essent metrice, et ageret iam in credulitate sua secundum immaginationes, et apud seipsum quod ipse incederet in omnibus istis dispositionibus via ad veritatem, et inveniret questionem suam, et non inveniret secundum veritatem, sicut ille qui cognoscit cibos et medicinas nisi discernantur eis venena ab istis actu donec certificetur cognitio eorum signis suis, non erit securus quin sumat ea secundum quod ipsa sint cibus aut medicina ita quod non perciperet. Quare moriretur. Secundum intentionem vero secundam, quam ipsa dat iterum opificibus cuiusque quatuor artium, totum quo completur ars illa, ita ut sciat homo quando vult fieri topicus ultimus quot B ra res oporteat eum scire, et sciat quibus rebus experiatur in se aut in alio sermones eius, ut sciat an incedat in eis via topice an non. I

idest per se.

4 inquireret ] G B inquiret P 5 certitudinem ] i add. P et del. P c 6 quod ] ea add. P et del. P c 13 credulitate ] secundum add. P c 17 eis ] G ei P B 18 sumat ] G B summat P 20 et del. P quam ] om. B 24 topice ] topica G

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anderen geringer. Der zweite Grund besteht in einer Vorsichtsmaßnahme, und zwar deshalb, weil dann, wenn diese Künste in ihrer Anwendung nicht unterschieden würden, so daß die Regeln einer jeden von ihnen genau nach ihrer Besonderheit I im Unterschied von den Regeln der anderen gekannt werden, ⁸⁶ jemand, wenn er nach der Wahrheit und Sicherheit strebt, keine Gewißheit darüber erlangen könnte, daß er nicht topische Regeln anwendet, ohne zu bemerken, daß sie topische sind, so daß er sich dadurch von der Gewißheit ab- und einer starken Meinung zuwenden würde. Oder er würde, ohne dies zu bemerken, rhetorische Regeln anwenden, und er würde dadurch zu einer bloßen Überzeugung gelangen. Oder er würde das anwenden, was zum Irrtum verleitet, ohne dies zu bemerken, und er würde so entweder dazu verleitet, etwas, was nicht wahr ist, für wahr zu halten, und würde es somit glauben, oder er würde zu einer Unsicherheit verleitet. Oder er würde metrische Dinge⁸⁷ anwenden, ohne zu bemerken, daß es metrische sind, und er würde sich so in seiner Überzeugung nach [bloßen] Vorstellungen richten. Und er wäre für sich überzeugt, daß er bei all diesen Vorkehrungen den Weg der Wahrheit beschritte und er die Antwort auf seine Frage erhielte, während er sie in Wirklichkeit nicht erhielte, ganz so wie jener, der Speisen und Heilmittel kennt, ohne sie aber tatsächlich von den Giften zu unterscheiden, so lange bis deren Kenntnis durch ihre Kennzeichen gewährleistet ist, nicht sicher sein wird, ob er sie [d. h. die Gifte] nicht so, als wären sie Speise oder Heilmittel, zu sich nimmt, ohne daß er dies bemerkt. Und so würde er deshalb sterben. Einem zweiten Ziel nach liefert die Logik jenen, die diese vier Künste anwenden, alles, wodurch diese Kunst vollendet wird, so daß jemand, wenn er ein gewandter Topiker werden will, weiß, wie viele Dinge er wissen muß, und er auch weiß, mit welchen Dingen er bei sich oder bei einem anderen die Reden überprüfen muß, um zu wissen, ob er dabei den Weg der Topik beschreitet oder nicht. Ähnlich, damit I

D. h. an und für sich.

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Capitulum II

Et similiter sciat quando vult fieri rethoricus ultimus quot res oporteat eum scire, et sciat quibus rebus experiatur in se et in alio an incedat in sermonibus suis secundum viam rethorice, aut secundum viam aliam. Et similiter sciat quando voluerit ut fiat versificator ultimus quot res oporteat eum scire, et sciat quibus rebus experiatur in se et in alio versificator, an incedat in sermonibus suis via versuum, aut avertatur ab ea et permisceat cum ea P rb vias alias. | Et similiter sciat cum voluerit ut insit ei virtus ad hoc ut errare faciat alium, et non faciat ipsum errare aliquis, quot res oporteat ipsum scire, et sciat quibus rebus possit experiri omnem sermonem et omnem sententiam, et sciat an erravit in ea, an fecit errare et quomodo sit illud.

6 versificator ] G versificatorum P om. B

10 sciat ] G B scias P

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Über die Wissenschaft der Logik

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er, wenn er ein gewandter Redner werden will, weiß, wie viele Dinge er wissen muß, und er auch weiß, mit welchen Dingen er bei sich oder bei einem anderen [die Reden] überprüfen muß, um zu wissen, ob er bei seinen Reden gemäß dem Weg der Rhetorik oder gemäß einem anderen Weg vorgeht. Ähnlich, damit er, wenn er ein gewandter Dichter werden will, weiß, wie viele Dinge er wissen muß, und er auch weiß, mit welchen Dingen der Dichter bei sich oder bei einem anderen [die Reden] überprüfen muß, um zu wissen, ob er bei seinen Reden den Weg der Verskunst beschreitet oder ob er von ihm abweicht und er ihn mit anderen Wegen vermischt.⁸⁸ Ähnlich, damit er, wenn er über die Fähigkeit verfügen will, einen anderen zu einem Irrtum zu verleiten, nicht aber irgendein anderer ihn selbst zu einem Irrtum verleitet, weiß, wie viele Dinge er selbst wissen muß, und er somit weiß, mit welchen Dingen er jede Rede und jede These überprüfen kann, und er auch weiß, ob er dabei in einen Irrtum geraten ist oder ob er zu einem Irrtum verleitet hat und wie dies vor sich geht.

 

  

Hec scientia dividitur in septem partes magnas quas comprehendimus in principio libri. In aritmeticam quidem. Verum illud quod per hanc scientiam scitur, est due scientie. Quarum una est scientia numeri activa G vb et altera scientia numeri spe¦culativa. Et activa quidem inquirit de numeris inquantum sunt numeri numeratorum, quorum numerum tenere oportet, scilicet corporum et aliorum sicut hominum, aut equorum, aut solidorum, aut dragmarum, aut aliarum rerum habentium numerum. Et est illa qua vulgus utitur in comerciis negociatoriis, et comerciis civilibus. Speculativa vero, non inquirit de numeris nisi absolute, secundum quod ipsi sunt denudati in mente a corporibus et ab omni quod eis numeratur. Et non speculatur in eis nisi denudatis ab omni quod possibile est eis numerari ex sensatis, et ex parte que communicat omnibus numeris qui sunt numeri sensatorum, et insensatorum. Et hec quidem scientia est illa que ingreditur in summam scientiarum. Et scientia quidem numeri speculativa inquirit in numeris absolute de omnibus que accidunt eis in essentiis suis simplicibus preter quod comparentur ad invicem. Et sunt sicut par et impar, et de omnibus que accidunt eis cum ad invicem comparantur. Et sunt equalitas, et superfluitas, et ut numerus sit pars numeri, aut partes, aut duplum eius, aut equalis ei et addens partem, aut

1f. CA PIT ULU M … DOCTR INARU M ] om. G B 3 magnas ] 5 aritmeticam ] arismeticam sic semper B 9 scimaximas G c 17 et insensatorum ] om. B 20 f. in eslicet ] add. interlin. P sentiis suis simplicibus preter quod ] cum G 23 equalitas ] inequa24 et ] aut B litas G

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 

    Diese Wissenschaft¹ wird in sieben große Teile eingeteilt, ² die wir am Beginn des Buches aufgezählt haben. ³ Die Arithmetik.⁴ Das, was mit dieser Wissenschaft erlernt wird, sind [eigentlich] zwei Wissenschaften. Die eine von ihnen ist die angewandte Wissenschaft von der Zahl, die andere ist die theoretische Wissenschaft von der Zahl. ⁵ Die angewandte [Arithmetik] erforscht die Zahlen, insofern sie Zahlen gezählter Gegenstände sind, deren Anzahl festgehalten werden soll, also von Körpern und anderen Gegenständen, wie z. B. Menschen, Pferde, Schillinge, ⁶ Drachmen⁷ und andere abzählbare Dinge. Dies ist jene [Arithmetik], die das gewöhnliche Volk bei den Handelsgeschäften und bei den bürgerlichen Geschäften anwendet.⁸ Die theoretische [Arithmetik] hingegen erforscht die Zahlen nur absolut,⁹ so wie sie [d. h. die Zahlen] im Geiste, entblößt von den [materiellen] Körpern und von allem, was mit ihnen abgezählt wird, gegeben sind. Die Forschung wird bei ihnen nur so unternommen, wie sie entblößt von allem sind, was man mit ihnen bei sinnlich wahrnehmbaren Dingen abzählen kann, und [sie werden erforscht] nur in Hinsicht auf das, was allen Zahlen gemeinsam ist, seien dies nun Zahlen für sinnlich wahrnehmbare oder sinnlich nicht wahrnehmbare Dinge.¹⁰ Und es ist diese Wissenschaft, die in den Inbegriff der Wissenschaften eingeht. Die theoretische Wissenschaft der Zahlen erforscht die Zahlen absolut in Hinsicht auf all das, was auf ihre einfachen Wesenheiten zutriff t, ohne daß sie untereinander verglichen werden, wie z. B., daß sie gerade bzw. ungerade sind, sowie in Hinsicht auf all das, was ihnen zukommt, wenn sie untereinander verglichen werden,¹¹ wie z. B. die Gleichheit und die Ungleichheit,¹² sowie, daß eine Zahl ein Teil oder Teile einer anderen Zahl ist¹³ oder das Doppelte [einer Zahl] oder mit dieser gleich ist, des weite-

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Capitulum III

partes, et ut sit proportionalis, aut improportionalis, et similis aut dissimilis, et communicans aut seiunctus. Deinde inquirit de illis que accidunt ipsis cum quidam adduntur aliis, et apud aggregationem eorum, et apud diminutionem aliorum ab aliis, et eorum separationem, et ex multiplicatione numeri per numerationem unorum numeri alterius, et ex divisione numeri in partes per numerationem unorum numeri alterius. Et illud est, sicut sit numerus quadratus, aut superficialis, aut solidus, aut perfectus, aut imperfectus. Nam ipsa inquirit de his omnibus et de illis que accidunt eis cum comparantur iterum ad invicem, et docebit qualis modus sit in extrahendo numerum ex numero noto, et ad summum in extrahendo omne cuius via est ut extrahatur ex numeris. Sed scientia geometrie. Nam illud quod scitur per hoc nomen, est due res, geometria activa, et geometria speculativa, activa igitur earum considerat in lineis et superficiebus in corpore ligni si ille qui eis utitur fuerit carpentarius, aut in corpore ferri si fuerit ferrarius, aut 〈 in 〉 corpore parietis si fuerit cementarius, aut in superficiebus terrenis, et cultis si fuerit mensurator. Et similiter omnis opifex geometrie active. Nam ipse format in se ipso lineas et superficies et quadraturam, et rotunditatem et trinitatem in corpore materiei que subiecta est illi arti active. Et P va spe|culativa non considerat in lineies et superficiebus 〈et〉 in corporibus nisi absolute et secundum communitatem et secundum modum communicantem omnibus superficiebus corporum, et B rb format in anima sua lineas cum modo communi qui non curat in quo corpore sit, et format superficies et quadraturam et

1 aut inproportionalis ] om. G 9 aut imperfectus ] om. G 10 c cum ] add. interlin. P 18 in ] G B 23 et ] B 23 f. in corpo25 communicantem ] communem B 27 quo corribus ] om. B

pore sit ] qua materia fit B

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Über die mathematischen Wissenschaften

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ren, daß ein Teil oder Teile [einer Zahl] hinzugefügt wird,¹⁴ sowie daß sie proportional oder nicht proportional,¹⁵ ähnlich oder unähnlich,¹⁶ kommensurabel oder inkommensurabel¹⁷ ist. Dann erforscht sie, was auf sie zutriff t, wenn irgendwelche Zahlen anderen hinzugefügt werden, sowie das, was beim Zusammenzählen bzw. bei der Wegnahme der einen von den anderen bzw. bei ihrer Trennung zutriff t¹⁸ und was bei der Multiplikation einer Zahl durch das Abzählen der Einheiten einer anderen Zahl sowie was bei der Division einer Zahl in Teile durch das Abzählen der Einheiten einer anderen Zahl zutriff t.¹⁹ Dies ist so²⁰ z. B. bei einer quadratischen²¹ oder flächenhaften,²² körperhaften, ²³ vollkommenen²⁴ oder unvollkommenen Zahl. Denn diese [d. h. die Arithmetik] erforscht all dies und alles, was bei ihnen zutriff t, wenn sie untereinander verglichen werden, und sie lehrt, auf welche Weise man eine Zahl aus einer anderen bekannten Zahl ermittelt und ganz im allgemeinen, wie man all das ermittelt, was auf dem Weg der Ermittlung über die Zahlen gewonnen werden kann. Nun über die Geometrie. ²⁵ Das, was unter diesem Namen verstanden wird, betriff t zwei Bereiche: die angewandte Geometrie und die theoretische Geometrie. Die angewandte Geometrie erforscht die Linien und Flächen an einem hölzernen Körper, wenn der, der sie anwendet, Zimmermann ist, oder an einem eisernen Körper, wenn er Schmied ist, oder an einer Wand, wenn er Maurer ist, oder an Grundstücken oder Ackerflächen, wenn er Landvermesser ist. Ähnlich verhält es sich mit jedem Handwerker, der die angewandte Geometrie gebraucht. Denn er stellt sich die Linien, die Flächen und die quadratische, runde und dreieckige Gestalt an dem Körper des Stoffes vor, der jener praktischen Kunst zugrunde gelegt wird. Die theoretische Geometrie erforscht die Linien, Flächen und Körper nur absolut und in Hinsicht auf die Art und Weise, die allen Flächen der Körper gemeinsam ist. Er [d. h. der Geometer] stellt sich in seiner Seele²⁶ die Linien in allgemeiner Weise vor, ohne sich darum zu kümmern, in welchem Körper sie sind, und er formt in allgemeiner

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Capitulum III

rotunditatem et trinitatem cum modo communi qui non curat in quo corpore sit, et format corpora cum modo communi qui non curat in qua materia sit et in quo sensato sit, immo absolute preter quod erigat in anima sua corpus ens lignum, aut corpus ens paries, aut corpus ens ferrum, sed corpus commune istis. Et hec quidem scientia est illa que ingreditur in summam scientiarum. Et ipsa inquirit in lineis et superficiebus, et in corporibus absolute de figuris ipsorum, et quantitatibus eorum et equalitate et superfluitate eorum, et de speciebus situum ipsorum et ordinum eorum, et de omnibus que accidunt eis sicut punctis et angulis et aliis, et inquirit de proportionalibus et inproportionalibus, et de illis que ex eis sunt data, et que non sunt data, et de communicantibus ex eis, et seiunctis, et de rationalibus ex eis, et surdis, et speciebus harum duarum, et docet qualis sit modus in arte cuiuscumque earum, 〈et que〉 est via ut I agat, II et qualis sit modus in extrahendo totum cuius via est ut extrahatur, et docet causas horum omnium, et quare sunt ita cum demonstrationiG ra bus dantibus ¦ nobis scientiam certam, in qua non est possibile cadere ambiguitatem. Hec est ergo summa eius in quo contemplatur geometria. Et hec quidem scientia habet duas partes, scilicet partem speculantem in lineis et superficiebus, et partem in corporibus. Et que speculatur in corporibus, dividitur secundum species corporum, sicut cubus, et piramis, et sp〈h〉era et columna, et serratilia, et pinealia. Et speculatio in omnibus istis, est secundum duos modos, unus eorum est ut consideret in unoquoque secundum se, I II

fiat. idest ut aliquis faciat illam.

15 et que ] B 15 agat ] fi at B 21 scilicet ] add. interlin. P c 24 serratilia ] B seratilia P G 26 consideret ] consideretur B

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Weise die Flächen, die quadratische, die runde und die dreiekkige Gestalt, ohne sich darum zu kümmern, in welchem Körper sie sind, und er formt in allgemeiner Weise die Körper, ohne sich darum zu kümmern, in welcher Materie und in welchem sinnlich wahrnehmbaren Gegenstand sie sich finden, vielmehr absolut, ohne sich in seiner Seele einen Körper aus Holz ²⁷ oder den Körper einer Wand oder einen Körper aus Eisen vorzustellen, sondern den Körper, der diesen gemeinsam ist. Und es ist diese Wissenschaft, die in den Inbegriff der Wissenschaften eingeht. Diese erforscht bei Linien, Flächen und Körpern in absoluter Weise deren Figuren, Größen, Gleichheit und Ungleichheit, deren Arten der Lagen und Anordnungen und alles, was auf sie zutriff t, wie z. B. Punkte, Winkel und anderes, und sie erforscht die proportionalen und nicht proportionalen [Größen] sowie das, was von diesen gegeben und was nicht gegeben ist, die kommensurablen und inkommensurablen, ²⁸ die rationalen und irrationalen²⁹ und die Arten dieser beiden, und sie lehrt, welche die Art und Weise der Anwendung derselben und welcher der Weg ist, um dies I durchzuführen, II und welche die Art und Weise ist, um die Gesamtheit dessen herauszufinden, wofür es einen Weg des Herausfindens gibt. Sie lehrt auch die Ursachen von all dem und warum es sich so verhält, und zwar mit Beweisen, die uns ein sicheres Wissen vermitteln, bei dem es nicht möglich ist, daß ein Zweifel auftritt. Dies also ist die Zusammenfassung dessen, was die Geometrie betrachtet. Diese Wissenschaft hat zwei Teile, wovon in einem die Linien und Flächen, im anderen die Körper erforscht werden. Der Teil, in dem die Körper erforscht werden, wird entsprechend den Arten der Körper eingeteilt, z. B. dem Würfel, der Pyramide, der Kugel, ³⁰ der Säule, ³¹ den Prismen³² und den Kegeln. ³³ Die Untersuchung von all diesen geschieht auf zwei Weisen: In der einen wird jedes von diesen für sich allein betrachtet, so z. B. die I II

Durchzuführen. D. h., daß jemand ihn einschlägt.

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Capitulum III

sicut speculatio in lineis secundum se, et superficiebus secundum se, et cubo secundum se, et piramide secundum se. Et alter est ut consideret in eis et in ipsorum accidentibus cum comparantur ad invicem. Et illud est, quoniam aut comparantur ad invicem et consideratur in equalitate eorum et ipsorum superfluitate aut in aliis ab istis duobus suorum accidentium, aut ponuntur quedam eorum cum quibusdam et ordinantur, sicut ponatur et ordinetur linea in superficie, aut superficies in corpore, aut superficies in superficie, aut corpus in corpore. Et oportet ut sciatur quod geometrie et aritmetice sunt elementa et radices, et res alie que declarantur ab illis radicibus. Radices ergo sunt definite, sed illa que declarantur a radicibus sunt indefinita. Et in libro quidem comparato Euclidi pithagorico sunt radices geometrie, et aritmetice, et est liber nominatus Liber elementorum. Et consideratio in eis, est duabus viis, via resolutionis, et via compositionis. Et antiqui quidem de illis qui fuerunt huius scientie, aggregaverunt in libris suis inter ambas vias, nisi Euclides. Nam ipse considerat P vb in libro suo | secundum viam compositionis solum. Et scientia aspectuum inquirit de eo de quo inquirit scientia geometrie, scilicet ex figuris et magnitudinibus et sitibus, et ordine, et equalitate, et superfluitate et aliis, sed 〈non〉 ita ut sint in lineis, et superficiebus, et corporibus, absolute. Est ergo speculatio geometrie communior. Et non est necessarium ut singularis fiat scientia aspectuum licet ista ingrediatur in summam eius de quo inquirit geometria, nisi quia plurimum eorum que geometria necessario facit, quod sint secundum dispositionem aliquam figure, aut situs, aut ordinis, aut alterius, fiunt dispositio-

3 consideret ] consideretur B 5 consideratur ] considerantur G 11 defi nite ] fi nite B 12 indefi nita ] infi nita B 13 pithagorico ] pitagorico G pytagorico B 20 ex ] de B 20 sitibus ] ex sic tubus P 21 non ] sic in manuscripto arabico Escorialensi, omittitur in aliis manuscriptis 24 ingrediatur ] G ingrediantur P B

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Erforschung der Linien für sich allein, der Flächen für sich allein, des Würfels für sich allein und der Pyramide für sich allein. In der anderen werden diese sowie ihre Eigenschaften betrachtet, indem sie untereinander verglichen werden. Dies geschieht so, daß sie entweder untereinander verglichen werden und eine Untersuchung in Hinsicht auf ihre Gleichheit, Ungleichheit oder auf andere ihrer Eigenschaften hin angestellt wird oder daß einige von ihnen mit anderen zusammengesetzt und geordnet werden, so wie z. B. eine Linie in eine Fläche gesetzt und ihr zugeordnet wird oder eine Fläche in einen Körper oder eine Fläche in eine Fläche oder ein Körper in einen Körper. Und man muß wissen, daß die Geometrie und die Arithmetik Elemente und Grundlagen³⁴ liefert sowie andere Dinge, die von diesen Grundlagen aus abgeleitet werden. Die Grundlagen also sind von begrenzter Anzahl, wogegen das, was aus diesen Grundlagen abgleitet ist, von unbegrenzter Anzahl ist. In dem Buch, das dem Pythagoreer Euklid zugeschrieben wird, sind die Grundlagen der Geometrie und der Arithmetik enthalten, und der Titel des Buches ist Das Buch der Elemente. ³⁵ Die Untersuchung wird auf zwei Wegen durchgeführt, dem Weg der Analyse und dem Weg der Synthese. Jene von den Alten, die sich dieser Wissenschaft widmeten, vereinigten in ihren Büchern beide Wege, mit Ausnahme des Euklid, der in seinem Buch nämlich nur den Weg der Synthese anwandte. ³⁶ Die Wissenschaft der Optik ³⁷ erforscht das, was auch die Wissenschaft der Geometrie erforscht, nämlich die Figuren, Größen und Lagen, die Anordnung, Gleichheit, Ungleichheit und anderes, aber nicht³⁸ so, daß die Linien, Flächen und Körper absolut betrachtet werden. Die Untersuchung der Geometrie ist also allgemeiner. Eine eigene Wissenschaft der Optik ist daher [eigentlich] nicht erforderlich, ³⁹ insofern sie in der Gesamtheit dessen, was die Geometrie erforscht, enthalten ist, außer aus dem Grund, daß sich bei vielem von dem, was die Geometrie als notwendig aufstellt, insofern es sich gemäß der Anordnung der Figur, der Lage, der Ordnung oder von etwas anderem er-

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Capitulum III

nes cum ad ea aspicitur secundum contrarium illius. Et illud est, quoniam illa que in veritate sunt quadrata cum ad ea aspicitur ex longitudine aliqua, videntur rotunda. Et plurima eorum que B va sunt equidistantia, videntur concurrentia, et equalia superfluentia, et superfluentia equalia. Et plurima eorum que sunt posita in superficie una, apparent quedam eorum inferiora, et quedam altiora. Et plurima eorum que sunt priora, apparent posteriora, et similia istis plurima, discernitur ergo per hanc scientiam inter illud quod apparet in visu diverso modo, ab eo quod est in ipso in veritate, et inter illud quod apparet secundum quod est in ipso in veritate, et dat causas horum omnium, et quare sunt ita per demonstrationes certificativas et docet in omni in quo est possibile visum errare, et modos ingeniorum ad hoc ut non erret, immo inveniat secundum veritatem in eo ad quod aspicit ex re et quantitate eius, et ipsius figura, et eius situ, et ordine ipsius, et reliquis, illud in quo possibile est errare visum. Et per hanc quidem artem est possibile homini ut stet super I mensuram eius quod elongatur ex magnitudinibus postquam difficile II sit in eo pervenire ad ipsum, III et super quantitates elongationum earum a nobis, et elongationum earum ab invicem. Et illud est, sicut altitudines arborum longarum, et parietum, et latidudines rivulorum, et fluviorum, et super altidudines montium, et profundidates aquarum postquam cadit visus super fines earum. Amplius I II III

idest sciat. vel prohibetur. perventio.

4 equalia ] et add. P del. P c 20 ab ] ex ad P c 21 altitudines ] lonc 21 latidudines ] ex altitudines P latitudines G longigitudines G

tudines B

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gibt, dann, wenn man auf sie [d. h. auf bestimmte Gegenstände] blickt,⁴⁰ Anordnungen ergeben, die [den geometrischen] entgegengesetzt sind. Das geschieht deshalb, weil jene, die in Wirklichkeit quadratisch sind, dann, wenn sie aus einer gewissen Entfernung betrachtet werden, [manchmal] rund erscheinen. Viele, die parallel verlaufen, scheinen zu konvergieren, und gleiche scheinen ungleich zu sein und ungleiche gleich. Bei vielen von denen, die auf einer Ebene liegen, scheinen die einen tiefer, die anderen höher zu liegen.⁴¹ Und viele, die weiter vorne liegen, scheinen weiter hinten zu liegen, und es gibt noch vieles andere, was diesen ähnlich ist. Mit dieser Wissenschaft wird also zwischen dem unterschieden, was sich dem Anblick in einer Weise darbietet, die von dem, was in ihm [d. h. dem Gegenstand] in Wirklichkeit ist, verschieden ist, und dem, was sich so darbietet, wie es in ihm in Wirklichkeit ist, und sie liefert die Ursachen für all dies und erklärt mit Beweisen, die Sicherheit gewähren, warum es sich so verhält. Weiterhin zeigt sie alle jene Fälle auf, in denen es möglich ist, daß das Sehen irrt, sowie Verfahren einfallsreicher Menschen, um solche Irrtümer zu vermeiden. Schließlich findet sie bei dem, was man anblickt, gemäß dem der Wahrheit Entsprechenden in Hinsicht auf die Sache, die Quantität, die Gestalt, die Lage, die Anordnung und alles übrige das heraus, bei dem es möglich ist, daß das Sehen irrt. Durch diese Kunst kann jemand das Maß von etwas ermitteln, I das entfernt und schwer II zu erreichen ist, III und zwar aus den [ihm zur Verfügung stehenden] Größen, und ebenso [kann er] die Größe der Entfernung von uns wie auch die Entfernung derselben [d. h. der Gegenstände] voneinander [ermitteln]. Dies ist der Fall z. B. bei der Höhe hoher Bäume und Wände und der Breite von Bächen und Flüssen sowie der Höhen von Bergen und der Tiefen von Gewässern, sobald der Blick auf deren Enden triff t. Des weiteren I II III

D. h. wissen. Oder [welches zu erreichen] er verhindert ist. Behinderung.

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Capitulum III

elongationes nubium et aliorum ex ¦ loco in quo sumus, et in quo opposito loco terre fuerint, deinde elongationes corporum celestium, et quantitates eorum, et totum ad quod possibile est pervenire a reflexione aspicientis ipsum, et ad ultimum omnis magnitudo super cuius quantitatem aut longitudinem ab aliqua re queritur statio, postquam cadit visus super eam, quedam quidem cum instrumento facto ad dirigendum visum ita ut non erret, et quedam eorum sine instrumento. Et omne quidem ad quod aspicitur et videtur, non videtur nisi cum radio penetrante in aerem et in omne corpus pervium tangens oculos nostros, usque quo cadat super rem ad quam aspicitur. Et radii quidem penetrantes in corpora pervia ad illud P ra ad quod aspicitur, aut sunt recti, aut reflexi, aut conversi, | aut fracti. Recti igitur sunt qui cum egrediuntur a visu protenduntur secundum rectitudinem sunt visus usque quo pertranseant et abscindantur. I Et reflexi quidem sunt quorum cum incipit penetratio ex visu, obviat eis in viis suis antequam pertranseant speculum prohibens eos a penetratione secundum rectitudinem, quare reflectuntur oblique ad partes laterum speculi, deinde extenduntur in latera ad que reflectuntur eundo ad illud quod est inter manus aspicientis secundum hanc figuram

G rb

visus

visum

I

idest fi niantur.

15 sunt ] B sont P om. G 15 sunt visus ] super rem visam B 22 visus … visum ] visus speculum visum B figuram om. G



23 speculum ] B





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können wir die Entfernungen der Wolken und anderer Gegenstände von dem Ort aus, an dem wir uns befinden, erfassen und ebenso, welchem Ort der Erde sie gegenüberliegen,⁴² dann auch die Entfernungen und Größen der Himmelskörper und all das, wozu man aufgrund einer Beugung⁴³ mit Bezug auf den diesen [Gegenstand] Betrachtenden gelangen kann, und schließlich jede Größe, nach deren Standort in Hinsicht auf die Quantität und Entfernung von einem bestimmten Gegenstand⁴⁴ gefragt wird, nachdem einmal der Blick darauf gefallen ist, und zwar bei einigen Dingen mit Hilfe eines Instruments,⁴⁵ das den Blick so leitet, daß er nicht irrt, bei anderen ohne Instrument. Alles, worauf der Blick fällt und was gesehen wird, wird nur vermittels eines Strahles gesehen, der die Luft und jeden lichtdurchlässigen Körper durchdringt, der unsere Augen berührt, bis er auf den Gegenstand fällt, der betrachtet wird.⁴⁶ Die Strahlen, die lichtdurchlässige Körper bis zu dem durchdringen, das betrachtet wird, sind geradlinige, reflektierte, umgekehrte oder gebrochene.⁴⁷ Geradlinige Strahlen sind jene, die dann, wenn sie vom Auge ausgehen, sich in gerader Sehrichtung⁴⁸ bis dorthin erstrecken, wo sie hingelangen, und [dort] abgeschnitten I werden. Reflektierte Strahlen sind jene, denen, wenn ihre Ausbreitung vom Auge aus beginnt, auf ihrem Weg, bevor sie ihn ganz durchlaufen haben, ein Spiegel entgegentritt, der ihre Ausbreitung in gerader Richtung verhindert, weshalb sie schräg nach den Seiten des Spiegels hin reflektiert werden, worauf sie sich auf den Seiten, auf die sie reflektiert werden, fortsetzen, wobei sie bis zu dem gelangen, was zwischen den Händen des Betrachters liegt,⁴⁹ gemäß folgender Figur: ⁵⁰ Auge

Gesehenes

Spiegel I

D. h., wo sie beendet werden.

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Capitulum III

Et conversi quidem, sunt illi qui redeunt a speculo in viis suis quibus incesserunt imprimis donec cadant super corpus videntis I ex cuius visu exierunt. Quare videt homo aspiciens seipsum cum illo eodem radio. Et fracti quidem, sunt illi qui redeunt ex speculo ad partem aspicientis ex cuius visu exierunt, et extenduntur flexuose ab eo ad unum laterum eius, et cadunt super rem aliam que est post aspicientem, aut a dextra eius, aut ab ipsius sinistra, aut super ipsum, quare videt homo illud quod est post ipsum, aut quod est in uno aliorum laterum eius. Et est reversio eius secundum hanc figuram

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visus speculum visum Et medium quidem inter visum et inter illud ad quod aspicitur aut speculum, omnino sunt corpora pervia, scilicet aer aut aqua, aut corpus celeste, aut quedam corpora composita apud nos, ex vitro, aut homogeneo ipsi. Et specula que reddunt radios et prohibent eos a penetratione secundum suam rectidudinem, aut sunt ex speculis notis que sunt apud nos de ferro aut aliis, aut B vb sunt vapores crossi humidi, aut aqua, aut corpus aliud si fuerit simile istis. Scientia ergo aspectuum inquirit de omni quod videtur et ad quod aspicitur cum istis quattuor radiis in unoquoque speculorum, et de omni quod accidit ei ad quod aspicitur. Et ipsa quidem dividitur in duas partes. Prima quarum est inquisitio de eo ad quod aspicitur cum radiis rectis. Et secunda est inquisitio I

speculum.

13 visum ] eadem figura etiam in margine P m figuram om. G B 14 medium ] G medio P media B 15 scilicet ] add. interlin. P c 20 crossi ] grossi G B 20 f. aliud … istis ] aut aliquid simile illis B

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Umgekehrte Strahlen sind dann solche, die vom Spiegel auf denselben Wegen, auf denen sie auf ihn getroffen sind, wieder zurückkehren, bis sie auf den Körper des Betrachters treffen, I von dessen Augen sie ausgegangen sind. Daher sieht der Mensch als Betrachter sich selbst mit ein und demselben Strahl. Gebrochene Strahlen sind jene, die vom Spiegel zur Seite des Betrachters zurückkehren, von dessen Augen sie ausgegangen sind, und die sich an ihm vorbei an einer seiner Seiten fortsetzen und dann auf einen hinter dem Betrachter liegenden Gegenstand treffen, entweder auf einen zu seiner rechten oder zu seiner linken Seite oder auf einen oberhalb von ihm, weshalb der Mensch etwas sieht, was hinter ihm oder seitlich von ihm liegt. Dies ist eine Umkehrung des Strahls gemäß folgender Figur: Auge Spiegel Gesehenes Das Medium zwischen dem Auge und dem betrachteten Gegenstand bzw. dem Spiegel sind durchwegs lichtdurchlässige Körper, nämlich Luft, Wasser, Himmelskörper oder bestimmte von uns aus Glas oder aus einem diesem homogenen [Material] verfertigte Körper. Die Spiegel, die die Strahlen zurückwerfen und sie am Eindringen in gerader Richtung hindern, sind die bekannten Spiegel, die bei uns aus Eisen oder anderen [Stoffen] bestehen, oder es sind dichte feuchte Dämpfe, ⁵¹ Wasser oder ein anderer diesen ähnlicher Körper. ⁵² Die Wissenschaft der Optik erforscht also alles, was gesehen wird oder was mit diesen vier Arten von Strahlen in irgendeinem Spiegel betrachtet wird, sowie alles, was auf das zutriff t, was betrachtet wird. Die Optik wird in zwei Teile eingeteilt. Der erste besteht in der Erforschung dessen, was mit geraden Strahlen betrachtet wird. Der zweite besteht in der Erforschung dessen, was mit Strahlen, die I

Spiegel.

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Capitulum III

de eo ad quod aspicitur cum radiis non rectis, et est appropriata scientie speculorum. Scientia autem stellarum est due scientie, quarum una est scientia significationum stellarum super illud quod erit in futuro, et super plurimum eius quod est nunc inventum, et super plurimum eius quod preteriit. Et secunda est scientia stellarum doctrinalis, hec ergo est illa que numeratur in scientiis et in doctrinis. Illa vero, non numeratur nisi in virtutibus, et potentiis quibus potest homo iudicare illud quod erit, sicut interpretatio visionis, et augurium in avibus et sternutationibus et similia istis virtutibus. Scientia ergo stellarum doctrinalis inquirit in corporibus celestibus et in terra, de tribus summis, prima est de numeris eorum et ipsorum figuris, et sitibus eorum ab invicem, et ordinibus eorum in mundo, et quantitatibus corporum eorum, et proportionibus eorum ad invicem, et quantitatibus elongatioP rb num ipsorum ab invicem, et quod terre totalitati non | est motus localis neque a loco suo neque in suo loco. Et secunda, est de G va motibus corporum celestium ¦ quot sunt et quod motus eorum omnes sunt sp〈h〉erici, et quis eorum communicet omnibus eis, scilicet stellis eorum, et non stellis, et quis communicet stellis omnibus, deinde 〈de〉 motibus qui sunt proprii unicuique stellarum, et quot species motuum sint unicuique earum, et partes ad quas moventur, et secundum quam partem advenit unicuique earum iste motus, et docet viam ad comprehendendum locum cuiusque stelle ex partibus signorum in unaquaque hora cum omnibus speciebus motuum eius, et inquirit iterum de omnibus que accidunt corporibus celestibus, et de motibus qui sunt unicuique

2 speculorum ] de speculis. Astrologia B 4 significationum ] figurarum G signorum B 6 scientia ] i add. et del. P 17 a ] in B 17 in suo loco ] a loco alio B 19 omnibus ] om. B 21 de ] B 25 signorum ] figurarum B

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nicht gerade sind, betrachtet wird, und dies ist das Gebiet der Wissenschaft der Spiegel. Die Wissenschaft der Sterne ⁵³ besteht aus zwei Wissenschaften. Die eine ist die Wissenschaft der Zeichen der Sterne in Hinsicht auf das, was in der Zukunft geschehen wird, in Hinsicht auf vieles von dem, was jetzt vorgefunden wird, und in Hinsicht auf vieles von dem, was vergangen ist. ⁵⁴ Die andere ist die mathematische Wissenschaft von den Sternen, und es ist diese, die zu den Wissenschaften und zu den mathematischen Theorien gezählt wird. ⁵⁵ Jene [d. h. die erstere] hingegen wird nur zu den Fähigkeiten und Vermögen gezählt, mit denen der Mensch das beurteilen kann, was eintreffen wird, so wie dies auch bei der Auslegung von Visionen, bei der Deutung der Vogelflüge und des Niesens sowie bei Fähigkeiten der Fall ist, die diesen ähnlich sind. ⁵⁶ Die mathematische Wissenschaft der Sterne erforscht die Himmelskörper und die Erde in drei hauptsächlichen Gebieten. Im ersten werden die Zahl und die Gestalten der Sterne behandelt, ihre Lage in Bezug aufeinander, ihre Anordnung im Weltall, die Quantität ihrer Körper, ihre Verhältnisse in Bezug aufeinander, die Größen ihrer Abstände voneinander⁵⁷ sowie, daß der Gesamtheit der Erde keine Bewegung zukommt, weder eine solche von ihrem Ort noch eine an ihrem Ort. ⁵⁸ Im zweiten wird die Bewegung der Himmelskörper behandelt, wie viele es sind und daß alle ihre Bewegungen kreisförmig sind, ⁵⁹ welche dieser Bewegungen allen – und zwar den Sternen ⁶⁰ und den Nichtsternen ⁶¹ unter ihnen – gemeinsam ist, welche Bewegung [also] allen Sternen gemeinsam ist, und dann, welche Bewegungen jedem einzelnen Stern eigentümlich sind, wie viele Arten der Bewegung jedem zukommen, die Richtungen, in die sie sich bewegen, und in welcher Richtung jedem von diesen jene Bewegung zukommt. Weiterhin unterrichtet sie über das Verfahren, um zu jeder Stunde im Rahmen der Zeichen ⁶² den Ort eines jeden Sternes mit allen Arten seiner Bewegungen festzustellen. Sie erforscht dann alles, was auf die Himmelskörper zutriff t, sowie die Bewegungen, die jedem von ihnen innerhalb der Zeichen

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eorum in signis, et quid accidat eis cum ad invicem comparantur ex coniunctione et separatione, et diversitate situum ab invicem, et ad ultimum omnia que accidunt eis a motibus ipsorum absque comparatione eorum ad terram sicut eclipsis solis, et de omnibus que accidunt eis iterum propter situm terre ab eis in loco mundi in quo sunt sicut eclipsis lune, et declarat illa accidentia, quot sint in qua dispositione, et in qua hora accidat illud, et in quanto tempore, sicut orientalitates I et occidentalitates, II et alia. Et tertia inquirit in terra de eo quod ex ipsa habitatur, et quod non habitatur, et declaratur quantum est illud quod habitatur, et quot sunt partes eius magne, et sunt climata, et comprehendit habitationes quas contingit esse in unaquaque illarum, in illa hora, et ubi sit locus cuiusque habitationis, et ordinem eius ex mundo, et inquirit de eo quod sequitur necessario ut accidat unicuique climatum et habitationum a revolutione mundi communi toti, et est revolutio diei et noctis propter situm terre in loco in quo sunt, sicut ortus, et occasus, et longitudo dierum, et noctium et brevitas eorum, et que sunt illis similia. Hec est ergo summa quam comprehendit hec scientia. Scientia vero musice, comprehendit in summa cognitionem specierum armoniarum, et illud ex quo componuntur, et illud ad quod componuntur, et qualiter componuntur, et quibus modis I II

vel ortus. scilicet occasus.

7 sint ] et add. B

tes ] orientales B ter ] super G

8 tempore ] G B tempora P 8 orientalita8 occidentalitates ] occidentales B 16 prop-

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zukommen, und was auf sie zutriff t, wenn sie untereinander aufgrund der Konjunktion, Separation und Verschiedenheit der Lagen verglichen werden.⁶³ Schließlich behandelt sie [d. h. diese Wissenschaft] alles, was auf sie [d. h. die Sterne] aufgrund ihrer Bewegung zutriff t unter Absehung der Beziehung derselben zur Erde, wie z. B. die Sonnenfinsternis, und alles, was dann auf sie zutriff t aufgrund der Lage der Erde in Beziehung zu dem Ort im Weltall, an dem sie sich befinden, wie z. B. die Mondfinsternis.⁶⁴ Sie erklärt diese Vorkommnisse, wie viele und in welcher Anordnung sie sind und zu welchem Zeitpunkt und für welche Zeitdauer etwas davon zutriff t, wie z. B. das Eintreffen im Orient I und Okzident II und anderes mehr. Im dritten [Teil] wird die Erde erforscht, ⁶⁵ welcher Teil von ihr bewohnt und welcher nicht bewohnt ist, und es wird erklärt, wie groß der Teil ist, der bewohnt ist, und wie viele große Teile, d. h. Klimazonen, ⁶⁶ es gibt. Es werden die Wohngebiete beschrieben, die es zu einer bestimmten Zeit in einer bestimmten [Klimazone] gibt, ⁶⁷ sowie die Lage der einzelnen Wohngebiete wie auch ihre Einordnung in der Welt. In ihm [d. h. diesem Teil] wird erforscht, was in einer bestimmten Klimazone und in einem bestimmten Wohngebiet aufgrund der Umdrehung, die der gesamten Welt gemeinsam ist,⁶⁸ mit Notwendigkeit eintritt, wobei es hier um den Wechsel von Tag und Nacht geht, der sich aufgrund der Lage der Erde an dem Ort, an dem sie [die Wohngebiete] sich befinden, ergibt, wie z. B. der Sonnenaufgang und Sonnenuntergang, ⁶⁹ die Länge und Kürze der Tage und Nächte und ähnliches mehr. Dies also ist die Zusammenfassung dessen, was diese Wissenschaft behandelt. Die Wissenschaft von der Musik⁷⁰ behandelt zusammenfassend die Kenntnis der Arten der Melodien,⁷¹ das, womit komponiert wird, das, wozu komponiert wird, wie komponiert wird und welche Verfahrensweisen angewendet werden müssen, daI II

Oder der Sonnenaufgang. D. h. der Sonnenuntergang.

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Capitulum III

oportet ut sint donec faciant operationem suam penetrabiliorem et magis ultimam. Et illud quidem quod hoc nomine cognoscitur, est due scientie. Quarum una est scientia musice activa, et secunda est scientia musice speculativa. Musica igitur activa, est illa cuius proprietas est ut inveniat species armoniarum sensatarum in instrumentis que preparata sunt eis aut per naturam aut per artem. Instrumenta igitur natuB ra ralia, sunt epiglotis, et uvula, et que sunt in eis, deinde nasus. Et artificialia, sunt sicut fistule, et cithare, et alia. Et opifex quidem musice active, non format neumas, et armonias, et omnia accidentia earum, nisi secundum quod sunt in instrumentis quorum acceptio consueta est in eis. Et speculativa quidem dat scientiam eorum, et sunt rationata, et dat causas totius ex quo componuntur armonie, non secundum P va quod sunt in materia, et materia immo absolute, | et secundum quod sunt remota ab omni instrumento et materia, et accipit ea secundum quod sunt audita secundum communitatem ex quocumque instrumento accidat, et ex quocumque corpore accidat. Et dividitur scientia musice speculativa, in partes magnas quinque. Prima earum, est sermo de principiis, et primis, quorum proprietas est ut amministrentur in inventione eius quod est in hac scientia, et qualiter sit modus in amministratione illorum principiorum, et qua via inventa sit hec ars, et ex quibus rebus, et ex quot rebus componatur, et qualiter oportet ut sit inquisitor de eo quod est in ea. Et secunda est sermo de dispositionibus huius artis, et est sermo in inveniendo neumas, et cognitionem G vb numeri neumarum ¦ quot sint, et quot species earum, et declaratione proportionum quarundam ad alias, et demonstrationum

2 f. cognoscitur ] nominatur B 8 epiglotis ] et gula add. G 15 et materia ] om. G B 19 scientia ] i add. et del. P 24 f. inquisitor ] inquisitio G 26 cognitionem ] G cognitione P B

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mit die Wirkung möglichst eindringlich und durchgreifend ist. Das, was unter diesem Namen erfaßt wird, besteht aus zwei Wissenschaften. Die eine ist die Wissenschaft der praktischen Musik, die andere ist die Wissenschaft der theoretischen Musik.⁷² Die praktische Musik ist jene [Untersuchung], deren Kennzeichen es ist, die Arten der wahrnehmbaren Melodien auf Instrumenten aufzufinden, die dafür durch die Natur oder durch die Kunst vorbereitet sind. Natürliche Instrumente sind der Kehlkopf und das Zäpfchen und das, was sich in diesen befindet, sowie die Nase.⁷³ Die künstlichen sind die Flöten,⁷⁴ die Lauten⁷⁵ und andere. Der praktische Musiker gestaltet die Töne⁷⁶ und die Melodien und alles, was dazugehört, nur insofern sie mit den Instrumenten hervorgebracht werden, deren Gebrauch dabei üblich ist. Die theoretische Musik hingegen liefert deren Wissenschaft. Sie besteht in Vernunftgehalten und liefert die Ursachen von allem, mit dem die Melodien komponiert werden,⁷⁷ nicht jedoch insofern diese in der Materie und selbst Materie sind, sondern absolut und so, daß von jeglichem Instrument und aller Materie abgesehen wird, und sie faßt sie in Hinsicht auf das auf, was in allgemeiner Weise gehört wird, ganz gleich, welches Instrument und welcher Körper dabei zur Anwendung kommt.⁷⁸ Die theoretische Musik wird in fünf große Teile eingeteilt.⁷⁹ Der erste Teil besteht in der Darlegung der Prinzipien und Ausgangspunkte, ⁸⁰ die die Funktion haben, bei der Auffindung dessen, was in dieser Wissenschaft enthalten ist, angewandt zu werden, sowie der Art und Weise⁸¹ der Anwendung dieser Prinzipien, auf welchem Weg diese Kunst aufgefunden wird, aus welchen und aus wie vielen Dingen sie zusammengesetzt ist und wie der Erforscher dessen, was in ihr [enthalten] ist, beschaffen sein muß. Der zweite Teil besteht in der Darlegung der Grundlagen⁸² dieser Kunst, und dies ist die Lehre der Auffindung der Töne und die Kenntnis der Anzahl der Töne, wie viele es sind und wie viele Arten derselben es gibt, dann die Erklärung der Verhältnisse⁸³ bestimmter Töne zu anderen sowie der Beweise von all dem.⁸⁴ Weiterhin [enthält er] die Darlegung

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Capitulum III

super omnia illa, et sermo de speciebus ordinis earum, et situum ipsarum quibus fuerint preparate ut accipiat acceptor ex eis quod vult, et componat ex eis armonias. Et tertia est sermo de convenientia que declaratur in radicibus cum sermonibus et demonstrationibus super species instrumentorum artificialium que preparantur eis et acceptione eorum omnium in ea, et situ ipsorum in ea secundum mensurationem et ordinem qui declaratur in radicibus. Et quarta est sermo de speciebus casuum naturalium qui sunt pondera neumarum. Et quinta, est de compositione armoniarum in summa, deinde de compositione armoniarum integrarum, et sunt ille que sunt posite in sermonibus metricis, compositis secundum ordinem, et ordinationem, et qualitate artis earum secundum unamquamque intentionem armoniarum, et docet dispositiones quibus fiunt penetrabiliores, et magis ultime in ultimitate intentionis ad quam facte sunt. Verum scientia ponderum comprehendit de re scientie gravium duas res, aut speculationem in ponderosis inquantum mensurantur aut mensuratur cum eis, et est inquisitio de radicibus sermonis in ponderibus, aut considerationem in ponderosis que moventur, aut cum quibus movetur, et est inquisitio de radicibus instrumentorum quibus elevantur res graves, et super que permutantur de loco ad locum. Ingeniorum vero scientia est scientia modi preparationis ad faciendum convenire omnia quorum modi demonstrantur in doctrinis quarum narratio preteriit cum sermone et demonstratione, super corpora naturalia, et in acceptione eorum et situ ip-

8 casuum ] P B [error translationis, recte: rithmorum ] cantiuī (?) / cantium (?) G 12 et ] de add. B 13 intentionem ] B intentionum P G 15 sunt ] De scientia ponderum add. B de ponderibus G m 16 ponderum ] G ponderosarum P 19 aut ] in add. B 19 con-

siderationem ] consideratione G B

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der Arten ihrer Ordnung⁸⁵ und ihrer Lage⁸⁶ , durch die sie darauf angelegt sind,⁸⁷ daß der, der sie anwendet, daraus das nimmt, was er wünscht, und so mit ihnen Melodien zusammenstellt.⁸⁸ Der dritte Teil besteht in der Darlegung der Übereinstimmung, die in den Prinzipien⁸⁹ erklärt wird, und zwar mit Aussagen und Beweisen über die Arten der künstlichen Instrumente, die dafür eingerichtet sind, und über die entsprechende Anwendung all dieser ⁹⁰ sowie über die Lage derselben gemäß der Messung ⁹¹ und der Ordnung, die in den Prinzipien erklärt wird. Der vierte Teil besteht in der Darlegung der natürlichen Fälle [Rhythmen],⁹² welche die Gewichtungen⁹³ der Töne sind. Der fünfte [Teil] behandelt zusammenfassend die Komposition⁹⁴ der Melodien, dann die Lehre der Komposition vollständiger Melodien, und dies sind jene, die in metrischen Reden abgefaßt sind, die entsprechend der Ordnung und Anordnung komponiert sind sowie gemäß der Qualität der Kunst derselben entsprechend dem jeweiligen Ziel der Melodien, und sie lehrt die Verfahren, durch die sie eindringlicher und durchgreifender in Hinsicht auf das Erreichen des Zieles sind, auf das hin sie ausgerichtet sind.⁹⁵ Die Wissenschaft von den Gewichten⁹⁶ umfaßt das Gebiet der Wissenschaft von den schweren Gegenständen in zwei Bereichen. Einerseits ist sie die theoretische Untersuchung über die schweren Gegenstände, insofern diese gemessen werden oder mit ihnen gemessen wird, und dies ist die Erforschung der Grundlagen der Lehre⁹⁷ über die Gewichte,⁹⁸ andererseits untersucht sie die schweren Gegenstände, die bewegt werden oder mit denen bewegt wird, und dies ist die Erforschung der Grundlagen der Instrumente, mit denen schwere Gegenstände in die Höhe gehoben werden und mit Hilfe derer sie von einem zu einem anderen Ort transportiert werden.⁹⁹ Die Wissenschaft der nützlichen Erfindungen¹⁰⁰ ist die Wissenschaft der Art und Weise des Verfahrens, um all das, dessen Beschaffenheit in den Lehren, deren Darstellung in Lehre und Beweis über die natürlichen Körper vorher aufgezeigt wurde, zur Anwendung zu bringen, wobei sie [d. h. diese Darstellung]

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Capitulum III

sorum in eis actu. Et illud est, quoniam ille scientie omnes non considerant in lineis et superficiebus et corporibus et numeris et reliquis in quibus contemplantur, nisi secundum quod sunt rationata solum, separata a corporibus naturalibus. Et indigemus apud acceptionem istorum et faciendo apparere ea cum voluntate et arte in corporibus naturalibus et sensatis, ingenio quo preparatur eorum acceptio in eis, et ipsorum convenientia super ea, P vb propterea quod materiis | et corporibus sensatis insunt dispositiones et accidentia prohibentia ab hoc ut ponantur in eis illa que declarata sunt cum demonstrationibus cum queritur ut ponantur in eis qualiter convenit, et eo modo quo convenit, immo oportet ut preparentur corpora naturalia ad suscipiendum illud quod B rb queritur de acceptione eorum in ipsis, et ut subtilietur in removendo prohibentia. Scientie ergo ingeniorum sunt que dant modos cognitionis preparationis et vias in subtiliando ad inveniendum ista per artem et faciendum apparere ea actu in corporibus naturalibus, et sensatis. Ex eis itaque sunt ingenia numerorum et sunt secundum modos plures, sicut scientia nominata apud illos nostri temporis algebra et almuchalaba, et que sunt illi similia, quamvis hec scientia sit communis numero et geometrie. Et ipsa quidem comprehendit modos preparationis in inveniendo numeros quorum via est ut amministrentur in eis quorum radices dedit Euclides ex rationalibus et surdis in tractatu decimo libri sui De elementis et in eo quod non rememoratur ex eis in illo tractatu. Et illud est, quoniam propterea quod proportio rationalium et surdorum est ad invicem sicut proportio numeri ad numerum, est

5 apparere ] G B aparere sic semper P 6 f. preparatur ] G B preparetur P 17 ingenia ] scientia B 18 secundum modos ] sermones G 19 almuchalaba ] almucabala G alnu kalabra (!) B 23 ex ] de B 26 surdorum ] G B surdarum P 26 est ] cum B

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vorausgesetzt und praktisch umgesetzt wird. Dies ist deshalb so, weil alle jene [d. h. die mathematischen] Wissenschaften die Linien, Flächen, Körper, Zahlen und das übrige, das sie untersuchen, nur insofern betrachten, als es sich um reine Vernunftgehalte handelt, die getrennt von den natürlichen Körpern sind. Wir benötigen, um diese [Erkenntnisse] anzunehmen und sie mit Vorsatz und Kunst bei natürlichen und sinnlich wahrnehmbaren Körpern zur Geltung zu bringen, Erfindungsgeist, durch den ihre Anwendung auf die natürlichen Körper und ihr Zutreffen auf dieselben vorbereitet wird, weil die materiellen Dinge und die sinnlich wahrnehmbaren Körper Beschaffenheiten und Eigenschaften aufweisen, die verhindern, daß das, was mit Beweisen dargelegt wurde, [unmittelbar] in ihnen aufgewiesen würde, wenn gefordert wird, dies in entsprechender und passender Weise in ihnen aufzuweisen; vielmehr ist es erforderlich, daß die natürlichen Körper so vorbereitet werden, daß sie das, was zur Anwendung auf sie gefordert wird, aufnehmen können und das, was dies hindert, vorsichtig vorgehend beseitigt wird.¹⁰¹ Die Wissenschaften der nützlichen Erfindungen liefern also die Weisen der Kenntnis dieser Vorbereitung und die Wege des vorsichtigen Vorgehens, um diese durch eine Kunst hervorzubringen und sie in den natürlichen Körpern und den sinnlich erfahrbaren Dingen aktuell in Erscheinung zu bringen.¹⁰² Dazu gehören die Zahlenerfindungen, von denen es verschiedene Verfahrensweisen gibt, wie z. B. die Wissenschaft, die bei unseren Zeitgenossen Algebra bzw. Almuchalaba ¹⁰³ genannt wird, und jene, die dieser ähnlich sind, obwohl diese Wissenschaft für Zahl und Geometrie gemeinsam ist.¹⁰⁴ Diese umfaßt vorbereitende Verfahrensweisen zur Erfindung der Zahlen, die den Weg der Anwendung in jenen Gebieten zeigen, deren Grundlagen Euklid für die rationalen und irrationalen Zahlen im zehnten Traktat seines Buches Über die Elemente geliefert hat, und in jenen Gebieten, die in diesem Traktat nicht erwähnt werden. Da das wechselseitige Verhältnis der rationalen und irrationalen Zahlen so ist wie das Verhältnis einer Zahl zu einer [anderen] Zahl, deshalb ist jede

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Capitulum III

omnis numerus compar I magnitudini alicui rationali aut surde. G ra Cum ¦ ergo inveniuntur numeri qui sunt compares proportionibus magnitudinum, tunc iam inveniuntur ille magnitudines modo aliquo. Propter illud ergo ponuntur quidam numeri rationales, ut sint compares magnitudinibus rationalibus, et quidam numeri surdi ut sint compares magnitudinibus surdis. Et ex eis sunt ingenia geometrica que sunt plura, de quibus est ars principatus fabricandi cementarie. Et de eis est ingenium geometricum in mensuratione specierum corporum. Et de eis est ingenium in arte instrumentorum elevandi. Et in instrumentis musicis. Et preparatio instrumentorum artibus pluribus activis, sicut arcus, et species armorum. Et de eis est ingenium aspectuale in arte que dirigit visus ad comprehensionem veritatis rerum ad quas aspicitur elongatas a nobis, et in arte speculorum et in scientia speculorum secundum loca que reddunt radios ita ut flectant eos, aut convertant ipsos, aut frangant eos. Et hinc iterum sciuntur loca que reddunt radios solis corporibus aliis, et provenit inde ars speculorum adurentium, et ingenium in eis. Et ex eis est ingenium in arte ponderum mirabilium, et instrumentorum ad artes plurimas. Iste ergo et cause earum, sunt scientie ingeniorum, et sunt principia artium civilium activarum que amministrantur in corporibus, et figuris, et ordine, et sitibus, et mensuratione sicut ars in fabricatione cementaria, et carpentaria et aliis. Iste ergo sunt doctrine et earum species. I

vel relatus.

8 ars ] ex pars P c

8 principatus ] principalis B

12 f. aspectu18 adurentium ] G B adburentium P 20 cause

ale ] aspectale B earum ] similes eorum B

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Zahl das Gegenstück I irgendeiner rationalen oder irrationalen Größe. Wenn also Zahlen gefunden werden, die das Gegenstück zu Verhältnissen von Größen sind, dann werden diese Größen sogleich auf irgendeine Weise gefunden. Deshalb also werden bestimmte rationale Zahlen angesetzt, so daß sie ein Gegenstück rationaler Größen sind, und bestimmte irrationale Zahlen, so daß sie ein Gegenstück irrationaler Zahlen sind.¹⁰⁵ Zu diesen [Erfindungen] gehören die geometrischen Erfindungen, deren es viele gibt,¹⁰⁶ zu denen auch die wichtige Kunst des Hausbaus gehört. Ebenso gehört dazu die geometrische Erfindung der Messung der verschiedenen Arten der Körper,¹⁰⁷ die Erfindung der Herstellung von Instrumenten zum Heben von Gegenständen,¹⁰⁸ von Musikinstrumenten und die Herstellung von Instrumenten in vielen praktischen Künsten, wie z. B. der Bogen und [weitere] Arten von Waffen.¹⁰⁹ Dazu gehört auch die Erfindung im Bereich der Optik in der Kunst, die das Sehen zum Erfassen der tatsächlichen Beschaffenheit von Gegenständen führt, die von uns aus in großer Entfernung gesehen werden,¹¹⁰ sowie in der Kunst der Spiegel und in der Wissenschaft der Spiegel in Hinsicht auf die Orte, von wo aus die Strahlen so zurückgeworfen werden, daß sie diese [Strahlen] reflektieren, umkehren oder brechen. Von da aus kann man wiederum die Orte erkennen, die die Sonnenstrahlen auf andere Körper zurückwerfen, und von da aus geht dann die Kunst der Brennspiegel ¹¹¹ hervor sowie die diesen entsprechende nützliche Erfindung. Dazu gehört auch die Erfindung in der Kunst der wunderbaren Gewichte¹¹² und der Instrumente für viele Künste. Diese also sowie deren Ursachen sind der Gegenstand der Wissenschaft der Erfindungen, und dies sind die Prinzipien der praktischen bürgerlichen Künste, die auf Körper, Figuren, Anordnung, Lagen und Messung angewandt werden, wie z. B. beim Hausbau, bei den Zimmermannsarbeiten und anderen mehr. Dies also sind die Lehren und deren Arten. I

Oder bezogen auf.

 

      Scientia itaque naturalis contemplatur de corporibus | naturalibus et de accidentibus quorum essentie sunt per ista corpora, et docet res a quibus et per quas, et ad quas existunt ista corpora, et accidentia quorum essentie sunt per ea. Et corporum quidem quedam sunt artificialia, et quedam naturalia, artificialia igitur sunt, sicut vitrum, et ensis, et lectus, et pannus, et ad ultimum omne cuius esse est per artem et per voluntatem hominis. Et naturalia sunt, quorum esse non est per artem, neque per voluntatem hominis, sicut celum et terra, et que sunt inter utraque, et plante, et animalia. Et dispositio quidem corporum naturalium in istis rebus, est sicut dispositio artificialium. Et illud est, quoniam in corporibus artificialibus inveniuntur res quarum essentie sunt per corpora artificialia, et inveniuntur eis res a quibus esse corporum artficialium existit, et res per quas est eorum esse, et res ad quas existit ipsorum esse. Et ista quidem in artificialibus magis sunt apparentia quam in naturalibus. Illa ergo quorum essentie sunt per corpora artificialia, sunt sicut lixatura in panno, et splendor in ense, et pervictas in vitro, et sculptura in lecto. Et res ad quas sunt corpora artificialia, sunt in finibus et intentionibus ad quas facta sunt, sicut pannus factus est ut B va cooperiat, et ensis ut expugnetur cum eo inimicus, et lectus ut prohibeatur per ipsum ros terre, aut propter rem aliam ex eis ad quas fit lectus, et propter quas, et vitrum ut in eo reponatur illud

P ra

1– 3 CAPITULUM … DIV INA ] om. G B 13 et¹ ] ut G B xatura ] ligatura G 24 cooperiat ] corpus add. B

20 li-

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 

       Die Naturwissenschaft¹ betrachtet die natürlichen Körper und die Akzidentien, die ihre Grundlage in diesen Körpern haben, ² und sie untersucht das, woher, wodurch und wofür diese Körper existieren, ³ und [sie untersucht] die Akzidentien, die aufgrund dieser Körper existieren. Von den Körpern sind die einen künstliche, die anderen natürliche.⁴ Künstliche sind z. B. das Glas, das Schwert, das Bett, das Tuch und schließlich jedes Ding, das aufgrund der Kunst und aufgrund des Willens des Menschen existiert. Die natürlichen sind jene, die nicht aufgrund der Kunst und auch nicht aufgrund des Willens des Menschen existieren, wie z. B. der Himmel und die Erde und jene Dinge, die zwischen diesen beiden sind, sowie die Pflanzen und die Tiere. Die Beschaffenheit der natürlichen Dinge ist in dieser Hinsicht allerdings so wie die der künstlichen Dinge. Dies ist so, weil bei den künstlichen Körpern etwas⁵ gefunden wird, das die Wesenheit für die künstlichen Körper ist, und es wird für sie etwas aufgefunden, aus dem das Sein der künstlichen Körper besteht, und etwas, von dem her die künstlichen Körper existieren, und etwas, wofür und auf welches hin sie existieren. ⁶ Und diese ⁷ sind bei den künstlichen Dingen offensichtlicher als bei den natürlichen.⁸ Das, dessen Grundlage in den künstlichen Körpern vorhanden ist, ist z. B. die Glätte⁹ am Tuch, der Glanz am Schwert, die Lichtdurchlässigkeit am Glas und die Schnitzerei am Bett. Das, wofür die körperlichen Dinge sind, ist in den Zielen und Absichten enthalten, für die sie hergestellt werden, wie z. B. das Tuch dazu hergestellt wird, um [den Körper] zu bedecken, das Schwert, um mit ihm einen Feind zu bekämpfen, und das Bett, um sich dadurch vor der Feuchtigkeit des Bodens zu schützen, oder aus einem anderen Grund, weshalb oder weswegen das Bett hergestellt wird, und das Glas, damit in es das gelegt wird, für

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Capitulum IV

in quo non est securitas quin exsuccet ipsum aliud ex vasis. Fines vero et intentiones ad quas sunt accidentia quorum essentie sunt per corpora artificialia, sunt sicut lixatura panni, ut per eam fiat pulcher, et splendor ensis, ut per ipsum terreatur inimicus, et sculptura lecti, ut per eam aspectus eius sit bonus, et pervictas vitri, ut sit illud quod in eo ponitur visibile. Et res a quibus sunt corpora artificialia, sunt facientes et generantes ea, sicut carpentarius a quo est lectus, et tersor a quo est ensis. Et res per quas existunt corpora artificialia, sunt in omni corpore artificiali due G rb res, sicut in ense. Esse namque eius per duas existit res, ¦ scilicet per acuitatem et ferrum, acuitas ergo est constitutio et forma eius per quam suam efficit operationem, et ferrum est materia subiecta, et est sicut defferrens formam et constitutionem eius. Et panni esse, est per duas res, per fi la et per connexionem I corporis eius cum textura. Connexio II ergo est forma eius et ipsius constitutio, et fi la sunt sicut defferrens connexionem, et sunt subiectum eius et materia ipsius. Et lecti iterum esse est per duas res, per quadraturam et lignum. Quadratura ergo est eius forma et ipsius constitutio, et lignum materia eius, et est sicut defferrens quadraturam. Et similiter sunt reliqua corpora artificialia. Et per aggregationem horum et ipsorum unitionem, advenit esse unicuique eorum actu, et perfectio, et ipsius essentia. Et unumquodque istorum non agit aut fit per ipsum, aut amministratur, aut per ipsum provenit iuvamentum, nisi in rem propI II

vel recationem. vel recatio.

1 exsuccet ] exuet G exsiccet B

5 bonus ] delectabilis B 14 connexionem ] contexionem G B 15 Connexio ] contexio B 16 connexionem ] connexiones G contexionem B 21 unitionem ]

unionem B

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das es bei anderen Gefäßen keine Gewähr gibt, daß es [d. h. das Ding] von außen gesehen werden kann.¹⁰ Die Ziele und Absichten, derentwegen die Akzidentien vorhanden sind, deren Grundlage in den künstlichen Körpern ist, sind z. B. die Glätte des Tuches, um sich dadurch zu schmücken, der Glanz des Schwertes, um dadurch den Feind zu erschrecken, die Schnitzerei des Bettes, um dadurch sein Aussehen erfreulich zu machen, und die Lichtdurchlässigkeit des Glases, um das, was in es gelegt wird, sichtbar zu machen. Jene, von denen die künstlichen Körper herrühren, sind die, die sie herstellen und hervorbringen, so z. B. der Zimmermann, von dem das Bett herrührt, und der Metallschleifer, von dem das Schwert herrührt. Das, wodurch die künstlichen Körper existieren, ist bei jedem künstlichen Körper zweifach, wie z. B. beim Schwert. Dessen Sein existiert¹¹ nämlich durch zweierlei, und zwar durch die Schärfe und durch das Eisen. Die Schärfe also ist seine Konstitution und Form, aufgrund derer es seine Wirkung erzielt, und das Eisen ist die zugrundeliegende Materie, die gleichsam der Träger der Form und der Konstitution ist. Ebenso ist das Sein des Tuches durch zweierlei, durch die Fäden und durch die Verbindung I ¹² seines Körpers durch das Weben. Die Verbindung II ist also seine Form und Konstitution, und die Fäden sind der Träger der Verbindung, das Zugrundeliegende und die Materie. Und ebenso ist auch wiederum das Sein des Bettes durch zwei Dinge, durch die quadratische Gestalt und durch das Holz. Die quadratische Gestalt ist seine Form und Konstitution und das Holz ist seine Materie und gleichsam der Träger der quadratischen Gestalt. Und ganz ähnlich verhält es sich mit den übrigen künstlichen Körpern. Durch die Zusammenfügung und Vereinigung derselben geht deren aktuelles Sein, ihre Vollkommenheit und ihr Wesen hervor. Und jedes dieser [Dinge] kommt zur Wirkung, es geschieht etwas durch es, es wird verwendet und liefert eine Hilfe ausschließlich I II

Oder Tucharbeit. Oder Tucharbeit.

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Capitulum IV

ter quam factum est per formam suam, cum advenit in materia P rb sua. Ensis enim non efficit suam operationem, nisi su|a acuitate. Et per pannum non provenit iuvamentum, nisi per corpus suum cum est connexum per suam texturam. Et similiter reliqua corpora artificialia. Et illa est dispositio, corporum naturalium. Nam unumquodque eorum, non est nisi ad intentionem et finem aliquem. Et similiter omnis res et accidens cuius essentia est per corpora naturalia, non existit nisi ad intentionem et ad finem aliquem. Et omni corpori, et omni accidenti in ipso, inest agens et generans a quo est. Et uniuscuiusque corporum naturalium esse et ipsius substantia, est per duas res, quarum unius comparatio ad ipsum est comparatio acuitatis ensis ad ensem, et est constitutio I illius corporis naturalis, et secunde comparatio ad ipsum, est comparatio ferri ensis ad ensem, et illa est materia corporis naturalis, et subiectum eius, et est sicut defferrens constitutionem II eius iterum. Verumtamen ensis, et lecti, et panni et reliquorum corporum artificialium testificantur visu, et sensu, constitutiones et materie, sicut acuitas ensis et ferrum ipsius, et quadratura lecti, et ipsius lignum. Corporum vero naturalium constitutiones plurium, et materie, sunt non sensate, et ipsorum esse non verificatur apud nos nisi per ratiocinationem et demonstrationes certificatas, licet inveniantur in pluribus corporum arI II

vel forma. vel formam.

4 cum ] quod

B 4 connexum ] contextum 13 secunde ] secunda tio ] vel forma add. B 15 f. defferrens ] deferrens sic saepe G B formam add. B 21 verificatur ] certificatur B rificatas G certificantes B

B 13 constituG alterius B 15 constitutionem ] vel 22 certificatas ] ve-

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in Hinsicht auf das, wofür es aufgrund seiner Form hergestellt wurde, wenn diese in ihrer Materie hervorgebracht wird. Das Schwert nämlich erlangt seine Wirkung nur durch die Schärfe. Und vom Tuch geht nur dann eine Hilfe aus, wenn sein Stoff durch sein Gewebe fest verbunden ist. Und ähnlich verhält es sich bei den übrigen künstlichen Körpern. Und dies ist [auch] die Beschaffenheit der natürlichen Körper. Denn jeder von ihnen existiert nur entsprechend einer Absicht und entsprechend einem Ziel.¹³ Und ganz ähnlich existiert jedes Ding und jedes Akzidens, dessen Grundlage in natürlichen Körpern vorhanden ist, nur entsprechend einer Absicht und entsprechend einem Ziel. Bei jedem Körper und bei jedem Akzidens desselben gibt es einen Wirkenden und Hervorbringenden, von dem er herrührt. Das Sein und die Substanz eines jeden natürlichen Körpers besteht aus zweierlei, von denen das eine, wird es mit diesem [d. h. dem künstlichen Körper] verglichen, den Vergleich der Schärfe des Schwertes mit dem Schwert ergibt, und dies ist die Konstitution I ¹⁴ dieses natürlichen Körpers. Das zweite ergibt, wird es mit diesem [d. h. dem künstlichen Körper] verglichen, den Vergleich des Eisens des Schwertes mit dem Schwert, und dies ist die Materie des natürlichen Körpers, sein Zugrundeliegendes, und dieses ist wiederum gleichsam der Träger der Konstitution II desselben. Tatsächlich werden durch das Sehen und die Sinneswahrnehmung des Schwertes, des Bettes, des Tuches und der übrigen künstlichen Körper die Konstitutionen und die stoff lichen Grundlagen bezeugt, wie z. B. die Schärfe und das Eisen des Schwertes und die quadratische Gestalt und das Holz des Bettes. Die Konstitutionen und die stoff lichen Grundlagen der meisten natürlichen Körper hingegen sind nicht sinnlich wahrnehmbar, und ihr Sein wird nur durch Vernunftüberlegung und sicherstellende Beweise in seiner Wahrheit aufgefunden. Allerdings finden sich auch unter den künstlichen I II

Oder die Form. Oder der Form.

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Capitulum IV

tificialium, corpora quorum constitutiones I non sunt sensate, sicut vinum. Nam ipsum est corpus existens per artem. Et virtus qua inebriat non est sensata. Et non cognoscitur eius esse, nisi per ipsius operationem. Et illa quidem virtus est forma vini et eius constitutio. Et comparatio eius ad vinum, est 〈sicut〉 comparatio acuitatis ensis ad ensem, cum sit illa virtus illud quo vinum suam efficit operationem. Et similiter medicine composite per B vb artem medicine sicut tiriaca, et alie, non operantur in corporibus, nisi per virtutes evenientes in eis per compositionem. Et ille virtutes non sunt sensate, et neque testificantur per sensum, nisi 〈 per〉 operationes factas ab illis virtutibus. Et omnis quidem medicina non fit medicina, nisi per duas res, per medicinas II ex quibus componitur, et per virtutem qua suam peragit operationem. Species ergo sunt eius materia. Et virtus qua suam efficit operationem, est eius forma. III Et si destruatur illa virtus eius, non erit medicina, sicut si destruatur acuitas ensis non erit ensis, et sicut si destruatur panni connexio per texturam cum corpore suo, non erit tunc pannus. Secundum hanc ergo similitudinem oportet ut intelligantur forme IV corporum naturalium, et mateG va rie ipsorum. Ipse ¦ enim cum non testificentur sensu, fiunt sicut materie et forme que non testificantur sensu ex materiis corporum artificialium, et formis ipsorum. Et illud est sicut corpus I II III IV

vel forme. vel species. vel constitutio. vel constitutiones.

1 constitutiones ] vel forme add. B 4 est ] fortitudini add. P et c 5 sicut ] G 8 tiriaca ] tyriaca G B 9 compositiodel P nem ] comparationem G B 11 per ] G B 11 operationes ] com11 factas ] G B facte P 12 medicinas ] species B parationes B 15 forma ] vel constitutio add. G 17 connexio per texturam ] con17 f. cum corpore suo ] et corpus eius B texio B

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Körpern viele, deren Konstitution I nicht sinnlich wahrnehmbar ist, so z. B. beim Wein. Dieser ist ein Körper, der aufgrund einer Kunst existiert, und die Kraft, durch die er berauscht, ist nicht sinnlich wahrnehmbar, und deren Sein wird nur aus der Wirkung desselben erkannt. Diese Kraft allerdings ist die Form und Konstitution des Weins. Und der Vergleich derselben zum Wein ist wie der Vergleich der Schärfe des Schwertes zum Schwert, insofern jene Kraft das ist, wodurch der Wein seine Wirkung erzielt. Ganz ähnlich wirken die Arzneien, die vermittels der Kunst der Medizin zusammengesetzt werden, wie z. B. die Tiriaca¹⁵ und andere, in den Körpern nur durch die Kräfte, die sich in ihnen durch die Zusammensetzung ergeben. Und diese Kräfte sind nicht sinnlich wahrnehmbar und werden nicht durch einen Sinn, sondern nur durch die Wirkungen bezeugt, die diese Kräfte hervorrufen. Jede Arznei wird zur Arznei nur durch zweierlei: durch die Arzneien, II aus denen sie zusammengesetzt wird, und durch die Kraft, durch die sie ihre Wirkung erzielt. Die Bestandteile sind also deren Materie, und die Kraft, durch die sie ihre Wirkung erzielt, ist ihre Form. III Wenn jene Kraft zerstört wird, wird sie keine Arznei mehr sein, so wie auch dann, wenn die Schärfe des Schwertes zerstört wird, dieses kein Schwert mehr sein wird, und so wie dann, wenn die durch Verweben des körperlichen Stoffes hergestellte Verbindung des Tuches zerstört wird, dieses dann kein Tuch mehr sein wird. Entsprechend dieser Ähnlichkeit müssen die Formen IV und die stoff lichen Grundlagen der natürlichen Körper erkannt werden. Da diese nämlich durch die Sinne nicht bezeugt werden, verhalten sie sich wie die stoff lichen Grundlagen und die Formen jener stoff lichen Grundlagen und Formen der künstlichen Körper, die nicht sinnlich wahrnehmbar sind. Und dies ist so wie z. B. beim I II III VI

Oder deren Form. Oder Bestandteile. Oder Konstitution. Oder Konstitutionen.

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Capitulum IV

oculi, et virtus qua fit visus, et sicut corpus manus, et virtus qua fit agilitas.I Et similiter unumquodque membrorum. Nam virtus oculi non est visa, neque testificatur iterum per aliquem aliorum sensuum, immo non ratiocinatur nisi ratione. Et nominantur virtutes alie que sunt in corporibus naturalibus, forme et constitutiones secundum viam assimilationis cum formis corporum P va artificialium. | Et constitutio et forma et creatio, II fortasse sunt nomina sinonima significantia apud vulgus figuras animalium et corporum artificialium, et permutantur, et posita sunt nomina virtutibus et rebus quarum comparatio in corporibus naturalibus est comparatio creationum et constitutionum et formarum in corporibus artificialibus secundum viam assimilationis, quoniam consuetudo est in artibus ut permutentur ad res que sunt in eis nomina que vulgus facit cadere super similia illis rebus. Et materie quidem corporum et eorum forme et ipsorum actores et fines propter quos existunt, nominantur principia corporum. Et si sunt accidentibus corporum, nominantur principia accidentium que sunt in corporibus. Et scientia quidem naturalis, facit scire corpora naturalia ita quod ponit illud quod ex eis est apparentis esse positione et demonstratione probat esse illud quod ex eis est non apparentis esse. Et docet cuiusque corporis naturalis materiam, et formam, et actorem, et finem propter quem est illud corpus. Et similiter in accidentibus eius. Nam ipsa docet illud quo eorum existunt essentie, et res facientes ea, et fines propter quos facta sunt illa accidentia. Hec ergo scientia dat principia I II

scilicet ad pugnandum vel aliud. idest forma que videtur in creato.

2 agilitas ] scilicet ad pugnandum vel aliud add. B 7 creatio ] idest forma que videtur in creato add. B 12 assimilationis ] similitudinis B 15 actores ] actione G actiones B 19 illud ] P G B illius P c 21 corporis ] esse add. P del. P c

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Körper des Auges und der Kraft, durch die sich das Sehen ergibt, und wie beim Körper der Hand und der Kraft, durch die sich die Beweglichkeit ergibt. I Ähnliches gilt für jedes der Glieder. Denn die Kraft des Auges wird nicht gesehen und wird auch nicht durch irgendeinen der anderen Sinne bezeugt, sondern wird nur mit Hilfe der Vernunft erschlossen. Die weiteren Kräfte, die in den natürlichen Körpern enthalten sind, werden aufgrund der Ähnlichkeit mit den Formen der künstlichen Körper Formen und Konstitutionen genannt. Die Konstitution, die Form und die Gestalt II ¹⁶ sind vielleicht synonyme Namen für das, was beim Volk die Figuren der Tiere und der künstlichen Körper bezeichnet, die übertragen werden und als Namen für die Kräfte und Dinge eingeführt werden, die bei den natürlichen Körpern entsprechend dem Verfahren der Ähnlichkeit vergleichsweise die Stelle einnehmen, die bei den künstlichen Körpern die Gestalten, die Konstitutionen und Formen einnehmen, da es in den Künsten gebräuchlich ist, daß Namen, die das Volk für ähnliche Dinge verwendet, auf Dinge in ihnen [d. h. den Künsten] übertragen werden.¹⁷ Die stoff lichen Grundlagen der Körper, ihre Formen, ihre Wirkursachen und die Ziele,¹⁸ für die sie existieren, werden Prinzipien der Körper genannt.¹⁹ Wenn es sich um Akzidentien der Körper handelt, werden sie Prinzipien der Akzidentien genannt, die sich an den Körpern finden. Die Naturwissenschaft führt zur Erkenntnis der natürlichen Körper, indem sie klar feststellt, was an ihnen sich der äußeren Erscheinung nach darbietet, und sie zeigt durch Beweis das auf, was an ihnen sich nicht in der äußeren Erscheinung darbietet. Sie lehrt bei jedem natürlichen Körper die Materie, die Form, die Wirkursache und das Ziel, für das dieser Körper existiert. Und ganz ähnlich [verhält es sich] bei dessen Akzidentien. Sie lehrt nämlich das, wodurch deren Beschaffenheiten existieren, deren Wirkursachen²⁰ und die Ziele, für die diese Akzidentien eingerichI II

Nämlich zum Kämpfen oder zu Ähnlichem. D. h. die Form, die im Geschaffenen gesehen wird.

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corporum naturalium, et principia accidentium eorum. Et corporum quidem naturalium, alia sunt simplicia, et alia composita. Simplicia igitur corpora sunt quorum esse non est a corporibus aliis ab eis. Et composita sunt corpora, quorum esse est a corporibus aliis ab eis, sicut animalia et plante. Et dividitur scientia naturalis in octo partes magnas. Quarum prima est inquisitio de eo in quo communicant corpora naturalia omnia, simplicia eorum et composita ex principiis et accidentibus consequentibus illa principia. Et hoc totum est in auditu naturali. Et secunda est inquisitio de corporibus simplicibus an sint inventa, et si sunt inventa, tunc que corpora sunt et quantus sit eorum numerus. Et hec est consideratio in mundo quid est et que sint partes eius et quot sint, et quod ipse sunt in summa tres aut quinque. Et hoc est in consideratione in celo et discretione eius a reliquis partibus mundi, et quod materia que est in eo est una. Et est in parte prima tractatus primi libri Celi et mundi, deinde inquisitio post illud de elementis corporum B ra compositorum, an sint in istis simplicibus quorum esse declaratur an sint corpora alia extra ea. Quod si sunt in istis et non est possibile ut sint extra ea, an sint omnia ea, aut quedam ipsorum. Quod si fuerint quedam eorum, tunc que sunt ex eis, hoc est inquisitio de eis an sint testificata aut non testificata, et reliqua que inquiruntur de eis usque ad finem tractatus primi libri Celi et mundi. Deinde consideratio post illud in eo in quo communicant simplicia omnia que ex eis sunt elementa et radices corporum compositorum, et que ex eis non sunt elementa ipsis.

14 in ] de G

18 an ] aut G

26 ipsis ] ipsius G om. B

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tet sind. Diese Wissenschaft liefert also die Prinzipien der natürlichen Körper und die Prinzipien der Akzidentien derselben. Einige der natürlichen Körper sind einfach, andere sind zusammengesetzt. Einfache Körper sind jene, deren Sein nicht von anderen Körpern herrührt. Zusammengesetzte Körper sind jene, deren Sein von anderen Körpern herrührt, wie z. B. die Tiere und die Pflanzen.²¹ Die Naturwissenschaft wird in acht große Teile eingeteilt. ²² Der erste Teil behandelt die Untersuchung dessen, was allen natürlichen Körpern gemeinsam ist, den einfachen sowie jenen, die aus den Grundlagen und aus den den Grundlagen folgenden Akzidentien zusammengesetzt sind. All dies findet sich in [dem Buch] Über das Vernehmen der Natur. ²³ Der zweite Teil behandelt die Untersuchung der einfachen Körper, ²⁴ und zwar, ob solche aufgefunden werden, und, falls sie aufgefunden werden, um welche es sich handelt und wie groß ihre Zahl ist. ²⁵ Dies ist die Untersuchung über die Welt, was sie ist, welche ihre Teile sind und wie viele es sind, und darüber, daß sie im ganzen drei oder fünf sind. ²⁶ Dies ist die Untersuchung über den Himmel und über dessen Unterscheidung von den übrigen Teilen der Welt²⁷ und darüber, daß die Materie, die in ihr ist, eine ist. ²⁸ Dies wird im ersten Teil des ersten Traktats des Buches Über den Himmel und über die Erde ²⁹ behandelt. Darauf folgt die Untersuchung der Elemente der zusammengesetzten Körper, und zwar, ob sie innerhalb jener einfachen Körper sind, deren Sein aufgewiesen ist, oder ob sie andere Körper sind, die außerhalb jener sind. Wenn sie innerhalb jener sind und es nicht möglich ist, daß sie außerhalb jener sind, ³⁰ [wird untersucht,] ob sie alle jene oder [nur] einige von jenen sind. Wenn sie einige von jenen sind, welche von jenen sie dann sind. Dies ist die Untersuchung dessen, ob sie nachgewiesen oder nicht nachgewiesen sind³¹ und was sonst noch von ihnen erforscht wird bis zum Ende des ersten Buches Über den Himmel und die Erde. Darauf folgt die Untersuchung dessen, was allen einfachen Körpern gemeinsam ist, welche von ihnen Elemente und Grundlagen³² der zusammengesetzten Kör-

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Hoc est inquisitio de celo et partibus eius. Et est in principio tractatus secundi libri Celi et mundi usque circiter duas tertias P vb eius. | Deinde consideratio in eo quod appropriatur eis que non sunt elementa, deinde in eo quod appropriatur eis que ex eis sunt elementa ex principiis et accidentibus communicantibus ea. Hoc G vb est illud in quo consideratur in fine ¦ tractatus secundi, et tertii et quarti libri Celi et mundi. Et tertia est inquisitio de generatione corporum naturalium, et eorum corruptione secundum communitatem, et de omnibus quibus componitur illud, et inquisitio de qualitate generationis elementorum, et ipsorum corruptione, et qualiter generentur quedam a quibusdam, et qualiter generentur ab eis corpora composita in summa, et dare principia omnium illorum. Et hoc est in libro De generatione et corruptione. Et quarta, est inquisitio de principiis accidentium et passionum que propria sunt elementis solum sine compositis ab eis. Et est in primis tribus tractatibus libri Impressionum superiorum. Et quinta, est consideratio in corporibus compositis ab elementis, et quod ex eis sunt que sunt similium partium, et quod ex eis que sunt similium partium, sunt que sunt partes ex quibus componuntur ea que sunt diversarum partium, et ex eis que sunt diversarum partium, sicut caro et os, et ex eis sunt que penitus non sunt partes corporis naturalis diversarum partium, sicut sal, et aurum, et argentum. Deinde consideratio in eo in quo communicant corpora composita omnia. Deinde consideratio in eo in quo com-

1 f. principio tractatus ] primo tractatu G 12 in summa, et ] et in summa B 16 Impressionum superiorum ] impressionum inferiorum G 18 f. et quod … et ex eis ] om. G B meth〈e〉orum B

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per sind und welche von ihnen nicht Elemente von jenen sind. Dies ist die Untersuchung des Himmels und seiner Teile. Dies wird zu Beginn des zweiten Traktats des Buches Über den Himmel und die Erde behandelt, bis etwa zu zwei Dritteln desselben. Darauf folgt die Untersuchung dessen, was jenen eigentümlich ist, die nicht Elemente sind, und dann die darüber, was jenen eigentümlich ist, die Elemente der Prinzipien und der diese begleitenden Akzidentien sind. Dies wird am Ende des zweiten Traktats sowie im dritten und vierten Traktat des Buches Über den Himmel und die Erde behandelt. Der dritte Teil behandelt die Untersuchung des Entstehens der natürlichen Körper und des Vergehens derselben in allgemeiner Hinsicht sowie die von allem, aus dem er [d. h. der natürliche Körper] zusammengesetzt ist; des weiteren die Untersuchung der Beschaffenheit des Entstehens der Elemente und deren Vergehen, sowie auf welche Art und Weise die einen aus bestimmten anderen entstehen und wie aus ihnen die zusammengesetzten Körper entstehen, und es werden zusammenfassend die Prinzipien von all dem geliefert. Dies findet sich in dem Buch Über das Entstehen und Vergehen. ³³ Der vierte Teil behandelt die Untersuchung der Prinzipien der Akzidentien und des Erleidens, ³⁴ die nur den Elementen eigentümlich sind unter Absehung von den aus ihnen zusammengesetzten Dingen. Und dies findet sich in den ersten drei Traktaten des Buches Über die höheren Eindrücke. ³⁵ Der fünfte Teil behandelt die Untersuchung der aus Elementen zusammengesetzten Körper; es gibt von diesen solche, die aus ähnlichen Teilen, und solche, die aus verschiedenen Teilen zusammengesetzt sind, und jene von ihnen, die aus ähnlichen Teilen bestehen, sind die, die [auch] die Teile sind, aus denen jene zusammengesetzt sind, die aus verschiedenen Teilen bestehen, wie z. B. das Fleisch und das Bein, und solche, die überhaupt nicht Teile eines aus verschiedenen Teilen zusammengesetzten natürlichen Körpers sind, wie z. B. das Salz, das Gold und das Silber. Darauf folgt die Untersuchung dessen, was allen zusammengesetzten Körpern gemeinsam ist. Dann folgt die Untersuchung dessen, was allen aus ähnlichen Teilen

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municant composita similium partium omnia, sive sint partes corporis compositi diversarum partium, aut non partes. Hoc est in tractau quarto libri Impressionum superiorum. Et sexta et est in libro Mineralium, est consideratio in eo in quo communicant corpora composita similium partium que non sunt partes compositi diversarum partium, et sunt corpora mineralia, et species eorum, et species rerum mineralium, et in eo quod appropriatur omni speciei eorum. Et septima et est in libro Plantarum, est consideratio in eo in quo communicant species plantarum. Et quod appropriatur unicuique earum, est una duarum partium speculationis in compositis diversarum partium. Et octava, et est in libro Animalium, et libro Anime et qui sunt post utrosque usque ad postremum Librorum naturalium, est consideratio in eo in quo communicant species animalium, et quod 〈ap〉propriatur omni speciei eorum. Et est pars secunda speculationis in compositis diversarum partium. Dat ergo scientia naturalis in omni specie horum corporum principia quattuor, et accidentia eorum communicantia illa principia. Hec est ergo summa eius quod est in scientia naturali, et partium eius, et summa que est in unaquaque partium eius.

    Et est totus in libro suo De metaphysicis. Et scientia quidem divina dividitur in tres partes. Pars prima inquirit de existentibus

3 superiorum ] idest meth〈e〉orum add. B 3 et ] om. G B 8 et ] om. G que B 8 Plantarum ] de plantis sive vegetalibus B 11 et ] om. G B 12 et ] in add. G B 14 appropriatur ] G B propriatur P 22 metaphisicis ] methaphisicis (!) G B 23 existentibus ] entibus B

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zusammengesetzten Körpern gemeinsam ist, sei es, daß sie Teile eines aus verschiedenen Teilen zusammengesetzten Körpers sind, sei es, daß sie nicht solche Teile sind. Dies findet sich im vierten Traktat des Buches Über die höheren Eindrücke. ³⁶ Der sechste Teil findet sich im Buch Über die Mineralien,³⁷ und er enthält die Untersuchung dessen, was den aus ähnlichen Teilen zusammengesetzten Körpern gemeinsam ist, die nicht Teile eines aus verschiedenen Teilen zusammengesetzten [Körpers] sind, und dies sind die mineralischen Körper. [Er behandelt] die Arten derselben, die Arten der mineralischen Gegenstände und das, was einer jeden Art eigentümlich ist. ³⁸ Der siebente Teil findet sich im Buch Über die Pflanzen,³⁹ und er enthält die Untersuchung dessen, was den Arten der Pflanzen gemeinsam ist, und dessen, was jeder von ihnen eigentümlich ist. Dies ist einer der beiden Teile der Untersuchung der aus verschiedenen Teilen zusammengesetzten [Körper]. Der achte Teil findet sich im Buch Über die Tiere⁴⁰ und im Buch Über die Seele ⁴¹ und in dem, was nach diesen beiden bis zum Ende der Bücher über die Natur kommt.⁴² Dies ist die Untersuchung dessen, was den Arten der Tiere gemeinsam ist, und dessen, was einer jeden Art eigentümlich ist. Dies ist der zweite Teil der Untersuchung der aus verschiedenen Teilen zusammengesetzten [Körper]. Die Naturwissenschaft liefert also für jede Art dieser Körper die vier Prinzipien und die diesen Prinzipien zukommenden Akzidentien.⁴³ Dies ist also die Zusammenfassung dessen, was in der Naturwissenschaft enthalten ist, sowie deren Teile, und die Zusammenfassung dessen, was in jedem der Teile enthalten ist.

      ⁴⁴ All dies ist in seinem Buch Über die Metaphysik ⁴⁵ enthalten. Die göttliche Wissenschaft wird in drei Teile eingeteilt.⁴⁶ Der erste Teil erforscht die Existierenden⁴⁷ und das, was ihnen auf-

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et rebus que accidunt eis per hoc quod I sunt existentia. Et seP ra cunda inquirit de principiis demonstrationum | in scientiis speculativis particularibus. Et sunt ille que omnis scientia earum singularia facit per considerationem in esse proprio, II sicut dialeB rb tica et geometria, et aritmetica, et relique scientie particulares que simillantur istis scientiis. Inquirit ergo de principiis scientie dialetice, et principiis scientiarum doctrinalium, et principiis scientie naturalis, et inquirit verificationem eorum, et docet eorum substantias, et ipsorum proprietates, et comprehendit estimationes corruptas que acciderunt antiquis in principiis harum scientiarum, sicut estimatio eius qui estimavit in puncto et uno et lineis et superficiebus, quod sunt substantie, et quod sunt separata, et opiniones que simillantur istis in principiis reliquarum scientiarum, destruit ergo eas, et ostendit, quod sunt corrupte. Et in parte tertia inquiritur de existentibus que non sunt corpora neque in corporibus. Inquirit ergo de eis imprimis, an sint existentia an non, et demonstratione probat quod sunt existentia. Deinde inquirit de eis an sint plura an non. Et demonstrat quod sunt plura. Postea inquirit an sint finita in numero an non. Et demonstrat quod sunt finita, deinde inquirit an ordines eorum in perfectione sint uni an ordines ipsorum sint superfluentes. Et demonstratione probat quod sunt superfluentes in perfecG ra tione, ¦ deinde demonstrat quod ipsa quamvis sint multa, tamen surgunt ex minore ipsorum ad perfectius, et perfectius usque quo perveniunt in postremo illius, ad perfectum quo perfectius non I II

vel inquantum. scilicet in aliquo.

1 per hoc quod ] inquantum B 1 existentia ] entia B 3 ille ] 13 separata ] separate B 14 quod ] sint add. P et illa G B c m del. P 19 fi nita ] infi nita G fi nita G

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grund dessen I zukommt, daß sie Existierende sind. Der zweite erforscht die Prinzipien der Beweise in den einzelnen spekulativen Wissenschaften. Und dies sind jene, die jede Wissenschaft durch die Untersuchung dessen, was ihr eigentümlich ist, II zu einer bestimmten einzelnen Wissenschaft macht, wie z. B. die Logik, die Geometrie, die Arithmetik und die übrigen einzelnen Wissenschaften, die diesen ähnlich sind. Sie erforscht also die Prinzipien der Wissenschaft der Logik, die Prinzipien der mathematischen Wissenschaften und die Prinzipien der Naturwissenschaft, und sie erforscht die Überprüfung derselben, und sie lehrt deren Beschaffenheit⁴⁸ sowie deren Kennzeichen, sie umfaßt die unzutreffenden Meinungen, die den Alten in Hinsicht auf die Prinzipien dieser Wissenschaften unterlaufen sind, wie z. B. die Meinung dessen, der glaubte, daß der Punkt, die Eins, die Linie und die Fläche Substanzen und Getrennte seien,⁴⁹ sowie Meinungen, die diesen in Hinsicht auf die Prinzipien der übrigen Wissenschaften ähnlich sind, sie widerlegt diese also und weist nach, daß sie unzutreffend sind. Im dritten Teil werden die Existierenden erforscht, die nicht Körper und nicht in Körpern sind. Diese erforscht also vor allem, ob sie Existierende sind oder nicht, und weist durch Beweis nach, daß sie Existierende sind. Dann erforscht sie, ob sie mehrere sind oder nicht, und sie beweist, daß sie mehrere sind. Daraufhin erforscht sie, ob ihre Anzahl endlich ist oder nicht, und sie beweist, daß ihre Anzahl endlich ist. Dann erforscht sie, ob ihre Ordnungen in Hinsicht auf die Vollkommenheit einzahlig sind oder ob ihre Ordnungen mehrzahlig sind, und sie weist durch Beweis nach, daß sie in Hinsicht auf die Vollkommenheit mehrzahlig sind. Daraufhin beweist sie, daß diese, obwohl sie viele sind, doch vom Geringeren zum Vollkommeneren und noch Vollkommeneren aufsteigen, bis sie schließlich am äußersten Ende zu jenem Vollkommenen gelangen, ⁵⁰ dem gegenüber es nicht mögI II

Oder insofern. Nämlich in etwas.

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est possibile aliquid esse, neque est possibile ut sit aliquid penitus in similitudine ordinis esse eius, neque sit ei compar, neque contrarium, et ad primum ante quod non est possibile invenire prius, et ad precedens quo nichil est possibile magis esse precedens, et ad esse quod non est possibile acquisivisse suum esse a re alia penitus, et quod illud esse est unum, et primum, et precedens, absolute solum. Et demonstrat quod reliqua esse posteriora sunt eo in esse, et quod ipsum est esse primum quod acquirit omni existenti quod est preter ipsum esse, et quod est unum primum quod acquirit omni rei uni preter ipsum, unitatem, et quod est verum primum quod acquirit omni habenti veritatem preter ipsum, veritatem, et secundum quem modum acquirit illud, et quod penitus non est possibile in ipso esse multitudinem neque aliquo modorum, immo est dignius nomine unius et eius intentione, et nomine entis et eius intentione, et nomine veri et eius intentione, omni re de qua dicitur quod est una, et ens, aut vera preter ipsum, deinde declarat quod illud quod est cum istis proprietatibus, est illud de quo oportet credi quod est Deus cuius est fama sublimis, postea procedit post illud in reliquis quibus narratur Deus gloriP rb osus et | sublimis, ut compleat ea omnia. Deinde docet qualiter provenerunt existentia ab eo, et qualiter adepta sunt ab eo esse. Postea inquirit de ordinibus existentium, et qualiter advenerunt eis illi ordines, et quare meretur unumquodque ut sit in ordine suo in quo est, et declarat qualis 〈est〉 ligatura eorum ad invicem, et eorum connexio, et quibus rebus fit eorum ligatura et ipsorum

3 invenire ] reperire B 4 quo ] quod G 21 existentia ] entia B 22 ordinibus existentium ] ordine entium B 22 f. advenerunt eis illi ordines ] advenit illis ille ordo B 23 ordine ] s add. P et del. P c 24 est ²] G B

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lich ist, daß es etwas noch Vollkommeneres gibt, ⁵¹ und es auch nicht möglich ist, daß es etwas der Rangordnung nach ihm ganz Ähnliches gibt, ⁵² und auch nicht, daß es etwas ihm Gleichgestelltes oder ihm Entgegengesetztes gibt; ⁵³ und [sie gelangt] zu einem Ersten, vor dem ein noch Früheres nicht gefunden werden kann, zu einem Vorausgehenden, demgegenüber es nicht irgendein noch mehr Vorausgehendes geben kann, und zu einem Sein, das sein Sein ganz und gar nicht von irgend etwas anderem erhalten haben kann, und [sie beweist] daß dieses Sein eines ist, und das erste, das vorausgehende, und das absolut einzige. Und sie beweist, daß die übrigen Seienden in ihrem Sein diesem gegenüber später sind und daß dieses das erste Sein ist, das jedem außer diesem Existierenden das Sein verleiht, und daß es das erste Eine ist, das jedem Ding, das außer ihm eines ist, Einheit verleiht und daß es das erste Wahre ist, das jedem, das außer ihm Wahrheit hat, Wahrheit verleiht, und [sie beweist], auf welche Weise es dies verleiht, und daß es ganz und gar nicht möglich ist, daß in ihm eine Vielheit auch nur irgendeiner Art vorhanden ist, daß es vielmehr würdiger ist des Namens des Einen und dessen Bedeutung, des Namens des Seienden und dessen Bedeutung, sowie des Namens des Wahren und dessen Bedeutung, als irgend etwas außer ihm, von dem gesagt wird, daß es eines oder wahr ist. ⁵⁴ Dann erklärt sie, daß das, das diese Eigenschaften hat, jenes ist, von dem man glauben muß, daß es Gott ist, dessen Ruhm erhaben ist. ⁵⁵ Im weiteren schreitet sie zu den übrigen [Eigenschaften] voran, mit denen der glorreiche und erhabene Gott beschrieben wird, so daß alle vollständig aufgezählt werden. ⁵⁶ Dann lehrt sie, auf welche Weise die Existierenden von ihm hervorgebracht worden sind und wie sie von ihm das Sein erhalten haben. ⁵⁷ Dann erforscht sie die Ordnungen der Existierenden⁵⁸ und auf welche Weise sie diese Ordnungen erhalten haben und warum es angemessen ist, daß jedes einzelne Ding in der Ordnung ist, in der es ist, und sie erklärt, wie die Verbindung derselben [d. h. der Ordnungen] untereinander beschaffen ist und durch welche Dinge sich ihre Verbindung und

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connexio, deinde procedit ad comprehendendas reliquas operationes eius cuius sublimis est fama, et in existentibus usque quo compleat eas omnes. Et ostendit quod non licet in aliqua earum ut sit falsitas neque error neque effugatio, neque malicia ordinis, neque malicia compositionis, et ad ultimum, non est diminutio penitus in aliqua earum, neque additio manifesta omnino, deinde vadit I post illud, ad destruendum opiniones corruptas que estimantur de Deo cuius sublimis est fama, et de operationibus B va eius, ex illis que intromittunt diminutionem in eo et in operationibus eius, et in existentiis que creavit, et destruit eas omnes per demonstrationes que faciunt adipisci scientiam certam in qua non est possibilile ut homini ingrediatur hesitatio, neque alteratio in ipsa, et neque est possibile ut redeat ab ea penitus. I

vel incipit.

2 et ] om. G B 2 existentibus ] entibus B 5 malicia ] om. B 9f . operationibus ] operibus G B 10 existentiis ] entibus B 13

redeat ] recedat G recedit B

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Verknüpfung ergibt. Dann schreitet sie voran zum Begreifen der übrigen Handlungen dessen, dessen Ruhm erhaben ist, in Bezug auf die Existierenden, bis sie alle vollständig aufgezählt hat. Sie beweist, daß es nicht vorkommen kann, daß in irgendeiner derselben [d. h. dieser Handlungen] Falschheit, Irrtum, Entfl iehen, ⁵⁹ Mangel an Ordnung oder Mangel der Zusammensetzung vorhanden ist, und schließlich, daß bei ihnen in keiner Weise eine Minderung oder Mehrung vorhanden ist. Dann geht sie I zur Widerlegung der unzutreffenden Meinungen über, die von Gott, dessen Ruhm erhaben ist, sowie von seinen Handlungen mit jenen [Meinungen] vertreten werden, die eine Minderung in ihm oder in seinen Handlungen einführen, ebenso wie [zur Widerlegung der falschen Meinungen] von den Existierenden, die er geschaffen hat, und sie widerlegt alle diese Meinungen durch Beweise, die dazu führen, daß ein sicheres Wissen ⁶⁰ erlangt wird, bei dem es nicht möglich ist, daß der Mensch von einem Zweifel befallen wird, [ein Wissen,] bei dem eine Änderung nicht möglich ist, und bei dem es auch nicht möglich ist, davon in irgendeiner Weise abzugehen.

I

Oder beginnt.

 

        

Scientia quidem civilis inquirit de speciebus operationum, I et consuetudinum voluntariarum, et de habitibus, et moribus, et segea, II et gestibus, a quibus sunt ille actiones et consuetudines, et de finibus propter quos fiunt, et qualiter oportet ut sint illa inventa in homine, et qualis sit modus ad comprehendendum et ordinandum ea in eis, secundum modum qui est necessarius ut sit eorum inventio in eo, et modus ad conservandum ea super ipsum. Et distinguit ex finibus propter quos fiunt operationes et sunt in usu consuetudines. Et declarat quod ex eis sunt qui sunt in veritate beatitudo, et quod ex eis sunt qui sunt estimati quod sunt beatitudo, preter quod sit ita, et quod illi qui sunt in veritate beatitudo, non est possibile ut sint in hac vita, immo in vita alia G rb post istam, et est vita postrema. Et opi¦nati quidem sunt felicitas, sunt sicut victoria, et gloria, et delectationes cum ponuntur ipse fines tantum in hac vita. Et discernit operationes et consuetudines. Et declarat quod illa quibus acquiritur illud quod est in veritate felicitas, sunt bonitates, et decora, et optima, et quod illa que sunt preter ea, sunt malicie, et feda, et diminuta, et quod modus inventionis eorum in homine, est ut sint operationes et consueI II

vel actionum. idest de moribus induendi vel calciandi vel aliorum.

1–3 CAPITULU M … ELOCU TIONIS ] om. G DE SCIENTIA CIV ILI B 4 operationum ] vel actionum add. B 6 segea ] et de 6 sunt ] procedunt B usibus vestiendi et de modis induendi B 16 sunt ] quod sint B

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 

  ,        Die Staatswissenschaft¹ erforscht die Arten der willensbestimmten² Handlungen I und Gebräuche ³ sowie die Gewohnheiten, Sitten,⁴ segea, II ⁵ und Haltungen, von denen sich diese Handlungen und Gebräuche herleiten, ⁶ sowie auch die Ziele, derentwegen sie ausgeführt werden, und des weiteren, in welcher Beschaffenheit sie im Menschen vorhanden sein sollen, und was die Art und Weise ist, um sie in ihm⁷ zu regeln und zu ordnen gemäß jener Art und Weise, die erforderlich ist, damit sie in ihm vorhanden sind, sowie was die Art und Weise ist, um sie in ihm zu bewahren. Sie unterscheidet die Ziele, derentwegen die Handlungen ausgeführt werden und derentwegen die Gebräuche in Geltung sind. Sie erklärt, daß es bei diesen Zielen solche gibt, die in Wahrheit Glückseligkeit ⁸ bedeuten, und solche, die als Glückseligkeit angesehen werden, ohne daß sie es in Wahrheit sind, und daß es nicht möglich ist, daß jene, die in Wahrheit Glückseligkeit bedeuten, in diesem Leben verwirklicht werden, daß sie vielmehr in einem anderen Leben nach diesem verwirklicht werden,⁹ und dies ist das endgültige Leben. Die Dinge, die als Glückseligkeit angesehen werden, sind z. B. Sieg, Ruhm und Genüsse, die als Ziele nur für dieses Leben angesetzt werden. Sie [d. h. diese Wissenschaft] unterscheidet die Handlungen und die Gebräuche und erklärt, daß das, wodurch das, worin in Wahrheit die Glückseligkeit besteht, erlangt wird, Güter, Geziemendes und Tugendhaftes ist und daß das, was außerhalb dieser liegt, Übel, Niedriges und Geringwertiges ist; und sie erklärt, daß die Entstehungsweise derselben im Menschen so I II

Oder Tätigkeiten. D. h. die Gebräuche, sich zu kleiden, zu beschuhen oder anderes.

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tudines optime separate I in civitatibus et gentibus, secundum ordinem, et utantur usu communi. Et declarat quod illa non adP va veniunt II nisi per regna|tum stabilientem illas actiones et consuetudines, et gestus, et habitus, et mores in civitatibus et gentibus, et studeat ut servet ea super eas ita ut non removeantur. Et quod regnatus ille non preparatur nisi per virtutem et habitum a quibus sunt operationes stabilitatis, in eis, et operationes servantes quod stabilitum est in eis super ipsos. Et illa quidem virtus est regnatus et regnum, aut quod voluerit homo nominare eam. Et ethica, est operatio huius virtutis. Et quod regnatus duo sunt modi. Regnatus stabiliens actiones et consuetudines et habitus voluntarios, quorum proprietas est ut eis acquiratur illud quod in veritate est beatitudo. Et est regnatus optimus. Et civitates et gentes obedientes huic regnatui, sunt civitates et gentes optime. Et regnatus stabiliens in civitatibus operationes et consuetudines, quibus non acquiritur nisi quod estimatum est quod ipsum sit beatitudo, preter quod sit ita. Et est regnatus stolidus. Et hic quidem regnatus dividitur divisionibus pluribus, et nominatur unaqueque earum cum intentione que intendit eam et vult eam. Et sunt secundum numerum rerum que sunt fines et intentiones ad quas inquirit iste regnatus. Nam si inquirit divitias, nominatur regnatus vilitatis. III Et si inquirit gloriam, nominatur regnaI II III

scilicet distribute. vel preparantur. regnatus (?) divitiarum.

1 separate ] distribute add. B 2 usu ] non add. P G B [error translationis (!)] 3 regnatum ] regentem G 7 stabilitatis ] et add. c c 8 eis ] quod add. P et del. P 14 obedientes ] ex P et del. P c 16 acquiritur ] accipitur G 21 ad ] om. G B hobedientes P 22 vilitatis ] divitiarum B

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Wissenschaft des Staats, des Rechts und der Beredsamkeit

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angelegt ist, daß die Handlungen und Gebräuche in den Städten und bei den Völkern¹⁰ bestens und ordnungsgemäß zugeteilt I ¹¹ und in gemeinsamem Handeln¹² verwirklicht werden. Sie erklärt, daß diese nur durch eine Herrschermacht eingeführt II werden können, die diese Handlungen, Gebräuche, Haltungen, Gewohnheiten und Sitten in den Städten und bei den Völkern festsetzt und die sich dafür einsetzt, daß sie bei ihnen aufrecht erhalten bleiben, so daß sie nicht außer Kraft gesetzt werden. Diese Herrschaft kann nur durch eine Fähigkeit und eine Geisteshaltung eingerichtet werden, durch deren Festsetzungen die Handlungen für diese [d. h. die Städte und Völker] hervorgehen sowie die Handlungen, die das aufrechterhalten, was in den Städten für sie festgesetzt worden ist. Diese Fähigkeit ist die Herrschaft und das Königtum oder wie immer jemand sie nennen mag. Die Betätigung dieser Fähigkeit ist die Ethik [d. h. die Politik].¹³ Es gibt zwei Arten der Herrschaft. Die eine ist jene Herrschaft, die die willensbestimmten Handlungen, Gebräuche und Gewohnheiten festsetzt, deren Kennzeichen es ist, daß durch sie das, worin in Wahrheit die Glückseligkeit besteht, erlangt wird. Dies ist die beste Herrschaft. Und die Städte und Völker, die dieser Herrschaft gehorchen, sind die besten Städte¹⁴ und Völker. Die andere ist eine Herrschaft, die in den Städten Handlungen und Gebräuche festsetzt, durch die nur das erlangt wird, was für Glückseligkeit gehalten wird, ohne daß sie es in Wirklichkeit ist.¹⁵ Dies ist die unwissende Herrschaft.¹⁶ Diese Herrschaft wird dann in mehrere unterteilt,¹⁷ und jede derselben wird nach dem Ziel benannt, das sie sich setzt und das sie anstrebt. Ihre Anzahl entspricht der der Ziele und Absichten, nach denen diese Herrschaft strebt. Strebt sie nämlich den Reichtum an, wird sie Herrschaft der Niedrigkeit III ¹⁸ genannt. Strebt sie den Ruhm an, wird sie Herrschaft des Ruhmes genannt. Und I II III

D. h. verbreitet. Oder zugerüstet. Herrschaft der Reichtümer.

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Capitulum V

tus glorie. Et si est propter aliud ab istis duobus, nominatur nomine finis illius. Et ostendit quod virtus regia optima componitur per duas virtutes. Quarum una est cum virtute super canones universales, et altera est virtus quam acquirit homo per longitudinem assiduationis actionum civilium, et visionis operationum in unis, et individuis et civitatibus particularibus, et studii in eis per experimentum, et longitudinem testimonii, secundum similitudinem B vb eius quod est in medicina. Medicus enim non fit medicator perfectus, nisi per duas virtutes, quarum una est virtus super universalia et canones que acquirit ex libris medicine, et altera virtus que advenit ei per longitudinem frequentie actionum medicine in egris, et studii in eis per longitudinem experimenti, et visionis corporum individuorum. Et per hanc virtutem potest medicus mensurare medicinas et curationem secundum unumquodque corpus in 〈una〉quaque dispositione. Similiter virtuti regie non est possibile ut mensuret actiones, secundum unumquodque accidens et quamque dispositionem, et quamque civitatem in quaque hora, nisi per hanc virtutem, et experimentum. Et phylosophia quidem civilis contenta est in eo de quo inquirit ex actionibus et consuetudinibus et habitibus voluntariis et reliquis de quibus inquirit, regulis universalibus, et dat deP vb scripiones in mensuratione eorum secundum dis|positionem, et dispositionem, et horam et horam, et qualiter et cum quot rebus, et cum quibus rebus mensurentur, deinde dimittit ea non men-

9 medicator ] B mediator P medicorum G de medico perfecto G m 16 unaquaque ] G B 19 et ] est add. P om. B 19 et experimentum ] om. G 20 phylosophia ] philosophia G 23 f. et dispositionem ] om. G 24 et horam ] om. G

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wenn sie etwas von diesen beiden Verschiedenes anstrebt, wird sie entsprechend dem Namen dieses Zieles benannt. Und sie [d. h. diese Wissenschaft] zeigt auf, daß die beste Fähigkeit des Herrschens in zwei Fähigkeiten besteht. Die eine ist die Fähigkeit in Hinsicht auf die [Erkenntnis der] allgemeinen Regeln, die andere ist die Fähigkeit, die ein Mensch durch eine lange Beschäftigung mit gesellschaftlichem Handeln und durch den Überblick über Handlungen einzelner – seien dies nun einzelne Menschen oder auch bestimmte Gesellschaften – erlangt sowie durch das Studium derselben aufgrund von Erfahrung und beständiger Sammlung von Beobachtungen, ganz so wie es in der Medizin geschieht. Ein Arzt wird nämlich zu einem vollendet ausgebildeten Heilenden nur durch zwei Fähigkeiten, deren eine die Fähigkeit [der Erkenntnis] des Allgemeinen und der Regeln ist, die er aus den Büchern der Medizin erwirbt, während die andere die Fähigkeit ist, die er aufgrund langer und beständiger ärztlicher Tätigkeit bei Kranken erlangt sowie durch das Studium derselben aufgrund von Erfahrung und Beobachtung der Körper der einzelnen Menschen über einen langen Zeitraum hin. Aufgrund dieser Fähigkeit kann der Arzt die Heilmittel und die Behandlung entsprechend dem einzelnen Körper und der jeweiligen Verfassung desselben bemessen.¹⁹ Ganz ähnlich wird die Fähigkeit des Herrschers, die Handlungen entsprechend einem vorliegenden Fall und einer jeweiligen Gegebenheit und entsprechend einer bestimmten Stadt zu einem bestimmten Zeitpunkt zu bemessen, nur durch diese Fähigkeit und die Erfahrung ermöglicht. ²⁰ Die Staatsphilosophie ²¹ ist hinsichtlich dessen, was sie über die willensbestimmten Handlungen, Gebräuche und Gewohnheiten und das übrige ihres Forschungsgebiets erforscht, auf die allgemeinen Regeln beschränkt. Sie liefert Beschreibungen der angemessenen Einrichtung derselben [d. h. der Handlungen usw.] entsprechend der jeweiligen Gegebenheit und gemäß dem jeweiligen Zeitpunkt, sowie dessen, in welcher Weise und mit wie vielen und mit welchen Maßnahmen sie angemessen ein-

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Capitulum V

surata, quoniam mensuratio actu est per virtutem aliam sine hac scientia, et est via eius ut adiungatur ei. Et cum hoc, dispositiones et intentiones secundum quas fit mensuratio, sunt non diffiG va nite, ¦ neque comprehenduntur. Et hec quidem scientia, habet duas partes, scilicet partem que continet cognitionem beatitudinis, et discernit inter veram ex eis, et estimativam, et comprehensionem operationum, et consuetudinum, et morum, et gestuum voluntariorum universalium quorum proprietas est ut separentur in civitatibus, et in gentibus, et discernit optimos eorum a non optimis, et partem que continet modum ordinis gestuum, et consuetudinum optimarum in civitatibus et gentibus, et cognitionem operationum regalium quibus stabiliuntur gestus et operationes optime, et ordinantur in illis qui sunt in civitatibus, et operationes quibus servatur super eos illud quod ordinatum est et fi rmatum in eis, deinde comprehendit species virtutum regalium non optimarum quot sunt, et que sit unaqueque earum, et comprehendit operationes quas unaqueque earum efficit, et quas consuetudines et habitus requirit unaqueque earum ut stabiliat in civitatibus et gentibus ita ut acquirat per eas intentionem suam ex illis qui sunt in civitatibus et gentibus que sunt sub eius regnatu. Et hoc quidem est in libro qui Politica dicitur, et est liber Ethice Aristotilis. Et est iterum in libro Ethice Platonis. Et in libris Platonis et aliorum. Deinde demonstrat quod ille operationes, et consuetudines, et habitus, omnes sunt sicut egritudines civitatibus bonis. Sed operationes que

1 aliam ] aliquam G 7 operationum ] actionum B 8 et morum ] om. B 9 et¹ ] qui add. P quod add. G 22 Ethice ] sequitur 23 Et in libris Platonis et aliorum ] et aliorum G et in lilacuna P 25 civitatibus bonis ] virtuti regie G bris aliorum B

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gerichtet werden sollen. ²² Dann beläßt sie jene, ohne sie zu bemessen, da die aktuelle Bemessung dann durch eine andere Fähigkeit erfolgt, die außerhalb dieser Wissenschaft liegt, ²³ und es gibt einen Weg, ²⁴ auf dem sie dieser hinzugefügt werden kann. Dazu kommt noch, daß die Anordnungen und Ziele, nach denen die Bemessung erfolgt, unbestimmt sind und nicht genau erfaßt werden können. ²⁵ Diese Wissenschaft umfaßt zwei Teile. ²⁶ Der eine Teil enthält die Erkenntnis der Glückseligkeit und unterscheidet zwischen der wahren und der vermeintlichen Glückseligkeit, und [er enthält] die Zusammenfassung der allgemeinen willensbestimmten Handlungen, Gebräuche, Sitten und Haltungen, deren Kennzeichen es ist, daß sie den Städten und Völkern zugeteilt werden, und es werden die wirklich guten von denen, die nicht wirklich gut sind, unterschieden. Der andere Teil enthält die Art und Weise der Ordnung der Haltungen und der besten Gebräuche in den Städten und bei den Völkern, die Erkenntnis der Handlungen des Herrschers, durch die diese Haltungen und die besten Handlungen festgesetzt und bei jenen, die in diesen Städten leben, geregelt werden, sowie die Handlungen, durch die in ihnen das, was geregelt und festgesetzt worden ist, aufrechterhalten wird. ²⁷ Dann umfaßt er [d. h. dieser Teil] die Arten der Fähigkeit zum Herrschen, die nicht wirklich gut sind, wie viele es sind und welche eine jede von ihnen [d. h. dieser Fähigkeiten] ist; und er umfaßt die Handlungen, die jede von ihnen ausführt und welche Gebräuche und Gewohnheiten eine jede von ihnen erfordert, um in den Städten und bei den Völkern alles so festzusetzen, daß damit das Ziel des Herrschers in den Städten und bei den Völkern bei jenen, die unter seiner Herrschaft sind, erreicht wird. Dies findet sich in dem Buch, das Politik genannt wird, und dies ist das Buch der Ethik des Aristoteles. ²⁸ Und es findet sich auch wieder im Buch der Ethik Platos²⁹ und in weiteren Büchern Platos und anderer. ³⁰ Hierauf wird aufgezeigt, daß alle diese [schlechten] Handlungen, Gebräuche und Gewohnheiten so wie Krankheiten in guten Städten sind. Die Tätigkei-

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Capitulum V

appropriantur virtutibus regiis ex eis, et consuetudines earum, sunt sicut egritudines virtuti regie bone. Consuetudines vero et habitus qui appropriantur spacio I earum, sunt sicut egritudines civitatibus bonis, deinde comprehendit quot cause et partes sint, propter quas non est conveniens ut convertantur regnatus boni, et consuetudines civitatum bonarum ad consuetudines et habitus stolidos, et comprehendit cum eis species operationum quibus tenentur civitates, et regnatus boni ut non corrumpantur et convertantur ad non bonos, et comprehendit iterum modos preparationis et ingeniorum et res quarum via est ut amministrentur quando convertuntur ad stolidos ita ut redeant ad illud secundum quod fuerunt. Deinde demonstrat cum quot rebus ordinetur virtus regia bona, et quod ex eis sunt scientie speculative et active, et quod adiungatur eis virtus adveniens ab experimento facto per longitudinem assiduationis operationum in civitatibus P ra et gentibus, et est potens super | inventionem inveniendi condiB ra tiones quibus mensurantur actiones, et consuetudines et habitus secundum unumquemque populum aut quamque civitatem aut quamque gentem, aut secundum quamque dispositionem, et quodque accidens. Et ostendit quod civitas bona non perdurat bona et non convertitur, nisi quando fuerint reges eorum continui in temporibus secundum conditiones unas et easdem ita ut sit secundus qui succedit precedenti secundum dispositiones et conditiones, secundum quas fuit precedens, et ut sit eorum continuitas absque abscisione et sine separatione. Et docet quod I

vel tempori.

1 earum ] ipsorum G eorum B 2 sicut ] virtutes add. B et del. B c 2 virtuti ] virtutis G 3 spacio ] vel tempori add. B 4 bonis ] 13 regia ] regitiva G 13 quod ] quot B 16 inveniom. B

endi ] om. B

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ten und Gebräuche, die der Fähigkeit solcher Herrscher entsprechen, sind gleichsam Krankheiten der Fähigkeit des guten Herrschens. Und die Gebräuche und Gewohnheiten, die man sich in einem solchen Gebiet I zu eigen macht, sind gleichsam Krankheiten guter Städte. Dann wird aufgezählt, wie viele Ursachen und Gründe es dafür gibt, daß es abträglich ist, daß gute Herrschaften und Gebräuche guter Städte in fehlgeleitete Gebräuche und Gewohnheiten verkehrt werden, und es werden dabei die Arten der Handlungen aufgezählt, durch die gute Städte und Herrschaften aufrechterhalten werden, so daß sie nicht verdorben und in nicht-gute verkehrt werden, und es werden dann die Arten der Vorkehrungen und der Maßnahmen sowie jene Dinge aufgezählt, die den Weg zeigen, der eingeschlagen werden muß, wenn sie einmal in fehlgeleitete verkehrt worden sind, damit sie zu dem zurückkehren, was sie einmal waren. Dann wird aufgezählt, mit wie vielen Bestandteilen die richtige Fähigkeit zum Herrschen ausgestattet sein soll und daß dazu theoretische und praktische Wissenschaften gehören, ³¹ sowie, daß zu diesen eine Fähigkeit hinzukommen muß, die aus der Erfahrung stammt, die sich durch eine aufmerksame Tätigkeit in Städten und bei Völkern über einen langen Zeitraum hin ergibt. Diese Fähigkeit ermöglicht es, die Bedingungen herauszufinden, nach denen die Handlungen, Gebräuche und Gewohnheiten entsprechend einem bestimmten Volk, einer bestimmten Stadt oder einem bestimmten Stamm und entsprechend den jeweiligen Gegebenheiten und Umständen angemessen eingerichtet werden. Es wird aufgezeigt, daß eine gute Stadt nur dann gut bleibt und nicht verkehrt wird, wenn ihre Herrscher nach ein und denselben Bedingungen³² über lange Zeiträume hin eine Folge bilden, so daß der zweite, der seinem Vorgänger nachfolgt, gemäß den Verfügungen und Bedingungen folgt, nach denen sein Vorgänger zum Herrscher wurde, so daß sich eine Folge ohne Unterbrechung und Trennung ergibt. Und es wird gelehrt, daß man I

Oder einer [bestimmten] Zeit.

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Capitulum V

oporteat fieri ut non ingrediatur continuitatem regum abscisio. Et declarat que conditiones et dispositiones naturales oportet ut observentur in fi liis regum, et in aliis, donec eligatur per eas ille in quo inveniuntur ille conditiones ad regnum post illum qui est hodie rex. Et ostendit qualiter oporteat illum morigerari in quo inveniuntur ille conditiones naturales, et cum quo oporteat ipsum doceri donec adveniat ei virtus regia, et fiat rex perfectus. Et declarat cum hoc quod illi quorum regnatus sunt stolidi, non oportet ut nominentur reges penitus, et quod ipsi non indigent in aliqua suarum preparationum et actionum suarum phylosophia, neque speculativa neque activa, immo possibile est G vb unicuique eorum ut ¦ perveniat ad suam intentionem in civitate et gente que sunt sub suo regnatu per potentiam experimentalem que advenit ei per assiduationem generis actionum quibus acquirat intentionem suam et perveniat ad suam intentionem ex bonitatibus, quando accidit ei virtus ingenii boni, bone preparationis ad inveniendum illud quo indiget in actionibus quibus acquirat bonum quod intendit ex delectatione aut gloria, aut alia re, et adiungatur ad bonitatem successionis eius qui precessit ex regibus quorum intentio fuit intentio eius. Et ars legis est illa qua potest homo invenire mensurationem cuiusque rei ex illis quas legis positor non propalavit, determinatio ergo eius erit a rebus in quibus propalatio facta est cum determinatione et mensuratione. Et oportet ut subtilietur ad verificandum illud secundum intentionem positoris cum secta quam posuit in gente cui statuta est. Et in omni quidem secta

1 abscisio ] incisio B

18 gloria ] regula G 21 Et ars legis est 24 ut subtilietur ] quod servetur G illa ] Et est illa pars legis B 25 positoris ] positionis G conditoris B 26 gente ] gentem G 26 cui statuta est ] constituta G

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es so einrichten muß, daß keine Unterbrechung in der Folge der Herrscher auftritt. Es wird erklärt, welche Voraussetzungen und natürlichen Anlagen bei den Söhnen der Herrscher und bei anderen³³ festgestellt werden müssen, so daß dann aufgrund derselben jener, bei dem diese Voraussetzungen angetroffen werden, zur Herrschaft nach jenem auserwählt werde, der heute Herrscher ist. ³⁴ Es wird erläutert, wie der, bei dem diese natürlichen Anlagen angetroffen werden, erzogen werden soll und welchen Unterricht er erhalten soll, bis er schließlich zur Fähigkeit des Herrschens gelangt und ein vollkommener Herrscher wird. ³⁵ Es wird damit auch aufgezeigt, daß die, deren Herrschaft auf Unwissenheit beruht, überhaupt nicht Herrscher genannt werden sollten und daß diese bei keiner ihrer Vorkehrungen und Handlungen die Philosophie, weder die theoretische noch die praktische, benötigen. ³⁶ Jeder von diesen kann vielmehr in einer Stadt und bei einem Volk, das unter seiner Herrschaft steht, kraft einer durch Erfahrung erworbenen Fähigkeit zu seinem Ziel gelangen, die er durch eine beständige Verfolgung jener Art von Handlungen erlangt, durch die er sein Ziel erreicht und das von ihm ausgewählte Gut erlangt, wenn er nur über eine gute Erfindungsgabe und über gute Verfahren verfügt, um das herauszufinden, was er bei seinen Handlungen benötigt, durch die er das Gut erlangt, das er anstrebt, sei dies das Vergnügen, der Ruhm oder etwas anderes, besonders wenn er dazu noch gültigerweise in der Nachfolge desjenigen steht, der ihm in der Reihe jener Herrscher vorausging, die dasselbe Ziel wie er selbst verfolgten. Die Kunst des Rechts³⁷ ist jene, durch die jemand die richtige Maßnahme für alle jene Angelegenheiten herausfinden kann, die der Gesetzgeber³⁸ nicht ausdrücklich festgelegt hat. ³⁹ Die nähere Bestimmung desselben [d. h. des Rechts] geht also von jenen Angelegenheiten aus, bei denen eine Festlegung mit Bestimmtheit und genauem Maß getroffen worden ist.⁴⁰ Und es ist erforderlich, daß dabei genau nachgedacht wird, um dies gemäß der Absicht des Gesetzgebers der Religionsgemeinschaft⁴¹ zu rechtfertigen, die dieser bei dem Volk, für das sie eingerich-

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sunt sententie et actiones. Sententie ergo sunt sicut sententie que posite sunt de Deo, cuius sublimis est fama, et de eo quo ipse narratur, et de mundo et de aliis. Et actiones sunt sicut actiones P rb quibus magnificatur Deus, et actiones | quibus sunt ea que sunt statuta in civitatibus. Quapropter scientie legis sunt due partes, pars in sententiis, et pars in actionibus. Et ars elocutionis, est virtus qua homo potest defendere sententias et actiones determinatas quas secte positor propalavit, et reicere totum quod diversificatur eis cum sermonibus. Et hec iterum in duas dividitur partes, partem in sententiis et partem in actionibus, et est preter legem. Quoniam legista accipit sententias et actiones quas propalavit positor secte absolute, et ponit eas radices per quas invenit res consequentes ab eis. Et loquax defendit res quibus usus est pro radicibus legista, preter quod ipse inveniat ab eis res alias. Cum ergo contingit ut insit alicui homini potentia super utramque rem simul, tunc est legista, et loquax. Est ergo defensio eius in illis per hoc quod est loquax, I et inventio eius per eas per hoc quod est legista. B rb Modi vero et sententie quibus oportet tueri sectas, sunt isti. Nam quibusdam loquatium videtur ut defendant sectas, dicentes quod sectarum et totius quod est in eis de positionibus, non est via sua ut experiantur sententiis, et consideratione multa, et I

vel prolocutor.

4 sunt ] fiunt B

6 actionibus ] De scientia eloquationis add. B elocutionis B 8 positor ] declaravit vel add. B 9 diversificam c tur ] P versificatur P et del. P 10 iterum ] G B idem P 11 legem. Quoniam ] legem, quoniam G legem quoniam B 13 lo14 defendit ] deffendit P 20 loquax ] eloquens sic semper B m

quatium ] sunt isti add. P et del. P c

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tet worden ist, gegründet hat.⁴² In jeder Religionsgemeinschaft gibt es Lehren und Handlungen. Lehren sind z. B. die Aussagen, die über Gott aufgestellt werden, dessen Ruhm erhaben ist, oder über das, wodurch er beschrieben wird, oder über die Welt und ähnliche Dinge.⁴³ Handlungen sind z. B. jene, mit denen Gott⁴⁴ verherrlicht wird, sowie jene Handlungen, mit denen das ausgeführt wird, was in den Städten festgelegt ist.⁴⁵ Aus diesem Grund hat die Wissenschaft des Rechts zwei Teile: einen, der die Lehren, und einen, der die Handlungen behandelt.⁴⁶ Die [theologische] Redekunst⁴⁷ ist die Fähigkeit, aufgrund deren jemand die festgelegten Lehren und Handlungen, die der Gründer⁴⁸ der Religionsgemeinschaft aufgestellt hat, verteidigen und alles das, was ihnen entgegensteht, mit Reden zurückweisen kann.⁴⁹ Auch diese Kunst wird in zwei Teile unterteilt: in einen, der die Tätigkeiten, und einen, der die Handlungen behandelt. Und sie liegt außerhalb der Kunst des Rechts, insofern der Rechtsgelehrte ⁵⁰ die Lehren und Handlungen, die der Gründer der Religionsgemeinschaft aufgestellt hat, in absolutem Sinn auffaßt, und sie als Grundlagen ansetzt, von denen er die daraus folgenden Dinge ableitet. Der [theologische] Redner⁵¹ hingegen verteidigt die Dinge, die der Rechtsgelehrte als Grundlagen⁵² auffaßt, ohne daß er aus ihnen weitere Dinge ableitet. Wenn also der Fall eintritt, daß in ein und demselben Menschen die Beherrschung der beiden Gebiete zusammenfällt, dann ist er zugleich Rechtsgelehrter und [theologischer] Redner. Er wird dann die Verteidigung dieser Dinge betreiben, insofern er [theologischer] Redner ist, I und wird aus ihnen Ableitungen vornehmen, insofern er Rechtsgelehrter ist. Die Verfahrensweisen und Ansichten, mit denen eine Religion verteidigt werden soll, sind die folgenden. ⁵³ Einige [theologischen] Redner meinen, daß die Religionen verteidigt werden sollen, indem sie sagen, daß es für die Religionen und alles, was in ihnen festgelegt ist, keinen Weg gibt, sie mit Lehrmeinungen, I

Oder Kundgebender.

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rationibus humanis, quoniam sunt altioris ordinis eis, cum sint assumpte ab inspiratione divina, quoniam in eis sunt secreta divina a quorum comprehensione debilitantur rationes humane, neque consequuntur ea. Et iterum hominis via non est ut ipsum adipisci faciat prophetia, I nisi illud cuius proprietas est ne ipsum comprehendat ratione sua et a quo ipsius non pertransit. Et si non, tunc inspirationi non esset intentio neque lucrum cum homo non lucraretur nisi illud quod scit, et quod ei possibile est comprehendere sua ratione cum ipsum consideraverit. Et si esset ita dimittendi essent homines suis rationibus, et non esset eis necessitas prophetie neque inspirationis. Verum illud non est factum eis. Quapropter oportet ut sit illud quod adipsci facit II secte ex scientiis illud cuius comprehensio non est in potentia nostrarum rationum. Amplius non illud tantum, immo et quod nostre rationes negant etiam. Nam totum quod vehementer est negatum apud nos, est ultimum in hoc ut sit adeptum. Et illud est, quoniam illa que suscipiuntur in sectis que negant rationes, G ra et abhorrent mentes, non sunt ¦ in veritate neganda neque inconvenientia immo sunt vera in rationibus divinis. Nam licet homo consequatur finem perfectionis in humanitate, tamen ordo eius apud habentem rationes divinas, est ordo infantis et pueri apud hominem perfectum. Sicut enim plures infantium et puerorum I II

vel inspiratio. secte inspirate. [secte inspirate del. P m (?)]. scilicet inspiratio.

5 adipisci ] G B adhipisci sic saepe P 5 prophetia ] vel inspiratio add. B 6 ratio ] G B 9 comprehendere ] apprehendere B 13

ex scientiis ] ex sententiis G inspiratio B

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vielem Nachdenken und menschlichen Vernunftüberlegungen zu überprüfen, weil sie nämlich einer höheren Ordnung als diesen angehören, insofern sie aufgrund einer göttlichen Inspiration⁵⁴ angenommen werden und so in ihnen göttliche Geheimnisse ⁵⁵ enthalten sind, für deren Begreifen menschliche Vernunftüberlegungen zu schwach sind und zu denen sie nicht gelangen können. Und des weiteren: Es ist nicht der Weg des Menschen, daß die Prophetie I ⁵⁶ ihn etwas erfassen läßt, es sei denn etwas, dessen Kennzeichen es ist, daß er [d. h. der Mensch] es mit seiner Vernunft nicht begreift und er mit seiner Vernunft nicht bis dorthin vordringt. Wäre dies nicht so, dann hätte die Offenbarung keinen Sinn und brächte keinen Gewinn, weil sie nämlich dem Menschen nur das hinzubrächte, was er schon weiß und was er mit seiner Vernunft erfassen kann, wenn er es nur genau überlegt. Und wenn es sich so verhielte, könnten die Menschen bei ihrer Vernunft belassen werden und würden weder Prophetie ⁵⁷ noch auch Inspiration benötigen. Dies ist aber in Wirklichkeit nicht ihre Lage. Deshalb muß das, was an Einsichten⁵⁸ sie II [d. h. die Prophetie] in der Religion zu erkennen gibt, etwas sein, dessen Begreifen nicht in der Macht unserer Vernunft liegt; aber es ist darüber hinaus nicht nur dies allein, sondern ist sogar etwas, das unserer Vernunft widerspricht. Denn alles, was von uns mit aller Macht bestritten wird, ist das dafür in höchstem Maß Angemessene. ⁵⁹ Und dies ist so, weil in Wirklichkeit das, was die Religionen annehmen, was aber der Vernunft widerspricht und was der Verstand zurückweist, nichts Abzulehnendes und Unangemessenes ist, sondern nach göttlichen Vernunftgründen wahr ist. Denn auch wenn ein Mensch im menschlichen Bereich die Grenze der Vollkommenheit erreicht hätte, hat er doch im Verhältnis zu dem, der über göttliche Vernunftgründe verfügt, eine Stellung wie die eines Kindes und eines Knaben im Vergleich zu einem erwachsenen Mann. So wie nämlich viele Kinder und I II

Oder die Inspiration einer inspirierten Religion. Nämlich die Inspiration.

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Capitulum V

negant suis rationibus res plures de illis que in veritate non sunt negande neque impossibiles, et videtur istis quod sint impossiP va biles, similiter est ille | qui est in fi ne perfectionis rationis humane, apud habentem rationes divinas. Et sicut homo antequam erudiatur et exerceatur negat res plures et abhorret eas, et imaginatur ipsi in eis quod sunt impossibiles, et quando eruditur in scientiis et exercetur 〈 in〉 experimentis, removentur ab eo ille vie in eis, et convertuntur que erant apud eum impossibiles, et fiunt ipse necessarie, et fit apud eum illud de quo mirabatur prius in ordine quod miratur de eius contrario, similiter non prohibetur homo perfecte humanitatis quin neget res et imaginetur ei quod sunt impossibiles preter quod in veritate sint ita. Ergo propter res istas visum est istis ut ponant verificationem sectarum, quod ille qui advenit nobis per inspirationem ex Deo, sit verax, et non licet ut iam sit mendax. Et verificatur quod est ita ex uno duorum modorum aut per miracula que ipse facit aut apparent super manus eius, aut per testimonia eorum, qui precesserunt ante ipsum ex veridicis quorum suscepti sunt sermones super veritatem huius, et ordinis ex Deo glorioso et sublimi, aut per utrosque simul. Cum ergo verificaverimus veritatem eius hoc modo, et quod non est possibile ut sit mentitus, tunc non oportebit ut remaneat post illud in rebus quas dicit impossibile rationibus neque perscrutatio neque previsio neque consideratio. Per ista ergo et eis similia visum est istis ut defendant sectas.

4 habentem ] G B habentes P 4 rationes divinas ] rationem di5 f. imaginatur ipsi in eis ] videtur ei B 7 in ] G B vinam B 11 imaginetur ] videantur B 16 super ] inter B

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Knaben mit ihren Überlegungen viele Dinge bestreiten, die in Wirklichkeit nicht bestritten werden können und die auch nicht unmöglich sind, während es ihnen so vorkommt, als seien sie unmöglich, so ist die Lage desjenigen, der an die Grenze der Vollkommenheit der menschlichen Vernunft gelangt ist, ganz ähnlich im Vergleich zu jenem, der über göttliche Vernunftgründe ⁶⁰ verfügt. Und so wie ein Mensch, bevor er unterrichtet und ausgebildet wird, viele Dinge bestreitet, sie ablehnt und meint, sie seien unmöglich, so gibt er dann, wenn er in den Wissenschaften unterrichtet und durch Erfahrung belehrt wird, solche Meinungen auf, und das, was er für unmöglich hielt, verwandelt sich und wird zu etwas Notwendigem, ⁶¹ und es ergibt sich für ihn, daß er jetzt das Entgegengesetzte von dem nicht begreifen kann, was er zu einem früheren Zeitpunkt nicht begreifen konnte. In ganz ähnlicher Weise hindert nichts, daß ein im menschlichen Bereich vollkommener Mensch Dinge abstreitet und sie für unmöglich hält, obwohl sie es in Wirklichkeit nicht sind. Aufgrund von all dem meinen diese [theologischen] Redner, daß sie einen Beweis der Wahrheit der Religionen dafür erbringen, daß der, der zu uns aufgrund einer göttlichen Inspiration gekommen ist, ⁶² zuverlässig bezüglich der Wahrheit ist, und es nicht möglich ist, daß er gelogen hat. Daß es sich in Wahrheit so verhält, wird auf zwei Weisen bewiesen: Entweder durch die Wunder, ⁶³ die er wirkt oder die unter seinen Händen sichtbar werden, oder durch die Zeugnisse jener, die ihm vorausgegangen sind, ⁶⁴ unter deren zuverlässigen Berichten Aussagen über seine Glaubwürdigkeit und über seine Stellung gegenüber dem glorreichen und erhabenen Gott überliefert sind, oder auf die beiden Weisen zugleich. Wenn wir also seine Glaubwürdigkeit auf diese Weise bewiesen haben und ebenso, daß es nicht möglich ist, daß er gelogen hat, dann darf es danach in Hinsicht auf die Dinge, die er sagt, für den Verstand nichts mehr geben, was er für unmöglich hält, so daß keine weitere Überprüfung, Vorsichtsmaßnahme oder Überlegung mehr übrig bleibt.⁶⁵ Mit diesen oder ähnlichen Gründen meinen also jene, daß sie die Religionen verteidigen sollen.

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Et quibusdam aliis videtur ut defendant sectas ita ut referant imprimis omnia que propalavit positor secte etiam per dictiones quibus interpretatus est de eis, deinde distinguendo sequuntur sensata, et famosa, I et rationata, et per ea que inveniunt ex eis aut B va ex comitantibus ab eis quamvis elongetur testimonium alicuius ex eis que sunt in secta, defendunt illam rem. Et que inveniunt ex eis contraria alicui ex eis que sunt in secta, et possibile est eis exponere dictiones quibus interpretatus est de ea positor secte secundum modum convenientem illi contrarietati licet expositione longinqua, exponunt super eam. Et si non est eis possibile illud, et est eis possibile respuere illud contrarium, aut afferrant illud secundum modum convenientem ei quod est in secta, faciunt illud. Quod si contraria sunt famosa et sensata in testimoniis, sicut si sensata aut comitantia ab eis faciunt necessarium esse aliquid, et famosa aut comitantia ab eis faciunt necessarium esse contrarium illius, considerant ad illud quod est fortioris testimonii ei quod est in secta, et accipiunt illud et respiciunt aliud, et reiciunt. Si vero non possunt afferre dictionem secte secundum quod convenit uni istorum, neque afferre aliquid istorum secundum quod P vb convenit secte, et non est eis possibile ut respu|ant neque ut reI

idest probabilia.

1 referant ] G B refferant P

4 inveniunt ] inveniuntur B 5 co11 aut ] et ut P [error translationis mitantibus ] B commitantibus P (!) ] et G 11 afferrant ] afferant P afferrunt G auferunt B 14 ab eis ] ea B 16 ad ] om. B 17 respiciunt ] del. et respuunt add. B

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Andere wiederum meinen, die Religionen vor allem dadurch verteidigen zu sollen, daß sie alles, was der Gründer der Religion aufgestellt hat, mit genau jenen Worten wiedergeben, mit denen jener sie ausgedrückt hat. Dann folgen mit Hilfe von Unterscheidungen die Dinge, die aufgrund des Zeugnisses der Sinne feststehen, ebenso jene, die allgemein anerkannt sind I sowie die Vernunftgehalte, und wenn etwas von dem, was aus diesen oder aus den sie begleitenden Dingen abgeleitet wird, als ein auch nur entferntes Zeugnis für etwas befunden wird, das in der Religion Geltung hat, dann verteidigen sie damit diese Sache. Wenn sie aber etwas vorfinden, das etwas, das in der Religion Geltung hat, entgegengesetzt ist, es ihnen aber möglich ist, die Ausdrücke, mit denen der Gründer der Religion dies dargelegt hat, auf eine Weise auszulegen, so daß dieser Gegensatz ausgeglichen wird, so legen sie diese so aus, selbst wenn es eine ziemlich weit hergeholte Auslegung ⁶⁶ sein sollte. Wenn sie dies aber nicht durchführen können, es aber möglich ist, jene gegenteilige Auffassung zurückzuweisen oder ⁶⁷ sie auf eine Weise aufzufassen, so daß sie mit dem, was in der Religion Geltung hat, übereinstimmt, so tun sie das. Wenn allgemein anerkannte Meinungen und aufgrund der Zeugnisse der Sinne geltende Auffassungen einander widersprechen, so wenn z. B. die Sinneswahrnehmungen oder das daraus Abgeleitete bewirken, daß etwas mit Notwendigkeit angenommen wird, die allgemein anerkannten Meinungen sowie das daraus Abgeleitete aber ergeben, daß das Gegenteil von ersterem mit Notwendigkeit angenommen wird, dann ziehen sie das in Betracht, was ein stärkeres Zeugnis für das liefert, was in der Religion Geltung hat, und nehmen dies an, während sie das andere verwerfen und ablehnen. Wenn es ihnen aber nicht gelingt, eine Aussage der Religion so auszulegen, daß sie sich in Übereinstimmung mit einer dieser Auffassungen bringen läßt, und wenn es ebensowenig gelingt, eine jener Auffassungen so auszulegen, daß sie jener der Religion entspricht, und wenn es I

D. h. die wahrscheinlichen.

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iciant aliquid ex sensatis neque famosis neque rationatis que contraria sunt testimoniis eorum, videtur eis tunc ut defendant illam rem ita ut dicant quod est verum, quoniam interpretatus est illud ille quem non fuit possibile mentiri neque errare. Et dicunt isti in hac parte secte, quod dicunt illi primi in omnibus suis. Per hunc ergo modum videtur istis, ut defendant sectas. G rb Et quibusdam ¦ istorum videtur ut defendant huiusmodi res, scilicet que immaginantur in eis quod sunt horribiles, ita ut investigando sequantur reliquas sectas, et colligant res horribiles que sunt in eis. Cum ergo voluerit aliquis illorum qui sunt de illis sectis destruere aliquid de illis que sunt in secta istorum, opponunt I isti per illud quod est in secta illorum de rebus horribilibus et expellunt ipsum per illud a secta sua. Et alii eorum propterea quod vident quod in sermonibus quibus fit defensio huiusmodi rerum non est sufficientia ad hoc ut per eos verificentur ille res verificatione perfecta ita ut sit silentium adversarii eorum ab eis per verificationem eorum apud illum, neque deficit resistere eis in ipsis per sermonem, indigent tunc ut utantur cum eis, rebus que refrenant illum ad hoc ut sileat a resistentia eorum aut verecundando, aut stupendo, aut timendo ex malo quod veniet ei. Et aliis propterea quod eorum secta est vera apud illos neque ambigitur in eius veritate, videtur ut deI

vel obviant.

4 ille ] esse G 4 quem ] quod G B 12 isti ] sibi G illis B 18 deficit ] cessat B 21 Et aliis propterea ] et aliis. propterea G B

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ihnen auch nicht möglich ist, etwas von den Sinneswahrnehmungen, dem allgemein Anerkannten oder den Vernunftgehalten, das den Zeugnissen der Religion widerspricht, zu verwerfen und abzulehnen, dann meinen sie, daß sie diese Sache auf die Weise verteidigen müssen, daß sie sagen, daß sie wahr ist, da sie von dem ausgesprochen wurde, der nicht lügen und nicht irren kann.⁶⁸ Diese sagen also hinsichtlich dieses Teils der Auffassungen der Religion das, was jene ersteren bezüglich allem gesagt haben. Auf diese Weise also meinen sie, daß sie die Religionen verteidigen sollen. Einige derselben ⁶⁹ meinen, daß sie solche Dinge, also jene, die [in ihrer Religion] als verabscheuungswürdig erscheinen, so verteidigen sollen, daß sie die übrigen Religionen erforschen und die verabscheuungswürdigen Dinge zusammentragen, die bei diesen vorgefunden werden. Wenn also einer dieser [theologischen Redner] irgend etwas von dem, was in jener [entgegengesetzten Religion] Geltung hat, widerlegen will, dann hält er ihm eines der verabscheuungswürdigen Dinge entgegen, I die es in dessen Religion gibt, und vertreibt ihn dadurch von seiner Religion [d. h. jener der theologischen Redner]. Andere, wenn sie sehen, daß die Reden, mit denen sie Dinge dieser Art zu verteidigen suchen, nicht ausreichen, um mit ihnen die Wahrheit solcher Dinge vollständig nachzuweisen, so daß ihr Gegner aufgrund des Nachweises der Wahrheit derselben zum Schweigen gebracht wird, dieser aber nicht davon abläßt, ihnen mit seinen Reden Widerstand zu leisten, sehen sich schließlich gezwungen, Dinge einzusetzen, die ihm Einhalt gebieten, so daß er seinen Widerstand aufgibt, entweder aus Verlegenheit oder aus Verblüff ung oder aus Furcht vor irgendeinem Übel, das ihm zustoßen könnte. Andere meinen, da sie ihre eigene Religion für wahr halten und sie keinen Zweifel hinsichtlich ihrer Wahrheit haben, daß sie diese gegenüber anderen dadurch verteidigen sollen, daß sie I

Oder tritt ihm entgegen.

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Capitulum V

fendant eam apud alios, et faciant eam bonam, et auferant horribilia ex ea et reiciant adversarios suos ab ea cum quacumque re contingit, et non curant si utantur mendacio, et faciente errare et deceptione et tumultuatione, quoniam ipsi vident quod ille qui contrarius est secte ipsorum, est unus duorum hominum, aut inimicus et licet ut amministretur mendacium et quod errare facit in reiciendo et in ipsum vincendo, sicut fit in eventibus ad pugnam et in pugna, aut non est inimicus, sed ignorat quid pertineat sibi ipsi ex hac secta per debilitatem sue rationis et sue discretionis, et licet ut deducatur homo ad illud quod pertinet sibi ipsi cum mendacio et eo quod errare facit, sicut fit mulieribus et infantibus. Completus est liber.

6 f. licet … vincendo ] tunc licitum est ita contra eum mendacio et de7 in reiciendo ] G ex indeiceptione ut resistatur ei aut vincatur B c ciendo P 13 Completus est liber ] alfrabii vel albunazir de sen-

tenciis. add. G explicit B

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sie als gute loben und dabei das weglassen, was in ihr als verabscheuungswürdig erscheint, und daß sie ihre Feinde mit jedem Mittel bekämpfen sollen, das ihnen unterkommt, ohne sich darum Sorgen zu machen, Lüge anzuwenden, sie [d. h. ihre Feinde] zum Irrtum zu verleiten, und Täuschung und Verwirrung zu gebrauchen, da ihrer Meinung nach einer, der sich ihnen oder ihrer Religion entgegenstellt, zu einer von zwei Menschenarten gehört: Entweder ist er ein Feind, und dann ist es erlaubt, Lüge einzusetzen und ihn zum Irrtum zu verleiten, um ihn zu bekämpfen und zu besiegen, so wie es in kriegerischen Auseinandersetzungen und im Kampf geschieht,⁷⁰ oder er ist kein Feind, weiß aber wegen der Schwäche seines Verstandes und seiner Urteilskraft nichts von dem, was er durch jene Religion für sich erlangen würde, und dann ist es erlaubt, diesem Menschen das zu verschaffen, was er erlangen soll, auch wenn es durch Lüge und Verführung zu Irrtum geschieht, so wie man es mit den Frauen und den Kindern macht. Das Buch ist beendet.

A N M ER K U NGEN DE S H ER AUS GE BER S

Einleitung

¹ In der Grazer Handschrift wurde von einer späteren Hand am Rande des ersten Blattes das Explicit als Titel eingetragen. »Albunazir« ist die latinisierte Form von »Abū Nasr«, einem Teil des vollständigen Namens al-Fārābīs. In anderen mittelalterlichen Texten findet sich auch die Form »Abunazar«. Der einleitende Abschnitt findet sich in einer dt. Übersetzung aus dem Arabischen in Rosenthal, , S.  f. ² Gerhard von Cremona gibt hier mašhur, arab. Text, S. , durch famosus wieder, was im Sinne von »berühmt« durchaus dem umgangssprachlichen Sinn entspricht. Allerdings ist mašhur bei alFārābī auch der Fachbegriff für griech. éndoxos im Sinne von »allgemein bekannt /anerkannt« entsprechend der aristotelischen Erkenntnislehre, in der damit allgemein be- bzw. anerkannte Meinungen bezeichnet werden. Der Autor der Marginalanmerkungen erläutert in Kap. V in der vorletzten Anmerkung famosa durch probabilia , was auch eine durchaus mögliche, wenn auch etwas spezifischere Interpretation in aristotelischem Kontext darstellt. Im vorliegenden Kontext handelt es sich aber um famosus im Sinn von éndoxos. Das Ziel al-Fārābīs ist es also, die zu seiner Zeit allgemein anerkannten Wissenschaften in einem kurzen Überblick zu beschreiben. ³ Der Autor der Marginalanmerkungen faßt »Teil« sehr eng auf. Faktisch zählt ja al-Fārābī sowohl in Kap. III über die Mathematik wie auch in Kap. II über die Logik Teile (partes) auf. Möglicherweise will P m folgendes sagen: Es gibt Wissenschaften, die unter sich selbständige Teile enthalten, die wissenschaftstheoretisch von anderen unabhängig sind und die für sich allein erlernbar sind. So kann jemand z. B. die Arithmetik verstehen und erlernen, ohne etwas von Musik zu verstehen (das Umgekehrte gilt allerdings nicht, da in der Theorie der Musik die Mathematik vorausgesetzt wird,

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Anmerkungen des Herausgebers

vgl. den Abschnitt über Musik in Kap. III ). Andere Wissenschaften hingegen bilden eine solche systematische Einheit, daß eine Abtrennung einzelner Teile unmöglich ist. Im Falle der Logik z. B. gilt, daß jemand, der nur die Kategorien des Aristoteles studiert hat, nicht aber die beiden Analytiken und die weiteren Teile des Organon, noch nicht das beherrscht, was unter »Logik« gefaßt wird. ⁴ Vgl. dazu auch das Stichwort Ýilm im arab.-lat. Glossar. ⁵ Auch wenn al-Fārābī hier, arab. Text, S. , die Logik als »Wissenschaft« (Ýilm) bezeichnet, bedeutet dies nicht, daß er sie als Wissenschaft im Sinne der Stoiker auffaßt, bei denen diese als erste Wissenschaft neben die Physik und die Ethik tritt. Al-Fārābī hält an der aristotelischen Auffassung fest, daß die Logik nicht eine Wissenschaft, sondern ein Instrument (ala) der Wissenschaften ist. Vgl. al-Fārābī: Risālah, S. ; arab. Text, S. . Die Bezeichnung der Logik als »Instrument« ist also entscheidend, wogegen die Bezeichnung der Logik als »Kunst« (sinaÝa) weniger wichtig ist. Es ist auch zu beachten, daß al-Fārābī häufig, so auch in De scientiis, keine strenge Unterscheidung von »Wissenschaft« (Ýilm) und »Kunst« (sinaÝa) vornimmt, obwohl er sie durchaus kennt. Ohne daß dies ausdrücklich thematisiert würde, liegt bei alFārābī in De scientiis eine systematische Trennung von Kap. I – II und III – V vor. Grammatik und Logik als eine Gruppe formaler Disziplinen wird den übrigen Wissenschaften voran- und gegenübergestellt. Diese beiden formalen Disziplinen sind Instrumente aller anderen Wissenschaften. Die Trennung dieser beiden Bereiche geht auch aus Risālah, S.  f., hervor, wo al-Fārābī vier Teile der Philosophie aufzählt: Mathematik, Physik, Theologie und Politik, also die Gegenstände, die in De scientiis in den Kapiteln III – V behandelt werden. Diese Disziplinen sind nach Risālah, S. , dadurch gekennzeichnet, daß sie mit Beweisen arbeiten, die der . Analytik des Aristoteles, also dem nach al-Fārābī zentralen Buch der Logik, entsprechen. Zu den speziellen Problemen, die sich durch die Einbeziehung der beiden islamischen Wissenschaften des Rechts (fiqh) und der Theologie (kalam) in Kap. V von De scientiis ergeben, vgl. Einleitung .. ⁶ Ich übersetze dialetica mit »Logik«. Gerhard von Cremona verwendet fast durchgehend dialetica , kennt aber auch den Ausdruck

Einleitung

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loica , den er allerdings nur an einer einzigen Stelle in Kap. II am Ende der Darstellung der Methode der Poetik gebraucht. P und G stimmen in der Verwendung von dialetica (in G dyaletica) und dem nur einmal verwendeten loica (in G logica) überein. In B findet sich logica sowohl hier in der einleitenden Übersicht als auch in der Überschrift von Kap. II . In der Übersetzung des Gundissalinus: De scientiis, findet sich durchgängig logica . Im . Jhd. wurden dialectica und logica nebeneinander gebraucht. Hingegen war im arab. Bereich die auch hier, arab. Text, S. , von al-Fārābī verwendete Bezeichnung mantiq im . Jhd. bereits seit mehr als einem Jhd. standardisiert. ⁷ Die Überschrift des Kapitels lautet im arab. Text, S. , Ýilm attaÝalim, und taÝalim bedeutet »Unterweisung / Lehre« in einem ganz allgemeinen Sinn. Im arab. Bereich wurde Ýilm at-taÝalim aber als Fachbegriff für »Einleitungswissenschaft« oder »Propädeutische Wissenschaft« verwendet, mit dem dann faktisch, obwohl dies im Wortsinn selbst nicht enthalten ist, im Sinne der platonisch /neuplatonischen Wissenschaftseinteilung die mathematischen Wissenschaften als Einleitung zu den »eigentlich« philosophisch /wissenschaftlichen Disziplinen bezeichnet wurden. Die mittelalterlichen Leser haben vermutlich den Sinn der Überschrift sofort richtig verstanden und auf die mathematischen Wissenschaften bezogen. Auch der Autor der Marginalien setzt in seiner ersten Anmerkung sofort mathematica anstelle von scientia doctrinalis. Der Ausdruck doctrina für mathematica war im . Jhd. geläufig. Vgl. z. B. Hugo von St. Viktor: Didascalicon II , , S. : Mathematica autem doc trinalis scientia dicitur. Hugo von St. Viktor (um  – ) war zunächst im . Jhd. der für die Wissenschaftseinteilung wichtigste Autor, der dann allerdings durch Gundissalinus und dessen an al-Fārābī orientierter Wissenschaftssystematik zurückgedrängt wurde. Vgl. Einleitung .. ⁸ Im arab. Text, S. , steht Ýilm al-madani, was also eigentlich »Wissenschaft vom Städtischen« bedeutet. Der von Gerhard von Cremona dafür gebrauchte Ausdruck scientia civilis entspricht dem also ziemlich genau. Palencia , S. , übersetzt den arab. Ausdruck mit política , Rosenthal , S. , mit »Politik«, ähnlich Endreß , S. , mit »politische Wissenschaft« und Butterworth ,

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Anmerkungen des Herausgebers

S. , mit Political Science. Ich folge mit der Übersetzung »Staatswissenschaft« F. Dieterici mit dessen Übersetzung des Buchtitels Al-Madīna al-fādila mit Der Musterstaat. Im arab. Buchtitel ist das aus der gleichen Wurzel abgeleitete madina , also eigentlich »Stadt« (lat. civitas), enthalten. ⁹ Scientia iudicii ist hier so zu verstehen wie scientia legis, wie es dann auch in der Überschrift von Kap. V heißt. Im arab. Text steht in beiden Fällen, S.  und , Ýilm al-fiqh, also der Fachbegriff für die islamische Rechtswissenschaft (zu fiqh vgl. Kap. V , Anm.  f. und ). Die verschiedenen lat. Ausdrücke zeigen auch, wie wenig konsistent Gerhard von Cremona in seiner Übersetzung ist. ¹⁰ Im arab. Text, S. , steht für scientia elocutionis der Ausdruck Ýilm al-kalam. Im kalam (vgl. dazu Kap. V, Anm. ) wird zwar auch mit der Methode der Beredsamkeit gearbeitet, der kalam selbst kann aber nicht als »Wissenschaft von der Beredsamkeit« bezeichnet werden. Die Wissenschaft der Beredsamkeit ist im Rahmen der aristotelischen Wissenschaftseinteilung die Rhetorik, die bei al-Fārābī dann in Kap. II , also entsprechend der spätantiken und der arab. Auffassung der zur Logik gehörenden Schriften im Rahmen der Logik behandelt wird. Vgl. dazu Kap. II , Anm. . ¹¹ Super quam sit audax ist keine gute Übersetzung, besser übersetzt Gundissalinus: De scientiis, S. : quam earum potius eligat . ¹² Die natürliche Anlage zur Erkenntnis genügt nicht, der Mensch muß die verschiedenen Methoden der Erkenntnis erst einmal durchschauen und sie genau unterscheiden: So soll Dir klar sein, daß wir, bevor wir uns daranmachen, Probleme zu erforschen, begreifen müssen, daß alle diese Methoden als eine Kunst erlernt werden müssen: Wir müssen wissen, wie wir mit Hilfe von spezifischen Unterschieden und Merkmalen, die jede von ihnen kennzeichnen, die verschiedenen Methoden unterscheiden, und unsere angeborene Anlage und unsere natürliche Befähigung für Wissenschaft muß durch eine Kunst entwickelt werden, die uns mit der Kenntnis dieser Unterschiede versehen kann, da unsere angeborene Fähigkeit allein unzureichend ist, um diese Methoden voneinander zu unterscheiden. (Al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. ; Übers. v. F. S.)

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Erstes Kapitel

¹ Im arab. Text, S. , lautet die Überschrift Ýilm al-lisan. Der Begriff lisan bedeutet »Sprache« in einem ganz allgemeinen, auch nicht-fachtechnischen Sinn. ² Gemeint ist die lexikalische Zusammenstellung der Wörter und ihrer Bedeutung. Wie aus der zweiten Marginalanmerkung hervorgeht, ist mit conservare /servare aber auch die mnemotechnische Funktion dieses Teils der Sprachlehre gemeint. Der Hinweis auf diese Funktion ist auch in dem im arab. Text, S. , gebrauchten Ausdruck hifz mitenthalten, der ganz allgemein »Bewahrung / Erhaltung« bedeutet, dann aber auch im spezifischen Sinn »Memorieren«. Hifz ist ein Fachbegriff, der in den Zusammenhang der Wissenschaft des richtigen Lesens gehört. Vgl. dazu weiter unten Anm. . Zur kulturgeschichtlichen Bedeutung der Bewahrung des »reinen« Arabisch vgl. auch weiter unten Anm. . ³ Im arab. Text, S. , steht lafz (Pl. alfaz) für dictio und dall für significans. Mit lafz wurde ganz allgemein der Gegenstand der Grammatik bezeichnet. Bei al-Fārābī liegt aber noch eine weitere Beziehung vor. Der Ausdruck lafz wurde auch im Zusammenhang der Wiedergabe des Ausdrucks phonè semantikè verwendet, den Aristoteles in De interpretatione  a  gebraucht, entspricht diesem aber nur mit Einschränkungen. Die genaueste Übersetzung des griech. Ausdrucks findet sich in der Ausgabe von De interpretatione von Weidemann, S. : »eine etwas bedeutende stimmliche Äußerung«. Der entsprechende arab. Ausdruck für »stimmliche Äußerung« (phonè) ist sawt (»Laut / Geräusch / Stimme«), was auch in der ursprünglichen arab. Übersetzung gestanden hatte, in dem al-Fārābī vorliegenden, revidierten Text aber bereits durch den engeren Begriff lafz (»Wort /Äußerung«) ersetzt worden war. Vgl. Zimmermann , S. , Anm. , und S. , Anm. . Daß al-Fārābī schon der Text mit lafz vorlag, geht aus seinem Kommentar zu De interpretatione, Kitāb al-ÝIbāra, S. , hervor. Das arab. dall kann wie das lat. significans sowohl durch »bedeutend / bedeutungsvoll« als auch durch »bezeichnend« wiedergegeben werden. Da u. a. auch die Präpositionen, von denen man nicht sagen kann, daß sie etwas bezeichnen, zu diesen Ausdrücken gezählt werden, legt sich die Überset-

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Anmerkungen des Herausgebers

zung mit »bedeutungsvoll« nahe (»bedeutend« wäre in manchen Kontexten mißverständlich). Al-Fārābī spricht auch den Präpositionen eine Bedeutung zu, vgl. dazu weiter unten Anm. . Eine aus der antiken Einleitungsliteratur stammende schematische Einteilung von alfaz findet sich in al-Fārābī: Canons of the Poetry, S. : sinnlose – sinnvolle, einfache – zusammengesetzte, keine Sätze – Sätze, nicht assertorische – assertorische, wahre – falsche. Diese Einteilung ist in der Art des Porphyrianischen Baums zu lesen. Vgl. Heinrichs , S. . ⁴ Im arab. Text steht für canon wie auch für regula immer qanun (Pl. qawanin), das im Arabischen ein griech. Fremdwort ist. Gerhard von Cremona scheint canon und regula ohne Unterscheidung zu gebrauchen. Gundissalinus verwendet in De scientiis ausschließlich regula . Es legt sich daher nahe, in der dt. Übersetzung beide lat. Ausdrücke mit »Regel« zu übersetzen. Im Lateinischen bedeutet regula auch »Richtschnur« in einem sehr allgemeinen Sinn, so daß also auch z. B. die weiter unten im Text genannten Tabellen darunter fallen. ⁵ Zu der auffallenden Tatsache, daß al-Fārābī die Medizin wie auch die Landwirtschaft und die Architektur nicht zu den Wissenschaften zählt, vgl. Einleitung .. ⁶ Für instrumentum steht im arab. Text, S. , ala , also jener Ausdruck, den al-Fārābī auch zur Kennzeichnung der Logik gebraucht. Vgl. die Anm.  zu al-Fārābīs einleitender Übersicht. ⁷ Gerhard von Cremona setzt für Beispiele von Eigennamen immer die im lat. Bereich üblichen ein, al-Fārābī verwendet die im arab. Bereich üblichen wie Zayd und ÝAmir, vgl. arab. Text, S. . ⁸ Von »Arten und Gattungen« der einfachen bedeutungsvollen Ausdrücke zu sprechen ist eher ungebräuchlich, da die Begriffe genus und species in den Kontext der Nomina gehören. Im Paralleltext al-Fārābī: Introductory Sections, S. , wird auch nur ganz allgemein von drei Gruppen von bedeutungsvollen Ausdrücken gesprochen. ⁹ Die Übersetzung Gerhards von Cremona von adah (Pl. adawat), arab. Text, S. , durch prepositiones ist nicht korrekt. In der Umgangssprache bedeutet adah »Werkzeug / Instrument«, als Fachbegriff der Grammatik »Partikel«. Die Präpositionen decken nicht die gesamte Gruppe der Ausdrücke ab, auf die al-Fārābī hier offensicht-

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lich abzielt. Der Bearbeiter der Handschrift B hat, ohne Rückgriff auf den arab. Text, von der Sache her die erforderliche Korrektur durchgeführt und hat statt prepositiones den Ausdruck syncathegoremata gesetzt. Vgl. auch die Nota ex logica Alpharabii, S. , wo in genau demselben Kontext syncategoreumatae steht. Al-Fārābī definiert solche »Instrumente« ähnlich wie die griech.-lat. Tradition synkategorematische Begriffe definiert: Das Instrument ist ein einfacher Ausdruck, der eine Bedeutung bezeichnet, die nicht für sich allein und aufgrund ihres Wesens verstanden werden kann, sondern nur, wenn sie zu einem Namen oder einem Verb oder zu beiden zusammen hinzugefügt wird, wie z. B. »von«, »auf« und ähnliches. (Al-Fārābī: Introductory Sections on Logic, S. ; Übers. v. F. S.)

Zu diesen Instrumenten zählen nicht nur Präpositionen, sondern auch z. B. Ausdrücke, die eine Frage oder eine Verneinung kennzeichnen: Das besondere Kennzeichen des Instruments ist es, daß es weder Prädikat noch Subjekt einer Prädikation ist, so wenn wir z. B. sagen »ist es?« (hal), »nicht« und »von«. (Ebd., S. ; Übers. v. F. S.)

Zu »ist es?« als synkategorematischem Ausdruck ist folgendes zu berücksichtigen: Im Arabischen gibt es neben »warum?«, »wozu?« usw. auch ganz allgemeine Fragepartikel wie z. B. das aufgeführte hal, das nur durch »ist es?« wiedergegeben werden kann, aber eben genau nicht als Verbalausdruck verstanden werden darf, sondern einfach als der Partikel-Ausdruck »?« am Beginn eines Satzes aufgefaßt werden muß. Eine ausführliche Behandlung der Partikel findet sich bei alFārābī in seinem Traktat Kitāb al-alfāz al-mustaÝmala f ī-l-mantiq, S.  –  (franz. Übersetzung in Elamrani-Jamal , S.  – ). Für eine genaue Analyse der Partikel bei al-Fārābī vgl. Gätje , S.  – . Al-Fārābī sagt von den Partikeln, daß sie eine Bedeutung (maÝna , lat. significatio ) haben. Vgl. die franz. Übersetzung bei Elamrani-Jamal , S. . Diese Auffassung entspricht nicht der des Aristoteles, sondern der der Stoiker, die aber auch von spätantiken Aristotelikern (abgeschwächt) übernommen worden war,

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Anmerkungen des Herausgebers

was dann auch Auswirkungen auf die Logik der Araber hatte. Vgl. Gätje , S.  f. Zur Auffassung der Stoiker vgl. Schmidt , S. . Es ist also zu beachten, daß die Partikel bei al-Fārābī nicht nur eine con-significatio (vgl. syn-cathegoremata), sondern auch eine significatio haben. ¹⁰ Im Arabischen gibt es eigene Formen für den Dual. ¹¹ Die arab. Grammatiker führten jedenfalls seit Sībawaih (gest. ) bei der Aufzählung der drei Zeiten aus morphologischen Gründen das Perfekt als erstes an, da dieses ohne Präfix gebildet wird, während die beiden anderen Zeiten durch Präfixe gekennzeichnet sind. Vgl. Gätje , S. . ¹² Daß die Sprachwissenschaft bei allen Völkern in sieben Teile eingeteilt wird, trifft natürlich nicht zu. Höchstens kann man sagen, daß die von al-Fārābī aufgezählten Gebiete in den Sprachwissenschaften verschiedener Völker – wenn auch mit verschiedenen Einteilungen – behandelt werden. Die ersten vier Teile, die al-Fārābī aufzählt, wurden bei den arab. Grammatikern unter die beiden großen Bereiche der Morphologie, d. h. der Veränderung von Worten mit Ausschluß der Deklinationen (tasrif), und der Deklinationen / Konjugationen und der damit verbundenen Syntax (nahw) gefaßt. Zu tasrif vgl. EI X ,  b. Zu nahw vgl. weiter unten Anm. . Die übrigen Teile, also das, was in unserem heutigen Gebrauch eher zur Literaturwissenschaft gezählt wird, konnten in verschiedener Weise eingeteilt werden. Zu den Teilen der Verslehre, Metrik und Reimlehre vgl. weiter unten Anm. . Der bekannte Historiker Ibn Ialdūn ( – ) gibt eine vermutlich weitverbreitete Einteilung wieder, wenn er vier Teile der Sprachwissenschaft aufzählt: Lexikographie, Grammatik, Syntax, Stil und Literaturkritik. Vgl. Ibn Ialdūn: The Muqaddima, III , S. . ¹³ Im arab. Text, S. , steht tashih, was »Berichtigung / Korrektur« bedeutet. Der von Gerhard von Cremona verwendete Begriff verificatio ist also ganz wörtlich im Sinn von »etwas verum facere« zu verstehen. ¹⁴ Seit den Eroberungen im . und . Jhd. hatte das Arabische zahlreiche Landessprachen zurückgedrängt bzw. ganz verdrängt, umgekehrt waren aber viele Ausdrücke aus anderen Sprachen in das Arabische übernommen worden. Die Gefahr der »Überfremdung«

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rief schon im . Jhd. bei arab. Sprachwissenschaftlern eine Gegenbewegung hervor, in der ein »reines« Arabisch fixiert werden sollte, was zur Ausbildung des Klassischen Arabisch, der ÝArabiyya , führte. Vgl. EI I, S.  a –  a (Early Middle Arabic), und LdM I, Sp.  f. ¹⁵ Dies ist die traditionelle Modell-Methode der arab. Grammatiker, bei der Behandlung grammatischer Regeln nicht beliebige Sätze, sondern solche bekannter Dichter oder Schriftsteller heranzuziehen. Vgl. Heinrichs , S.  f. (dort gutes al-Fārābī-Zitat), und Kemal , S. . Al-Fārābī stützt diese Praxis jedoch auch durch einen Hinweis auf Aristoteles: Aristoteles sagt in dem Buch über die Tiere [De partibus animalium  a  f.]: »Wer etwas über die Unterschiede der Buchstaben (griech. symbolaí tês glôttês) erfahren will, sollte diese Angelegenheit bei jenen lernen, die in den Metren der Dichtung bewandert sind.« Denn wir können bei den Sprechern jeder Sprache beobachten, daß die, die in den Metren der Dichtung bewandert sind, am meisten um die Buchstaben ihrer Sprache bemüht sind. Es sind die Metriker der arabischen Dichtung, die mit den Unterschieden der arabischen Buchstaben befaßt sind, und ganz ähnlich verhält es sich mit den Griechen. (Al-Fārābī: Commentary on De Interpretatione, S. ; Übers. v. F. S.)

Es muß allerdings betont werden, daß diese Modell-Methode zwar auch von den griech. und röm. Grammatikern gebraucht worden ist, sie aber bei den arab. Grammatikern völlig unabhängig und selbständig entstanden ist. ¹⁶ Im arab. Text, S. , steht mauzun, was im ursprünglichen Sinn »gewogen« bedeutet, dann aber im Zusammenhang der Dichtungslehre »rhythmisch abgewogen / abgezählt« bedeutet. Vgl. auch weiter unten Anm. . Burnett  b, S. , stellt die berechtigte Frage, ob ein mittelalterlicher Leser unter pondus wirklich »Versmaß« verstehen konnte. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, die Variante des Bearbeiters von B heranzuziehen, in der ponderate sive non ponderate durch rithmice sive non rithmice ersetzt wird. Der Bearbeiter von B hatte in eindeutiger Weise keinen Zugang zum ursprünglichen arab. Text (vgl. Einleitung ), es gelang ihm aber doch, für ponderate eine durchaus korrekte Interpretation zu liefern.

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Anmerkungen des Herausgebers

¹⁷ Die Frage der Vokale und Konsonanten ist in einer Schrift wie der arabischen, in der die Kurzvokale nicht geschrieben werden, natürlich wesentlich wichtiger als etwa im Griechischen oder Lateinischen. Nichtsdestoweniger führt auch Gundissalinus in De scientiis, S. , die Untersuchung de vocalibus et non vocalibus an. ¹⁸ Trotz der Terminologie von »Wesen / Substanz« und »Akzidentien« geht es hier um keinerlei metaphysische Frage, sondern einzig um die grammatische Frage von Wortstamm und Prä- bzw. Suffixen. ¹⁹ Im Arabischen kommt es häufig vor, daß durch das Hinzutreten von Prä- bzw. Suffixen bestimmte Konsonanten des Wortstammes »verschwinden«, z. B. dann, wenn im VIII . Verbalstamm das Infix t auf ein d des Wortstammes trifft, das t mit dem d assimiliert wird und somit das t »verschwindet«. ²⁰ Im Arabischen sind die grundlegenden Formen die drei- oder vierradikalen (konsonantischen) Wurzelradikale, von denen alle anderen Wortformen abgeleitet sind. ²¹ Arab. masdar (Pl. masadir) bedeutet »Ursprung« oder »Ausgangspunkt«, als Fachbegriff der Grammatik das später sog. Verbalsubstantiv (nomen verbi). Zu »Ursprung« vgl. aber die folgende Anm. Gerhard von Cremona kannte offensichtlich diese arab. Fachterminologie nicht und ließ daher die arab. Ausdrücke, für die er kein lat. Äquivalent kannte, einfach so stehen. Der Autor von P m hingegen war mit dieser Terminologie vertraut und fügte erklärende Marginalanmerkungen hinzu. Die Textversion von B, in der anstelle von masdar verbalia steht, beruht auf einer Abschrift, die mit Hilfe einer Vorlage, in der die Anmerkungen, die auch P m wiedergibt, überarbeitet worden war (vgl. Einleitung ). Der Schreiber von G hingegen verstand den Zusammenhang überhaupt nicht und vermutete bei masdurum einen Schreibfehler und »verbesserte« dies zu modorum, ebenso veränderte er dann almasdur zu almas durum, was alles keinen Sinn ergibt. Mit mascar wird nicht irgendein beliebiger Fachbegriff aus der Grammatik eingeführt, sondern einer, der grundlegend ist für die gesamte Theorie des Verbs in der arab. Grammatik, nach der masdar der Name für die jeweils mit einem Verb ausgedrückte Handlung ist (nomen verbi). Die Einzelheiten dieser Theorie waren bei den

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Grammatikern umstritten, wie es die Diskussion darüber zwischen den großen Grammatikerschulen von Basra und Kufa zeigt. Vgl. Elamrani-Jamal , S.  f. Die Möglichkeit, durch Verbalsubstantive neue Wörter zu bilden, war ein wichtiges Instrument der Übersetzer philosophischer Werke aus dem Syrischen oder Griechischen, da mit diesem Verfahren abstrakte Fachbegriffe im Arabischen gebildet werden konnten. Vgl. Hugonnard-Roche , S. . Eines der bekanntesten Beispiele dafür ist mantiq, also der Fachbegriff für »Logik«, auf dessen Ableitung al-Fārābī selbst hinweist. Vgl. Kap. II , Anm. . Auch der in der Naturphilosophie und der Metaphysik wichtige Begriff wug˘ud für »Seiendes« ist ein solches Verbalsubstantiv. Vgl. Kap. IV , Anm. . ²² Die meisten arab. Grammatiker nahmen an, daß die jeweils zeitbestimmten Verbalformen aus dem Verbalsubstantiv, das keine Zeitbestimmung enthält, hervorgehen. Vgl. Wright , I, S. , Nr. . Diese Auffassung scheint schon auf Sībawaih, den eigentlichen Begründer der arab. Grammatik, zurückzugehen. Vgl. Gätje , S.  f. Diese Auffassung war aber nicht unumstritten, andere Grammatiker nahmen an, daß das Verbalsubstantiv selbst eine aus den Wurzelradikalen abgeleitete Verbalform ist. Al-Fārābī setzte sich im Kitāb al-Hurūf mit den verschiedenen Auffassungen der Grammatiker auseinander. Vgl. dazu Arnaldez , S.  – . ²³ Im arab. Text, S. , steht nahy, was »Verbot«, also die negierte Form des Imperativs, bedeutet. Für das Verbot gibt es im Arabischen keine eigene Verbalform, dieses wird durch la mit Apokopat ausgedrückt. Möglicherweise will al-Fārābī dies zum Ausdruck bringen, wenn er sagt »und das, was mit jenem homogen ist«. Die Erläuterung, die der Autor der Marginalanmerkungen gibt, hat keinen Anhaltspunkt in der arab. Grammatik. Der Hintergrund dieser Erläuterung ist vielmehr in der griech. Grammatik zu finden, wo Indikativ, Konjunktiv, Imperativ, Optativ und gelegentlich auch Hortativ genannt werden. Vgl. Steinthal /, II , S.  – . Auch al-Fārābī hat vermutlich eine solche griech. Einteilung gekannt, und dem Autor der Marginalanmerkungen war dies vielleicht bekannt. Die sprachpragmatische Anwendung dieser Einteilung mit ihren gesellschaftlichen Implikationen hat allerdings auch in der griech. Grammatik keinen Anhaltspunkt, stellt also

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Anmerkungen des Herausgebers

eine Weiterentwicklung al-Fārābīs oder der arab. Sprachtheoretiker, auf die er möglicherweise zurückgreift, dar. In einem arab. nicht erhaltenen lat. Text, der al-Fārābī mit guten Gründen zugeschrieben wird, heißt es: Nach Auffassung der Alten gibt es fünf Arten eines vollständigen Satzes (orationis perfectae): aussagend bzw. indikativisch, befehlend, erbittend, fordernd, und anrufend (enunciativa vel indicativa, imperativa, deprecativa, petitiva et vocativa). Ein aussagender Satz ist einer, der verifiziert bzw. falsifiziert werden kann. Für die vier übrigen Figuren gibt es im Arabischen nur eine, die sich aber verändert entsprechend dem, der sie ausspricht, und dem, an den sie gerichtet ist. Denn, wenn sie von Fürsten an Untergebene gerichtet ist, ist sie befehlend, wenn sie von Untergebenen an Fürsten gerichtet ist, ist sie erbittend, wenn sie von einem Gleichen an einen Gleichen gerichtet ist, ist sie fordernd, und die anrufende ist mehrdeutig und wird in den übrigen drei verwendet. (Al-Fārābī: Fragments inédits de la logique d’Alfarabi, S. ; Übers. v. F. S.)

²⁴ Wie aus dem folgenden im Text hervorgeht, geht es um die Wurzelkonsonanten. ²⁵ Es geht hier um die Verdoppelung von Konsonanten. Diese Verdoppelung kann durch ein eigenes Hilfszeichen oberhalb des Buchstabens angezeigt werden, das » «, genannt šadda oder tašdid . Dieses Hilfszeichen kommt jedoch in den Handschriften – ausgenommen natürlich denen des Korans – faktisch nur selten zur Anwendung. Ein besonderes Problem, auf das hier im Zusammenhang der Verbalstämme möglicherweise Bezug genommen wird, sind die Doppelkonsonanten bei bestimmten Gruppen von Verben (verba mediae geminatae), bei denen der verdoppelte zweite Wurzelkonsonant nur in bestimmten Formen des Verbs in Erscheinung tritt, also häufig »verschwindet«. Vgl. auch weiter oben Anm. . ²⁶ Für integre steht im arab. Text, S. , sahih, was umgangssprachlich »gesund / vollständig« bedeutet, als grammatischer Fachbegriff aber die »starken« Verben bezeichnet. Für corrupte steht im arab. Text, ebd., muÝ tall, was umgangssprachlich »krank« bedeutet, als grammatischer Fachbegriff aber die »schwachen« Verben bezeichnet.

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²⁷ In der Konjugation des Verbs gibt es im Arabischen in der . und . Person, sowohl im Singular wie auch im Plural, jeweils eigene Formen für maskulin und feminin. ²⁸ Im Arabischen gibt es zwei Zeiten, die eigene Formen aufweisen, nämlich das Perfekt und das Imperfekt (dem das Präsens entspricht, aus dem dann durch ein Futur-Partikel oder durch das Präfix -s das Futur gebildet wird). ²⁹ Die Aufzählung ist nicht vollständig. Es gibt im Arabischen zehn Formen für Personen: »ich«, »du« (mask. und fem.), »er« (mask. und fem.), »wir«, »ihr« (mask. und fem.), »sie« (mask. und fem.). ³⁰ Die arab. Morphologie ist in einem erheblichen Ausmaß phonetisch begründet. Es ist ein Kennzeichen der arab. Formenbildung, daß es zahlreiche Fälle gibt, in denen aus phonetischen Gründen Änderungen vorgenommen werden, z. B. durch Assimilierung von Lauten oder etwa durch Einfügung eines Hilfsvokals dann, wenn beim Zusammentreffen von zwei Worten sich mehr als zwei Konsonanten ergeben. ³¹ Im arab. Text, S. , steht hier Ýilm an-nahw. Hier wird also Grammatik (nur) als die Lehre von den Endungen der Wörter bestimmt. Mit dieser engen Begriffsbestimmung steht al-Fārābī in Übereinstimmung mit Sībawaih, dem eigentlichen Begründer der Wissenschaft der arab. Grammatik. Der korrekte Gebrauch der in vielen Fällen vor allem bei Substantiven und Adjektiven nur phonetisch bestimmten Endungen ist aber nicht möglich ohne Kenntnis der Syntax eines Satzes, so daß also auch die Syntax in diesem Begriff der Grammatik eingeschlossen ist. Vgl. Versteegh , S. . Zur Wissenschaft der Grammatik (Ýilm an-nahw) vgl. EI VII , S.  a –  a. ³² Al-Fārābī beschäftigt sich eingehender mit der Frage der Morphologie bei Deklination / Konjugation im Kitāb al-Hurūf (Book of Letters), S.  – . ³³ Heutige Transkription: alif und lam. ³⁴ Dem cognitio des lat. Textes entspricht im arab. Text, S. , taÝrif, das umgangssprachlich »Bekanntgabe / Kennzeichnung« bedeutet, als Fachbegriff der Grammatik dann aber die Determination eines Nomens oder Adjektivs durch den Artikel bezeichnet (im Arabischen wird auch ein attributives Adjektiv durch den Artikel determiniert).

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Anmerkungen des Herausgebers

³⁵ Für declinatio steht im arab. Text, S. , iÝrab, was allgemein »Ausdruck /Äußerung« bedeutet, dann aber als Fachbegriff der Grammatik sowohl die Flexionsendungen wie auch die Syntax der Flexionsendungen bezeichnet. Zu diesem für die arab. Grammatik zentralen Begriff vgl. EI III , S.  b –  a. ³⁶ Dies trifft nur dann zu, wenn man »Endungen am vorderen Ende« sehr eng faßt, nämlich in Parallele zum vorher aufgeführten Artikel, denn im Arabischen wird beim Verb das Imperfekt nicht nur durch Schluß-Endungen, die die Person kennzeichnen, gebildet, sondern auch durch Präfixe, die auch wiederum von der Person abhängen. ³⁷ Im arab. Text, S. , steht (in heutiger Transkription) tanwin. Der Autor der Marginalanmerkung gibt den Sachzusammenhang richtig wieder: Im Arabischen gibt es nur drei Vokale (a , i und u ; damals sagte man »u oder o «), die als Kurzvokale in der Schrift nicht wiedergegeben werden. Um Eindeutigkeit – besonders beim Text des Korans – zu ermöglichen, wurden Strichzeichen eingeführt, die bis heute verwendet werden. Ein Strich über einem Buchstaben (wie ein Akzent geschrieben, die in P vorgefundene Form eines Querstriches war auch zur Zeit Gerhards von Cremona nicht üblich) bedeutet a , ein »’« über einem Buchstaben bedeutet u und ein Strich unter einem Buchstaben bedeutet i (dies sind die drei »Bewegungen«, vgl. die folgende Anm.). Am Ende eines Nomens kennzeichnen sie im Regelfall die Determinierung desselben im Nominativ (u), Genitiv (i) und Akkusativ (a). Werden diese Zeichen verdoppelt, so dienen sie zur Kennzeichnung von -un, -in und -an am Ende eines Nomens, der sog. Nunation (arab. tanwin), wodurch die Indetermination eines Nomens in den entsprechenden Fällen gekennzeichnet wird. Zu tanwin vgl. EI X , S.  b. ³⁸ Im arab. Text, S. , steht haraka , was umgangssprachlich »Bewegung« bedeutet, als Fachbegriff der Grammatik aber »Vokal«. ³⁹ Arab. fazma bezeichnet die Vokallosigkeit eines Konsonanten. Als Zeichen dafür wird ein kleiner Kreis über den entsprechenden Konsonanten gesetzt, also »°«. Vokallosigkeit am Ende eines Verbs ist bei starken Verben Kennzeichen der Verbalform des Apokopats. ⁴⁰ Für declinari steht im arab. Text, S.  u. ö., sarafa , was ganz allgemein »flektieren« bedeutet, also sowohl Deklination wie auch

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Konjugation umfaßt. Vgl. das entsprechende Substantiv tasrif in Anm.  weiter oben. ⁴¹ Es gibt im Arabischen eine Gruppe von Nomina, nämlich die auf -a endenden, in der im Singular maskulin alle Endungen, d. h. für Nominativ, Genetiv und Akkusativ, nur mit -a gebildet werden. ⁴² Es gibt im Arabischen eine Gruppe von Nomina (lexikalischer Plural auf -u), bei denen im indeterminierten Gebrauch sowohl für den Genetiv wie auch für den Akkusativ die Endung -a verwendet wird, und andere (Flexionsplural), wo für Genetiv und Akkusativ determiniert und indeterminiert -in verwendet wird. ⁴³ Dieser Satz ist im lat. Text schwer verstehbar. Bei P steht im Text eorum, was auf nomina zu beziehen wäre. Der Bearbeiter von B hat durch die Änderung von unaqueque in unumquodque den ganzen Satz so umgebaut, daß eorum auf nomina bezogen wird, was sachlich richtig sein dürfte, aber kaum dem ursprünglichen Text entspricht, da die Lesung von P mit der von G übereinstimmt. Inhaltlich wiederholt dieser Satz nur das schon vorher Gesagte: Es gibt Nomina, die für jeden Fall eine eigene Endung haben (= drei Endungen), solche bei denen nur eine Endung für alle drei Fälle verwendet wird, und solche, bei denen zwei verschiedene Endungen (eine für Nominativ und eine für Genetiv /Akkusativ) verwendet werden. ⁴⁴ Daß bei bestimmten sprachlichen Ausdrücken wie z. B. bei den Partizipien die Frage gestellt werden kann, ob es sich dabei um ein Verb oder um ein Nomen handelt, ist leicht einsehbar (die arab. Grammatiker faßten die Partizipien als Nomen auf ). Schwieriger ist es, zu verstehen, wie die Frage auftauchen kann, ob ein bestimmter Ausdruck eine Partikel oder ein Verb ist. Bei bestimmten arab. Ausdrücken gab es aber tatsächlich entsprechende Diskussionen. Al-Fārābī verweist selbst im Traité des termes utilisés en logique, in: Elamrani-Jamal , S. , auf ein Beispiel, an dem eine solche Frage kontrovers behandelt wurde: Der Ausdruck laysa (»es gibt nicht«) ist zwar eine Verbalform und wurde daher von einigen Grammatikern auch ausschließlich als eine solche aufgefaßt, von anderen hingegen wurde er auch als Negations-Partikel behandelt. Es ist offensichtlich, daß der erstere Standpunkt den primär an der

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Anmerkungen des Herausgebers

Morphologie interessierten arab. Grammatikern nahesteht, während letzterer eher den an syntaktischen Beziehungen orientierten Logikern entspricht. Al-Fārābī selbst reiht laysa dann – ausdrücklich vom Standpunkt der Logiker aus – auch unter die Partikel ein. Vgl. ebd., S. . ⁴⁵ Dieser Teil behandelt also die Syntax, vgl. weiter oben Anm. . ⁴⁶ Der Abschnitt über die Regeln der Bildung korrekter Sätze ist auffallend kurz, obwohl dieser Teil der Grammatik von größter Bedeutung für die Logik ist, an der al-Fārābī ja besonderes Interesse hat. Hier geht es ja u. a. um die Frage, welche Sätze geeignete Prämissen für Schlüsse darstellen. Einige etwas ausführlichere Bemerkungen dazu finden sich in al-Fārābī: Introductory Sections, S. . Im Short Commentary on Aristotle’s Prior Analytics, S.  – , liefert al-Fārābī eine Klassifizierung der kategorischen Aussagen und deren Gegensätzen. Ausführtlich werden alle diese Fragen behandelt in al-Fārābī: Commentary on De interpretatione. ⁴⁷ Das canonum des lat. Textes hat seine Entsprechung im arab. Text der Handschrift des Escorial, fehlt aber in anderen Handschriften. Vgl. arab. Text, S. , Anm. . Vgl. auch weiter unten Anm. . ⁴⁸ Der Titel dieses Abschnitts, arab. Text. S. , lautet Ýilm alkitaba , lat. scientia scripture. Der vorliegende kurze Abschnitt über die Schrift entspricht in keiner Weise der Rolle, die die Schrift und deren Kenntnis in der arab. Kultur hat. Auf der Ýilm al-kitaba beruhte auch die in der arab. Kultur hochentwickelte Buchkunst. Vgl. dazu EI V, S.  a. ⁴⁹ Die Wissenschaft vom richtigen Lesen, Ýilm al-qiraÞa , arab. Text, S. , hat in der arab. Kultur eine unvergleichlich größere Bedeutung als etwa in der griech. oder lat. Kultur. Einen nicht-vokalisierten Text richtig lesen zu können stellt erhebliche Anforderungen an den Leser, der diesen Text bereits richtig verstanden haben muß, bevor er ihn richtig lesen kann. Eine herausragende Rolle dabei spielte selbstverständlich die korrekte Lesung, d. h. Rezitation, des Korans. Die Wissenschaft vom richtigen Lesen wurde daher auch als eine eigene theologische Disziplin aufgefaßt. Vgl. EI V, S.  a –  a. In der arab.-islamischen Kultur war es ein Bildungsziel, daß jeder

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Muslim lesen konnte und einen Koran besaß. Entsprechend war auch die Alphabetisierung ein religiös motiviertes Ziel. Es gibt im lat. Bereich nichts dem Vergleichbares, die Lesung der Bibel durch alle Gläubigen wurde bis zum Ende des Mittelalters eher verhindert als gefördert, was aber nicht sonderlich auffiel, da die meisten Gläubigen ohnedies Analphabeten waren. Im islamischen Bereich wurde die Kenntnis und Pflege der Sprache des Korans gefordert und gefördert, ein islamischer Jurist oder Theologe, der nicht Arabisch konnte, war undenkbar, während im christlich-lateinischen Bereich selbst bedeutende Theologen des Mittelalters den griech. Urtext des Neuen Testaments und den hebr. Urtext des Alten Testaments aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht lesen konnten. Die scientia lectionis (Ýilm al-qiraÞa) ist u. a. eben auch ein Hinweis darauf, daß das Verhältnis von Religion und Sprache im Islam ein unvergleichlich engeres war und ist als im Christentum. ⁵⁰ Im lat. Text steht eis, was somit auf litteris zu beziehen wäre, was jedoch keinen guten Sinn ergibt. Ich beziehe es auf die loca punctorum et signorum, übersetze also so, als ob hier eorum stünde. ⁵¹ Z. B. das tašid (» «), das zur Kennzeichnung der Verdoppelung eines Konsonanten verwendet wird. Vgl. auch weiter oben Anm. . Außer im Koran werden aber solche Hilfszeichen nur selten verwendet, höchstens dort, wo grobe Mißverständnisse möglich sind. Nicht-religiöse Texte, also auch die der »fremden« Wissenschaften, wurden meist nur an wenigen Stellen mit solchen diakritischen Zeichen versehen. Vgl. z. B. die Photokopien einiger Seiten von al-Fārābī: Kitāb al-Hurūf (Book of Letters), S.  – . Auch in der Handschrift von Ihsa al-Ýulūm, die sich in Princeton befindet (= Grundlagentext der Ausgabe von Amīn, die auch im vorliegenden Kommentar verwendet wird), finden sich nur selten solche diakritischen Zeichen. ⁵² Ein und dasselbe Buchstabenzeichen kann im arab. Alphabet durch verschiedene hinzugefügte Punkte eine jeweils verschiedene Bedeutung erhalten, z. B.: » « (= b), » « (= t), » « (= t). Anfänge der Verwendung solcher diakritischen Zeichen gehen möglicherweise schon auf vorislamische Zeit zurück. Im . Jhd. wurde jenes System entwickelt, auf dem die bis heute geltende Zeichensetzung beruht. Vgl. Endreß , S.  f.

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Anmerkungen des Herausgebers

⁵³ Anstelle der Buchstabenfolge » « (= Þa) wird » « geschrieben, d. h. ein Alif »verschwindet«. Das Zeichen über dem übrigbleibenden alif heißt madda , d. h. »Längung«. ⁵⁴ Für cesura steht im arab. Text, S. , maqatiÝ (Pl. von maqtaÝ) was zwar allgemein »Abschnitt« bedeutet, dann aber im technischen Sinn der Sprachtheorie »Silbe«. Zu kurzen und langen Silben vgl. auch weiter unten Anm. . ⁵⁵ Der Satz, in dem von »unkorrekten« Verbindungen gesprochen wird, ist so, wie er hier steht, unverständlich. Im arab. Text, S. , steht radaÞa , was »verdorben sein« bedeutet, somit also in etwa dem maliciarum des lat. Textes entspricht. Es liegt also kein Übersetzungsfehler Gerhards von Cremona vor. Allerdings dürfte Gerhard von Cremona eine an dieser Stelle fehlerhafte Handschrift des Textes der Schrift al-Fārābīs vorgelegen haben. Der textkritische Apparat des arab. Textes, S. , Anm. , liefert nämlich für die Handschrift aus Nafaf eine andere Lesung, nämlich adah, d. h. »Partikel«. Zu letzteren vgl. weiter oben Anm. . Es legt sich also nahe, anzunehmen, daß es sich hier um einen Schreibfehler in der Handschrift des Escorial handelt, die beiden genannten Worte sind im arab. Schriftbild tatsächlich leicht zu verwechseln. Da zu den Partikeln auch die verschiedenen Ausdrücke der Satzverbindung gehören, ergibt der fragliche Satz des Textes mit der Lesung »Partikel« einen brauchbaren Sinn. ⁵⁶ Das canonum des lat. Textes hat seine Entsprechung im arab. Text der Handschrift des Escorial, fehlt aber in anderen Handschriften. Vgl. arab. Text, S. , Anm. . Vgl. auch weiter oben Anm. . ⁵⁷ »Wissenschaft der Verse«, im arab. Text S. , Ýilm al-ašÝar (Pl. von šiÝr), bedeutet »Poesie / Verskunst« im Sinn der Metrik. Vgl. dazu weiter unten Anm. . ⁵⁸ Für pondera steht im arab. Text, S. , auzan (Pl. von wazn), was im ursprünglichen Sinn »Gewichte« bedeutet, als Fachbegriff der Poetik aber »Versmaß / Metrum«. In seiner zusammenfassenden Darstellung verwendet Gundissalinus: De scientiis, S. , den korrekten Begriff metrum. Vgl. auch weiter oben Anm. . Zum folgenden Abschnitt über die Poesie vgl. Burnett  b, S.  – .

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⁵⁹ Moderne Transkription: al-muÝfam. Der Ausdruck muÝfam bedeutet ursprünglich »dunkel / unverständlich«, auch im Sinn der Geheimschrift, vgl. EI VII , S.  a, erhielt dann aber im technischen Gebrauch von huruf (Pl. von harf) al-muÝfam, vgl. arab. Text, S. , den genau umgekehrten Sinn von »die mit einem diakritischen Zeichen versehenen Buchstaben = Alphabet«. Die korrekte Interpretation liefert der Autor der Marginalanmerkungen, die auch von B übernommen wird, während der Kopist von G, der diese Anmerkungen nicht kannte, mit diesem arab. Wort nichts anfangen konnte und das sinnlose aluma gemmiati schrieb. ⁶⁰ Im arab. Text, S. , werden folgende Ausdrücke gebraucht: asbab (Pl. von sabab), »Strick / Zeltstrick / Schnur« und autad (Pl. von watid), »Zeltpflock / Pfahl«. An anderer Stelle geht al-Fārābī etwas genauer auf diese Begriffe ein: Es ist möglich, Ähnliches in der gegenwärtig existierenden arabischen Sprache zu finden. Denn die Fachleute des Arabischen nennen die kurzen Silben »bewegliche« Buchstaben und die langen Silben und was ihnen ähnlich ist asbab bzw. Schnüre. Was in ihrer Sprache aus beiden Arten der Silben kombiniert werden kann, das nennen sie autad . Dann kombinieren sie einige von diesen mit anderen und stellen aus diesen Maßeinheiten her, die größer als diese sind, mit denen sie die metrischen Ausdrücke und Reden messen, so z. B. faÝulun, mafaÝilun, mustaf Ýilun. Wenn sich das so verhält, dann kann jeder Ausdruck durch eine lange oder kurze Silbe oder durch eine Verbindung beider gemessen werden. (Al-Fārābī: Paraphrase of the Categories, S. ; Übers. v. F. S.)

Ganz ähnlich in al-Fārābī: Kitāb a-ŠiÝr (Buch der Dichtung), vgl. dazu Heinrichs , . Sabab und watid bezeichnen als Fachbegriffe der Verslehre die kleinsten metrischen Einheiten eines Verses, ein sabab besteht aus zwei, ein watid aus drei Buchstaben. Vgl. EI VIII , S.  b –  a. Zur Verwendung dieser Einheiten in der Verslehre vgl. Art. ÝAruc (altarab. Metrik) in EI I,  b –  a, und Heinrichs , S.  – . Vgl. auch weiter unten Anm. . ⁶¹ Zu cesure vgl. weiter oben Anm.  und . ⁶² Das imnorum des lat. Textes ist mehr als mißverständlich. Im arab. Text, S. , steht masari Ý (Pl. von misraÝ), was im technischen

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Anmerkungen des Herausgebers

Sinn der Poetik »Halbvers« bedeutet. Im folgenden Abschnitt verwendet Gerhard von Cremona in imnis in eher zutreffender Weise als Übersetzung für qasida , einen anderen arab. Fachbegriff der Poetik. Vgl. weiter unten Anm. . ⁶³ Für metrum steht im arab. Text, S. , bait , das in seiner Grundbedeutung »Haus / Zelt« bedeutet, als Fachbegriff der Poetik aber »Vers«. Daß die Grundbedeutung hier nicht in Frage kommt, ist Gerhard von Cremona aufgefallen, er übersetzt bait dann aber mit metrum, möglicherweise weil er versus in seiner Übersetzung schon vorher vergeben hat. Vgl. weiter oben Anm. . ⁶⁴ Der Sinn dieses bei Gerhard von Cremona ziemlich unklaren Satzes ist der folgende: »Dann folgt die Untersuchung der Längen der Verse und der Halbverse und durch wie viele Buchstaben und Silben ein jeder Vers in einem jeden Versmaß vollständig ist.« Vgl. Burnett  b, S. . ⁶⁵ Gemeint ist: Die »verminderten« Verse sind unvollständig und daher fehlerhaft. ⁶⁶ Zu Einzelfragen der Verslehre vgl. EI I,  b –  a. ⁶⁷ Die arab. Lehre bzw. Wissenschaft von der Dichtkunst wurde häufig in zwei Teile eingeteilt. Der erste Teil umfaßt die im vorausgehenden Abschnitt behandelte Lehre von den Versen im Sinne der Metrik (Ýilm al-ašÝar oder Ýilm al-Ýaruc), der zweite umfaßt die Lehre von den Versenden, also die Lehre von den Reimen. Dieser Teil wurde in der Ýilm al-qafiya (oder Pl. al-qawafin ) behandelt. Zu den Einzelfragen, die in diesem zweiten Abschnitt bei al-Fārābī kurz angeschnitten werden, vgl. EI IV , S.  b – b, und Heinrichs , S.  f. ⁶⁸ Gemeint ist: in allen Versen eines Gedichts. ⁶⁹ Hier steht im arab. Text, S. , für imnus qasida , also eine bestimmte altarab. Gedichtform. Vgl. dazu EI IV,  b –  a. ⁷⁰ Zu diesen Fragen der Dichtkunst vgl. al-Fārābī: Kitāb aš-ŠiÝr, im Überblick in Heinrichs , S.  f. ⁷¹ Im Arabischen unterscheiden sich Prosa und Poesie nicht nur durch die Metrik, sondern auch durch die Syntax ziemlich stark. Vgl. dazu Bloch .

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¹ Der Titel des Kapitel II lautet im arab. Text, S. , Ýilm al-mantiq. Der Ausdruck mantiq ist abgeleitet vom Verb nataqa , das »reden / sprechen« bedeutet. Der arab. Ausdruck entspricht also ziemlich genau der Bedeutung des griech. Ausdrucks. Vgl. auch weiter unten Anm.  und . Das Kap. II , das eine zentrale Rolle in De scientiis spielt, konnte auch eine Art »Eigenleben« führen. So wurde es z. B. von Ibn Tumulūs wörtlich übernommen in eine andere Einleitungsschrift eingebaut. Vgl. Ibn Tumulūs: Introducción al arte de la lógica. ² Die Schreibung dialetica anstelle von dialectica entspricht dem weithin verbreiteten und eigentlich häufigeren Sprachgebrauch des . Jhd.s. Vgl. z. B. De Rijk , II , , S.  f. Gundissalinus: De scientiis, S. , gebraucht den Ausdruck logica anstelle von dialetica. In der Überschrift, arab. Text, S. , wird für die Logik die Bezeichnung Ýilm, lat. scientia , gebraucht, während an der vorliegenden Stelle die Logik als sinaÝa , lat. ars, bezeichnet wird. Aus diesem terminologischen Unterschied läßt sich jedoch nicht allzuviel ableiten, da die Begriffe Ýilm und sinaÝa zur Zeit al-Fārābīs nicht streng unterschieden wurden. Auch bei al-Fārābī selbst liegt in De scientiis keine konsistent unterscheidende Verwendungsweise vor. Vgl. z. B. Kap. V, Anm. . Aber auch die Lateiner sprachen von der Logik als ars artium et scientia scientiarum, ohne daß damit schon eine wissenschaftstheoretische Festlegung gemeint war. Vgl. Jacobi . ³ Für ratio steht im arab. Text, S. , Ýaql, was »Verstand / Vernunft / Einsicht« bedeutet. Der Begriff Ýaql entspricht dem griech. Begriff noûs, kann im Lateinischen also sowohl durch ratio wie auch durch intellectus wiedergegeben werden. Zu Ýaql vgl. EI I, S.  b –  a. Gerhard von Cremona verwendet in De scientiis nur ratio. Es ist jedoch zu beachten, daß im arab. Titel der bekannten Schrift alFārābīs, die im Lateinischen unter dem Titel De intellectu et intellecto geläufig ist, genau derselbe Begriff Ýaql verwendet wird. ⁴ Für veritas steht im arab. Text, S. , haqq. Im folgenden verwendet Gerhard von Cremona häufig den Ausdurck verificare, wofür im arab. Text das Verb sahha steht, das im II . Stamm »gesund machen / berichtigen« bedeutet, für verificatio das entsprechende

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Anmerkungen des Herausgebers

Verbalsubstantiv tashih, das »Berichtigung« bedeutet. Für veritas und verificatio stehen somit im arab. Text Worte, die ganz verschiedenen Wortstämmen angehören. Die im Lateinischen bestehende terminologische Beziehung von veritas /verificare /verificatio hat somit im arab. Text al-Fārābīs keine Entsprechung. In der deutschen Übersetzung wird im folgenden verificare mit »überprüfen« bzw. »die Wahrheit nachweisen« übersetzt. Der Ausdruck verificatio ist entsprechend dem arab. Ausdruck in einem sehr allgemeinen und nicht-technischen Sinn zu verstehen. Für »Beweis« (arab. burhan) im Sinne der aristotelischen Beweistheorie steht in der Übersetzung Gerhards von Cremona demonstratio. Vgl. weiter unten Anm. . ⁵ Gerhard von Cremona gibt das arab. maÝqulat (Pl. von maÝqul) an dieser Stelle, arab. Text, S. , und in seiner gesamten Übersetzung durch rationata wieder. Dem arab. Wort maÝqulat entspricht das griech. noémata . Für die Interpretation von nóema ist eine der wichtigsten Stellen Aristoteles, De interpretatione I: Wie sich aber in unserer Seele bald ein Gedanke (nóêma) befindet, ohne daß es ihm zukäme, wahr oder falsch zu sein, bald aber auch einer, dem notwendigerweise eines von beiden zukommt, so äußern wir auch mit der Stimme [teils sprachliche Ausdrücke der einen und teils solche der anderen Art]. Denn Falschheit wie Wahrheit sind an Verbindung und Trennung geknüpft. Es gleichen nun die Nennwörter (onómata) und die Aussagewörter (rhémata) für sich allein einem Gedanken (noémati) ohne Verbindung und Trennung, wie zum Beispiel das Wort »Mensch« oder das Wort »weiß«, wenn nicht noch etwas hinzugefügt wird. Denn für sich allein ist ein solches Wort noch nicht falsch oder wahr, aber es ist dennoch ein Zeichen (semeíon) mit einer ganz bestimmten Bedeutung. (Aristoteles: Peri Hermeneias I,  a  – ; Übers. Weidemann, S.  f.)

Al-Fārābī kommentiert diese Stelle im Commentary on De Interpretatione, S.  f. Im arab. Text dieses Kommentars, Kitāb al-ÝIbāra, S. , verwendet al-Fārābī eine Aristoteles-Übersetzung, in der griech. noémata auch wieder durch arab. maÝqulat wiedergegeben wird. Im griech. Text wird kurz vorher (Aristoteles: Peri Hermeneias I,  a  f.) auf die aristotelische Schrift Peri Psyches verwiesen, um darauf hinzuweisen, daß psychologische Fragen dieser noémata

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nicht in den vorliegenden logischen Zusammenhang, also in den von Peri hermeneias (De Interpretatione), gehören. Ob es sich dabei um einen originalen Verweis, der also von Aristoteles selbst stammt, handelt oder um eine spätere Hinzufügung des Redaktors der Aristoteles-Texte Andronikos von Rhodos bzw. eines späteren Kommentators, ist in der Aristoteles-Forschung umstritten. Vgl. Sainati , S.  f. Daß diese Textstelle ursprünglich nicht im AristotelesText stand, kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden. Vgl. Weidemann in Aristoteles: Peri hermeneias, S.  f. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, daß al-Fārābī die umstrittene Textstelle in seinem Kommentar überhaupt nicht aufführt. Zimmermann, der Übersetzer des Commentary on De Interpretatione, vermutet, ebd. S. , m. E. zu Recht, daß al-Fārābī damit andeuten will, daß diese Textstelle nicht zum ursprünglichen Text gehört. In jedem Fall wird durch den genannten Hinweis in der umstrittenen Textstelle der Unterschied von logischen und psychologischen Fragen explizit gemacht, und dies entspricht genau der Intention des Aristoteles. Die strenge Unterscheidung von Logik und Psychologie stellt daher keine neue Interpretation von Aristoteles-Kommentatoren dar, sondern gehört schon zu den Grundvoraussetzungen der Philosophie des Aristoteles selbst. Auch al-Fārābī ist im vorliegenden Zusammenhang ganz im Sinne des Aristoteles einzig an logischen, nicht aber an erkenntnispsychologischen Fragen interessiert. Problematisch bleibt die Übersetzung Gerhards von Cremona von maÝqulat /noêmata durch rationata . Seit der lat. Übersetzung von Aristoteles’ De Interpretatione durch Boethius war die Übersetzung von noémata durch intellectus im Sinne von »das Eingesehene / Erkannte« terminologisch festgelegt. Vgl. Boethius: Commentarii in librum Aristotelis Peri Ermeneias, S. . Zur Zeit Gerhards von Cremona im . Jhd. war diese Terminologie bereits seit langem eindeutig standardisiert. Vgl. z. B. Petrus Abaelardus: Die logica ›Ingredientibus‹. Die Glossen zu Peri Ermeneias, S. . Gerhard von Cremona sah nicht, daß in diesem Fall diese terminologische Festlegung zur Anwendung kommen sollte und ging nur von seiner arab. Textvorlage aus. Und da er einige Zeilen vorher Ýaql mit ratio übersetzt hatte, legte sich für das vom gleichen Wortstamm abgeleitete maÝqulat das lat. rationata nahe. MaÝqulat /noémata wird

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Anmerkungen des Herausgebers

im Englischen häufig durch thought wiedergegeben, so z. B. Zimmermann im Commentary on De Interpretatione, S. . Vgl. auch Ackrill in Aristoteles: Categories and De Interpretatione, S. . Eine weitere Möglichkeit ist die Wiedergabe durch concept , so Abed , S. , oder häufiger durch intelligible, ebd. S. , Anm. , so auch Lameer , S. . Der Übersetzung durch thought entspricht auch die deutsche Übersetzung durch »Gedanke«, vgl. oben im Zitat die Übersetzung durch Weidemann (dem entspricht im Prinzip die Verwendung von »Gedanke« bei G. Frege, dieser Gebrauch hat sich aber nicht allgemein durchgesetzt). Um in irgendeiner Weise dem lat. Ausdruck rationata Gerhards von Cremona zu entsprechen, wurde hier der deutsche Ausdruck »Vernunftgehalt« gewählt. Bei der Verwendung von »Gedanke« müßte im Deutschen die Assoziation eines psychologischen Vorgangs ausgeschlossen werden, wie es auch aus der vorher genannten umstrittenen Textstelle hervorgeht. Auch wird sich noch zeigen, vgl. weiter unten Anm. , daß in diesem Zusammenhang bei al-Fārābī nicht nur ein aristotelischer, sondern auch ein stoischer Hintergrund vorliegt, so daß also bei maÝqulat nicht nur die Bedeutung der aristotelischen noémata , sondern auch die der stoischen lékta zu berücksichtigen ist, bei der auf einen objektiven Gehalt abgehoben wird. Und da schließlich in der Übersetzung Gerhards von Cremona auch der Begriff cogitatio verwendet wird, für den sich u. a. auch die Übersetzung durch »Gedanke« nahelegt, dürfte die Übersetzung des etwas ungewöhnlichen Begriffs rationata durch den auch wieder etwas ungewöhnlichen Begriff »Vernunftgehalt« ausreichend gerechtfertigt sein. ⁶ Al-Fārābī nimmt den Einsatzpunkt zur Erklärung des Nutzens der Logik bei der Bewahrung vor dem Irrtum, was nicht unbedingt der Absicht des Aristoteles beim Aufbau der Logik entspricht. Dieser Einsatzpunkt wird sehr deutlich im Zusammenhang der Gegenüberstellung bzw. Parallelsetzung von Logik und Grammatik, wie sie al-Fārābī in Risālah, S. , vornimmt: So wie es die primäre Funktion der Grammatik ist, die Menschen vor Irrtümern im Gebrauch der Sprache zu bewahren, so ist es die Aufgabe der Logik, die Menschen vor Irrtümern im Gebrauch der Vernunft zu schützen. Möglicherweise war es auch bei der Verteidigung der Logik gegenüber den Korangelehrten günstiger, die kritische Funktion

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der Logik bei der Bewahrung vor Irrtümern in den Vordergrund zu stellen und nicht sofort mit der Behauptung zu beginnen, die Logik sei das einzige wahre Instrument zum Beweis der Wahrheit einer Aussage. In dem nicht erhaltenen Text Eine Erörterung, die er aus den Aussprüchen des Propheten zusammengestellt hat (ob dies allerdings ein Buchtitel ist oder einfach die Angabe des Inhalts der Schrift, ist umstritten), dürfte al-Fārābī die Logik durch Heranziehung von Aussprüchen aus dem Koran verteidigt haben. Vgl. Goldziher , S. , und Meyerhof , S. . Diese beinahe therapeutische Funktion der Logik wurde auch von Gegnern der griech. Philosophie anerkannt. Ein gutes Beispiel dafür ist al-Ghazālī, der den Nutzen der Logik aus rein religiösen Zielen herleitet. Vgl. dazu das Zitat in der Anm.  weiter unten. Die Bewahrung vor Irrtümern als primäre Aufgabe der Logik wurde zu einem Topos der arab. Philosophie, der sich auch noch bei Ibn Ialdūn findet: Sie [d. h. die Logik] bewahrt den Intellekt vor Fehlern, wenn dieser unbekannte Dinge aus den vorliegenden und bekannten Tatsachen zu erschließen gedenkt. (Ibn Ialdūn: The Muqaddima, II , S. ; Übers. Pätzold, S. )

⁷ Die Stelle, die Gerhard von Cremona mit homo invenit animam suam quasi creatam wiedergibt, ergibt keinen guten Sinn: Warum sollte der Mensch hier auf seine »beinahe geschaffene Seele« treffen, und was ist überhaupt eine »beinahe geschaffene Seele«? Leider ist an dieser Stelle auch der arab. Text, S. , syntaktisch defektiv und liefert keine eindeutige Grundlage für eine Übersetzung. Die richtige Wiedergabe des Sinnes der Stelle liefert m. E. Asín Palacios in Abentomulus, S.  (diese Übersetzung übernimmt Palencia , S. ): aquellos juicios que el hombre encuentra en su alma grabados, come si hubiese sido creada con el conocimiento cierto de ellos, also: »jene Erkenntnisse, die der Mensch in seine Seele eingeprägt vorfindet, gleichsam als ob sie [d. h. die Seele] mit der sicheren Erkenntnis derselben geschaffen worden wäre«. Dabei ist des weiteren zu berücksichtigen, daß der arab. Ausdruck nafs, den al-Fārābī an dieser Stelle gebraucht, zwar auch »Seele« bedeuten kann, aber auch bloß »(ich, du, er, usw.) selbst« bedeutet, so daß hier also zunächst einmal nur gesagt ist: »jene Erkenntnisse, die der Mensch in sich

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Anmerkungen des Herausgebers

selbst vorfindet«. Dies ergibt einen guten Sinn, der auch mit dem übereinstimmt, was al-Fārābī an anderer Stelle sagt. Daß al-Fārābī eine angeborene Erkenntnis annahm, geht z. B. aus seinem Commentary on De Interpretatione hervor: Der Prozeß der Forschung in der Logik und in der Philosophie überhaupt baut auf der in uns eingewurzelten Erkenntnis oder auf dem auf, was aus einer solchen Erkenntnis folgt, und geht von ihr aus. (Al-Fārābī: Commentary on De Interpretatione, S. ; Übers. v. F. S.)

Es geht dabei allerdings zunächst einmal nur um die Feststellung des Vorhandenseins solcher Erkenntnisse, nicht um die Erklärung ihres Ursprungs. Wir finden sie in uns vor, ohne dabei schon zu wissen, auf welche Weise sie in unsere Erkenntnis gelangt sind, und wir können auch Ableitungen aus ihnen vornehmen, ohne die Frage ihres Ursprungs beantwortet zu haben oder auch nur beantworten zu müssen. Vgl. al-Fārābī: Introductory Sections on Logic, S. , und Philosophy of Plato and Aristotle, S. . Die Erklärung des Ursprungs dieser ersten Vernunftgehalte gehört nicht in den Bereich der Logik, sondern in den der Erkenntistheorie oder der Metaphysik. Dort wird erklärt, wie diese Vernunftgehalte von Gehalten des passiven zu solchen des aktiven Intellekts werden. Vgl. dazu al-Fārābī: Musterstaat XXII , S.  – , und vor allem De intellectu et intellecto (The Letter Concerning the Intellect). ⁸ Diese beiden Beispiele führt al-Fārābī auch in den Introductory Sections on Logic, S. , an. Das Beispiel vom Ganzen und Teil findet sich bei al-Fārābī auch im Musterstaat XXII , S. . In diesem Zusammenhang gibt al-Fārābī auch eine Übersicht über die ersten Vernunftgehalte: Die allen gemeinsamen Urintelligiblen zerfallen in drei Arten: a. Grundsätze für die theoretische Mathematik. b. Grundsätze zur Feststellung von Schön und Häßlich, in betreff dessen, was der Mensch zu tun hat. c. Grundsätze, um die Zustände des Vorhandenen, welches der Mensch nicht machen kann, zu erkennen, sowie die Anfänge und Stufen desselben. Dies gilt von den Himmeln, der ersten Ursache und den übrigen anderen Anfängen [Prinzipien] sowie von dem,

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was aus diesen Prinzipien hervorgeht. (Al-Fārābī: Musterstaat XXII , S. )

Die Erkenntnis, daß das Ganze größer ist als seine Teile, wurde auch von den Schülern al-Fārābīs, so z. B. von al-ÝĀmirī (gest. ), zu den Wahrheiten gezählt, deren Erkenntis durch den eingeborenen Intellekt (al-Ýaql al-garizi) mitgegeben ist. Vgl. Netton , S. . ⁹ Für ratiocinatio steht im arab. Text, S. , qiyas, was ganz allgemein »Beweis« bedeutet, aber auch als Fachbegriff für »Analogieschluß« in der Rechtswissenschaft und für »Syllogismus« in der Logik verwendet wurde. Die Übersetzung Gerhards von Cremona trifft also so etwa den Sinn. Unrichtig hingegen ist ebd. die lat. Übersetzung Gerhards von Cremona von arab. istidlal durch significatio . In istidlal ist zwar auch die Wurzel dalla , d. h. »zeigen«, enthalten, von der sich auch dalala , d. h. »Bedeutung« ableitet, istidlal bedeutet aber nicht significatio , also »Bedeutung«, sondern auch wieder ziemlich allgemein »Beweis / Folgerung«. Asín Palacios in Ibn Tumulūs: Introducción al arte de la lógica, S. , und entsprechend Palencia , S. , übersetzen diese beiden Ausdrücke mit »Syllogismus und Induktion«, was zwar möglich, aber im Kontext dieser allgemeinen Einleitungsbemerkungen doch zu präzise sein dürfte. ¹⁰ Zur Analogie von Logik und Grammatik vgl. auch al-Fārābī: Risālah, S. . Das Verhältnis von Grammatik und Logik ist eines der großen Themen der arab. Philosophie zur Zeit al-Fārābīs. Vgl. dazu Einleitung .. ¹¹ Arab. al-Ýaruc , d. h. »Prosodie«. Vgl. Kap. I, Anm. . ¹² Der Vergleich von Prosodie und Logik findet sich schon bei Paul dem Perser (zu Paul dem Perser vgl. Einleitung .), also in al-Fārābīs Vorlage, dort sogar mit einem Verweis auf Aristoteles. Vgl. Gutas , S. , N. V des Schemas. Al-Fārābī läßt diesen Verweis weg, vermutlich deshalb, weil er dafür in den Aristotelestexten keinen Anhaltspunkt fand. ¹³ Im arab. Text, S. , steht für verificare das Verb sahha , vgl. dazu weiter oben Anm. . Al-Fārābī verwendet hier also keine Fachterminologie, sondern einen allgemeinen, umgangssprachlichen Ausdruck. Nichtsdestoweniger steht ohne Zweifel auch hier

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Anmerkungen des Herausgebers

die Beweislehre der . Analytik des Aristoteles im Hintergrund, die, wie al-Fārābī in den abschließenden Bemerkungen des Kap. II nochmals deutlich macht, das Zentrum der Logik darstellt. ¹⁴ Für lat. sententia steht im arab. Text, S. , raÞ y (Pl. araÞ), das ganz allgemein »Meinung /Ansicht« bedeutet. Ich übersetze diesen Ausdruck mit »Auffassung«, um »Meinung« für opinio freizuhalten. Vgl. weiter unten Anm. . Mit raÞ y ist jedenfalls nicht eine verhältnismäßig beliebige Meinung, sondern eine wirkliche Überzeugung gemeint. Vgl. Walzer , S.  f. ¹⁵ Gerhard von Cremona verwendet hier den Ausdruck via , d. h. »Weg«. Im arab. Text, S. , steht dafür tariq (Pl. turuq), was in der Grundbedeutung »Weg« bedeutet, aber auch als Fachbegriff für »Methode« verwendet wurde. Dasselbe gilt aber auch für das Lateinische, wo via im philosophischen Gebrauch als »Verfahrensweise« oder »Methode« verstanden wurde. ¹⁶ Für orationes steht im arab. Text, S. , aqawil (Pl. von qaul), was »Rede« oder »Ausspruch« in einem allgemeinen Sinn bedeutet. An anderen Stellen übersetzte Gerhard von Cremona qaul mit sermo. Vgl. z. B. weiter unten Anm. . ¹⁷ Der Holzfäller kann in der Nacht nicht unterscheiden, ob er gutes oder schlechtes Holz gewinnt. ¹⁸ Für credulitates steht im arab. Text, S. , iÝ tiqadat (Pl. von iÝ tiqad), was »Glaubensgrundsatz« bedeutet. Daß es sich um eine feste Überzeugung handelt, geht auch daraus hervor, daß der zweite, durch »und« verbundene Ausdruck raÞ y ist, das denselben epistemologischen Charakter besitzt. Vgl. weiter oben Anm. . Gerhard von Cremona geht also vermutlich zwar vom lat. credo aus, womit eine Überzeugung zum Ausdruck gebracht wird, wählt aber dann mit credulitas einen Ausdruck, der Mißverständnisse hervorrufen kann, da dieser auch »Leichtgläubigkeit« bedeuten kann. Gerhard von Cremona ist aber vermutlich auch dadurch fehlgeleitet worden, daß im folgenden Teil des Satzes schon in seiner arab. Vorlage eine Verwechslung von »Meinung« und »Überzeugung« vorliegt. Vgl. weiter unten Anm. . Es ist allerdings zu beachten, daß im Sprachgebrauch der Zeit credulitas auch von anderen Autoren im Sinn von »Überzeugung« verwendet wird. Besonders aufschlußreich dafür ist die Übersetzung Hermanns des Deutschen von al-Fārābī: Didascalia

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in Rhetoricam, S. , wo es im Zusammenhang der Rhetorik heißt: Credulitates autem persuasive seu quandam habentes sufficientiam . Der vermutlich credulitas entsprechende arab. Ausdruck – der arab. Originaltext ist nicht erhalten – ist allerdings ein anderer als der hier von al-Fārābī verwendete. Vgl. dazu Aouad  a, S. , N. IV . ¹⁹ Der Fachterminus für opinio ist im arab. Text, S. , zann (Pl. zunun), also »Meinung / Vermutung«, ein Begriff, der dem von »Wissen« gegenübergestellt ist. Vgl. auch weiter unten Anm. . Die Unterscheidung von Wissen und Meinung ist bei al-Fārābī im Zusammenhang der Unterscheidung von Beweisen, die den Kriterien der . Analytik entsprechen, und anderen Weisen des Für-wahrHaltens zu sehen, die durch die Verfahren der Topik, der Rhetorik und der Poetik gekennzeichnet sind. Nichtsdestoweniger ist auch ein platonischer Hintergrund zu berücksichtigen, da diese Unterscheidung auch der von epistéme und gnôsis entspricht, wie sie z. B. in Platos Staat V  a – b oder VI ,  e –  a zum Ausdruck kommt. Vgl. Lameer , S. . ²⁰ Die Marginalanmerkung macht es deutlich, daß der Satz hier nicht an credulitates, sondern an opiniones anschließt. Es sollte also eigentlich nicht et sunt credulitates, sondern et sunt opiniones heißen. Es liegt jedoch kein Übersetzungsfehler Gerhards von Cremona vor, da auch im arab. Text, S. , das falsche Bezugswort steht. Der Verfasser der Marginalanmerkungen korrigiert also an dieser Stelle nicht vom arab. Text her (vorausgesetzt, er hatte denselben Text wie Gerhard von Cremona vor sich liegen), sondern vom Sachzusammenhang her. ²¹ Dies ist eine wissenschaftstheoretisch interessante Bemerkung, da es in der europäischen Philosophie am Beginn der Neuzeit unter dem Eindruck der mathematisierten Naturwissenschaften, vor allem natürlich der Astronomie, die Auffassung gab, die Mathematik könne in der Wissenschaft die Logik ersetzen. Vgl. Schupp , III , S.  f. In den Diskussionen zur Zeit al-Fārābīs stand zweifellos die Frage des Verhältnisses von Grammatik und Logik im Mittelpunkt des allgemeinen Interesses, da sich diese Frage von der arabisch-islamischen Kultur her aufdrängte. Vgl. Einleitung .. Aber auch die Frage des Verhältnisses von Mathematik und Logik wurde zur Zeit al-Fārābīs diskutiert. Der im späten . und im frü-

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Anmerkungen des Herausgebers

hen . Jhd. in Kairo lebende Mathematiker Ahmad ibn Yūsuf berichtet von einer Diskussion im Palast des an Mathematik interessierten Scheichs Abū al-Walīd az-Zuhurī über die Elemente Euklids. Ibn Yūsuf wies dabei den Scheich darauf hin, daß zum Verständnis von mathematischen Begriffen wie z. B. »Proportion« eine höhere Wissenschaft, nämlich die Logik erfordert ist. Der Scheich akzeptierte dies nicht, aber ein weiterer Teilnehmer an dieser Diskussion ging zu Ibn Yūsuf, um entsprechenden Unterricht in der Logik zu erhalten. Vgl. Burnett , S.  – . Diese Diskussion zeigt, daß die Frage des Verhältnisses von Mathematik und Logik den arab. Wissenschaftlern des . Jhd.s als Problem durchaus bewußt war und die Position al-Fārābīs auch von Fachmathematikern seiner Zeit vertreten wurde. Die Schriften Ibn Yūsufs wurden im . Jhd. in Toledo ins Lateinische übersetzt, ob Gerhard von Cremona daran beteiligt war, ist aber nicht klar. Vgl. ebd., S. . ²² Im arab. Text, S. , steht iÝrab, das als Fachbegriff der Grammatik die Flexion sowohl des Substantivs wie auch des Verbs, also sowohl Deklination wie auch Konjugation, umfaßt. Vgl. auch Kap. I, Anm. . ²³ Al-Fārābī betont häufig, daß auch jemand, der über eine vollkommene Naturanlage verfügt, der Erziehung in der Logik und in den Wissenschaften bedarf. Vgl. z. B. al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. . ²⁴ Für dictiones steht im arab. Text, S. , alfaz (Pl. von lafz), was »sprachlicher Ausdruck« bedeutet. Vgl. auch Kap. I, Anm. . ²⁵ Für rationata steht im arab. Text, S. , maÝqulat . Vgl. dazu weiter oben Anm. . ²⁶ Im lat. Text wird die Beziehung von Vernunftgehalt und sprachlichen Ausdrücken beide Male mit significare ausgedrückt. Der Sachverhalt ist jedoch der, daß zwar sprachliche Ausdrücke (dictiones) Vernunftgehalte (rationata) bezeichnen, wogegen die Vernunftgehalte von sich aus nicht schon sprachliche Ausdrücke bezeichnen, wohl aber eine Beziehung zu diesen haben. Diese Beziehung von Bedeutungsgehalt und sprachlichem Ausdruck ist bei al-Fārābī gut aristotelisch konventionalistisch angesetzt. Es ist eine das Verhältnis von Grammatik und Logik bestimmende Grundüberzeugung al-Fārābīs, daß jeder sprachliche Ausdruck eine feste

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Beziehung zu einem bestimmten Vernunftgehalt hat, daß aber Vernunftgehalte keine solche feste Beziehung zu bestimmten sprachlichen Ausdrücken haben, sondern in verschiedenen Sprachen durch verschiedene sprachliche Ausdrücke eine jeweilige Wortform erhalten können. Aus einem auf Abū Bišr Mattā zurückgehenden Scholion ist ersichtlich, daß die Philosophen zur Zeit al-Fārābīs über die in Platos Kratylos enthaltene Diskussion über den konventionellen oder nicht-konventionellen Charakter sprachlicher Ausdrücke informiert waren. Daß Aristoteles den konventionalistischen Standpunkt vertrat, war selbstverständlich allen aus dessen Peri hermeneias bekannt. Vgl. al-Fārābī: Commentary on De Interpretatione, S. , dort auch als Anm.  das erwähnte Scholion. ²⁷ Der Verfasser der Marginalanmerkungen, der bisher ziemlich sachkundige und auf Arabischkenntnissen beruhende Erläuterungen geliefert hat, interpretiert hier das lat. res der Übersetzung durch forma . Dieser Hinweis wird jedoch durch den arab. Text, S. , in keiner Weise gestützt. Dort steht umur (Pl. von amr), und dies bedeutet ganz einfach »Tatsache / Sachverhalt«, und amr wird auch in philosophischen Kontexten nicht für »Form« gebraucht. Wie al-Fārābī dieses Wort im vorliegenden Zusammenhang versteht, läßt sich daraus gut ersehen, was er zu Aristoteles, De Interpretatione ,  a  – , in seinem Kommentar feststellt: Denn es folgt aus der Wahrheit einer Aussage, daß der Sachverhalt (amr) [der darin beschrieben wird] existiert, und es folgt aus der Falschheit einer Aussage, daß der Sachverhalt nicht existiert. (AlFārābī: Commentary on De Interpretatione, S. ; Übers. v. F. S.)

Es geht daher auch bei dem hier zu erläuternden Text aus De scientiis einzig um die Frage der Wahrheit von Aussagen, d. h. um die Übereinstimmung von Aussagen und Sachverhalten (umur), und nicht um die Frage der Form der Dinge. ²⁸ Das Wort lógos hat in der griech. Philosophie die doppelte Bedeutung von »Vernunft« und von »Wort«. Es ist in allen Sprachen beinahe unmöglich, ein Äquivalent für lógos zu finden. Al-Fārābī versuchte die Wiedergabe von lógos, indem er es durch zwei Worte interpretierte. Im arab. Text, S. , findet sich zunächst der Ausdruck nutq, der etwa »artikulierte Rede« bedeutet. Bei P m steht in

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Anmerkungen des Herausgebers

der Handschrift alnoct. Dazu zwei philologische Bemerkungen: () Die Transkription mit o anstelle von u entsprach der damaligen Praxis, ebenso die Schreibung von c anstelle von q. () Die Verwechslung von c und t kommt häufig vor, da diese beiden Buchstaben in der damaligen Schrift schwer zu unterscheiden waren, richtig wäre also alnotc. Mit der Schreibung alnoct liegt vermutlich ein Fehler des Kopisten vor, was einen Hinweis darauf liefert, daß es sich bei P um eine Abschrift von einer Vorlage handelt, in der die Marginalanmerkungen P m bereits vorhanden waren. Der zweite Ausdruck, den al-Fārābī für lógos verwendet, ist qaul (Pl. aqwal), was »Wort / Rede / Lehrmeinung« bedeutet. Gerhard von Cremona hat richtig verstanden, daß es hier um den Begriff lógos geht, und führte wieder den griech. Begriff ein, bezog diesen aber nur auf den ersten der beiden Ausdrücke, nämlich auf nutq, was eine gewisse Berechtigung hat, da von der gleichen Wurzel wie nutq auch der arab. Fachbegriff für »Logik«, nämlich mantiq, abgeleitet ist. Den zweiten Ausdruck, nämlich qaul, übersetzte Gerhard von Cremona mit sermo, was durchaus adäquat ist. Ohne jeweils den anderen Aspekt auszuschließen, hebt also nutq eher auf »Vernunft« und qaul eher auf »Sprache« ab. Wenn man allerdings, wie Gerhard von Cremona dies berechtigterweise tut, auf den ursprünglichen griech. Begriff lógos zurückgreift, könnte dieser zweite Ausdruck unübersetzt bleiben, was aber nicht den Übersetzungsprinzipien des . Jhd.s entsprach. Es ist jedoch klar, daß nutq und qaul nicht gleichgeordnete Begriffe sind, da im weiteren deutlich wird, daß nutq als lógos der übergeordnete Begriff ist. Al-Fārābī spricht im folgenden von einem inneren und einem äußeren Logos. Damit wird der lógos im spezifisch stoischen Sinn verwendet: Der »innere Logos« ist der lógos endiáthetos der stoischen Sprachphilosophie, der »äußere Logos« ist der lógos prophorikós. Vgl. HWPh V , Sp.  f. Im inneren Logos finden sich dann die rationata (arab. maÝqulat , vgl. weiter oben Anm. ), während der äußere Logos durch die Stimme bzw. den Laut gekennzeichnet ist, wobei al-Fārābī hier, arab. Text, S. , genau den engen Begriff sawt verwendet (vgl. dazu Kap. I, Anm. ), was Gerhard von Cremona auch wieder sehr genau durch vox wiedergibt. Es ergibt sich somit folgende Übersicht:

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Stoiker

Al-Fārābī

Gerhard von Cremona

lógos endiáthetos

an-nutq ad-dajila

logos interior

lógos prophorikós

an-nutq al-harifa

logos exterior

Zur Unterscheidung in innere und äußere Rede vgl. al-Fārābī: Risālah, S. . Vgl. auch Endreß , S. . Durch diese Unterscheidung gelingt al-Fārābī eine klare Unterscheidung der Bereiche von Grammatik und Logik. Sie läßt aber die Möglichkeit offen, in einem weiteren Sinn auch die Regeln der äußeren Rede als mantiq, d. h. als Logik zu bezeichnen. Darauf greift al-Fārābī weiter unten im Text zurück. Vgl. auch weiter unten Anm. . Gundissalinus: De scientiis, S. , vermeidet die bei Gerhard von Cremona mit lógos gegebene Doppeldeutigkeit, indem er nutq mit ratio und qaul mit sermo wiedergibt (duo sunt, scilicet sermo et ratio: sermo in voce, ratio in mente). Die eindeutige Aufteilung auf ratio und sermo dürfte jedoch die Auffassung al-Fārābīs verkürzen, da damit die Frage der Beziehung von Vernunft und Sprache, von Denken und Sprechen ausgeblendet ist. Al-Fārābī stellt nicht einfach Vernunft und Sprache gegenüber, sondern Vernunftrede und Sprachrede. Daß dabei erhebliche Fragen offenbleiben, ist nicht zu übersehen. Eine Auffassung, die der al-Fārābīs nahesteht, findet sich auch bei den Brüdern der Reinheit: Die Denkrede ist das Ursprüngliche [Wurzel], die Wortrede das Abgleitete [die Zweige]. Die Worte sind nur Zeichen, die auf Bedeutungen in den Gedanken der Seele hinführen. Dieselben wurden unter den Menschen festgesetzt, auf daß ein jeder Mensch die in seiner Seele sich vorfindenden Bedeutungen bei Anrede und Frage aussage. (Brüder der Reinheit: Die Logik und Psychologie der Araber, S. )

²⁹ Dasselbe sagt al-Fārābī in der Risālah, S. . ³⁰ Die einfachsten zusammengesetzten Ausdrücke bestehen aus einem Substantiv und einem Adjektiv. Ausdrücke, die aus einem Substantiv und einem Adjektiv bestehen, können attributiv sein, wie z. B. »weißer Mensch«, oder prädikativ, wie z. B. »Ein Mensch [ist] weiß«. Nur letzeres ist eine Aussage. Da es im Arabischen im Prä-

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Anmerkungen des Herausgebers

sens keine Kopula gibt, unterscheiden sich diese beiden Ausdrücke im indeterminierten Gebrauch in ihrer sprachlichen Form nicht, die verschiedene Bedeutung / Funktion wurde aber von den Grammatikern selbstverständlich genau unterschieden. Al-Fārābī weist im Traité des termes utilisés en logique, S.  f., auf die Möglichkeit hin, es im Arabischen eindeutig zu machen, daß es sich um einen prädikativen Ausdruck, also um eine Aussage handelt, z. B. durch die Setzung einer Partikel in folgender Form: »Sicher (inna): Zaid [ist] ein Lebewesen.« Eine weitere Möglichkeit besteht in der Einfügung eines Personalpronomens, z. B.: »Das Pferd, es (huwa) [ist] ein Lebewesen.« ³¹ »Name« (arab. ism) umfaßt Substantive und Adjektive, also Allgemeinbegriffe ebenso wie Eigennamen. ³² Zu »Präpositionen« im Sinn von »Partikeln« oder »synkategorematischen Begriffen« vgl. Kap. , Anm. . ³³ Zu ponderate (arab. mauzun) vgl. Kap I, Anm. . ³⁴ Mit arab. marfuÝ wird als Fachbegriff der Grammatik ein im Nominativ stehendes Wort mit der entsprechenden Aussprache des Endvokals bezeichnet. Mit mansub als Fachbegriff wird ein im Akkusativ stehendes Wort mit der entsprechenden Aussprache gekennzeichnet. Vgl. Kap. I, Anm. , und weiter unten Anm. . Zu marfuÝ und mansub vgl. EI VII , S.  f. Mit fida, von dem der Autor der Maginalanmerkungen spricht, ist möglicherweise arab. fariza gemeint, was »Komma«, also lat. virgula bedeutet. Ein komma-ähnliches Zeichen über dem Schlußkonsonanten bezeichnet das u , das den Nominativ kennzeichnet. ³⁵ Im Arabischen steht das Leitwort des Genetivs im sog. status constructus, vor dem der Artikel al nicht steht, während die Determination bzw. Indetermination des gesamten Ausdrucks nur am folgenden Genetivausdruck sichtbar wird, also z. B. »[das] Haus des Königs« oder »[das] Haus eines Königs«. – Der Dativ wird hier nicht aufgeführt, da es im Arabischen für diesen keine eigene Deklinationsform gibt. Die Dativbeziehung wird durch Präpositionen konstruiert. ³⁶ Das Beispiel der Nominativ- bzw. Akkusativendungen scheint zu einem Standardbeispiel für die Verschiedenheit der Sprachen geworden zu sein. Ar-Rāzī ( – ) verweist in einer Diskussion

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über die Unterscheidung der Wissenschaften, die sich mit notwendigen, und solchen, die sich mit konventionellen Gegenständen befassen – diese Unterscheidung entspricht u. a. in etwa auch der in »arabische« und »fremde« Wissenschaften, vgl. dazu Einleitung . – , auf marfuÝ (Nominativ) und mansub (Akkusativ), also bestimmte sprachliche Formbildungen, die es nur im Arabischen gibt, um den konventionellen Charakter der Sprache nachzuweisen. Vgl. Elamrani-Jamal , S. . Al-Bīrūnī ( – ) läßt einen Perser, der das Arabische nicht gebrauchen will, sagen: »Welcher Nutzen sollte darin liegen, das Subjekt auf ›u‹ enden zu lassen und das Objekt auf ›a‹, und was es in deinem System sonst noch an Regeln und Besonderheiten der Sprache gibt, denn ich brauche das Arabische gar nicht.« (Al-Bīrūnī: In den Gärten der Wissenschaft, S. )

³⁷ Durch seine Übersetzung eliminiert Gerhard von Cremona die argumentative Pointe al-Fārābīs. In der lat. Übersetzung liest sich der Text in folgender Weise: Im Arabischen wie im Griechischen ist die Grundunterscheidung der Redeteile die in Nomen, Verb und Präposition (statt »Präposition« wäre auch hier »Partikel« die richtige Übersetzung, vgl. Kap I, Anm. ). Al-Fārābī verwendet jedoch – sicher ganz bewußt – für die Einteilung bei den arab. und den griech. Grammatikern verschiedene Ausdrücke: in arabico in greco

oratio kalam qaul (= lógos)

nomen ism ism (= ónoma)

verbum fiÝl kalima (= rhêma)

prepositio harf adah (= sýndesmos)

Außer beim Nomen finden sich also im arab. Text, S.  f., jeweils verschiedene Ausdrücke entsprechend dem Gebrauch der arab. Grammatiker für das Arabische und dem (ins Arabische übersetzten) Gebrauch der griech. Grammatiker für das Griechische. Und daher lautet das implizite Argument al-Fārābīs so: Die arab. wie die griech. Grammatiker haben jeweils mit einer eigenen Terminologie die Grundbestandteile eines Satzes – den sie auch wiederum mit verschiedenen Termini bezeichnet haben – identifiziert. In der logischen Analyse dieser Termini zeigt sich jedoch, daß mit diesen

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Anmerkungen des Herausgebers

verschiedenen sprachlichen Ausdrücken jeweils ein und dasselbe gemeint ist, sie haben also ein und dieselbe Bedeutung. Die logische Grundstruktur verschiedener Sprachen ist also ein und dieselbe, obwohl die Grammatiker für die einzelnen Bestandteile verschiedene Fachbegriffe gebrauchen. Diese Analyse der Ausdrücke, die die Grammatiker gebrauchen, ist für al-Fārābī auch ein Beispiel dafür, daß für ein und denselben Sachverhalt in der Vernunft (lat. sermo fixus in anima) verschiedene sprachliche Ausdrücke (lat. sermo exterior cum voce) gebraucht werden können. Vgl. dazu oben Anm. . Zur Einteilung der Redeteile bei Aristoteles, die in etwa der weiter oben für die griech. Grammatiker angegebenen entspricht, vgl. Steinthal  / , I, S.  – . Eine Abhängigkeit der frühen arab. Grammatiker von der aristotelischen Tradition dürfte nach Gätje , S. , eher auszuschließen sein, während Hasnaoui , S. , eine solche Abhängigkeit für wahrscheinlich hält. ³⁸ Der Schluß von zwei Sprachen auf alle ist natürlich für eine Induktion etwas zu schwach. Bei Gundissalinus: De scientiis, S.  f., findet sich im Zusammenhang der Einteilung der Redeteile in Nomen, Verb und Präpositionen eine Ergänzung, die aber einer Korrektur gleichkommt: Sed hec divisio non est eadem apud omnes gentes. Damit liefert Gundissalinus sicher keine Interpretation im Sinne al-Fārābīs. ³⁹ Das alii im lat. Text ist grammatikalisch nicht korrekt, am ehesten ist aliis anzunehmen. ⁴⁰ D. h. die Etymologie des Wortes »Logik«. Es geht hier allerdings eigentlich nicht um die Etymologie von »Logik«, sondern um die Bedeutung von lógos. Dies entspricht auch in etwa dem Sinn von Ýunwan, das im arab. Text, S. , steht, was »Titel / Überschrift« und nicht »Etymologie« bedeutet. ⁴¹ Im Arabischen wird für »Logik« mantiq gebraucht, das al-Fārābī in folgender Weise erklärt: Sein Name (mantiq) ist abgeleitet von nutq, Vernunft, artikulierte Rede. (Al-Fārābī: Risālah, S.  f.)

Auf diese Erklärung des Namens folgt dann, ebd. S. , genau dieselbe Dreiteilung der Logik wie im Text von De scientiis. Vgl. auch weiter oben Anm. .

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⁴² Ich übersetze so, als ob hier ab homine stünde. Dieser ganze Satz ist im lat. Text syntaktisch schwer verständlich. Bei Gundissalinus: De scientiis, gibt es dazu keine Parallelstelle. Auch G und B hatten offensichtlich mit dem Verständnis des Satzes Schwierigkeiten, sie leiteten ihn mit que statt wie P mit qua ein, was aber auch keinen besseren Sinn ergibt. Die vorgeschlagene Korrektur entspricht sowohl in etwa dem arab. Text, S. , als auch dem bei Jehuda ÝAqnīn vorliegenden Text, der von Güdemann , S. , in folgender Weise übersetzt wird: »das dem Menschen anerschaffene Seelenvermögen, mittels dessen er zu unterscheiden vermag, das dem Menschen allein unter allen lebenden Wesen eignet und wodurch er in den Besitz von Erkenntnissen, Wissenschaften und Kunstfertigkeiten gelangt«. Auch Güdemann spricht ebd., Anm. , von einer »sehr verstümmelten Textstelle«. Der dt. Übersetzung des Textes ÝAqnīns entspricht auch die ital. Übersetzung der hebr. Version des Qalonymos. Vgl. Zonta , S. . Auch die am Beginn des Satzes von P m hinzugefügte Marginalanmerkung ist nicht eindeutig. Im lat. Text steht virtus animalis, und P m erläutert animalis durch ab · n·a · . Die beiden Punkte vor und nach n·a bedeuten, daß es hier um die Wortbedeutung geht, der Punkt darüber bedeutet, daß es sich um eine Abkürzung handelt. Obwohl sich für diese Abkürzung natura eher nahelegt, meine ich – kontextgebunden – daß damit anima gemeint ist. P m will also vielleicht zum Ausdruck bringen, daß animalis nichts mit »tierhaft« zu tun hat, sondern von »Seele« abgeleitet ist. ⁴³ Die Logik wird also nicht nur auf die Unterscheidung von wahren und falschen Aussagen, sondern auch auf die von guten und bösen Handlungen und somit auf die theoretische wie auf die praktische Philosophie bezogen, wie al-Fārābī an verschiedenen Stellen betont, vgl. z. B.: Die Kunst der Logik ist ein Instrument, mit dem, wenn es in den verschiedenen Teilen der Philosophie angewendet wird, eine sichere Erkenntnis von all dem erlangt wird, was die verschiedenen theoretischen und praktischen Künste enthalten, und es gibt außer der Logik keinen Weg zur Sicherheit der Wahrheit bei irgendetwas, dessen Erkenntnis gesucht wird. (Al-Fārābī: Risālah, S. ; Übers. v. F. S.)

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Anmerkungen des Herausgebers

Al-Fārābī übernimmt hier eine letztlich auf die Stoiker zurückgehende Auffassung spätantiker Aristoteles-Kommentatoren, die jedenfalls seit Elias (. Jhd.) bezeugt ist. Vgl. Elias: In Categorias, S. ,  – . Vgl. dazu Zimmermann, Einleitung zum Commentary on De Interpretatione, S. CXXIII , Anm. . Die arab. Philosophen haben diese Auffassung von den Syrern übernommen. Vgl. Hein , S.  f. Diese Auffassung findet sich schon vor al-Fārābī z. B. bei al-ÝĀmirī (gest. ): Die Logik ist ein intellektuelles Instrument, da es der rationalen Seele erst richtig ermöglicht, zwischen Wahrheit und Unwahrheit bei spekulativen Problemen und zwischen Gut und Böse in praktischen Fragen zu unterscheiden. (Rosenthal , S. )

Die gleiche Auffassung findet sich auch bei den Brüdern der Reinheit im Zusammenhang der zentralen Frage des Beweises. Dort wird auch wie bei al-Fārābī der Vergleich mit Meßinstrumenten herangezogen: Denn der Beweis ist die Waage der Gelehrten, durch welche sie Wahrheit und Lüge, das Richtige und Falsche, wie auch das Rechte und Unrechte, das Gute und Böse gerade so von einander scheiden wie die große Menge durch Gewicht, Maß und Elle den eigentlichen Wert der gewogenen, gemessenen und abgemessenen Dinge erkennt. (Brüder der Reinheit: Logik und Psychologie der Araber, S. )

Al-Fārābīs Auffassung wurde auch von seinen Nachfolgern vertreten, besonders dort, wo eine Verteidigung der Logik erforderlich war, so z. B. bei Ibn ÝAdī. Vgl. Maroth , S.  f. Zu Ibn ÝAdī ( /  – ), einem christlichen Schriftsteller, vgl. Netton, , S.  – . Auch islamische Kritiker der griech. Philosophie betonen den Nutzen der Logik für die ethische Vervollkommnung des Menschen. Ein Beispiel dafür findet sich z. B. bei al-Ghazālī: Wir werden sagen, daß jeder Nutzen gering ist im Vergleich zu der ewigen Glückseligkeit, die die Glückseligkeit des anderen Lebens ist. Diese Glückseligkeit aber hängt von der Vollkommenheit der Seele ab. Die Vollkommenheit der Seele aber besteht in zweien, der

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Reinheit und dem Schmuck. […] Und sie [d. h. die Seele] kann zwischen ehrenhaften und unehrenhaften Sitten nicht unterscheiden, es sei denn durch das Wissen. […] Es gibt aber keinen Weg, um zum Wissen zu gelangen, es sei denn durch die Logik. Folglich besteht der Nutzen der Logik im Erfassen des Wissens. Der Nutzen des Wissens ist das Erlangen der ewigen Glückseligkeit. Wenn es also feststeht, daß die ewige Glückseligkeit nur durch die Vollkommenheit der Seele erreicht werden kann, die nur in der Reinheit und im Schmuck besteht, dann ist die Logik in der Tat eine Wissenschaft größten Nutzens. (Algazel: Logica, S.  f.; Übers. v. F. S.)

Auch Gundissalinus: De divisione philosophiae, S. , betont bei der Darlegung des Nutzens der Logik die durch sie ermöglichte Erkenntnis des Wahren und Guten, geht aber im weiteren darauf nicht ein. In der lat. Logik hat diese Zielsetzung dann auch kaum eine Rolle gespielt. ⁴⁴ Nach der Auffassung der Stoiker ist der Logos im Menschen vom Beginn des Lebens an vorhanden, entfaltet sich jedoch erst ab dem . Lebensjahr. Vgl. HWBPh V , Sp. . ⁴⁵ Elamrani-Jamal , S. , Anm. , weist darauf hin, daß al-Fārābī z. B. das Buch von Ibn as-Sikkit (gest. ) gekannt haben könnte, das den Titel Islah al-mantiq (Grundlage der Logik) trägt, tatsächlich aber nur das behandelt, was al-Fārābī den »äußeren Logos« nennt. Vgl. dazu Sezgin  – , VIII , S.  f. ⁴⁶ Der gesamte folgende Teil, d. h. die Aufzählung der acht Teile der Logik, der fünf Arten der Syllogismen und der Verweis auf die entsprechenden Bücher des Aristoteles findet sich in Kurzform auch in al-Fārābī: Risālah, S.  f. Die acht Teile sind offensichtlich weniger systematisch konstruiert, sondern an den acht Büchern des aristotelischen Organon orientiert, so wie diese in den spätantiken syr. und arab. Einleitungen zu den aristotelischen Schriften aufgezählt werden. Al-Fārābī versucht aber – auch wieder unter Übernahme spätantiker Einteilungsprinzipien –, den Inhalt dieser Bücher in eine systematische Ordnung zu bringen, worauf er am Ende von Kap. II nochmals zurückkommt. Bei dieser an Buchtiteln orientierten Einteilung fällt allerdings auf, daß al-Fārābī die Eisagoge des Porphyrios nicht in die Auf-

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Anmerkungen des Herausgebers

zählung aufnimmt, obwohl diese Schrift schon in der spätantiken und der syr. Tradition zum Kanon der logischen Schriften gehörte. Vgl. Rescher , S.  f. Dieser Kanon wurde weithin auch von den arab. Philosophen übernommen. Zu den syr. und arab. Übersetzungen der Eisagoge und den Kommentaren dazu vgl. Peters  a, S.  – . Auch al-Iwārizimī zählt neun Teile der Logik auf. Vgl. Rosenthal , S. . Dasselbe gilt für die Aufzählung bei den Brüdern der Reinheit: Logik und Psychologie der Araber, S.  f. Al-Fārābī kannte selbstverständlich die Eisagoge und hat ihr auch einen eigenen kleinen Traktat gewidmet. Möglicherweise liegt der Grund dieses Fehlens darin, daß al-Fārābī seine Aufzählung der Teile der Logik mit den Arten der Syllogismen in Verbindung bringt, die Fragen, die in der Eisagoge behandelt werden, seiner Auffassung nach aber alle syllogistischen Disziplinen betreffen, wie er gleich zu Beginn seines Traktats feststellt (Al-Fārābī: Eisagoge, S. ). In diese Richtung deutet auch die Mitteilung Ibn Bāffas (um  – ), der u. a. Kommentare zu al-Fārābīs Logik verfaßte und der feststellte, daß alFārābī der einzige war, der die Eisagoge nicht für eine Einleitungsschrift, sondern für eine »teilweise Logik« hielt. Vgl. Dunlop in der Einleitung zu al-Fārābī: Eisagoge, S. . Der unmittelbare Grund, warum al-Fārābī nur acht Teile der Logik aufzählt, liegt vermutlich darin, daß seine unmittelbare Vorlage, die Schrift Pauls des Persers (vgl. dazu Einleitung .), keine allgemeine Einleitung in die Philosophie oder in die Logik war (in solchen Einleitungen war auch die Schrift des Porphyrios immer enthalten), sondern eine Einleitung in die Schriften des Aristoteles. Die acht Teile der Logik entsprechen folgenden aristotelischen Schriften: Kategorien, Peri Hermeneias, Topik, . und . Analytik, Sophistische Widerlegungen, Rhetorik, Poetik. In der lat. Zählung des Organon sind die Rhetorik und die Poetik nicht mitenthalten. Die Einteilung der Logik in acht Teile, also unter Einschluß der Rhetorik und der Poetik, ist von den arab. Übersetzern und Philosophen aus der spätantiken griech. Tradition übernommen worden, die jedenfalls zur Zeit des Ammonios (vor  –  / ) bereits fest etabliert war. Vgl. Moraux , S.  – . Die Zusammenfassung nur der acht aristotelischen Bücher der Logik als eine Einheit stellte

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eine Tradition dar, die sich auch später hielt und die gerade mit Berufung auf al-Fārābī vertreten wurde. Sie findet sich z. B. bei ÝAbd al-Latīf al-Bagdādī, der Glossen zu den Zusammenfassungen der entsprechenden Logik-Texte al-Fārābīs verfaßte, vgl. Gutas , S. , und sie findet sich auch noch im . Jhd. bei Ibn al-Akfānī, vgl. ebd., S. . ⁴⁷ Der arab. Fachbegriff für »Syllogismus« ist qiyas (Pl. qiyasat), vgl. arab. Text, S. . Diese Terminologie war für al-Fārābī bereits durch die arab. Übersetzung(en) der . Analytik des Aristoteles vorgegeben. Vgl. Lameer , S.  f. Der Ausdruck qiyas ist jedoch nicht nur ein Fachbegriff der Logik, sondern auch des Rechts (Analogieschluß) und der Grammatik. Vgl. EI V , S.  b –  b. Gerhard von Cremona ist daher im Recht, wenn er qiyas an der vorliegenden Stelle mit syllogismus übersetzt, an anderer Stelle aber mit dem viel allgemeineren Ausdruck ratiocinatio. Vgl. weiter oben Anm. . Einen solchen ziemlich weiten Begriff von qiyas benötigt al-Fārābī auch, um im folgenden von fünf Arten des Syllogismus sprechen zu können. ⁴⁸ Es gibt also acht Teile der Logik, aber nur fünf Argumentationsweisen. Der Ausgangspunkt, um von verschiedenen Arten von Schlüssen reden zu können, war eine Stelle in der . Analytik des Aristoteles: Wir müssen aber jetzt weiter davon reden, daß nicht nur die dialektischen (dialektikoì) und beweisenden (apodeiktikoì) Schlüsse (syllogismoì) durch die vorgenannten Figuren gehen, sondern auch die rhetorischen (rhêtorikoì) und überhaupt alle Überzeugungsweisen, welches auch ihre Methode sein möge. (Aristoteles: . Analytik II , ,  b  – ; Übers. Rolfes, S. )

Bei dem spätantiken Aristoteleskommentator Elias findet sich dann die Gruppe der fünf Arten des Syllogismus mit folgender Charakterisierung: apodiktischer Syllogismus: ganz wahr; poetischer Syllogismus: ganz falsch; dialektischer Syllogismus: mehr wahr als falsch; sophistischer Syllogismus: mehr falsch als wahr; rhetorischer Syllogismus: ebenso wahr wie falsch. Vgl. Elias: In Categorias, S. ,  – , . Vgl. dazu Moraux , S. , und Gutas , S.  – , der eine engl. Übersetzung der entsprechenden Stellen bei Elias und

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Anmerkungen des Herausgebers

Miskawaih (vgl. zu diesem Einleitung .) liefert. Al-Fārābī kannte diese Charakterisierung ganz genau: Einige dieser Beweise sind geradezu falsch, andere aber gemischt [aus falsch und wahr]. Den geradezu falschen Beweis lernt man aus seinem [d. h. des Aristoteles] Werk über die Dichtkunst [Poetik] kennen. Unter den gemischten Beweisen gibt es dann solche, bei denen »richtig und falsch« in gleichem Maß möglich ist, bei anderen überwiegt das Falsch das Richtig, bei anderen aber das Richtig das Falsch. Die halb richtigen, halb falschen Beweise lernt man aus seinem Buch über die Redekunst [Rhetorik], die aber, in denen das Falsch dem Richtig unterliegt, aus seinem Buch über das Disputable [die Topik] kennen; die Beweise aber, bei denen das Falsch das Richtig überwiegt, sind aus seinem Buch von der Kunst der Sophisten [Sophistik] zu ersehen. (Al-Fārābī: Vorstudien der Philosophie, S. )

Al-Fārābī kann allerdings in anderen Zusammenhängen die Charakterisierung des poetischen Syllogismus als »ganz falsch« nicht einfach übernehmen, da er den poetischen Bildern und Vorstellungen ja eine wichtige Funktion bei der Vermittlung von Wahrheitsgehalten an das Volk zuordnet (zu diesen »Ähnlichkeiten« vgl. weiter unten Anm. , und Kap. V , Anm. ). Er schwächt daher diese Charakterisierung in anderem Zusammenhang ab, sagt aber doch, daß die Dichter nicht im wahren Sinn des Wortes »syllogisieren« (Al-Fārābī: Canons of the Art of Poetry, S. ). Eine Anwendung des Syllogismus im Rahmen der Dichtkunst kann nach al-Fārābī z. B. folgende Form haben: Wenn eine Ähnlichkeit zwischen A und B und ebenso zwischen B und C besteht, so besteht auch eine Ähnlichkeit zwischen A und C (ebd., S. ). Zum »poetischen Syllogismus« vgl. Black , Schoeler , und Aouad / Schoeler . Weniger problematisch ist die formale Struktur des rhetorischen Syllogismus. Dieser ist dadurch charakterisiert, daß eine der beiden Prämissen im rhetorischen Diskurs nicht ausdrücklich aufgeführt wird. Vgl. Galston , S. . Dies ist dort unproblematisch, wo die »verschwiegene« Prämisse wahr ist, problematisch jedoch dann, wenn sie unsicher oder falsch ist und gerade deshalb »verschwiegen« wird, um zu verhindern, daß die Aufmerksamkeit auf sie gelenkt wird.

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⁴⁹ Für scientia steht im arab. Text, S. , Ýilm, was genau so wie das lat. scientia sowohl »Wissen / Erkenntnis« als auch »Wissenschaft« bedeuten kann. Die Übersetzung von scientia ist daher kontextabhängig. ⁵⁰ In P stand zunächst similitudine, das dann von P c zu similitudo korrigiert wurde, was anzeigt, daß der Autor der Marginalanmerkungen bei der ihm vorliegenden Lesung Schwierigkeiten hatte. Die richtige Übersetzung findet sich hingegen in G mit sollicitudo. Für die Textgeschichte interessant dabei ist, daß die falsche Übersetzung in P bereits auf eine falsche Lesung des arab. Textes zurückgehen dürfte. Im arab. Text, S. , steht šubha , was »Unklarheit« bedeutet, und dem entspricht in Annäherung die lat. Übersetzung mit sollicitudo. Es gibt jedoch ein davon graphisch nur geringfügig unterschiedenes Wort, nämlich šabah, das »Ähnlichkeit« bedeutet, also lat. similitudo. Die Annahme, daß in der ursprünglichen Übersetzung sollicitudo gestanden hat, das dann vom Schreiber falsch als similitudo / similitudine gelesen wurde, ist eher unwahrscheinlich (kann aber auch nicht ausgeschlossen werden). Dann aber legt sich die Annahme nahe, daß Gerhard von Cremona entweder einen fehlerhaften arab. Text vor sich hatte oder er aufgrund der Verwechslung der beiden arab. Worte tatsächlich similitudo geschrieben hat, so wie es P c vermutete. Zwischen dem ursprünglichen Text der Übersetzung und G müßte dann aber eine Revision des Textes stattgefunden haben, die von einem Bearbeiter durchgeführt wurde, der an dieser Stelle eine Korrektur entsprechend dem arab. Text vorgenommen hat. Aber auch diese Annahme bleibt mangels entsprechender ähnlicher Stellen in G sehr fraglich. ⁵¹ Für opinio steht im arab. Text, S. , tuhma , was »irrtümliche Meinung« bedeutet. Es geht hier also nicht um die Gegenüberstellung von Wissen und Meinung, sondern um die von Wissen und Irrtum. Der arab. Fachbegriff für »Meinung« im Sinne des griech. dóxa im Unterschied zu »Wissen« wäre zann. Zu zann vgl. weiter oben Anm. . ⁵² Zu famosis vgl. die Anm.  zum Einleitungskapitel al-Fārābīs. ⁵³ In dem beschriebenen Fall ist also weder die Argumentation des Verteidigers noch die des Angreifers eine korrekte topische Argumentation.

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Anmerkungen des Herausgebers

⁵⁴ Die Quelle dieser Etymologie ist, wie Gutas , S.  – , festgestellt hat, die folgende: Der arab. Übersetzer des Einleitungstraktats Pauls des Persers (vgl. dazu Einleitung .) hat zu diesem Text erklärende Glossen hinzugefügt, eine davon ist die Etymologie von sophístês. Al-Fārābī nimmt dabei jedoch gegenüber seiner Quelle zwei Änderungen vor: () Als die Vertreter der falschen Interpretation werden in der Glosse die mutakallimun, also die muslimischen Theologen, genannt; al-Fārābī schwächt dies zu der unbestimmten Aussage über »einige« ab. () In der Glosse findet sich die korrekte Worttrennung (in arab. Umschrift) soph-istes ; al-Fārābī, der, ohne Griechisch zu können, doch sicher die griech. Worte sophós und sophía kannte, setzte als ersten Teil von sophístês das ihm bekannte Wort sophós ein und erfand sich dann für den zweiten Teil, d. h. für estos eine Bedeutung. Zu der Frage der Griechischkenntnisse al-Fārābīs vgl. Einleitung .. Der Grund dafür, daß al-Fārābī diese sonderbare, sachlich gar nicht erforderliche »Etymologie« vorlegt, bleibt allerdings völlig unklar. Auch der jüdische Philosoph Jehuda ÝAqnīn übernimmt wörtlich diese falsche Etymologie al-Fārābīs. Vgl. Güdemann , S. . Hingegen fehlt bei diesem die ja auch bei al-Fārābī ziemlich überflüssige Erläuterung, daß »Sophist« nicht auf einen Eigennamen zurückgeht. Der jüdische Übersetzer Qalonymos hingegen übernimmt den gesamten Text der »Etymologie« al-Fārābīs. Vgl. Zonta , S.  f. Zu den jüd. Versionen von De scientiis vgl. Einleitung .. Die Sophistik und die entsprechende aristotelische Schrift traf bei den arab. Philosophen auf großes Interesse. Al-Fārābī bespricht sie in seiner Darstellung der aristotelischen Schriften unverhältnismäßig ausführlich. Vgl. auch al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotles, S.  – . Auch die Textgeschichte der arab. Übersetzungen der Sophistischen Widerlegungen ist im Vergleich zu der anderer aristotelischer Schriften auffallend reich und kompliziert. Vgl. weiter unten Anm. . Möglicherweise stand dieses Interesse in Zusammenhang mit der Verteidigung der Logik als Instrument des Aufdeckens von Irrtümern. Vgl. weiter oben Anm. . Es ist auffällig, daß auch im Bereich der lat. Philosophie die Sophistischen Widerlegungen im . Jhd. besonderes Interesse hervorriefen und von allen

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neu übersetzten aristotelischen Schriften zur Logik am raschesten Eingang in die Schulen fanden. Vgl. Schupp , II , S.  f. ⁵⁵ Der lat. Ausdruck sufficientia ist etwas ungeschickt gewählt. Im arab. Text, S. , steht iqnaÝ, was »Überredung / Überzeugung« bedeutet. Gerhard von Cremona ließ sich bei seiner Übersetzung wahrscheinlich von der Grundbedeutung des entsprechenden Verbs leiten, mit dem »sich begnügen / zufriedenstellen« ausgedrückt wird. Aber auch andere, so z. B. Hermann der Deutsche, verwendeten sufficientia zur Übersetzung von iqnaÝ. Vgl. al-Fārābī: Didascalia in Rhetoricam, S. , zum arab. Ausdruck Aouad  b, S. , Anm. . Die Aufgabenstellung der Rhetorik, durch Überredung eine hinreichende Überzeugung hervorzubringen, ist bei al-Fārābī wichtig für die politische und religiöse Überzeugungsarbeit. Vgl. z. B.: Die Rhetorik zählt zu den vornehmen und ausgezeichneten Künsten und ist ein vortreffliches Instrument, das zur Herrschaft der Staaten (pertinens ad regimina civitatum) gehört und das notwendig ist zur Durchsetzung (?) der Gesetze (in legum directione). (Al-Fārābī: Didascalia in Rhetoricam, S. ; Übers. v. F. S.)

Vgl. auch al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. , Book of Religion , S. , und Aphorism , S. . ⁵⁶ Das addite ist in seinem genauen Sinn in diesem Kontext schwer zu übersetzen. Offensichtlich konnte auch der Bearbeiter von G mit addite nicht viel anfangen, so daß er es zu audite veränderte, womit er sagen will, daß diesen Reden mehr Gehör geschenkt wird. Diese Variante hat aber im arab. Text, S. , keinen Anhaltspunkt, dort wird gesagt, daß bestimmte Reden azyad sind, was »vermehrt / höher / größer« bedeutet. ⁵⁷ Für immaginari facere steht im arab. Text, S. , tajyil. Der arab. Ausdruck tajyil bedeutet »eine Vorstellung hervorrufen«, und das von derselben Wortwurzel abgeleitete jayal entspricht dem griech. phantasía . Vgl. Heinrichs , S. , und Endreß , S. . Zu diesem wichtigen Begriff der Poetik vgl. EI X ,  a –  a, und Cantarino , S.  – , Heinrichs , S.  – . Vgl. auch Anm.  und . ⁵⁸ Die Vorstellungskraft ist entscheidend für Dichtung, wie alFārābī betont. Vgl. z. B. al-Fārābī: Aphorism , S. . Ein beinahe

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Anmerkungen des Herausgebers

gleichlautender Text, wie der hier in De scientiis vorliegende, findet sich im Kitāb aš-ŠiÝr (Buch der Dichtung). Vgl. Heinrichs , S.  f. Die in der Dichtung durch die Vorstellungskraft hervorgebrachten Bilder (Ähnlichkeiten) haben auch eine wichtige kommunikative Funktion. Um Menschen zu einer bestimmten Auffassung oder Handlung zu bewegen, sind poetische Vorstellungen und rhetorische Sprachformen nicht selten die einzig wirksamen Mittel. Poesie und Rhetorik haben so für al-Fārābī – vor allem im religiösen und politischen Kontext – eine ähnliche Funktion, werden aber doch genau unterschieden: Während mittels der Rhetorik eine Überzeugung hervorgerufen wird, ruft die poetische Vorstellung eine unmittelbare Reaktion hervor. Mit den Bildern der Dichtung wird die Überlegung gleichsam umgangen oder übersprungen, aber viele Menschen sind eben zu Überlegungen nicht in der Lage oder haben wegen anderer Tätigkeiten nicht die dafür erforderliche Zeit zur Verfügung. Um diese Menschen zu bestimmten Handlungen zu bewegen oder sie von bestimmten Handlungen abzuhalten, gibt es daher keinen anderen Weg als die Vermittlung solcher Handlungsmaximen durch entsprechende, von der Vorstellungskraft hervorgebrachte Bilder. Vgl. al-Fārābī: Aphorism , S.  f. Der Ursprung dieser Theorie des Zieles der Dichtung ist vor allem in antiken Schriften zur Einleitung in die Philosophie zu suchen, wo mit verschiedenen Erkennnisstufen – Vernunft, Meinung, Vorstellung – gearbeitet wird, die entsprechend abgestufte Prämissen für Syllogismen liefern. Vgl. Heinrichs , S.  – . Zur Bedeutung solcher Bilder im politisch-religiösen Bereich vgl. Kap. V , Anm. . ⁵⁹ Mit provisio liegt vermutlich bei Gerhard von Cremona ein kleiner Übersetzungsfehler vor. Im arab. Text, S. , steht dafür ruÞ ya , was »Überlegung« bedeutet. In der arab. Schrift ist davon nur durch ein Hamza-Zeichen unterschieden und leicht verwechselbar ein anderes Wort, nämlich rawiya , das »Anblick« bedeutet, das dann von Gerhard durch provisio wiedergegeben wird. Auch in den Kontext paßt »Überlegung« wesentlich besser als »Voraussicht«. Da aber auch letzteres einen immer noch sinnvollen Zusammenhang ergibt, fiel dies auch dem Autor von P m nicht auf. Vgl. auch die Übersetzung des Textes Jehuda ÝAqnīns bei Güdemann , S. , in der an dieser Stelle ruÞ ya mit »Einsicht« wiedergegeben wird.

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⁶⁰ Für opinativa steht im arab. Text, S. , zanni, also das Adjektiv zu zann, das der Fachbegriff für »Meinung« im Sinne der aristotelischen Topik ist. Vgl. auch weiter oben Anm. . Gundissalinus: De scientiis, S. , übersetzt diesen Ausdruck nicht mit opinativa , sondern mit putativa . ⁶¹ Bei der These, daß die einfachsten Aussagen aus zwei Ausdrücken zusammengesetzt sind, sind zwei Fälle zu unterscheiden: () Das Prädikat ist ein Verb (z. B. »Zaid geht«), dann entspricht diese Konstruktion der der griech. und lat. Syntax (z. B. Sortes currit). () Das Prädikat ist ein Prädikatsnomen, dann besteht eine solche Aussage im Präsens im Arabischen auch nur aus zwei Ausdrücken, da dort dafür keine Kopula erforderlich ist (also z. B. »Zaid [ist] ein Mensch«). Diese Satzform entspricht also nicht der griech. und lat. Syntax (z. B. Sortes est homo). Vgl. dazu weiter oben Anm. . Bei Aussagen mit anderen Zeitbestimmungen ist dann auch im Arabischen eine Kopula erforderlich, die anzeigt, für welchen Zeitpunkt die Aussage gilt. Deshalb stellt al-Fārābī in den Introductory Sections on Logic, S. , etwas präziser fest, daß eine solche Aussage aus zwei oder drei Ausdrücken besteht. Die Frage der im Präsens nicht vorhandenen Kopula stellte für al-Fārābī wie für alle arab. Logiker ein spezielles Problem dar. In der Sekundärliteratur wird dieses Problem eingehend diskutiert. Vgl. dazu z. B. Abed , S.  – . ⁶² Im folgenden hält sich al-Fārābī ziemlich genau an die arab. Version des Textes von Paul dem Peser samt den Erläuterungen des Übersetzers dieses Textes ins Arabische. Vgl. Gutas , S. . Zu Paul und dem Übersetzer vgl. Einleitung .. ⁶³ Heutige Transkription: Kitāb al-Maqūlāt. Im arab. Text, S. , findet sich der Buchtitel Kategoriai in Umschrift mit arab. Buchstaben. Dasselbe gilt auch für die weiteren Titel der aristotelischen Schriften. Der Autor der Marginalanmerkungen merkt hier rationata an, wobei er aber möglicherweise maqulat mit maÝqulat verwechselt. Vgl. zu letzterem weiter oben Anm. . Maqul (Pl. maqulat) bedeutet »Gesagtes / Rede«, die Übersetzung Gerhards von Cremona mit Cathegorie ist also vollkommen korrekt und entspricht dem standardisierten Buchtitel. ⁶⁴ Von den Kategorien sind drei syr. Übersetzungen erhalten, eine anonyme aus dem . Jhd. sowie eine von Jakob von Edessa

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Anmerkungen des Herausgebers

(gest. ) und eine weitere von Georg, dem Bischof der Araber (gest. ). Weitere, aber nicht erhaltene Übersetzungen bzw. Revisionen wurden von Yonan (. Jhd.) und Hunain ibn Ishāq (. Jhd.) hergestellt. Auch gab es bereits syr. Kommentare zu den Kategorien. Vgl. Steinschneider , § , Peters  a, S.  f., Brock , S.  f., und Hugonnard-Roche , S.  – . Im . Jhd. wurde von Ibn al-MuqaffaÝ eine arab. Übersetzung hergestellt, wobei es aber unklar ist, von welcher Sprache er dabei ausging. Im . Jhd. wurde dann, ausgehend von der syr. Übersetzung Hunain ibn Ishāqs, eine arab. Übersetzung von dessen Sohn Ishāq ibn Hunain hergestellt, von der alle späteren Versionen abhängig sind. Aus Zitaten ist ersichtlich, daß auch spätantike Kommentare zu den Kategorien den arab. Philosophen wenigstens teilweise bekannt waren. Vgl. Georr , Walzer , S. , Peters  a, S.  – , und Elamrani-Jamal , S.  – . Al-Fārābī verfaßte mehrere Schriften zu den Kategorien, darunter eine zusammenfassende Darstellung, vgl. al-Fārābī: Paraphrase of the Categories. Aus dieser Paraphrase geht hervor, daß alFārābīs Textgrundlage die Übersetzung des Ishāq ibn Hunain war. Die Kategorien des Aristoteles wurden nicht aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt, da von dieser Schrift bereits die bekannte lat. Übersetzung des Boethius vorlag. ⁶⁵ Es ergibt keinen Sinn zu sagen, so wie es im Text steht, daß die einfachen Reden (sermones simplices) wiederum aus zwei einfachen Reden (ex duobus sermonibus simplicibus) zusammengesetzt sind. Hier liegt ein eindeutiger Übersetzungsfehler Gerhards von Cremona vor: Mit sermo wird bei Gerhard eine Aussage bezeichnet, die aus zwei oder mehreren sprachlichen Ausdrücken, d. h. dictiones, besteht, die zwei oder mehreren Vernunftgehalten, rationata , zugeordnet sind. Richtig müßte es also heißen: regule sermonum simplicium rationatorum qui sunt compositi ex duobus rationatis simplicibus et dictionum significantium ea. Vgl. den arab. Text, S. , und die span. Übersetzung desselben bei Palencia , S. . ⁶⁶ Genauer wäre es, zu sagen, daß eine einfache Aussage aus zwei oder drei Ausdrücken besteht. Vgl. weiter oben Anm. . ⁶⁷ Der arab. Ausdruck wurde von P m hinzugefügt und steht in G im Text, gehörte also wohl zum ursprünglichen Text. Heutige Transkription: Kitāb al-ÝIbāra.

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⁶⁸ Von Peri hermeneias sind ganz oder teilweise drei syr. Übersetzungen erhalten. Eine stammt von Probus (. Jhd.), eine von Georg, dem Bischof der Araber, bei einer weiteren ist die Autorschaft unsicher. Auch Hunain ibn Ishāq hat eine Übersetzung hergestellt, die aber nicht erhalten ist. Im syr. Bereich wurden auch bereits Kommentare zu dieser Schrift hergestellt. Die arab. Übersetzung stammt von Ishāq ibn Hunain. Vgl. Steinschneider , § , Walzer, , S. , Peters  a, S.  – , Brock , S. , und Hugonnard-Roche , S.  – . Diese Übersetzung ist in der Pariser Handschrift ar.  (vgl. dazu Einleitung .) mit zahlreichen Glossen versehen, die zeigen, daß dieser Text schon früh kommentiert wurde. Vgl. Zimmermann in der Einleitung zu al-Fārābī: Commentary on De Interpretatione, S. LXIX . Al-Fārābī verfaßt zu Peri hermeneias einen kurzen zusammenfassenden Traktat und einen großen Kommentar. Beide Texte liegen in einer engl. Übersetzung von F. W. Zimmermann vor. Vgl. dazu auch Schneider . Die Interpretation al-Fārābīs beruht weithin auf jener der spätantiken Kommentatoren Theophrast, Alexander von Aphrodisias, Porphyrios und Ammonios, wobei al-Fārābī aber nicht mit vollständigen Übersetzungen der Kommentare, sondern mit Exzerpten arbeitete. Vgl. Zimmermann in der Einleitung zu al-Fārābī: Commentary on De Interpretatione, S. XCII – XCVIII . Peri hermeneias wurde nicht aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt, da bereits die von Boethius stammende und autoritativ gewordene lat. Übersetzung dieser Schrift vorlag. ⁶⁹ Arab. Kitāb al-Qiyās. ⁷⁰ Von der . Analytik des Aristoteles gab es verschiedene syr. Übersetzungen, die nur Kap. I VII enthalten. Vgl. Friedmann . Warum diese Übersetzungen nur die Kap. I – VII enthalten, wird weiter unten besprochen. Eine vollständige syr. Übersetzung stammt von Georg, dem Bischof der Araber. Aus Marginalien in der Pariser Handschrift ar.  geht aber hervor, daß es noch weitere syr. Übersetzungen gegeben haben muß. Vgl. Minio-Paluello , Brock , S. , Hugonnard-Roche , S.  f., und Lameer , S. . Aus dem syr. Bereich sind auch einige Paraphrasen und Scholien zur . Analytik sowie ein durchgehender Kommentar von Georg, dem Bischof der Araber, erhalten. Vgl. Brock , S. . In der Folge wurden von der . Analytik mehrere arab. Übersetzun-

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Anmerkungen des Herausgebers

gen angefertigt, von denen einige anonym sind, eine aber Yahyā ibn al-Bitrīq zugeschrieben wird. Vgl. Walzer , S. , Peters  a, S.  – , und Hugonnard-Roche , S.  f. Erhalten (so in der Handschriften Paris ar. ) ist aber nur eine Übersetzung, deren Übersetzer als Theodorus (Taeārī) angegeben wird, über dessen Identität verschiedenste Vermutungen vorgetragen wurden. Nach Lameer , S.  – , kann dieser Theodorus als Istifan ibn Basīl identifiziert werden, der mit Hunain ibn Ishāq zusammengearbeitet hatte und der seine Übersetzung auch letzterem zur Überprüfung vorgelegt hat. Die Übersetzung Taeārīs wurde vermutlich in der folgenden Zeit mehrmals revidiert. Es gab schon vor al-Fārābī arab. Paraphrasen und Kommentare zu Teilen der . Analytik, vor allem zur Lehre von den Syllogismen, so z. B. von al-Kindī, die aber nicht erhalten sind. Der wichtigste, aber nur in Zitaten erhaltene Kommentar stammte von Abū Bišr Mattā, einem der Lehrer al-Fārābīs. Dieser Kommentar umfaßte die gesamte . Analytik. Der einzige erhaltene arab. Kommentar zur . Analytik ist aber der von al-Fārābī. Dieser Kommentar liegt auch in einer engl. Übersetzung aus dem Arabischen von N. Rescher vor. Al-Fārābī gibt in seinem Kommentar den Text des Aristoteles in der Übersetzung des Taeārī wieder, und zwar in einer Textform, die weithin der Pariser Handschrift ar.  entspricht. Vgl. zu dieser Handschrift Hugonnard-Roche , S.  – . Der Kommentar al-Fārābīs in der eben genannten Form ist nicht vollständig, es wurde inzwischen ein Fragment vom Ende dieses Kommentars aufgefunden, das aber bisher nicht veröffentlicht ist. Vgl. Hugonnard-Roche , S. . Wichtige historische und systematische Fragen, die sich aus al-Fārābīs Kommentar ergeben, werden ausführlich von Lameer  behandelt. In der Liste der Übersetzungen Gerhards von Cremona findet sich auch eine al-Fārābī zugeschriebene Schrift De syllogismo. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . Dieser Text ist allerdings nicht erhalten. Es könnte sich dabei um eine kurze Zusammenfassung der . Analytik gehandelt haben. Da in der Liste al-Qiftīs mehrere Titel zu der Lehre von den Schlüssen aufgeführt sind, ist eine Identifizierung dieser Übersetzung Gerhards nicht möglich. Vgl. Hugonnard-Roche , S.  f. Aus Zitaten vor allem bei Albertus Magnus läßt sich aber erschließen, daß außer

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dem Kommentar al-Fārābīs zur . Analytik auch eine oder mehrere Schriften al-Fārābīs zur Syllogistik in lat. Übersetzung vorhanden gewesen sein müssen. Vgl. Grinaschi , S.  – . Eine Kommentierung der gesamten . Analytik stellte gegenüber der syr. Tradition eine Neuerung dar, von der al-Fārābī selbst berichtet. Al-Fārābī wurde von seinem syr. nestorianischen Lehrer Yūhannā ben Haylān in das Werk des Aristoteles eingeführt und erhielt auch von diesem bestimmte historische Informationen. Daraus stellte al-Fārābī mit seiner These über das Auftreten der Philosophie (ob dies der Titel einer Schrift al-Fārābīs war, ist nicht sicher auszumachen) eine eindrucksvolle Kulturtheorie zusammen, die unter dem Stichwort »Von Alexandrien nach Bagdad« in die Geschichte eingegangen ist (vgl. zu dieser Theorie Meyerhof , Rescher , S.  – , und Strohmaier ): Auf diese Weise geschah es, daß es an beiden Orten [d. h. Alexandrien und Rom] philosophischen Unterricht gab, und dabei blieb es, bis das Christentum kam. Da hörte es mit dem Unterricht in Rom auf. Dagegen blieb das Unterrichtswesen in Alexandrien bestehen, bis der Christenherrscher die Angelegenheit ins Auge faßte. Die Bischöfe versammelten sich, und sie berieten sich darüber, was man von dem philosophischen Unterricht bestehen lassen oder beseitigen sollte. Man entschied sich dahin, daß die Bücher der Logik bis zu den Figuren des Wirklichen [in der ersten Hälfte des ersten Buches der Analytica priora], aber nicht weiter, gelehrt werden dürften, da sie der Ansicht waren, daß alles Weitere dem Christentum schade, während das freigegebene Material der Förderung ihrer Religion dienen könne. Das durfte dann öffentlich gelehrt werden, während alle übrigen Studien geheimgehalten wurden, bis dann nach langer Zeit der Islam kam. (Rosenthal , S.  f.)

Diese Kulturtheorie wurde – möglicherweise vermittelt durch ihn selbst – zur Zeit al-Fārābīs auch von anderen vertreten. Sie findet sich z. B. bei dem Historiker al-MasÝūdī, der diese Linie der Übermittlung griech. Wissens von Alexandrien nach Bagdad dann auch ausdrücklich bis zu al-Fārābī fortführt, den er als den bedeutendsten Vertreter griech. Wissens zu seiner Zeit bezeichnet. Vgl. den Text in Stern , S.  –.

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Anmerkungen des Herausgebers

Wenn al-Fārābī berichtet, daß die Logik nur »bis zum Ende der Figuren des Wirklichen unterrichtet werden sollte«, so bedeutet dies, daß nur die ersten sieben Kapitel der . Analytik des Aristoteles in das Curriculum aufgenommen werden sollten. Tatsächlich gehen die meisten syr. Übersetzungen der . Analytik nur bis zum . Kapitel. Vgl. Friedmann, S.  f. Die Praxis, die . Analytik nur bis zum . Kapitel zu bearbeiten, ist syr., nicht griech. Ursprungs. Der bedeutende griech. Kommentator Alexander von Aphrodisias verfaßte einen Kommentar zur gesamten . Analytik. Vgl. Peters  a, S. . Worin der Schaden des übrigen Teils der . Analytik und der ganzen . Analytik für den christlichen Glauben bestehen soll, wird uns leider nicht mitgeteilt. Auch gibt es außer diesem Bericht keine Nachricht über eine entsprechende Synode, auf der diese Bestimmungen erlassen worden wären. Vgl. Strohmaier , S. . Es müßte sich um einen byzantinischen Kaiser gehandelt haben, so daß diese Synode im Bereich der byzantinischen Kirche zu suchen wäre. Die Frage ist, wann dieses Verbot in Kraft getreten sein könnte. Da Johannes Philoponos noch zwischen  und  Kommentare zur . und . Analytik des Aristoteles verfaßte, müßte das Verbot später erlassen worden sein. Im lat. Bereich ist von einem solchen Verbot überhaupt nichts bekannt. Weder Boethius noch Cassiodor spielen in irgendeiner Weise auf ein solches Verbot an. Für die Mitteilung al-Fārābīs über dieses Verbot gibt es also keinerlei sonstigen historisch nachweisbaren Hinweis. Andererseits muß aber angenommen werden, daß al-Fārābī diese Nachricht von seinen christlichen Lehrern erhalten hat, und es muß schließlich auch irgendeinen Grund dafür geben, warum die syr. Übersetzungen tatsächlich beim . Kapitel der . Analytik haltmachen. Man könnte am ehesten an eine Verordnung einer lokalen Synode der syrisch-nestorianischen Kirche denken, aber ein Zeugnis dafür ist bisher noch nicht gefunden worden. ⁷¹ Arab. Titel: Kitāb al-Burhān. Der Ausdruck burhan wird schon im Koran verwendet, so z. B.: O ihr Menschen, gekommen ist nunmehr zu euch ein Beweis von euerm Herrn, und hinabgesandt haben Wir zu euch ein deutliches Licht. (Sure IV , )

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Burhan hatte also ursprünglich eine ziemlich weite Bedeutung. Eine engere und technische Bedeutung erhielt dieser Begriff in der Rechtswissenschaft (fiqh), und schließlich verwendeten die arab. Philosophen diesen Ausdruck im Sinn des strengen wissenschaftlichen Beweises. Vgl. EI I,  b –  b. Das Mittel dieses strengen Beweises ist der Syllogismus (qiyas) im Sinne der . Analytik des Aristoteles (Kitāb al-Qiyās). Vgl. weiter oben Anm. . ⁷² Die . Analytik gehörte nicht zum syr. Curriculum. Es wird zwar von einer syr. Übersetzung berichtet, die von Athanasius von Balad (. Jhd.) hergestellt worden war, diese ist aber nicht erhalten. Eine, aber nicht vollständige syr. Übersetzung wurde von Hunain ibn Ishāq hergestellt, und erst dessen Sohn Ishāq ibn Hunain übersetzte die . Analytik vollständig. Vgl. Brock , S. , und Hugonnard-Roche , S.  f. Auch diese Übersetzung ist nicht erhalten, es steht aber fest, daß von ihr aus der syr. nestorianischen Christ Abū Bišr Mattā die arab. Übersetzung erarbeitete. Vgl. Peters  a, S.  – , und Elamrani-Jamal , S. . Al-Fārābī studierte die . Analytik unter Anleitung des Yūhannā ibn Haylān. Dieses Studium stellte eine Neuerung dar, wie Ibn Abī UsaibiÝa in seinem Bericht ausdrücklich feststellt: Von sich selber berichtet al-Fārābī, daß er die Logik bis zum Ende der Analytica posteriora bei Juhannā b. Hailān studiert habe. Was nach den Figuren des Wirklichen [d. h. nach dem . Kapitel der . Analytik] kommt, pflegte der Teil genannt zu werden, den man nicht studiert. Schließlich wurde all das studiert, und es wurde dann bei den islamischen Lehrern üblich, über die Figuren des Wirklichen hinauszugehen, soweit das für die Studenten menschenmöglich war. Darum sagt al-Fārābī, daß er die Logik bis zum Ende der Analytica posteriora studiert habe. (Ibn Abī UsaibiÝa in: Rosenthal , S. )

Für al-Fārābī stellte die . Analytik das Zentrum der gesamten Logik dar. Darauf kommt er selbst am Ende des . Kapitels von De scientiis nochmals ausdrücklich zu sprechen. Al-Fārābī hat zur . Analytik einen umfangreichen Kommentar verfaßt: Kitāb al-Burhān. Eine vollständige Übersetzung dieses Textes gibt es bisher nicht. Auch in der lat. Philosophie wird die . Analytik eine zentrale Rolle spielen.

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Anmerkungen des Herausgebers

Die . Analytik wurde von Gerhard von Cremona aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . Es gab aber im . Jhd. auch bereits zwei Übersetzungen dieses Werkes direkt aus dem Griechischen, die eine stammt von Jakob von Venedig, die andere von einem Johannes, von dem keine weiteren Nachrichten vorliegen. Die Version Gerhards von Cremona findet sich in Aristoteles Latinus IV ,  –. Gerhard von Cremona übersetzte die . Analytik aber nicht nach dem arab. Text von Bišr Mattā, sondern nach einer anderen, überarbeiteten und weniger textgetreuen Version eines unbekannten Übersetzers, dessen Übersetzung nicht als geschlossener Text erhalten ist, die aber aufgrund der Verwendung im Kommentar des Averroes zu einem guten Teil rekonstruiert werden kann. Vgl. Minio-Paluello in der Einleitung zu Aristoteles Latinus IV ,  –, S. LI – LXV . Obwohl zunächst die Übersetzung Jakobs von Venedig die Grundlage für das Studium der . Analytik lieferte, wurde doch, wie aus Marginalien in verschiedenen Handschriften hervorgeht, die Übersetzung Gerhards von Cremona zur Überprüfung des Textes herangezogen. Es ist sogar eine Handschrift (Toledo, Biblioteca Catedral .) erhalten, die alle drei Textversionen enthält. Vgl. Minio-Paluello , S.  f., und Hugonnard-Roche , S.  f. Die Standardübersetzung der . Analytik im lat. Mittelalter wurde dann die von Wilhelm von Moerbeke, der sie aus dem Griechischen übersetzt hatte. Es gab im arab. Bereich auch eine Übersetzung des Kommentars zur . Analytik des Themistios, die von Abū Bišr Mattā hergestellt worden war. Vgl. Peters  a, S. , und Elamrani-Jamal , S. . Da die . Analytik für die Philosophie al-Fārābīs eine zentrale Rolle spielte und da Abū Bišr Mattā einer der Lehrer al-Fārābīs war, ist anzunehmen, daß al-Fārābī diesen Kommentar kannte. Gerhard von Cremona übersetzte auch diesen – weder in der griech. Fassung noch in der arab. Übersetzung erhaltenen – Kommentar des Themistios zur . Analytik ins Lateinische. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . Dieser Kommentar wurde von O’Donnel herausgegeben, vgl. Lit-Verz. Quellen. ⁷³ Arab. Titel: Kitāb al-Fadal. Der Ausdruck fadal bedeutet »Diskussion /Auseinandersetzung« in einem ganz allgemeinen Sinn.

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⁷⁴ Die Topik des Aristoteles spielte im Curriculum der nestorianischen Syrer keine Rolle, es gab aber eine ältere syr. Version der Topik, die Athanasius von Balad hergestellt hatte, und eine neuere von Ishāq ibn Hunain, es ist aber keine einzige erhalten geblieben. Vgl. Brock , S. , Peters  a, S.  f., und Hugonnard-Roche , S. . Es sind auch keine syr. Kommentare zur Topik bekannt. Eine arab. Übersetzung der Topik wurde von Yahyā ibn ÝAdī ( – ) aufgrund der syr. Vorlage des Ishāq ibn Hunain hergestellt. Etwa  Jahre vorher war die Topik von ÝUumān ad-Dimašqī direkt aus dem Griechischen übersetzt worden. Vgl. Steinschneider , § , Peters  a, S.  – , und Gutas , S. . Es gab allerdings schon eine wesentliche ältere Übersetzung, die in der . Hälfte des . Jhd.s vom nestorianischen Patriarchen Timotheus I. mit Hilfe von Mitarbeitern hergestellt worden war. Den Auftrag dazu hatte der Kalif al-Mahdī (reg.  – ) gegeben. Der Hintergrund dieses Auftrags war ein religiös-politischer. Der Kalif war daran interessiert, daß möglichst viele seiner Untertanen zu Muslimen wurden, er initiierte also eine regelrechte Konversionsbewegung. Dies war neu, denn die Kalifen hatten bisher kaum besonderen Wert auf Gewinnung von Proselyten gelegt. Gleichzeitig sah al-Mahdī, daß in seinem Herrschaftsbereich die dualistischen Bewegungen, die in irgendeiner Weise auf Zoroaster zurückgingen, also vor allem die Manichäer, viele Zuhörer gewannen und so eine Konkurrenz seiner eigenen Konversionsbemühungen darstellten. Er forderte also die von ihm abhängigen Koran-Theologen auf, sich auf Disputationen vorzubereiten und auch entsprechende Streitschriften zu verfassen. Und in diesem Zusammenhang gab er auch den Auftrag, die Topik des Aristoteles zu übersetzen. Wie sehr der Kalif persönlich an dieser Übersetzung und den dadurch vermittelten Diskussionsmöglichkeiten interessiert war, geht daraus hervor, daß er dann selbst mit dem Patriarchen eine öffentliche Diskussion über theologische Fragen durchführte. Zu solchen Diskussionen in der Lage zu sein, war für die politische Karriere am Hof förderlich, und dafür schien die aristotelische Topik nützlich zu sein. Zur gleichen Zeit entwickelte sich dann eine rege, logisch orientierte Kontroversliteratur sowohl auf Seiten der Muslime als auch auf Seiten der Christen und der Manichäer. Vgl. zu diesem

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Anmerkungen des Herausgebers

historisch-politischen Hintergrund Gutas , S.  – , und van Ess  – , III , S.  f. Die Kommentare des Alexander von Aphrodisias und des Themistios zur Topik waren den arab. Philosophen bekannt. Es gab auch einen arab. Kommentar zur Topik von Bišr Mattā, der aber nicht erhalten ist. Vgl. Peters  a, S.  f., und Elamrani-Jamal , S.  f. Al-Fārābī hat ein Kompendium und einen Kommentar zur Topik verfaßt, vgl. al-Qiftī: Über Alfārābī, N.  – . Bei dem in der arab. Edition der Logik-Texte von al-Fārābī enthaltenen Text zur Topik, hrsg. v. R. ÝAfam und M. Fakhri unter dem Titel Al-Mantiq Ýinda al-Fārābī, handelt es sich vermutlich um das kurze Kompendium. Eine Übersetzung dieses Kompendiums zur Topik liegt bisher nicht vor. Die Topik des Aristoteles wurde nicht aus dem Arabischen ins Lateinische übertragen. Im lat. Bereich dominierte bis ins . Jhd. und darüber hinaus die Topik des Boethius. ⁷⁵ Arab. Titel: Kitāb al-Amkina al-Mugālata. Der arab. Ausdruck mugalata bedeutet »Irreführung«. ⁷⁶ Von den Sophistischen Widerlegungen gab es mehrere syr. Übersetzungen, eine wird Athanasius von Balad zugeschrieben, reicht also schon in das . Jhd. zurück. Eine weitere stammte von Theophilos von Edessa (. Jhd.). Keine dieser Übersetzungen ist aber erhalten. Vgl. Brock , S. , und Hugonnard-Roche , S.  f. Es wird dann von einer arab. Übersetzung des Hunain ibn Ishāq berichtet, die aber auch nicht erhalten ist. Besonders auffällig ist, daß in der berühmten Pariser Handschrift ar.  drei Versionen arab. Übersetzungen der Sophistischen Widerlegungen enthalten sind. Eine der Versionen liefert eine enge Wort-für-Wort-Übersetzung und ist entsprechend schwer zu verstehen. Die in Marginalien der Handschrift enthaltene Zuschreibung dieses Textes an Yahyā ibn ÝAdī wird heute eher in Frage gestellt. Die zweite Version, die weniger textnah ist und sogar Erklärungen in den Text einfügt (die nicht immer sachlich richtig sind), stammt von Ibn NāÝima (um  – ). Die dritte Version, die von Ibn ZurÝa hergestellt wurde, ist textnah, aber sprachlich besser als die erste Version. Vgl. Steinschneider , § , Peters  a, S.  – , Rescher , S. , und Hugonnard-Roche , S.  f. Al-Fārābī besaß den Text der Sophistischen Widerlegungen in der Version Ibn NāÝimas. Vgl. Walzer

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, S. . Al-Fārābī verfaßte zu den Sophistischen Widerlegungen einen Kommentar, der in Al-Mantiq Ýinda al-Fārābī enthalten ist. Eine Übersetzung davon gibt es bisher nicht. ⁷⁷ Moderne Transkription: Kitāb al-Iitāba. Der Ausdruck jitaba entspricht genau dem lat. Ausdruck rhetorica , also »Redekunst«. Die Redekunst wurde von den an der Einteilung der Wissenschaften in »islamische« und »fremde« Wissenschaften orientierten Theoretikern unter die ersteren eingereiht. Vgl. dazu die Einteilung von Ibn Tumulūs in der Einleitung .. ⁷⁸ Die aristotelische Rhetorik gehörte nicht zum syr. Curriculum, das geringe Interesse an dieser Schrift blieb auch in der arab. Tradition erhalten. Von der aristotelischen Rhetorik ist eine alte arab. Übersetzung erhalten, deren Verfasser nicht bekannt ist, eine weitere wurde von Ishāq ibn Hunain hergestellt. Vgl. Steinschneider , § , Rescher , S. , Peters  a, S.  – , und Aouad , S.  f. Verwendet wurde aber die alte Übersetzung. Vgl. Heinrichs , S. . Die in al-Qiftīs Liste der Werke al-Fārābīs unter N.  und  aufgeführten zwei Schriften zur Rhetorik sind im arab. Original bisher nicht aufgefunden worden. Es ist jedoch eine um  hergestellte lat. Übersetzung von Hermann dem Deutschen unter dem Titel Didascalia in Rhetoricam Aristotelis ex glosa Alpharabii erhalten, die von Langhade / Grinaschi unter dem Titel al-Fārābī: Deux ouvrages inédits sur la rhétorique herausgegeben wurde. Die Arbeiten von Aouad ,  a und  b, in denen dieser Text mit einer Schrift Ibn Ridwāns ( –  / ) verglichen wird, in der als Zitate Texte verwendet werden, die mit Teilen der Didascalia übereinstimmen, haben gezeigt, daß Hermann der Deutsche und Ibn Ridwān mit großer Wahrscheinlichkeit auf ein und denselben Text zurückgreifen, nämlich auf die Einleitung zum Großen Kommentar zur Rhetorik al-Fārābīs, die möglicherweise schon abgetrennt von dem eigentlichen Kommentar als Einzelschrift in Umlauf war. Vereinzelte Zitate bei anderen Autoren wie Ibn Rušd (Averroes) und Ibn Bāffa (Avempace) sind weitere Hinweise darauf, daß es diesen Großen Kommentar tatsächlich gegeben hat. Die Rhetorik des Aristoteles wurde von Hermann dem Deutschen aus dem Arabischen ins Lateinische übertragen. Später wurde

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Anmerkungen des Herausgebers

sie von Wilhelm von Moerbeke aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt. ⁷⁹ Es ist offenkundig, daß sich hier eine Überschneidung mit der Behandlung der Poetik ergibt, wie sie von al-Fārābī im ersten Kapitel gegeben wird. Vgl. Kap. I, Anm. . Zusätzlich ergibt sich eine Überschneidung mit der Behandlung der Metren und Versmaße im Zusammenhang der Darstellung der Musik, die al-Fārābī in Kap. III liefert. Vgl. Kap. III , Anm. . Das bei al-Fārābī weiterbestehende Problem der Verhältnisbestimmung von »arabischen« und »fremden« Wissenschaften ist an diesem Punkt sehr deutlich zu sehen. Vgl. dazu Einleitung .. Faktisch übte die aristotelische Poetik auch kaum einen Einfluß auf die arab. Literaturtheorie aus. Die Araber kannten die griech. Literatur, auf die sich die aristotelische Poetik bezog, nicht, und auch alle späteren Versuche, die Poetik erklärlich zu machen, mußten scheitern. Heinrichs , S. , stellt zu Recht fest: »Das Ergebnis dieser Bemühungen konnte bei den einheimischen Literaturtheoretikern nur Kopfschütteln hervorrufen.« Wichtig wurde einzig die im Anschluß an Aristoteles: Poetik, . Kapitel, entwickelte Theorie al-Fārābīs, daß die Poetik die Aufgabe habe, Vorstellungen hervorzurufen (arab. tajyil, lat. immaginari facere), und daß sie dabei mit Nachahmung (muhakah) arbeitet. Vgl. auch weiter oben Anm. . Obwohl der arab. Ausdruck muhakah dem griech. mímesis entspricht, ist bei al-Fārābī von dem Inhalt des griech. Begriffs nicht sehr viel übriggeblieben, er bedeutet bei ihm einfach »bildliche Ausdrucksweise«. Vgl. Heinrichs , S.  f. Die Festlegung des Gegenstandsbereichs der Dichtung auf Vorstellungen und Bilder bedeutete selbstverständlich eine weitere Einschränkung des ursprünglichen Wahrheitsanspruchs der Dichtung, der schon durch die Ansprüche der islamischen Religion entscheidend zurückgedrängt worden war. Vgl. Adonis , S.  f. Al-Fārābī erwähnt hier zwar kurz die in der arab. Dichtungslehre zentrale Metren- und Vers- bzw. Reimlehre, in seinem Kitāb as-SiÝr (Buch der Dichtung), das als Kommentar zur aristotelischen Poetik konzipiert ist, macht er es jedoch ganz deutlich, daß er die Reime nicht als allgemeines formales Kennzeichen der Dichtung, sondern nur als Besonderheit der arab. Dichtung ansieht, wobei er sogar auf

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die Tatsache verweist, daß es bei Homer überhaupt keine Reime gibt. Vgl. Galston , S.  f. Als allgemeines, also nicht kulturund sprachspezifisches, und in diesem Sinn logisches Kriterium der Dichtung bleibt somit nur die Verwendung von Ähnlichkeiten übrig. Nur diese Ähnlichkeiten stellen ja auch die Grundlage für den »poetischen Syllogismus« dar. Vgl. dazu weiter oben Anm. . ⁸⁰ Wie es im lat. Text zu dem Ausdruck Sumica , der in allen drei Handschriften steht, gekommen ist, ist nicht erklärlich. Im arab. Text, S. , steht buiutiqa (im Arabischen gibt es kein p), das vom Autor der Marginalanmerkungen richtig als Poetica transkribiert wurde, was auch von B als Erläuterung übernommen wird. Der arab. Titel, der auch so im arab. Text, ebd., aufgeführt wird, lautet: Kitab aš-ŠiÝr, d. h. »Buch der Dichtung«. ⁸¹ Die Poetik des Aristoteles wurde vermutlich von Ishāq ibn Hunain ins Syrische übersetzt, von dieser Übersetzung ist aber nur ein kurzes Fragment erhalten. Von der syrischen Übersetzung aus stellte Abū Bišr Mattā vor  eine arab. Übersetzung her. Eine Revision dieser Übersetzung oder eine Neuübersetzung wurde von Yahyā ibn ÝAdī vorgenommen. Erhalten ist aber nur die Übersetzung Bišr Mattās. Diese Übersetzung Bišr Mattās wurde schon von Zeitgenossen als nicht zuverlässig eingeschätzt. Vgl. Dahiyat , S. . Die verbesserte oder neue Übersetzung Yahyā ibn ÝAdīs ist aber vermutlich erst um  entstanden, vgl. ebd., S. , so daß al-Fārābī von der Poetik des Aristoteles keine gute Übersetzung zur Verfügung stand. Zur Überlieferungsgeschichte der aristotelischen Poetik in der arab. Philosophie vgl. Steinschneider , § , Tkatsch  / , Walzer , S.  – , Peters  a, S.  – , Black , S.  – , und Hugonnard-Roche , S.  – . Al-Fārābī hat einige kleinere Schriften zur Poetik verfaßt, die aber eigentlich nur die ersten drei Kapitel derselben betreffen. Eine gute Übersicht dazu bietet Heinrichs . Von al-Fārābī liegt in engl. Übersetzung die Schrift Canons of the Art of Poetry in Cantarino , S.  – , vor. Eine ausführliche Darstellung der Poetik al-Fārābīs findet sich in Kemal , S.  – . Die Poetik des Aristoteles wurde von Hermann dem Deutschen aus dem Arabischen ins Lateinische übertragen. Später wurde sie von Wilhelm von Moerbeke aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt.

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Anmerkungen des Herausgebers

⁸² Der folgende Abschnitt bis zum Ende des Kapitels wird mit ausdrücklicher Berufung auf al-Fārābī von Gundissalinus: De divisione philosophiae, S.  f., ziemlich textnah aufgenommen. ⁸³ Der Ausdruck Pars quarta est vehementioris antecessionis würde eigentlich am ehesten bedeuten: »Der vierte Teil hat einen bedeutenden Vorsprung«. Im arab. Text, S. , steht jedoch taqaddum, was »Vorrang« bedeutet, es geht hier also um eine Bewertung, d. h. um einen qualitativen Vorrang dieses vierten Teiles. Gundissalinus: De scientiis, S. , und De divisione philosophiae, S.  (hier mit ausdrücklicher Bezugnahme auf al-Fārābī) übersetzt an dieser Stelle: antecellit sublimitate et dignitate. Es könnte sich daher in den Handschriften des Textes von Gerhard von Cremona auch um einen Lesefehler antecellit / antecessit handeln (das s in der Mitte eines Wortes wird in den Handschriften mit eine Oberlänge geschrieben, ist also leicht mit l zu verwechseln), allerdings ist eine Substantivbildung zu antecellere eher ungebräuchlich. ⁸⁴ Diese für al-Fārābī entscheidende systematische These, die hier nur gleichsam im Anhang aufscheint, wird von Gundissalinus in De scientiis, S.  f., vor die Aufzählung der einzelnen Werke gestellt. ⁸⁵ Die zentrale Rolle der . Analytik, der die anderen Teile der Logik strukturell zugeordnet sind, fand al-Fārābī auch bereits in seiner Vorlage, der Schrift Pauls des Persers, vor (vgl. dazu Einleitung .). Vgl. Gutas , S. , N. X . Dies war jedoch bereits die allgemeine Auffassung der spätantiken Aristoteles-Kommentatoren. Vgl. Moraux , S. . ⁸⁶ Zur Bedeutung der Unterscheidung der Methoden vgl. auch al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S.  f. ⁸⁷ Die Metren sind also im Unterschied zu den Versenden ein Kriterium poetischer Reden. Vgl. weiter oben Anm. . ⁸⁸ Al-Fārābī weiß, daß es in bestimmten Fällen nicht möglich ist, rhetorische und poetische Reden zu unterscheiden. Im Kitāb aš-ŠiÝr (Buch der Dichtung) stellt al-Fārābī fest, daß in beiden Ähnlichkeiten / Nachahmungen verwendet werden, daß in der Poesie aber darüber hinaus eine metrische Rede vorliegen muß. Und er vertritt die Auffassung, daß die meisten Dichter tatsächlich auch rhetorisch überzeugen wollen. Vgl. Heinrichs , S. . Letzteres entspricht dem Wahrheitsanspruch der altarabischen Dichtung.

Drittes Kapitel

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Drittes Kapitel

¹ Ob die Kapitelüberschrift von Gerhard von Cremona geschrieben wurde, ist fraglich, sie fehlt sowohl in G als auch in B. In der Überschrift steht scientia doctrinarum, während in der Übersetzung des Einleitungskapitels De scientiis doctrinalibus steht, was die bessere Übersetzung darstellt. Zur Übersetzung von doctrina bzw. scientia doctrinalis durch »mathematische Wissenschaft« vgl. die Anm.  zu al-Fārābīs Einleitungs-Kapitel. ² Hinter der folgenden scheinbar neutralen Aufzählung der mathematischen Disziplinen steht bei al-Fārābī eine deutlich pythagoreisch-platonische Metaphysik. Der pythagoreische Hintergrund, daß nämlich die Zahlen die Prinzipien der Welt sind, wird ganz deutlich in folgender Feststellung: Es ist kennzeichnend für diese Wissenschaft, die Zahlen und Größen erforscht, daß die Prinzipien der Lehre in ihr mit den Prinzipien des Seins identisch sind. (Al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. ; Übers. v. F. S.)

Die Reihenfolge der Wissenschaften folgt daher dann dem Prinzip der jeweils größeren Materialität, beginnend mit den (materiefreien) Gegenständen der reinen / theoretischen Mathematik und endend mit den Gegenständen der Lehre von den (materie-schweren) Gewichten und der Mechanik: Man beginnt zunächst mit Zahlen [d. h. Arithmetik], schreitet dann zu Größen voran [d. h. Geometrie] und dann zu allen Dingen, in denen Zahl und Größe wesentlich inhärent ist [wie z. B. Optik und die Größen in Bewegung, was die himmlischen Körper sind], zu Musik, dem Studium der Gewichte und zu Mechanik. Auf diese Weise beginnt man mit Dingen, die erfaßt und begriffen werden können ohne Rücksicht auf irgendeine Materie. Er [der Geist] schreitet dann voran zu Dingen, die erfaßt, begriffen und verstanden werden können mit nur einem geringen Bezug zu einer Materie. Dann [kommen] die Dinge, die nur erfaßt, begriffen und verstanden werden können mit geringfügig mehr Bezug zu einer Materie. Er fährt so fort in Richtung auf Dinge, bei denen Zahl und Größe inhärent sind,

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Anmerkungen des Herausgebers

bei denen aber das, was in ihnen verstanden werden kann, nicht begreifbar wird außer durch zunehmend mehr Bezug auf Materie. Dies wird ihn zu den himmlischen Körpern, dann zur Musik, dann zum Studium der Gewichte und zur Mechanik führen, wo er gezwungen ist, sich mit Dingen zu beschäftigen, die nur mit Schwierigkeit begriffen werden können bzw. die nur existieren können, wenn sie in Materie [verwirklicht] sind. (Ebd. S.  f.; Übers. v. F. S.)

³ Kapitel III wurde von Wiedemann  nach dem lat. Text Gerhards von Cremona übersetzt. Für die Fachterminologie habe ich diese Übersetzung herangezogen, folge ihr aber nicht durchgängig. ⁴ Im arab. Text, S. , steht Ýilm al-Ýadad, was wörtlich »Wissenschaft der Zahl« bedeutet. Maßgeblich für die Arithmetik und deren weitere Entwicklung bei den Arabern war al-Iwārizimī (um  – ), dessen Werk zur Arithmetik jedoch im arab. Original nicht erhalten ist. Eine (erhaltene) lat. Übersetzung wurde vermutlich in der . Hälfte des . Jhd.s hergestellt. Schon seit der ersten Hälfte des . Jhd.s wurden verschiedene lat. Zusammenfassungen dieser Arithmetik verfaßt, besonders wichtig war die von Johannes von Sevilla (oder Toledo) unter dem Titel Liber Algorismi de pratica arismetice verfaßte. Zu diesen lat. Zusammenfassungen vgl. Allard . ⁵ Die aristotelische Unterscheidung in theoretische (Ýilm nazari) und praktische Wissenschaften (Ýilm Ýamali) ist für al-Fārābīs Wissenschaftstheorie in allen Bereichen zentral. Es ist aber dabei zu beachten, daß der Begriff nazari nicht einfach vom griech. theoretikós her verstanden werden darf, da dieser Begriff von seiner koranischen Herkunft her im arab. Bereich erhebliche Veränderungen bzw. Ausweitungen der Bedeutung erhalten hatte. Die von al-Fārābī zugrunde gelegte Unterscheidung der Arithmetik in theoretische und praktische Arithmetik entspricht allerdings nicht der von den arab. Mathematikern meist vorgenommenen Einteilung. Diese teilten die Arithmetik meist ein in die Ýilm al-Ýadad und die Ýilm al-hisab, d. h. »Wissenschaft des Rechnens«, was der griech. Unterscheidung in arithmetikê téchnê und logistikê téchnê entspricht. In ersterer wurden die Fragen aus Euklid: Elemente, Buch VII – IX , und aus

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Nikomachos von Gerasa: Arithmetica, behandelt, in letzterer die grundlegenden arithmetischen Operationen. Vgl. EI III , S.  b. Faktisch wurde in den Bereichen, die al-Fārābī als zur angewandten Arithmetik gehörend aufzählt, vor allem mit den Verfahren gearbeitet, die in der Ýilm al-hisab behandelt wurden. Die Unterscheidung in aktive und spekulative Mathematik wird in der dt. Übersetzung mit Wiedemann , S. , durch »angewandte« und »theoretische« Mathematik wiedergegeben, da dies dem heutigen Gebrauch eher entspricht. Dadurch wird vermieden, daß bei spekulativer Mathematik an Zahlenspekulationen pythagoreischer oder neuplatonischer Art gedacht wird. Gundissalinus übersetzt in De scientiis, S. : Arithmetica alia est practica, alia est theorica . In De divisione philosophiae, S. , unterscheidet Gundissalinus die arithmetica theorica vel speculativa und die practica vel activa , nennt die erstere aber im weiteren dann nur mehr arithmetica theorica . Es fällt auf, daß al-Fārābī nicht mit der theoretischen Arithmetik beginnt und dann zur angewandten Arithmetik voranschreitet, sondern mit der angewandten Arithmetik beginnt (genau dasselbe gilt dann auch für die Geometrie). In dieser Reihenfolge spiegelt sich vielleicht auch die historische Tatsache wieder, daß sich bei den Griechen zuerst eine praktische Mathematik entwickelt hatte (Handelsarithmetik, Landvermessung), und erst später die Mathematik als theoretische Disziplin entwickelt wurde. Ein rein theoretisches Interesse an der Mathematik – mit Vorordnung der Arithmetik vor der Geometrie – gab es nur bei den Pythagoreern und Platonikern. Auch bei den arab. Mathematikern standen zunächst praktische Ziele im Vordergrund. Vgl. auch weiter unten Anm.  und . ⁶ Der solidus ist eine von Kaiser Konstantin in der . Hälfte des . Jhd.s eingeführte Goldmünze, die auch im Mittelalter weite Verbreitung fand. Im arab. Text, S. , steht hier dananir (Pl. von dinar). Der Dinar stellt ursprünglich tatsächlich die Nachahmung des solidus dar. Seit der Mitte des . Jhd.s wurde der Dinar im gesamten Kalifat verwendet. Vgl. EI II , S.  a, und LdM III , Sp. . ⁷ Im arab. Text, S. , steht hier darahim (Pl. von dirham). Der Dirham ist eine seit dem . Jhd. verwendete arab. Silbermünze in der Nachfolge der sassanidischen Drachme. Vgl. EI II , S.  a, und LdM III , Sp. .

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Anmerkungen des Herausgebers

⁸ Die praktische Anwendung der Mathematik spielte bei den Arabern eine wesentlich größere Rolle als bei den Griechen. Vgl. Fakhry , S.  f. Schon al-Iwārizimī hatte diesen Fragen breiten Raum gewidmet. Vgl. dazu weiter unten Anm. . Eine Generation nach al-Fārābī verfaßte auf dieser Grundlage Abū al-WafāÞ ( – ) ein Buch über das, was die Sekretäre, die Handwerker und die anderen von der Wissenschaft der Arithmetik wissen müssen. Vgl. Rosenfeld / Youschkevitch , S. . ⁹ Mit »absolut« ist hier gemeint »abstrakt«, so wie dies auch von Gundissalinus: De scientiis, S. , übersetzt wird (abstractum ab omni quod potest per eum numerari). Im arab. Text, S. , steht bi-itlaq für absolute. In der Verwendung von bi-itlaq im genannten Sinn kann al-Fārābī schon auf die Übersetzer-Tradition zurückgreifen. Dieser Ausdruck wurde zunächst in der Logik dafür verwendet, um eine Aussage unter Absehung von jeder zeitlichen oder modalen Bestimmung zu betrachten. Im weiteren wurde bi-itlaq dann in einem ganz allgemeinen Sinn für »absolut / abstrakt« etwa so wie das griech. aplôs gebraucht. Vgl. Hugonnard-Roche , S.  – . Diese abstrakte Betrachtung der Zahlen in Hinsicht auf ihre Eigenschaften unter Absehung von aller praktischen Anwendbarkeit ist kennzeichnend für die pythagoreische Arithmetik. Zu dieser Lehre von den Eigenschaften der Zahlen, die al-Fārābī im folgenden aufgreift, vgl. z. B. Pichot , S.  – . ¹⁰ Mit dieser (pythagoreisch-platonischen) Definition der Gegenstände der Mathematik beantwortet al-Fārābī eine Frage, die bei al-Kindī offengeblieben war. Bei al-Kindī war es nicht klar, ob zwischen der Behandlung von Zahlen (und geometrischen Formen) in der Mathematik und in den Naturwissenschaften ein Unterschied besteht. Bei al-Fārābī erhält die Mathematik einen ontologisch unterschiedenen eigenen Gegenstandsbereich. Vgl. Bakar , S.  f. Zur Einordnung der Mathematik vgl. auch al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S.  – . Al-Fārābī sah, daß die Grundbegriffe der Mathematik wie die der Zahlen, Linien, Punkte, Ausdehnung usw. nicht durch eine einfache Abstraktion aus sinnlich erfahrbaren Gegenständen gewonnen werden können. Im Bereich der Geometrie hat sich al-Fārābī mit dieser Frage in seinem Kommentar zum Beginn des . und . Buches der Elemente Euklids beschäftigt. Vgl.

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die Edition dieses Textes in Freudenthal . Al-Fārābī gelangt dabei zu einer Antwort, die im Prinzip neuplatonisch ist: Den Grundbegriffen der Mathematik entsprechen zwar keine für sich existierenden (platonischen) Ideen, es handelt sich bei ihnen aber doch um Begriffe, die ohne sinnliche Erfahrung gewonnen werden. Vgl. Freudenthal , S.  – . Dies entspricht auch der Liste der Vernunftgehalte, die al-Fārābī im Musterstaat aufzählt. Vgl. das Zitat in Kap. II , Anm. . Al-Fārābīs Durchführung der Auffindung dieser Grundbegriffe, die von »Ausdehnung« ausgeht, wirft allerdings beinahe ebenso viele Probleme auf, wie sie zu lösen versucht. Vgl. Freudenthal , S.  – . Diese Problematik ist jedoch nicht für al-Fārābī spezifisch, sie begegnet uns in fast allen Versuchen einer Philosophie der Mathematik. ¹¹ Bei dieser Stelle gab es offensichtlich in der frühen lat. Überlieferung Probleme. Al-Fārābī spricht innerhalb der theoretischen Arithmetik von zwei Betrachtungsweisen der Zahlen, eine, in der diese nicht untereinander verglichen werden (lat. preter quod comparentur), und eine, bei der sie untereinander verglichen werden (lat. cum ad invicem comparantur). Die lat. Übersetzung des Textes von Gerhard von Cremona in P entspricht genau dem arab. Text, S. . In G hingegen wird die erste Bestimmung weggelassen, aber durch ein eingefügtes cum wird ein korrekter Satzzusammenhang hergestellt, es dürfte sich also nicht um einen Flüchtigkeitsfehler des Kopisten handeln. Besonders auffällig ist, daß auch bei Gundissalinus praktisch die gleiche Verkürzung vorliegt, er führt nämlich in seiner Übersetzung nur den zweiten Teil auf, gibt aber dann mit geraden und ungeraden Zahlen ein Beispiel des ersten Teils: Sie [die Arithmetik] untersucht das, was ihrer [der Zahl] Wesenheit an sich deshalb zukommt, weil sie [die Zahlen] untereinander verglichen werden, z. B. daß die eine gerade, die andere ungerade ist. (Gundissalinus: De scientiis, S.  f.; Übers. v. F. S.)

In De divisione philosophiae, S. , führt Gundissalinus dann aber beide Teile der theoretischen Mathematik auf: Der erste Teil behandelt das, was einer Zahl aufgrund ihrer Wesenheit zukommt (que accidunt numero ex sua essentia), der zweite das, was einer Zahl aufgrund eines Verhältnisses zu einer anderen zukommt (que accidunt

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Anmerkungen des Herausgebers

ei ex proporcione unius numeri ad alium numerum [ich übernehme aus dem textkritischen Apparat ex proporcione anstelle des ex proposicione, das im Text steht]). Der Hintergrund dieser Textüberlieferung läßt sich nur sehr hypothetisch rekonstruieren. Ich vermute, daß in einer ersten Version der Übersetzung Gerhard von Cremona selbst mit der genannten Verkürzung einen Fehler begangen hat. Diese Version lag der Abschrift zugrunde, auf der G beruht, und sie lag auch Gundissalinus bei seiner Version von De scientiis vor. Später hat Gerhard von Cremona eine verbesserte Version hergestellt, in der die genaue, nicht verkürzte Übersetzung geliefert wurde, und diese Textversion war die Grundlage der Abschrift, die in P vorliegt. In seiner späteren Schrift De divisione philosophiae hat dann Gundissalinus auf diese verbesserte Version des Textes zurückgegriffen. ¹² Superfluitas wird bei Gerhard von Cremona sehr unpräzise verwendet. Es kann »Ungleichheit«, »Überschuß« und »Differenz« bedeuten, vgl. Wiedemann , S. , Anm. . , besteht a₁ ¹³ Ist eine Zahl a₁ Teil einer Zahl a₂, so gilt . So Wiedemann aus Teilen einer anderen Zahl a₂, so gilt , S. , Anm. . Gundissalinus: De divisione philosophiae, S. , nennt dieses Zahlenverhältnis multiplex. ¹⁴ Ist eine Zahl a₁ eine Zahl a₂ zusammen mit dem Teil einer Zahl, so gilt , ist eine Zahl a₁ eine Zahl a₂ zusammen mit Teilen einer Zahl, so gilt . So Wiedemann , S. , Anm. . Gundissalinus: De divisione philosophiae, S. , gebraucht für dieses Zahlenverhältnis den Fachbegriff superparticularis, der im lat. Bereich durch Boethius: Institutio arithmetica I, , bekannt war. ¹⁵ Die Definition von numerus proportionalis findet sich in Euklid: Elemente VII .. Vgl. dazu die lat. Übersetzung Gerhards von Cremona in Busard (unter Euklid) , Sp. . Vgl. zu dieser Übersetzung weiter unten Anm. . Zu dieser wie zu den weiteren Definitionen in den folgenden Anm. ist darauf hinzuweisen, daß die lat. Terminologie dieser Fachbegriffe noch nicht in allen Fällen festlag, wie man aus dem Vergleich mit der lat. Übersetzung der Elemente, die direkt aus dem Griechischen hergestellt wurde, feststellen kann. Vgl. Busard (unter Euklid) , S. . ¹⁶ Die Definition von numerus simililis findet sich in Euklid: Ele-

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mente VII .. Vgl. dazu die lat. Übersetzung Gerhards von Cremona in Busard (unter Euklid) , Sp. . ¹⁷ Für communicans steht im arab. Text, S. , mutašarik , was »teilhabend« bedeutet. Für seiunctus steht ebd. mutabayin, was »verschiedenartig« bedeutet. Als mathematische Fachbegriffe sind damit kommensurable und inkommensurable Zahlen gemeint. Vgl. Suwaisi, S.  f. In De scientiis übersetzte Gerhard von Cremona diese Begriffe also ziemlich wörtlich aus dem Arabischen. In seiner Übersetzung der Elemente Euklids hingegen verwendet Gerhard von Cremona in Definition X . die Ausdrücke communicantes und incommunicantes. Vgl. Busard (unter Euklid) , Sp. . In der aus dem Griechischen hergestellten lat. Übersetzung der Elemente findet sich in Definition X . bereits die bis heute übliche Terminologie commensurabiles / incommensurabiles. Vgl. Busard (unter Euklid) , S. . ¹⁸ Die Begriffe aggregare für »Addition« und diminuere / subtrahere für »Subtraktion« finden sich auch z. B. bei Johannes von Toledo (oder Sevilla). Vgl. Juschkewitsch , S. . Vgl. auch Boethius: Institutio arithmetica I, . ¹⁹ In seiner Übersetzung fügt Gundissalinus hinzu: […] und all das Weitere, das in der Arithmetik des Nikomachos ausführlich ausgeführt aufgefunden werden kann. (Gundissalinus: De scientiis, S. ; Übers. v. F. S.)

Dies zeigt, daß Gundissalinus genau wußte, daß neben den Elementen Euklids die Arithmetica des Nikomachos von Gerasa (. Hälfte . Jhd. n. Chr.) die zweite wichtige Grundlage der Arithmetik bei den Arabern darstellte. Die Arithmetica des Nikomachos von Gerasa wurde von Uābit ibn Qurra ins Arabische übersetzt. Vgl. Kutsch . Da die Arithmetica des Nikomachos von Gerasa auch Boethius als Hauptquelle seiner Arithmetica diente, war der Ausgangspunkt der Arithmetik im lat. und arab. Bereich ein und derselbe. Nichtsdestoweniger war die Kenntnis, das Verständnis und die Verwendung der Arithmetik bei den arab. Mathematikern zur Zeit al-Fārābīs wesentlich weiter fortgeschritten als bei den lat. Mathematikern derselben Zeit.

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Anmerkungen des Herausgebers

²⁰ Sachlich liegt hier nicht, wie es der Text nahelegt, eine Anwendung des vorher Gesagten vor. Gundissalinus: De divisione philosophiae, S. , führt diese Untersuchungen als eigenen dritten Teil der theoretischen Arithmetik auf. Vgl. weiter unten Anm. . ²¹ Die Definition von numerus quadratus findet sich in Euklid: Elemente VII .. Vgl. dazu die lat. Übersetzung Gerhards von Cremona in Busard (unter Euklid) , Sp. . Quadratische Zahlen sind eine Unterart der flächenhaften Zahlen, vgl. dazu die folgende Anm. ²² Die Definition von numerus superficialis findet sich in Euklid: Elemente VII .. Vgl. dazu die lat. Übersetzung Gerhards von Cremona in Busard (unter Euklid) , Sp. . Flächenhafte Zahlen sind solche, die in zwei Faktoren zerlegt werden können, die somit – geometrisch vorgestellt – als Produkt einer Länge und einer Breite betrachtet werden können. Vgl. Cantor , S. , und Pichot , S.  f. Die Behandlung von Flächen- und Körperzahlen stellt ein bestimmtes zahlentheoretisches Verfahren dar. Vgl. auch die Erläuterung zu diesen Definitionen bei Gundissalinus: Die dritte [Betrachtungsweise] betrifft das, was auf sie [d. h. eine Zahl] zutrifft aufgrund der Beziehung zu kontinuierlichen Größen, z. B., daß die eine auf Linien [ich übernehme linearis aus dem textkritischen Apparat an Stelle von alinealis] bezogen ist, die andere auf Flächen, wieder eine andere auf Würfel. (Gundissalinus: De divisione philosophiae, S. ; Übers. v. F. S.)

Hinter dieser Betrachtungsweise steht eine pythagoreisch konzipierte, geometrisch aufgefaßte Arithmetik, in der das arithmetisch als bewiesen gilt, was sich auch geometrisch darstellen läßt. Vgl. Cantor , S. , und Pichot , S.  f. ²³ Die Definition von numerus solidus findet sich in Euklid: Elemente VII .. Vgl. dazu die lat. Übersetzung Gerhards von Cremona in Busard (unter Euklid) , Sp. . Eine Körperzahl ist eine solche, die sich in drei Faktoren zerlegen läßt und somit als Länge, Breite und Höhe vorgestellt werden kann. Vgl. Cantor , S. , und Pichot , S.  f. ²⁴ Die Definition von numerus perfectus findet sich in Euklid: Elemente VII .. Vgl. dazu die lat. Übersetzung Gerhards von Cre-

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mona in Busard (unter Euklid) , Sp. . Eine vollkommene Zahl ist eine natürliche Zahl, die größer als  ist, die der Summe ihrer positiven echten Teiler gleich ist, z. B.:  =  +  + ,  =  +  +  +  + . Die Erforschung der vollkommenen Zahlen stellte seit dem . Jhd. ein wichtiges Forschungsgebiet arab. Mathematiker dar. So fragten sie sich z. B., ob es ungerade vollkommene Zahlen gebe, ein Problem, das bis heute nicht gelöst ist. Vgl. Rashed  b, S. . ²⁵ Die arab. Bezeichnung für »Geometrie« ist Ýilm al-handasa , vgl. arab. Text, S. . Der arab. Ausdruck handasa bedeutet nicht nur »Geometrie«, sondern auch »Technik«, der technische Anwendungszusammenhang ist also im Arabischen schon im Wortgebrauch enthalten. Die Beschäftigung arab. Wissenschaftler mit Fragen der Geometrie setzte schon am Ende des . Jhd.s ein. Griechische Hauptquellen waren die Elemente Euklids, die Konika des Apollonios von Perge (um  – um  v. Chr.), die Sphaerica des Theodosios (. Hälfte . Jhd. v. Chr), die Sphaerica des Menelaos (um  n. Chr.) und mehrere Schriften des Archimedes ( –  v. Chr.), so vor allem die Schriften Über Kugel und Zylinder und Über Kreismessung. Seit dem . Jhd. fand bei den arab. Mathematikern eine eigenständige Weiterentwicklung statt. Vgl. Rosenfeld / Youschkevitsch . Aus Autobiographien arab. Mathematiker geht hervor, daß diese sich schon im . Jhd. durchaus bewußt waren, daß sie gegenüber der griech. Mathematik Fortschritte erzielt hatten. Vgl. Vernet , S. . Die Sphaerica des Theodosius wurden von Gerhard von Cremona aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt, ebenso die Sphaerica des Menelaos und die Schrift De mensura circuli des Archimedes. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. ,  und , und Lemay , S. . ²⁶ Mit dem Ausdruck in anima sua ist keinerlei erkenntnistheoretische oder erkenntnispsychologische These verbunden. Der Ausdruck anima steht für arab. nafs, ein Wort, das zwar auch mit der Bedeutung »Seele« gebraucht werden kann, das aber zunächst einfach für »selbst« steht, vgl. einige Zeilen vorher im Text format in se ipso. Vgl. auch Kap. II , Anm. . Gundissalinus: De scientiis, S. , gibt diesen Ausdruck entsprechend durch per se ipsum wieder. ²⁷ In der Handschrift G steht ·corpus ens lignum·, also mit Punkten vor- und nachher, und entsprechend sind auch die beiden fol-

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Anmerkungen des Herausgebers

genden Ausdrücke mit solchen Punkten versehen. Diese Schreibweise entspricht häufig in etwa unseren Anführungszeichen. In P und B finden sich diese Punkt-Zeichen nicht. ²⁸ Vgl. weiter oben Anm. . ²⁹ Im arab. Text, S. , steht asamm. Gerhard von Cremona übersetzt diesen Ausdruck entsprechend der Bedeutung desselben in der Alltagssprache mit lat. surdus (»taub«). Der Ausdruck asamm wurde in der arab. Mathematik zur Wiedergabe des griech. álogos verwendet, um die sog. irrationalen Zahlen zu bezeichnen. Da álogos bei den Pythagoreern in Bezug auf diese Zahlen ursprünglich »un-aussprechlich« (»ist geheimzuhalten!«) meinte, ist die arab. Übersetzung mit »taub« eigentlich näher am ursprünglichen Sinn als das lat. irrationalis, das eigentlich »unvernünftig« bedeutet. Über die lat. Übersetzung der Algebra al-Iwārizimīs durch Gerhard von Cremona, wo dieser auch wieder surdus verwendete, wurde dieser Sprachgebrauch weitergegeben und hielt sich bis ins . Jhd. Vgl. auch Juschkewitsch , S. . In seiner Übersetzung der Elemente Euklids verwendet Gerhard von Cremona in Def. X . beide Ausdrücke, schreibt also irrationales et surde. Vgl. Busard  (unter Euklid), S. . Genauso verfährt Gundissalinus in De scientiis, S. , wo surde sive irrationales steht. ³⁰ Die Schreibung spera war zur Zeit Gerhards von Cremona geläufig, sie findet sich in allen Handschriften von De scientiis und auch in Gundissalinus: De scientiis, S. . Vgl. auch den Titel einer weiteren Übersetzung Gerhards von Cremona Liber introductorius ptolemei ad artem spericam, in Gerardi nomina librorum, N. . Es ist bis heute nicht geglückt, das arab. Original aufzufinden und den Autor dieses Textes zu identifizieren. Vgl. Lemay , S. . ³¹ Im arab. Text, S. . steht ustuwanat (Pl. von ustuwana), was umgangssprachlich »Säule«, im spezifisch mathematischen Sinn »Zylinder« bedeutet, also für griech. kônos steht. Gerhard von Cremona übersetzt dies mit columna , d. h. »Säule«. In seiner Übersetzung der Elemente Euklids schreibt Gerhard von Cremona dafür columpna . Vgl. z. B. XII ., Busard  (unter Euklid), Sp. . Beide Schreibungen waren damals üblich. ³² Im lat. Text steht serratilia (von serra , also von »Säge« abgeleitet), das also etwa »Zersägtes« bedeutet. Im arab. Text, S. , steht

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manšurat (Pl. von manšur), was zunächst »ausgebreitet« bedeutet und im übertragenen Sinn »zersägt« bedeuten kann. In der mathematischen Terminologie ist manšur der Fachbegriff für griech. prísma . Gerhard von Cremona verwendet serratilia für »Prismen« auch in seiner Übersetzung der Elemente Euklids, z. B. in XI ., Busard  (unter Euklid), Sp. . ³³ Für pinealis steht im arab. Text, S. , sanaubara , was »etwas der Pinie Ähnliches« bedeutet. Dieser Ausdruck wird auch z. B. von al-Iwārizimī im Schlüssel der Wissenschaften (Mafātīh al-ÝUlūm) in mathematischem Kontext gebraucht, allerdings nicht in einer eindeutigen terminologischen Zuordnung. Im vorliegenden Zusammenhang legt sich die Wiedergabe durch »Kegel« nahe. Vgl. auch Wiedemann , S. , Anm. . ³⁴ Für elementa steht im arab. Text, S. , arkan (Pl. von rukn), was »Stütze / wesentliches Element« bedeutet. Für radices steht ebd. usul (Pl. von asl), das in der Grundbedeutung tatsächlich »Wurzeln« bedeutet, dann aber auch »Prinzpien« oder »Grundlagen« bedeuten kann. Die beiden Ausdrücke beziehen sich also nicht auf Verschiedenes, sondern auf ein und dasselbe. Gundissalinus: De scientiis, S. , setzt auch für beide Ausdrücke nur einen, nämlich elementa . ³⁵ Der Titel Elemente lautet nach dem arab. Text, S. , Kitāb alUstuqusāt. Der Ausdruck ustuqusat (Pl. von ustuqus) ist im Arabischen ein von griech. stoicheîon abgeleitetes Fremdwort, als arab. Bezeichnung wurde daher in anderen Titelangaben auch Kitāb alUsūl gebraucht (zu usul vgl. die vorausgehende Anm.). Von den Elementen Euklids wurde eine erste Übersetzung durch al-Haffāf (um  – ) hergestellt, der diese dann nochmals überarbeitete. Diese Übersetzung umfaßte aber nur die Bücher I – XIII der Elemente. Eine weitere Übersetzung dieser Teile wurde von Ishāq ibn Hunain angefertigt. Diese Übersetzung wurde von Uābit ibn Qurra ( – ) überarbeitet, der selbst ein hervorragender Mathematiker war. Vgl. Kunitzsch , S. . Die Bücher XIV und XV wurden von Qustā ibn Lūqā übersetzt, dessen Übersetzung von Uābit ibn Qurra revidiert wurde. Vgl. Sezgin  – , V , S.  – . Al-Fārābī hat also eine dieser Übersetzungen gekannt. Zu einem Kommentar al-Fārābīs zu den Prolegomena von Euklid: Elemente

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Anmerkungen des Herausgebers

I und V vgl. Kap. IV , Anm. . Im arab. Bereich wurde später noch eine weitere Übersetzung von Nasīr ad-Dīn at-Tūsī ( – ) hergestellt, die weitaus besser war als die früheren Übersetzungen. Die erste, aber nicht vollständige lat. Übersetzung der Elemente wird Adelard von Bath (um  – nach ) zugeschrieben. Diese Übersetzung beruht auf einem arab. Text, vermutlich der Übersetzung des al-Haffāf. Vgl. Busard  (unter Euklid). Gerhard von Cremona stellte eine lat. Übersetzung auf der Grundlage des Textes von Uābit ibn Qurra her. Vgl. Busard  (unter Euklid). Kunitzsch  vertritt allerdings mit guten Gründen die Auffassung, daß es sich bei dem überlieferten Text der Übersetzung Gerhards von Cremona nicht um dessen ursprünglichen Text handelt, sondern um eine terminologisch und stilistisch überarbeitete Version aus dem . Jhd. Eine weitere Übersetzung aus dem Arabischen stammt von Hermann von Kärnten. Vgl. Busard  (unter Euklid). Den größten Einfluß scheint die Übersetzung Adelards von Bath in einer von Robert von Chester (Mitte . Jhd.) revidierten Ausgabe gehabt zu haben, obwohl die Gerhard von Cremona zugeschriebene Übersetzung die bessere ist. Vgl. Allard , S.  – , und Busard  (unter Euklid), S. IX – XV . Diese lat. Übersetzungen aus dem Arabischen blieben für Jahrhunderte die einzig verfügbaren. Lat. Übersetzungen der Elemente Euklids direkt aus dem Griechischen wurden erst zu Beginn des . Jhd.s hergestellt. Ein wichtiger Kommentar zu den Elementen Euklids stammte von an-Nairīzī (lat. Anaritius, Lebensdaten nicht bekannt, um ), der von Gerhard von Cremona unter dem Titel Liber Anaritii super Euclidem ins Lateinische übersetzt wurde. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . Einzelprobleme wurden in den Data Euklids behandelt, von denen Ishāq ibn Hunain eine Übersetzung hergestellt hatte, die dann auch wieder von Uābit ibn Qurra überarbeitet worden war. Die Data Euklids wurden von Gerhard von Cremona ins Lateinische übertragen. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . ³⁶ Die Gegenüberstellung von Analyse, d. h. Einreihung von Elementen in eine Ordnung gemäß der Abfolge, wie wir zu ihrer Kenntnis gelangen, und Synthese, d. h. Einreihung von Elementen entsprechend der systematischen Ordnung der Herleitung dersel-

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ben, findet sich bei al-Fārābī auch in anderem Zusammenhang. Vgl. Grand livre de la musique I, S.  f. Es läßt sich nicht genau feststellen, wen al-Fārābī in De scientiis bei der Gegenüberstellung der beiden Methoden der Mathematik mit den »Alten« im Auge hat. Eine solche Gegenüberstellung ist aber zu seiner Zeit auch von anderen vorgenommen worden, wobei es klar ist, daß es dabei nur um die Verschiedenheit der Methode bei der Erforschung der Zahlen geht, nicht aber um verschiedene Gegenstandsbereiche der Mathematik. So stellt z. B. al-Haiuam die Verfahrensweisen des Nikomachos von Gerasa jenen des Euklid gegenüber: Die Eigenschaften der Zahlen zeigen sich auf zwei Weisen: Die erste besteht in der Induktion, denn wenn man die Eigenschaften der Zahlen eine nach der anderen verfolgt und man sie unterscheidet, findet man, indem man sie unterscheidet und analysiert, alle ihre Eigenschaften. Dies wird in dem Werk der Arithmetik des Nikomachos aufgezeigt. Die andere Weise, auf die sich die Eigenschaften der Zahlen zeigen, geht auf dem Weg des Beweises und der Deduktion vor. Alle durch Beweis erfaßten Eigenschaften der Zahlen sind in den drei Büchern des Euklid bzw. in dem, was darauf zurückzuführen ist, enthalten. (Zit. nach Rashed  b, S. ; Übers. v. F. S.)

In seiner Adaptation des al-Fārābī-Textes führt auch Jehuda ÝAqnīn in seiner Behandlung der Arithmetik sofort nach Euklid auch Nikomachos von Gerasa an. Vgl. Güdemann , S. . Es läßt sich also vermuten, daß al-Fārābī mit dem Vertreter der Analyse Nikomachos von Gerasa meint. ³⁷ Die »Wissenschaft der Optik« wird im arab. Text, S. , als Ýilm an-nazar bezeichnet, wovon das lat. scientia aspectuum eine genaue Übersetzung ist. Zu Ýilm an-nazar vgl. EI VI , S.  a –  b. Die Grundlage der Optik bei den Arabern war vor allem die Optik Euklids, sie kannten aber auch einige Traktate Herons (. Hälfte . Jhd. n. Chr.), die Optik des Ptolemaios (um  – um  n. Chr.; die Zuschreibung ist allerdings umstritten), Schriften Theons (. Hälfte . Jhd. n. Chr) und die Katoptrik des Pseudo-Euklid. Wie sich aus den Werken u. a. al-Kindīs nachweisen läßt, war schon im . Jhd. die Optik Euklids und zumindesten der wesentliche Inhalt der Katoptrik des Pseudo-Euklid bekannt. Die Kenntnis

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Anmerkungen des Herausgebers

der Optik des Ptolemaios kann mit Sicherheit erst in der . Hälfte des . Jhd.s nachgewiesen werden. Vgl. Steinschneider , § , Sezgin  – , V , S.  – , und Rashed  c, S.  f. Die arab. Version der Optik des Ptolemaios ist nicht erhalten. Die genauen Daten der Übersetzungen wie auch die Namen der Übersetzer sind uns im Bereich der Optik nur wenig bekannt. Auffällig ist aber, daß schon um die Mitte des . Jhd.s die Herstellung von Übersetzungen und das Verfassen von selbständigen Traktaten zur Optik praktisch gleichzeitig vor sich ging. Die wichtigsten Arbeiten dieser frühen Periode stammen von al-Kindī und Qustā ibn Lūqā (um  – ), der auch selbst als Übersetzer tätig war. Vom Beginn des . Jhd.s ist auch eine überblickshafte Darstellung von Ahmad ibn ÝĪsā erhalten. Was al-Fārābī in dem im Text folgenden Abschnitt wiedergibt, stellt einen sehr vereinfachten Überblick über die oder wenigstens über einige der Fragen dar, die von den Wissenschaftlern hauptsächlich in Bagdad im Bereich der Optik behandelt wurden. Eigene Arbeiten zur Optik hat al-Fārābī nicht verfaßt. Die große Entwicklung der Optik in der arab. Wissenschaft setzte auch erst in der . Hälfte des . Jhd.s, also nach al-Fārābī, ein. Ein wichtiger Vertreter der geometrischen Anlysen innerhalb der Optik war der in der . Hälfte des . Jhd.s tätige Ibn Sahl, dessen Arbeiten dann in herausragender Form von al-Haiuam ( –  / ) weitergeführt und auf einem mathematischen Niveau behandelt wurden, das bis in die Neuzeit hinein, so etwa bei Johannes Kepler ( – ), Ausgangpunkt aller weiteren Untersuchungen war. Zur geometrischen Optik der Araber vgl. Rashed  und  c. In seiner Adaptation von al-Fārābīs De scientiis trägt Jehuda ÝAqnīn dieser Wissenschaftsentwicklung Rechnung, wenn er zwar die Schriften des Euklid und des Ptolemaios erwähnt, dann aber feststellt, daß das Beste zur Optik von al-Haiuam stammt. Vgl. Güdemann , S. . Euklids Optik wurde im . Jhd. zweimal aus dem Arabischen ins Lateinische übertragen. Gerhard von Cremona übersetzte eine Schrift al-Kindīs zur Optik unter dem Titel De aspectibus ins Lateinische. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . Das Hauptwerk al-Haiuams (der bei den Lateinern Alhazen genannt wurde) über die Optik, das Kitāb al-Manāzir, wurde am Ende des . oder Beginn des . Jhd.s von einem unbe-

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kannten Übersetzer unter dem Titel De aspectibus ins Lateinische übertragen. Lemay , S. , vermutet auch hier Gerhard von Cremona als Übersetzer. Diese Übersetzung gewann einen sehr bedeutenden Einfluß im lat. Mittelalter, der seit Robert Grosseteste (um  – ) und Roger Bacon (um  – ) nachweisbar ist. Vgl. Lindberg . In Witelos (um  – nach ) Traktat Perspectiva sind große Teile direkt aus dem Werk al-Haiuams übernommen. Zu der für die Optik wichtigen Frage von Spiegeln vgl. auch weiter unten Anm. . ³⁸ Sowohl bei Gundissalinus: De scientiis, S. , als auch in dessen De divisione philosophiae, S. , steht wie im Text von Gerhard von Cremona (in allen Handschriften) sed ita und nicht sed non ita . In einer Handschrift von De divisione philosophiae findet sich allerdings tasächlich sed non ita (vgl. dort den textkrit. Apparat zu Zeile ). Dabei handelt sich allerdings um eine spätere, sachlich aber ganz richtige Korrektur eines Kopisten. Bouyges , S. , hat darauf hingewiesen, daß die arab. Handschrift von Nafaf (. Jhd.), die älter ist als die des Escorial, in diesem Satz eine Negation aufweist. Bouyges stellt ebd. auch zu Recht fest, daß sachlich an irgendeiner Stelle eine Negation erforderlich ist, um einen sinnvollen Zusammenhang zu ergeben. In der arab. Handschrift des Escorial findet sich an dieser Stelle lakinna laisa (= sed non), die Negation steht hier also genau an der richtigen Stelle. Vgl. den arab. Text bei Palencia , S. , und den arab. Text der Ausgabe von Amīn, S. , textkrit. Apparat, Anm. . Die Einfügung des non in den lat. Text folgt dieser Ausgabe. Auch in der hebr. Version des Qalonymos findet sich die Negation an genau dieser Stelle. Vgl. Zonta , S.  f., Anm. . Dieser Textbefund wirft allerdings eine Frage zu der arab. Handschrift auf, die Gerhard von Cremona bei seiner Übersetzung vorlag (ein Flüchtigkeitsfehler dieser Art ist bei Gerhard von Cremona eher auszuschließen). Die Handschrift, nach der Gerhard seine Übersetzung anfertigte, enthielt also vermutlich nicht das angeführte laisa , es stellt sich daher die Frage, ob sie zu der selben Handschriftenfamilie gehört, aus der auch der Text des Escorial stammt. Dies ist aber doch möglich, denn es kann nicht ausgeschlossen werden, daß es innerhalb einer Handschriftenfamilie bei schwierigen Stellen verschiedene Lesungen gab.

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Anmerkungen des Herausgebers

³⁹ Die Optik wird von al-Fārābī als mathematische Disziplin aufgefaßt, da seiner Auffassung nach den Gegenständen, mit denen sich die Optik befaßt, Zahlen und Größen so inhärent sind, daß diese in die Definition dieser Gegenstände eingehen. Dasselbe gilt dann auch für die Astronomie. Vgl. Bakar , S. . Auch nach Aristoteles: . Analytik I ,  b  – , ist die Optik eine der Geometrie untergeordnete Wissenschaft. Maßgeblich für diese Einordnung der Optik unter die mathematischen Wissenschaften war aber weniger die Auffassung des Aristoteles, sondern die des Proklos ( –), die in der spätantiken Wissenschaftseinteilung großen Einfluß gewonnen hatte. Dem folgten auch die meisten arab. Philosophen und Wissenschafler. Eine Ausnahme bildete al-Haiuam, der die Optik als eine interdiziplinäre mathematisch-naturwissenschaftliche Wissenschaft auffaßte. Vgl. Sambursky , S. . Seine Auffassung setzte sich aber in der arab. Wissenschaft des Mittelalters nicht durch. Vgl. Bakar , S. . ⁴⁰ Dem Ausdruck »auf es [d. h. etwas] blickt« entspricht im Lateinischen ea aspicitur. In aspicitur liegt also dieselbe Wortwurzel wie in scientia aspectuum vor. Damit wird auch der Zusammenhang klar: Das, was die Wissenschaft der Geometrie abstrakt und absolut feststellt, kann dann, wenn es sich in materieller Form dem Anblick des Auges (aspectus) darbietet, manchmal eine Gestalt annehmen, die von der von der Geometrie geforderten abweicht oder ihr geradezu entgegengesetzt ist. Die Ursachen dieser optischen Abweichungen müssen daher in einer eigenen Wissenschaft (scientia aspectuum) erklärt werden. ⁴¹ Verschiedene dieser Fälle werden in Euklid: Optik, in den Propositionen  – , S. XXXVIII , aufgezählt, so z. B. Prop. : Quadrata per distantiam apparent rotunda. ⁴² D. h. über welchem Ort der Erde sie liegen. ⁴³ Was mit reflexio im lat. Text genau gemeint ist, läßt sich aus dem Kontext nicht eindeutig bestimmen. Sicher geht es nicht um reflexio im Sinn von »Überlegung«. Wiedemann , S.  übersetzt »eine Beziehung auf den es Betrachtenden«. Im arab. Text, S. , steht inhiraf, was ganz allgemein »Abweichung«, und im technischen Sinn der Optik »Aberration« bedeutet. ⁴⁴ Wiedemann , S. , Anm. , liest statione anstelle von sta-

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tio und übersetzt entsprechend »Abstand von irgendeinem Standort«. Diese Textänderung entspricht aber nicht dem arab. Text. Vgl. Bougyes , S. . ⁴⁵ Die wichtigsten Instrumente, die in der Optik zur Anwendung kamen, waren Spiegel (ebene und gekrümmte), Kristallstücke, Linsen und mit Wasser gefüllte gläserne Gefäße. Vgl. Wiedemann , S. , Anm. . ⁴⁶ Al-Fārābī vertritt hier die Theorie des Sehens, die auf Plato: Timaios  b – d, zurückgeht, nach der das Sehen durch einen vom Auge ausgehenden Strahl verursacht wird (Emissionstheorie). In wesentlich ausgearbeiteterer Form findet sich diese Theorie bei Euklid und Ptolemaios und – trotz Unterschieden – bei Galen. Sie wurde in der arab. Wissenschaft durch al-Kindī: De aspectibus sehr einflußreich. Diese Auffassung war aber schon in der Antike nicht unumstritten. Ihr stand die im Prinzip auf Aristoteles zurückgehende Auffassung (vgl. z. B. Über die Seele II , ,  a  – ) gegenüber, nach der das Sehen durch eine Einwirkung von außen, d. h. durch einen auf das Auge treffenden Strahl, bewirkt wird (Rezeptionstheorie). Vgl. Lindberg . In anderem Zusammenhang vertrat auch al-Fārābī eine der aristotelischen nahestehende Auffassung: In der Substanz der im Auge liegenden Sehkraft liegt aber nicht ein Genüge dazu, daß der Blick ein wirklicher werde und ebensowenig liegt in den Substanzen der Farben ein Genüge dazu, daß sie wirklich gesehen und erschaut würden, denn die Sonne verleiht dem Blick [Auge] einen Strahl, durch den er erleuchtet wird, auch verleiht sie den Farben einen Strahl, wodurch sie erhellt werden, und ist somit der Blick erst durch den Strahl, der ihm von der Sonne gespendet wird, aktuell sehend und wirklich sehfähig, auch werden die Farben erst durch diesen Strahl wirklich geschaut und gesehen, nachdem sie vorher nur potentiell gesehen und geschaut wurden. (Al-Fārābī: Musterstaat XXI , S.  f.)

Im lat. Mittelalter wurde al-Fārābī fälschlich eine Schrift De sensu et sensato zugeschrieben, in der eine explizit aristotelische Theorie des Sehens vertreten wird. Diese Schrift stammt jedoch in Wirklichkeit von Ibn Rušd (Averroes), wie schon Roger Bacon wußte. Vgl.

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Anmerkungen des Herausgebers

Lindberg , S.  f., Anm. . Die für die arab. und später für die lat. Wissenschaft maßgebliche Theorie wurde dann von al-Haiuam im Kitāb al-Manāzir entwickelt, der die an Euklid und Ptolemaios orientierte geometrische Theorie der Optik mit der aristotelischen Theorie des Sehens verband. Vgl. EI VI , S.  b –  a. Die Fragen, die mit der Theorie des Sehens verbunden waren, waren sowohl im arab. wie auch im lat. Bereich nicht nur für die Optik, sondern auch für die Erkenntnistheorie relevant. In der lat. Philosophie ist dies z. B. bei Wilhelm von Ockham ( /  – ) sehr deutlich. Vgl. Tachau . Darüber hinaus war die Theorie des Sehens auch für die Medizin bei der Behandlung der Physiologie des Auges wichtig. Diese Fragestellung findet sich schon bei Galen und wurde auch in der arab. Wissenschaft z. B. von ar-Rāzī (bei den Lateinern Rhazes genannt,  – ), Ibn Sīnā (Avicenna) und anderen Ärzten weiter behandelt. Vgl. Russell . Gerhard von Cremona übersetzte mehrere Werke ar-Rāzīs ins Lateinische. Vgl. Gerardi nomina librorum, N.  – , und Lemay , S.  – . ⁴⁷ Die Optik gehörte nicht zu den besonderen Interessensgebieten al-Fārābīs. Al-Fārābī liefert hier entsprechend dem Charakter seines Werkes als Einführungs- und Überblicksschrift nur eine ganz schematische Übersicht, für die er das Material mit großer Wahrscheinlichkeit aus Schriften anderer übernommen hat. Vgl. auch weiter unten Anm. . Die hier zugrundegelegte Einteilung in geradlinige, reflektierte und gekrümmte Strahlen war längst eingeführt und blieb auch noch bei al-Haiuam in Geltung. ⁴⁸ Das sunt (in P steht sont) lasse ich unübersetzt, es fehlt in G, und auch B konnte damit offensichtlich nichts anfangen und schrieb: super rem visam. Ich lese also secundum rectitudinem visus. ⁴⁹ D. h. bis an den Ort des Betrachters. ⁵⁰ Diese wie auch die zweite Figur weiter unten ist im arab. Text, S.  f., in etwas anderer, aber auch nicht wirklich besserer Form wiedergegeben. Die Figuren sind allerdings nur in der Handschrift des Escorial enthalten, sie fehlen in allen anderen arab. Handschriften samt dem sie einführenden Einleitungssatz (lat. secundum hanc figuram ), der in der Edition von Amīn eingeklammert ist. Vgl. arab. Text, S. , Anm. , und S. , Anm. . Ebenso fehlen diese Figu-

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ren in allen hebr. Handschriften der Übersetzung des Qalonymos, dort findet sich aber der Einleitungssatz und es ist Platz für die Figuren freigelassen. Vgl. Zonta , S. , Anm. . Es ist also anzunehmen, daß diese Figuren im Originaltext al-Fārābīs nicht vorhanden waren und die Figuren möglicherweise samt dem Einleitungssatz von einem späteren Bearbeiter stammen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß in der arab. Textvorlage, die Gerhard von Cremona zur Verfügung stand, diese Figuren in der Form, wie wir sie in P finden, bereits ausgeführt waren und Gerhard sie einfach übernahm. Die weitere Möglichkeit, nämlich, daß Gerhard von Cremona in seiner Handschrift eine Lücke vorfand, wie sie sich in den anderen Handschriften findet, und er selbst dann die Figuren erfand, kann auch nicht ausgeschlossen werden, ist aber m. E. weniger wahrscheinlich. ⁵¹ Diese Dämpfe waren wichtig bei der Erklärung des Regenbogens bzw. des Farbspektrums desselben. Die arab. Wissenschaftler dachten dabei an kleinste Wassertropfen, die wie Spiegel oder Linsen wirken und so reflektierte oder gebrochene Lichtstrahlen bewirken. Vgl. Vernet , S.  f. ⁵² Die Berechnungen, die in den genannten Bereichen im . Jhd. durchgeführt wurden, werden ausführlich dargestellt in Rashed . ⁵³ Der arab. Ausdruck für scientia stellarum lautet im arab. Text, S. , Ýilm an-nufum. Zu Ýilm an-nufum vgl. EI VIII  b –  b. Der Ausdruck nufum (Pl. von nafm) für »Sterne« hat astrologische Konnotationen, während der Ausdruck für »Sterne« in der Astronomie gewöhnlich kawakib (Pl. von kaukab) ist. Als Buchtitel verwendet verliert jedoch Ýilm an-nufum diese Konnotation und kann sowohl wissenschaftliche Astronomie wie auch Astrologie bedeuten. Es war aber allen Autoren bewußt, daß es sich hier um zwei verschiedene Bereiche handelt, auch wenn manchmal beide Bereiche von ein und demselben Autor behandelt wurden. Vgl. Morelon , S.  f. Die Astrologie hat im arab. Bereich nie über eine »wissenschaftliche« Tradition mit entsprechenden Standardwerken und einer kontinuierlichen Tätigkeit von Kommentatoren verfügt. Vgl. Endreß , S.  f. Selbstverständlich wurden auch im Zusammenhang der Astrologie Fragen behandelt, die der mathematisch-wissen-

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Anmerkungen des Herausgebers

schaftlichen Astronomie angehören. Daß al-Fārābī eine deutliche Unterscheidung zwischen Astrologie und wissenschaftlich-mathematischer Astronomie vornimmt, geht aus dem im Text folgenden Abschnitt deutlich hervor. Auf die Astrologie geht er dann im weiteren überhaupt nicht mehr ein. Al-Fārābī hat der Frage der Astrologie allerdings eine eigene kleine Abhandlung über den Wert der Astrologie gewidmet, in der er aber auf diese selbst auch wieder nur am Rande eingeht. Vgl. Druart  und . Es wird aber auch in diesem kleinen Traktat so wie in De scientiis deutlich, daß al-Fārābī nicht meinte, daß die Astrologie wissenschaftliche Erkenntisse wie die Astronomie vermitteln könne, vgl. z. B.: Wer dann aber glaubt, daß, wenn der oder der Stern sich mit irgendeinem Stern verbindet [Konjunktion], einige Menschen sterben, und irgendein Ereignis eintreten werde, und darüber spricht, der gibt auch ein astronomisches Urteil ab, doch gehört dies nur zu den Dingen, die man glaubt und konjekturiert. (Al-Fārābī: Über den Wert der Astrologie, S. )

Deutlicher spricht sich Jehuda ÝAqnīn in seiner Adaptation von alFārābīs De scientiis aus. Er führt zwar den Text al-Fārābīs über die Astrologie auf, stellt aber dann einfach kategorisch fest: »Diese Wissenschaft ist aber von Gott verboten.« Vgl. Güdemann , S. . In der hebr. Version des Qalonymos ist keine solche Bemerkung vorhanden. Qalonymos stand der Astrologie und den Geheimwissenschaften durchaus positiv gegenüber. Vgl. Zonta , S. XXVI . Kultur- und textgeschichtlich weisen die Bereiche Astronomie und Astrologie einen verschiedenen Hintergund auf. Während die mathematische Astronomie griech. und indischer Herkunft war, waren die Quellen der Astrologie zunächst vornehmlich persischer Herkunft. Einige astrologische Texte wurden schon vor der Zeit der Abbasiden aus dem Pahlevi übersetzt, die Mehrzahl derselben jedoch während der Periode der Abbasiden. Das große – auch religiös und politisch motivierte – Interesse an astrologischen Texten führte dann auch zur Übersetzung des Tetrabilos des Ptolemaios durch alBitrīq (gest. ). Vgl. Gutas , S.  – . Die Astrologie wurde aber in der islamischen Gesellschaft keineswegs allgemein akzeptiert. Nicht nur von philosophischer Seite, sondern auch von Seiten

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der islamischen Theologie wurden Bedenken dagegen vorgebracht. Während die Philosophen vor allem Beweislücken in der Behauptung einer ursächlichen Einwirkung der Sterne auf irdische Ereignisse bemängelten, sahen die islamischen Theologen in dem mit der Astrologie verbundenen Determinismus eine Einschränkung der Allmacht Gottes. Vgl. Radtke , S. . Nichtsdestoweniger blieb der Einfluß der Astrologie ungebrochen. Ein einflußreicher Astrologe, der aber auch wichtige Arbeiten zur Astronomie lieferte, war MāšāÞallāh (gest. um ). Von ihm übersetzte Gerhard von Cremona den Liber Messehala de orbe. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S.  f. Bei den Lateinern noch bekannter war Abū MaÝšar (bei den Lateinern Abumasar genannt,  – ). Vgl. besonders Ullmann . Astrologische Texte der Araber fanden schon früh großes Interesse im lat. Bereich, erste Übersetzungen wurden bereits gegen Ende des . Jhd.s hergestellt. Die Übersetzung zahlreicher wichtiger Werke der genannten Astrologen / Astronomen aus dem . Jhd. stammen von Johannes Hispanus von Toledo (oder Sevilla), dessen Identität noch immer umstritten ist. Adelard von Bath stellte eine Übersetzung des Auszugs aus der Einleitung in die Astrologie Abū MaÝšars her, mit der sich auch Gerhard von Cremona im Kreis seiner Schüler beschäftigte. Daniel von Morley (um  – um ) berichtet in seiner Philosophia, N.  – , von einer Diskussion in diesem Kreis, in dem er selbst als Gegner der Astrologie auftritt, während Gerhard von Cremona die Astrologie mit Verweis auf den spätantiken Astrologen Firmicius Maternus (. Jhd.) verteidigte. Vgl. Burnett , S.  – . Lemay , S. , äußert allerdings Zweifel an der Authentizität des Berichts, und auch Burnett , S. , meint, daß die von Daniel von Morley Gerhard von Cremona in den Mund gelegten Argumente etwas verdächtig sind. Es ist daher Vorsicht geboten, wenn man aus diesem Bericht allzu viel über die Haltung Gerhards von Cremona zur Astrologie herauslesen wollte. Abū MaÝšars Große Einleitung in die Wissenschaft der Astrologie wurde jedenfalls nicht von Gerhard von Cremona, sondern von Johannes von Toledo (oder von Sevilla) übersetzt. Der Herausgeber dieses großen Traktats, R. Lemay, vermutet, daß Gerhard von Cremona bei der Überarbeitung dieser Übersetzung mitgewirkt hat. Vgl. Burnett , S.  f. Gerhard von

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Anmerkungen des Herausgebers

Cremona übersetzte aber eben sehr viel und war auch an vielen in seinem Umkreis entstandenen Übersetzungen irgendwie beteiligt. Auch aus seiner eigenen Übersetzung eines astrologischen Textes und aus seiner möglichen Mitwirkung an solchen anderer läßt sich kaum mehr entnehmen, als daß Gerhard von Cremona wußte, daß die Astrologie in den damaligen Kanon der Wissenschaften gehörte und dafür entsprechende Texte zur Verfügung stehen mußten. Im ganzen läßt sich aus der Übersetzungstätigkeit Gerhards von Cremona ein deutliches naturwissenschaftliches und mathematisches Interesse erkennen, das mit astrologischen Interessen nur schwer zu verbinden ist. Die Annahme, daß Gerhard von Cremona sich auch in seinen eigenen Ansichten von Aristoteles, Ptolemaios, al-Fārābī und ähnlichen Autoren leiten ließ, scheint eher begründet zu sein als der Bericht Daniels von Morley. ⁵⁴ Gundissalinus: De scientiis, S. , fügt hier hinzu: Et hec dicitur Astronomia . Ganz entsprechend fügt er dann am Ende der Darstellung der mathematisch-wissenschaftlichen Lehre (d. h. der scientia doctrinalis) von den Sternen, ebd., S. , hinzu: Et vocatur Astrologia . Die Terminologie ist also genau umgekehrt zu der uns gewohnten. Die selbe »verkehrte« Terminologie verwendet Gundissalinus auch in De divisione philosophie, S.  und . Wahrscheinlich geht es auf den Einfluß dieser Schriften des Gundissalinus zurück, daß diese »verkehrte« Terminologie auch noch bei manchen Autoren im . Jhd. verwendet wurde. Hingegen findet sich die »richtige« Verwendung von astronomia in dem lat. Text von al-Fārābī: De ortu scientiarum, S. , was allerdings die in der Einleitung zu dieser Schrift, ebd., S. , von Baeumker geäußerte Vermutung, daß Gundissalinus der Übersetzer dieser Schrift ist, eher unwahrscheinlich macht. Und außerdem ist zu beachten, daß auch die Zuschreibung dieses Textes an al-Fārābī einigermaßen fragwürdig ist. Vgl. Einleitung .. ⁵⁵ Das wichtigste griech. Werk, von dem die arab. Astronomen ausgingen, war der Almagest des Ptolemaios. Zu weiteren kleineren Texten vgl. Morelon , S.  f., und Kunitzsch , S.  f. Vom Almagest gab es bereits im . Jhd. eine mittelpersische Übersetzung, dann auch eine syr. Übersetzung. Im . Jhd. wurden vom Almagest zwei arab. Übersetzungen hergestellt, eine von al-Haggāg und eine weitere von Ishāq ibn Hunain, die dann von Uābit ibn Qurra, der

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selbst ein hervorragender Astronom war, verbessert wurde. Die Textentwicklung läuft also ganz parallel zu jener der Elemente Euklids, vgl. weiter oben Anm. . In al-Qiftī: Über Alfarabi, N. , ist ein Kommentar zum Almagest von al-Fārābī aufgeführt. Vgl. dazu Sezgin  – , VI , S.  f. Gerhard von Cremona war nach Toledo gekommen primär mit der Absicht, den Almagest zu übersetzen. In der Biographie Gerhards wird berichtet, daß er amore Almagesti nach Toledo gekommen war. Vgl. die Vita Gerhards in Burnett , S. . An der Übersetzung wirkte auch der Mozaraber Galippus mit. Vgl. Einleitung .. Der Übersetzung Gerhards von Cremona lagen beide arab. Versionen des Almagest zugrunde. Obwohl schon vorher in Sizilien von einem bisher nicht identifizierten Bearbeiter eine Übersetzung aus dem Griechischen hergestellt worden war, wurde doch die schwer lesbare Version Gerhards von Cremona maßgeblich für die lat. Wissenschaft bis in die Zeit der Renaissance hinein. Vgl. Kunitzsch . Bei den Persern wurden – unter Heranziehung indischer Vorlagen – Sternentafeln aufgestellt, die bis ins . Jhd. immer wieder verbessert wurden und dann ins Arabische übersetzt und dort weiter präzisiert wurden. Solche Tafeln wurden auch direkt aus dem Indischen übersetzt. Vgl. Kennedy . Der Fachterminus in der arab. Wissenschaft für solche Tafeln blieb das persische Wort zif, obwohl der Beitrag der Perser zur Astronomie verhältnismäßig gering war und hauptsächlich die Verbindung von Astronomie und Astrologie betraf. Vgl. EI XI , S.  b –  a, und Richter-Bernburg , S.  f. Eine der genauesten Tafeln stammte von al-Battānī, auf dieser und weiteren Überarbeitungen derselben beruhten die von az-Zarqālluh (Anfang . Jhd. – nach ) aufgestellten, die am Hof Alfons X . ins Kastilische übersetzt wurden und als die sog. Tafeln von Toledo bekannt sind. Vgl. Vernet , S.  f. Die Tafeln in der von alFaiyānī (= aus Jaén,  – ) redigierten Form wurden von Gerhard von Cremona unter dem Titel Liber tabularum Iahen cum regulis suis ins Lateinische übersetzt. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . Diese Tafeln fanden im lat. Mittelalter eine weite Verbreitung. Vgl. Hugonnard-Roche , S.  – . Die Astronomie war zur Zeit al-Fārābīs bereits hoch entwickelt und weit fortgeschritten. Seit dem ., verstärkt im . Jhd., wurden in

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Anmerkungen des Herausgebers

Observatorien zunächst in Bagdad, dann in Damaskus, Raqqa und an mehreren anderen Orten systematische astronomische Beobachtungen durchgeführt und mathematisch verarbeitet. Es gab zahlreiche bedeutende Astronomen und Mathematiker, von denen bei den Lateinern besonders al-Fargānī (bei den Lateinern Alfraganus oder Alfagranus genannt, . Hälfte . Jhd.) und al-Battānī (lat. Albategnius, vor  – ) berühmt wurden. Gerhard von Cremona übersetzte von al-Fargānī den Traktat Liber alfagrani continens capitula XXX. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . ⁵⁶ Vgl. zu diesem ganzen Bereich EI VIII  b –  b. ⁵⁷ Ausgangspunkt für diese Beschreibung der Sterne mit Hilfe von Himmelskoordinaten war der Almagest des Ptolemaios, zahlreiche Listen fanden sich auch in den Zīf-Katalogen. Zur Zeit al-Fārābīs waren aber diesen gegenüber schon erhebliche Verbesserungen vorgenommen worden. As-Sūfī verfaßte  ein Werk, das neben der arab. und griech. Tradition auch auf eigenen Beobachtungen beruhte. In diesem Werk, das später zum Standardwerk wurde, wird die Position der Sterne sowohl nach dem griech. Verfahren, wie auch nach dem bei den Arabern üblichen Verfahren der  Mondstationen angegeben. Vgl. Endreß , S.  und  f. Zu den Mondstationen (manazil al-qamar) vgl. EI III  a –  a. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, daß zur Zeit al-Fārābīs die Frage der »arabischen« und »fremden« Wissenschaften nicht nur ein allgemeines kulturelles und religiöses Problem darstellte (vgl. Einleitung .), sondern auch ganz konkrete Aufgabenstellungen in Einzeldisziplinen – hier der Astronomie – lieferte. ⁵⁸ Die Ruhe der Erde war eine Grundvoraussetzung der Kosmologie des Aristoteles und des Ptolemaios. Die Muslime gingen von der Voraussetzung aus, daß die Vorstellung von der Ruhe der Erde auch im Koran enthalten sei. Damit stimmten sie mit den Christen und Juden überein, die in Hinsicht auf die Bibel die selbe Auffassung vertraten. Die These des Aristarchos (um  – um  v. Chr.), daß die Erde nicht ruht, scheint den arab. Astronomen nicht bekannt gewesen zu sein. Aber schon seit dem . Jhd. wurde die Frage der Erdrotation bei den arab. Wissenschaftlern diskutiert. Der Anstoß kam aus der indischen Astronomie, wo Āryabhata (geb.  n. Chr.) die Hypothese einer Erdrotation diskutiert hatte. Sowohl al-Haiuam

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als auch dem bedeutenden Forscher al-Bīrūnī ( – ), der Sanskrit konnte und der sich intensiv mit indischer Astronomie beschäftigt hatte, war diese Hypothese bekannt. Bei al-Bīrūnī ist zu lesen: Die Ruhelage der Erde ist auch eines der Prinzipien der astronomischen Wissenschaft, bei denen schwer lösbare Zweifel auftreten. […] Die Anhänger Āryabhatas behaupten, daß sich die Erde bewegt und der Himmel in Ruhe ist. […] Nehmen wir einmal an, daß das richtig ist, […] so gäbe es keinen Hinderungsgrund dafür, daß beides völlig gleichwertig ist. Außerdem würde eine Rotation der Erde die astronomische Wissenschaft überhaupt nicht beeinträchtigen, vielmehr könnte sie damit in der gleichen Weise betrieben werden. Indessen ist sie aus anderen Gründen unmöglich, und deswegen wurde sie zu einem der am schwersten zu lösenden Probleme in dieser Wissenschaft. Die Koryphäen unter den neueren Gelehrten haben sich im Gefolge der Alten vielfach auf die Erdrotation und ihre Widerlegung eingelassen. Wir glauben, daß wir sie der Sache nach, wenn auch nicht in Worten, übertroffen haben in unserem Buch »Der Schlüssel zur Astronomie«. (Al-Bīrūnī: In den Gärten der Wissenschaft, S.  f.)

Schließlich haben sich aber sowohl al-Haiuam wie auch al-Bīrūnī für die Theorie des Ptolemaios entschieden. Al-Bīrūnī hat auch einen eigenen Traktat Über die Ruhe oder Bewegung der Erde verfaßt, der aber nicht erhalten ist. Die Argumente al-Bīrūnīs für und gegen eine Erdrotation sind jedoch aus anderen Texten bekannt. Vgl. Sambursky , S.  – , und Morelon , S. . Im lat. Bereich waren die Schriften al-Bīrūnīs so gut wie nicht bekannt, und somit wußten die lat. Philosophen auch von dieser Diskussion nichts. ⁵⁹ Schon al-Battānī hatte an einigen Punkten Verbesserungen der Theorie des Ptolemaios vorgeschlagen, in der . Hälfte des . Jhd.s wurde aber mit al-Haitam in seiner Schrift Über die Zweifel an Ptolemaios das Prinzip der durchgängigen Kreisbewegung der Planeten in Frage gestellt, was dann zur Einführung von Epizyklen führte. Vgl. dazu Saliba , S.  – . ⁶⁰ Arab. Text, S. , kawakib (vgl. weiter oben Anm. ), wobei in diesem Zusammenhang die Planeten gemeint sind. Vgl. Bouyges , S. .

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Anmerkungen des Herausgebers

⁶¹ Arab. Text, S. , gayru al-kawakib, wörtlich: »das, was etwas anderes als ein Stern ist«. Gemeint sind Kometen. Arab. Astronomen beschäftigten sich seit dem . Jhd. mit Kometen, an denen auch Astrologen besonders interessiert waren. ⁶² Arab. Text, S. , buruf (Pl. von burf), eigentlich »Turm / Schloß«, dann aber auch »Sternbild / Tierkreiszeichen«. ⁶³ Gundissalinus: De divisione philosophiae, S.  f., verweist in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf das Astrolabium als Instrument der Astronomie. Das Astrolabium wurde von Beginn der arab. Astronomie an verwendet. Zur Geschichte und Verwendung des Astrolabiums bei den Arabern vgl. Maddison , S.  – . Die Abbildung eines Astrolabs vom Beginn des . Jhd.s, also der Zeit al-Fārābīs, findet sich in Saliba , Abbildung . ⁶⁴ Vgl. dazu Wiedemann , S. , Anm. : »Bei der Sonnenfinsternis liegt der Mond zwischen Erde und Sonne, der Mond bewirkt also die Sonnenfinsternis; bei der Mondfinsternis liegt die Erde zwischen Sonne und Mond; sie ruft also die Mondfinsternis hervor.« ⁶⁵ Die Geographie wurde bei den Arabern so wie bei Ptolemaios im Anschluß an die Astronomie und als Teil derselben behandelt. Die Geographie wurde von den Arabern zunächst unter rein praktischer Zielsetzung – Landvermessung, Wirtschafts- und Verwaltungsgebiete, Reise- und Pilgerwege usw. – behandelt. Seit dem Ende des . Jhd.s, also seit der Zeit des Kalifen al-MaÞmūn (reg.  – ), und ausdrücklich angeregt und gefördert durch diesen, wurde die Geographie auf wissenschaftlicher Ebene betrieben, wobei der entscheidende Ausgangspunkt die Geographie des Ptolemaios war, die schon für al-Kindī hergestellt und von Uābit ibn Qurra überarbeitet worden war (keine der beiden Versionen ist erhalten). Der Höhepunkt der arab. Kartographie wurde mit der  fertiggestellten Weltkarte al-Idrīsīs (um  – um ) erreicht, der in Sizilien für den Normannenkönig Roger II . arbeitete. Zur Entwicklung der Kartographie in der arab. Wissenschaft vgl. Kennedy . ⁶⁶ »Klima« (griech., wörtlich »Neigung«) war ursprünglich, besonders in der Geographie des Ptolemaios, ein rein mathematischastronomischer Begriff. Es handelt sich dabei um die Zonen, die

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zwischen zwei Parallelkreisen liegen, wobei diese Zonen durch die größte Tageslänge bestimmt sind. Klimata sind also Zonen zwischen zwei Parallelkreisen der Erde, in denen, ausgehend vom Äquator bis zu den Polen, die Dauer des längsten Tages jeweis um eine halbe Stunde zunimmt. Die einzelnen Klimata haben demgemäß eine jeweils verschiedene Breite. Die arab. Geographen übernahmen zunächst diese Vorgaben aus der Geographie des Ptolemaios. Das arab. Wort für »Klimazone« iqlim (Pl. aqalim), arab. Text, S. , ist ein griech. Fremdwort. Die Klimazonen der griech. Tradition wurden aber dann mit der persischen Tradition und Vorgaben aus der politischen Situation der »Länder des Islam« verbunden. Vgl. EI III , S.  b –  b. So ergab sich schon in der ersten Hälfte des . Jhd.s mit al-Baliī (gest. ) und al-Istairī (. Hälfte . Jhd.) auch im Bereich der Geographie eine Verbindung »islamischer« und »fremder« Wissenschaften ergab. Vgl. Endreß , S. . ⁶⁷ Die Rede von Wohngebieten, die in einer bestimmten Zone nur zu einer bestimmten Zeit bewohnt sind, bezieht sich möglicherweise auf die Nomadenkultur. ⁶⁸ Im lat. Text steht hier – wörtlich übersetzt – revolutio mundi, was normalerweise durch »Umdrehung des Weltalls« oder »der Erde« wiedergegeben werden müßte. Es ist jedoch hier nur die mit Ptolemaios angenommene Umdrehung, d. h. die kreisförmige Bewegung von Sonne und Mond gemeint, wie es der im Text folgende Verweis auf den Wechsel von Tag und Nacht klar macht. ⁶⁹ Die genau Bestimmung des Zeitpunktes von Sonnenaufgang und Sonnenuntergang hat in der islamischen Kultur eine besondere Bedeutung, da davon die Bestimmung der Gebetszeiten abhängt. Es gab daher eine eigene Wissenschaft der Zeitbestimmung (Ýilm al-miqat). Vgl. EI VII , S.  b –  a. Schon zu Beginn des . Jhd.s hat der bedeutende Mathematiker al-Iwārizimī die erste entsprechende Tafel für Bagdad erstellt, und auch noch im . Jhd. hat ÝAlī ibn Amāf ūr (genaue Lebensdaten sind nicht bekannt) eine allgemeine Formel aufgestellt, nach der diese Zeiten an den verschiedensten Orten berechnet werden können. Vgl. Endreß , S. , und King , S. . In diesen Zusammenhang der religiös bestimmten wissenschaftlichen Aufgaben, die an die Geographen herangetragen wurden, gehört auch die genaue Bestimmung der jeweils an einem

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Anmerkungen des Herausgebers

bestimmten Ort korrekten Gebetsrichtung nach Mekka (qibla), die ihrerseits wiederum wichtig war für die Ausrichtung der Moscheen. EI V , S.  b –  b, Endreß , S.  f., und King , S.  – . In der Realität wurden die Geographen dabei aber offensichtlich nicht immer zu Rate gezogen. ⁷⁰ Al-Fārābī verwendet hier, arab. Text, S. , wie im folgenden den Begriff musiqi, also ein griech. Fremdwort, das über das Syrische ins Arabische übernommen worden war. Schon vor al-Fārābī, so z. B. bei al-Munaffim (um  – ), war deutlich zwischen fina und mūsīqī unterschieden worden. Mit fina wurde die autochtone arab. Musik und ihre mündliche Überlieferung beschrieben, während mit musiqi nicht die griech. Musik, sondern die an der griech. Philosophie und somit mathematisch orientierte Musiktheorie gemeint war. Vgl. Haas , S. . Es gab aber schon vor Bekanntwerden der griech. Musiktheorie eigene arab. Traktate zur Musik, die nicht selten auch von praktizierenden Musikern verfaßt wurden. Vgl. Endreß , S. . Die Hauptteile dieser Traktate waren () die Lehre von den Tönen (nagm), () die Lehre von den rhythmischen Maßen (iqaÝ) und () die Lehre von der Komposition (taÞlif). Seit der Periode der Abbasiden, also auch zur Zeit al-Fārābīs, gingen in der praktischen Musik, nicht zuletzt unter persischem Einfluß, erhebliche Veränderungen im Tonsystem vor sich. Vgl. Wright , S.  f. Die wichtigsten griech. Quellen waren: () die Harmonike des Aristoxenos (um  – um  v. Chr.), die heute nur noch griech., nicht aber in der arab. Übersetzung erhalten ist; () Schriften des Nikomachos von Gerasa (. Hälfte . Jhd. n. Chr.), von denen griech. nur das Encheiridion harmonikon erhalten ist; von arab. Übersetzungen, die es aber gegeben haben muß, ist keine erhalten; () die Harmonika des Ptolemaios. Alle diese Schriften behandeln vor allem den mathematisch-akustischen Aspekt der Musiktheorie. Al-Fārābī verwendet im Großen Buch der Musik (Kitāb al-Mūsīqī al-Kabīr) alle diese Schriften. Eine moderne französische Übersetzung dieses Werkes stammt von d’Erlanger: Le grand livre de la musique. Der zweite Teil dieses Werkes sollte eine Doxologie dieser antiken Autoren liefern, dieser Teil ist aber (falls er überhaupt geschrieben wurde) nicht erhalten. Darüber hinaus waren die platonischen und

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die aristotelischen Auffassungen zur Musik bekannt, in denen die allgemeinere Musikauffassung der Griechen, auch die Ethos-Theorie der Musik, enthalten war. Bei al-Fārābī findet sich zwar ein Abschnitt über die verschiedenen psychologischen Wirkungen der Musik, ohne diese aber im Sinn der Ethos-Theorie mit verschiedenen Skalen in Verbindung zu bringen. Vgl. Le grand livre de la musique, I, S.  – . Schon al-Kindī hatte sich mit Fragen der Musiktheorie befaßt, das wichtigste und für die ganze weitere Geschichte der arab. Musiktheorie maßgebliche Werk ist aber al-Fārābīs Großes Buch der Musik. Al-Fārābī suchte darin eine Verbindung von griech. und arab. Musiktheorie herzustellen. Dieses Buch wurde zu einem Standardwerk nicht nur in der arab., sondern auch in der jüd. Musiktheorie. Vgl. Steinschneider , S. . Vgl. auch weiter unten Anm. . In der Liste der Schriften al-Fārābīs von al-Qiftī, N. , wird noch Ein Buch der Cadenz aufgeführt. Diese Schrift scheint aber nicht erhalten zu sein. Vgl. Farmer , S. . Auffallenderweise wurde Das Große Buch der Musik im Mittelalter nicht ins Lateinische übersetzt, obwohl es eigentlich dem »wissenschaftlichen« Interesse der Übersetzer entsprach. Möglicherweise stellten die komplizierten arithmetischen Berechnungen eines der lat. Musik fremden Tonsystems ein Hindernis dar. Vgl auch weiter unten Anm. . Außerdem hatte die umfangreiche Schrift des Boethius: De musica im lat. Bereich eine so dominierende Stellung, daß kein Bedürfnis an Übersetzungen entsprechender Traktate aus dem Arabischen vorhanden war. Eine lat. Übersetzung von Teilen aus dem Großen Buch der Musik (jeweils mit dem arab. Originaltext) wurde erst im . Jhd. hergestellt: Kosegarten , I, S.  – . Da auch andere arab. Traktate zur Musik nicht ins Lateinische übersetzt wurden, ergibt es sich, daß der Abschnitt über die Musik in De scientiis der einzige lat. Text war, durch den die lat. Philosophen Kenntnis von der arab. Theorie der Musik erhalten konnten. Die Überlieferung berichtet glaubwürdig davon, daß al-Fārābī auch selbst ein hervorragender ausübender Musiker gewesen ist. Legendenhaft hingegen ist die Erzählung, daß er einmal am Hof der Iamdāniden in Aleppo vor dem Herrscher Sayf ad-Dawla alle Musiker des Hofes in den Schatten gestellt habe und mit seinem Spiel die verschiedensten Gemütsregungen hervorzubringen imstande

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Anmerkungen des Herausgebers

gewesen sei. Diese Legende wird auch, ohne Nennung eines Namens, von den Brüdern der Reinheit von einem eremitenähnlichen, unbekannten Musiker berichtet, der dann nach seiner Darbietung verschwand und nie mehr gesehen wurde. Vgl. Brüder der Reinheit: Die Propädeutik der Araber, S. . Vgl. auch Netton , S.  – . Das Musikkapitel in De scientiis ist kaum mehr als ein Inhaltsverzeichnis des Großen Buches der Musik. Vgl. Randel . Vermittelt über Vinzenz von Beauvais: Speculum doctrinale ging dieses Kapitel dann unter dem Titel De divisione musicae secundum Alphorabium in den Traktat De musica des Hieronymus von Mähren (. Hälfte . Jhd.) ein. Zu einer minimalen, aber signifikanten Textänderung bei Vinzenz von Beauvais und Hieronymus von Mähren vgl. weiter unten Anm. . Das Musikkapitel aus De scientiis wurde also zwar in andere Werke integriert, von einem eigentlichen Einfluß desselben auf die westliche Musiktheorie kann man aber nicht sprechen. Vgl. Haas . ⁷¹ Generell gilt für die Übersetzung des Abschnitts über die Musik durch Gerhard von Cremona: Es wäre nicht richtig, zu sagen, daß die von Gerhard von Cremona verwendeten Begriffe »falsch« oder »inadäquat« sind. Man muß einfach sehen, daß im lat. Bereich keine Begriffe zur Verfügung standen, um die entsprechenden arab. Begriffe adäquat wiederzugeben. Vgl. Haas , S.  f. Im arab. Text, S. , steht alhan (Pl. von lahn), was »Melodie« bedeutet. Mit lahn ist eine Folge von Tönen in einer bestimmten Ordnung gemeint, vgl. al-Fārābī: Grand livre de la musique, I, S.  f. Dieser Ausdruck entspricht also dem griech. harmonía , das ebensowenig wie lahn »Harmonie« im heutigen Sinn des Wortes bedeutet. Vgl. Haas , S. . Gundissalinus verwendet in De scientiis, S. , auch armonia , in De divisione philosophiae, S. , verwendet er an dieser Stelle aber modulatio, wie es der lat. Terminologie eher entspricht. Vgl. auch Gundissalinus: De divisione philosophiae, S, , wo im Zusammenhang der praktischen Musik gesagt wird, daß cantilene komponiert werden. Der Leser des . Jhd.s verstand also vermutlich armonia im Sinne des modernen »Melodie«. ⁷² Gundissalinus: De divisione philosophiae, S. , spricht nicht von musica activa / speculativa , sondern von musica practica / theorica . Vgl. auch weiter oben Anm. .

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⁷³ Die Erwähnung der Nase ist etwas sonderbar, möglicherweise denkt al-Fārābī dabei an Singen mit geschlossenem Mund. Vgl. Shehadi , S. . ⁷⁴ Für fistule steht im arab. Text, S. , mazamir (Pl. von mizmar), womit eine Art Oboe bezeichnet wird. Vgl. EI VII , S.  b –  a. ⁷⁵ Für cithare steht im arab. Text, S. , Ýidad (Pl. von Ý ud) . Eine Abbildung dieser Laute findet sich bei Haas , S. . Vgl. auch EI X , S.  a –  a. Zur Verwendung des Ý ud bei al-Fārābī vgl. weiter unten Anm. . ⁷⁶ Im lat. Text steht neumas, im arab. Text, S. , steht dafür nagm (Pl. angam), was »Ton« oder »Klang« bedeutet und musiktheoretisch den innerhalb einer Skala definierten Ton bezeichnet, vgl. Haas , S. , aber auch »Melodie« bedeutet. Gundissalinus: De scientiis, S. , setzt an dieser Stelle pneumata , was aber nur eine andere Schreibung für neumata ist. Neumen im Sinn von Notation waren in der westlichen Musik nach verschiedenen Vorformen in eindeutiger Weise durch die Einführung von Notenlinien durch Guido von Arezzo (gest. ) bekannt und gebraucht, in der arab. Musik wurden jedoch zur Zeit al-Fārābīs für die Komposition wie für die Aufführung keine Notenzeichen verwendet. Früheste Verwendungen von Notationen finden sich bei arab. Musikern erst im . Jhd. Vgl. Wright , S. . Al-Fārābī spricht also nicht von Notenzeichen, ein lat. Leser konnte im . Jhd. aber unter neumata sehr wohl auch »Notenzeichen« verstehen. Vgl. Haas , S. . ⁷⁷ Der Wissenschaftscharakter einer Disziplin ist bei al-Fārābī bestimmt durch Beweise, die den Forderungen der . Analytik des Aristoteles entsprechen (vgl. dazu weiter oben Kap. II ): Wir glauben aber etwas zu wissen, schlechthin (aplôs) […], wenn wir sowohl die Ursache (aitía), durch die es ist, als solche zu erkennen glauben, wie auch die Einsicht uns zuschreiben, daß es sich unmöglich anders verhalten kann. (Aristoteles: . Analytik I , ,  b  – ; Übers. Rolfes, S. )

Bei den Harmonien, von denen al-Fārābī spricht und deren Ursachen erforscht werden sollen, handelt es sich nicht um Melodien, sondern um Intervalle, denn nur bei diesen kann eine wissenschaftliche Erforschung der Ursachen durchgeführt werden.

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Anmerkungen des Herausgebers

⁷⁸ Es ist bis in die zur Anwendung kommende Begrifflichkeit hinein deutlich, daß al-Fārābī das Verhältnis der theoretischen und praktischen Musik ganz entsprechend dem zu Beginn des Kapitels dargestellten Verhältnis von theoretischer und angewandter Mathematik auffaßt. Vgl. weiter oben Anm. . Der entscheidende Unterschied ist der »absolute«, von keinem einzelnen Gegenstand und von keinerlei materiellen Bedingung abhängige Charakter der theoretischen Aussagen. ⁷⁹ Dieser Aufbau folgt dem der Disziplinen der arab. Musiktheorie. Weiter oben, Anm. , wurden die drei Bereiche der Lehre von den Tönen (nagm), der Lehre von den rythmischen Maßen (iqaÝ) und der Lehre von der Komposition (taÞlif) aufgeführt, die von al-Fārābī nach dem Einführungsabschnitt genau in dieser Reihenfolge und unter Aufnahme dieser Fachbegriffe aufgeführt werden. Nach dem Einleitungsabschnitt behandelt al-Fārābī in Abschnitt  und  nagm, in Abschnitt  iqaÝ und in Abschnitt  taÞlif, wobei dann in Abschnitt  und  die akustisch arithmetischen Fragen der griech. Musiktheorie eingebaut werden. Diese Einteilung entspricht auch genau dem Aufbau des Großen Buches der Musik. In De scientiis ergeben sich allerdings Probleme, insofern al-Fārābī die Theorie der Musik einerseits nach der griech. Systematik unter die mathematischen Disziplinen einreiht, er in der Durchführung dieser Theorie dann aber doch der arab. Systematik folgt. Vgl. weiter unten Anm. . In al-Fārābī (?): De ortu scientiarum, S. , findet sich ein davon sehr verschiedenes Aufbauprinzip. Dort heißt es: Huius autem scientiae radices sunt tres: metrum, melos et gestus. Mit gestus ist der Tanz gemeint, so Baeumker in der Einleitung zu De ortu scientiarum, S. . Für diesen Aufbau gibt es in den al-Fārābī mit Sicherheit zuschreibbaren Schriften zur Musik keinen Anhaltspunkt. Die Autorschaft al-Fārābīs von De ortu scientiarum kann also auch aus diesem Grund in Frage gestellt werden. ⁸⁰ Im arab. Text, S. , steht awaÞil (Pl. von awwal), was genau primi bedeutet, wie es Gerhard von Cremona übersetzt. Es kann aber auch »Anfang / Ursprung« bedeuten. Es ist damit aber nichts anderes gemeint als mit den vorher genannten principia, arab. mabadiÞ

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(Pl. von mabdaÞ). Zu einem weiteren, dazu ziemlich synonymen Ausdruck vgl. weiter unten die Anm. . ⁸¹ Anstelle von modus steht mundus bei Vinzenz von Beauvais (vor −): Speculum doctrinale lib. XVI , cap. XV , Sp. , vgl. auch den kritischen Text in Göller , S. . Die gleiche Änderung findet sich bei Hieronymus von Mähren (. Jhd.): Tractatus de musica, S. . Damit wird den Prinzipien der Musik eine kosmologische Bedeutung zugesprochen, wie dies der pythagoreischen Auffassung entspricht. Mit einer solchen kosmologischen Bedeutung ist auch die Vorstellung einer Sphärenharmonie verbunden, die in der arab. Philosophie zur Zeit al-Fārābīs (vgl. z. B. Brüder der Reinheit: Die Propädeutik der Araber, S. ) ebenso allgemein verbreitet war wie in der lat. Philosophie der Zeit Gerhards von Cremona. Al-Fārābī lehnt im Grand livre de la musique, I, S. , die Vorstellung einer Sphärenmusik ganz im Sinne von Aristoteles: Über den Himmel II , ,  b, ausdrücklich ab. Vgl. Steinschneider , S. , und Beichert , S.  f. Eine Begründung für diese Ablehnung liefert al-Fārābī allerdings nicht. Vgl. Shehadi , S.  – . Aber auch die Pythagoreer haben für ihre Annahme einer Spärenharmonie keine irgendwie überprüfbaren Argumente geliefert, es gab also für al-Fārābī eigentlich gar nichts zu widerlegen. ⁸² Im arab. Text, S. , steht usul (Pl. von asl), so daß dispositiones an dieser Stelle gleichbedeutend ist mit principia . Vgl. Bouyges , S. , Anm. . ⁸³ Proportio steht für nisba , arab. Text, S. , das auch die mathematische Proportion im streng technischen Sinn bedeutet. ⁸⁴ Es geht hier um die seit der griechisch-pythagoreischen Musiktheorie diskutierte Frage der mathematisch genauen Bestimmung der Zahlenverhältnisse der Intervalle. Die Lösungen, zu denen al-Fārābī in seinem dem arab. Tonsystem entsprechend komplizierten Großen Buch der Musik gelangte, finden sich tabellarisch aufgelistet in Chabrier , S.  f. ⁸⁵ Mit ordo, arab. Text, S. , aucaÝ (Pl. von wacÝ), sind hier die Tongeschlechter /Toncharaktere gemeint. Vgl. Wiedemann , S. , Anm. . Toncharaktere sind Skalen, die durch unterschiedliche Intervallfolgen festgelegt sind. Vgl. Haas , S.  – , zu al-Fārābī bes. S.  f.

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Anmerkungen des Herausgebers

⁸⁶ Für situs steht im arab. Text, S. , tartibat (Pl. von tartib), was »Ordnung / Reihenfolge« bedeutet. Mit ordo und situs wird als ein und dasselbe bezeichnet. ⁸⁷ Die arab. Handschriften haben an dieser Stelle leicht verschiedene Lesungen, vgl. arab. Text, S. , Anm. , und Farmer , S. , Anm. . Die Übersetzung Gerhards von Cremona mit preparate entspricht der Lesung der Handschrift aus dem Escorial. ⁸⁸ Mit componit ist hier nicht »Komposition« im modernen Sinn des Wortes gemeint, sondern die Herstellung und Berechnung verschiedener Intervallfolgen innerhalb eines Tongeschlechts. Die Fragen der Komposition im modernen Sinn werden im Text weiter unten als . Teil angeführt. ⁸⁹ Im arab. Text, S. , steht hier wiederum usul (vgl. weiter oben Anm. ), das in der Grundbedeutung tatsächlich »Wurzel« bedeutet, aber eben auch »Grundlage« oder »Prinzip«. Anstelle von convenientia in radicibus im Text von Gerhard von Cremona verwendet Gundissalinus: De scientiis, S. , den besseren Ausdruck convenientia principiorum. Es geht hier also darum, das in den Prinzpien der Musiktheorie Dargelegte nun mit Hilfe von Musikinstrumenten zu überprüfen. Wiedemann , Anm. , weist darauf hin, daß asl das Geschlecht des ersten Vierklangs eines Systems bedeutet, dieser sehr spezielle Gebrauch paßt aber nicht in diesen ganz allgemeinen Kontext. ⁹⁰ Mit den Fragen der Instrumente, die im Zusammenhang der mathematischen Bestimmung der Intervalle zur Anwendung kommen, beschäftigt sich al-Fārābī ausführlich im . Abschnitt des . Buches seines Grand livre de la musique I, S.  – . Das Instrument, das al-Fārābī zur Überprüfung der Zahlenverhältnisse von Tonabständen verwendete, war meist die Laute (arab. Ý ud). Vgl. weiter oben Anm. . Auch der spätere, möglicherweise von al-Fārābī abhängige Musiktheoretiker Safī ad-Dīn (um  – ) verwendete diese mit Bünden versehene Laute für die Analyse der Tonskala. Besonder wichtig war für al-Fārābī der tunbur, eine in Bagdad zu seiner Zeit verwendete Langhalslaute. Vgl. Grand livre de la musique I, S.  – . Vgl. dazu Chabrier , S.  – . Für weitere von al-Fārābī herangezogene Instrumente vgl. ebd. S.  f. ⁹¹ Für mensuratio steht im arab. Text, S. , taqdir, was »Ein-

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schätzung / Bewertung« bedeutet. Bei seiner Übersetzung ließ sich Gerhard von Cremona vermutlich von dem zur selben Wortwurzel gehörigen qadr leiten, das »Maß« bedeutet. Ein lat. Musiktheoretiker hätte hier möglicherweise den Ausdruck calculus verwendet. Vgl. Randel , S. . Auf keinen Fall darf der Ausdruck mensuratio mit der erst im . Jhd. in der westlichen Musik ausgebildeten Mensuralnotation (Kennzeichnung der rhythmischen Werte durch die Notenform) in Verbindung gebracht werden. Die Frage, ob bei der Einführung der Kennzeichnung der rhythmischen Werte in der westlichen Musik ein Einfluß aus der arab. Musiklehre (wo es solche Kennzeichnungen schon gab) vorliegt, ist in der Forschung umstritten, ist aber eher negativ zu beantworten. Vgl. Wright , S.  f. Genau um diese rhythmischen Werte geht es bei al-Fārābī im folgenden . Punkt. ⁹² Im arab. Text, S. , steht iqaÝat (Pl. von iqaÝ), was »Rhythmus« bedeutet. Gerhard von Cremona kannte diesen Fachbegriff offensichtlich nicht und ging auf die Wortwurzel waqaÝ (»fallen«) zurück, wovon auch waqÝ (»Fall«) abgeleitet ist, so daß er dann den diesem entsprechenden Ausdruck casus setzte, was aber den Sachzusammenhang verfehlt. Darauf hat schon Wiedemann , S. , Anm. , hingewiesen. Vgl. auch Haas , S. , und Weber , S.  f. Die Lesung casuum findet sich in P und B, und ebenso in Gundissalinus: De scientiis, S. , stand also vermutlich im ursprünglichen Text Gerhards von Cremona. Sonderbar ist allerdings, daß in G eindeutig nicht casuum steht, sondern ein nicht eindeutig zu identifizierendes Wort, mit dem auch cantium gemeint sein könnte. Dies ist möglicherweise ein weiterer Hinweis dafür, daß G nicht unmittelbar von P abhängig ist. Vgl. Einleitung . ⁹³ Im arab. Text, S. , steht auzan (Pl. von wazn), was zwar »Gewichte«, also pondera bedeutet, wie es Gerhard von Cremona übersetzt, das aber als Fachbegriff »Metren« oder »Versmaße« bedeutet. Vgl. Kap. I, Anm. . Im Lateinischen wäre metrum oder tempus der geeignete Ausdruck. Vgl. Randel , S. . In der arab. Wissenschaft spielte die zur Poetik gehörende Verslehre eine zentrale Rolle in der Theorie der Musik, ein Zusammenhang, der in der griech., an der Arithmetik orientierten Musiktheorie nicht zur Geltung kam. Deshalb ist al-Fārābī gezwungen, die

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Anmerkungen des Herausgebers

Verslehre – außer im Zusammenhang der Sprachlehre in Kap. I – dann zweimal einzuführen, einmal in Kap. II im Zusammenhang der Poetik und jetzt hier in Kap. III im Zusammenhang der mathematischen Disziplinen. Die von der griech. Tradition übernommene Wissenschaftseinteilung zwingt also al-Fārābī in De scientiis, einen in den »arabischen« Wissenschaften (vgl. dazu Einleitung .) bestehenden Zusammenhang aufzulösen, während er im Großen Buch der Musik diesen ursprünglichen Zusammenhang aufrecht erhalten kann. Vgl. Adonis , S.  – . Auch die lat. Musiktheorie folgte mit Boethius: De musica der griech. Musiktheorie, während der an Rhythmus und Verslehre orientierte theoretische Rahmen in Augustinus: De musica nicht weiter verfolgt wurde. Die Trennung von poetischer Verslehre und musikalischer Rhythmuslehre wurde maßgeblich für die mittelalterliche lat. Ästhetik. Diese Trennung entspricht al-Fārābīs De scientiis, wurde aber nicht von dieser Schrift verursacht. ⁹⁴ Für compositio steht im arab. Text, S. , taÞlif, was allgemein das Verfassen eines Werkes bedeutet, im Zumsammenhang der Musiktheorie aber der Fachbegriff für »Komposition« ist. Hier ist nun tatsächlich die Komposition von Melodien bzw. Gesängen gemeint. ⁹⁵ Mit diesen Fragen beschäftigt sich al-Fārābī ausführlich im . Kapitel seines Grand livre de la musique II , S.  – . An dieser Stelle verweist Jehuda ÝAqnīn in seiner Adaptation von De scientiis ausdrücklich auf al-Fārābīs Buch der Musik und sagt von diesem: »Darin behandelt er diese Kunst vollständig.« Vgl. Güdemann , S . Dies war also die allgemein verbreitete Einschätzung nicht nur der späteren arab., sondern auch der jüd. Musiker. ⁹⁶ Im lat. Text von P steht scientia ponderosorum, was aber vermutlich ein Abschreibfehler ist. Im einleitenden Überblick von De scientiis steht auch richtig scientia ponderum. G hat die richtige Lesung, und auch B setzt als Überschrift richtig De scientia ponderum. Im arab. Text, S. , steht Ýilm al-avqal, wobei avqal (Pl. von viql) »Gewichte« bedeutet. Wir haben hier ein gutes Beispiel dafür, wie Gerhard von Cremona im Abstand von nur wenigen Zeilen zweimal ein und dasselbe Wort, nämlich pondera , gebraucht, obwohl im arab. Text zwei verschiedene Ausdrücke stehen (vgl. weiter oben

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Anm. ). Die Übersetzung ist dem Wortsinn nach zwar in beiden Fällen richtig, Gerhard von Cremona hat aber nicht gesehen, daß im ersten Fall nicht der ursprüngliche Wortsinn, sondern ein übertragener Sinn gemeint ist. Auch der folgende Teil des Satzes ist von Gerhard von Cremona ungeschickt übersetzt. Die bessere Übersetzung findet sich bei Gundissalinus: De scientiis, S. : Scientia de ponderibus ponderosa duobus modis considerat . ⁹⁷ Gerhard von Cremona setzt hier wieder (vgl. weiter oben Anm. ) de radicibus statt richtiger de principiis, wie es bei Gundissalinus: De scientiis, S. , steht. Auch das folgende sermonis ist keine gute Übersetzung, auch hier hat Gundissalinus: ebd., die bessere Übersetzung mit doctrine. Ich folge dem in der dt. Übersetzung. ⁹⁸ Die genaue Festlegung von Gewichten war in der arab. Gesellschaft des Mittelalters sehr wichtig. Dasselbe gilt auch für die christlichen Gesellschaften im lat. und griech. Bereich. Genaue Gewichte waren erforderlich im Münzwesen, im Handel, im Handwerk, in der Medizin, in der Alchemie und in vielen anderen Bereichen. ⁹⁹ Das Heben schwerer Gegenstände war vor allem beim Bau großer Gebäude wichtig. Das Prinzip des Hebels war schon von den Griechen her bekannt. Besonders wichtig waren auch die verschiedenen Einrichtungen zum Heben des Wassers, die für die Bewässerungsanlagen entscheidend waren. Vgl. dazu Hill , S.  –. ¹⁰⁰ Im lat. Text steht ingeniorum scientia , im arab. Text, S. , steht Ýilm al-hiyal, was auch mit »Ingenieurwissenschaft« wiedergegeben werden könnte, was aber doch zu modern wäre. Hiyal (Pl. von hila) bedeutet »List /Trick / Kniff / Behelf /Ausweg«. Wollte man in der Terminologie der spätantiken Wissenschaft bleiben, die auch für die Araber maßgeblich war, so könnte man am ehesten von »Mechanik« sprechen. Auch bei den Griechen stand bei der Mechanik der Gedanke einer »Überlistung der Natur« im Hintergrund. Um nahe am lat. Wortsinn zu bleiben, legte sich die Übersetzung durch »nützliche Erfindungen« nahe. Der Ausgangspunkt der arab. Kunst der nützlichen Erfindungen war die griech. Mechanik, wobei aber bei den Arabern der Anwendungszusammenhang von Anfang an stärker im Vordergrund stand als in der griech. Mechanik. Eine der wichtigsten Quellen war die

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Anmerkungen des Herausgebers

Mechanik Herons von Alexandrien (. Hälfte . Jhd. n. Chr.), in dem u. a. der Kran, der Flaschenzug, Pumpen und verschiedene Transporteinrichtungen beschrieben werden. Bekannt waren auch Schriften des Philon von Byzanz (. Jhd. n. Chr) und des Pappos (um  n. Chr.). Zu weiteren griech. Quellen aus dem Bereich der Mechanik vgl. Rozhanskaya , S.  – , und Endreß , S. . Al-Fārābī entwirft hier also nicht ein Programm, sondern er beschreibt mit seiner Wissenschaft der Erfindungen etwas, was schon seit langem existierte. Die Kapitelüberschrift bei al-Fārābī stammt aus einer ins . Jhd. zurückgehenden Tradition, die vor allem auf das von den Gebrüdern Banū Mūsā verfaßte Buch der nützlichen Erfindungen (Kitāb al-Hiyal ) zurückgeht, zu dem zahlreiche Kommentare verfaßt wurden. Auch in al-Iwārizimīs Schlüssel der Wissenschaften (Mafātīh al-ÝUlūm) gibt es ein entsprechendes Kapitel. Vgl. Rosenthal , S.  (in der Übersetzung mit »Mechanik« bezeichnet). Einen guten, auch bebilderten Überblick über die Technologie der Araber liefert al-Hassan / Hill . ¹⁰¹ Dieser Satz ist (auch im arab. Text) nur schwer verständlich. Wiedemann , S. , läßt ihn mit Hinweis auf die bei mittelalterlichen Autoren häufige Weitschweifigkeit unübersetzt. Gemeint ist möglicherweise folgendes: Die Welt ist zwar – gut pythagoreisch-platonisch gedacht – mathematisch strukturiert, dies ist jedoch nicht unmittelbar ersichtlich, es gibt also Hindernisse (prohibentia) bei dieser Erkenntnis. Um die Dinge technologisch nach Prinzipien der Mathematik verfügbar zu machen, müssen sie vom »Ingenieur« erst entsprechend eingerichtet, d. h. mathematisch »vorstellbar« gemacht werden (preparentur). Vgl. auch die folgende Anm. ¹⁰² Auch dieser Satz ist in der Übersetzung Gerhards von Cremona nur schwer verständlich. An dieser Stelle ist die Übersetzung des Gundissalinus wesentlich besser: Die Wissenschaft der nützlichen Erfindungen lehrt Weisen, wie man ausdenken und erfinden kann, auf welche Weise man natürliche Körper gemäß der Zahl [d. h. mit mathematischen Verfahren] durch irgendeinen Kunstgriff so einrichten kann, daß dabei die Verwendung, die wir anstreben, hervorgeht. (Gundissalinus: De scientiis, S. ; Übers. v. F. S.)

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¹⁰³ Im arab. Text, S. , steht richtig al-muqabala , G hat an dieser Stelle die richtige Lesung, es handelt sich bei der Schreibung in P also vermutlich nur um einen Fehler des Kopisten. B konnte mit diesem Wort überhaupt nichts mehr anfangen. Die beiden Ausdrücke algebra und al-muqabala beziehen sich eindeutig auf den Titel des berühmten, während der Regierungszeit al-MaÞmūns, also zwischen  und , entstandenen Werks al-Iwārizimīs Kitāb alFabr wa al-Muqābala. (Vom Namen al-Iwārizimīs leitet sich der Ausdruck »Algorithmus« ab.) Diese Algebra (das Wort »Algebra« stammt aus dem Buchtitel al-Fabr, d. h. »Gelenke einrenken«) stellt einen Einschnitt in der Geschichte der Mathematik dar (Rechnung mit Unbekannten, Gleichungen . und . Grades). Für einen kurzen Überblick vgl. Rashed , S.  – , und Rosenfeld / Youschkevitsch , S.  f. Zur Zeit al-Fārābīs war die Algebra bereits eine anerkannte Disziplin, die z. B. mit Abū Kāmil (um  – um ) auch schon weiter entwickelt worden war. Vgl. Juschkewitsch , S.  – . Auch al-Fārābī hat sich in seiner Schrift Über die mathematische Technik mit diesen Fragen befaßt. Vgl. al-Qiftī: Über Alfārābī, N. . Vgl. auch Rosenfeld / Youschkevitsch , S.  f. Al-Iwārizimīs im arab. Text erhaltene Algebra wurde  von Robert von Chester ins Lateinische übertragen. Vermutlich war es Gerhard von Cremona, der später eine vergleichsweise bessere Übersetzung der Algebra unter dem Titel Liber Alchoarismi de iebra et allmucabula tractatus I hergestellt hat. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , Lemay , S. , und Allard , S. . Diese Zuschreibung ist nicht ganz sicher, da auch Johannes von Toledo (oder Sevilla) als Übersetzer in Frage kommt. Vgl. die Einleitung zu alIwārizimī: Algorismus, S. . Im lat. Bereich wurde die Algebra schon zu Beginn des . Jhd.s. bekannt vor allem durch Leonardo Fibonaccis ( /  – ) Schrift Liber ab(b)aci. ¹⁰⁴ Im Kapitel der Algebra al-Iwārizimīs über die Messung wird zum ersten Mal die Algebra zur Lösung geometrischer Probleme herangezogen, so u. a. zur Berechnung des Volumens von Prismen, Pyramiden, Zylindern und Kegeln. Auf diese Fragen hatte al-Fārābī allerdings auch schon weiter oben im Zusammenhang der Geometrie hingewiesen. Al-Fārābī hebt im vorliegenden Zusammen-

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Anmerkungen des Herausgebers

hang zu Recht hervor, daß das Neue an der Algebra ist, daß diese in gleicher Weise auf Probleme der Arithmetik wie auch der Geometrie angewandt werden kann. Zu den Verfahren im einzelnen vgl. Juschkewitsch , S.  – , und Rashed  a, S.  –. Es ist allerdings zu beachten, daß al-Fārābī die Algebra in seiner Wissenschaftssystematik nicht unter die mathematischen Disziplinen im engeren Sinn des Wortes einordnet, sondern unter die nützlichen Erfindungen im Zusammenhang der Aufzählung der technischen Wissenschaften. Dies hängt vielleicht auch damit zusammen, daß al-Iwārizimī großen Wert auf die Darstellung der Anwendbarkeit seiner mathematischen Verfahren auf praktische Fragen legte, wie z. B. der Aufteilung eines Erbes, denen er in seiner Algebra den umfangreichen letzten Teil widmete. In der weiteren Geschichte der Mathematik wurde die Algebra bis ins . Jhd. als Teil der Arithmetik interpretiert. Erst mit F. Vieta ( – ) wurde die Algebra zu einer eigenständigen mathematischen Disziplin. ¹⁰⁵ Es könnte in dieser Darstellung al-Fārābīs der Eindruck entstehen, daß Fragen der irrationalen Zahlen eine große Rolle in alIwārizimīs Algebra gespielt hätten. Dort werden zwar auch irrationale Zahlen verwendet, gewöhnlich aber arbeitet al-Iwārizimī mit Gleichungen mit rationalen Koeffizienten. Vgl. Juschkewitsch , S. . Die irrationalen Zahlen wurden von den arab. Mathematikern wie auch von ihren griech. Vorgängern als eine eher zur Geometrie gehörende Frage angesehen. Vgl. EI III , S.  b. ¹⁰⁶ Ein bekanntes Werk dieser Art war das Buch der Kenntnis der Ausmessung der ebenen und sphärischen Figuren der Gebrüder Banū Mūsā. Dieses wurde von Gerhard von Cremona ins Lateinische übersetzt und fand unter dem Titel Liber Trium Fratrum tractatus im Mittelalter Verbreitung. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . ¹⁰⁷ Besonders wichtig war die Konstruktion von Waagen, die eng mit der von al-Fārābī im vorausgegangenen Abschnitt eigens aufgeführten Wissenschaft von den Gewichten zusammenhängt. Der Konstruktion von Waagen waren schon im . Jhd. eigene Traktate gewidmet worden, deren wichtigstes das Buch über die Waage (Kitāb al-Qarastūn) des bedeutenden Mathematikers Uābit ibn Qurra ist. Vgl. Rozhanskaya , S.  f. und  – . Gerhard von Cremona

Drittes Kapitel

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übersetzte dieses Werk unter dem Titel Liber carastonis ins Lateinische. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . ¹⁰⁸ Das Prinzip des Hebels, »die goldene Regel der Mechanik«, war schon aus der Mechanik Herons bekannt und wurde in vielen arab. Handbüchern behandelt, so auch in al-Iwārizimīs Schlüssel der Wissenschaften. Vgl. Rozhanskaya , S.  f. ¹⁰⁹ Die Erfindung von Kriegsmaschinen wurde in der spätantiken Tradition und somit dann auch bei den Arabern mit Archimedes in Verbindung gebracht. Was von diesen Erfindungen wirklich auf Archimedes zurückgeht, ist historisch sehr unsicher, da Archimedes Anlaß zu einer umfangreichen Legendenbildung gegeben hat. ¹¹⁰ Es handelt sich bei dem hier erwähnten Instrument nicht um ein Teleskop, ein solches kannten die arab. Astronomen nicht. Das Instrument, von dem hier gesprochen wird, ist vielmehr ein von al-Battānī am Ende des . oder Beginn des . Jhd.s in seinem Observatorium in Raqqa (Syrien) verwendetes Beobachtungrohr, das es erlaubte, die Beobachtung auf einen Stern so zu fokalisieren, daß die Beeinträchtigung durch umgebendes Licht ausgeschaltet werden konnte. Diese Beobachtunsrohre wurden später auch mittelalterlichen Astronomen des lat. Bereichs bekannt und wurden von ihnen auch verwendet. Vgl. Morelon , S.  f. ¹¹¹ Brennspiegel waren den arab. Wissenschaftlern vor allem aus der Katoptrik Euklids und aus einem Traktat des Anthemius von Tralles (. Jhd.) bekannt. Die Frage der Brennspiegel war an der Wende vom . zum . Jhd. ein von arab. Wissenschaftlern häufig diskutiertes Thema. Vgl. Rashed  c, S.  f. Von Gerhard von Cremona stammt die Übersetzung aus dem Arabischen einer Schrift unter dem Titel Liber Tidie de speculo, die zwei Schriften enthält, nämlich De speculo des Diokles (./ . Jhd. v. Chr.) und De speculis comburentibus al-Haiuams. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . Zu diesem wichtigen Traktat vgl. Rashed  c, S.  – . ¹¹² Wiedemann , S. , Anm. , vermutet, daß hier an die Schnellwaage gedacht ist. Bei der Vielfalt der Waagen, die es im arab. Bereich gab, ist es jedoch kaum auszumachen, an welche derselben hier gedacht ist.

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Anmerkungen des Herausgebers

Viertes Kapitel

¹ Die scientia naturalis wird im arab. Text, S. , Ýilm at-tabi Ýi genannt. Im Vergleich zu den in Kap. III behandelten Wissenschaften, vor allem der Mathematik und der Astronomie, fällt auf, daß die arab. Wissenschaftler in den in Kap. IV behandelten Wissenschaften verhältnismäßig wenig Eigenständiges hervorgebracht haben. Strenge und systematische empirische Beobachtungen in diesen Bereichen der Wissenschaft riefen nicht ihr besonderes Interesse hervor. Vgl. Rosenthal , S.  f., und Endreß , S.  f. Eine Ausnahme bildete die Medizin, aber diese wird von al-Fārābī aus wissenschaftstheoretischen Gründen nicht in den Kanon der Wissenschaften aufgenommen. Vgl. Einleitung .. Dieses auffällige »Fehlen« der Medizin suchte Jehuda ÝAqnīn in seiner Adaptation der al-Fārābī-Vorlage, der er sonst fast wörtlich genau folgt, dadurch zu »korrigieren«, daß er am Beginn seines Kapitels über die Naturwissenschaften einen Abschnitt über die Medizin einfügt. Vgl. Güdemann , S.  – . Die Einteilung der Naturwissenschaft bei al-Fārābī folgt dem Einteilungsschema der aristotelischen Schriften, wie es auch in al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S.  – , dargestellt wird. ² Im Text steht hier de accidentibus quorum essentie sunt per ista corpora , was höchst mißverständlich ist, weil man korrekterweise nicht von einem »Wesen« von Akzidentien sprechen kann. Im arab. Text, S. , steht Ýarac für accidens, qiwam für essentia , was »Stütze / Grundlage / Bestand« bedeutet, und Ýafsam (Pl. von fism) für corpora . Von diesen Ausdrücken ist die lat. Übersetzung nur bei qiwam problematisch, da dieser Ausdruck hier keine technisch-philosophische Bedeutung hat, sondern ganz allgemein »Grundlage« bedeutet. Der Sinn ist also: »die Akzidentien, die ihre Grundlage in diesen Körpern haben«. Besser als Gerhard von Cremona übersetzt Gundissalinus: De scientiis, S. : accidentia que non habent esse nisi per ista corpora , d. h.: »die Akzidentien, die nur aufgrund dieser Körper existieren«. Man kann an diesem Beispiel gut sehen, daß sich erhebliche Probleme ergeben, wenn Gerhard von Cremona einen arab. umgangssprachlichen Ausdruck, der keinerlei spezifisch philo-

Viertes Kapitel

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sophische Bedeutung besitzt, mit einem lat. philosophischen Fachbegriff wiedergibt. Gundissalinus vermeidet durch seine terminologisch neutrale Übersetzung an dieser Stelle dieses Problem. ³ Die aristotelische Lehre der vier Ursachen steht bei al-Fārābī wie bei Aristoteles am Beginn aller Untersuchungen körperlicher Dinge. Vgl. al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S.  f. Nur wo Ursachenforschung betrieben wird, kann von »Wissenschaft« (Ýilm) im strengen Sinn des Wortes gesprochen werden. ⁴ Die Unterscheidung in natürliche und künstliche Dinge geht auf die von den Sophisten eingeführte Unterscheidung phýsei / thései zurück, die Allgemeingut der griech. Philosophie geworden war. Die unmittelbare Quelle für diese Unterscheidung bei al-Fārābī ist aber Aristoteles, der sie auch im Zusammenhang der Naturphilosophie verwendete: Dinge sind entweder von Natur aus (phýsei) vorhanden oder sie sind durch eine Tätigkeit entstanden, sind also hergestellt (apò téchnês) . Vgl. z. B. Aristoteles: Physik II ,  b  – , wo Aristoteles als Beispiele künstlich hergestellter Dinge das Bett und das Gewand anführt, Beispiele, die auch al-Fārābī verwendet. ⁵ Bei lat. res ergibt sich im Deutschen ein Übersetzungsproblem. Gerhard von Cremona setzt für arab. šaiÞ (Pl. ašyaÞ) lat. res. Das arab. šaiÞ bedeutet zwar »Ding / Sache«, aber auch ganz allgemein »etwas«. Im Deutschen ist es bei konkreten Gegenständen zwar durchaus sinnvoll, res mit »Ding« zu übersetzen, wenn es aber wie im vorliegenden Kontext um metaphysische Prinzipien geht, wird die Übersetzung durch »Ding« mißverständlich, da sich dann z. B. ergibt, daß Wesenheiten oder Formen als »Dinge« bezeichnet werden. In solchen Kontexten legt es sich nahe, res durch »etwas« zu übersetzen. Allerdings muß dann gelegentlich das Prädikat in den Singular gesetzt werden, da im Unterschied zu den entsprechenden arab. und lat. Ausdrücken das deutsche »etwas« keine Pluralbildung zuläßt. ⁶ Es geht hier also der Reihe nach um Formursache, Materialursache, Wirkursache, Zweckursache. Vgl. weiter unten Anm. . ⁷ Mit »diese« sind hier die metaphysischen Prinzipien oder Ursachen gemeint. ⁸ Damit ist gemeint: Bei einem Schwert ist es leicht ersichtlich, welche Form ihm gegeben wird, aus welchem Material es besteht,

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Anmerkungen des Herausgebers

wer es herstellt und welchem Zweck es dient, wogegen die Feststellung dieser Ursachen etwa bei Himmel und Erde gar nicht so einfach ist. ⁹ Lixatura bedeutet eigentlich »Glättung«, der Zusammenhang legt jedoch die Übersetzung durch »Glätte« nahe. ¹⁰ Alle drei Handschriften haben an dieser Stelle sachlich unverständliche Ausdrücke (in P steht exsuccet = »auspressen«, in G exuet = »herausnehmen«, in B exsiccet = »austrocknen«). In der ursprünglichen Übersetzung könnte exeat gestanden haben, vgl. G, was auch »zum Vorschein kommen« bedeuten kann. Im arab. Text, S. , steht eine nicht eindeutig identifizierbare Verbalform von šaffa , was »durchsichtig sein / durchschimmern lassen« bedeutet. Eine dem entsprechende Übersetzung findet sich bei Gundissalinus: De scientiis, S. : ut quod in eo ponitur, exterius appareat . Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß Gundissalinus eine andere und an dieser Stelle bessere arab. Handschrift zur Verfügung hatte. Daß dies der Sinn des Satzes ist, geht auch aus dem unmittelbar folgenden Satz hervor. Auch die hebr. Version des Qalonymos entspricht dieser Lesung, die von Zonta , S.  f., in folgender Weise übersetzt wird: perché sia visibile ciò che vi è posto dentro. ¹¹ Im Arabischen gibt es im Präsens im elementaren Nominalsatz »A ist B« keinen eigenen Ausdruck für die Kopula »ist« (griech. estín), und aus diesem Grund stellte die Wiedergabe von »sein« (griech. eînai) oder von »Seiendes« (griech. tò ón) schon die Übersetzer der logischen Schriften aus dem Griechischen ins Syrische und dann aus dem Syrischen ins Arabische vor erhebliche Schwierigkeiten. Diese Probleme ergaben sich dann selbstverständlich und teilweise verstärkt bei der Übersetzung der aristotelischen Metaphysik. Da diese aristotelischen Schriften jedoch schon vor der Zeit al-Fārābīs übersetzt worden waren, konnte er bei der Wiedergabe von »sein / existieren«, »Sein / Existenz« und »Seiende / Existierende« terminologisch schon auf eine Übersetzungstradition zurückgreifen. Die häufigste und auch von al-Fārābī bevorzugte Ausdrucksweise für »sein / existieren« geht vom Verb wafada aus, das in seiner Grundbedeutung »finden« bedeutet. Die Passiv-Form davon, wufida , wurde dann für »sein / existieren« verwendet und das Verbalsubstantiv wufud diente zur Wiedergabe von »Sein / Existenz«.

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Al-Fārābī hat sich im Kitāb al-Hurūf, S.  – , ausführlich mit diesen Fragen beschäftigt. Ein Teil dieses wichtigen Textes findet sich in dt. Übersetzung in Endreß , S.  f., dort auf S.  f. weitere Literatur zu dieser Frage (dasselbe in Endreß , S.  – ). Vgl. auch Goichon , S.  f., Abed , S.  – , und Lameer , S.  – . ¹² Für connexio steht im arab. Text, S. , ištibak, was »Verwicklung / Verflechtung« bedeutet. Die Übersetzung Gerhards von Cremona, wie sie sich in P findet, ist also durchaus adäquat. Der Vergleich mit den anderen Handschriften ist jedoch textgeschichtlich aufschlußreich. In G und B steht contexio, was »Verweben« bedeutet. Die gleiche Lesung findet sich auch in Gundissalinus: De scientiis, S. . Es muß also eine sehr frühe Version der Übersetzung Gerhards von Cremona gegeben haben, in der die im Lateinischen durchaus sinnvolle, aber eben dem Originaltext nicht entsprechende Änderung von connexio zu contexio vorgenommen wurde. Auch P m war mit dem Ausdruck connexio nicht zufrieden und schlug in den Marginalanmerkungen recatio vor. Allerdings ist recatio kein ursprünglich lat. Wort, sondern stellt vermutlich eine Neubildung dar, die auf dem arab. raqaÝa , d. h. »flicken« oder »Arbeit am Tuch« beruht. Dies ist ein Hinweis darauf, daß der Autor von P m zwar Arabisch konnte, aber bei seinen Anmerkungen nicht oder jedenfalls nicht immer den arab. Originaltext heranzog. Daß Gerhard von Cremona, der auf wortgetreue Übersetzung größten Wert legte, selbst diese Anmerkung hinzugefügt hätte, ist eher unwahrscheinlich. ¹³ Gundissalinus: De scientiis, S. , fügt hier hinzu: ut in quarto Metheorum, womit die entsprechende aristotelische Schrift gemeint ist, die auch von al-Fārābī weiter unten in Kap. IV aufgeführt wird. ¹⁴ Der Autor der Marginalanmerkungen weist darauf hin, daß an Stelle von constitutio besser der Fachterminus forma zu setzen wäre. Im weiteren Text verwendet allerdings Gerhard von Cremona selbst constitutio und forma wechselweise und auch nebeneinandergestellt. ¹⁵ Der lat. Ausdruck tiriaca geht auf griech. theriakós zurück, was »Gegengift« (besonders bei Schlangenbiß) bedeutet. Es ist kenn-

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Anmerkungen des Herausgebers

zeichnend für die Dominanz des Griechischen im Bereich der medizinischen Fachsprache, daß für »Gegengift« auch im Arabischen das griech. Fremdwort tiryaq verwendet wird, vgl. arab. Text, S. . Die tiriaca war durch eine arab. Übersetzung des pseudo-galenischen Traktats De Theriaca ad Pisonem bekannt. Vgl. Richter-Bernburg . ¹⁶ Im arab. Text, S. , stehen hier die folgenden Ausdrücke: () siga , das »Formung / Fassung / Gestaltung« bedeutet und das von Gerhard von Cremona durch constitutio wiedergegeben wird, was ziemlich zutreffend ist, da mit der Endung -tio im Lateinischen der Aktionsaspekt enthalten ist, der im Deutschen durch -ung ausgedrückt ist, und dieser Aspekt ist auch im arab. Ausdruck enthalten. () sura , vgl. dazu weiter unten Anm. . () jilqa , was »angeborene Natur / Gestalt /Ausdruck« bedeutet. Gerhard von Cremona setzt hier creatio, was keinen guten Sinn ergibt. Es liegt hier vermutlich ein einfacher Übersetzungsfehler vor: jaliqa , das tatsächlich »Schöpfung«, also creatio bedeutet, unterscheidet sich in der arab. Schrift nur durch einen einzigen Buchstaben von jilqa . Daß hier ein Fehler vorliegt, hat auch der Autor der Marginalien gesehen und hat dies entsprechend erläutert, allerdings so, daß dann wiederum der Ausdruck forma dafür verwendet wird, was also eine einfache Wiederholung ergibt, während al-Fārābī ja gerade darauf hinweisen will, daß hier drei verschiedene, aber eben synonyme Ausdrücke vorliegen. ¹⁷ Diese kurze Bemerkung zeigt, daß sich al-Fārābī sehr deutlich der Probleme bewußt war, die sich daraus ergaben, daß die Übersetzer versuchten, aus Worten der arab. Umgangssprache eine der griech. Fachterminologie entsprechende Fachssprache zu bilden. Obwohl zur Zeit al-Fārābīs bereits mehr als ein Jahrhundert an diesen Problemen gearbeitet worden war, war dieser Prozeß noch lange nicht abgeschlossen. Vgl. dazu Thillet , und Endreß , S.  – . ¹⁸ An dieser Stelle, arab. Text. S. , finden sich die vier Ursachen zusammengestellt: () Materia : arab. madda (Pl. mawadd). Dies war der Ausdruck, der am häufigsten, aber nicht ausschließlich, zur Wiedergabe des griech., von Aristoteles verwendeten, Ausdrucks hýlê ge-

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braucht wurde. Neben madda wurde in der arab. Philosophie auch der von hýlê abgeleitete Ausdruck hayula gebraucht. Vgl. EI III , S.  a –  b, und Endreß , S. . Al-Fārābī zog den Ausdruck madda vor. Dieser Ausdruck steht im Zusammenhang einer arab. Wortwurzel, in der die die Bedeutung »Ausdehnung« enthalten ist. Es wurde daher die Vermutung geäußert, daß bei der Wahl von madda der platonische Ausdruck chôra eine Rolle gespielt haben könnte. Einen philologischen Nachweis dafür gibt es aber bisher nicht. Vgl. Thillet , S.  – . () Forma : arab. sura (Pl. suwar), bedeutet »Form / Gestalt / Bild / Abbild«. Mit diesem Ausdruck wird das griech. eîdos wiedergegeben, für das aber auch andere arab. Ausdrücke verwendet wurden. Vgl. weiter oben Anm. . () Actor / actio: arab. faÝil, was »tätig / tuend / Handelnder« bedeutet. Von den von Gerhard von Cremona gebrauchten Ausdrükken ist also actores dem Wortsinn näher als actiones, im Text steht auch tatsächlich häufiger actores. Gundissalinus: De scientiis, S. , verwendet in diesem Zusammenhang auch den Ausdruck actiones, aber auch, ebd., S. , auctor. Der letztere Ausdruck ist der geeignetste, da ja eindeutig die causa efficiens, also die Wirkursache, gemeint ist. () Finis : arab. gaya (Pl. gayat), bedeutet »äußerste Grenze / Ziel / Zweck /Absicht«. Mit diesem Ausdruck wird das griech. télos wiedergegeben. ¹⁹ Für lat. principia steht im arab. Text, S. , mabadiÞ (Pl. von mabdaÞ), was tatsächlich »Anfang« oder »Prinzip« bedeutet. Auch dafür gab es aber verschiedene Ausdrücke, so z. B. asl (Pl. usul), vgl. Kap. III , Anm.  und . ²⁰ Im Text steht res facientes ea , was aber nur ein anderer Ausdruck für »Wirkursache« ist. ²¹ Vgl. Aristoteles: Physik II ,  b  – . ²² Es handelt sich hier nicht eigentlich um eine Einteilung der Naturwissenschaft, sondern um eine Aufzählung der aristotelischen bzw. Aristoteles zugeschriebenen Schriften zur Naturwissenschaft. Dafür gab es eine kanonische Einteilung in acht Teile. Im Fihrist ist allerdings keine solche Einteilung enthalten. Vgl. Steinschneider , § .

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Anmerkungen des Herausgebers

²³ Die Physik des Aristoteles wurde in spätantiker Tradition Das Vernehmen der Natur (Physikes akroasis, lat. De auditu naturali) genannt, eine Bezeichnung, die auch al-Fārābī übernimmt, arab. Text. S. , As-SamāÝ at-TabīÝī, vgl. auch: Von den Büchern, welche die Physik lehren, lernt man aus einigen das, was allen Naturdingen allgemein eigen ist, aus anderen aber das, was einem jeden der Naturdinge speziell eigen ist. Das Buch aber, aus dem man das allen Naturdingen Gemeinsame lernt, ist sein [d. h. des Aristoteles] Buch »Das Vernehmen der Natur«. (Al-Fārābī: Über die notwendigen Vorstudien der Philosophie, S.  f.)

Die Physik des Aristoteles wurde von Ishāq ibn Hunain ins Arabische übersetzt (diese Übersetzung ist erhalten), es gab aber mit großer Wahrscheinlichkeit schon eine frühere Übersetzung und außerdem eine von Qustā ibn Lūqā (gest. ). Die Physik des Aristoteles wurde zur Zeit al-Fārābīs aufgrund des Kommentars von Uābit ibn Qurra breit diskutiert. Vgl. Peters  a, S.  f. Gerhard von Cremona stellte eine (erhaltene) lat. Übersetzung unter dem Titel Liber Aristotelis de naturali auditu tractatus VIII her, wobei es aber nicht klar ist, auf welcher Version des arab. Textes sie beruht. Vgl. Peters  a, S. . In der Liste al-Qiftīs der Schriften al-Fārābīs ist unter N.  ein Kommentar zur Physik aufgeführt. Auf einen Kommentar al-Fārābīs zur Physik verweist auch Maimonides: Führer der Unschlüssigen II , ; dt. Übers. II , S. . Auch von lat. Autoren des Mittelalters wird ein solcher Kommentar wiederholt erwähnt, die Zitate beziehen sich aber nicht auf die gleich noch zu erwähnende Distinctio. Vgl. Salmon , S.  – . Es muß also angenommen werden, daß es einen solchen Kommentar al-Fārābīs tatsächlich gegeben hat. Weder in der arab. noch auch in der lat. Fassung konnte jedoch bisher ein Kommentar al-Fārābīs zur Physik des Aristoteles aufgefunden werden. Von Gerhard von Cremona stammt die Übersetzung eines Textes mit dem Titel Distinctio Alfarabi super librum Aristotilis de naturali auditu. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. . Lemay , S. , nimmt im Sinne der früheren Forschung an, daß es sich dabei um den genannten Kommentar zur Physik handelt. Dieser Text stellt jedoch nur eine kurze Inhaltsangabe der letzten vier Bücher der Physik des Aristoteles dar. Vgl. Daiber b, S. . Für diese

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Schrift gibt es aber wiederum in der Liste der Schriften al-Fārābīs von al-Qiftī keinen Anhaltspunkt. Die Frage des Kommentars alFārābīs zur Physik ist also bisher nicht endgültig geklärt. ²⁴ Einfache Körper sind nach Aristoteles: Vom Himmel  b  – , solche, »die einen naturgemäßen Ursprung der Bewegung haben, wie Feuer und Erde und was ihnen verwandt ist« (Übers. Gigon, S. ). ²⁵ Aristoteles leitet die Zahl der einfachen Körper von der Zahl der einfachen Bewegungen ab und gelangt so zu drei einfachen Körpern: Aus dem Gesagten ist auch klar, weshalb die Zahl der sogenannten einfachen Körper unmöglich größer sein kann. Dem einfachen Körper ist nämlich eine einfache Bewegung zugeordnet und an einfachen Bewegungen gibt es nur die Kreisbewegung und die geradlinige Bewegung, und diese in zwei Arten, die eine vom Mittelpunkt weg und die andere auf den Mittelpunkt hin. (Aristoteles: Vom Himmel  b  – ; Übers. Gigon, S. )

Diese Überlegung wird auch von al-Fārābī bei der Besprechung von Über Himmel und Erde in Philosophy of Plato and Aristotle, S. , referiert. ²⁶ In Philosophy of Plato and Aristole, S.  kommt al-Fārābī auch auf die Fünfzahl der einfachen Körper zu sprechen: Dem äußersten (fünften) Körper stehen die anderen vier gegenüber, die die Elemente genannt werden. Ganz ähnlich ist die Ausführung über die fünf Materien in De ortu scientiarum, wo die Darstellung der Auffassung al-Fārābīs entspricht, auch wenn er vermutlich nicht der Verfasser dieser Schrift ist (vgl. dazu Einleitung .): Du mußt aber wissen, daß es fünf Materien gibt, nämlich Erde, Wasser, Luft, Feuer und den Himmel. Der Himmel aber, der sich aufgrund seiner Natur bewegt, bewegt diese vier anderen und vermischt und verbindet sie, da, wenn es den Himmel nicht gäbe, diese weder bewegt noch vermischt würden. […] Der Beweis aber dafür, daß der Himmel die fünfte Materie ist, ist der, daß der Himmel weder warm noch kalt noch feucht noch trocken noch leicht noch schwer ist. Folglich liegt seine Natur außerhalb dieser vier. (AlFārābī (?): De ortu scientiarum, S. ; Übers. v. F. S.)

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Anmerkungen des Herausgebers

Bei der Lehre von den fünf Materien bezieht sich al-Fārābī auf die Auseinandersetzung des Aristoteles mit der traditionellen Lehre von den Elementen in Vom Himmel  b  – , wo neben den vier Elementen Erde, Feuer, Luft und Wasser auch der Äther genannt wird. Wesentlich ausführlicher geht Aristoteles im . Buch Vom Himmel auf die vier Elemente im Zusammenhang der Diskussion der Frage nach dem Leichten und Schweren und den damit zusammenhängenden Bewegungen ein. Die Auffassung des Aristoteles über die vier Elemente wird auch in der Schrift Vom Entstehen und Vergehen behandelt. Vgl. ebd., II ,  –,  a  –  a . Dementsprechend geht al-Fārābī in seiner Schrift Philosophy of Plato and Aristotle, S.  – , auf die vier Elemente im Zusammenhang der Darstellung der Lehren der aristotelischen Schrift Über Entstehen und Vergehen ein. Leider helfen aber alle diese Ausführungen nicht weiter, um die Stelle in De scientiis über »drei oder fünf (Teile)« besser zu verstehen. Eine ausdrückliche Diskussion über »drei oder fünf« findet sich im . Buch Vom Himmel nicht. Ob hier eine Bezugnahme auf die drei einfachen Körper (vgl. dazu weiter oben Anm. ) vorliegt, ist nicht klar. ²⁷ Gemeint ist: »von den übrigen Teilen innerhalb der Welt«. ²⁸ Eine ausdrückliche Diskussion über »eine Materie« findet sich in Aristoteles: Vom Himmel nicht. Wohl aber gibt es Stellen, die diese Auffassung stützen, wie z. B.: Der Himmel gehört nun gewiß zum Einzelnen und zu dem, was aus Materie besteht. Aber er besteht nicht aus einem Teil der Materie, sondern aus der ganzen Materie. (Aristoteles: Vom Himmel  b  – ; Übers. Gigon, S. )

Möglicherweise bezieht sich al-Fārābī bei der Betonung der Einheit der Materie auf die Auffassung des Aristoteles: Vom Himmel  b  – , über das All als Kontinuum, womit Aristoteles die Theorie der Atomisten Demokrit und Leukipp ablehnt, nach der das All »durch das Leere zertrennt« wäre (Übers. Gigon, S. ). Die Diskussion über den Atomismus war schon vor der Zeit al-Fārābīs aktuell, da islamischen Theologen (mutakallimun) eine Form des Atomismus vertraten. Vgl. auch Kap. V , Anm. . Die Form des Atomismus, die sich bei den mutakallimun findet, ist allerdings ver-

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schieden von der des griech. Atomismus. Früher wurde angenommen, daß ein indischer Einfluß vorliege, aber auch dafür gibt es keinen eindeutigen Nachweis, und auch der indische Atomismus ist verschieden von jenem der mutakallimun. Vgl. Haq , S.  f., und EI II , S.  b. Die an Aristoteles orientierten Philosophen lehnten seit al-Kindī den Atomismus der mutakallimun ab. Vgl. Klein-Franke , S. . Auch von al-Fārābī gibt es eine kleine Schrift On vacuum, die von N. Lugal herausgegeben wurde. Al-Fārābī lehnte mit Aristoteles die Vorstellung eines Vakuums ab und verwandte dabei Argumente, die auch von anderen zu seiner Zeit vorgebracht wurden. Vgl. Daiber . Al-Fārābī hat sich in einem Kommentar zu den Prolegomena von Euklid: Elemente I und V mit der Frage der Beziehung mathematischer Größen zu physischen Größen beschäftigt, wobei es u. a. um die in der Atomismusdiskussion wichtige Problematik der stetigen Teilbarkeit ging. Dieser Text liegt in einer französ. Übersetzung in Freudenthal , S.  – , und  – , vor. Vgl. auch Endreß , S. . ²⁹ Der Titel lautet, arab. Text, S. , SamāÞ wa ÝĀlam, d. h. lat. Celum et mundus. Die Schrift des Aristoteles Vom Himmel wurde von Ibn al-Bitrīq ins Arabische übersetzt, dieser Text wurde dann von Hunain ibn Ishāq verbessert. Vgl. Walzer , S. , Endreß , S.  – , und Peters  a, S. . Zu De caelo gab es einen Kommentar des Alexander von Aphrodisias (griech. nur in Fragmenten erhalten), der von Abū Bišr Mattā ins Arabische übersetzt und von Yahyā ibn ÝAdī revidiert worden war (nicht erhalten). Ein Kommentar des Themistios zu De caelo wurde auch wieder von Abū Bišr Mattā ins Arabische übersetzt und von Yahyā ibn ÝAdī revidiert. Diese Übersetzung ist nicht erhalten, wohl aber eine hebr. Übersetzung aus dem Arabischen, die dann von Moses Alatino von Spoleto ins Lateinische übertragen wurde. Vgl. Hugonnard-Roche , S.  f. Besonders aktuell war in der arab. Philosophie der Traktat des Johannes Philoponos De aeternitate mundi contra Aristotelem, in dem die aristotelische These der Ewigkeit der Welt kritisiert wird. Von der arab. Übersetzung dieses Traktats sind – nicht zuletzt durch Zitate bei al-Fārābī – nur Fragmente erhalten. Al-Fārābī hat die These des Philoponos an verschiedenen Stellen kritisiert. Vgl.

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Anmerkungen des Herausgebers

dazu Mahdi , dort auf S.  –  die engl. Übersetzung des bei al-Qiftī: Über Alfārābī, N. , genannten Traktas al-Fārābīs gegen Philoponos. Zur Auseinandersetzung Ibn Rušds (Averroes) mit den Argumenten al-Fārābīs vgl. Steinschneider , S.  – . In der Liste der Schriften al-Fārābīs findet sich auch ein Kommentar zum Buch Himmel und Erde, vgl. al-Qiftī: Über Alfārābī, N. , der aber nicht erhalten ist. Ob Ibn Rušd sich bei gelegentlichen Bemerkungen auf diesen Kommentar al-Fārābīs bezieht, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Vgl. Steinschneider , S. . Gerhard von Cremona übersetzte die Schrift des Aristoteles Vom Himmel ins Lateinische. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . De caelo wurde auch von Michael Scotus aus dem Arabischen ins Lateinische übertragen und schließlich von Wilhelm von Moerbeke aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt. ³⁰ Aristoteles unterscheidet verschiedene Bedeutung von »Himmel«. Die kosmologisch wichtigste Bedeutung ist die folgende: Noch wieder anders nennen wir Himmel den Körper, der von der äußersten Peripherie umschlossen ist. Denn das Ganze und das All pflegen wir Himmel zu nennen. (Aristoteles: Vom Himmel  b  – ; Übers. Gigon, S. ).

Daraus ergibt sich konsequenterweise: […] so muß das Ganze, welches von der äußersten Peripherie umfaßt wird, notwendigerweise aus dem gesamten natürlichen und wahrnehmbaren Körper bestehen. Denn es existiert kein Körper außerhalb des Himmels noch kann einer dort existieren. (Aristoteles: Vom Himmel  b  – ; Übers. Gigon, S. )

³¹ Mit testificari ist gemeint: sinnlich erfahrbar. ³² Für elementa steht im arab. Text, S. , ustuqusat , was »Elemente« bedeutet (vgl. Kap. II , Anm. ), für radices steht usul. Zu letzterem vgl. Kap. III , Anm. . Die beiden Ausdrücke stehen somit in diesem Zusammenhang für ein und dasselbe. ³³ Der arab. Titel lautet Al-kaun wa al-fasād, vgl. arab. Text, S. . Keiner der beiden im arab. Buchtitel verwendeten Ausdrücke hat jedoch die spezifisch biologischen Konnotationen, die mit lat. generatio und corruptio verbunden sind. Die Schrift des Aristoteles Über

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Entstehen und Vergehen (De generatione et corruptione) wurde von Hunain ibn Ishāq ins Syrische und von Ishāq ibn Hunain ins Arabische übersetzt. Weitere Übersetzungen wurden nach bibliographischen Nachrichten von Abū ÝUumān ad-Dimašqi (./ . Jhd.) und Ibrahim ben Bakkūs (. Jhd.) hergestellt. Keine dieser Versionen ist erhalten, so daß die zur Zeit al-Fārābīs vorhandene Textgrundlage nur durch spätere Kommentare vor allem Ibn Rušds (Averroes) und Übersetzungen ins Lateinische und Hebräische erschlossen werden kann. Vgl. Rashed , S.  – . Es wird auch von Kommentaren zu De generatione et corruptione von Alexander von Aphrodisias, Olympiodoros, Themistios und Johannes Philoponos berichtet. Außer einigen Zitaten aus dem Kommentar des Alexander von Aphrodisias ist aber in arab. Übersetzungen nichts von diesen Kommentaren erhalten geblieben. Der Kommentar des Philoponos ist griech. erhalten, für Kommentare von Olympiodoros und Themistios gibt es aber selbst in der griech. Tradition keine Hinweise. Vgl. ebd., S.  f. Ibn Rušd zitiert auch einen nicht erhaltenen Kommentar alFārābīs zu diesem Werk, vgl. Peters  a, S. , der aber in der Liste al-Qiftīs nicht aufgeführt wird. Gerhard von Cremona übersetzte eine arab. Version von Über Entstehen und Vergehen ins Lateinische. Vgl. Gerardi nomina librorum, N. , und Lemay , S. . Serra  führt gute philologische Gründe für die naheliegende Vermutung an, daß die arab. Vorlage Gerhards von Cremona der Text von Ishāq ibn Hunain war, der vermutlich auch von Ibn Rušd (Averroes) verwendet wurde. Von der selben Textgrundlage aus wurde im . Jhd. auch eine Übersetzung aus dem Arabischen ins Hebräische hergestellt. Vgl. Peters  a, S. , und Rashed , S. . ³⁴ Für accidentia steht im arab. Text S. , aÝrac (Pl. von Ýarac), was ganz genau im technisch philosophischen Sinn »Akzidentien« bedeutet. Die Übersetzung Gerhards von Cremona mit accidentium et passionum ist also korrekt. Dem entspricht auch der Text der hebr. Version des Qalonymos. Vgl. Zonta , S. . Die Zusammenstellung accidentium et passionum konnte einem Leser sonderbar vorkommen, und so erklärt es sich wahrscheinlich, daß Alfred von Sareshel, der die Übersetzungstätigkeit Gerhards von Cremona in Toledo fortsetzte und der die Übersetzungen Gerhards kannte, in seinem Kommentar zu den Meteora auf al-Fārābīs De scientiis Bezug

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Anmerkungen des Herausgebers

nimmt, allerdings in folgender – aber eben nicht korrekter – Form: Quarta inquisitio est de principiis actionum et passionum. (Es ist natürlich auch möglich, daß diese Textänderung nicht auf Alfred von Sareshel, sondern auf den Schreiber der Abschrift zurückgeht.) Für passiones steht im arab. Text, S. , infiÝalatun (Pl. von infiÝal), was »Beeinflußtwerden«, also passio im ursprünglichen Sinn des Wortes von »etwas Erleiden« bedeutet. Der Ausdruck infiÝal entspricht dem griech. páthos. Vgl. Endreß , S. . Dieser Ausdruck wird in der Verbalform (VII . Stamm von faÝala) von al-Fārābī auch in seiner Paraphrase of the Categories, S.  f. (arab. Text, S. ) gebraucht. Der Zusammenhang dort ist die Behandlung des »Erleidens« im . Kapitel der Kategorien des Aristoteles,  b  – . Es geht dabei nach Aristoteles um Veränderungen, die einen Gegensatz beinhalten (z. B. »warm werden«, »kalt werden«) oder ein Mehr und Minder (z. B. »mehr oder minder warm werden«). Der Sinn von accidentia et passiones in al-Farābīs De scientiis ist also: »Akzidentien und Erleiden«, d. h. »Akzidentien und die durch Erleiden bewirkten Veränderungen«. ³⁵ Der arab. Buchtitel lautet Āuār Ýalawī, arab. Text, S. , dem das lat. impressiones superiores genau entspricht. Mit dem Buch Über die höheren Eindrücke ist die Meteorologie des Aristoteles gemeint. In Philosophy of Plato and Aristotle, S.  – , nimmt al-Fārābī die selbe Einteilung in zunächst die ersten drei Bücher der Meteorologie und dann in das vierte Buch vor. Die Meteorologie des Aristoteles spielte in der arab. Philosophie eine sehr bedeutende Rolle. Es gab schon eine syr. Übersetzung, die aber nicht erhalten ist. Material aus der Meteorologie wurde bei den syr. Theologen in Einleitungen zur Bibel verwendet. Auch für die arab. Philosophen stellte sich die Frage nach der Vereinbarkeit verschiedener Thesen der Meteorologie mit islamischen Grundauffassungen. Dabei waren auch die Kommentare des Alexander von Aphrodisias und des Olympiodoros wichtig, wobei durch letzteren erhebliche neuplatonische Elemente in die Interpretation der Meteorologie einflossen. Die Meteorologie des Aristoteles war von Ibn al-Bitrīq ins Arabische übersetzt worden (diese Übersetzung ist erhalten), wobei aber auch Material aus spätantiken Kommentaren eingearbeitet wurde. Vgl. Schoonheim . Außer dieser Übersetzung / Paraphrase gab es auch ein Kom-

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pendium der Meteorologie des Aristoteles, das Hunain ibn Ishāq hergestellt hatte. Außerdem war die Meteorologie des Theophrast bekannt und zur Zeit al-Fārābīs in einer syr. und ausgehend von dieser in einer unvollständigen arab. Übersetzung vorhanden (im . / . Jhd. wurde dann eine vollständige hergestellt). Vgl. Peters  a, S. , und Schoonheim , S.  f. Al-Fārābī verfaßte einen Kommentar zur Meteorologie, vgl. al-Qiftī: Über Alfārābī, N. , der aber nicht erhalten ist. Die ersten drei Bücher der Meteorologie wurden von Gerhard von Cremona auf der Grundlage des Textes von Ibn al-Bitrīq ins Lateinische übersetzt. In der Liste der Übersetzungen Gerhards von Cremona, vgl. Gerardi nomina librorum, N. , heißt es dazu: Liber Aristothilis metaurorum tractatus III , quartum autem non transtulit, eo quod sane invenit eum translatum. Vgl. Lemay , S. , und Schoonheim . Gerhard von Cremona übersetzte das vierte Buch der Meteorologie nicht, da dieses von dem in Sizilien lebenden Henricus Aristippus (gest. um ) mit erläuternden Scholien aus dem Griechischen ins Lateinische übertragen worden war. Es ist jedoch auch ein Teil einer Übersetzung des vierten Buches aus dem Arabischen erhalten, die von Gerhard von Cremona stammen könnte. Vgl. Peters  a, S. . Eine Übersetzung aus dem Griechischen wurde von Wilhelm von Moerbeke hergestellt. ³⁶ Eine etwas ausführlichere Darstellung der in der Meteorologie vorgenommenen Untersuchungen findet sich in al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S.  – . ³⁷ Bei der Schrift Über die Mineralien, arab. Titel Kitāb alMaÝādin (Pl. von maÝdin), arab. Text, S. , handelt es sich um einen pseudo-aristotelischen Traktat, der weniger wissenschaftlich-mineralogischer, sondern eher magischer Art ist, insofern die geheimen Eigenschaften der Steine erforscht werden sollen. Diese Schrift ist in der (erhaltenen) arab. Version seit der Mitte des . Jhd.s nachweisbar, sie hat ihren Ursprung aber vermutlich schon im . Jhd. im Umkreis der pharmakologischen Studien der syr. Schule der Medizin in Gundeschapur. Vgl. Peters  a, S.  f. Diese Schrift wurde in der arab. Tradition im Anschluß an die Meteorologie behandelt. Al-Fārābī führt sie auch in Philosophy of Plato and Aristotle, S.  f., in diesem Zusammenhang auf. Der Traktat Über die Mineralien

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Anmerkungen des Herausgebers

wurde aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt, die (erhaltene) Übersetzung wird einem »Gerhard« zugeschrieben, womit vermutlich Gerhard von Cremona gemeint ist, obwohl dieser Text in der Liste der Übersetzungen desselben nicht aufgeführt wird. Vgl. Peters  a, S. . ³⁸ Vgl. auch al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. . ³⁹ Die biologischen Schriften des Aristoteles wurden in der spätantiken Tradition ziemlich vernachlässigt. Dies galt auch für die Schrift Über die Pflanzen. Anstelle dieser Schrift kam ein zusammenfassender Traktat Über die Pflanzen in Umlauf, der in der griech. Urform nicht mehr erhalten ist. In diesem Traktat waren auch zahlreiche der Aristotelischen Beobachtungen über die Pflanzen enthalten. Vgl. Gottschalk , S.  f. Über den Autor dieser Schrift gingen die Auffassungen der Forscher auseinander. Vgl. Bouyges , S.  – . In der Gegenwart wird meist Nikolaus von Damaskus (. Jhd. v. Chr.) als Verfasser angenommen. Vgl. Walzer , S. . Von dieser Schrift gab es eine (teilweise erhaltene) syr. Version. Eine arab. Übersetzung mit dem Titel Kitāb an-Nabāt wurde von Ishāq ibn Hunain hergestellt und von Uābit ibn Qurra verbessert. Diese Übersetzung ist erhalten. In der arab. Tradition wurde diese Schrift zwar nicht selten Aristoteles zugeschrieben, einige Autoren vertraten aber schon damals ausdrücklich die Ansicht, daß sie von Nikolaus von Damaskus stammt. Vgl. Bouyges , S.  – , und Peters  a, S. . In al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. , geht al-Fārābī nur ganz kurz auf die biologischen Forschungen des Aristoteles ein, führt aber keinen Buchtitel an. Die lat. Version von De plantis wurde im . Jhd. von Alfred von Sareshel hergestellt. ⁴⁰ In der arab. und vermutlich schon vorher in der syr. Tradition wurden unter dem Titel Kitāb al-Hayawān (Über die Tiere / Lebewesen), vgl. arab. Text, S. , die Aristotelischen Schriften Historia animalium, De generatione animalium und De partibus animalium zusammengefaßt. Es gab davon eine (nicht erhaltene) syr. Version, die arab. Übersetzung wird Ibn al-Bitrīq zugeschrieben, die Zuschreibung ist aber nicht sicher. Von der Schrift Über die Tiere dürfte es schon ein syr. Kompendium gegeben haben, auch im arab. Bereich wurden solche Zusammenfassungen hergestellt, und dasselbe gilt dann auch wieder für den lat. Bereich, wo solche Kompendien unter

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teilweiser Verwendung arab. Vorlagen hergestellt wurden. Ein solches Themistios zugeschriebenes Kompendium, das auch erhalten ist, war von Ishāq ibn Hunain ins Arabische übersetzt worden. Ein weiteres (nicht erhaltenes) Kompendium von Nikolaus von Damaskus wurde von Ibn ZurÝa ( – ) aus dem Syrischen ins Arabische übersetzt. Vgl. Peters  a, S.  f., und Kruk , S.  – . Darüber hinaus gab es eine Anzahl von Schriften zur Zoologie, die Aristoteles zu Unrecht zugeschrieben wurden. In al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S.  f., geht al-Fārābī auch wieder nur ganz kurz auf die zoologischen Forschungen des Aristoteles ein, nennt aber keinen Buchtitel. Es läßt sich also nicht feststellen, ob al-Fārābī mit den vollständigen Aristotelischen Texten oder mit einem Kompendium arbeitete. Es ist eher letzteres anzunehmen. Die lat. Übersetzung des Liber animalium aus dem Arabischen stammt von Michael Scotus (vor  – um ), die dieser vor  während seines Aufenthalts in Toledo fertigstellte. Später, in Sizilien, übersetzte er für Kaiser Friedrich II . auch Ibn Sīnās (Avicenna) Compendium de animalibus. Etwas später stellte Wilhelm von Moerbeke eine Übersetzung aus dem Griechischen her. ⁴¹ Die Schrift des Aristoteles Über die Seele trägt den arab. Titel Kitāb an-nafs, vgl. arab. Text, S. . Zu nafs vgl. auch Kap. III , Anm. . Die Frage der arab. Übersetzungen von De anima ist bis heute nicht definitiv geklärt. Vgl. dazu Peters  a, S.  –, und mit neuerer Literatur Elamrani-Jamal , S.  – . Es gab jedenfalls mindestens drei Übersetzungen. De anima wurde zunächst von Hunain ibn Ishāq ins Syrische übersetzt (dieser Text ist nicht erhalten). Es gibt dann eine unvollständige und des weiteren eine vollständige Übersetzung ins Arabische, wobei es aber wegen der sehr verschiedenen Begrifflichkeit der beiden Versionen umstritten ist, ob sie von ein und demselben Bearbeiter stammen. Die vollständige Version wird Ishāq ibn Hunain zugeschrieben, aber auch hier sind nicht alle Fragen geklärt. Diese vollständige (und auch erhaltene) Version war um  in Bagdad im Umlauf. Eine dritte, von den bisher genannten Texten unabhängige Übersetzung kann aus dem Großen Kommentar zu De anima Ibn Rušds (Averroes) rekonstruiert werden, der aber nur in der lat. Übersetzung des Michael Scotus, nicht aber im arab. Original erhalten ist. Ibn Rušd verwen-

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Anmerkungen des Herausgebers

dete an einigen Stellen die Übersetzung Hunains, sonst aber eine andere Übersetzung. Diese Übersetzung ist genauer als die Hunains und geht vermutlich auf die Zeit vor dem . Jhd. zurück. Für die griech. Textrekonstruktion von De anima ist die arab.-lat. Version des Scotus wichtig, da die von Ibn Rušd verwendete Übersetzung von De anima auf einer griech. Handschrift beruht, die älter und vermutlich besser ist als alle griech. überlieferten Handschriften. Vgl. Minio-Paluello , S.  – . Schon vor den arab. Übersetzungen war eine Paraphrase von De anima in Umlauf, die vermutlich auf einer spätantiken Zusammenfassung beruht, die von Ibn al-Bitrīq (gest. um ) redigiert und unter Heranziehung weiterer Texte oder Textzitate hergestellt wurde. Vgl. dazu die Edition von Arnzen  und zusammenfassend ders. . Diese Paraphrase wurde seit al-Kindī von verschiedenen Autoren zitiert. Wichtig für die arab. Philosophen waren auch die spätantiken Kommentare von Theophrast ( –  v. Chr.), Alexander von Aphrodisias (./ . Jhd. n. Chr.), Themistios (um  – um  n. Chr.) und Olympiodoros (. Jhd. n. Chr.). Die arab. Übersetzung des Kommentars von Alexander von Aphrodisias ist nicht erhalten (ebensowenig wie das griech. Original), auch die des Olympiodoros ist nicht erhalten, die des Themistios ist in arab. Übersetzung erhalten und dürfte eine bessere Textversion als die der erhaltenen griech. Versionen bieten. Vgl. Peters  a, S.  –, und ElamraniJamal , S.  f. Der erste arab. Kommentar zu Aristoteles: Über die Seele stammt nach Angaben von Brockelmann , I, S. , und Peters  a, S. , von al-Fārābī und soll in einer Handschrift in Indien erhalten sein (Signatur bei Brockelmann angegeben). In al-Qiftī: Über Alfārābī ist allerdings kein solcher Kommentar erwähnt, dafür wird aber unter N.  ein Kommentar zu Alexander Aphrodisias: Über die Seele aufgeführt. Auch Steinschneider  erwähnt keinen Kommentar al-Fārābīs zu Aristoteles: De anima. Und auch in der neuesten Übersicht über die arab. Kommentare zu De anima von Elamrani-Jamal , S. , ist zu al-Fārābī kein solcher Kommentar aufgeführt. Die Aristotelische Schrift Über die Seele spielte eine weitaus größere Rolle in der arab. Philosophie, als aus der fast beiläufigen Bemerkung in al-Fārābīs De scientiis ersichtlich ist. Vgl. Ramón Guerrero . Die Auffassungen al-Fārābīs waren

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für die arab. Philosophen wichtig, der sog. lat. Averroismus (= Monopsychismus), in dem das Problem der Seele (individuelle Unsterblichkeit) zentral war, knüpfte aber fast ausschließlich an den Kommentar des Ibn Rušd (Averroes) zu dieser aristotelischen Schrift an. Vgl. Leaman , S.  – . Die für die muslimische Gesellschaft mit der Aristotelischen Seelenlehre verbundenen Probleme waren aber auch schon al-Fārābī deutlich bewußt. Vgl. Kap. V , Anm. . Al-Fārābī hat sich mit dieser Aristotelischen Schrift sehr intensiv befaßt. Nach einem Bericht von Ibn Iallikān ( – ) schrieb al-Fārābī auf sein Exemplar des Aristotelischen Buches Über die Seele : »Ich habe dieses Buch zweihundert Mal gelesen.« Zit. nach Peters  a, S. . Al-Ghazālī bezeichnete al-Fārābī wegen seiner »falschen« aristotelischen Seelenlehre als »Ungläubigen«. Vgl. alGhazālī: Der Erretter aus dem Irrtum, S.  f. Vgl. Kap. V , Anm. . Angesichts der Bedeutung der Schrift Über die Seele ist es daher auffallend, daß in Toledo weder Gerhard von Cremona noch auch einer der anderen Übersetzer eine lat. Version dieser Schrift hergestellt hat. Eine lat. Übersetzung von De anima aus dem Griechischen wurde von Jakob von Venedig (. Hälfte . Jhd.) hergestellt, sie wird aber erst im . Jhd. zitiert. Burnett , S. , vermutet wahrscheinlich zu Recht, daß die Übersetzer in Toledo meinten, daß durch die von Dominicus Gundissalinus hergestellte Übersetzung des Teils über die Seele aus Ibn Sīnās (Avicenna) aš-ŠifāÞ, das unter dem lat. Titel De anima bekannt wurde, das Thema ausreichend abgedeckt sei. Gundissalinus wußte um die Bedeutung des Themas, da er dann in seinem Traktat De immortalitate animae alle erreichbaren Argumente für die Unsterblichkeit der Seele zusammenstellte, eine Schrift, die in der lat. Hochscholastik ausgiebig verwendet wurde. Eine Übersetzung von Aristoteles: De anima aus dem Arabischen ist in der Übersetzung von Ibn Rušds Großem Kommentar zu De anima enthalten, die Michael Scotus zwischen  und  herstellte (vgl. weiter oben). Nach der ersten Übersetzung aus dem Griechischen ins Lateinische von Jakob von Venedig wurde eine weitere von Wilhelm von Moerbeke verfaßt. In der arab. Philosophie waren auch die beiden Schriften von Alexander Aphrodisias De anima (der arab. Text ist nicht erhalten, wohl aber eine hebr. Übersetzung desselben) und De intellectu ein-

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Anmerkungen des Herausgebers

flußreich. Die Schrift De intellectu war auch wieder von Ishāq ibn Hunain ins Arabische übersetzt worden. Kleinere zusammenfassende Schriften zum Problem der Seelenlehre gab es seit Beginn der arab. Philosophie. Zwei solcher Schriften sind z. B. von al-Kindī erhalten. Vgl. Peters  a, S.  f. Auch al-Fārābī verfaßte zwei solche Schriften: De intellectu et intellecto (The Letter concerning the Intellect) und Über die Bedeutung des Worts »Intellect«. Die dort behandelten Fragen führen aber in einen Bereich, den wir eher der Metaphysik zuordnen würden. Es ist jedoch zu beachten, daß al-Fārābī jedenfalls hier in De scientiis die Schrift Über die Seele in durchaus authentisch aristotelischer Sicht in eindeutiger Weise unter die Schriften zur Naturwissenschaft einreiht. Al-Fārābī unterscheidet in ganz klarer Weise den Gebrauch des Begriffs »Intellekt«, wie er in der Aristotelischen Schrift Über die Seele vorliegt, von jenem, der in der Metaphysik vorliegt. Vgl. Al-Fārābī: Über die Bedeutung des Worts »Intellect«, S. , e und f. Al-Fārābīs De intellectu et intellecto wurde von einem anonymen Übersetzer ins Lateinische übertragen und war in der lat. Philosophie des Mittelalters einflußreich. Sie wurde gedruckt in der Edition des Camerarius von , S.  – , in der auch De scientiis in der Version des Gundissalinus abgedruckt ist. Auch im jüd. Bereich war diese Schrift sehr bekannt, es gibt von ihr drei hebr. Übersetzungen. Vgl. Steinschneider , S. . ⁴² Die Stelle et qui sunt … naturalium findet sich nicht im arab. Text, wohl aber bei Gundissalinus: De scientiis, S. . Gundissalinus nimmt solche Ergänzungen auch an anderen Stellen vor (vgl. weiter oben Anm. , und Kap. III , Anm. ), bei Gerhard von Cremona hingegen ist dies nicht der Fall. Es legt sich daher die Annahme nahe, daß Gerhard von Cremona (und Gundissalinus?) eine arab. Handschrift vor sich hatte, in der diese Hinzufügung entweder im Text oder als Glosse bereits vorhanden war. ⁴³ Mit den principia (arab. mabadiÞ) sind die vier Ursachen der natürlichen Körper gemeint, deren Erforschung das Ziel der gesamten Naturwissenschaft darstellt. Vgl. weiter oben Anm. . Vgl. auch al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. . Für accidentia steht im arab. Text, S. , aÝrac (Pl. von arac), was zwar »Akzidentien« bedeutet, aber auch »Merkmal / Kennzeichen« in einem ganz allgemeinen Sinn bedeuten kann.

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⁴⁴ Die Überschrift lautet im arab. Text, S. , al-Ýilm al-ilahi, d. h. lat. scientia divina; al-qaul fi, also lat. sermo in, steht in der Handschrift des Escorial, nicht aber in allen arab. Handschriften. Der arab. Ausdruck ilahi entspricht dem griech. theîon. Vgl. weiter unten in dieser Anm. das Zitat aus Aristoteles: Metaphysik VI . Selbstverständlich ist diese Wissenschaft vom Göttlichen als nichtislamische Theologie genau von der islamischen Theologie (kalam) zu unterscheiden, die ja schon durch ihre Einreihung in die Rechts- und Staatswissenschaft in Kapitel V bei al-Fārābī einen völlig anderen wissenschaftstheoretischen Status erhält. Da diese Wissenschaft vom Göttlichen von al-Fārābī sofort mit der Aristotelischen Metaphysik in Zusammenhang gebracht wird und faktisch mit ihr identifiziert wird, könnte der Eindruck entstehen, al-Fārābī hätte die aristotelische Metaphysik mit der Theologie gleichgesetzt. Al-Fārābī wußte aber ganz genau, daß dies zwar von einigen – auch schon von spätantiken griechischen – Autoren so angesetzt wurde, er stellt aber ausdrücklich fest, daß dies dem Gehalt der Aristotelischen Metaphysik nicht entspricht: Denn viele Leute haben die vorgefaßte Meinung, daß der eigentliche Sinn und Inhalt jener Schrift der sei, daß in ihr die Lehre von dem Schöpfer, dem Intellekt, der Seele und dem darauf Bezüglichen behandelt würde; ferner daß die Lehre von der Metaphysik und die von der Einheit Gottes ein und dieselbe sei. Wir finden nun, daß die meisten Menschen, welche darüber spekulieren, in Verwirrung und auf Abwege geraten sind; denn wir sehen, daß der größte Teil jener Schrift durchaus dieser Tendenz entbehrt. Nur in dem elften Buch, welches mit dem Buchstaben Lam [L] bezeichnet ist, finden wir eine Spezialabhandlung über diesen Gegenstand. (Al-Fārābī: Tendenzen der aristotelischen Metaphysik, S.  f.)

(N. B.: Das Buch Lambda ist nicht das elfte, sondern das zwölfte Buch der Metaphysik. Diese um eins nach hinten verschobene Zählung setzt sich bei al-Fārābī auch weiter fort, vgl. weiter unten.) Allerdings sagt al-Fārābī dann im weiteren: Das erste Objekt dieser Wissenschaft ist das absolute Sein, so wie das, was demselben in der Allgemeinheit gleich kommt, nämlich die Eins. (Ebd., S. ).

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Anmerkungen des Herausgebers

Und so ergibt sich für al-Fārābī dann aber doch wieder eine Zuordnung von Metaphysik und Theologie, die gar nicht so weit entfernt ist von jener, die die vorher kritisierten »Leute« vornehmen: Abhandlung V [d. h. Buch V der Metaphysik] legt die wesentlichen Unterschiede klar, die bei den drei theoretischen Wissenschaften, der Physik, der Mathematik und der Theologie vorherrschen, und zeigt, daß es eben nur drei gebe. Ferner findet sich hier die nähere Bestimmung über die theologische Wissenschaft und wird hier dargelegt, daß sie zu dieser Wissenschaft [der Metaphysik] gehöre, besser gesagt, daß sie in gewisser Hinsicht diese Wissenschaft selbst sei. (Ebd., S. )

Die bekannteste Bezugsstelle dafür bei Aristoteles findet sich im VI . Buch (die um eins verschobenen Zählung der Bücher der Metaphysik wurde schon weiter oben erwähnt) der Metaphysik. Hiernach würde es also drei betrachtende philosophische Wissenschaften (philosophíai theoretikaí) geben: Mathematik, Physik, Theologie. Denn unzweifelhaft ist, daß, wenn sich irgendwo ein Göttliches (theîon) findet, es sich in einer solchen Natur findet, und die würdigste Wissenschaft die würdigste Gattung des Seienden zum Gegenstande haben muß. (Aristoteles: Metaphysik VI , ,  a  – ; Übers. Bonitz, S. )

Daß bei al-Fārābī eine (neu)platonisierende Metaphysik vorliegt, wird aus dem vorliegenden Abschnitt in De scientiis und dann besonders aus Kap. I – XIX des Musterstaats sowie aus der Staatsleitung, S.  – , deutlich. Allerdings will sich al-Fārābī als Aristoteliker verstehen. Al-Fārābī war sich bewußt, daß hier Probleme bestehen. In seiner Schrift Über die Harmonie zwischen Plato und Aristoteles versuchte al-Fārābī aufzuzeigen, daß zwischen den Lehren der beiden griech. Philosophen kein grundlegender Gegensatz besteht. Dies geschieht allerdings in deutlich apologetischer Absicht, da die Gegner der Philosophie (falsafa) aus dem »Streit« der Philosophen ein grundsätzliches Argument gegen den Wahrheitsanspruch der Philosophie machten. In seiner Schrift Philosophy of Plato and Aristotle stellt al-Fārābī die Unterschiede schon deutlicher heraus. Und es ist auch zu beachten, daß al-Fārābī den Text,

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der in der arab. Philosophie als »Grundlagentext« einer solchen (neu)platonischen Metaphysik galt, nämlich die pseudo-aristotelische Theologie des Aristoteles bei der Behandlung der Lehren des Aristoteles in Philosophy of Plato and Aristotle nicht unter den Schriften des Aristoteles aufführt. Im Abschnitt über die »göttliche Wissenschaft« nimmt al-Fārābī Bezug auf die Metaphysik des Aristoteles, stellt dann aber doch eine ziemlich neuplatonische Metaphysik dar. Und auch die Darstellung der Metaphysik im Musterstaat ist neuplatonisch. Al-Fārābī gilt daher weithin als der erste bedeutende Systematiker einer neuplatonischen Metaphysik innerhalb der islamischen Philosophie. Vgl. z. B. Fakhri . Der Bezug auf die Metaphysik des Aristoteles scheint daher eher äußerlich. Die Position al-Fārābīs ist aber nicht so eindeutig, wie es der vorliegende Abschnitt in De scientiis und die entsprechenden Kapitel im Musterstaat nahelegen. Es gibt nämlich eine weitere, erst im . Jhd. aufgefundene Schrift al-Fārābīs, das Kitāb al-Hurūf (Book of Letters), das nicht ein Kommentar zur Metaphysik des Aristoteles ist, sondern eine selbständige Rekonstruktion und Weiterführung derselben. Al-Fārābī geht dabei nicht »metaphysisch« im Sinne einer neuplatonischen Metaphysik vor, sondern sprachanalytisch im Sinne einer Weiterführung der von Aristoteles in den Kategorien entdeckten Problematik. Al-Fārābīs Vorgehen trifft dabei genau das Anliegen des Aristoteles, das von den Neuplatonikern in dieser Form nicht aufgenommen worden war. Vgl. Schupp , I, S.  – . Über Aristoteles hinausgehend entwikkelt al-Fārābī in dieser Schrift auch eine Theorie der Entstehung und Entwicklung der Sprachen, Kitāb al-Hurūf, S.  – , eine Theorie über die Entstehung der Wissenschaften, ebd., S.  – , und er behandelt auch das Verhältnis von Religion und Wissenschaft, ebd. S.  –  und  – . Von diesem wichtigen Traktat gibt es bisher keine Gesamtübersetzung. ⁴⁵ Die Bezeichnung Metaphysik war bekanntlich ursprünglich eine rein bibliographische oder bibliothekarische Bezeichnung, d. h. »das Buch, das nach der Physik kommt«. Bei al-Fārābī liegt mit dem Buchtitel Kitāb f īmā baÞda at -TabīÞa, arab. Text, S. , eine wortwörtliche Übersetzung dieser Bezeichnung vor. Vgl. auch De ortu scientiarum, S. , wo der Titel im Lateinischen zunächst ge-

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Anmerkungen des Herausgebers

nau so wie im Arabischen gesetzt wird: scientia post naturam, dann aber sofort der interpretierende Zusatz folgt: scilicet scientia divina. Hingegen läßt Gundissalinus in De scientiis, S. , den Verweis auf die Metaphysik weg (erschien ihm diese Schrift zu schwierig, um sie Studienanfängern zu empfehlen?). Die Geschichte der arab. Übersetzungen der Metaphysik des Aristoteles ist ziemlich kompliziert und müßte eigentlich in Bezug auf jedes einzelne Buch derselben dargestellt werden. Vgl. dazu Peters  a, S.  – , und Martin , S.  – . Es geht im vorliegenden Zusammenhang also nur darum, zu sehen, welche Textgrundlage al-Fārābī zur Verfügung gestanden haben dürfte. Die Metaphysik wurde bei den arab. Philosophen seit al-Kindī studiert. Für al-Kindī hat Astāu die Metaphysik des Aristoteles übersetzt. Von diesem Übersetzer ist sonst nichts bekannt. Es wird vermutet, daß es sich dabei um einen einen griech. oder hellenisierten Christen handelte und daß er die Metaphysik direkt aus dem Griechischen übersetzt hat. Da Ibn Rušd (Averroes) diese Version in seinem großen Metaphysikkommentar häufig verwendet hat, ist sie zu einem großen Teil erhalten bzw. rekonstruierbar. Diese Übersetzung stammte also schon aus dem . Jhd. Im . Jhd. kamen neue Teilübersetzungen in Umlauf. Ishāq ibn Hunain übersetzte Teile oder die gesamte Metaphysik ins Arabische, wobei es nicht klar ist, ob er sie direkt aus dem Griechischen oder aus dem Syrischen übersetzte (es wird berichtet, daß sein Vater Hunain ibn Ishāq das Buch Lambda (= Buch XII der Metaphysik) ins Syrische übersetzt hatte. Zu der besonderen Bedeutung des Buches Lambda der Metaphysik des Aristoteles, die auch al-Fārābī hervorhebt, vgl. das erste Zitat in Anm. . In diesem Buch der Aristotelischen Metaphysik, das ja tatsächlich eine Sonderstellung innerhalb der Aristotelischen Metaphysik einnimmt, meinten schon die griech. Neuplatoniker einen Anknüpfungspunkt für ihre eigene Metaphysik zu finden, und das gleiche gilt für die arab. neuplatonisch beeinflußten Aristoteliker. Abū Bišr Mattā übersetzte dieses wichtige Buch Lambda der Metaphysik aus dem Syrischen zusammen mit dem (im griech. Original nicht erhaltenen) Kommentar des Alexander von Aphrodisias und verfaßte dazu auch selbst einen Kommentar (all dies ist nur teilweise in Zitaten bei Ibn Rušd erhalten). Es ist anzunehmen, daß al-Fārābī

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diese Übersetzungen und den Kommentar seines Zeitgenossen und Lehrers Abū Bišr Mattā kannte. Al-Fārābī verfaßte nach Martin , S. , einen nicht erhaltenen Kommentar zur Metaphysik des Aristoteles. Brockelmann I, , S.  – , führt allerdings keinen solchen Kommentar an. Al-Fārābī war sehr gut über die Frage der Kommentare zur Metaphysik informiert: Nun existiert aber bei den Alten kein Kommentar von diesem Buch für sich, so wie wir solche für die übrigen Bücher haben, vielmehr gibt es nur einen unvollständigen Kommentar von Alexander [Aphrodisias] und einen vollständigen von Themistius. Die anderen Abschnitte [der Metaphysik] wurden entweder nie kommentiert, oder diese Kommentare haben sich, wie man meint, nicht bis auf unsere Zeit erhalten. Das letztere nimmt man an, weil in den Büchern der späteren Peripatetiker eine Betrachtung darüber angestellt wird, ob Alexander das Buch vollständig kommentiert habe. (Al-Fārābī: Von den Tendenzen der aristotelischen Metaphysik, S. )

Erhalten ist von al-Fārābī die kleine Schrift Von den Tendenzen der Aristotelischen Metaphysik. Ibn Sīnā (Avicenna) erzählt in seiner Biographie eine kleine Geschichte: Er hatte die Metaphysik des Aristoteles schon vierzigmal gelesen, konnte sie auswendig, verstand sie aber immer noch nicht. Erst als er zufällig auf dem Markt die Schrift al-Fārābīs Über die Zwecke der Aristotelischen Metaphysik fand, ging ihm endlich der Sinn der Aristotelischen Metaphysik auf. Vgl. Kraus , S.  f. Steinschneider , S. , vermutet, daß die von Ibn Sīnā genannte Schrift die über Die Tendenzen der Aristotelischen Metaphysik sei, wogegen Martin , S. , meint, daß es sich dabei um den verlorengegangenen Kommentar al-Fārābīs zur Metaphysik handle. Von der Sache her ist anzumerken, daß die kleine Schrift al-Fārābīs Von den Tendenzen der Aristotelischen Metaphysik eigentlich nicht ausreicht, um die Wirkung auf Ibn Sīnā zu rechtfertigen. Die älteste lat. Übersetzung (die sog. editio vetustissima) der Metaphysik des Aristoteles stammt von Jakob von Venedig. Es handelt sich dabei um eine Übersetzung aus dem Griechischen, die etwa in den Jahren  –  entstanden ist. Diese Übersetzung ist nicht vollständig erhalten. Vgl. Dod , S. . Es sind auch Übersetzungen der Metaphysik aus dem . Jhd. aus dem Arabischen erhalten

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Anmerkungen des Herausgebers

(die sog. editio media). Eine Übersetzung, bei der die arab. Textgrundlage aber nicht nachgewiesen ist, wird Gerhard von Cremona zugeschrieben. Vgl. Peters  a, S. . Eine weitere Übersetzung (die sog. editio nova) wurde in der . Hälfte des . Jhd.s von Michael Scotus hergestellt. Diese beruht auf den Lemmata des Großen Kommentars zur Metaphysik des Aristoteles von Ibn Rušd (Averroes), die aber in ihrer Textgrundlage weithin auf die älteste arab. Version des Astāu zurückgehen. Die endgültige lat. Version der Metaphysik wurde schließlich von Wilhelm von Moerbeke durch eine Übersetzung aus dem Griechischen in den Jahren vor  hergestellt. ⁴⁶ Bei dieser Einteilung in drei Teile handelt es sich um eine Systematisierung, die nicht der Abfolge der Bücher der Aristotelischen Metaphysik entspricht. Dies war al-Fārābī natürlich ganz klar, da er diese Abfolge genau kannte und er selbst sie ja in den Tendenzen der Aristotelischen Metaphysik, S.  – , kurz charakterisierte. ⁴⁷ Gundissalinus: De scientiis, S. , übersetzt hier de essentiis anstelle von de existentibus. Auch im folgenden verwendet Gundissalinus stets essentie anstelle von existentia . Vgl. dazu auch Einleitung .. ⁴⁸ Für substantias steht im arab. Text, S. , jawass (Pl. von jassa), was ganz allgemein »besondere Eigenschaft« oder »spezielle Beschaffenheit« bedeutet. ⁴⁹ Vgl. Aristoteles: Metaphysik XII , ,  a  – . Darin ist eine Ablehnung der Pythagoreischen Auffassung enthalten, nach der Zahlen und geometrische Formen die Grundbausteine der Welt sind. Es ist darin aber auch eine Ablehnung der Platonischen Ideenlehre enthalten. Dies bringt al-Fārābī auch in anderem Zusammenhang zum Ausdruck, so z. B. wenn er bei der Darstellung der Tendenzen der Aristotelischen Metaphysik, S. , ausdrücklich sagt, »daß die Urbilder keine Existenz haben«. ⁵⁰ Vgl. Aphorism , S. . ⁵¹ Der Ausdruck perfectum quo perfectius non est possibile aliquid esse erinnert in auffälliger Weise an den Ausdruck id ipsum quo maius cogitari non potest , den Anselm von Canterbury ( – ) in Kap. II des Prosologion gebraucht. Vgl. dazu Fakhry . Der Zusammenhang ist jedoch nur sachlicher, nicht überlieferungsgeschichtlicher Art.

Viertes Kapitel

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⁵² Es ist also ein eigener Beweisschritt erforderlich, in dem nachgewiesen wird, daß dieses höchste Vollkommene nur eines und nicht mehrere sein kann. Vgl. auch Musterstaat II , S.  f. ⁵³ Vgl. Musterstaat III , S.  – , und Staatsleitung, S.  f. Mit dem Ausschluß eines höchsten Entgegengesetzten wird ein metaphysischer Dualismus ausgeschlossen. Man darf nicht vergessen, daß im . Jhd. zwar der Großteil der Bevölkerung muslimisch war, daß es aber weiterhin Zoroastrier gab. Der Dualismus war also in keiner Weise erledigt und war sowohl durch Zoroastrier wie durch Manichäer präsent. Von Seiten der Zoroastrier wurden auch Schriften verfaßt, die ihre Anhänger vor dem Übertritt zum Islam abhalten sollten, so wie es von islamischer Seite her Schriften gab, die den Dualismus kritisierten. Es gab also eine zoroastrisch-islamische Kontroversliteratur. Vgl. Urvoy , S.  – . Vgl. auch Kap. II , Anm. . Es ist auch nicht zu übersehen, daß auch die Übersetzung der Physik des Aristoteles, die Argumentationshilfen gegen den Dualismus lieferte (eine und nur eine erste Ursache), nicht zuletzt in diesem kulturellen Kontext theologischer Kontroversen zu sehen ist. Vgl. Gutas , S.  – . Vgl. auch weiter oben Anm. . ⁵⁴ Zu den Namen Gottes vgl. auch al-Fārābī: Staatsleitung, S.  – . Die Frage der Namen Gottes und die damit verbundene Frage der Einheit Gottes war eine geradezu überragende in der islamischen Theologie (diese Frage hat in der jüdischen wie auch in der christlichen Theologie nie eine auch nur annähernd ähnlich wichtige Rolle gespielt). Vgl. EI I, S.  b – b, dort weitere Literatur. Die Frage war deshalb brisant, weil bei einer strengen Auffassung der Einheit Gottes beinahe alle Prädikate, die von Gott im Koran ausgesagt wurden, metaphorisch interpretiert werden mußten, was tatsächlich die Interpretationslinie der MuÝtaziliten war. Vgl. zu letzteren EI VII , S.  a –  b. Vgl. auch weiter unten Anm. . ⁵⁵ In diesem Abschnitt geht es um die »Wissenschaft vom Göttlichen« und der Kontext ist der einer aristotelischen und neuplatonischen Metaphysik. Es ist daher auffallend, daß al-Fārābī hier, arab. Text, S. , nicht die allgemeine Bezeichnung für »Gott«, also ilah (vgl. weiter oben Anm. ) gebraucht, sondern den islamischen Gottesnamen Allah. und er auch das Epitheton »dessen Ruhm erhaben ist« einführt. Dasselbe wiederholt al-Fārābī dann auch in den fol-

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Anmerkungen des Herausgebers

genden Sätzen. In dem systematisch ganz analogen Zusammenhang in Philosophy of Plato and Aristotle, S. , bleibt al-Fārābī demgegenüber terminologisch konsistent und vermeidet den islamischen Gottesnamen. Mahdi weist in den Anmerkungen zu al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. , Anm , auf diesen auffallenden Unterschied hin und äußert die Vermutung, daß dies mit dem »populäreren« Charakter der Schrift De scientiis zusammenhängen könnte. Man könnte dies auch so ausdrücken: Al-Fārābī macht hier ein »Zugeständnis« an ein breiteres muslimisches Publikum, für das die Schrift De scientiis als philosophische Einführungsschrift gedacht war, die auch eine Zielsetzung in der Werbung für philosophische und wissenschaftliche Studien hatte. Terminologisch ebenso auffallend und sachlich mit dem eben Gesagten zusammenhängend ist es, daß al-Fārābī hier das Verb iÝ taqada gebraucht, das »fest glauben« bedeutet, weshalb Gerhard von Cremona ganz richtig das lat. Verb credere gebraucht, während das Ziel der »Wissenschaft vom Göttlichen« doch ein sicheres Wissen, d. h. eine scientia certa , ist – und tatsächlich gelangt alFārābī am Ende des Kapitels auch zu genau einem solchen Wissen. Vgl. weiter unten Anm. . Man könnte diese Stelle also auch als eine Art Einschub oder eine Klammerbemerkung lesen, mit der gesagt wird: Das, was für den Philosophen eine sichere Erkenntnis ist, ist für die einfachen Menschen ein fester Glaube. Vgl. dazu Kap. V , Anm. . ⁵⁶ Gott ist wissend, weise, wahr und lebendig. Vgl. dazu Musterstaat V , S.  – . Al-Fārābī betont aber – was für die islamisch-neuplatonischen Philosophen ebenso wichtig war wie für die islamischen Theologen (vgl. weiter oben Anm. ) –, daß die Vielheit der Eigenschaften und Namen Gottes keinerlei Vielheit bedeuten: Man darf aber nicht glauben, daß die mit den vielen Namen bezeichneten vielen verschiedenen Vollkommenheiten viele Arten bilden, auf die sich das Erste verteilen lasse und in deren Gesamtheit es sich substanziiere, vielmehr muß man unter diesen vielen Namen doch immer nur eine Substanz und ein durchaus unteilbares Sein verstehen. (Al-Fārābī: Musterstaat IX , S. )

⁵⁷ Vgl. Musterstaat VII , S.  – .

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⁵⁸ Vgl. Musterstaat VIII , S.  f. ⁵⁹ Für effugatio steht im arab. Text, S. , tanafur, was »gegenseitige Abneigung« oder »Zwietracht« bedeutet. Die Wahl von effugatio durch Gerhard von Cremona ist nicht recht erklärlich (vielleicht wollte er aber einfach rasch dieses Kapitel zu Ende bringen). ⁶⁰ Im arab. Text, S. , steht al-Ýilm al-yaqin, was ganz genau scientia certa bedeutet, also nicht ein festes Glauben, sondern ein sicheres Wissen, bei dem keinerlei Zweifel möglich ist. Genau eine solche Erkenntnis ist das Ziel der Metaphysik als Wissenschaft.

Fünftes Kapitel

¹ Die meisten arab. Handschriften haben vor Beginn dieses Abschnitts nochmals die Teilüberschrift Ýilm al-madani, vgl. arab. Text, S. , so daß sich dieser erste Teil besser vom zweiten Teil über fiqh und vom dritten Teil über kalam abhebt. ² Für voluntarium steht im arab. Text, S. , iradi, was »willentlich / willensmäßig« bedeutet. Mit diesem Ausdruck ist jedoch nur der Unterschied zu »verstandesmäßig« ausgesagt, es ist mit ihm keinerlei Festlegung in Hinsicht auf die Frage der Freiheit oder Determination der willensbestimmten Handlungen getroffen. Al-Fārābī unterscheidet genau den allgemeineren Begriff »Wille« von dem der »Wahlfreiheit«: Wenn diese Intelligiblen dem Menschen zu Teil werden, so entsteht in ihm von Natur selbst schon Betrachtung, Überlegung, Erinnerung und Sehnsucht zum Folgern, sowie auch ein Hang und Begehr nach dem, was er geistig erfaßte und zum Teil erschloß, oder aber der Widerwille dagegen. Der Hang zu dem, was er erfaßte, ist im allgemeinen der Wille. Rührt nun dieser Hang her von der sinnlichen Vorstellung, nennt man ihn mit dem gemeinsamen Namen »Wille« (irada), rührt er aber her von Überlegung oder logischem Schluß, so nennt man ihn »Freiwahl« (ijtiyar). Diese letztere wird speziell nur am Menschen befunden. (Al-Fārābī: Musterstaat XXIII , S.  f.; arab. Text ebd., S. )

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Anmerkungen des Herausgebers

Vgl. auch al-Fārābī: Staatsleitung, S.  f. Ganz ähnlich sagt al-Fārābī an anderer Stelle: Die Wahlfreiheit besteht darin, daß der Mensch den Vorzug hat, das, was möglich ist, zu wählen. Dagegen kann sein Wille sich auch auf Unmögliches richten, wie z. B. ein Mensch wünschen kann, nicht zu sterben. Der Wille ist allgemeiner als die Wahlfreiheit, denn jede Wahlfreiheit ist auch Wille, jedoch nicht jeder Wille Wahlfreiheit. (Al-Fārābī: Antworten auf vorgelegte Fragen, S. )

Ijtiyar ist der philosophische Fachbegriff für »Willensfreiheit«. Die Frage der Freiheit des Willens war eine der umstrittendsten der islamischen Theologie und Philosophie, jedenfalls seit die MuÝtaziliten ausdrücklich die Willensfreiheit verteidigten. Vgl. zu letzteren EI VII , S.  a –  b, zu deren Lehre der Willensfreiheit ebd., S.  a – b. ³ Der lat. Leser verband mit consuetudines vermutlich so etwas wie lokale und traditionelle Gebräuche. Wenn der arab. Leser hingegen sunan (Pl. von sunna), arab. Text, S. , las, das zwar auch »überlieferte Norm« bedeutet, so assoziierte er damit vermutlich sofort die »Sunna des Propheten«, die natürlich einen ganz anderen Verpflichtungsgrad hat als solche consuetudines. ⁴ Für mores, das wir mit »(gute) Sitten« zu übersetzen geneigt sind, steht im arab. Text, S. , ajlaq (Pl. von juluq), das sittliches Verhalten im strengen Sinn von »Moralität« meint. Der arab. Ausdruck juluq entspricht dem griech. Ausdruck êthos. Vgl. Endreß , S. . ⁵ Im arab. Text, S. , steht safaya (Pl. von safiya), was »Charakterzüge« bedeutet. Mit der Wortwurzel, von der dieses Substantiv stammt, wird jedoch auch ein Verb gebildet, das »sich mit Kleidungsstücken bedecken« bedeutet, so daß sich analog für das Substantiv etwa jener Sinn ergibt, der vom Autor der Marginalanmerkungen angegeben wird. ⁶ Alle hier im Lateinischen gebrauchten Ausdrücke lassen eine konventionalistische Interpretation zu, was bei den arab. Ausdrükken kaum der Fall ist. Auch die operationes voluntarie des lat. Textes müssen in diesem Sinn als pflichtgemäße Handlungen verstanden werden, die willensbestimmt durchgeführt werden müssen, also

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nicht als Handlungen, bei denen es dem Menschen mit seiner freien Willensentscheidung überlassen bliebe, ob er sie durchführt oder nicht, ohne daß dadurch seine Moralität betroffen wäre. ⁷ In eis ist sachlich bezogen auf in homine, ich übersetze daher im Singular, also »in ihm«. ⁸ Das Ziel der Politik ist nach al-Fārābī – ganz im Sinne der antiken Gesellschaftslehre – die Glückseligkeit (griech. eudaimonía , arab. saÝada , arab. Text, S. ) des Menschen. Vgl. z. B. al-Fārābī: Book of Religion, S. . Dieses Ziel ist aber nur erreichbar im Zusammenleben in einer Gemeinschaft, wobei al-Fārābī sofort an ein spezialisiertes Zusammenarbeiten denkt, wie es in einer Stadt gegeben ist. Vgl. ebd., S. . Das selbe betont al-Fārābī im Musterstaat : Es kann daher unmöglich der Mensch die Vollkommenheit erreichen, auf die hin seine natürliche Anlage gesetzt ward, es sei denn, daß viele Gemeinschaften sich einander beistehen, so daß eine jede Einzelne der Andern etwas von dem, was sie bedarf, liefere. Dann erst geht aus der Leistung dieser Menge für jeden einzelnen alles das hervor, dessen er zu seinem Bestehen bedarf, sowie auch dessen, was er um, seine Vollendung zu erlangen, nötig hat. (Al-Fārābī: Musterstaat XXVI , S.  f.)

Mit dieser gesellschaftlichen und politischen Dimension des Begriffs der Glückseligkeit unterscheidet sich al-Fārābī sehr deutlich von der spätantiken heidnischen wie christlichen Konzeption derselben, die rein individualistisch und religiös orientiert war. Dies bedeutet auch, daß der Platonismus al-Fārābīs in Bezug auf dieses Ziel des Menschen nur in einem sehr eingeschränkten Sinn mittel- und neuplatonisch orientiert ist, sondern eher auf den »authentischen« Plato zurückgeht. Vgl. Strauss , und Mahdi , S.  f. Die hellenistische Plato-Tradition kannte Plato als Metaphysiker und Mystiker. Wenn al-Fārābī also Plato als Politiker einführt, so ist dies die ganz eigene Sicht al-Fārābīs, für die es auch in der islamischen Philosophie keine Vorläufer gibt. Vgl. ebd., S. . Für die Bestimmung des Verhältnisses von Glückseligkeit und Gesellschaftsordnung war aber sicher die Philosophie des Aristoteles für al-Fārābī von außerordentlicher Bedeutung. Der Ausgangspunkt von al-Fārābīs Abhandlung über das Erreichen der Glückseligkeit, mit der er die

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Anmerkungen des Herausgebers

Philosophy of Plato and Aristotle einleitet, ist – abgesehen von dem »zweiten Leben (vgl. dazu die folgende Anm.) – aristotelisch. Nicht ein isoliertes Individuum oder gar nur dessen Seele erlangt Glückseligkeit, sondern der Bürger einer Stadt oder ein ganzes Volk. Vgl. Al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. . ⁹ Die Auffassung von den »zwei Leben«, einem ersten und einem endgültigen, mit der jeweils entsprechenden Vollkommenheit und Glückseligkeit findet sich bei al-Fārābī auch im Aphorism , S.  f., dort sogar mit Berufung auf Sokrates, Plato und Aristoteles. Nach den besten arab. Handschriften ist dieser Text allerdings so zu lesen, daß die endgültige Vollkommenheit auch schon in diesem Leben erlangt werden kann. Vgl. Butterworth , S. , Anm. . Im Aphorism , S.  f., findet sich jedoch eine klare Unterscheidung zwischen dem Leben jetzt in der Welt und einem Leben nach dem Tode. Bei diesem Leben nach dem Tode denkt al-Fārābī allerdings an ein Leben der vom Körper getrennten Seele. Im Aphorism , S.  f., sagt al-Fārābī, daß der Mensch in diesem Leben nach dem Tode Gott ohne Sinneserfahrung und Vorstellung sieht. Ganz ähnlich sagt al-Fārābī im Musterstaat : Die Seele, die doch glücklich werden soll, [wird] stärker, vorzüglicher, vollkommener, bis sie zu der Vollkommenheit gelangt, wo sie des Stoffs so entbehren kann, daß sie ganz frei davon wird. Dann vergeht sie bei dem Untergang des Stoffs nicht und bedarf sie bei ihrem weiteren Bestehen auch keines Stoffs. (Al-Fārābī: Musterstaat XXIX , S.  f.)

Zu den Lehren, über die alle Bewohner des Musterstaates Bescheid wissen müssen, gehört auch die Lehre darüber, wohin die Seelen nach dem Tode gelangen: Die Einen zum Glück, die anderen aber zum Nichtsein. (Ebd., S. )

Nur für die zur Vollkommenheit gelangten Seelen ist also ein »zweites Leben« vorgesehen, die anderen hören einfach auf zu existieren: […] und bleiben dann ihre Seelen stofflich und unvollkommen, so daß sie sich nicht vom Stoff trennen, vergeht dann dieser, so vergehen auch sie. (Al-Fārābī: Staatsleitung, S. )

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Allerdings scheint al-Fārābī eine Unterscheidung zwischen den unschuldig Unwissenden und jenen zu machen, die wissend andere zu falschem Handeln verleitet haben. Nur erstere werden einfach vernichtet, während für letztere eine Strafe in einem »anderen Leben« vorgesehen zu sein scheint. Vgl. Walzer , S. . Daß er mit seiner Vorstellung von dem »endgültigen Leben« der Seele nicht in Übereinstimmung mit Aristoteles in dessen Schrift Über die Seele, die alFārābī eingehend studiert hatte (vgl. Kap. IV , Anm. ), stand, war ihm ganz bewußt. Eine solche vom Körper abgetrennte Seele war im Sinn des Aristoteles keine vollständige Substanz. Al-Fārābī nimmt daher eine innere Tätigkeit dieser Seele (als »tätiger Vernunft«) an, durch die diese zu einer solchen Substanz wird, die auch ohne Körper weiter existieren kann. Vgl. al-Fārābī: The Letter Concerning the Intellect, S. . Diese Auffassung klingt beinahe (neu)platonisch. Bei al-Fārābī liegt aber keine platonisch-(neu)platonische oder gnostisierende »weltflüchtige« Anthropologie vor und entsprechend auch keine Philosophie, die als »Einübung ins Sterben« verstanden werden könnte. Vgl. Endreß  b, S.  f., und  f. Al-Fārābī hält gut aristotelisch daran fest, daß die Verbindung der Seele mit dem Körper zur Natur des Menschen gehört. Die entgegengesetzten Auffassungen – erstere im folgenden Zitat eher gnostisch, letztere eher neuplatonisch – werden ausdrücklich abgelehnt. Al-Fārābī referiert die von ihm zurückgewiesenen Auffassungen in folgender Weise: So sei der Mensch zwar eines von den natürlichen Dingen, aber die Existenz, die ihm jetzt eigen ist, sei nicht sein natürliches Sein, vielmehr sei sein natürliches Sein ein anderes als dieses, ja das ihm jetzt eigene Sein sei jenem [wahrhaften] Sein desselben gerade entgegengesetzt und es hindernd. So sei denn das Sein, was er jetzt hat, etwas unnatürliches. Andere meinen, die Verbindung der Seele mit dem Körper sei nicht natürlich. Denn der Mensch sei eben die Seele, und die Verbindung des Leibes mit ihr verderbe dieselbe und verändere ihr Tun. […] Jene Leute meinen daher, man müsse das leibliche Sein von sich werfen. (Al-Fārābī: Musterstaat XXXV , S.  f.)

Bei al-Fārābīs Auffassung von der Seele bleiben aber doch sehr viele Fragen offen. Wie die platonischen und aristotelischen Ele-

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Anmerkungen des Herausgebers

mente konsistent vereinbar seien, wird nicht klar (genau dieselben Probleme werden aber auch in der lateinisch-christlichen Philosophie z. B. bei Albert dem Großen und Thomas von Aquin auftreten). Auch sind die Nachrichten über die Auffassungen al-Fārābīs in dieser Frage uneinheitlich und nicht eindeutig. Dies fiel schon den arab. Philosophen auf. Ibn Tufail berichtet über al-Fārābī: So konstatiert er in seinem Buch Über die vorzügliche Religion, daß lasterhafte Seelen nach dem Tod unter endlosen Qualen bis in alle Ewigkeit fortbestehen würden, und verkündet darauf in seiner Staatsführung, daß sich die Seelen auflösen und zu nichts werden würden, wobei es nur ein Fortbestehen für die tugendhaften, vollkommenen Seelen gebe. Schließlich sagt er im Kommentar zur Ethik etwas über die menschliche Glückseligkeit und daß sie nur im diesseitigen Leben liege, worauf er am Ende noch sinngemäß beifügt, wenn jemand etwas anderes behaupte, dann sei dies dummes Zeug und Altweiber-Geschwätz. (Ibn Tufail: Hayy ibn Yaqzān, S. )

Die ersteren Nachrichten sind überprüfbar (vgl. weiter oben), die letztere ist dies nicht, weil al-Fārābīs Kommentar zur Nikomachischen Ethik des Aristoteles nicht erhalten ist. Vgl. auch Leaman , S. . Al-Fārābī war sich auch bewußt, daß er sich mit seiner Seelenvorstellung von den »gewöhnlichen« Vorstellungen entfernte: Trennt sich nämlich die Seele vom Stoff als eine unkörperliche, so erhebt sie sich über die Eigenschaften, welche dem Körper als einem solchen zukommen. […] Dies sich vorzustellen, ist aber schwer und ungewöhnlich […]. (Al-Fārābī: Staatsleitung, S. )

Die Verurteilung al-Ghazālīs, der al-Fārābī und Ibn Sīnā (Avicenna) als »Ungläubige« bezeichnet, bezieht sich auf diese Leugnung einer körperlichen Existenz des Menschen nach dem Tod (von der Vorstellung einer völligen Vernichtung der »unreinen Seelen« wird dabei gar nicht gesprochen): Die Körper würden nicht auferstehen, sondern die reinen Seelen würden belohnt oder bestraft werden. Belohnung und Bestrafung seien nur geistige Zustände, keineswegs körperliche. Sie haben

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Recht, wenn sie die geistige [Belohnung und Bestrafung] bejahen, denn sie sind auch [in der Offenbarung] vorhanden. Aber sie lügen, wenn sie die körperlichen ableugnen und sind in ihren Aussagen gegenüber der islamischen Offenbarung als Ungläubige zu bezeichnen. (Al-Ghazālī: Der Erretter aus dem Irrtum, S. )

Daß die Seelenauffassung al-Fārābīs mit islamischen Grundlehren nicht übereinstimmt, wird auch in der Gegenwart festgehalten. Vgl. Fakhry , S. . Die Vorstellung eines Lebens nach dem Tode wurde allerdings auch schon von vielen Zuhörern Mohammeds für ein Phantasiegebilde gehalten: Und sie sprechen: »Es gibt nur unser irdisches Leben. Wir sterben und wir leben, und nur die Zeit vernichtet uns.« (Sure , ) »Wenn wir tot sind und Staub und Gebein worden, sollen wird dann etwa wieder erweckt werden? Und etwa auch unsere Vorväter?« (Sure ,  – )

Zweifel an einem Leben nach dem Tode blieben in der islamischen Gesellschaft auch weiterhin lebendig. Zur Lehre von der Seele (arab. nafs) in der islamischen Kultur vgl. EI VII , S.  a –  a. Die Vertreter der Philosophie standen immer vor dem fast unlösbaren Problem, eine Position zu finden, die sowohl mit der islamischen Orthodoxie als auch mit der aristotelischen Philosophie in Einklang zu bringen war. Vgl. Leaman , S.  – . ¹⁰ Die Stadt ist für al-Fārābī die kleinste gesellschaftliche Einheit, in der die Erreichung aller Ziele des Menschen möglich ist. Das Gute, das Vorzügliche und die höchste Vollendung kann nur in einer Stadt erreicht werden, nicht aber in einer kleineren Gemeinschaft. (Musterstaat XXVI , S. )

Al-Fārābī folgt damit Aristoteles, für den weder die Familie noch auch eine Dorfgemeinschaft eine vollkommene Gemeinschaft darstellt, die zum Erreichen der Vollkommenheit des Einzelnen genügt: Endlich ist die aus mehreren Dorfgemeinden gebildete vollkommene Gesellschaft der Staat, eine Gemeinschaft, die gleichsam das Ziel vollendeter Selbstgenügsamkeit erreicht hat, die um des Lebens

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Anmerkungen des Herausgebers

willen entstanden ist und um des vollkommenen Lebens willen besteht. (Aristoteles: Politik I , ,  b  – ; Übers. Rolfes, S. )

Vgl. auch al-Fārābī: Staatsleitung, S.  f. Al-Fārābī spricht hier, arab. Text, S. , wie auch im weiteren nicht nur von den Städten (mudun, Pl. von madina), sondern auch von Völkern (umam, Pl. von umma), was von Gerhard von Cremona mit gentes übersetzt wird. »Städte und Völker« erscheinen hier also als eine Einheit, was eigentlich im Gegensatz zur Konzeption des Aristoteles steht, der in der Politik II , ,  a  – , einen klaren Unterschied zwischen Staat / Stadt (pólis) und Volk (éthnos) ansetzt, da ein Volk, wie z. B. die Arkadier, aus vielen Gemeinwesen bestehen kann. Das griech. éthnos entspricht daher ziemlich genau dem lat. gens. Ganz anders ist jedoch das Verhältnis von éthnos / gens zu umma . Mit umma (ohne weitere Spezifizierung) wird die Gemeinschaft der Muslime bezeichnet, die also bereits durch Religion und Recht gesellschaftlich organisiert ist. Vgl. EI X , S.  b –  b). Al-Fārābī spricht also eigentlich von »Städten und Staaten« und nicht von »Städten und Völkern«. Es zeigt sich hier natürlich auch die völlig verschiedene politische Situation: Die Stadtstaaten, an die Aristoteles denkt (und die schon seit Alexander dem Großen faktisch kein Modell der Gesellschaftsordnung mehr abgeben konnten) sind etwas völlig anderes als die umma zur Zeit al-Fārābīs, die ein Vielvölkerstaat war, der nur durch Religion und Recht zusammengehalten wurde. Es fällt allerdings auf, daß al-Fārābī nicht von einer alle Völker umfassenden Herrschaft spricht, obwohl dies zu seiner Zeit noch immer ein weit verbreitetes politisches Ideal war. Auch im Book of Religion, S. , ist der weiteste Umkreis, den al-Fārābī ins Auge faßt, eine Vielzahl von Völkern. Dieses Fehlen der Vorstellung einer Universalherrschaft ist vermutlich nicht zufällig. Mahdi , S.  f. vermutet, daß al-Fārābī nicht an die Möglichkeit der Verwirklichung einer islamischen Weltherrschaft glaubte. Nur im Musterstaat, XXVIII , S. , spricht al-Fārābī einmal von einem »Haupt der ganzen bewohnten Erde«. Die ältere Forschung, so z. B. Madkour  b, S.  f., hat dieser Stelle vermutlich zu viel Gewicht beigemessen. Auch in der Staatsleitung gelangt al-Fārābī zu Völkern als den größten gesellschaftlichen Einheiten:

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Diese Gemeinschaften der Menschen sind aber z.T. große, z.T. mittlere, z.T. kleine. Groß wird eine Gemeinschaft, wenn viele Völker zusammenkommen und sich einander beistehen. Eine mittlere Gemeinschaft ist dagegen die eines Volkes. Eine kleine aber ist die von einer Stadt umschlossene Gemeinde. (Al-Fārābī: Staatsleitung, S. )

Völker sind Gemeinschaften, die umfassender sein können als Staaten, da ein Volk in verschiedenen Staaten gesellschaftlich organisiert sein kann. Völker sind nach al-Fārābī natürliche Gegebenheiten, die hauptsächlich durch zwei Faktoren bestimmt sind: Der erste besteht in den natürlichen klimatischen Gegebenheiten und in der diesen entsprechenden Pflanzen- und Tierwelt, die die Lebensgewohnheiten der Menschen eines Gebietes prägen, der zweite besteht in der jeweiligen Sprache, die zwar konventionell ist, aber doch auf natürliche Gegebenheiten eines bestimmten Volkes bezogen ist. Vgl. ebd., S.  f. Al-Fārābī rechnet also – im Idealfall – mit verschiedenen Völkern, die jeweils durch einen »Musterstaat« geeint sind, nicht aber mit einem Universal-Musterstaat. ¹¹ Für separate steht im arab. Text, S. , muwazzaÝ, was »verteilt« oder »zerstreut« bedeutet. Schon dem Autor der Marginalanmerkungen ist es aufgefallen, daß die lat. Übersetzung durch separate ungeschickt ist, und hat dafür distribute vorgeschlagen, was dem Sinn schon eher entspricht. ¹² In allen drei Handschriften steht usu non communi. Bei dem non handelt es sich um einen eindeutigen Irrtum Gerhards von Cremona: Er verwechselte (arab. Text, S. ) die Substantivendung -la von istiÝmala (»Gebrauch«) mit der graphisch davon nicht verschiedenen Negation la . Palencia , S. , streicht das non. Vgl. auch die engl. Übersetzung der Textstelle in Butterworth , S. . ¹³ Der lat. Ausdruck ethica ist hier nicht zutreffend. Im arab. Text, S. , steht siyasa , was »Politik« bedeutet. Butterworth , S. , Anm. , läßt es offen, ob damit eher »Politik« oder »Regierungsform« (regime) gemeint ist. ¹⁴ Der im arab. Text, S. , verwendete Ausdruck für »die besten Städte« ist der Plural des Buchtitels von al-Fārābī: Der Musterstaat (al-Madina al-Facila), facil bedeutet lat. optimus.

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Anmerkungen des Herausgebers

¹⁵ Nach der Auffassung al-Fārābīs, die er mit vielen Muslimen teilte, ist es einem tugendhaften Menschen eigentlich nicht gestattet, unter einer schlechten Herrschaft zu leben, wenn es eine gute Herrschaft anderswo gibt. Er muß also auswandern. Vgl. Meier . Gibt es aber keine solche gute Herrschaft, sodaß der tugendhafte Mensch also unter einer schlechten Herrschaft leben muß, so ist er ein Fremder in dieser Welt. Vgl. Aphorism , S.  f. Al-Fārābī rechnet aber auch mit dem Fall, daß einzelne Mitglieder des idealen Staates gezwungen sind, unter der Herrschaft eines Unwissenheits-Staates leben zu müssen, ist aber überzeugt, daß diese Menschen in dieser aufgezwungenen Lage keinen seelischen Schaden erleiden. Vgl. Musterstaat XXXI , S. . Die Regel, daß es, wenn irgendwie möglich, vermieden werden sollte, unter der Herrschaft von »Ungläubigen« zu leben, galt allgemein in der islamischen Kultur des Mittelalters und über diese Periode hinaus. Dies ist auch der Grund, warum Reisen in nicht-islamische Länder oder gar ein längerer Aufenthalt in solchen im allgemeinen nicht gebilligt wurde. Dies ist nicht zuletzt einer der Gründe, warum die islamischen Gesellschaften auch noch lange über die Periode des Mittelalters hinaus über nicht-islamische Länder nur sehr unzureichend informiert waren und auch kein Interesse daran hatten, Sprachen dieser Gesellschaften zu erlernen. Vgl. Lewis , S.  – . ¹⁶ Für lat. stolidus würde man im Arabischen eigentlich fahil erwarten, was genau »unwissend« bedeutet. Im arab. Text, S. , steht aber das graphisch nur durch einen Buchstaben unterschiedene fahili, was im primären Sinn »vor- bzw. außerislamisch« bedeutet. Dies impliziert sicher auch den Gehalt von »unwissend«, bringt aber darüber hinaus eine historische und gesellschaftliche Dimension ins Spiel, die im ersteren Begriff noch nicht erhalten ist. ¹⁷ Im Book of Religion, S.  f., trifft al-Fārābī die weitere Unterscheidung in Herrscher, die nur faktisch unwissend sind, und solche, die eigentlich wissen, was richtig ist, die aber ihre Ziele mit der Absicht verfolgen, ihre Untergebenen zu täuschen. Eine ausführliche Darstellungen der verschiedenen Gegensätze zum idealen Staat findet sich im Musterstaat XXIX , S.  – , und in der Staatsleitung, S.  – . In beiden Listen führt al-Fārābī auch eine Verfassung an, die – in allerdings etwas mißverständlicher Weise – als »demokra-

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tisch« bezeichnet wird. Es ist dies ein Staat, »dessen Bewohner danach streben, frei zu sein. Ein jeder tut, was er will, er wehrt durchaus nicht seiner Neigung.« So im Musterstaat, S. , und ganz ähnlich in der Staatsleitung, S. . Vgl. auch Mahdi , S. . Was al-Fārābī hier beschreibt, erinnert an jenes Verständnis von Demokratie, das Aristoteles ausdrücklich als verkehrt bezeichnet: Denn zwei Momente sind es, die das Wesen der Demokratie aussprechen möchten: die Herrschaft der Majorität und die Freiheit. Nun soll die Gerechtigkeit so viel als Gleichheit sein und die Gleichheit darin liegen, daß der Wille der Menge entscheidet; die Freiheit aber soll darin liegen, daß jeder tut, was er will. So lebt denn in solchen Demokratien jeder, wie es ihm gefällt und, mit Euripides zu reden, nach Herzens Begehr. Aber das ist ganz und gar verkehrt. (Aristoteles: Politik V , ,  a  – ; Übers. Rolfes, S.  f.)

Allerdings muß dazu gesagt sein, daß es keine Übersetzung der Politik des Aristoteles gab (vgl. dazu weiter unten Anm. ). Möglicherweise waren aber einzelne Zitate aus der Politik aus zusammenfassenden Handbüchern bekannt. Eher allerdings ist an die Karikatur der Demokratie zu denken, die Plato im Staat  –  liefert. Daß ein Autor, der in einem islamischen Staat des . Jhd.s lebte, sich aber überhaupt nur schwer eine funktionierende Demokratie im Sinne eines griech. Stadtstaates (wo sie ja auch nur in Ausnahmefällen und für kurze Zeit funktioniert hatte) vorstellen konnte, ist verständlich. Die Frage nach irgendeiner Form von Volksherrschaft war aber überhaupt nicht aktuell. Darüber hinaus ist aber auch zu berücksichtigen, daß die wichtigste gleichzeitig politische und theologische Frage der frühen Jahrhunderte des Islam die nach der legitimen Nachfolge Mohammeds war. Al-Fārābī stand der schiitischen Lösung dieses Problems nahe, die einen gotterwählten Imam vorsah. Daß ein solcher vom Volk gewählt werden könnte, war ausgeschlossen. Vgl. Najjar , S.  f. Der Philosoph / Imam ist nach der Vorstellung al-Fārābīs unabhängig von jeder Akklamation durch das Volk: Deshalb ist der Fürst oder der Imam Fürst oder Imam kraft seiner Fähigkeit und seiner Kunst, ganz gleich ob jemand ihn aner-

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Anmerkungen des Herausgebers

kennt oder nicht, ganz gleich ob ihm gehorcht wird oder nicht, ganz gleich, ob er von irgendeiner Gruppe bei seinen Absichten unterstützt wird oder nicht. (Al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. ; Übers. v. F. S.)

Es ist daher klar, daß in der politischen Philosophie der Schiiten, falls diese mit philosophischen Argumenten arbeiten wollten, eher platonische Modelle Verwendung fanden. In al-Fārābīs politischer Philosophie ist dies ganz deutlich. ¹⁸ Der lat. Ausdruck vilitas ist eine genaue Übersetzung von jissa , das im arab. Text, S. , steht, und das »Niedrigkeit / Gemeinheit« bedeutet. Nichtsdestoweniger ist dieser Ausdruck als Kennzeichnung dieser Herrschaft nicht besonders geeignet, da er nicht ein Ziel der Herrschaft bezeichnet. Schon der Autor der Marginalien sah, daß dieser Ausdruck nicht adäquat ist, und setzte dafür divitiarum, was sich dann auch bei B findet, wodurch der Reichtum als politisch maßgebliches Ziel bezeichnet wird. ¹⁹ Der Vergleich der Voraussetzungen der Tätigkeit des Herrschers mit jenen des Arztes findet sich in größerer Ausführlichkeit in al-Fārābī: Book of Religion, S.  f. Für diesen Vergleich liefert alFārābī eine metaphysische Begründung in der Parallelität von Seele und Körper: Der Arzt befaßt sich mit der Beschaffenheit des Körpers und der Heilung von Krankheiten desselben, der (gute) Herrscher befaßt sich mit der Beschaffenheit der Seelen der Bürger und der Heilung von Krankheiten derselben. Und da die Seele wichtiger ist als der Körper, ist auch die Tätigkeit des Herrschers bedeutender als die des Arztes. Vgl. Aphorism  – , S.  f. Da der Herrscher für seine heilende Tätigkeit die Philosophie benötigt, erhält die Philosophie in diesem politischen Zusammenhang eine therapeutische Funktion. Die Funktion der Philosophie als »Seelenheilkunde« ist eine allgemeine These der islamischen Philosophie und findet sich auch in der jüdischen Philosophie des Mittelalters, so z. B. bei Maimonides in dessen Acht Kapitel. Allerdings wird diese therapeutische Tätigkeit meist dem Philosophen /Arzt gegenüber dem einzelnen Kranken zugewiesen, die Vorstellung des Philosophen / Herrschers als Seelenarzt der Menschen eines Staates hingegen stellt eine Besonderheit der politischen Philosophie al-Fārābīs dar, die auf dem

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Hintergrund seiner politischen Plato-Lektüre zu verstehen ist. Zu dem auffälligen Faktum, daß al-Fārābī trotz dieser Parallelität die Staatswissenschaft in seinen Kanon der Wissenschaften aufnimmt, nicht aber die Medizin, vgl. Einleitung .. Es ergibt sich aber bei der Staatswissenschaft im Prinzip die gleiche Grenze der Wissenschaftlichkeit wie bei der Medizin: Die Anwendung der allgemeinen Prinzipien auf das Einzelne ist eine »außerwissenschaftliche« Tätigkeit. Vgl. die folgenden Anm.  – . ²⁰ Gundissalinus: De scientiis, S. , fügt hier an den entsprechenden Stellen in seinem (gekürzten) Text que dicitur Theorica und que dicitur Practica ein, was zwar nicht im arab. Text steht, sachlich aber genau die Intention al-Fārābīs wiedergibt. ²¹ Im arab. Text, S. , steht für »Philosophie« falsafa , also ein griech. Fremdwort, was selbst schon ein Hinweis darauf ist, daß die Araber Philosophie als eine griech. Wissenschaft, also in diesem Sinn als »fremde« Wissenschaft auffaßten. Zu falsafa vgl. EI II , S.  b –  a. ²² Wie aus dem im Text folgenden Satz hervorgeht, handelt es sich hier nur um ganz allgemeine Schemata der Anpassung an gegebene Situationen, die nicht ausreichen, um das genau zu bestimmen, was in einer konkreten Situation erforderlich ist. ²³ Im Book of Religion, S. , sagt al-Fārābī, daß dies jene Fähigkeit ist, die die Alten »Klugheit« nannten. Im Aphorism , S. , führt al-Fārābī in diesem Zusammenhang ausdrücklich Aristoteles an. Diese »Klugheit« ist also die aristotelische sophrosýne (lat. prudentia). Die Klugheit bezieht sich auf die handelnde Anwendung des Allgemeinen auf das Einzelne, was eine Fähigkeit ist, die nicht nochmals durch ein wissenschaftliches Verfahren vermittelt werden kann, also in diesem Sinn »außerhalb dieser Wissenschaft« liegt, vielmehr auf Erfahrung beruhen muß: Auch betrifft die Klugheit nicht nur das Allgemeine, sondern muß auch das Einzelne kennen. Denn sie ist handelnd, und das Handeln betrifft das Einzelne. So gibt es auch Einzelne, die ohne wissenschaftliches Wissen zum praktischen Handeln in verschiedenen Dingen geeigneter sind als die Wissenden, nämlich die Erfahrenen. […] Die Klugheit aber ist handelnd. Also muß sie beides umfassen

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Anmerkungen des Herausgebers

und noch mehr das zweite. (Aristoteles: Nikomachische Ethik VI , ,  b  – ; Übers. Gigon, S.  f.)

²⁴ In allen drei Handschriften steht via , ich vermute jedoch, daß in der ursprünglichen Übersetzung hier ita stand, da dies dem arab. Text, S. , entspricht. Die Übersetzung müßte dann also lauten: »und sie [d. h. diese weitere Fähigkeit] ist so beschaffen, daß sie dieser [d. h. der Staatsphilosophie] hinzugefügt wird«. Vgl. auch Butterworth , S. . ²⁵ Eine genau Bemessung ist deshalb nicht möglich, weil es hier nach al-Fārābī – mit Aristoteles – nicht um die mathematisch bestimmbare Mitte geht, sondern um die für eine bestimmte Gesellschaft zu einer bestimmten Zeit richtige Mitte. Auch hier gilt wiederum die Analogie zur Tätigkeit des Arztes. Vgl. al-Fārābī: Aphorism  und , S. . ²⁶ Die Beschreibung der beiden Teile findet sich fast wörtlich übereinstimmend auch im Book of Religion, S. . ²⁷ Strafen und Sanktionen sind für die Erhaltung der richtigen Ordnung erforderlich, auch diese müssen aber richtig bemessen werden. Vgl. al-Fārābī: Aphorism , S. . Ist ein Mensch unverbesserlich, so muß er aus der Stadt ausgeschlossen werden, so wie der Arzt im Extremfall eine Amputation vornehmen muß. Vgl. Aphorism , S. , und Aphorism , S. . ²⁸ Gerhard von Cremona führt hier einmal die Politica und dann die Ethica des Aristoteles an. Wie der arab. Text, S. , in eindeutiger Weise zeigt, handelt es sich aber bei beidem um ein und dasselbe: Für Politica steht dort einfach die arab. Transkription des griech. Buchtitels, für Ethica hingegen steht siyasa , was »Politik« bedeutet (vgl. weiter oben Anm. ). Der Hinweis im Text kann sich also nicht auf die Nikomachische Ethik des Aristoteles beziehen, sondern nur auf dessen Politik. Von der Politik des Aristoteles ist aber keine syr. oder arab. Übersetzung bekannt, ebensowenig ein Kommentar. In al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle wird die Politik des Aristoteles überhaupt nicht erwähnt. Auch Ibn Rušd (Averroes) berichtet, daß der Text der Politik nicht arab. überliefert war. Andererseits war der Buchtitel bekannt und es gibt auch Hinweise, daß doch etwas von der Politik des Aristoteles bekannt war. Vgl. Peters

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 a, S.  f. Es könnte sich bei dieser Stelle also um eine spätere Hinzufügung handeln, die zu einer Zeit vorgenommen wurde, als die Politik des Aristoteles schon besser bekannt war. Vgl. zur textkritischen Frage dieser Stelle auch weiter unten Anm. . Von der Nikomachischen Ethik hingegen gab es eine von Ishāq ibn Hunain hergestellte Übersetzung. Vgl. Peters  a, S. . Die Nikomachische Ethik war al-Fārābī bekannt, und in der Liste seiner Schriften wird auch ein Kommentar (oder eine Einleitung) dazu aufgeführt. Vgl. al-Qiftī: Über Alfārābī, N. . Dieser Kommentar wird auch gelegentlich zitiert, ist aber nicht erhalten. Vgl. Steinschneider , S.  f. Im allgemeinen aber wurde die Nikomachische Ethik in der arab. Philosophie wenig verwendet, und sie wurde auch nicht aus dem Arabischen ins Lateinische übersetzt. ²⁹ Für Ethica steht im arab. Text, S. , wiederum siyasa , also »Politik«, was sich also auf Platos Staat beziehen dürfte. Butterworth , S. , Anm. , weist allerdings darauf hin, daß die Stelle im arab. Text sowohl als »im Buch Der Staat Platos« als auch als »im Buch Platos über die Politik« wiedergegeben werden kann. Daran, daß al-Fārābī jedenfalls den Inhalt von Platos Staat gut kannte, kann überhaupt kein Zweifel bestehen, fraglich ist nur die Quelle seiner Kenntnis. Der Staat Platos wird von al-Fārābī in Philosophy of Plato and Aristotle, S.  und , und in Harmonie zwischen Plato und Aristoteles, S.  f. und , erwähnt. Ob es eine arab. Übersetzung von Platos Staat gab, ist allerdings nicht sicher festzustellen. Ibn an-Nadīm berichtet im Fihrist, daß Hunain ibn Ishāq eine solche hergestellt habe, in Hunains eigenem Werkverzeichnis, vgl. Bergsträsser , S. , ist allerdings nur von der Übersetzung einer Zusammenfassung von Platos Staat die Rede. Von den Gesetzen Platos gab es schon vorher eine Übersetzung, sie wurden aber von al-Fārābīs Schüler Yahyā ibn ÝAdī erneut übersetzt. Von den Gesetzen Platos hatte al-Fārābī eine gute Kenntnis, wie es seine Schrift Compendium legum Platonis zeigt. ³⁰ Die beiden Sätze mit der Bezugnahme auf Plato und Aristoteles unterbrechen den Gedankengang der Darstellung der nicht-guten Herrschaften und sind sachlich sogar irreführend. Die nicht-guten Herrscher benötigen überhaupt keine Philosophie, wie al-Fārābī im Book of Religion, S. , ausdrücklich feststellt. Es ist anzunehmen,

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Anmerkungen des Herausgebers

daß diese beiden Sätze nicht zum ursprünglichen Text al-Fārābīs gehören. Sie stehen in der arab. Handschrift Escorial ms. , die die Grundlage der Edition Palencias war, und sie finden sich daher auch in dessen Text S. . Sie finden sich hingegen nicht in der Handschrift, die die Grundlage der Edition von Amīn war, der sie zwar auf S.  anführt, aber einklammert. Gundissalinus: De scientiis, S. , sagt nur: Et hec quidem scientia continetur in libro qui Politica dicitur. Et est pars Ethice. In einer der Handschriften dieses Textes steht allerdings: in libro Aristotelis (vgl. den texkritischen Apparat zur Stelle). F. M. Najar, der Übersetzer von Kap. V aus De scientiis in Lerner / Mahdi , S. , klammert diese beiden Sätze ebenfalls ein, Butterworth , S. , führt sie nur in der Anm.  an. ³¹ Der ideale Herrscher ist nach al-Fārābī der Herrscher / Philosoph / Prophet, der also nicht nur die Prinzipien der praktischen / politischen Philosophie beherrschen muß, sondern auch die der theoretischen Wissenschaften. Eine der wichtigsten Aufgaben des idealen Herrschers ist es ja, die theoretischen Gehalte dem Volk in einer für dieses verständlichen Form, also mit Hilfe von »Ähnlichkeiten«, zu vermitteln. Die Fähigkeit des Herrscher / Propheten mit Hilfe derer diese Bilder hervorgebracht werden, ist die Vorstellungskraft (tajyil). Vgl. dazu Kap. II , Anm.  und . Vgl. auch al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. . So kann z. B. der Begriff »Materie« durch die bildlichen Vorstellungen von »Abgrund«, »Dunkelheit« oder »Wasser« dargestellt werden. Diese Aufgabe der Verbildlichung führt al-Fārābī auf Plato zurück, vgl. ebd., S. , wobei vor allem auf Plato: Timaios  c –  d Bezug genommen werden kann. Al-Fārābī bezieht allerdings ganz bewußt die Verschiedenheit der Kulturen und Sprachen mit ein, die »Ähnlichkeiten« sind also kulturspezifisch: Es werden nun diese Dinge bei allen Völkern, auch bei den Bewohnern einer jeden Stadt, in den Gleichnissen, die bei ihnen immer als die bekanntesten gelten, erfaßt. Öfter aber differieren hierin sehr viele oder doch einige, so daß dieselben bei einem jeden Volk einem anderen Ding als bei dem anderen Volk gleichgesetzt werden. (AlFārābī: Musterstaat XXXII , S. )

Vgl. auch al-Fārābī: Staatsleitung, S. .

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³² Für conditiones steht im arab. Text, S. , šaraÞit (Pl. von šarita), was »Bedingung« bedeutet. Die Übersetzung ist also unproblematisch, fraglich ist nur, worauf sich diese Bedingungen beziehen. Butterworth , S. , übersetzt es mit qualifications, bezieht es also auf die Eigenschaften des Herrschers, die über Generationen hin dieselben bleiben sollen. Dies entspricht auch dem Paralleltext in al-Fārābīs Staatsleitung, wo er von der idealen Reihe der Herrscher sagt: Im Fall sie aber auf einander zu verschiedener Zeit sich folgen, so bilden doch die Seelen von diesen allen gleichsam nur eine. Denn der Zweite verbleibt im Wandel der Ersten und die Jetzigen im Leben der Früheren. (Al-Fārābī: Staatsleitung, S. )

Palencia , S.  f., übersetzt hingegen šaraÞit mit leyes (»Gesetze«), hebt also auf die Kontinuität der Gesetze oder der Verfügungen, die die Nachfolge regeln, ab. Ich schließe mich Butterworth an. ³³ Diese Bemerkung al-Fārābīs legt es nahe, anzunehmen, daß er die Auffassung vertrat, der Beste solle herrschen, ganz gleich ob er mit dem früheren Herrscher verwandt ist oder nicht. Diese Auffassung in ihrer rigorosen Form wurde von den Hārifiten vertreten. Der Glaube ohne die entsprechenden Handlungen ist nach deren Auffassung nichtig. Und dies bedeutet eben auch, daß nur der ethisch Beste herrschen soll, »und sei dies auch ein Negersklave«. Vgl. zu den Hārifiten EI IV , S.  b –  b. Die Hārifiten hatten sich abgespalten, da sie das Kalifat ÝAlīs (reg.  – ) wegen dessen Verhalten nicht anerkannten. Die Hārifiten wurden allerdings von allen anderen muslimischen Gruppen abgelehnt, ganz besonders natürlich von den Schiiten. Eine Nähe al-Fārābīs zu den Hārifiten ist daher ausgeschlossen. Man muß allerdings beachten, daß die Hārifiten zwar schon seit der Zeit der Abbasiden keine politische Bedeutung mehr hatten, daß ihr ethischer Rigorismus aber weiterhin gerade für Intellektuelle attraktiv blieb. Vgl. ebd. S.  a. Al-Fārābī rechnet auch mit dem Fall, daß ein geeigneter Herrscher nicht gefunden werden kann und somit eine Gruppe die Führung der Stadt übernehmen muß:

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Anmerkungen des Herausgebers

Findet sich nun nicht ein Mann, in dem alle diese Bedingungen erfüllt sind, gibt es aber deren zwei, von denen der eine weise ist, während im zweiten die übrigen Bedingungen erfüllt sind, so sind sie beide in dieser Stadt Führer. Sind aber diese Bedingungen nur zerstreut in einer Menge zu finden, eine beim ersten, eine andere beim zweiten und so fort bis zum sechsten, und sind sie alle einander entsprechend, so bilden sie zusammen die vorzüglichen Führer. (Al-Fārābī: Musterstaat XVIII , S. )

³⁴ Eine ausführliche Liste der natürliche Voraussetzungen, die bei einem Herrscher angetroffen werden müssen, findet sich in alFārābī: Musterstaat XXVIII , S.  – . ³⁵ Bei dem Erziehungsplan des zukünftigen Herrschers bezieht sich al-Fārābī zwar auf Plato, die Gehalte dieser Erziehung, so vor allem das Studium der Logik, sind aber durchaus aristotelisch: Unterweisung in den theoretischen Wissenschaften sollte entweder den Imamen und den Fürsten oder sonst jenen erteilt werden, die die theoretischen Wissenschaften bewahren sollen. Die Unterweisung dieser beiden Gruppen geht mit Hilfe identischer Verfahren vor sich. […] Sie sollten daran gewöhnt sein, alle logischen Methoden in allen theoretischen Wissenschaften anzuwenden. Und sie sollten von ihrer Kindheit an bis zu Erlangung der Reife dazu angehalten werden, einen Studiengang zu verfolgen und die Eigenschaften ihres Charakters auszubilden in Übereinstimmung mit dem von Plato beschriebenen Plan. (Al-Fārābī: Philosophy of Plato and Aristotle, S. ; Übers. v. F. S.)

Ein solcher Erziehungsplan findet sich in Platos Staat  c –  a. ³⁶ Vgl. al-Fārābī: Book of Religion, S. . ³⁷ Für ars steht im arab. Text, S. , sinaÝa , was »Handwerk« bedeutet, sodaß also die lat. Übersetzung durch ars vollkommen korrekt ist. Damit wäre ein Unterschied zwischen scientia (Ýilm) und ars (sinaÝa) gegeben, wobei dem Recht »nur« der Charakter einer ars zugeschrieben wäre. Es besteht hier allerdings auch eine kleine Textunsicherheit. Der lat. Text entspricht der arab. Handschrift aus dem Escorial, in der dieser Abschnitt keine eigene Überschrift trägt (arab. Text Palencia , S. ). In der Handschrift, die die Grundlage der

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Ausgabe Amīns lieferte, findet sich hingegen zu diesem Abschnitt die Kapitelüberschrift Ýilm al-fiqh. Vgl. arab. Text, S. . Dies mag eine spätere Ergänzung sein, sie ist aber insofern legitim, als in der Überschrift zu Kap. V , arab. Text, S. , ganz eindeutig Ýilm al-fiqh steht, was Gerhard von Cremona konsequenterweise auch mit scientia legis übersetzt. Auch im letzen Satz des Abschnitts steht wieder (übereinstimmend in beiden Handschriften) Ýilm al-fiqh. Vgl. zu Ýilm al-fiqh EI II ,  a –  b. Es wäre vermutlich übertrieben, in den Gebrauch von sinaÝa und Ýilm in diesem Zusammenhang zu viel wissenschaftstheoretische Überlegungen hineinzutragen. Daß die Wahl des Ausdrucks sinaÝa (ars) bzw. Ýilm im Kontext des Rechts und dann auch im folgenden Abschnitt über die islamische Theologie aber ganz unbedeutsam wäre, ist bei al-Fārābī, der auf begriffliche Fragen immer viel Wert legte, auch nicht anzunehmen. Mahdi , S. , weist darauf hin, daß Recht und Theologie nur in den Überschriften und im Fall des Rechts in der Abschlußbemerkung als Ýilm bezeichnet werden. Es ist also anzunehmen, daß al-Fārābī dem Recht und der islamische Theologie unter streng wissenschaftsund beweistheoretischer Hinsicht nicht den Charakter einer Ýilm, d. h. einer scientia , zuerkannte. ³⁸ Für lex steht im arab. Text, S. , aš-šari Ýa , also der Fachbegriff für das religiöse islamische Gesetz. Es ist aber zu beachten, daß al-Fārābī diesen Begriff hier in einem ganz allgemeinen Sinn gebraucht, er also eine Identifizierung mit dem islamischen Recht vermeiden will. Al-Fārābī rechnet damit, daß es verschiedene ideale Staaten geben kann, die also alle dem wahren Glück nachstreben, die sich aber in ihren positiven Gesetzen unterscheiden: Ebenso ist’s auch möglich, daß die Vorzugsvölker und Vorzugsstaaten zwar verschiedene Satzungen haben, aber doch dasselbe Eine Glück erstreben […]. (Staatsleitung, S. )

Im Unterschied zu anderen Teilen von De scientiis wird beim Recht auch auf kein einziges Lehrbuch und auf keinen einzigen Grundlagentext verwiesen. In al-Fārābīs Einleitung in die Wissenschaft gibt es also z. B. für Logik, Metaphysik, Mathematik und Physik Grundlagentexte, und für die Politik hat vermutlich ein späterer Bearbeiter mit der Politik des Aristoteles den Hinweis auf einen

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Anmerkungen des Herausgebers

solchen Grundlagentext liefern wollen (vgl. weiter oben Anm.  und ). Für das Recht kann es, ebenso wie auch für die im folgenden Abschnitt behandelte Theologie und die in Kapitel I behandelte Grammatik, keinen Grundlagentext geben, da es sich hier nicht um kulturübergreifende, allgemeine Wissenschaften, sondern um kulturspezifische Bereiche handelt. Vgl. dazu Einleitung .. ³⁹ Al-Fārābī geht hier nicht auf die Beziehung der Rechtswissenschaft zur Philosophie ein. Im ganzen aber steht al-Fārābī positiven Gesetzen vom philosophischen Standpunkt aus sehr zurückhaltend gegenüber. Im Compendium legum Platonis, S. , stellt er fest, daß der Freie spontan richtig handelt, nur der Diener brauche Befehle. Für die positiven Gesetze liefert die politische Philosophie nur einen sehr allgemeinen Rahmen. Die konkrete Formulierung positiver Gesetze ist kulturspezifisch und kann, wie al-Fārābī im Text von De scientiis selbst feststellt, nur aufgrund der durch Erfahrung gereiften Klugheit und gemäß den jeweiligen Umständen gemäß vorgenommen werden. Vgl. weiter oben Anm. . ⁴⁰ Al-Fārābī versuchte, auch Aussagen, die zunächst nur durch autoritative Überlieferung vermittelt sind, einen »systematischen« Ort zuzuschreiben. Um diese Art von Erkenntnissen in sein erkenntnistheoretisches Schema einzubauen, führte al-Fārābī eine Erweiterung gegenüber der aristotelischen Erkenntnistheorie ein. In den Introductory Sections on Logic, S. , unterscheidet er zunächst zwischen Erkenntnissen, die durch Beweis, und solchen, die ohne Beweis gewonnen werden. Jene, die ohne Beweis erlangt werden, teilt er in vier Gruppen ein: () allgemein anerkannte Meinungen, () allgemein bekannte Dinge, () Sinneswahrnehmungen, () erste Vernunftgehalte (lat. rationata). Die zweite Gruppe wird ganz im Sinne der Aristotelischen Topik beschrieben als Auffassungen, die von allen, oder von den meisten, oder von den gebildetsten anerkannt werden. Vgl. Aristoteles: Topik I, ,  b  – . Als erste Gruppe führt al-Fārābī allerdings Meinungen an, die aufgrund der Autorität einer einzelnen bewährten Persönlichkeit anerkannt werden, oder solche, die eine bewährte Persönlichkeit bestätigen. Dabei sollte man aber nicht vergessen, was al-Fārābī in anderem Zusammenhang zu dieser Art von Erkenntnissen sagt:

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Verordnete Prämissen oder solche, die aus etwas Verordnetem folgen oder Auffassungen, die in einer Gemeinschaft zu allgemein anerkannten geworden sind, insofern sie aus der Meinung von Männern folgen, deren Worte unter ihren Mitgliedern Autorität haben, werden in diesem Vorgang [d. h. der Bestimmung der Wahrheit oder Falschheit von Aussagen] nicht verwendet. In der Philosophie und in der Logik werden solche Dinge nicht berücksichtigt. (Al-Fārābī: Commentary on De Interpretatione, S. ; Übers. v. F. S.)

⁴¹ Im lat. Text steht secta . Im Lateinischen kann secta sowohl eine philosophische Lehre (seltenerer Gebrauch) wie auch die Gruppe bezeichnen, die eine solche Lehre vertritt (häufigerer Gebrauch). Im arab. Text, S. , steht hier milla , einem schon im Koran gebrauchten Ausdruck, der eher »Religion« in einem allgemeinen Sinn bedeutet im Unterschied zu din, das eher die islamische Religion bzw. ein bestimmtes Glaubensbekenntnis bezeichnet. Vgl. Mahdi , S. , Anm. . Diese Unterscheidung ist allerdings nicht zu streng zu nehmen, da al-Fārābī selbst feststellt, daß milla und din fast synonym sind. Vgl. al-Fārābī: Book of Religion, S. . Der Begriff din ist nie zu einem theologischen Fachbegriff geworden und läßt daher einen ziemlich breiten Bedeutungsspielraum offen. Vgl. zu din EI II , S.  b –  a, und van Ess  – , IV , S.  – , zu milla EI VII , S.  a –  a. Milla im Sinn von »Religion« umfaßt sowohl Lehren als auch Handlungen, kann aber auch die entsprechende Religionsgemeinschaft bezeichnen. Der arab. Ausdruck milla weist somit die gleiche Bedeutungsbreite wie der lat. Ausdruck secta auf. Ich übersetze secta kontextabhängig als »Religionsgemeinschaft« oder »Religion«. ⁴² Genau dieselbe Definition findet sich gleich zu Beginn von alFārābī: Book of Religion, S. . Ebd., S.  f., werden die Kenntnisse, über die die Rechtsgelehrten verfügen müssen, genauer ausgeführt. Es handelt sich dabei vor allem um genaue Kenntnis der Sprache der Grundlagentexte und des spezifischen Sprachgebrauchs derselben. Der Rechtsgelehrte muß also die Sprache des ursprünglichen Gesetzgebers beherrschen, und zwar mit einer genauen Kenntnis des Sprachgebrauchs der Zeit des Gründers, um zu wissen, wo ein eindeutiger und direkter und wo ein metaphorischer Sprachgebrauch

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Anmerkungen des Herausgebers

vorliegt. Auch muß er erkennen, ob ein Ausdruck in einem Gesetz in seiner unqualifizierten normalen Bedeutung steht, oder vielleicht in einem spezifischeren, engeren Sinn, bzw. ob umgekehrt ein Ausdruck im normalen Gebrauch eine engere Bedeutung hat, vom Gesetzgeber aber in einem allgemeineren Sinn gebraucht wird. ⁴³ In einem ganz ähnlichen Kontext findet sich eine etwas ausführlichere Aufzählung dieser Lehrmeinungen in al-Fārābī: Aphorism , S. . Vgl. auch die Liste der Lehren, über die alle Bewohner des Musterstaates Kenntnisse besitzen müssen, auch wenn die einen sie durch Beweis verstehen, andere sie nur von diesen letzteren übernehmen und dann für wahr halten, und andere sie schließlich nur in Gleichnissen erfassen. Vgl. al-Fārābī: Musterstaat XXXII , S.  – . Hinter dieser Einteilung steht bei al-Fārābī eine Zuordnung dieser drei Gruppen zu den verschiedenen Methoden, die im aristotelischen Organon enthalten sind: Jemand, der die Lehren durch Beweis versteht, also der Philosoph, arbeitet mit der . und . Analytik, wer mit der Übernahme anerkannter Lehren arbeitet, also die Rechtslehrer und die Theologen, verwendet die Topik, dem Volk aber werden diese Lehren durch Gleichnisse vermittelt, wobei mit der Rhetorik und der Poetik gearbeitet wird. Zur Verwendung der Gleichnisse vgl. weiter oben Anm. . Diese Dreiteilung wird ein Paradigma für die falsafa liefern, das auch noch bei Ibn Rušd (Averroes) gilt: Da der Zweck der Religion die Belehrung über wahre Wissenschaft und wahre Praxis ist, die Belehrung aber zwei Objekte hat, Begreifen und Führwahrhalten, wie das die Scholastiker auseinandersetzen, die Methoden des Führwahrhaltens, die bei den Menschen sich finden, drei sind, die demonstrative, dialektische und rhetorische, die Wege des Begreifens zwei, das Ding selbst und sein Bild, und da nicht alle Menschen vermöge ihrer Naturanlagen der Demonstration fähig sind, auch nicht der dialektischen Sätze, geschweige der demonstrativen, wozu noch kommt, daß die Belehrung über demonstrative Sätze viele Schwierigkeiten darbietet und eine lange Zeit selbst für denjenigen erfordert, der Mannes genug ist, sie zu erlernen, und da die Religion zum Zweck hat, alle insgesamt zu unterrichten, so ist notwendig, daß die Religion alle Arten

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von Methoden des Führwahrhaltens und die Arten der Methoden des Begreifens in sich enthalte. (Averroes: Harmonie der Religion und Philosophie, S. )

⁴⁴ Selbstverständlich steht im arab. Text, S. , genauso wie einige Zeilen weiter oben im Text, auch hier ein Epithet nach dem Gottesnamen, nämlich Ýizz wa fall, d. h. »mächtig und erhaben«, das Gerhard von Cremona in seiner Übersetzung ausläßt. Die Handschrift aus dem Escorial enthält dieses Epithet, vgl. den arab. Text bei Palencia , S. , und arab. Text bei Amīn, S. , wo dieses Epithet allerdings eingeklammert ist. Weber , S. , nimmt an, daß Gerhard von Cremona dieses Epithet weggelassen hat, weil es ihm überflüssig erschien, woraus er schließt, daß Gerhard von Cremona mit der islamischen Kultur nicht genügend vertraut war. Für diese Behauptung müßte man allerdings wirklich genau die arab. Textgrundlage Gerhards von Cremona kennen, und genau dies ist nicht möglich, da alle erhaltenen arab. Handschriften jünger sind als die Übersetzung Gerhards von Cremona. Vgl. Einleitung .. ⁴⁵ Hinter dieser Unterscheidung steht die für das islamische Recht grundlegende Unterscheidung in Ýibadat (Pl. von Ýibada) und muÝamalat (Pl. von muÝamala). Es geht dabei bei ersterem um die Pflichten Gott gegenüber, bei letzterem um die Verpflichtungen gegenüber den anderen Menschen. Im einzelnen sind die Grenzen der beiden Bereiche allerdings manchmal fließend. In den Büchern des islamischen Rechts betriff t der erste Teil, die Ýibadat , die rituellen Verpflichtungen der Muslime, zu denen selbstverständlich das Gebet gehört, dann aber auch das Almosengeben, das genauso als Pflicht gegenüber Gott betrachtet wurde. Zu Ýibadat vgl. EI III , S.  a –  a. Der zweite Teil betrifft die muÝamalat , d. h. die gesellschaftlichen Verpflichtungen der Muslime, also die zivil- und staatsrechtlichen Regelungen (eine im Prinzip dem muslimischen Recht aber inadäquate Unterscheidung). Zu muÝamalat vgl. EI VII , S.  a –  a. ⁴⁶ Diese Unterscheidung der Wissenschaft des Rechts in Lehren und Handlungen hat nichts zu tun mit jener in theoretische und praktische Wissenschaft, der wir z. B. in Kap. II bei der Arithmetik und der Geometrie begegnet sind, wo die Praxis in der Anwendung

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Anmerkungen des Herausgebers

der Theorie besteht. Die Lehren und Handlungen im Bereich des Rechts betreffen verschiedene Gebiete. Im arab. Text, S.  steht für sententie der Ausdruck ara,Þ was ganz allgemein »Meinung« bedeutet (vgl. dazu Kap. II , Anm. ), für actiones steht af Ýal (Pl. von fiÝl), was ganz allgemein »Handlung« bedeutet. Wichtig im vorliegenden Zusammenhang ist es, zu sehen, daß die Fragen der Glaubenslehre in erster Linie unter dem eben genannten Aspekt der rechtlichen Festlegungen, also des fiqh, zu sehen sind, ihre Behandlung in dem im folgenden Abschnitt diskutierten kalam, also der islamischen Theologie, ist demgegenüber sekundär und prinzipiell sogar entbehrlich. ⁴⁷ Im arab. Text, S. , steht hier Ýilm al-kalam. Kalam bedeutet in einem ganz allgemeinen Sinn »Rede«. Kalam ist die über die Syrer vermittelte arab. Übersetzung des griech. dialéxis, wie es von den griech. Kirchenvätern verwendet wurde. Vgl. van Ess , S.  – . Gerhard von Cremona kannte aber offensichtlich den spezifischen Gebrauch von kalam für »islamische Theologie« nicht und griff auf die nicht-technische Bedeutung dieses Ausdrucks im Sinn von »Rede« zurück, so daß sich dann, da hier von einer »Kunst« gesprochen wird, der lat. Ausdruck ars elocutionis nahelegte, was natürlich sachlich völlig verfehlt ist. In der Gegenwart wird Ýilm al-kalam mit scholastic theology, vgl. Fakhry , S. , speculative theology, vgl. Abdel Haleem , S. , dialectical theology, vgl. Butterworth , S. , oder einfach als theology, vgl. Mahdi , und van Ess , wiedergegeben. Dabei ist aber jede Assoziation mit »Theologie« oder »Scholastik« im Sinne der christlich-lateinischen Tradition zu vermeiden, und in jedem Fall ist zu beachten, daß der kalam in der islamischen Kultur keineswegs jene zentrale Rolle gespielt hat, die der Theologie in der christlichen Kultur zugekommen ist. Wenn Gerhard von Cremona hier also kalam nicht mit theologia übersetzt, was ihm aber sicher überhaupt nicht in den Sinn gekommen ist, so geschieht dies ganz zu Recht, auch wenn der dann gewählte Ausdruck ars eloquendi ganz und gar mißverständlich ist. Es ist aber zu beachten, daß al-Fārābī die Darstellung allgemein halten will, er also eine Identifizierung von kalam mit islamischer Theologie offensichtlich vermeiden will. Es gilt also hier das selbe

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wie für das Recht. Vgl. weiter oben Anm. . Auch bei den Beziehungen zur islamischen Theologie, die in den folgenden Anm. behandelt werden, ist daher zu berücksichtigen, daß al-Fārābī eigentlich gar nicht von islamischer Theologie spricht. ⁴⁸ Für positor steht im arab. Text, S. , waciÝ , was ganz allgemein »Urheber« bedeutet. ⁴⁹ Al-Fārābī führt hier die islamische Theologie nur mit ihrer apologetischen Funktion auf. Diese Sicht war nicht nur al-Fārābī eigen, sie findet sich z. B. auch bei al-Ghazālī, auch wenn al-Fārābī eher nicht-islamische Gegner im Auge hat, während al-Ghazālī an inner-islamische Auseinandersetzungen denkt: Denn das Ziel dieser Wissenschaft ist die Bewahrung des sunnitischen Glaubensgrundsatzes und sein Schutz vor der Verwirrung der ketzerischen Erneuerer. (Al-Ghazālī: Der Erretter aus dem Irrtum, S. )

Auch noch Ibn Ialdūn ( – ), der bedeutendste islamische Historiker des Mittelalters, sieht die Hauptaufgabe des kalam in der Verteidigung des wahren Glaubens gegenüber Ketzern und Erneuerern. Vgl. Ibn Ialdūn: The Muqaddima, III , S. . Diese primär apologetische Sicht des kalam hat auch heutige Orientalisten veranlaßt, darin die einzige Funktion desselben zu sehen. Vgl. z. B. van Ess . Diese Sicht hat sich aber als zu eng herausgestellt, wie auch van Ess  selbst feststellte. Die apologetische Funktion des kalam ist eigentlich nur sekundär, d. h. sie ist nur dann erforderlich, wenn die Religion von innen oder von außen angegriffen wird. Zu einem Überblick über die Entwicklung des kalam und die im kalam diskutierten Fragen vgl. Abdel Haleem , Pavlin , und EI III , S.  b –  a. ⁵⁰ Der Rechtsgelehrte (lat. legista), arab. Text, S. , ist der faqih (Pl. fuqaha). Vgl. dazu EI II , S.  a. ⁵¹ Im arab. Text, S. , steht hier mutakallimun. Die mutakallimun waren islamische Gelehrte, die sich mit dem kalam beschäftigten, sie könnten also – unter Vermeidung der Assoziation mit der christlich-lateinischen Kultur – als »Theologen« bezeichnet werden. Die lat. Übersetzung mit loquax, was eigentlich »Schwätzer« bedeutet, ist völlig inadäquat und zeigt, daß Gerhard von Cremona zu dem

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Anmerkungen des Herausgebers

Zeitpunkt, da er die Übersetzung von De scientiis bearbeitete, weder eine gute Kenntnis des Arabischen besaß noch auch mit der islamischen Kultur vertraut war. Vgl. Weber , S. . ⁵² Im arab. Text, S. , werden die Grundlagen (radices) des Rechts als usul (Pl. von asl) bezeichnet. Usul al-fiqh bezeichnet die Disziplin, die sich mit der Auslegung der Grundlagen des islamischen Rechts und den Ableitungen (lat. res consequentes ab eis) bzw. der Methodologie solcher Ableitungen beschäftigt. Usul al-fiqh, was auch eine eigene literarische Gattung darstellt, bildete sich gerade zur Zeit al-Fārābīs, also in der Mitte des . Jhd.s heraus. Vgl. EI X , S.  b –  a. ⁵³ Al-Fārābī beschreibt verschiedene Positionen des kalam. () Die Interpretation der ersten Position stellt uns vor erhebliche Schwierigkeiten, da sie zwei einander gegensätzliche Möglichkeiten der Auslegung liefert. Dazu sei auch sogleich gesagt, daß dies nicht an der Übersetzung Gerhards von Cremona liegt, sondern am Text al-Fārābīs. Die beiden Möglichkeiten sind die folgenden: ( a) Die Offenbarung vermittelt dem Menschen Kenntnisse, die grundsätzlich außerhalb des Bereichs der Vernunft liegen, weil sie einer »höheren Ordnung« angehören. Daß solche Wahrheiten nicht nur außerhalb der Reichweite der menschlichen Vernunft liegen, sondern sogar der Vernunft widersprechen, gehört dieser Auffassung nach gleichsam zu den Kennzeichen göttlicher Offenbarung. Es kommt daher darauf an, durch Wunder und Weissagungen nachzuweisen, daß der Verkünder dieser Offenbarung, also der Prophet, zuverlässig ist. Wird dann diese Offenbarung vom Menschen angenommen, so bleibt für weitere Vernunftüberlegungen kein Platz mehr. Diese Interpretation legt sich nahe, wenn man den Abschnitt von Anfang bis zum Ende in dieser Reihenfolge liest. Diese Position könnte man in westlicher Terminologie als »supranaturalistisch« bzw. »offenbarungspositivistisch« bezeichnen. ( b) Liest man den Abschnitt von der Mitte her, so ergibt sich eine völlig andere Interpretation: Es gibt eine unreife, »kindliche« Vernunft, der vieles an der Offenbarung widersinnig erscheint, und es gibt eine reife, durch das Studium der Wissenschaften geschulte Vernunft, die »Vernunft des erwachsenen Mannes«, für den sich das, was er früher für unmöglich hielt, zu etwas vernunftmäßig Notwendigem

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verwandelt. Die Wahrheiten der Offenbarung werden dann auf dieser Ebene nicht wegen der Glaubwürdigkeit des Verkünders derselben, sondern aus Einsicht in die innere Notwendigkeit derselben angenommen. Diese Position könnte man dann als »semirationalistisch« bezeichnen. Welche Interpretation die »richtige« ist, läßt sich rein aus dem Text heraus nicht entscheiden. Die Frage stellt sich jedoch anders, wenn man zusätzlich fragt, ob al-Fārābī hier nur verschiedene, dann auch im weiteren Text ausgeführte Positionen beschreibt, oder ob er einer dieser Positionen selbst nahesteht. Gardet /Anawati , S. , meinen, daß al-Fārābī keinen Hinweis darauf gibt, was seine eigene Position ist. Ähnlich Fakhry , S. . Van Ess , S.  f. meint, daß al-Fārābī der Position () nahesteht. In diesem Fall kommt m. E. nur Position ( b) in Frage, denn eine Nähe al-Fārābīs zu irgendeiner Form von »Offenbarungspositivismus« ist völlig ausgeschlossen. Man kann auch nicht ausschließen, daß al-Fārābī in dieser ja für eine breite Öffentlichkeit bestimmten Schrift eine gewisse Doppeldeutigkeit bewußt stehen ließ und möglicherweise sogar eine »Oberflächenlektüre« im Sinn von ( a) nahelegte, wogegen die Position ( b) für den durch Logik und Wissenschaften geschulten Philosophen gilt. Da jedoch nicht alle zu philosophischer Erkenntnis gelangen, sei es, weil sie dazu nicht in der Lage sind, sei es, daß sie die dafür erforderliche Zeit nicht aufbringen können, werden diesen die Wahrheiten in religiöser Form mit den Mitteln von ( a) gelehrt. Vgl. z. B. al-Fārābī: Book of Religion, S.  f. Vgl. auch weiter oben Anm. . Al-Fārābī hatte vermutlich bestimmte Positionen zeitgenössischer islamischer Theologen vor Augen, er stellte diese aber ganz bewußt so dar, daß sie nicht spezifisch für eine bestimmte Religion sind, sondern gleichsam idealtypisch aufzufassen sind. Der positive Beweis der Berechtigung dieser Auffassung al-Fārābīs kann aus folgendem Beispiel ersehen werden: Ende des . Jhd.s übernahm Jehuda ÝAknin, ein Vertreter des Judentums, genau diese Position und zwar unter eindeutiger Heranziehung des Textes von al-Fārābī. Vgl. Güdemann , S.  – . Jehuda ÝAknin las den Text al-Fārābīs ohne Zweifel im Sinn der Interpretation ( a). Selbstverständlich ergibt sich dort, wo diese Position tatsächlich vertreten wird, daß

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Anmerkungen des Herausgebers

dadurch eine prinzipielle Einschränkung der philosophischen Erkenntnismöglichkeiten gegeben ist. Es geht dann eben um »göttliche Geheimnisse«, die wir »mit unserem Verstande und unserer menschlichen Einsicht nicht prüfen können«. Ebd., S. . Konsequenterweise stellt Jehuda ÝAknin die Darlegung dieser Position an den Anfang seiner Darstellung und läßt die rationale Wissenschaft dann – in ihrem nun theologisch eingeschränkten Geltungsbereich – folgen. Jehuda ÝAknin hat sich sicher nicht erst durch den Text al-Fārābīs zur Bestimmung seiner eigenen Position leiten lassen, sondern fand in diesem Text nur die klare Formulierung einer auch von Talmudgelehrten vertretenen Auffassung. Es ließe sich unschwer zeigen, daß genau dieselbe Position – ohne irgendeine Kenntnis des Textes von al-Fārābī – auch von christlichen Theologen des Mittelalters, so z. B. von Bonaventura, vertreten wurde. Vgl. z. B. Schupp , II , S.  – . Die idealtypische Charakterisierung dieser Position durch al-Fārābī hat also ihre sachliche Berechtigung, und das gleiche gilt auch für die weiteren von al-Fārābī skizzierten Positionen. () Im folgenden Abschnitt wird eine weitere Position beschrieben. Die Vertreter dieser Position versuchen, nicht zuletzt durch eine manchmal ziemliche gewaltsame Auslegung der Texte der Offenbarung, nachzuweisen, daß die Offenbarung mit Vernunfterkenntnissen und wissenschaftlichen Ergebnissen in Übereinstimmung steht. Dies gelingt zwar bis zu einem bestimmten Punkt, es bleibt aber dann doch ein »Rest« übrig, und bei diesem »Rest« bleibt nichts anderes übrig, als auf () zurückzugreifen, allerdings nur im Sinne von ( a), d. h. der Wahrheitsanspruch dieses »Restes« beruht auf einem Nachweis der Wahrheit der Offenbarung durch Wunder und Weissagungen. Im ganzen handelt es sich hier um eine typisch »apologetische« Position, um einen »halbherzigen« Rationalismus. Die Vertreter dieser Position wollen Vernunft und Wissenschaft so weit wie möglich entgegenkommen, sie können oder wollen aber letztlich Vernunft und Wissenschaft nicht als höchstes Kriterium anerkennen. Es wäre nicht schwierig, Vertreter dieser Position bis in unsere Gegenwart hinein zu identifizieren. Auch hier ist also die idealtypische Darstellungsform al-Fārābīs durchaus berechtigt.

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Man kann allerdings auch fragen, ob sich diese Positionen innerhalb der islamischen Theologie der Zeit al-Fārābīs verorten lassen. Man könnte natürlich auch annehmen, daß al-Fārābī ausschließlich eine rein idealtypische Darstellung und Klassifizierung der Theologen beliebiger Religionen liefern wollte, ohne sich auf bestimmte Richtungen zu beziehen, die es zu seiner Zeit tatsächlich gab. Dagegen aber spricht, daß die Beschreibungen, die al-Fārābī liefert, doch wiederum zu detailliert sind. Sucht man also nach Bezugspunkten, so könnte man von der Sache her die Position ( a) mit den Hanbaliten in Verbindung bringen. Dabei ergibt sich aber die Schwierigkeit, daß Ibn Hanbal (gest. ) und seine späteren Anhänger den kalam überhaupt ablehnten, also gar nicht als mutakallimun bezeichnet werden dürfen. Die Hanbaliten hatten als Rechtsschule zur Zeit al-Fārābīs großen Einfluß. Zu den Hanbaliten vgl. EI III , S.  –  b. Bei ( b) oder () könnte man die MutÝaziliten vermuten, allerdings ohne die Annahme des weiter oben genannten »Restes«. Manchmal gewaltsame Interpretationen der Texte der Offenbarung finden sich tatsächlich bei den MutÝaziliten. Zu den MutÝaziliten vgl. EI VII , S.  a –  b. Position () mit Einschluß des »Restes« könnte man mit den AšÝariten in Verbindung bringen. Al-AšÝarī ( /  – ), der ursprünglich aus der mutÝazilitischen Schule herkam, lehnte den durchgehenden Rationalismus der MutÝaziliten ab, versuchte aber, Vernunft und Wissenschaft so weit als möglich entgegenzukommen. Zu den AšÝariten vgl. EI I, S.  a – b. Es ist jedoch kaum möglich, anzunehmen, daß al-Fārābī Bezug auf die AšÝariten nimmt, da diese zwar später große Bedeutung erlangten, sich aber zur Zeit al-Fārābīs als eigene Richtung erst herausbildeten. Zu der Frage, auf wen al-Fārābī sich beziehen könnte, hat van Ess , die interessante Vermutung vorgelegt, daß es sich dabei um Ibn ar-Rēwandī handeln könnte. Diese Vermutung findet zunächst eine Stütze darin, daß ar-Rēwandī der einzige Vertreter der islamischen Theologie ist, mit dem sich al-Fārābī in einer eigenen Schrift auseinandergesetzt hat. Vgl. al-Qiftī: Über Alfārābī, N. , und Steinschneider , S.  f. Diese Auseinandersetzung ist auffällig, da al-Fārābī im übrigen sich kaum mit islamischen Theologen beschäftigte. Diese Ausnahme könnte auch damit zusammenhängen, daß ar-Rēwandī ebenso wie al-Fārābī aus dem Osten des

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Anmerkungen des Herausgebers

Reiches stammte und ar-Rēwandī dort einen besseren Ruf hatte als bei den Theologen in Bagdad. Sollte al-Fārābī mehrere Jahre seiner Studien in Transoxanien verbracht haben – was allerdings keineswegs unumstritten ist (vgl. Einleitung .) –, wäre seine Beschäftigung mit der Theologie ar-Rēwandīs verständlich. Da weder arRēwandīs Schrift Kitāb adab al-Fadal noch auch die darauf Bezug nehmende Schrift al-Fārābīs erhalten ist, muß die Rekonstruktion der Diskussion ziemlich hypothetisch bleiben. Entgegen der früheren, auf die Aussagen bestimmter Gegner gestützten Auffassung, die in ar-Rēwandī einen radikalen Aufklärer oder sogar Skeptiker sah, muß nach van Ess eher angenommen werden, daß er die Rationalisten und ihre oft gewaltsamen Interpretationen angriff und zeigte, daß sie schließlich doch nicht alles »weginterpretieren« können – dies trifft also ziemlich genau die von al-Fārābī beschriebene Position (). Auf der anderen Seite findet sich bei ar-Rēwandī besonders im Zusammenhang der Verteidigung von Vorschriften, die durch keine rationale Rekonstruktion begründet werden können, der Verweis auf eine Offenbarung, die auf einen durch Wunder und Weissagungen bezeugten Propheten zurückgehen, dies sind also Punkte, die in Position () behandelt werden. Zu ar-Rēwandīs Auffassung von der Vernunftmäßigkeit der Offenbarung bei gleichzeitiger Notwendigkeit der Prophetie vgl. van Ess,  – , IV , S.  – . Die Auffassung von van Ess hat allerdings nicht allgemeine Zustimmung gefunden. In der neueren Forschung zeigt sich die Tendenz, den Bagdader Kritikern ar-Rēwandīs in dessen späterer Periode als radikalen Aufklärer doch Recht zu geben. Vgl. Urvoy , S.  – . ⁵⁴ Für die im lat. Text genannten rationes steht im arab. Text, S. , Ýuqul (Pl. von Ýaql), was »Einsicht / Verstand / Vernunft« bedeutet. Zu Ýaql vgl. Kap. II , Anm. . Für das lat. inspiratio steht im arab. Text, ebd., wahy, was »Inspiration« und »Offenbarung« bedeutet. Zu diesem zentralen theologischen Begriff vgl. EI XI , S.  b –  a. Es wird hier also sehr deutlich ratio und inspiratio gegenübergestellt. ⁵⁵ Für lat. secreta steht im arab. Text, S. , asrar (Pl. von sirr), was »Geheimnis« oder »Mysterium« bedeutet. Der bessere lat. Begriff wäre daher entsprechend mysteria gewesen.

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⁵⁶ Der Autor der Marginalanmerkungen stellt zu Recht fest, daß hier nicht von »Prophetie« die Rede ist, sondern von »Inspiration«. Im arab. Text, S. , steht auch nicht ein Ausdruck für »Prophetie«, sondern wiederum wahy (vgl. weiter oben Anm. ). Vgl. aber auch die folgende Anm. ⁵⁷ Hier steht im arab. Text, S. , für prophetia nun tatsächlich nubuwa , was »Prophetie« bzw. »Prophetentum« bedeutet. Die Begriffe nubuwa und wahy stehen in der islamischen Theologie allerdings in einem ganz engen Zusammenhang, der bis zur Identifikation reichen kann. Vgl. EI VIII , S.  b –  a. ⁵⁸ Anstelle von ex scientiis in P steht in G ex sententiis, in B steht inspiratio, was zeigt, daß die Redaktoren / Schreiber beider Handschriften den Ausdruck ex scientiis, der sich in P findet, für nicht adäquat hielten. Dies ist auch sachlich richtig: Innerhalb der hier von al-Fārābī dargestellten Auffassung des kalam wäre es nämlich nicht konsequent, anzunehmen, daß die Offenbarung Sätze der Wissenschaft liefert. Im arab. Text, S. , steht allerdings tatsächlich Ýulum, also »Wissenschaften«, die Lesung von P ist also korrekt. Butterworth , S. , schlägt vor, im vorliegenden Kontext ex scientiis mit with respect to the sciences zu übersetzen, was aber kaum aus der Übersetzung Gerhards von Cremona herausgelesen werden kann. Es legt sich daher nahe, hier den Ausdruck »Wissenschaften« zu vermeiden und den allgemeineren Ausdruck »Einsichten« zu wählen. ⁵⁹ Dies wirkt auf den ersten Blick wie die Behauptung eines credo quia absurdum. Es muß aber betont werden, daß es eine solche Auffassung im kalam niemals gegeben hat. Vgl. z. B. Abdel Haleem , S.  – . Im weiteren wird ja auch gesagt, daß das, was zunächst als unvernünftig erscheint, für die reife Vernunft zum höchst Vernünftigen wird. ⁶⁰ Für die im lat. Text genannten rationes divinas steht im arab. Text, S. , Ýuqul (Pl. von Ýaql) ilahi. Zu Ýuqul vgl. weiter oben Anm. . Der Ausdruck ilahi bedeutet »göttlich«, aber auch »auf Gott bezogen / theologisch«. Es geht hier also nicht um »göttliche Vernunft« – hier wäre ja eine Pluralbildung ausgeschlossen –, sondern um von Gott geoffenbarte Wahrheiten. ⁶¹ Der lat. Ausdruck necessarium ist eindeutiger als der im arab. Text, S. , verwendete Ausdruck wafib, der zwar auch »Notwen-

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Anmerkungen des Herausgebers

digkeit« bedeutet, aber auch »Verpflichtung« oder »Erfordernis«, so wie auch das entsprechende Verb wafaba zunächst eine moralische Notwendigkeit (»etwas müssen«, »die Pflicht haben, etwas zu tun«) bezeichnet. ⁶² Al-Fārābī führt weder hier noch auch früher im Text, wo er von den Gründern der Religion spricht, den Propheten Mohammed namentlich an. Dies gilt nicht nur für die vorliegende, sondern auch für die meisten anderen Schriften al-Fārābīs. Ausnahmen finden sich z. B. im Schlußsatz von al-Fārābī: Harmonie zwischen Plato und Aristoteles, S. , oder ganz zu Beginn der Staatsleitung, S. , wobei aber zu berücksichtigen ist, daß al-Fārābī sich in diesen Schriften direkt an die muslimische Öffentlichkeit wendet und diese Sätze ganz allgemeine, formelhafte, religiöse Anrufungen darstellen. Daß al-Fārābī in systematischen Zusammenhängen nur von Propheten ohne Namensnennung spricht, hängt damit zusammen, daß al-Fārābī das Prophetentum nicht auf bestimmte Religionen beschränkt ansieht. Daiber , S.  f., sieht darin einen ismailitischen Hintergrund der politischen Philosophie al-Fārābīs, vgl. dazu aber die kritischen Bemerkungen von Lameer , S. . Das Prophetentum wird bei al-Fārābī eingebaut in die aristotelische Seelenlehre. Die erste Emanation Gottes ist der aktive Intellekt. Ein Mensch, der die Vollkommenheit hinsichtlich aller dem Menschen möglichen Fähigkeiten erlangt hat, d. h. der ideale Herrscher, steht diesem aktiven, »schaffenden«, Intellekt ganz nahe. Vgl. al-Fārābī: Musterstaat XXVII , S.  f. Al-Fārābī läßt dieses »Nahe-Stehen« ziemlich unpräzisiert: Der im Menschen zunächst passive Intellekt wird in einem solchen Menschen zum »erworbenen« Intellekt, »in welchem der schaffende Intellekt wohnt« (ebd., S. ). Findet nun dies in den beiden Teilen seiner Denkkraft, nämlich der theoretischen und praktischen statt, dann aber auch in seiner Vorstellungskraft, so ist dieser Mensch ein solcher, der Offenbarung empfängt, und ist es Gott der herrliche, erhabene, der ihm Offenbarung spendet und zwar vermittelst des schaffenden Intellekts. Es geschieht dann, daß das, was Gott auf den schaffenden Intellekt ergoß, von diesem auf seinen Passiv-Intellekt emaniert und zwar vermittelst des erworbenen Intellekts, und dann auch auf die Vor-

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stellungskraft. Dann wird der Mensch durch den Erguß aus jenem Passiv-Intellekt ein weiser, ein Philosoph, ein der Vollendung anhängender, durch das aber, was von ihm auf seine Vorstellungskraft emanierte, ein Prophet, ein Warner vor dem, was kommen wird, und ein Verkünder davon, wie sich zur Zeit die Teildinge im Sein verhalten. Er ist ja in einem Sein, in welchem er das Göttliche denken kann. […] Dazu aber muß er der Sprache mächtig sein, um seine gute Vorstellung jedem in der Sprache, die er versteht, kund zu tun. (Ebd., S.  f.)

Die entscheidende Aufgabe des Propheten besteht also (nur) darin, die Inhalte der Vorstellung den Menschen in einer ihnen entsprechenden Sprache zu verkünden. Dies geschieht vor allem dadurch, daß mit der Vorstellungskraft für die intelligiblen Gehalte (die rationata in der lat. Übersetzung von De scientiis) »Ähnlichkeiten«, »Abbilder«, gefunden werden. Dieses Tun der Vorstellungskraft besteht darin, daß es die Intelligiblen dadurch annimmt, daß es die Intelligiblen den Stoffdingen, welche die Vorstellung zusammenfügt, ähnlich setzt. Auch nimmt dies Tun bisweilen die Teildinge so an, daß die Vorstellung sie sich so vorstellt, wie sie sind, bisweilen aber so, daß sie sie anderen ähnlichen Wahrnehmbaren gleich setzt. (Al-Fārābī: Musterstaat XXIV , S.  f.)

In welcher Weise allerdings etwas von Gott bzw. dem schaffenden Intellekt auf die Vorstellungskraft, die durch Sinnlichkeit bestimmt ist, übergehen kann, bleibt bei al-Fārābī ungeklärt. Vgl. Mahdi , S. . Aufs ganze gesehen versucht al-Fārābī, den Herrscher / Philosophen möglichst mit dem Herrscher / Propheten zu identifizieren. Ein nicht durch rationale Tätigkeit kontrollierbares und kontrolliertes Prophetentum kommt für al-Fārābī nicht in Frage. Vgl. ebd., S.  – . Die Auffassung al-Fārābīs war bekannt, wurde aber, wie zu erwarten, von vielen nicht geteilt. Ibn Tufail, der der Philosophie durchaus positiv gegenüberstand, brachte sicher nicht nur seine persönliche Meinung zum Ausdruck, wenn er von al-Fārābīs Auffassung sagte:

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Anmerkungen des Herausgebers

Nebst all dem verbreitete er auch seine verwerfliche Ansicht über die Prophetie, die gemäß seiner Behauptung der Vorstellungskraft angehören soll, wobei er gleichzeitig der Philosophie gegenüber der Prophetie den Vorzug einräumt. (Ibn Tufail: Hayy ibn Yaqzan, S.  f.)

⁶³ Der Fachbegriff für Wunder (miraculum), besonders für die Wunder eines Propheten ist muÝfiz, und dieser Begriff steht im arab. Text, S. . Wunder spielten in der islamischen Frömmigkeit eine große Rolle. Vgl. EI VII , S.  b, und sehr materialreich Gramlich . Die Frage der Wunder gehörte allerdings weniger in den Kontext der Bestätigung eines Propheten als vielmehr in den der Diskussion der Allmacht Gottes. Wurde diese Diskussion auf philosophischer Ebene geführt, so hatte diese Frage eine entscheidende Bedeutung für die jeweils vorausgesetzte Metaphysik. Die wichtigsten Ansatzpunkte für eine Wunder zulassende Metaphysik lieferte ein bedeutender Zeitgenosse al-Fārābīs, nämlich al-AšÝarī (gest. ), die dann von al-Baqillānī (gest. ) systematischer ausgebaut wurden. Der für die Zulassung der Wunder entscheidende Punkt war eine nicht-aristotelische Auffassung des Zusammenhangs von Ursache und Wirkung und somit eine andere Konzeption der Kausalität, bei der die Ursächlichkeit eines Dinges nicht auf seiner Natur oder Wesenheit, sondern unmittelbar auf göttlichem Tun beruht. Dies wurde bei den AšÝariten, also einer der Schulen des kalam, im Rahmen einer atomistischen Metaphysik erklärt. Die einzige Ursache für die Existenz bzw. Nicht-Existenz der Atome und deren Bewegung ist nach dieser Auffassung der Wille Allahs. Der Zeitpunkt, zu dem eine solche Lehre erstmals im kalam vertreten wurde, ist allerdings unklar. Auch der genaue Gehalt sowie die Herkunft dieses Atomismus ist umstritten. Vgl. auch Kap. IV , Anm. . ⁶⁴ Für testimonia steht im arab. Text, S. , šahadat (Pl. von šahada), was zwar ganz allgemein »Zeugnis / Zeugenaussage« bedeutet, das aber auch im religiösen Sinn von »Zeugnis ablegen« gebraucht wird. Zeugnisse von Vorgängern haben die Funktion von Weissagungen. Auch Weissagungen spielten in der islamischen Theologie eine nicht unerhebliche Rolle. Man wird dabei natürlich an die christlichen Apologeten erinnert, die durch Stellen aus dem Alten Testament, die sie als Weissagungen interpretierten, nachwei-

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sen wollten, daß Christus der erwartete Messias ist. Das Motiv der Weissagungen wurde in der islamischen Theologie und Frömmigkeit zu einem Topos, den man z. B. ganz formelhaft bei Ibn Ialdūn vorfindet: Segen und Heil über unseren Herrn und Meister, Muhammad, den arabischen Propheten, erwähnt und beschrieben in der Thora und im Evangelium. (Ibn Ialdūn: The Muqaddima, Vorwort, I , S. ; Übers. Pätzold, S. )

⁶⁵ Ein Ausschluß einer weiteren Prüfung solcher Erkenntnisse kommt für al-Fārābī nicht in Frage. Vgl. z. B. al-Fārābī: Book of Religion, S. , wo feststellt wird, daß die theoretischen Meinungen, die in der Religion ohne demonstrativen Beweis angenommen werden, in der theoretischen Philosophie bewiesen werden. ⁶⁶ Für expositio steht im arab. Text, S. , taÞ wil, womit ein zentraler Begriff der Methode der islamischen Theologie, nämlich »Auslegung / Interpretation / Exegese« gemeint ist. Vgl. dazu EI X , S.  a –  b. Ein in seiner Bedeutung ziemlich ähnlicher Ausdruck ist tafsir, der aber nicht nur für die Exegese des Korans gebraucht wurde, sondern auch als Buchtitel zahlreicher Kommentare zu Werken der griech. Wissenschaft verwendet wurde. Zu tafsir vgl. EI X  b –  a. In verschiedenen Richtungen islamischer Theologie wird bei der Interpretation des Korans mit der Unterscheidung zwischen einem äußeren (zahir) und einem inneren (batin) Sinn des Korans gearbeitet, so daß mit letzterem bestimmten Ausdrücken und Aussagen eine symbolische Bedeutung gegeben werden kann, wodurch eine metaphorische Auslegung ermöglicht wird. Der Streit zwischen Literalisten und Symbolisten ist so alt wie die Interpretation des Korans selbst (eine ganz ähnliche Diskussion gab es seit frühesten Zeiten auch bei den Juden und Christen in Bezug auf deren Heilige Schriften). Die MuÝtaziliten gingen mit der symbolischen Auslegung in rationalistischer Sicht am weitesten (aber auch die mystischen Interpretationen der Sufis arbeiteten mit solchen symbolischen Auslegungen). Innerhalb der Gruppe der Symbolisten ging der Streit dann darum, was eben zu »weit hergeholt« war. ⁶⁷ Im lat. Text steht in P und B et ut , in G fehlt das ut , außerdem steht in G afferunt anstelle von afferrant . Im arab. Text, S. ,

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Anmerkungen des Herausgebers

steht allerdings nicht »und« (wa), sondern »oder« (aw), so daß man im lat. Text aut setzen müßte. Vgl. auch die Übersetzung aus dem Arabischen in Butterworth , S. . Ob es sich um einen Übersetzungsfehler Gerhards von Cremona oder um einen Fehler der ihm vorliegenden arab. Handschrift handelt, läßt sich nicht feststellen. Die Übersetzung mit »oder« ergibt auch logisch den besten Sinn: Liegt ein Widerspruch zwischen einer Lehre der Religion und einer allgemein akzeptierten Auffassung vor, so kann man entweder die Lehre der Religion so (um)interpretieren, daß sich eine Übereinstimmung ergibt (so der vorausgegangene Satz im Text), oder man kann (so der vorliegende Satz) die allgemein akzeptierte Meinung entweder widerlegen oder so (um)interpretieren, daß sich eine Übereinstimmung mit der Lehre der Religion ergibt. ⁶⁸ Vgl. van Ess , S.  f. ⁶⁹ Bei den folgenden drei Gruppen der Verteidigungsstrategien handelt es sich um Untergruppierungen unter die im Vorangegangenen angeführte Gruppe. Vgl. auch Butterworth , S. , Anm. . ⁷⁰ Für das erste pugna steht im arab. Text, S. , fihad , das den Heiligen Krieg bezeichnet, für das zweite pugna steht harb, das den gewöhnlichen Krieg bezeichnet. Vgl. dazu EI III , S.  a – b.

L I T ER AT U RV ER Z E ICH N I S

Enzyklopädien The Encyclopaedia of Islam.  Bde. Leiden –. (= EI) Historisches Wörterbuch der Philosophie.  Bde. Basel – Stuttgart –. (= HWPh) Lexikon des Mittelalters.  Bde. München – Zürich –. (= LdM )

Bibliographien Al-Qiftī: Die Titel von den Büchern al-Fārābīs. In: F. Dieterici, Alfārābī’s philosophische Abhandlungen. Leiden , S. – . (Zitiert als al-Qiftī: Über Alfārābī, mit der Nummer der Bücherliste.) Gerhard von Cremona (socii ): Commemoratio librorum. Hrsg. v. Ch. Burnett: The Coherence of the Arabic-Latin Translation Program in Toledo in the Twelfth Century. In: Science in Context  (), S. –. (Zitiert als Gerardi nomina librorum mit Angabe der Nummer der Bücherliste.) Rescher, N.: Al-Farabi. An Annotated Bibliography. Pittsburgh . Daiber, H.: Bibliography of Islamic Philosophy. Leiden .

Quellentexte

() Al-Fārābī (a) Ausgaben von De scientiis – IhsāÞ al-ÝUlūm. Hrsg. v. U. Amīn. . Aufl., Kairo . – Catálogo de las ciencias. Arab. und lat. Text, span. Übers v. A. G. Palencia. . Aufl., Madrid .

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Literaturverzeichnis

– IhsāÞ al-ÝUlūm. Enumération des sciences ou classifications des sciences. Übers. v. I. Mansour. Beirut . – Lateinische Version des Gerhard von Cremona, in: Palencia , S. –. – Lateinische Version des Dominicus Gundissalinus, in: Alpharabii vetustissimi Aristotelis interpretis Opera omnia quae latina lingua conscripta reperiri potuerunt ex antiquissimis manuscriptis eruta. Hrsg. v. W. Camerarius. Paris , S. –. Textkritische Edition: De scientiis. Hrsg. v. M. Alonso. Madrid – Granada .

(b) Weitere Werke arabisch Texte im arab. Original werden nur dann aufgeführt, wenn sie auch tatsächlich gelegentlich verwendet wurden. Für eine Auflistung der arab. Ausgaben der Werke al-Fārābīs vgl. H. Daiber: Bibliography of Islamic Philosophy, S. –, und Fakhry , S.  f. – Kitāb al-Alfāz al-MustaÝmala fī l-Mantiq (Utterances employed in Logic). Hrsg. v. M. Mahdi. Beirut . – Kitāb al-Burhān (Über den Beweis). Hrsg. v. M. Fakhry. Beirut . – Kitāb al-Hurūf (Book of Letters). Hrsg. v. M. Mahdi. . Aufl., Beirut . – Kitāb aš-ŠiÝr (Über die Dichtung). Hrsg. v. M. Mahdi. In: ŠiÝr (Beirut)  (), S. –. – Kitāb al-Milla wa nusūs uirā (Über die Religion und weitere Texte). Hrsg. v. M. Mahdi. Beirut . – Kitāb al-Mūsīqī al-Kabīr (Das große Buch der Musik). Hrsg. v. G. A.-M. Iašaba und A. Hanafi. Kairo . – Al-Mantiq Ýinda al-Fārābī (Die Logik gemäß al-Fārābī). Hrsg. v. R. al-Afam / M. Fakhry. Beirut –. – Šarh Kitāb al-ÝIbāra (Kommentar zu De interpretatione des Aristoteles). Hrsg. v. W. Kutsch / S. Marrow. Beirut  (hier verwendet), . Aufl., Beirut .

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L AT E I N I S CH E S WÖR T ERV ER Z E ICH N I S

Das vorliegende Wörterverzeichnis soll vor allem dazu dienen, einen Überblick über die (im ganzen doch ziemlich uneinheitliche) Terminologie Gerhards von Cremona zu geben. Es wurde nicht versucht, in jedem Fall tatsächlich alle Stellen anzugeben, an denen ein bestimmtes Wort verwendet wird. abscisio ,  absolute ,  acceptio , ,  accidens , , , , –, , –, , , , ,  accusativus  actio , , , –, ,  – civilis  – medicine  actor ,  acuitas – additio  adiutorium  adversarius ,  aer ,  agens  aggregatio , ,  agilitas  agricultura  alfabetum  algebra ,  alteratio ,  altitudo ,  ambiguitas  ambiguus 

anima , , –, –, , ,  animal , , ,  animus  antiqui  aqua ,  arabicum – in arabico/de arabico/apud arabes , –, , ,  – lingua  architectura  argentum  argumentatio ,  arithmetica , , ,  armonia , ,  ars , , , , , , ,  f. – activa/speculativa  – civilis  – dialetice , ,  – elocutionis ,  – grammatice  – legis  – rhetorice  – sillogistica ; certificativa ; errativa ; imaginativa ; opinativa ; sufficiens 

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Lateinisches Wörterverzeichnis

– speculorum  – topica  – versuum  articulus  aspectus ,  assiduatio , ,  assimilatio  auditus naturalis  augurium  aurum  beatitudo , ,  bonitas , , , ,  bonum  brevitas dierum/noctium  canones –, ,  – dialetici , ,  – dictionum –,  – extremitatum  – lectionis  – scripture  – versuum , ,  caro  carpentarius ,  casus , , , ,  causa , , , , , , ,  celum , ,  cementarius  certitudo , ,  cesura , ,  cibus  circinus ,  cithara ,  civitas –, ,  – bona  – optima , 

– particularis  clima  cogitatio , ,  cognitio , , , , , , , , ,  columna ,  comercium – civile  – negociatorium  comparatio , – compositio , , , , ,  – armoniarum ,  comprehensio , , , ,  computatio  conditio , ,  coniunctio  connexio , , , ,  conservatio X X XIX , , ,  consideratio , , , , , , ,  consonans  constitutio , , , , , ,  consuetudo , , , , ,  – stolida  – voluntaria  continuitas ,  contrarietas  contrarium –, , , , , – conveniens  convenientia ,  corpus , , –, , , , , , , , ,  – artificiale – – celeste – – ferri 

Lateinisches Wörterverzeichnis in superficiebus terrenis  ligni  materiei  minerale  naturale , , , , , ; simplex/compositum ,  – parietis  – pervium ,  – sensatum  – videntis  corruptio ,  corruptus , , , ,  creatio , ,  credulitas , , ,  f. cubus ,  curatio  – – – – –

debilitas rationis  deceptio , ,  deceptor  declaratio ,  declinatio ,  decor  decorus  defensio ,  delectatio ,  demoniacus  demonstratio , , –, , , ,  – certificativa/certificans ,  derivatio  descriptio  determinatio  Deus , , ,  dialetica , , , , , , , ,  f., 

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dictio , –, , , , , , ,  – composita , ,  – derivata  – significans/significativa –, ,  – simplex , ,  dignitas  diminutio , , ,  diminutus  disciplina  discretio , ,  dispositio , , , , , , , , , , –, , , –,  disputatio ,  divisio XIX doctrina , , ,  dragma  dualis/dualitas , ,  ebrius  eclipsis  – lune  – solis  effectus  effugatio ,  egritudo ,  egrus  elementum , ,  – arithmetice  – corporum  – geometrie  elocutio ,  elongatio ,  eloquens  eloquentia LXIX ens LX X X , , 

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Lateinisches Wörterverzeichnis

ensis – epiglotis  equalitas ,  error , , , , ,  esse , ,  – corporum naturalium  – dialetice  – grammatice  – lecti  – panni  – proprium  – unum, primum et precedens  essentia LXIV, –, ,  – numerorum  estimatio  ethica , , , – ethimologia ,  evasio  exemplum  existens/existentia LXIV, LX X X , , –,  existit –,  experimentum , ,  expositio ,  extremitas ,  – nominis ,  – postrema  – prima  – verbi ,  fabricatio  – carpentaria  – cementaria  falsitas ,  falsus  fama 

famosus , , , , , , ,  feditas  fedus  felicitas  femininitas ,  ferrarius  ferrum ,  figura –,  – animalium  – corporum celestium  filius regis  filum  finis –, , ,  – operationis  – perfectionis  – versi  fistula ,  forma –, , – formatio  futurum ,  generans  generatio ,  genitivus  gens –, , , , ,  genus , ,  geometria , , , , ,  – activa/speculativa  gestus , ,  gloria , ,  gradatio  grammatica ,  grammatici  – arabum ,  – grecorum , 

Lateinisches Wörterverzeichnis habitatio  habitus , ,  hesitatio ,  homo LXV II et passim – perfecte nature  – perfectus  homogeneum  hora , , ,  humanitas  – perfecta  iactator  ignis  ignorantia ,  imago  immaginatio , , , ,  imnus (= hymnus) ,  f. imperativus  impressiones superiores , ,  incessio  inconveniens  indefinitus  individuum  infans , ,  ingenium , , ,  – aspectuale  – geometricum  – numerorum  inimicus , ,  inquisitio , , , , , ,  inquisitor  inspiratio ,  – divina  instrumentum , , , , ,  – artificiale , 

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– elevandi  – musicum  – naturale  – vocale  intentio , , , , –, , , , –, , , , ,  interpretatio , , ,  introductio  inventio , , , ,  iuvamentum , , ,  latitudo  lectio  lectus – legista ,  lex , , ,  ligatura  lignum ,  linea , , –, ,  lingua –, , ,  – arabica  – greca  littera , ,  – declinationis  – essentialis  lixatura , ,  locus , , ,  – erroris  – habitationis  – mundi  – oppositus  – stellarum  – terre  – topicus  locutio , ,  logica/loyca , , , ,  logos/sermo 

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– exterior/cum voce –, ,  – interior/fixus in anima –, , ,  longitudo ,  – assiduationis ,  – dierum/noctium  – experimenti  – frequentie actionum  – testimonii  loquax LXIX , ,  f. lucrum  magister – Gerardus LIX – secundus (= Alpharabius) LXIX magnitudo –,  malicia , ,  malum  manus ,  masculinitas ,  materia , , , –,  mathematica ,  medicator  medicina , , ,  medicus  medium  membrum  memoria ,  – epistularum  – versuum  mendacium  mens , , ,  mensura ,  mensuratio , –, , , ,  f. mensurator 

metaphisica ,  f. metrica  metrum , , ,  mineralia  miraculum ,  modus – cautele  – extrahendi numerum  – in amministratione principiorum  – inventionis  – locutionis  – verificationis  mos , , ,  motus  – localis terre  – corporum celestium ,  – sphericus  – stellarum  mulier  multiplicatio  multitudo  mundus , , , , ,  narratio  nasus  natura  neuma ,  nomen –, , ,  – declinabile  – entis  – proprium  – sinonimum  nominativus  numerus , , ,  – aggregatio  – communicans , , 

Lateinisches Wörterverzeichnis – – – – – – – – – –

– – – – – – – – – – –

corporum celestium  corporum naturalium  denudatus in mente  diminutio  divisio  equalitas  multiplicatio  neumarum  numeratorum  perfectus/imperfectus ,  proportionalis / improportionalis , ,  quadratus ,  rationalis , ,  seiunctus , ,  sensatorum/insensatorum  separatio  similis/dissimilis ,  solidus ,  superficialis  superfluitas ,  surdus , , , 

occasus  occidentalietas  occultatio  oculus , ,  opera bona/mala  operatio , , , , , , , , –, , ,  – regalis  – stabilitatis  – virtutis  – voluntaria  opifex , ,  opinio , –, , , ,  f., , 

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oratio , , , , , , , ,  – aggregativa  – composita  – universalis  ordinatio , ,  ordo , , , , , , , , , , , , ,  f. – altior  – corporum celestium  – doctrine  – gestuum et consuetudinum  – habitationis  orientalietas  ortus  os  pannus – partes  – artis elocutionis  – celi  – corporis naturalis  – dialetice , ,  – mundi  – scientiarum ,  – scientie aspectuum  – scientie civilis  – scientie divine  – scientie legis  – scientie lingue  – scientie musice  – scientie naturalis ,  – similes/diverse ,  particula LX passio ,  f. penetratio , 

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perfectio , ,  perfectum ,  perpendiculum  perscrutatio  pervictas ,  pes  phylosophia  – activa/speculativa  – civilis  pinealis ,  piramis ,  plante , ,  pluralis/pluralitas , ,  poeta  poetica ,  politica , – ponderatus , , ,  ponderosus  pondus , , , , , , ,  – completum  – diminutum  – mirabile  – neumarum  – versuum  populus  positio , ,  positor – legis ,  – secte , ,  potentia ,  – experimentalis  – nostrarum rationum  preparamenta  preparatio –, ,  prepositio LX , LX X X , , , , ,  f.,  presens 

preteritum  previsio ,  principia , , , , ,  f., , , ,  – accidentium ,  – corporum ,  – scientiarum doctrinalium  – scientie dialetice  – scientie naturalis  probabilia ,  professor  profunditas  prohibentia ,  propalatio  prophetia ,  proportio , , , ,  proprietas passim prosa  provisio , , ,  puer  pugna ,  pulcritudo  punctum ,  quadratura , ,  qualitas , , ,  quantitas , , ,  – corporum celstium ,  – elongationum  – versuum  quesitor  questio  radius  – conversus ,  – fractus ,  – rectus ,  – reflexus 

Lateinisches Wörterverzeichnis radix , , , , , , ,  – arithmetice  – corporum naturalium  – geometrie  ratio , , , , , , ,  – debilitas  – divina , ,  – humana ,  ratiocinatio , , ,  rationata , , , , , , , , , , , –, , ,  f., ,  rectificatio lingue  rectitudo , ,  reflexio ,  regnatus , ,  – bonus/non bonus  – divitiarum  – glorie  – optimus  – stolidus , ,  – vilitatis ,  regnum ,  regula , , , , , , , ,  – artium  – communis  – dialetice ,  – dictionum gentis alicuius  – grammatice  – in lineis  – universalis  rememoratio ,  res  et passim – horribilis  – necessaria ,  f.

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resolutio  respondens  responsio topica  reversio  revolutio – diei/noctis  – mundi ,  rex ,  rhetorica , ,  rhetoricus ,  rithmicus ,  rotunditas , ,  sal  sapiens  sapientia  – deceptrix  scientia passim – activa/speculativa LXIV, , , , , ,  – aspectuum , , , ,  – canonum scripture ,  – canonum versuum  – certa , , ,  – civilis , ,  – dialetice , , , , ,  – divina X X XV II , , ,  – doctrinalis/doctrinarum , , , , ,  – elocutionis , ,  – geometrie ,  – grammatice , – – ingeniorum , –,  – iudicii ,  – legis , , ,  – liberalis  – lingue , , , ,  – musice , 

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Lateinisches Wörterverzeichnis

– naturalis , , , , , ,  – numeri  – particularis  – ponderum , ,  – scripture ,  – speculorum ,  – stellarum , , ,  – theorica/practica LXIV – verificandi lectionem ,  scriptura , ,  sculptura ,  secretum ,  secta , –,  securitas , , , ,  sensatum , , , , , ,  sensus , , , – sententia –, –, , , ,  separatio , ,  separatus/distribuitus ,  sermo –, , , , , , , ,  f.,  – bene loquentis  – compositus ,  – demonstrativus ,  – extrinsecus , ,  – famosus  – fixus in anima ,  – metricus ,  – poeticus ,  – rhetoricus , ,  – sillogisticus ,  – simplex ,  – sofisticus  – sufficiens  – super veritatem 

– topicus ,  serratile ,  servatio  significans/significativum –, ,  significatio ,  f.,  – stellarum  signum – cesure  – maliciarum dictionum  – medicinarum  – stellarum  silentium  sillogismus , , ,  – demonstrativus  – poeticus  – rhetoricus ,  – sofisticus  – topicus  similitudo , , ,  singularitas ,  situs –, , ,  – corporum celestium  – diversitas  – neumarum  – terre  solidus  sophista ,  sophistica ,  spacium  species , , , , ,  – animalium  – armoniarum ,  – armorum  – consuetudinum  – corporum , ,  – instrumentorum  – mineralium 

Lateinisches Wörterverzeichnis – motus stellarum  – neumarum  – operationum ,  – plantarum  – versuum  – virtutum regalium  speculatio , , –, ,  speculum ,  – adurens  sp(h)era ,  splendor ,  statio  stella/non stella  studium ,  subiectum  sublimitas  substantia , ,  sufficientia , , , ,  summa , , –, , , , , , , , , ,  superficies –, ,  superfluens  superfluitas , , ,  sustentamentum  syncathegorema LX X X , , , ,  f. tabula  tempus , , , ,  terminatio  terra , ,  tersor  testimonium , –,  textura , ,  tiriaca ,  f. topica ,  topicus ,  tractatus , , –

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trinitas ,  tumultatio  unio mystica X X XII unitas  unitio  usus communis  utilitas ,  uvula  vapor ,  verbalia ,  verbum , –, , ,  veridicium  verificatio , –, , , , , , ,  f. – lectionis  – perfecta  – scripture  veritas , –, , , , , , , , , ,  f. versificator ,  versus , , , ,  via , , , , –, , , , , , , , , – ,  victoria ,  vilitas ,  vinum , virgula ,  virtus , , , , , , ,  – ad decipiendum  – animalis  – ingenii  – medici  – pedis  – regia , , , 

340

Griechisches Wörterverzeichnis

– vini  visio – corporum  – operationum  visus –, , ,  vita – hec/alia 

– postrema  vitrum , ,  vocalis ,  voluntarium , , ,  f. voluntas ,  vox , ,  vulgus 

GR I E CH I S CH E S WÖR T ERV ER Z E ICH N I S aitía  álogos  aplôs ,  chôra  dialéxis  dóxa  eîdos  eînai  éndoxos  epistêmê  estín  éthnos  eudaimonía  êthos  glôtta  gnôsis  harmonía 

hýlê  f. kanôn  klîma  kônos  lékton  lógos –,  – endiáthetos  f. – prophorikós  f. mímêsis  mousikê  nóêma  f. noûs  ón  ónoma ,  páthos  phantasía  philosophía X XII , 

Griechisches Wörterverzeichnis – theoretikê  phonê  pólis  phýsei/thései  prísma 

syllogismós – apodeiktikós  – dialektikós  – rhêtorikós  sýmbolon  sýndesmos 

rhêma ,  semeîon  sophía  sophístês XIV,  sophós  sophrosýnê  stoicheîon 

téchnê  – arithmêtikê  – logistikê  télos  theîon  f. theoretikós  thêriakós 

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A R A BI S CHL AT E I N I S CH E S WÖR T ERV ER Z E ICH N I S Im folgenden Verzeichnis werden die arabischen Ausdrücke aufgeführt, die aus Gründen der Interpretation in der Einleitung oder im Kommentar aufgeführt wurden, es handelt sich also nicht um eine systematische Untersuchung der Terminologie des arabischen Textes von al-Fārābī und der der lateinischen Übersetzung Gerhards von Cremona. In diesem Verzeichnis werden die Korrespondenzen Gerhards von Cremona wiedergegeben, ganz gleich, ob diese als zutreffend oder als nicht zutreffend angesehen werden. Auf Übersetzungsprobleme wird häufig an den angegebenen Stellen eingegangen. Ausdrücke, die nicht im lateinischen Text von De scientiis vorkommen, werden in runde Klammern gesetzt. Für Ausdrücke, für die kein übliches lateinisches Äquivalent vorhanden ist, wird der entsprechende deutsche Ausdruck in eckige Klammern gesetzt. Ýadad numerus  Ýadad mutašarik numerus communicans, (commensurabilis)  Ýadad mutabayin numerus seiunctus, (incommunicans, incommensurabilis)  adah prepositio, (particula, syncathegorema) , ,  ala instrumentum ,  Ýalam mundus  Ýalawi superior  amr res, forma  Ýaql ratio, (intellectus) , ,  f. al-Ýaql al-garizi (intellectus innatus)  Ýarac accidens , ,  Ýaruc (poesia) 

asamm surdus, (irrationalis)  asl radix, dispositio, (principium) , , ,  avar impressio  azyad additus  awwal primus  bait metrum, (domus)  batin [innerer Wortsinn des Korans]  burf signum stellae  burhan demonstratio XLII , ,  f. dalala (significatio)  dall (significans)  din (religio)  dinar solidus 

Arab.-lat. Wörterverzeichnis dirham dragma  facil optimus  faÝil actores, actiones, (causa efficiens)  falsafa philosophia X XII , X XV,  faqih legista X X XV II ,  fariza virgula  fasad corruptio  f. fiÝl verbum, actio , fiqh lex, iudicium X X XV IIIf., XLIII , XLV I , , , , ,  fadal (disputatio)  fahil (ignorans)  fahili stolidus  fall (maiestosus)  fazma [Vokallosigkeit] ,  fihad pugna  fism corpus  gaya finis  ginaÞ [Gesang]  handasa (Technik)  hayula (materia)  huwa ille, ipse  harb pugna  haraka motus  harf preposotio, littera, (particula) ,  haqq veritas  hayawan animal  hifz conservatio  hila ingenium 

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huruf al-muÝfam littere alfabeti ,  jaliqa creatio  jayal (phantasia)  jassa substantia  jilqa forma  jissa vilitas  jitaba rhetorica  juluq mos 

Ýibada [Verpfl ichtung gegenüber Gott]  ihsaÞ (divisio) XIX ijtiyar (liberum arbitrium)  f. ilah Deus  ilahi divinus ,  Ýilm scientia XIX , XLIIf., , , , ,  f.,  Ýilm al-Ýadad arithmetica  Ýilm Ýamali scientia activa, (practica)  Ýilm al-Ýaqliya [Vernunft wissenschaft] XLV III Ýilm al-Ýaruc poetica  f.,  Ýilm al-ašÝar scientia versuum X XI , X X XV, ,  Ýilm al-avqal scientia ponderum  Ýilm al-fiqh scientia iudicii, scientia legis ,  Ýilm al-handasa geometria  Ýilm al-hisab (arithmetica logistica)  f. Ýilm al-hiyal scientia ingeniorum 

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Arab.-lat. Wörterverzeichnis

Ýilm al-ilahi scientia divina X X XV II , XLII ,  Ýilm al-kalam scientia elocutionis ,  Ýilm al-kitaba scientia scripture  Ýilm al-lisan scientia lingue X X XV,  Ýilm al-madani scientia civilis ,  Ýilm al-mantiq scientia dialetice  Ýilm al-miqat [Wissenschaft der Zeitbestimmung]  Ýilm al-musiqi scientia musice  Ýilm an-nahw scientia grammaticae  Ýilm an-nazar scientia aspectuum  Ýilm nazari scientia speculativa, (theoretica)  Ýilm an-nufum scientia stellarum  Ýilm al-qafiya [Reimlehre]  Ýilm al-qiraÞa scientia verificandi lectionem  f. Ýilm aš-šari Ýa [Wissenschaft des (geoffenbarten) Gesetzes] XLII, XLV III Ýilm at-taÝalim scientia doctrinalis/doctrinarum  Ýilm at-tabi Ýi scientia naturalis  Ýilm al-yaqin scientia certa  infiÝal passio  inhiraf reflexio  inna [sicher, gewiß] 

iqaÝ casus, [Rhythmus] , ,  iqlim clima  iqnaÝ sufficientia  iÝrab declinatio (+ conjugatio) ,  irada (voluntas)  iradi voluntarium  ism nomen  f. istidlal significatio, (demonstratio)  ištibak connexio, recatio  iÝ taqada credere  iÝ tiqad credulitas  bi-itlaq absolute, (abstracte)  Ýizz (potens)  kalam elocutio, (oratio) X XIf., X X XV IIIf., XLIII, XLV I , LXIX , , , , , ,  kalima verbum  kaukab (stella)  kaun generatio  f. kitab librum passim lafz dictio  f.,  lahn armonia, (modulatio)  laysa non est  f. lisan lingua  mabdaÞ principium  f., ,  madda materia  f. maÝdin mineralis ,  f. madhab [Rechtsschule] X X XV I

Arab.-lat. Wörterverzeichnis madina civitas  madrasa [Schule] X X XIV maÝna significatio  manazil al-qamar [Mondstationen]  mansub [Nomen im Akkusativ]  f. manšur serratile  mantiq diale(c)tica, lo(g)ica , , ,  f.,  maqtaÝ cesura, (syllaba)  maqul categoria  maÝqul rationatum –, ,  marfuÝ [Nomen im Nominativ]  f. mašhur famosus  masdar (nomen verbi) ,  mauzun ponderatus ,  milla secta  misraÝ imnus (= hymnus)  mizmar fistula  al-MuÝallim av-Vani (Magister secundus) XV III al-muÝfam alfabetum  muÝamala [Verpfl ichtung gegenüber anderen Menschen]  muÝfiz miraculum  mugalata sophistica  muhakah (imitatio, mimesis)  al-muqabala algebra ,  musiqi musica  mutakallim loquax, prolocutor X X XV III, LXIX , ,  muÝ tall corruptus  muwazzaÝ distributus 

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nabat plante  nafs anima, ipse , , ,  nafm stella  nagm neuma , ,  nahw grammatica X XI , ,  nahy (prohibitio) ,  nisba proportio  nubuwa prophetia  nutq logos –,  an-nutq ad-dajila logos interior  an-nutq al-harifa logos exterior  qanun canon, regula  qasida imnus (= hymnus)  qaul oratio, sermo , , ,  qibla [Gebetsrichtung nach Mekka]  qiyas ratiocinatio, syllogismus X XI , , ,  qiwam essentia  radaÞa malicius  raful homo, (aliquis) LXV II rawiya provisio  raÞ y sententia , ,  rukn elementum  ruÞ ya (ratiocinatio)  saÝada beatitudo, felicitas  sabab causa  safiya mos induendi vel calcandi  f.,  samaÞ celum 

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Arab.-lat. Wörterverzeichnis

sirr secretum  siyasa ethica, politica ,  f. sunna consuetudo 

taÞ wil expositio  tiryaq tiriaca  f. tuhma opinio 

šabah similitudo  šahada testimonium  šaiÞ res  šari Ýa lex  šarita conditio  šiÝr versus  šubha sollicitudo 

viql pondus 

sahha verificare ,  sahih integrus  sanaubara pinealis  sarafa declinare  sawt vox ,  siga constitutio  sinaÝa ars XLIIf., , ,  f. sura forma  f. tafsir [Exegese]  tajyil immaginari facere , ,  taÞlif compositio , ,  tanafur eff ugatio  tanwin [Nunation]  f.,  taqaddum antecessio  taqdir mensuratio, (calculus)  tarÝif cognitio, [Determination des Nomens]  tartib situs  tashih verificatio ,  tasrif [Morphologie] , 

tabi Ýi naturalis  tariq via  tunbur [Bagdader Laute] 

Ýud cithara ,  umma gens  Ýunwan etymologia  usul al-fiqh [Lehre des islamischen Rechts] X XI , X X XV I ,  ustuwana columna  ustuqus elementum ,  wacÝ ordo  waciÝ positor  wafib necessarium  f. wahy inspiratio  f. watid radix  wazn pondus, (metrum)  wufida est, existit  wufud Esse, Existentia ,  zif (tabula) ,  záhir [äußerer Wortsinn des Korans]  zann opinio ,  zanni opinativum, (putativum) 

NA M ENSV ER Z E ICH N I S

(1) Antike, Mittelalter, frühe Neuzeit Abaelard → Petrus Abaelardus ÝAbd al-Latīf al-Bagdādī (gest. )  Abū Bakr ibn as-Sarrāf (um –/) XI Abū Bišr Mattā (-) XI, X XIV, X XV If., XLV I, , ,  f., , , ,  f. Abū Kāmil (um  – um )  Abumasar → Abū MaÝšar Abū MaÝšar (-)  Abū SaÝīd as-Sīrāfī (– ) X XIVf. Abū Sulaimān as-Sifistānī (um / – um /) XLVII

Abū ÝUtman ad-Dimašqi (./ . Jhd.) ,  Abū al-WafāÞ (–)  Abū al-Walīd az-Zuhurī (. Jhd.)  Adelard von Bath (um  – nach ) ,  Ahmad Ibn ÝĪsā (. Jhd.)  Ahmad Ibn Yūsuf (./. Jhd.)  Alatino, Moses (gest. )  Albategnius → al-Battānī Albertus Magnus (/– ) LX X XII , , 

Alexander von Aphrodisias (./ . Jhd. n. Chr.) , , , ,  f.,  f.,  f. Alfons X, König (reg. –)  Alfraganus → al-Fargānī Alfred von Sareshel (./. Jhd.) LXII ,  f.,  Alhazen → al-Haiuam ÝA lī, Kalif (reg. –)  al-ÝĀ mirī (gest. ) ,  Ammonios (vor –/) X X, X XIII, X X X , ,  Anaritius → an-Nairīzī Andronikos von Rhodos (. Jhd. v. Chr.) X X XV II, XLV,  Anselm von Canterbury (– )  Anthemius von Tralles (. Jhd.)  Anūširwān, König (reg. –) X XV I

Apollonios von Perge (um – um  v. Chr.)  Archimedes (– v. Chr.) ,  Aristarchos (um  – um  v. Chr.)  Aristoteles (– v. Chr.) passim

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Namensverzeichnis

Aristoxenos (um  – um  v. Chr.)  Āryabhata (geb.  n. Chr.)  f. al-AšÝarī (/–)  Astāu (. Jhd.) ,  Athanasius von Balad (gest. ) ,  f. Augustinus (–)  Avempace → Ibn Bāffa Avendauth (Ibn Daud?, – ) LXV III Averroes → Ibn Rušd Avicenna → Ibn Sīnā Bacon → Roger Bacon al-Baliī (gest. )  Banū Mūsā (Muhammad, Ahmad, Hasan, . Jhd.) ,  al-Baqillānī (gest. )  al-Batalyūsi (–) XLV II

al-Battānī (um –) – ,  al-Bīrūnī (–) ,  Boethius (um –/) LX X , ,  f., , ,  f., ,  Boethos von Sidon (. Jhd. v. Chr.) XLV Bonaventura (–)  Brüder der Reinheit (Iiwān asSafāÞ) XLV II , , , , ,  Cassiodor (um  – um ) 

Daniel von Morley (um  – um ) LIX, LXVIII ,  f. Dante, Alighieri (–) LV II

David (./. Jhd.) X XV If., XXX

Demokrit (ca. – v. Chr.)  Diokles (./. Jhd. v. Chr)  Dionysios Th rax (um – v. Chr.) XV III Dominicus Gundissalinus (um  – nach ) XIX, LIVf., LXI, LXIIIf., LX X–LX XII ,  f., , , , , ,  f., , , , –, , , , ,  f.,  f.,  f., ,  f., , , , , , ,  Elias (. Jhd.) X X, X XV– X XV II, X X XI , ,  Eudor von Alexandrien (um  v. Chr. − um  n. Chr.) X X XI

Euklid (um  v. Chr.) LXV I , , , , , , –, –, ,  Euripides (– v. Chr.)  Fal(a)quera, Shem Tov (um –) LV I al-Fargānī (. Hälfte . Jhd.)  Fibonacci → Leonardo Fibonacci Firmicius Maternus (. Jhd.) 

Namensverzeichnis Franciscus Pipinus (gest. ) LX XIV

Friedrich II., Kaiser (– )  al-Faiyānī (= aus Jaén, . Jhd.)  Galen (– n. Chr.) XLIII ,  f. Galippus (. Jhd.) LXV IIf.,  Georg, Bischof der Araber (–)  f. al-Ghazālī (/–) XV III, XLV III–L, LX X,

, , , ,  Guido von Arezzo (gest. )  Gundissalinus → Dominicus Gundissalinus al-Haffāf (um –) ,  al-Haiuam (–/) –, ,  f.,  al-Hallāf (–) X X XII al-Iattābī (–) XIV Henricus Aristippus (gest. um )  Hermann der Deutsche (gest. ) , , ,  Hermann von Kärnten (. Hälfte . Jhd.)  Heron von Alexandrien (. Hälfte . Jhd. n. Chr.) , ,  Hieronymus von Mähren (. Hälfte . Jhd.) , 

349

Hugo von St. Viktor (gest. ) LX X f.,  Hunain ibn Ishāq (–)  f., , , , , , , ,  al-Iwārizimī (um –) XIX, X XIII, X XIX, X X XVf., XLII, XLVIII , ,

, ,  f., , – Ibn Abī UsaibiÝa (nach – ) LIII ,  Ibn al-Akfānī (gest. )  Ibn Amāf ūr (. Jhd.)  Ibn Bāffa (um –) ,  Ibn al-Bitrīq (um  – um ) , , , –,  Ibn Ialdūn (–) XL, Lf., , , ,  Ibn Iallikān (–)  Ibn Hanbal (–)  Ibn Hazm (–) XLII, XLV II

Ibn al-MuqaffaÝ (um  – um )  Ibn NāÝima (um  –)  Ibn Ridwān (–/)  Ibn Rušd (–) XLIXf., LXIf., LXIX , , , ,  f., , , , ,  Ibn Sahl (. Hälfte . Jhd.)  Ibn as-Sarrāf (um – /) XI

Ibn as-Sikkit (gest. )  Ibn Sīnā (–) XL, XLIII, XLV III, LXI, LXIXf., , , , , 

350

Namensverzeichnis

Ibn Tufail (–) XIII , ,  f. Ibn Tumulūs (/–) XLIXf., LIII , ,  Ibn ZurÝa (–) ,  Ibrahim ben Bakkūs (. Jhd.)  al-Idrīsī (um  – um )  Ishāq ibn Hunayn (um –)  f., , , , ,  f., , , , –, , ,  Isidor von Sevilla (um –) LX X

al-Istairī (. Hälfte . Jhd.)  Jakob von Edessa (gest. )  Jakob von Venedig (. Hälfte . Jhd.) , ,  Jehuda ÝAqnīn (um –) LVf., , , ,  f., , , ,  f. Johannes Hispalensis → Johannes von Toledo (oder Sevilla) Johannes Philoponos (./. Jhd.) X X , , ,  Johannes von Toledo (oder Sevilla, . Jhd.) , , ,  al-Kindī (–) X XIIf., XLV, , ,  f., , , , , , ,  Kepler, Johannes (–)  Leonardo Fibonacci (/– )  Leukipp (. Jhd. v. Chr.) 

al-Mahdī, Kalif (reg. –)  Maimonides → Moses ben Maimon al-MaÞmūn, Kalif (reg. –)  MāšāÞallāh (gest. um )  al-MasÝūdī (vor –)  Menelaos (um  n. Chr.)  Michael Scotus (vor  – um ) , –,  Miskawaih (–) X XV– XV II ,  Mohammed (um –) ,  Moses LV I Moses ben Maimon (–) ,  Moses von Rieti ( – nach ) LV II al-Munaffim (um –)  al-Muqtadir, Wesir (reg. – ) X XIV an-Nairīzī (um )  Nasīr ad-Dīn at-Tūsī (– )  Nikolaus von Damaskus (. Jh. v. Chr.)  f. Nikomachos von Gerasa (. Hälfte . Jhd. n. Chr.) , , ,  Nizām al-Mulk (/– ) LI Olympiodoros (. Jhd. n. Chr.) X X ,  f., 

Namensverzeichnis Pappos (um  n. Chr.)  Paul der Perser (. Jhd.) X XV– XV II , , , , ,  Petrus Abaelardus (– ) LX ,  Philon von Byzanz (. Jhd. n. Chr)  Philoponos → Johannes Philoponos Pipinus → Franciscus Pipinus Pius II ., Papst (reg. –) LV II

Plato (/–/ v. Chr.) XV IIf., X X XV I, X X XIX , , , ,  f., ,  f.,  Porphyrios (um –/)  f.,  Probus (. Jhd.)  Proklos (–)  Pseudo-Euklid (Daten unsicher)  Ptolemaios (um  – um  n. Chr.) LV III, LXIX ,  f.,  f., , , –

351

ar-Rīwandī/Rēwandī ( – . Hälfte . Jhd.) X X XV III ,  f. Robert von Chester (Mitte . Jhd.) ,  Robert Grosseteste (um – )  Roger II., König (–)  Roger Bacon (um –) LX XII , ,  Safī ad-Dīn (um –)  aš-ŠāfiÝi (–) X XI, X X XV If.

Sayf ad-Dawla (/–) XI, XV II ,  Sībawaih (gest. ) X XI , , ,  Simplikios (. Jhd.) X X Socii (Gerhards von Cremona) LV IIIf., LXII, LX XV

Sokrates (um – v. Chr.)  Suhrawardī (-) XL Stephanos (. Hälfte . Jhd.) XX

Qalonymos ben Qalonymos (/ – nach ) LV II , , , ,  f., ,  al Qiftī (–) XV IIf., , , , ,  f.,  Qustā ibn Lūqā (um –) X XIII, X X XIII , , ,  Rhazes → ar-Rāzī ar-Rāzī (–) , 

as-Sūfī (gest. )  Uābit ibn Qurra (–) , , , ,  Taeārī (Istifan Ibn Basīl, . Jhd.)  Themistios (um  – um ) , , , ,  f.,  Theodosios (. Hälfte . Jhd. v. Chr)  Theon (. Hälfte . Jhd. n. Chr) 

352

Namensverzeichnis

Theophrast (– v. Chr.) XLV, , ,  Theophilos von Edessa (gest. )  Thomas von Aquin (–)  Timotheus I., Patriarch (– )  Vinzenz von Beauvais (vor −) LX XII , ,  Wilhelm von Moerbeke (um –) , , , , , , , 

Wilhelm von Ockham (/ –)  Witelo (um  – nach )  Yahyā ibn ÝAdī (/–) XLVII , ,  f., , ,  Yonan (. Jh.)  Yūhannā ben Hailān (um  – um ) XI–XIII, XV, ,  az-Zarqālluh (Anfang . Jhd. – ) 

(2) Moderne (19. und 20. Jahrhundert) Abdel Haleem, M. X XI ,  f.,  Abed, S. B. , ,  Adonis, A. A. S. ,  ÝAfam, R.  Allard, A. ,  Alonso, M. LIV, LXIII f., LX XI f.

d’Alverny, M.-Th. LXV II f., LX XIII–LX XV Amīn, U. LIIf., , ,  Anawati, M. M. X X XV III, XLV II ,  Aouad, M. XLIX , , ,

,  Arisi, F. LX XIV Arnaldez, R. 

Asín Palacios, M. LIII , ,  Arnzen, R.  Badawi, A. X X Baeumker, C. ,  Bakar, O. XIIIf., XV I, X X XV II, XLII , ,  Bardenhewer, O. LXV Baumstark, A. X XIX Baur, L. LX XI Beichert, E. A. X X XV III ,  Bergsträsser, G. X XI ,  Bermann, L. V. X XI Bischoff, B. LX XIII Black, D. L. ,  Bloch, A.  Bonitz, H. 

Namensverzeichnis Bouyges, M. LII, LIV, LX X , , , ,  Brock, S.  f., ,  f. Brockelmann, C. XV III , ,  Burnett, Ch. LVIII–LX, LXII, LXIVf., LXVIII, LX XIIIf., , , , , ,  Busard, H. L. L. – Butterworth, Ch. E. , , , –, , ,  Camerarius, W. LV, LX XII ,  Cantarino, V. ,  Cantor, M.  Chabrier, J.-Cl. ,  Chejne, A. G. XLV II Cortabarria Beitia, A. X XIII Dahiyat, I. M.  Daiber, H. X XIII, X XI– X X XIII, LXIII , , ,  David, M. LV I Derenbourg, H. LII Deslie, L. V. LX XIII Dieterici, F.  Dod, B. G.  Druart, M. Th. XLIV,  Dunlop, D. M. XII, XV III ,  Efros, I. LV I Elamrani-Jamal, A. X XIV, X XV III, X X XV III, XL, XLV II , , , , , ,

,  f., ,  f.

353

Endreß, G. XV II, X X, X XIIf., X X X, X X XV III, XLV IIf., L, , , , , , ,  f., , , –, , , ,  d’Erlanger, R.  Ess, J. van XIII , , ,  f., ,  f.,  Fakhry, M. XIIf., XV, LI, LXIII , , , , , , ,  Farmer, H. G. X X XV III, LII, LIV, LXIII , ,  Frege, G.  Freudenthal, G. ,  Friedmann, I. ,  Gätje, H. XIV, X XV IIIf.,  f., ,  Galston, M. S. ,  Gardet, L. X X XV III, XLV II ,  Georr, K.  Gigon, O.  f., ,  Göller, G.  Goichon, A.-M.  Goldziher, I.  Gottschalk, H. B.  Gramlich, R.  Grant, E. LV III Grinaschi, M. LXIX , ,  Güdemann, M. LV, , , ,  f., , , ,  Gutas, D. XIII–XV, X X, X XV–X XV II, X X XIXf., LX X XIII , , , , ,  f., , , 

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Namensverzeichnis

Haas, M. ,  f., ,  Haddad, F. XIII Haq, S. N.  Hasnaoui, A.  al-Hassan, A. Y.  Hein, Ch.  Heinrichs, W. X X XV III, XLI , , ,  f.,  f., – Hill, D. R.  Hugonnard-Roche, H. XV I, X X, LXII, LXIVf., LX X , , –, –, , , ,  Isaac, M. Th. LX XV II Jacobi, K.  Jaff ray, A. XIV, X XV III Jolivet, J. X XIII, XLV, LXIV

Juschkewitsch / Youschkevitch, A. P. , ,  f.,  f. Kemal, S.  Kennedy, E. S. ,  Kern, A. LX XV I Kibre, P. LX XIII King, D. A.  f. Klein-Franke, F.  Koningsveld, P. S. LXV II Kosegarten, J. G. L.  Kraus, P.  Kruk, E.  Kühn, W. X XIV Kunitzsch, P. LV III, LXI, LXVf.,  f.,  f. Kutsch, W. 

Lameer, J. , , ,  f., ,  Langhade, J.  Leaman, O. ,  f. Lemay, R. LV III, LXIIIf., LXV III , , ,  f., ,  f., , ,  f., –, ,  f.,  Lerner, E.  Lewis, B.  Lindberg, D. C.  f. Lorch, R. LX XIII Mach, R. LII Maddison, F.  Madkour, I.  Mahdi, M. XIIIf., XV If., X X XV IIIf., LIII , , , , , , , , , ,  Makdisi, G. X X XVf. Maroth, M.  Martin, A.  f. McVaugh, M. LV III Meier, F.  Meyerhof, M. X X , ,  Minio-Paluello, L. LXV I , , ,  Moraux, P. X XIII ,  f.,  Morelon, R. , , ,  Müller, A. LIII Najjar, F. M. XV II , ,  Nasr, S. H. XV IIIf.,  Netton, I. R. XLV II , ,  O’Donnel, J. R.  O’Leary, de Lacy X X

Namensverzeichnis Opelt, I. LXV I Pätzold, M. ,  Palencia, A. G. LIIf., LX X X , , , , , , – ,  Palacios → Asín Palacios Pavlin, J. X XI ,  Peters, F. E. X X , , –, –, , , , , –, , ,  f. Pichot, A. ,  Plessner, M. XLIII de Poorter, A. LX XV II Radtke, B.  Ramón Guerrero, R.  Randel, D. M. ,  Rashed, M.  Rashed, R.  f., , – Rescher, N. ,  f.,  f. Richter-Bernburg, L. ,  Rijk, L. M. de  Rolfes, E. ,  Rosenfeld, B. , ,  Rosenthal, F. XIV, X XIII, XLII , , , , ,  Rozhanskaya, M. M.  f. Rudolph, U. XV II, X X X, XL

Savage-Smith, E. XLIII Schacht, J. X XI Schimmel, A. X X XII Schmidt, R. T.  Schneider, J. H. J.  Schoeler, G.  Schoonheim, P. L. LXV I, LXV III, LX X XII ,  f. Schupp. F. X X, LXV III, LX X XIII , , , ,  Serra, G.  Seybold, C. F. LXV II Sezgin, F. , , ,  Shehadi, F. ,  Steinschneider, M. XV III, LIII, LV If.,  f.,  f., , , , , , , , , , ,  Steinthal, H. X XIX , ,  Stern, S. M.  Strauss, L. LV If.,  Strohmaier, G. XLIII ,  f. Sudhoff, K. LV III Suwaisi, M.  Tachau, K. H.  Th illet, P.  f. Thorndike, L. LX XIII Tkatsch, J. 

Russell, G. A.  Sainati, V.  Saliba, G.  f. Salmon, D. LXIX ,  Sambursky, S. ,  Sarton, G. LV III

Ullmann, M.  Urvoy, D. ,  Vernet, J. , ,  Versteegh, C. H. M.  Vieta, F. 

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Namensverzeichnis

Walzer, R. XIIIf., XV II, X X, X XV, X XV III , , –, , , ,  Weber, M. C. LX, LXIV, , ,  Wehr, H. LX X XIII und bei allen arab. Wörtern Weidemann, H. – Weisheipl, J. A. LXIX Westerink, L. G. X X

Wiedemann, E. ,  f., , –, ,  Wright, O. , ,  Wright, W.  Zimmermann, F. W. XIVf., XLIII , ,  f., ,  Zonta, M. LV II, LXIIf., , , ,  f., , 

S AC H V E R Z E IC H N I S

Ähnlichkeiten X X X, XLV I , , –, , ,  Akzidenzien , –, –, ,  f. Alchemie X XIII, LV II Algebra , ,  f. Alphabet  – Buchstaben , , ,  – diakritische Zeichen , ,  f. Analyse / Synthese ,  f. Araber X XIV, , , ,  ÝA rabiyya ,  f. Architektur , ,  Argumentation  → Beweis, Logik Arithmetik X XIII , L, , , , , , , ,  → Zahlen – angewandte/theoretische ,  – Addition ,  – Division  – Multiplikation  – Subtraktion ,  AšÝariten  Astrolabium  Astrologie X X, X XIII, XLIV, LIX , , – Astronomie X X, X XIII, XLV I, LIX , , , , , , , – → Himmel, Kometen, Sterne – Epizyklen 

– Sonnenaufgang/Sonnenuntergang  – Sonnen-/Mondfinsternis  – Sternentafeln ,  f. Atomismus  f.,  Bedeutung → Sprachwissenschaft Beweis X X X, X X XIX, XLI f., XLV, , , , , , , –, , , , , , , –, ,  f., , ,  Bibel , ,  f. Bilder → Ähnlichkeiten Biologie → Pflanzenkunde, Tierkunde Dichtung → Poesie Dualismus ,  → Manichäer, Zoroastrier Elemente → Prinzipien – als mathematische Grundlagen  – als Grundlagen der Körper , ,  f. Erde , , , ,  – Bewegung ,  f. Erfahrungsgegebenheiten ,  – gesellschaftliche , 

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Sachverzeichnis

– medizinische  – naturwissenschaftliche → Sinneswahrnehmungen Erfindungen, nützliche → Mechanik Erfindungsgeist ,  – Arten  f. Erkenntnis → Methode – angeborene ,  – Hindernisse  – sichere → Beweis, Gewißheit, demonstrativer Syllogismus Ethik XLVf., , ,  Etymologie ,  Existenz /Existierende –,  f. – Anzahl  – Erstes/Einziges/Vollkommenstes ,  → Gott – Körper/Nicht-Körper  – Über-/Unterordnung ,  – Vollkommenheit  Falschheit , , , , ,  → Irrtum Form –, – Frauen  Gebetszeiten/Gebetsrichtung  f. Gebräuche – → Gewohnheiten, Sitten, Sunna, Verpfl ichtungen Gedächtnis → Mnemotechnik Geheimnisse, religiöse , , 

Geographie ,  f. → Klimazonen Geometrie X XIII , L , , , – , , , –,  f. – angewandte/theoretische ,  – Anordnung (von Punkten usw.) – – Figur/Gestalt , ,  – Fläche –, ,  – Gleichheit/Ungleichheit ,  – Größen ; kommensurable/ inkommensurable ; proportionale/nicht proportionale ; rationale/irrationale  – Lage ,  – Linie –, ,  – Körper –; Kegel, Kugel, Prisma, Pyramide, Würfel, Zylinder ,  – Materiefreiheit  – Punkt ,  – Winkel  Gesetz – islamisches  f. – positives  Gesetzgeber  f. → Herrscher, Prophet – einer Religionsgemeinschaft ,  Gewichte , , , , ,  f. – als Gegenstand der Wissenschaft  Gewißheit –, , , , , , ,  f.

Sachverzeichnis Gewohnheiten –,  → Gebräuche, Sitten, Sunna, Verpfl ichtungen Glaube/Wissen X X ,  f. → Offenbarung und Vernunft Glückseligkeit XLI , , ,  f.,  f. – wahre/vermeintliche  Gott ,  – Allah  f.,  – Eigenschaften  – Einheit ,  – Handlungen  – Namen ,  f. Grammatik X XI, X XIII– X XV, X X XIV–X X XV I, X X XIX, XLVf., XLV III, L, LX, LXIII –, , ,

– – – – – – – – – – – –

 → Morphologie, Regeln, Sprachwissenschaft arabische/griechische ,  Deklination/Konjugation , , , , , –,  Determination (Artikel) ,  Eigennamen ,  Imperativ ,  f. Konsonanten/Vokale , ,  Kopula  f. Nomen X XV III , ,  Partikel X XV IIIf., –,  f.,  Partizipien  Präfi xe  Präpositionen , , –, 

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– Singular/Dual/Plural , , , ,  – Suffi xe  – Syntax ,  – Verb XXVIII , , –, , , , ; starke/schwache  – Verbalsubstantiv ,  f. – Vokalisierung , ,  – Wurzelradikale ,  f. – Zeitbestimmungen , , ,  Häßlichkeit  Haltung ,  → Gebräuche, Gewohnheiten, Sitten Hanbaliten  Handels-Rechenkunst L ,  Handlungen ,  – gemeinsame  – göttliche  – gute/schlechte  – willensbestimmte –,  Handlungsziele  – für dieses Leben  – für das endgültige Leben  Handschriften – Breslau (ms.  TE ) XIII – Brügge (ms. ) LX XV IIf. – Graz (ms. ) LX XVf. – Istanbul (Hamidiyya ms. ) XIII

– Istanbul (Köprülü ms. ) LIIf. – Lucknow LII – Madrid (Escorial ms. ) LII–LIV, LV II – Nafaf LII–LIV

360

Sachverzeichnis

– Paris (ms. ar. ) XIII – Paris (ms. lat. ) LX XIII– LX XV

, , , ,  f. → Falschheit Ismailiten XLV II , 

– Princeton (, ms. Jahuda ) LII–LIV

Hārifiten  Hebel , , ,  Heilmittel , ,  Herrscher XV II, X X XI, X X XIII, XLI

– Befähigung –,  – Erziehung ,  – ideale XLIV, , , , ,  f.,  – Klugheit  f. – Nachfolge , , ,  – und Philosoph – – und Prophet  f. – schlechte ,  f.,  – als Seelenarzt ,  Herrschaft  – beste ,  – schlechte/unwissende – – Ziele –,  Himmel , , , , ,  → Astronomie Imam  f.,  Inspiration , ,  Instrumente , , ,  – Gewichte ,  → Waage – in der Astronomie → Astrolabium – in der Mechanik ,  → Hebel, Waffen – in der Musik → Musik – in der Optik  → Spiegel Irrtum , –, , , , ,

Kinder , ,  Klimazonen ,  f. König → Herrscher Kometen ,  → Astronomie Koran X XI , , , , , ,  → Offenbarung – Interpretation , ,  Körper , , ,  → Geometrie, Naturwissenschaft – einfache ,  – lichtdurchlässige ,  – künstliche –,  – natürliche , , , , ,  f.; Entstehen/ Vergehen ,  f.; Erleiden ,  f. – zusammengesetzte , ,  Kunst(fertigkeit) XLIII , , , , , ,  Landwirtschaft ,  Laut , , ,  Lesekunst , , ,  Lexikographie L, ,  Literaturwissenschaft  Logik XIII, X XIII–X XV, X X XIX, XLII, XLV–XLIX, LI, , , ,  f.,  f., 

→ Beweis, Syllogismus – Aussage  f.,  – und Ethik , – – und Grammatik XLV II , , , , ,  f., 

Sachverzeichnis – – – – –

als Instrument ,  und Mathematik ,  f. Nutzen –,  f. und Psychologie  stoische ,  f., ,  f.,  f. – als Wissenschaft/ Kunst(fertigkeit) , ,  Logos , , , ,  – innerer/äußerer , ,  f. Manichäer ,  Masse/Elite X X Xf.,  f. Materie , , –, , ,  f.,  Mathematik X XIII, X X XII, X X XIX, XLVf., L f., ,  f., , , , ,  → Algebra, Arithmetik, Geometrie – Materiefreiheit  f., ,  – Prinzipien ,  Mechanik X XIII , , , , ,  f. Medizin X X, X XIII, XLIIf., L, LV If., LXII , , , , ,  f. → Heilmittel Meinung , , , , , ,  f.,  f. → Wissen und Meinung Metaphysik X X XV II, XLIf., XLV If., XLV III, L, LV I , –, , –, ,  → Existenz, Ursachen Methoden ,  → Ordnung, Prinzipien, Regeln – der Erkenntnis , , , , ,  – des Herrschers 

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– der Logik  → Beweis, Syllogismus – der Mathematik → Analyse/ Synthese – der Naturwissenschaften → Ursachen – der islamischen Theologie → islamische Theologie, islamische Wissenschaft Meteorologie ,  f. Mineralogie ,  f. Mnemotechnik , ,  Mozaraber LXV IIf. Musik XIV, X XIII, X X XV I, L , , –, , – – Instrumente, natürliche/ künstliche , , , ,  – Intervalle/ Zahlenverhältnisse  – Komposition , ,  – Melodie –,  – Notenzeichen  – praktische/theoretische , ,  – Rhythmus ,  f. – Töne/Tongeschlechter , ,  – Wirkung , ,  Mutakallimūn –, ,  f.,  f. MuÝtaziliten X XII , , , ,  Mystik XV IIf., X X XIII , ,  → Sufi Naturwissenschaft XLV III , , –,  → natürliche Körper, Ursachen, Astronomie,

362

Sachverzeichnis

Optik, Meteorologie, Mineralogie, Physik, Pflanzenkunde, Tierkunde Nestorianer XI, X X, X XV If., –,  Neuplatonismus X X XII , , , , –, ,  Offenbarung X XI, XLV I , –,  f. – und Vernunft XLV III , , , –,  → Glaube und Wissen Optik XLV I , , –, , – → Strahlen – Betrachtung aus Entfernung  – Instrumente  → Spiegel – Verhältnis zur Geometrie ,  Ordnung ,  – der Argumente  – in der Astronomie ,  – in der Logik , , , ,  – in der Mathematik  – in der Mechanik  – in der Metaphysik ,  – in der Musik  – in der Seele des Menschen  – in der Sprache –,  – in den Städten ,  – in der Theologie (höhere Ordnung)  Pflanzen/Pflanzenkunde , , ,  Phantasie 

Philosophie XIIf., X XIII, LI , ,  – Definition X X, X XII – Einteilung X X, X XII, LX X–LX XII

– Gegenstand  – Teile , , ,  – theoretische/praktische ,  f. – Ziel X X XI ,  Physik X XIII, X X XII, X X XIX, XLVf., L , ,  f., ,  Poesie/Poetik XXIII, XXX, XXXVf., XXXIX, XL, L , , , , , , –, , , , f., –,  → Ähnlichkeiten, Phantasie, Vorstellung, Vorstellungskraft – Hymnen  – Metrik/Zeitmaße L, , , , ,  f. , ,  – Reimlehre , ,  – Verslehre , ,  f.,  f., ,  f. Politik → Gesetz, Herrscher, Masse/Elite, Staatswissenschaft Prinzipien , ,  – der Welt → Metaphysik – der Mathematik ,  – der Mechanik  – der Musik ,  – der Naturwissenschaften , –, ,  → Form, Materie, Wirkursache, Ziel – der Optik  – der Rechswissenschaft 

Sachverzeichnis – der Theologie  Prophet XV II, X XI, X X XI, XLI, LV I , ,  Prophetie , ,  Pythagoreismus ,  f., ,  → Sphärenharmonie Rechtswissenschaft X XI– X XIII, X XIX, X X XIV, X X XVI, X X XIX, L , ,  f.,

, , , – Redner, theologische → Mutakallimūn Regeln , ,  – der Grammatik –, , , –,  – der Logik –, , , – – der Politik  Regenbogen  Religion  – Gründer , , , , ,  – Handlungen ,  – Interpretation ,  f. – Lehren , – – Verteidigung durch Argumente –; durch Kampf  Rhetorik X X X, X X XIX, XL , L, , , –, , , , , , , , ,  → Überzeugung Schiiten XV II, LI ,  f. Schönheit  Schöpfung  Schreibkunst / Schriftkunst X XIII , , , 

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Seele X XIII , , , , , , , , ,  – Seelenlehre – – Unsterblichkeit , , –  Sehen – → Optik – Emissions-/ Rezeptionstheorie  – und Erkenntnistheorie  – und Medizin  Sicherheit → Gewißheit Sinneswahrnehmungen , , , ,  → Erfahrungsgegebenheiten Sitten ,  → Gebräuche, Gewohnheiten, Sunna, Verpfl ichtungen Sophisten  Sophistik X X XIX , , , , , ,  → Täuschung Sphärenharmonie  Spiegel , , , ,  – Brennspiegel ,  Sprache und Denken X XIV, ,  → Logos Sprachwissenschaft , ,  → Alphabet, Grammatik, Dichtung, Lesekunst, Lexikographie, Literaturwissenschaft, Schriftkunst – Ausdrücke, einfache (Worte) , , , , ,  – Ausdrücke, zusammengesetzte (Sätze) , , , ,  – Bedeutung , ,  f., , ,  – Einteilung ,  – Konventionalismus  f.

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Sachverzeichnis

– Morphologie ,  – Silben  f. – Umgangssprache/Fachsprache  – eines Volkes , ,  Staatsphilosophie  Staatswissenschaft X XIX, X X XIIf., X X XIX, XLIf., XLV I , , , –, ,

 → Gesetze, Herrscher, Masse/Elite Stadt – als gesellschaftliche Einheit ,  f. – Gesetzgebung –,  – und Nomaden XL ,  – Verfallserscheinungen ,  Sterne ,  – Abstände  – Bewegungen ,  – Größe  – Lage  – Orte  – Planeten  Stoiker X XIX ,  → Logik, stoische Strahlen , ,  → Spiegel – geradlinige  – gebrochene ,  – reflektierte  – umgekehrte ,  Sufi XV IIf.,  Substanz ,  Sunna  Sunniten LI ,  Syllogismus , , , , – , , ,  – demonstrativer 

– – – –

poetischer , , ,  rhetorischer , ,  sophistischer ,  topischer , 

Täuschung , , , , ,  Theologie – christliche  – griechische X X XII ,  f. – islamische X XIf., X XIII, X XIXf., X X XIV, X X XV IIIf., L, LV I, , –

, ,  f., , –,  → AšÝariten, Hanbaliten, Hārifiten, Mutakallimūn, MuÝtaziliten Tiere/Tierkunde , , ,  f. Topik , , , , , ,  f. → Meinung Überprüfung , , ,  → Beweis, Syllogismus, Wahrheit Überzeugung , , , ,  Überzeugungskraft  Ursachen X XIX, XLIII , , ,  → Form, Materie, Wirkursache, Ziel – erste  → Gott Vakuum  Vernunftgehalte , , , , , , , , , –, ,  – einfache/zusammengesetzte  Vernunftüberlegung , , , , , ,  → Beweis, Syl-

Sachverzeichnis logismus, Überprüfung, Wahrheit Verpfl ichtung, sittlich/religiöse  f., ,  → Sitten, Gebräuche, Gewohnheiten, Sunna Völker , , , , , , ,  f.,  – und Sprachen  – und natürliche Umwelt  Voraussicht ,  Vorstellung, imaginäre , ,  Vorstellungskraft  f., ,  Waage ,  f. Waffen  Wahrheit X X X, XL, XLIII , –, , , , , , , , , , ,  f., , , ,  Weg → Methode Weissagungen , , ,  f. Welt ,  → Astronomie – Ewigkeit  f. Wille , – → Handlungen – Freiheit  f. Wirkursache , ,  Wissen , , ,  f. → Beweis, Gewißheit, demonstrativer Syllogismus, Offenbarung und Vernunft – und Irrtum  → Falschheit, Irrtum – und Meinung ,  Wissenschaft ,  – göttliche → Metaphysik

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– islamische/griechische XIX– X X X, X X XV III–XLI, XLV I , ,  f. – islamische X XIf., XLI, XLIII, LXIII , –, –

 – Lernprozeß XLIV–XLV I – Nutzen  – Rangordnung XLI – theoretische/praktische , , , , ,  f.,  Wunder , , ,  Zahlen , , , , – → Algebra, Arithmetik – ähnliche/unähnliche ,  f. – gerade/ungerade  – gleiche/ungleiche  – kommensurable/inkommensurable ,  – proportionale/nicht proportionale ,  – quadratische, flächenhafte, körperhafte ,  – rationale/irrationale , , ,  – vollkommene/unvollkommene ,  f. – als Weltprinzpien  → Pythagoreismus Zeichen → Alphabet – der Sterne ,  – für Töne  Ziel → Handlungsziele, Herrschaft – als Ursache –,  Zirkel  Zoroastrier X XIV, , 