Bayern zur Reichsverfassungsreform: Auf Grund der bayerischen Stellungnahme auf der Länderkonferenz 9783486756654, 9783486756647


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German Pages 62 [68] Year 1928

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Table of contents :
I. Einleitung
II. Für den Einheitsstaat?
III. Gegen den Einheitsstaat
IV. Der Bundesstaat vor und nach 1918
V. Reform des Bundesstaates
VI. Schlußbemerkung
Inhaltsverzeichnis
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Bayern zur Reichsverfassungsreform: Auf Grund der bayerischen Stellungnahme auf der Länderkonferenz
 9783486756654, 9783486756647

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Bayern zur

Reichsverfassungsreform Auf Grund der bayerischen Stellungnahme auf der Länderkonferenz

bearbeitet von

Ministerialrat Heinrich von Jan

Verlag von R.Oldenbourg, München-Berlin 1928

Druck von R. Oldenbourg, München

I. Einleitung. In den letzten Monaten sind eine Unzahl von Abhandlungen über das Problem der deutschen Verfassungsreform erschienen. Sie betrachten die Frage meist vom unitaristischen Boden aus. Das ist kein Wunder. Die Unitaristen sind im Angriff und zuerst kommt überall der Angriff. Der Verteidiger setzt erst dann ein, wenn er Weg und Ziel des Angreifers erkannt hat. Der Standpunkt der Verteidiger, der Föderalisten, ist nichts Neues, was jetzt erst festgelegt werden müßte. Ihre Gedankengänge sind seit Jahrhunderten bekannt. Allerdings hat man sie in dem geistigen Ringen der letzten Monate um die zukünftige Form des Deutschen Reichs bisher nicht in dem Maße der Öffentlichkeit immer wieder vorgeführt, wie dies von der anderen Seite mitihren Gedanken geschieht. Bayern hat in den letzten Jahren sich zum Vorkämpfer der Föderalisten gemacht. Schon bei der Vorberatung der Weimarer Ver­ fassung hat es getan, was in seinen Kräften stand, um dem Unitarismus entgegenzutreten. Es hat sich weiter in den Jahren 1924 und 1926 bemüht, durch zwei an den Reichsrat gerichtete, aber auch der Öffent­ lichkeit zugänglich gemachte Denkschriften die Aufmerksamkeit der politisch interessierten Kreise auf die Gefahren hinzuweisen, die in einer verfehlten Entwicklung des Deutschen Reiches zum Einheits­ staate liegen. Bei der Länderkonferenz im Januar dieses Jahres hat vor allem der bayerische Ministerpräsident eingehend dargelegt, wie man in den Kreisen der Föderalisten zu dem zurzeit aktuellen Problem der Verfassungsfrage denkt. Eine vor kurzem im Verlag von Oldenbourg in München er­ schienene Broschüre von Ministerialrat Sommer hat sich bemüht, die einschlägigen wirtschaftlichen Gesichtspunkte zu beleuchten. Auf­ gabe der folgenden Ausführungen ist es, die auf der Länderkonferenz von bayerischer Seite geltend gemachten sonstigen Gesichtspunkte, vor allem die staatsrechtlichen, nochmals vorzuführen. Die Dar­ legungen beruhen mit auf den Arbeiten einer Kommission, die mit der Vorbereitung der bayerischen Stellungnahme auf der Länder1

konferenz betraut war und der auch der Bearbeiter angehört hat. Für die geschichtlichen Ausführungen hatte sich der Herausgeber noch der außerordentlich dankenswerten Unterstützung des in­ zwischen verstorbenen bekannten Münchner Historikers, Geheimrat Professor Dr. Doeberl, zu erfreuen. Ein von ihm in der Bayerischen Staatszeitung im Dezember 1923 veröffentlichter Aufsatz, „Das bayerische Problem", wurde dabei mit benützt, um seine über­ zeugenden Gedankengänge der Vergessenheit zu entreißen. Die Grundlage für den staatsrechtlichen Teil der Arbeit bilden die Ausführungen des Ministerpräsidenten Dr. Held auf der Länder­ konferenz.

II. Für den Einheitsstaat? Das deutsche Volk hat von jeher in mehr oder weniger stark ausgeprägten föderativen Gemeinschaftsformen gelebt. Wenn je­ mand vom deutschen Volke das Aufgeben dieser Form und die Ent­ wicklung zum Einheitsstaat verlangt, darf daher wohl von ihm eine Begründung dieses Verlangens erwartet werden, welche die Not­ wendigkeit einer solchen einschneidenden Umwälzung der Staatsform klar und überzeugend erkennen läßt. Sonst können die Verteidiger der bestehenden Gemeinschaftsform ein solches Verlangen leicht abtun. Was hiezu von unitaristischer Seite vorgebracht wird, ist aber für den objektiv Denkenden durchaus nicht beweiskräftig. Zunächst kommt man stets mit dem Schlagwort vom billigen Einheitsstaat.*) Hierdurch sollen „Milliarden" erspart werden können, wie Reichsminister a. D. Koch-Weser in seiner Broschüre „Einheitsstaat und Selbstverwaltung" auf S. 19 feststellen zu können glaubt. Es ist selten etwas Irreführenderes behauptet worden. Das Schlagwort kann aber jetzt wohl, nicht zuletzt auch durch die Be­ mühungen von bayerischer Seite als erledigt gelten. Das hat sich vor allem auch auf der Länderkonferenz im Januar dieses Jahres deutlich gezeigt. Statt weiterer Ausführungen darf ich auf die stati­ stischen Nachweisungen meines Kollegen Sommer in seiner in der Einleitung erwähnten Broschüre Bezug nehmen. Die Notwendig­ keit und Möglichkeit einer Verwaltungsreform im einzelnen soll da­ mit durchaus nicht bestritten werden. Sie ist aber nicht von der Ver­ wirklichung des Einheitsstaates abhängig. Zentralismus arbeitet nie billig, selbst wenn er sich „dezentralisiert" nennt. Es gibt billig und teuer arbeitende Einheitsstaaten, wie es billig und teuer arbeitende Bundes­ staaten gibt, wobei außerdem auch noch zu bedenken ist, daß das *) Vgl. z. B. die Ausführungen von Staatssekretär Dr. Weißmann „Staats­ rechtliche Gestaltung des Deutschen Reiches" im Dezemberheft von 1927 „Nord und Süd" und die Erwiderung des bayer. Finanzministers Dr. Schmelzte im Januar­ heft der gleichen Zeitschrift: „Das Deutsche Reich — ein Bundesstaat."

Billigste nicht immer und überall auch das Beste ist. Auch der preußische Ministerpräsident Braun hat auf der Länderkonferenz das Argument des billigen Einheitsstaates als nicht beweiskräftig abgelehnt. Auch zur Beseitigung des vielfach hervorgehobenen Neben­ einander-, Gegeneinander- und Durcheinanderregierens ist die Er­ setzung des Bundesstaates durch den Einheitsstaat nicht notwendig. An dieser Art des Regierens hat niemand weniger Freude als die Einzelstaaten selbst, weil auch sie dadurch in ihrer Kraft vielfach ge­ bunden und gehemmt werden. Dieser Mangel ist aber keinesfalls ein notwendiges Attribut des Bundesstaates. Auch in anderen Bun­ desstaaten hat sich vielmehr ein geeigneter Weg zur reinlichen Schei­ dung zwischen Oberstaat und Unterstaaten finden lassen und bis 1914 war von einem Gegeneinanderregieren zwischen Reich und Ländern nie die Rede. Ein solches wird daher bei gutem Willen sich auch in Zukunft vermeiden lassen, ohne daß man deshalb den Ländern ans Leben zu gehen braucht. Wenn weiter gesagt wird, daß die gemeinsame finanzielle Decke für Reich, Länder und Gemeinden zu kurz sei, so beweist auch das wohl nicht, daß deshalb einer aus dieser Familie zu verschwinden hat, sondern nur, daß, wie in einer Familie, eben alle miteinander sich entsprechend einschränken müssen. Die Länder sind der Mei­ nung, daß das möglich ist; denn sie müssen täglich sehen, daß der große Bruder immer Geld in der Tasche hat. Nur ein Wort zu dem auch manchmal gehörten Gedanken: „Wenn die Länder Staaten bleiben wollen, sollen sie diesen Luxus auch selbst bezahlen." Die Antwort darauf kann nur sein: Gerne, sobald man uns unsere Mittel wieder gibt, mit denen wir früher unsere Staatspersönlichkeit finanziert haben und die man uns inzwischen weggenommen hat. Solange man aber die Länder jeder Möglichkeit, sich selbst zu finanzieren, beraubt, kann ein solcher Gedanke einfach nicht ernst genommen werden. Als weitere Gründe für den Einheitsstaat führt der preußische Finanzminister Höpker-Aschoff in seiner Schrift „Deutscher Ein­ heitsstaat" weiter noch an: 1. Das Nebeneinander zweier Zentralgewalten in Berlin, der Reichsregierung und der preußischen Regierung. Die Beispiele, die er anführt, beweisen aber deutlich, woher die Mißstände kommen, nämlich davon, daß die Reichsgewalt in Dinge ein­ greift, die von jeher von der preußischen Regierung behandelt wurden. Bezeichnend ist die von Höpker-Aschoff bei Behand-

lung der staatlichen Bankinstitute gestellte Frage: „War es wirtschaftlich, die neue Bank (von Reichs wegen!) neben die alten (preußischen) Institute zu stellen?" Als Preuße kann er eben doch auch nicht durch dick und dünn mit der Reichs­ regierung gehen. Daß auf dem Gebiete des Antagonismus zwischen Reichsregierung und preußischer Regierung ein Aus­ gleich gefunden werden muß, ist klar. Daß er aber nur auf dem Wege des Einheitsstaates gefunden werden kann, ist nichts als eine Behauptung. Hierüber wird bei Behandlung des Pro­ blems: „Preußen und Reich" noch eingehend zu sprechen sein. 2. Die teuere und unvollkommene Verwaltung der kleinen Länder. Sie würde nur für die Notwendigkeit von Reformen sprechen und höchstens für Änderungen in der Verwaltung der kleinen Länder. Niemals aber kann damit die Notwendigkeit des Ein­ heitsstaates bewiesen werden. 3. Die Teilung der Gesetzgebung und Verwaltung zwischen Reich und Länder wird als besonders großes Übel bezeichnet, deshalb weil dem Reichsgesetzgeber die Erfahrung der Ver­ waltung fehle. Das führe dazu, daß das Reich unausführ­ bare Gesetze erlasse. Selbstverständlich muß sich der Gesetz­ geber die Erfahrungen der Verwaltung zunutze machen. Dem Reichsgesetzgeber stehen aber auch die Verwaltungserfahrungen der Länderverwaltungen jederzeit zu Gebote, wenn er sie nur benützen will. Wie eindringlich werden ihm solche oft zu Gemüte geführt, vielfach aber ohne daß sie beachtet werden. Es ist durchaus nicht ersichtlich, inwieferne Gewähr bestehen soll, daß dem Reichsgesetzgeber die Erfahrungen von Reichs­ verwaltungsbehörden zuträglicher sein sollen, als die von Lan­ desverwaltungsbehörden. Wenn Mängel in der Reichsgesetzgebungsmaschine bestehen, so sind sie im Bundesstaat genau so gut zu beheben, wie man dies vom Einheitsstaat zu erwarten scheint. Alle die angeführten Gründe beweisen also nichts für die Not­ wendigkeit des Einheitsstaates, sie beweisen höchstens die Reform­ bedürftigkeit des Bundesstaates als solchen. Die wahren Gründe, die dem Kampf um den Einheitsstaat zugrunde liegen, hat Staats­ minister Dr. Schmelzte in dem auf S. 3 erwähnten Aufsatz in „Nord und Süd" im Anschluß an ein geistvolles Werk eines Amerikaners über den Aufbau des amerikanischen Staates aufgezeigt. „Es ist

nicht der Kampf um eine bessere Einheit des deutschen Volkes oder um eine billigere Verwaltung oder um die Schaffung günstiger Voraussetzungen zur Erfüllung der Reparationsverpflichtungen, den die deutschen Unitaristen führen." „Es ist vielmehr der Kampf um die politische Macht. Das förderalistische System ist dem Streben der politischen Parteien nach Beherrschung des Reichs abträglich." Ms Ausgangspunkt für diesen Kampf der Unitaristen stellt Dr. Schmelzle die in weiten Kreisen Deutschlands herrschende Vorstellung von der Vorherrschaft oder gar Alleinherrschaft der Wirtschaft, die sich von den Fortschritten und Errungenschaften von Verkehr und Technik berauschen läßt, die Überschätzung der Materie und die Unter­ schätzung des Geistes fest. Es ist jetzt Mode geworden, alles nur auf seine Rentierlichkeit zu untersuchen. Ausgehend von der irrtüm­ lichen Auffassung der Wirtschaft, die das Reich als einen großen Fabrikbetrieb betrachten zu können glaubt, sucht man alle Werte von ihrer organischen Verbundenheit mit Geschichte, Recht, Volks­ tum und selbst mit der Natur zu lösen. Dem widersetzen sich aus guten Gründen die Föderalisten. Sie tun das auch dann, wenn man den Einheitsstaat im Gewände des „dezentralisierten Einheitsstaates" mit angeblicher Selbstverwaltung der Glieder aufmarschieren läßt, selbst wenn man den Gliedern des Reichs die „Selbständigkeit" lassen will, „wo kein durchschlagender Grund für eine einheitliche Regelung vorhanden ist" (Koch-Weser a. a. O. S. 4). Wäre das nicht bei einem Unitarier zu lesen, so könnte man sich fast über diese Unterstützung des föderalistischen Gedankens freuen. Leider sollen die Glieder des Reichs aber bei diesem Plan diese ihre Selbständigkeit nicht mehr kraft eigenen Rechts besitzen, und auch nur solange und soweit dies oben beliebt. Als selbständige Staatspersönlichkeiten hätten sie auch im dezentralisierten Einheitsstaat ausgespielt. Mit Recht führt Professor Dr. Henle in Rostock in der Bayr. Staats­ zeitung vom 26. März 1928 aus, das Schlagwort vom dezentrali­ sierten Einheitsstaat mit Selbstverwaltung der Länder sei „ein vollendeter Widersinn". Er weist darauf hin, daß der Einheitsstaat gerade der Gegensatz zur Selbstverwaltung der Staatsaufgaben sei und in der Aufhebung der Länder, in der Vernichtung der Selbst­ verwaltung besteht, wie auch niemand von städtischer Selbst­ verwaltung reden würde, wenn der Bürgermeister vom Staate ernannt oder unter die Leitung des Staates gestellt würde. Es ist zwar auf der einen Seite richtig, daß manche Anhänger des dezentra-

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lisierten Einheitsstaates den Einheitsstaat nicht wollen, aber ebenso auch, daß die meisten Anhänger nicht eigentlich dezentralisieren wollen, sondern daß es ihnen um Zentralisation zu tun ist. Daher werden sich wohl auch die überzeugtesten Vertreter dieses Schlag­ wortes darüber klar sein, daß damit der Weg zum Einheitsstaat so wenig frei wird, wie mit anderen „Zwischenlösungen", mit denen man diesen Weg erleichtern will, wie z. B. mit dem Apeltschen Re­ gionalstaat, den Wirtschaftsprovinzen, den gehobenen Selbstver­ waltungskörpern und ähnlichen Lösungen. Die Länder wollen Staa­ ten bleiben und jeder Weg zu einer Verfassungsreform, der zu einem anderen Ziel oder Ergebnis führt, ist für sie vollständig ungangbar. Dem hat Ministerpräsident Dr. Held auf der Länderkonferenz in der Zusammenfassung seines Referats unzweideutig Ausdruck ver­ liehen, wenn er gesagt hat: „Wir in Bayern lehnen den Ein­ heitsstaat in jeder Form ab."

III. Gegen den Einheitsstaat. 1. Der föderalistische Gedanke in der Welt. In der Diskussion der Frage des Einheitsstaates werden vielfach geschichtlich durchaus unrichtige Vorstellungen erweckt. Der Gang der Entwicklung wird so dargestellt, als ob sie vom Bundesstaat zum Ein­ heitsstaat naturnotwendig führen müsse. Man beklagt es, daß die deutsche Geschichte durch die Schuld der föderalistischen Bestrebungen bisher noch nicht zu dem Ergebnis des Einheitsstaates gekommen sei und glaubt, nun sei es an der Zeit, den Schlußstein in der notwendigen Entwicklung zu setzen. Im Gegensatze hiezu zeigt die Weltgeschichte, daß die Form des Einheitsstaates keineswegs überall und für alle Völker das einzig Richtige für die Gestaltung ihres Staatslebens ist. Wie unrichtig dieser Gedanke ist, zeigt eine Umschau nicht nur in Europa, sondern in der Welt. Unter den Großstaaten sind nur die romanischen, Frankreich, Italien, Spanien als Einheitsstaaten or­ ganisiert. Die germanischen Großstaaten sind dagegen überall auf dem bundesstaatlichen Gedanken aufgebaut. Das trifft auch auf die angelsächsischen Staatengründungen außerhalb Europas, in den Ver­ einigten Staaten, Südafrika, Kanada, Australien zu. Daß die praktisch und nüchtern denkenden Amerikaner bei dem Grundsätze des Bundesstaates verbleiben, sollte doch auch in Deutschland zu denken geben. Wenn selbstverständlich die Nation auch dort über­ ragende Bedeutung hat, so denkt doch in den Vereinigten Staaten kein Mensch daran, die Zentralisation bis zum äußersten durchzu­ führen. Das dualistische Regierungssystem ist vielmehr konsequent ausgebildet und den einzelnen Staaten ist eine große Machtfülle in ihren eigenen Angelegenheiten verliehen. Ganz mit Recht; denn in einem Lande von der Größe der Vereinigten Staaten, gibt es starke Unterschiede in den Gewohnheiten, Überlieferungen und Idealen des Volkes, so daß ohne diese Regierungsform die Verfassung sonst schon längst zusammengebrochen wäre (James Beck, Die Ver­ fassung der Vereinigten Staaten S. 253). Das gleiche zeigt die neueste Entwicklung der Dinge in Groß­ britannien, wo man im Gegenteile vom Einheitsstaate durch De-

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volution, durch Abwälzung der Funktionen auf einzelne Teile des vereinigten Königsreichs zwecks Verbesserung der Staats- und Ver­ waltungsmaschinerie, zu einer föderativen Staatsorganisation zu kommen trachtet. Interessant ist, daß hier auch das „preußische Problem" aufgetaucht ist, ohne daß man sich aber auch dort durch die bestehenden Schwierigkeiten, die wie bei uns in der Größe eines der Partner liegen, von der Weiterverfolgung der Angelegenheit ab­ halten lieft.1) Die Entwicklung Rußlands zum Bunde der Sowjetrepubliken zeigt, daß diese Entwicklung auch in neuester Zeit noch nicht abgeschlos­ sen ist. In Rußland kam man von der Verneinung des Föderalis­ mus zur Anerkennung desselben zunächst als einer Übergangsform zur staatlichen Einheit und darauf zur Proklamierung desselben als der selbständigen Neuform der Völkersymbiose in der Republik der Werktätigkeit. Das ist die Entwicklung, welche die kommunistischen Doktrinen in der Frage des Föderalismus durchgemacht haben.

Man kann in den beiden letzterwähnten Fällen geradezu von einem neuen Typ des Bundesstaates sprechen. Während solche sonst durch den Zusammenschluß selbständiger souveräner Staaten ent­ standen, kennt die Neuzeit das Herauswachsen aus einem früheren Einheitsstaate. Diese Entwicklung der Dinge, dieses Anwachsen des bundesstaatlichen Gedankens beweist aber jedenfalls ohne weiteres und überzeugend, daß die Form des Bundesstaates keine nicht mehr zeitgemäße, überlebte Staatsform ohne innere Berechtigung ist, sondern daß der föderalistische Gedanke in der Welt lebendig und daseinsberechtigt ist, wie kaum je zuvor.

Sogar in dem straff zentralistisch organisierten Frankreich sind regionalistische Bestrebungen im Sinne einer Lockerung des Ein­ heitsstaates am Werke, während anderseits das Schicksal des Elsaß, die offensichtliche Unterdrückung jeder selbständigen, von der Meinung der Zentrale abweichenden geistigen Regung daselbst ein War­ nungszeichen für die Föderalisten und ein abschreckendes Beispiel für die Segnungen des Unitarismus sein muß. Die Auffassung von der Notwendigkeit der Entwicklung vom Bundesstaat, als der unvollkommenen Staatsform, zum Einheits­ staat als der vollkommenen Staatsform, etwa vom Standpunkt einer x) Vgl. Dr. Löwenstein, das Problem des Föderalismus in Großbritannien (Annalen des Deutschen Reichs 1921/22 S. 1).

inneren Notwendigkeit oder einer vernunftgemäßen Fortbildung des Staatsgedankens überhaupt, kann also durch die Erfahrungen auch der Gegenwart als widerlegt gelten. Mit Recht schreibt Professor Dr. Triepel in seinem Aufsatz: Föderalismus und Revision der Wei­ marer Reichsverfassung in der Zeitschrift für Politik 1924: „Die bundes staatliche Periode des modernen Großstaates ist noch nicht vorüber."

2. Geschichtliche Unmöglichkeit des Einheitsstaates in Deutschland. Wer irrt besonderen die deutsche Geschichte betrachtet, der wird in ihr nur ganz vorübergehend einmal einen deutschen Einheitsstaat in dem Sinne, wie man ihn jetzt wieder anstrebt, verwirklicht findeir. Zur Zeit Karl des Großen und Otto des Großen und ihrer Nachfolger fand sich auf kurze Zeit eine solche Gestaltung der staatlichen Verhält­ nisse der Deutschen. Wie fremd sie der deutschen Art war, ergibt sich daraus, daß solche Ansätze stets sehr bald wieder zerfielen. Was hiezu führte, war eben nicht innere sachliche, aus dem Charakter der Deutschen sich ergebende Notwendigkeit, sondern ein äußerer Zwang. Beim Auftauchen der Deutschen in der Geschichte standen die einzelnen Stämme zunächst alle einzeln für sich unter ihren Fürsteir, ohne jede Spur eines Zusammengehörigkeitsgefühls oder eines nationalen Bewußtseins. Eine lange Entwicklung war notwendig, bis dieses Gefühl überhaupt erwachte. Auch als sie dann zum Reiche sich zusammenfanden, blieben trotzdem die Stammesherzogtümer als Einheiten auch staatsrechtlicher Natur bestehen. Es ist nicht Auf­ gabe dieser Zeilen, die geschichtliche Entwicklung durch die Jahr­ hunderte zu verfolgen. Tatsache ist, daß die Formungen des deutschen Volkes, die im Laufe von mehr als 1000 Jahren in der deutschen Ge­ schichte uns entgegentreten, dem Grunde nach, mutatis mutandis, in verändertem Gewand, auch im 20. Jahrhundert noch unserer Betrachtung sich darbieten. Gewiß gibt es unter den heutigen deut­ schen Bundesstaaten solche, die durch einen Zufall oder Willkür ent­ standen sind. Dies gilt aber keinesfalls grundsätzlich für die geschicht­ liche Entstehung und Entwicklung der deutschen Staaten im allge­ meinen, keinesfalls für alle Staaten und vor allem nicht für die süd­ deutschen Staaten, namentlich nicht für Bayern.

Bayern ist, wie M. Doeberl in dem eingangs erwähnten Aufsatz feststellt, der älteste deutsche Staat, einer der ältesten Staaten Europas. Er läßt sich als Staat seit der Zeit der Völkerwanderung verfolgen. Noch ehe es eine deutsche oder französische Nation gab, begegnet man dem Stammesherzogtum Bayern als einem wirklichen Staate. Mit dem Verfall des karolingischen Reichs lebte auch die altgermani­ sche Herzogsgewalt wieder auf. Als sie sich unter Heinrich I. in das neue Deutsche Reich einfügte, blieb die bayerische Herzogsgewalt in noch höherem Maß als die Gewalt der übrigen Herzogtümer bestehen. Sie war der Gewalt dieser nicht gleichgeordnet, sondern stellte eine höhere Gewalt unmittelbar nach der kaiserlichen Gewalt dar. Die Kaiserpolitik Ottos des Großen und seiner Nachfolger strebte darnach, die großen deutschen Stammesherzogtümer langsam inner­ lich auszuhöhlen und äußerlich zu zertrümmern. Diesem Druck von oben kam von unten her das Streben der geistlichen und weltlichen Großen nach Selbständigkeit unter den Herzögen entgegen. Das Ergebnis war aber nicht der von den sächsischen Kaisern erstrebte deutsche Einheitsstaat, sondern eine Vielzahl von kleinen und kleinsten Territorien. Diese Entwicklung hat, zum Unterschied von andern deutschen Territorien, in Bayern die Macht des Herzogs, späteren Kurfürsten, verhältnismäßig wenig beeinträchtigt. Bayern war und blieb eines der mächtigsten Territorien des Reichs. Der Aushöhlung der deut­ schen Stammesherzogtümer folgte sehr bald die Aushöhlung der deutschen Zentralgewalt. Man hat den Grund für den unglücklichen Verlauf der deutschen Geschichte vielfach in der geographischen Lage Deutschlands gesucht. Ein sehr wesentlicher Grund lag aber vor allem darin, daß seine Führer nur zu oft das Wesen des deutschen Volkes verkannten und die Lehren seiner Geschichte nicht beachteten. Auf das Streben nach dem Einheitsstaat folgte stets ein Absturz, der das Volk mit hinabriß. Das deutsche Volk ist eben für den Einheitsstaat nicht geschaffen. Die Idee des Unitarismus und der Zentralisation ist romanisch. Ihr widerstrebt das germanische Wesen, der deutsche Individualismus, ihr widerspricht der Ablauf der deutschen Ge­ schichte. Die politische Gesundung und Erneuerung Deutschlands um die Wende des Mittelalters und in den Jahrhunderten nachher ist darum auch nicht vom Reich ausgegangen, sondern von den großen Territorien. Sie mußten in harter mühsamer Arbeit aufbauen, was

eine frühere Politik zerstört hatte. Der moderne deutsche Staat ist nicht im Reich, sondern in den großen Territorien geschaffen worden. Auch in Bayern. Hier hat sich am frühesten in ganz Deutschland die straff geschlos­ sene Amterorganisation der Unter-, Mittel- und Zentralbehörden vollzogen, um Jahrhunderte früher als z. B. in BrandenburgPreußen. Auch die Bayerische „Landschaft", eine stolze, selbst­ bewußte Körperschaft, förderte die Ausbildung des bayerischen Staats­ gedankens. Eine reichhaltige Landesgesetzgebung schuf schon vom 13. Jahrhundert an an Stelle des fehlenden Reichsrechts einheitliches Landesrecht. Auch auf dem Gebiete der Verwaltung nahm der bayerische Staat alle die Funktionen wahr, die nach unserer heutigen Auffassung in den Bereich des Staates fallen. Schulwesen, Armen­ pflege, Wohlfahrtspflege, Kulturpolitik wurden in Bayern von jeher als staatliche Aufgaben erkannt und gefördert. Auch auf dem Gebiete der geistigen Kultur haben Angehörige des bayerischen Stammes Erhebliches geleistet. An der Zusammenfassung des Nibelungenund Gudrunliedes sind bayerische Ritter beteiligt. Wolfram von Eschenbach und Walther von der Vogelweide sind Angehörige des bayerischen Stammes. Was auf dem Gebiete der Kunst und des Kunsthandwerks im Laufe der Jahrhunderte hervorgebracht worden ist, mag, wer Bayern noch nicht kennt, sich selbst anschauen. Als Bayern nach dem Zusammenbruch des alten Deutschen Reichs zum Königreich geworden war, war es kein Mittel- oder Kleinstaat, wie die meisten deutschen Gliedstaaten. Der Glanz seiner Geschichte und seine Größe gaben ihm vielmehr ein besonderes An­ sehen im europäischen Staatensystem. Die in der Zeit des 1. baye­ rischen Königs und seines Ministeriums Montgelas geleistete Arbeit gewann die gleiche Bedeutung wie in Preußen die Stein-Hardenbergsche Reform trotz des anderen Geistes, aus dem sie stammt. Da­ bei verbanden sich damals mit dem altbayerischen Stamme schwä­ bische, fränkische und pfälzische Elemente zu einer glücklichen Mi­ schung, so eng, daß jeder Zweifel an ihrer Dauer jetzt im zweiten Jahrhundert des Bestehens unmöglich ist. Auch das Jahr 1848 weckte in Bayern die staatliche Energie zu erneuter Tätigkeit und noch die letzte Zeit vor dem Weltkriege war bei aller äußerer Einfachheit eine der fruchtbarsten Epochen in der staatlichen Entwicklung Bayerns. Eine besondere Eigenart in der Lebensbetätigung zeigt Bayern auch in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht. Während Mitteldeutschland

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und ein großer Teil von Norddeutschland vollständig von der In­ dustrie beherrscht sind, ist Bayern immer noch wenigstens nach der Bedeutung, die die Landwirtschaft hier hat, ein überwiegend agrari­ sches Land mit überwiegend mittlerem und kleinem Besitz. Ein kräf­ tiger Bauernstand auf dem Land, ein tüchtiges Handwerker- und Kleinbürgertum in den Märkten und Kleinstädten, eine Arbeiter­ bevölkerung, die vielfach im eigenen Heim ansässig ist, sind die über­ wiegenden Faktoren. Sie alle halten fest an ihrem Heimatstaat, den sie sich nicht nehmen lassen werden. Wer glaubt, daß die Geschichte Deutschlands nur dynastischen Partikularismus aufweise, wie dies Minister Koch-Weser in seiner Broschüre: „Einheitsstaat und Selbstverwaltung" tut, irrt sich also sehr. Wer so urteilt, verliert sich in einer rein äußerlichen Betrachtung der Symptome in einzelnen Ländern, die sich aber ohne weiteres durch das Fortbestehen des Staatsgedankens in den Ländern nach dem Verschwinden der Fürstendynastien widerlegt. So kann nur sprechen, wer die Dinge nur von der Berliner Warte aus betrachtet, ohne sich die Mühe zu nehmen, die Wirklichkeit in den Ländern kennen zu lernen. Wirklichkeiten werden aber nicht dadurch beseitigt, daß man ihr Vorhandensein leugnet. Den Ländern wird aus längst vergangenen Tagen manchmal vorgeworfen, ihre Politik sei nicht national, sondern territorial ge­ wesen. Es ist begreiflich, daß in Zeiten, in denen nicht die Nation, sondern das Territorium staatsrechtlich das wichtigere war, auch die Politik der Territorialstaaten im allgemeinen nicht national, sondern territorial gerichtet war. Das gilt für Brandenburg-Preußen so gut wie für Bayern. Es ist unrichtig, wenn man diese Politik den Ländern und ihren Fürsten zum Vorwurfe macht. Sie darf nicht ex nunc, sondern muß ex tune beurteilt werden. Wer wirklich histo­ risch, also gerecht urteilen will, kann dies nicht von einem damals überhaupt nicht gegebenen gesamtdeutschen Standpunkt aus tun, sondern muß sich bequemen, den zeitgemäßen territorialen Stand­ punkt einzunehmen. Auch die habsburgischen Kaiser trieben ja im allgemeinen nur Territorial- oder Hausmachtpolitik. Erst mit der Aufrichtung eines organischen deutschen Staates, des Bismarckschen Reichs, ergab sich die Möglichkeit einer wirklichen deutschen Politik, die alle deutschen Länder dann freudigen Herzens zu der ihrigen machten. Die deutsche Geschichte zeigt also, daß die deutschen Völker nie­ mals für den Einheitsstaat zu haben waren, daß Versuche nach dieser 13

Richtung hin immer gescheitert sind, schon zu einer Zeit, wo die Bil­ dung der einzelnen Territorien noch nicht abgeschlossen und vollendet war. Sie zeigt weiter, daß die Staatenbildung in den einzelnen Ländern jetzt zu fester geschlossenen Gebilden geführt hat, als sie je­ mals im Laufe der deutschen Geschichte im Reiche bestanden haben. Die Geschichte kann also dem Verfechter des Einheitsstaates wenig Aussicht auf Erfolg gewährleisten. Das Kunststück, das bei der Bismarckschen Reichsgründung zu vollbringen war, ist dasselbe, wie das Problem, das 1919 zu lösen war, der Ausgleich im Bundesstaat zwischen Reich und Ländern. Da es 1919 nicht gelöst wurde, muß es auch die Gegenwart und die Zukunft noch beschäftigen. Wer aber glaubt, daß dieser Ausgleich durch die Erdrosselung der Länder zu erreichen sei, strebt eine Eisen­ bartkur an, die den Erfahrungen der Geschichte schnurstracks zuwider­ läuft. Er nimmt die gestellte Aufgabe zu leicht und wird sie auf diese Weise sicher nicht lösen. Auf den Trümmern oder den Leichen der Länder wird das Glück und die Zukunft Deutschlands nicht gedeihen.

3. Staatsrechtliche Unmöglichkeit des Einheitsstaates. Der Jurist hat sich darüber klar zu werden, ob der Einheitsstaat gegen den Willen der Länder überhaupt geschaffen werden kann. Nur eine rein formaljuristische Auffassung der Reichsverfassung kann das im Hinblick auf deren Art. 76 vielleicht bejahen, während die or­ ganische Auffassung der Ordnung der Beziehungen zwischen Reich und Ländern diese Frage unbedingt verneinen muß. Das Deutsche Reich in der Organisationsform der Weimarer Verfassung ist die staatsrechtliche Fortsetzung des Reichs von 1871. Dieses war, wie die feierliche Eingangsformel betonte, ein Bund souveräner Staaten. Wenn auch die Verfassung von 1871 nicht den Rechtscharakter eines Vertrages, sondern eines Gesetzes trug, so änderte dies doch nichts an der vertragsmäßigen Grundlage des Reichs. An dieser Grundlage fand die Möglichkeit zu Verfassungs­ änderungen aus dem Wege der Gesetzgebung ihre Schranke. Nach der staatsrechtlichen Auffassung der verbündeten Regierungen von den Vertragsgrundlagen des Reichs, die in der Praxis des Bundes­ rats wiederholt zum Ausdrucke kam und die auch als die in der Staats­ rechtslehre überwiegende bezeichnet werden konnte, lag die Existenz der Mitgliedsstaaten als unverrückbare vertragliche Grundlage der

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Reichsverfassung außerhalb der Macht der Reichsgewalt und war für die verfassunggebende Gesetzgebung des Reichs unantastbar. Die Möglichkeit der Verwandlung des Reichs in einen Einheitsstaat war ausgeschlossen. Professor Dr. Rehm führt im Jahrbuch der GeheStiftung Bd. IV S. 36 hiezu folgendes aus: „Die Reichsverfassung hebt mit den Worten an:.... schließen einen ewigen Bund. Dieser Bund wird den Namen Deutsches Reich führen und wird nachstehende Verfassung haben." Die Verfassung, welche Art. 78 der Reichsver­ fassung im Auge hat, beginnt also erst nach diesem Eingang. Was in dem Eingang derselben steht, kann demnach nicht durch Bundesrat und Reichstag geändert werden. Die Änderung der Bundeszwecke, .... die Überführung in einen Einheitsstaat kann nicht durch Majoritätsbeschlüsse von Bundesrat und Reichstag erfolgen. Hier treten die Gründer des Reichs, die Träger der Reichsgewalt selbst in die Schranken. Hier bedarf es der Zustimmung aller Bundes­ fürsten und der Senate der freien Städte. Nur die den Bund ge­ schaffen, aber nur sie alle vermögen auch dessen grundlegende Bestim­ mungen zu beseitigen. Der Widerspruch eines von ihnen verhindert von Rechts wegen die Beseitigung des föderativen Elementes im Reichsorganismus. So sehen wir eine starke rechtliche Garantie des Bundesprinzips vor uns." Die Verwandlung des Deutschen Reichs von 1871 in einen Ein­ heitsstaat hätte vor allem dem vom Schöpfer des Reichs immer wie­ der betonten Grundsatz der „Vertragstreue" geradewegs widerspro­ chen. Es ist wohl nicht zu viel behauptet, wenn dieser Grundsatz als ungeschriebenes Verfassungsrecht angesprochen wird; dieses un­ geschriebene Staatsrecht aus der Zeit der ersten Reichsverfassung wird auch von den Staatsrechtslehrern als bestehend anerkannt. Über diesen Grundsatz kann daher nicht hinweg gegangen werden. So schrieb Bismarck in den siebziger Jahren an König Lud­ wig II. (Gedanken und Erinnerungen I S. 357): „Die Reichsverfas­ sung beruht auf der föderativen Grundlage, welche sie durch die Bundesverträge erhalten hat, und kann nicht ohne Vertrags­ bruch verletzt werden. Darin unterscheidet sich die Reichsver­ fassung von jeder Länderverfassung. — Die Rechte Euer Majestät bilden einen unlösbaren Teil der Reichsverfassung und beruhen daher auf denselben sicheren Rechtsgrundlagen, wie alle Institutionen des Reichs. Deutschland hat gegenwärtig in der Institution seines Bundesrats und Bayern in seiner würdigen und einsichtigen Verv. I a n, Reichsverfassungsreform.

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tretung im Bundesrat eine feste Bürgschaft gegen jede Unitari­ sierung oder Übertreibung der einheitlichen Bestrebungen. Euer Majestät werden auf die Sicherheit des vertragsmäßigen Ver­ fassungsrechts auch dann volles Vertrauen haben können, wenn ich nicht mehr die Ehre habe, dem Reich als Kanzler zu dienen." Es wird nicht verkannt, daß die Weimarer Verfassung diesen Grundsatz des Reichsaufbaues nicht unberührt gelassen und die Bundesverträge beiseite geschoben hat. Die bayerische Denkschrift von 1924 hat dahingestellt gelassen, ob diese Verträge durch die Grün­ dung des Deutschen Reichs im Jahre 1871 derart konsumiert wurden, daß von ihrer Fortdauer im Rechtssinne nicht mehr gesprochen werden könne. Sie hat aber festgestellt, es könne auch rein rechtlich nicht ohne Belang sein, daß die vertragschließenden Einzelstaaten einen „ewigen Bund" eingingen, woraus sich für alle Beteiligten die Pflicht ergebe, den vereinbarten Zustand fortdauernd aufrechtzuerhalten. Wenn nun im Jahre 1919 das deutsche Volk in der Nationalversammlung als beteiligter Faktor zu den früheren Beteiligten hinzukam, kann doch wohl, da das deutsche Volk eben nichts anderes ist, als das Volk der einzelnen deutschen Staaten, nicht angenommen werden, daß dieses deutsche Volk die Hand zu Möglichkeiten bieten wollte, um die Einzelstaaten, seine Heimstätten von jeher, zu beseitigen. Der Umsturz im Jahre 1918 richtete sich gegen die Monarchie, in München kurze Zeit gegen das Reich, nie gegen die Länder oder gegen ihren Bestand als Staaten. Wer derartiges konstruiert, legt den Ereig­ nissen Beweggründe unter, die nicht vorhanden waren. Es kann hier nicht allen Einzelheiten in der Entwicklung der Dinge nach der Revo­ lution im Verhältnis zwischen Reich und Ländern nachgegangen werden. Soviel aber darf wohl festgestellt werden, wenn die Na­ tionalversammlung ohne Mitwirkung der Länder und über ihren Kopf hinweg dem Reich eine neue Verfassung gab, durch welche sie die Stellung der Länder wesentlich veränderte, so tat sie das auf dem Boden der Macht und unter Ausnützung der Ohnmacht der Länder, durch welche die Rechte der Länder zwar tatsächlich, aber nicht recht­ lich beeinträchtigt werden konnten. Die bayerische Denkschrift von 1924 hat die Schritte dargelegt, die Bayern sofort hiergegen unter­ nommen hat. Wenn die Weimarer Verfassung nicht rein unitaristisch, sondern immerhin noch föderalistisch unter Anerkennung des Bestehens der Länder aufgebaut ist, hat der Widerstand der Länder hiezu zweifel­ los erheblich beigetragen. 16

Auch die Weimarer Verfassung hat das bundesstaatliche Funda­ ment des Reichs unter dem Druck des den Bereinheitlichungsbestrebungen entgegenwirkenden Selbsterhaltungswillens der Bundes­ staaten nicht zu beseitigen vermocht, sondern es als eine unabänder­ liche Tatsache hinnehmen und dem Verfassungswerk zugrunde­ legen müssen. Auch das neue Deutsche Reich ist auf bundesstaatlicher Grundlage aufgebaut. Die Staatspersönlichkeit der Länder und ihre Staatsgewalt sind anerkannt. Die Länder haben ihre Vertretung in Gestalt des Reichsrats behalten und nehmen durch sie an der Bildung des bundesstaatlichen Gesamtwillens teil. Auch in der Struktur des neuen Deutschen Reiches ist dem Reich der vertragliche Gedanke in dem Sinne, daß das Reich aus dem Zusammenschluß selbständiger Staaten hervorgegangen ist und auf ihm als einem wesenbestimmenden Konstruktionselement beruht, geblieben und zu maßgebender Auswirkung gekommen. Die Existenz der Bundes­ staaten beruht aber nicht erst auf der Reichsverfassung. Sie leiten ihr Recht auf Bestand und Erhaltung nicht etwa aus den Artikeln der Reichsverfassung ab. Ihre Staatlichkeit ist vielmehr eine ursprüng­ liche, also für den Berfassungsgeber eine nicht bloß politische, sondern auch eine rechtliche Gegebenheit. Dies bestätigt z. B. auch Jellinek im Handbuch der Politik, 3. Bd. S. 11: „Obgleich die deutschen Län­ der seit der Revolution an Zuständigkeit und Macht verloren haben, sind auch sie Staaten, da sie ihre Gewalt nicht vom Reich erhalten haben und daher rechtlich auch ohne das Reich bestehen könnten." Hat aber die Staatlichkeit der Bundesstaaten ihre eigene Rechtsquelle vor und außerhalb der Reichsverfassung, so kann sie auch der Ver­ fügungsmacht der durch die Verfassung geschaffenen Zentralstaats­ gewalt nicht in dem Sinne unterliegen, daß sie von dieser gegen den Willen der Länder beseitigt werden könnte. Wenn die politischen Kräfte, die dem Einheitsstaate zustreben, für die Verfassungsgesetz­ gebung des Reiches die Befugnis nicht nur zur organischen Fortbildung der Verfassung, sondern auch zur Umänderung des bundesstaatlichen Charakters des Reiches in einen Einheitsstaat durch Aufhebung der Länder in Anspruch nehmen, so kann und muß dem vom Standpunkt des Staatlichkeitsrechtes der Länder widersprochen werden. Das durch feierlichen Vertrag besiegelte Recht der Länder, als Staaten im Rahmen des Deutschen Reiches zu leben, kann durch die Staatsum­ wälzung und die verfassungsmäßige Neuordnung ebenso wenig beseitigt werden, wie es durch Mehrheitsbeschluß aufgehoben werden kann.

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Auch für den, der diese Rechtsauffassung nicht teilt, muß es aber politisch und moralisch von größter Bedeutung sein und bleiben, daß das Reich das Ergebnis vertraglicher Vereinbarungen war, daß die vertragschließenden Teile nur ein Recht nach Maßgabe dieser Ver­ träge beabsichtigten und sich zur Aufgabe eigener Rechte über diesen Vertrag hinaus nicht binden wollten. Auch für die Politik gilt nach heutiger Auffassung von Zweck und Aufgabe des Staates nicht nur der reine Machtstandpunkt, sondern es gelten auch die Grundsätze der Ethik. Der kategorische Imperativ der Sittlichkeit richtet sich auch an den Staat und gilt auch im Staatsleben. Es gibt eine Staatsethik, deren Forderungen nicht mißachtet werden dürfen, gerade in einem Volke, das sich nach außen gegen unmoralische Ver­ gewaltigung wehrt. Die deutschen Staaten haben sich zusammenge­ schlossen und eine Zentralgewalt geschaffen mit dem ausgesprochenen Willen, im übrigen ihr Eigenleben als Staaten weiter zu leben, im Vertrauen darauf, daß ihre Existenz in dem Bund und durch ihn gesichert sei. Selbst wenn die Zentralgewalt nach dem Buchstaben der Verfassung das Recht hätte, auch über den Bestand der Länder zu verfügen, wäre es ein gegen die Gesetze der Ethik verstoßender Mißbrauch eines solchen Rechts, wenn die Länder gegen ihren Willen ihrer Eigenstaatlichkeit entkleidet würden. So lange sie diesen Willen haben, darf ihnen die Eigenstaatlichkeit nicht genommen werden. Wer anders handelt, setzt sich der Gefahr aus, daß ihm Verletzung der bona fides vorgeworfen wird. Die Reichsregierung hat die Staatlichkeit der Länder auch unter der Weimarer Verfassung nicht einmal, sondern des öfteren, und zwar in der verschiedenartigsten Zusammensetzung feierlich an­ erkannt. Es genügt, an die feierliche Erklärung des Reichspräsi­ denten Ebert beim Empfang im Bayerischen Landtag in München vom 12. 6. 1922 zu erinnern („Wenn auch die Verfassung des Deutschen Reichs von 1919 teils in Fortführung schon früher begonnener Entwicklung, teils unter dem schweren Druck unserer Verhältnisse in größerem Umfang Aufgaben und Zuständigkeiten der Länder in die eigene Hand des Reichs genommen hat, so ist doch der bundesstaatliche Charakter und damit die staatliche Selbständig­ keit der Länder erhalten geblieben"), ferner an sein Schreiben vom 27. 7.1922 und namentlich an die Erklärung der Reichsregierung in dem sog. Berliner Protokoll vom 11. 8.1922 („Die Lebens­ notwendigkeiten unseres durch äußeren Druck zu innerer Einheitlich-

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leit genötigten Reichs haben eine Erweiterung der Zuständigkeiten des Reichs notwendig gemacht. Diese Entwicklung hat aber nach menschlichem Ermessen ihren Endpunkt erreicht. Der bundes­ staatliche Charakter des Reichs und die Staatspersönlichkeit der Länder sind in der Reichsverfassung anerkannt"), endlich an die gleich­ gearteten Reden des Reichskanzlers Dr. Marx in München und des Reichsaußenministers Dr. Stresemann in Nürnberg Ende 1927 hinzuweisen. Die Staatspersönlichkeit der Länder ist also als in der Reichsverfassung verankert stets ausdrücklich anerkannt worden und die Besorgnisse der Länder, daß die Politik der Reichsregierung plan­ mäßig auf die Einschränkung der Zuständigkeiten der Länder und letzten Endes auf die Beseitigung ihres staatlichen Charakters und die fortschreitende Umgestaltung des Reichs zum Einheitsstaat ge­ richtet sei, sind für unbegründet erklärt worden. Auch die Reichs­ regierung hat festgestellt, daß die einzelstaatliche Gliederung der Länder der reichen Mannigfaltigkeit des deutschen Wesens und der deutschen Kultur entspreche und daß die Pflege des Stammes­ bewußtseins in lebendigen engeren Gemeinwesen die beste Gewähr reichsfreudiger Einordnung ins Ganze der Nation sei. So lange Treu und Glauben noch im Rechtsverkehre gelten — und das ist unter den Gliedern eines Bundesstaates doch wohl in alle Ewigkeit der Fall —, kann also auch in der neuen Form des Reichs nichts geschehen, was die Länder als Staatspersönlichkeiten gegen ihren Willen von der Bildfläche verschwinden läßt. Das ist nicht etwa nur so zu verstehen, als ob bei Beseitigung von Län­ dern nur die im einzelnen Falle besonders betroffenen Länder zu­ stimmen müßten. Der Umwandlungsprozeß vom Bundesstaat zum Einheitsstaat kann vielmehr nur im ganzen beurteilt werden. Alles, was damit zusammenhängt und darauf abzielt, und was die Existenz der Länder berührt, erfordert die Zustimmung aller Länder. Nur mit einem Satze seien hier die Einwirkungen solcher Ver­ änderungen auf die Möglichkeit des Anschlusses Österreichs an das Deutsche Reich gestreift. Können die Verfechter des Einheits­ staates wirklich annehmen, daß Österreich in einem Einheitsstaat aufzugehen wünscht? Könnte es die österreichischen Länder locken, irgendwelchen Verabredungen oder Zusicherungen zu vertrauen, wenn sich zeigt, wie solche nach wenigen Jahrzehnten eingeschätzt werden, wenn man mit einem Achselzucken über feierlichst verbriefte Rechte hinweggehen zu können glaubt?

Für die Ablehnung des Einheitsstaates ist vom Standpunkte der Länder ohne Bedeutung, ob er zentralisiert oder dezentralisiert ge­ dacht wird. Auch der dezentralisierte Einheitsstaat (nach Dr. Frielinghaus oder Reichsminister Koch-Weser), der ja übrigens ver­ waltungstechnisch allein denkbar wäre, weil der zentralisierte Ein­ heitsstaat in kürzester Frist Geschäftsbankrott machen würde, ist nur nach völliger Erledigung der Länder denkbar. Was den Ländern hiebei als Aufgabe zugewiesen werden soll, kann ihnen die dabei nötige Aufgabe ihrer Eigenstaatlichkeit wirklich nicht schmackhaft machen.

4. Der Wille der Länder zur Eigenstaatlichkeit. Der Wille der Länder zur Eigenstaatlichkeit ist eine Tatsache, an die man zur Zeit der Schaffung der Reichsverfassung in Weimar viel­ fach nicht geglaubt hat und anscheinend vereinzelt auch jetzt noch nicht glauben will. Wer sich aber die Mühe nimmt, sich in den Ländern selbst einmal, auch nur oberflächlich, umzusehen, kann über diese Tatsache nicht im Unklaren bleiben. Mit Recht schreibt Professor Dr. Triepel in seinem Aufsatz „Föderalismus und Revision der Weimarer Reichsverfassung" in der Zeitschrift für Politik 1924 S. 207: „Die für den Inhalt der Weimarer Verfassung in erster Linie verantwortlichen Männer hatten sich in den ersten Wochen der Revo­ lutionszeit in den Glauben versetzen lassen, daß die Umwälzung den Lebenswillen und die Lebenskraft der deutschen Einzelstaaten ge­ brochen hat. Dieser Glaube hat sich schon nach kurzer Zeit als schwerer Irrtum erwiesen." Er führt daselbst durchaus zu­ treffend weiter aus, es habe sich bei dieser Revolution gezeigt, daß die Dynastien feste Staaten gegründet hatten, die zwar, wenn auch manchmal nur sehr ungern, auf ihre Dynastie verzichten konnten, die aber nicht willens waren, sich selbst aufzuheben. Die Landes­ bevölkerung als solche sei ganz unabhängig von ihrer Stammes­ zugehörigkeit, die nur eine nebensächliche Rolle spiele, durch eine lange Erziehungsarbeit des Landesfürstentums zur Staatlichkeit herange­ bildet worden, zum Staat zusammengewachsen, habe ihr Staats­ gefühl, lege Wert auf einen ununterbrochenen Zusammenhang mit einer Landesregierung und wolle von Landesbeamten regiert sein. Deshalb sei der Sitz des Widerstandes nicht nur in der Landes­ bürokratie, sondern ebenso in den das Landesvolk repräsentierenden Landtagen zu treffen. Das System des Konstitutionalismus in 20

den einzelnen Staaten habe eine bedeutsame Wirkung auf deren innere Zusammengehörigkeit ausgeübt. Der von der Weimarer Verfassung geforderte Parlamentarismus habe sich als Stütze fö­ deralistischer Bestrebungen erwiesen. Die Beobachtungen, die in den Ländern auch weiterhin gemacht worden sind, lassen diese Aus­ führungen, auch bei vollständig objektiver Beurteilung der Verhält­ nisse, als durchaus begründet erscheinen. Es ist daher ein verhängnisvoller Irrtum, wenn man, wie z. B. auch Reichsminister Koch-Weser, glaubt, die hauptsächliche Hemmung gegenüber dem Einheitsstaat sei „das Souveränitätsgefühl der Lan­ desbürokratien, die sich keinen Stein aus ihrer Krone brechen lassen wollen, auch wo es im Interesse des Ganzen liegt" (Einheitsstaat und Selbstverwaltung S. 21). Herr Koch-Weser hat wohl nicht bedacht, welchen Vorwurf er damit gegen die Beamten der Länder erhebt. Er scheint zu glauben, daß egoistische Motive die Triebfeder seien, warum die Landesbeamten mit wenig Ausnahmen dem Einheits­ staat widerstreben. Er tut den Landesbürokratien damit wirklich unrecht. Nicht egoistische, sondern rein sachliche Motive sind für ihre Stellungnahme maßgebend. Im übrigen überschätzt er sehr er­ heblich den Einfluß, den die Bürokratie in solchen politischen Dingen in den Ländern besitzt. Wenn die maßgebenden Politiker in den Län­ dern den Einheitsstaat für richtig hielten, würde ihre Bürokratie hiegegen nichts ausrichten können. Es ist auch verfehlt zu glauben, daß die landsmannschaftliche Bindung der Beamtenschaft allein die Ursache zu dieser ihrer Einstellung zu ihrem engeren Vaterland sei, und daß deshalb ein Austausch zwischen Reichs- und Landesbeamten in möglichst weitem Umfang nötig und nützlich sei. Die Beamten in den Länderministerien, die „noch nie in Berlin" waren, sind wirk­ lich große Ausnahmen. Im allgemeinen haben die Beamten, die hier die Reichsangelegenheiten zu bearbeiten haben — und das sind bei der jetzigen Kompetenzeinteilung fast alle — wirklich häufig genug Gelegenheit, auch im persönlichen Verkehr in den Reichsmini­ sterien „ihren Gesichtskreis zu erweitern". Sie behalten aber durch die Tätigkeit in den Ländern doch noch soviel Fühlung mit dem Volk, daß sie gerade deshalb, ebenso wie die politischen Führer ihres Lan­ des, dem Einheitsstaat ablehnend gegenüberstehen. Zum Beweis darf daran erinnert werden, daß die Führung beim Widerstand gegen den Einheitsstaat im Januar 1919 der der USP. angehörende damalige bayerische Ministerpräsident Kurt Eisner 21

im Verein mit seinen sozialdemokratischen Ministerkollegen gehabt hat, und daß bei Besprechung des bekannten Beschlusses der preußi­ schen Nationalversammlung vom Dezember 1919 über die Schaffung eines Einheitsstaates im Bayerischen Landtag alle Parteien mit Aus­ nahme der Sozialdemokraten sich gegen den Einheitsstaat und für die Beibehaltung der Länder ausgesprochen haben. Wer Unter­ schwingungen mitzuhören versteht, konnte auch aus den sozialdemo­ kratischen Erklärungen bei jener Gelegenheit etwas heraushören, was auch von dieser Seite jedenfalls keine absolut überzeugte und von Herzen kommende Zustimmung zum Einheitsstaat bedeutete. Auf diesem Gebiete liegt auch eine Erscheinung, die Herr KochWeser in seiner mehrfach erwähnten Schrift mit einem gewissen Sarkasmus aus Bayern konstatiert, nämlich daß die Bayern immer lange brauchten, bis sie mit einer Einrichtung zufrieden seien, angeblich immer erst dann, wenn die Angelegenheit schon wieder erledigt sei. Er tut uns auch damit unrecht. Allerdings sind die Bayern stolz darauf, nicht wie andere Leute, stets rerum novarum cupidi zu sein, ihr Sinn steht nicht stets nach Neuem, sondern hängt am Alther­ gebrachten, soweit es wirklich gut ist. Der Grundzug ist hier ein ge­ wisser Konservativismus. Sie halten mit ihrer Kritik an Neuein­ richtungen nicht hinter dem Berg, auch wenn sie nicht überall ange­ nehm ist. Sie überlegen sich die Dinge gründlich, ehe sie sie in ihr Herz schließen. Was sie aber einmal darein geschlossen haben, das sitzt fest und bleibt darin, auch wenn rascher lebende Menschen es vielleicht schon wieder über Bord werfen zu müssen glauben. Nur nebenbei, daß Schwarz—Weiß—Rot in Bayern die weiß—blauen Farben (nicht blau—weiß, wie Herr Koch-Weser meint) fast verdrängt habe, das ist eine optische Täuschung, wie jeder Besucher in Bayern sich an Festtagen auf den ersten Blick überzeugen kann. Gerade dieser konservative Sinn aber, der trotz aller von jeher auch geübten demokratischen Neigungen im Süddeutschen steckt, wird unbedingt zu hindern wissen, daß man über die Länder zur Tagesordnung übergeht.

5. Kulturpolitisches gegen den Einheitsstaat. über die Stellung und Aufgaben, die den deutschen Ländern für die innere Kultur des deutschen Volkes zukommen, ist in den beiden bayerischen Denkschriften bereits eingehend gesprochen worden.

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Der bayerische Ministerpräsident hat auch hierüber auf der Länder­ konferenz sich verbreitet. Das deutsche Volk ist nach Art und Wesen, geschichtlicher Entwicklung und örtlichen Bedingtheiten so mannig­ faltig, daß es nicht von einem Punkt aus dirigiert und reglementiert werden kann, ohne daß die Kultur und ihre Mannigfaltigkeit aller­ größten Schaden leidet. Wenn im Einheitsstaats nicht mehr eine Reihe von Brennpunkten des Kulturlebens möglich wäre, würde das eine Verarmung des ganzen Volkes in seinem geistigen und see­ lischen Leben und in seinen wirtschaftlichen und künstlerischen Aus­ wirkungen bedeuten. Wie kein anderer Staat hat Deutschland eine Reihe von Kulturzentren, die alle nach ihrer Art auf die Entwicklung der ganzen Kultur den stärksten Einfluß nahmen und durch die diffe­ renzierte Art ihrer Betätigung zu einer Lebensfülle für die Kultur des Volkes gediehen, wie sie kein anderer Staat aufweisen kann. Für das innere Leben der Nation ist die Erhaltung dieser Mannig­ faltigkeit der Kultur von höchstem Wert. Die selbständigen Staaten­ gebilde und ihre Fürsten waren es vor allem, die dieses hohe Gut der Kultur allezeit nach ihrer Art und Neigung gepflegt haben. Das hat verhindert, daß es in Deutschland nur eine maßgebende Metropole für Geistes- und Kulturleben geben konnte, und hat bewirkt, daß überall ein Strom eigenen Kulturlebens fließen konnte, im Gegen­ satze zu anderen Staaten, in denen nur eine Stadt, die Hauptstadt, im kulturellen Leben des Volkes für alle maßgebend wurde. Minister­ präsident Dr. Held hat dabei vor allem auf die Ausführungen des früheren Württembergischen Staatsministers von Pistorius hinge­ wiesen, der vom Anhänger des Einheitsstaates zum Föderalisten sich entwickelt hat und ausgeführt hat, der Einheitsstaat sei der größte Feind einer lebensvollen, volkstümlichen Kultur. Wir zehren heute an der reichen inneren Kultur, die in lOOOjähriger Geschichte, im Wettbewerb der deutschen Staaten und Stämme geschaffen worden ist. Dieser Wettbewerb ist notwendig für die Ent­ wicklung der deutschen Gesamtkultur. Er ist aber nur möglich, wenn die Eigenstaatlichkeit und Verantwortung der Länder gewahrt wird. Auch eine weitgehende Dezentralisation der Verwaltung kann diese Eigenkraft und Selbstverantwortung der Länder nicht ersetzen. Von einer Zentrale abhängige Landesteile, denen die Mittel von der Spitze nach deren Gutdünken zugewiesen werden, wären nicht in der Lage, eigenen Kulturwillen zur Geltung zu bringen. So wenig wie von unselbständigen Menschen kann man von unselbständig gewordenen

Ländern Tatkraft erwarten. Darum ist auch um der deutschen Kultur willen der Einheitsstaat mit seiner naturnotwendigen schematischen Verwaltungseinrichtung und Verwaltungspraxis abzulehnen. Auch hiefür sei eine Äußerung Bismarcks zitiert, der einmal ausführte: „Die kleinen Zentren haben ein Gemeingut von Bildung und Wohlstand in allen Teilen Deutschlands verbreitet, wie man es in zentralistisch-organisierten großen Ländern schwer findet. Die muß man bereist haben, zivilisierte und unzivilisierte, um zu erkennen, wie dort die Provinz gegen das allgemeine Zentrum um Jahrhunderte im Rückstand bleibt."

IV. Der Bundesstaat vor und nach 1918. Es ist festgestellt worden, daß mit der Existenz der Länder als Staaten unabänderlich gerechnet werden muß und daß auch geschicht­ liche und staatsrechtliche Gründe keine andere Form als die des Bun­ desstaates für die Staatsform des Deutschen Reichs möglich erscheinen lassen. Wie der große Realpolitiker Bismarck hiemit gerechnet hat, müssen auch die heutigen verantwortlichen Staatsmänner damit rechnen. Der Bundesstaat als eine Verbindung von Staaten birgt zweier­ lei Elemente in sich, solche, die nach der Richtung des Einheitsstaates, unitaristisch, und solche, die in der Richtung des Bundes, bündisch, föderalistisch wirken. Beide stehen also in einem gewissen Gegensatz zueinander. Eine Maßnahme kann nicht unitaristisch und föde­ ralistisch, sondern nur unitaristisch oder föderalistisch sein. Was Föde­ ralismus ist, hat Dr. Beyerle in der Festschrift der Görres-Gesellschaft für Felix Porsch 1923 kurz erläutert. Statt einer anderen Definition sei die seine hier angeführt. „Föderalismus ist die grund­ sätzliche Einstellung politischer Art, die zusammengesetzte Staatsge­ bilde als solche erhalten, sie vor dem Aufgehen im Einheitsstaate bewahren will." Vom Partikularismus unterscheidet den Föderalis­ mus, daß er dem Ganzen zugekehrt ist und nicht in erster Linie auf die einzelnen Teile bedacht ist. Er will also nicht die Schwäche des Ganzen und die Stärkung der Glieder, sondern nur die angemessene Verteilung der Staatsgewalt zwischen dem Ganzen und den Gliedern. Als föderalistisch ist daher alles anzusehen, was unter Anerkennung der Eigenstaatlichkeit der Länder sich auswirkt in der Richtung einer Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Länder in der eigenen Verwaltung und ihres Mitbestimmungsrechts in der gemeinsamen Verwaltung. Tendenzen, die in umgekehrter Richtung sich aus­ wirken, sind als unitaristisch zu bewerten. Entscheidend für die Be­ urteilung ist, um mit Geheimrat Anschütz zu reden, „das Ausmaß des Selbstbestimmungsrechts der Länder und das Ausmaß ihres Mitbestimmungsrechts bei der Bildung und Ausführung des Reichs­ willens. Je weiter dieses Selbst- und Mitbestimmungsrecht reicht,

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desto föderalistischer ist die Verfassung, je schmäler beide bemessen sind, desto unitaristischer ist sie." Die richtige Mischung der beiden Elemente, der unitaristischen und der föderalistischen zu finden, ist das Kunststück, um das es sich bei der Organisation der Bundesstaaten dreht. Zulässig ist nach der unitaristischen Seite alles, was not­ wendig gemeinsam sein muß, soweit dabei die Eigenstaatlichkeit der Länder aufrechterhalten bleiben kann. Auch in der Bismarckschen Verfassung, wie in jeder Bundes­ staatsverfassung, waren beide Elemente vertreten. Unitaristisch war das Bundespräsidium, unitaristisch war der Reichstag, föderalistisch die Einrichtung des Bundesrats. Er war rechtlich betrachtet das höchste Organ. Wenn auch, politisch betrachtet, die unitaristischen Elemente ein gewisses Übergewicht hatten, so wurde das doch wieder mehr als ausgewogen dadurch, daß die Zuständigkeiten auf dem Gebiete der Gesetzgebung genau begrenzt und auf das engste beschränkt waren, und daß der Vollzug der Gesetze überwiegend den Ländern verblieb. Verfassungsänderungen konnte schon eine Minderheit im Bundesrat verhindern. Zweifellos hat damit also das föderalistische Element im alten Reich obenan gestanden. Es ist sicher unrichtig, wenn man geglaubt hat, bestreiten zu können, daß Bismarck Föderalist gewesen sei. Das oben erwähnte Schreiben an den König von Bayern kennzeichnet unumwunden die Grundlage des Reichs als föderativ. Am 24. Dezember 1870 schrieb Bismarck weiter an den König von Bayern (Gedanken und Erinnerungen Bd. I S. 355): „Euer Majestät setzen mit Recht voraus, daß auch ich von der Zentralisation kein Heil erwarte, sondern gerade in der Erhaltung der Rechte, welche die Bundesverfassung den ein­ zelnen Gliedern des Bundes sichert, die dem deutschen Geist entspre­ chende Form der Entwicklung und zugleich die sicherste Bürgschaft gegen die Gefahr erblicke, welcher Recht und Ordnung in der freien Bewegung des heutigen politischen Lebens ausgesetzt sein können." Den Grund des Scheiterns der früheren (1848) Bundesreform­ bestrebungen erblickte er in der Einseitigkeit der angestellten Versuche, „weil die Nationalversammlung einen idealen Einheitsstaat schaffen wollte". Er sah also im Unitarismus etwas, was dem deutschen Geist widerspricht. Richtig, aber bedeutungslos für diese Grundeinstellung ist es, daß das Motiv hiezu auch mit in seiner Einstellung zum radi­ kalen Liberalismus und gegen den Parlamentarismus gelegen ist. Er erblickte in den deutschen Fürsten, also den föderativen Elementen,

wie er in dem Kapitel „Dynastien und Stämme" in seinen „Gedanken und Erinnerungen" darlegt, Bundesgenossen zur Sicherheit der deutschen Einheit. In der Teilnahme der Einzelstaaten an der Reichs­ staatsgewalt, in der machtvoll ausgestalteten Stellung des Bundes­ rats fand das seinen Ausdruck. Die Souveränität des Reichs lag nicht beim Kaiser, sondern bei den verbündeten Fürsten. Reich und Länder standen sich deshalb im Bismarckschen Reich nicht als feindliche Parteien gegenüber, sondern als Verbündete nebeneinander. Der Bundesrat vor allem ist wegen seiner föderativen Ausgestaltung das stärkste Bindemittel, der Hauptträger der Reichseinheit geworden. Daß Bismarck kein Unitarier war, das haben ihm gerade die zeit­ genössischen Unitarier bezeugt. Der liberale Politiker Hermann Baumgarten bezeichnete die Politik Bismarcks als ein verderbliches, des preußischen Staates unwürdiges, systematisches Paktieren mit Bayern und einer der Urheber des Entwurfs der Weimarer Ver­ fassung erklärte: „Der Neubau des Deutschen Reichs muß ganz be­ wußt auf den Boden gestellt werden, den Bismarck bei seiner Reichs­ gründung bewußt nicht betreten hat." Im Laufe der Jahre haben sich die Zuständigkeiten des Reichs im einzelnen da und dort gemehrt. Beachtenswert ist, daß jenes Element, das heute vor allem den Unitarismus verkörpert, der Reichs­ tag, mehr und mehr emporstieg. Es ist durchaus richtig, wenn Geheim­ rat Anschütz (auf der Tagung der deutschen Staatsrechtslehrer 1924) diese Entwicklung von der November-Krisis 1908 im Anschluß an und als Reaktion gegen gewisse absolutistisch gerichtete Vorgänge, abgeleitet und auf die rapide Entwicklung während der letzten Kriegs­ jahre, als Vorboten des Umsturzes, hingewiesen hat. Die Zuständig­ keitsverteilung zwischen Reich und Ländern war aber auch damals noch rein föderalistisch. Namentlich hinsichtlich der Ausführung der Reichsgesetze waren die Staaten fast vollständig frei. Reichsverwal­ tungen gab es auch damals nur ganz vereinzelt. Wie anders nun die Weimarer Verfassung! Der Nachfolger des Bundesrats, der Reichsrat, ist zwar als föderalistisches Element vorhanden, aber mit wie schwachen Befugnissen! Von einem Mit­ bestimmungsrecht bei der Bildung des Reichswillens kann dabei kaum mehr gesprochen werden. Vor allem ist das unitaristische Organ des Reichstags fast allmächtig geworden. Die Zuständigkeiten auf dem Gebiete der Gesetzgebung für das Reich sind sehr stark erweitert, kaum abgegrenzt, auch der Vollzug der Gesetze durch die Länder

ist nicht gesichert, vielmehr häufig reichseigenen Behörden übertragen. Die Verfassungsautonomie der Länder ist zerstört, ihr Gebiets­ bestand in Frage gestellt, die Sicherung aber auch der wenigen den Ländern zustehenden Rechte nicht gewährleistet, die Finanzhoheit der Länder beseitigt; und trotzdem genügt auch diese Lage den Uni­ tariern noch nicht. An eine Reform der Verfassung des deutschen Bundesstaates in gewissem Umfange wird allerdings herangegangen werden müssen. Was eben dargelegt wurde, der Vergleich, der eben gezogen wurde, weist aber den Weg, wohin die Reise gehen muß und zeigt, wohin sie nicht gehen kann. Auszuscheiden ist alles, was noch weiterhin auf das unitaristische Gebiet führt — denn die Weimarer Verfassung hat schon mehr als genug von diesen Elementen — und möglich ist nur, was das föderalistische Element stärkt und fördert. Wer so handelt, handelt im Geiste der deutschen Geschichte und des Rechts der Länder gegenüber dem Reiche.

V. Reform des Bundesstaates. 1. Allgemeines zur Reformfrage. Die Lösung des bundesstaatlichen Problems ist in Deutschland deshalb besonders schwierig und schwieriger als in anderen Bundes­ staaten, weil das Deutsche Reich im 19. Jahrhundert historisch aus Preußen herausgewachsen und unter der ausschließlichen Führung Preußens entstanden ist, und weil Preußen mehr als 2/a der deut­ schen Bevölkerung in sich schließt (insgesamt rund 40 Millionen Ein­ wohner), während die übrigen Glieder des Reiches nur Länder von 7 Millionen bis zu 48000 Einwohner sind. Die Bismarcksche Ver­ fassung hat dem Rechnung getragen, indem sie dem König von Preußen die Führung, die Hegemonie, übertrug. Hierdurch wurde Preußen organisch mit dem Reiche verbunden, in den Dienst des Reichs gestellt und ein Antagonismus zwischen beiden verhindert. Durch die Hegemonische Stellung wurde Preußen anderseits auch für den ihm auferlegten Verzicht auf die völlige Verhältnismäßig­ keit hinsichtlich des Einflusses im Bundesrat entschädigt. Zum Aus­ gleich hatten die Mittelstaaten einige Reservatrechte, die ihnen die Annahme der preußischen Hegemonie ermöglichten und erleichterten. Im übrigen aber wurden die Einzelstaaten als Staaten mit gleich­ mäßigen, nicht nach der Bevölkerungszahl abgestuften Rechten Mit­ glieder des Reichs, was vor allem in der Vertretung im Bundesrate zum Ausdrucke kam. In der Weimarer Verfassung ist Preußen aus seiner überragenden Stellung verdrängt. Sie hatte auf der persön­ lichen Stellung des Königs von Preußen, auf dem Vertrauens­ verhältnis unter den deutschen Fürsten beruht und war durch die immer wieder betonte Vertragstreue gesichert. Mit dem Monarchen ist diese Stellung Preußens als unmöglich geworden verschwunden. Preußen steht nun im Reich auf der gleichen Stufe wie die anderen Länder. Das Gewicht seiner Größe wirkt sich aber selbstverständlich in vielen Beziehungen aus, so daß bei Meinungsübereinstimmung ein der Hegemonie ähnlicher Zustand, bei Meinungsverschiedenheit aber Rivalität entstehen kann. Das Stimmgewicht der Länder in ihrer Vertretung, dem Reichsrat, ist nach ihrer Größe, d. h. der 29

Bevölkerungszahl ab gestuft, von einem privilegium odiosum für Preußen (Art. 61 RV.) abgesehen. Dieses tatsächliche Verhältnis muß vor allem in Betracht ziehen, wer die Reichsverfassung reformieren will. Zu den sonstigen Schwie­ rigkeiten kommt noch die wirtschaftliche und außenpolitische Lage hinzu. Die Schwierigkeiten, in denen sich das Deutsche Reich zur­ zeit befindet, beruhen aber durchaus nicht etwa darauf, daß es ein Bundesstaat und kein Einheitsstaat ist. Sie entspringen dem ver­ lorenen Krieg und seinen Folgen. Sicher tragen auch Mängel der Weimarer Verfassung und noch mehr eine verhängnisvolle und un­ haltbare Praxis in der Anwendung und Ausschöpfung ihrer Bestim­ mungen daran einen Teil der Schuld. Unbestreitbar hat auch der Umsturz unseres Finanzsystems manche Länder in schwere finanzielle Not gebracht. Hier muß der Hebel zunächst angesetzt werden, wenn Verwirrungen und Reibungen, Mißhelligkeiten und Mißstimmungen vermieden werden sollen. Das fühlen auch die Kreise, die zur Be­ hebung der Schwierigkeiten nach Zwischenlösungen suchen, durch welche wenigstens vorerst der Einheitsstaat vermieden werden soll, an dessen Stelle andere staatsrechtliche Konstruktionen versucht werden sollen. Diese Zwischenlösungen sehen meist die völlige oder teilweise Aufgabe der Eigenstaatlichkeit der Länder vor, entweder durch Angliederung an andere Länder oder durch den Übergang an das Reich in verschiedenen Abstufungen, deren oberste die Umwand­ lung des Landes in ein Reichsland wäre. Als wichtigste Frage ergibt sich stets die nach der Regelung der Beziehungen zwischen dem Reich und Preußen. Alle bisherigen Lösungsversuche laufen auf zwei Mög­ lichkeiten hinaus, entweder Aufgehen Preußens im Reich als Reichs­ land, sei es für sich allein, sei es in Form eines Reichslandes Nord­ deutschland, oder das Aufgehen des Reichs in Preußen in Form einer irgendwie gearteten Hegemoniestellung Preußens.

2. Die kleineren Länder und das Reich. Es unterliegt keinem Zweifel, daß der Charakter des Reichs als Bundesstaat nicht alteriert wird, wenn einzelne kleine Länder, denen der Wille der Selbsterhaltung fehlt, die Eigenstaatlichkeit aufgeben. Vom föderalistischen Standpunkt aus ist also nichts dagegen zu er­ innern, wenn kleine Staaten oder Zwergländer, die nicht die Kraft und nicht den Willen haben, als eigene Staaten im Reiche zu bestehen,

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sich in irgendeiner Form ihrer Eigenstaatlichkeit begeben. Die ge­ meinsamen Interessen der Länder werden durch das Verschwinden solcher Länder nicht beeinträchtigt. Wenn aber solche kleine Staaten nicht den Willen haben, zu verschwinden, darf dies in keiner Weise erzwungen werden. Jedes Abgehen von dieser Linie wäre ein Ver­ stoß gegen den Grundsatz des föderativen Aufbaues des Reichs und könnte zu den übelsten Konsequenzen für die übrigen Länder führen. Es wäre staatsrechtlich unmöglich, aber auch praktisch-politisch höchst bedenklich, hier mit direktem oder indirektem Zwang vorzugehen. Nach der grundsätzlichen föderativen Auffassung über das Recht der Eigen­ staatlichkeit der Länder und über die verfassungsmäßige Stellung der Länder untereinander und zum Reiche kann ein kleines Land nicht anders behandelt werden, als ein großes, solange es den Willen zur Eigenstaatlichkeit besitzt und die Fähigkeit zur Erhaltung seiner eigen­ staatlichen Existenz durch eine natürliche Entwicklung der Dinge nicht verlorengegangen ist. Hierunter sind aber nicht die Länder zu rechnen, denen nur durch finanzpolitische Maßnahmen die Fähigkeit erschwert worden ist, als eigene Länder weiterzubestehen. Wer einen anderen Standpunkt einnimmt, rüttelt an den Grundfesten des verfassungs­ mäßigen Aufbaues des Reichs überhaupt. Wird der Grundsatz auf­ gegeben, daß entscheidend der Wille eines Landes zur Selbsterhaltung als Staat sein muß, dann gerät alles ins Wanken. Festgestellt sei, daß auch die kleinen Länder nach Art. 8 RV. ein Recht zu leben und den Anspruch auf einen gerechten Finanzausgleich haben, solange sie ihre Eigenstaatlichkeit wahren wollen. Was für die Zwergländer gilt, gilt auch für die Enklaven und Ex­ klaven. Auchhier darf der Willeder Bevölkerung nichtignoriert werden. Er muß vielmehr ausschlaggebend sein und bleiben für die Form ihrer Zukunftsexistenz. Wenn ihr Wille für eine Bereinigung der Grenzen ist, soll er seine Befriedigung erfahren. Wenn die Verhältnisse wirk­ lich so himmelschreiend sind, wie man sie zu schildern Pflegt, wird der vernünftige Sinn der Bevölkerung ohnehin sich der Flurbereinigung nicht widersetzen. Wenn aber ernsthafte Interessen eine solche ver­ hindern, was offenbar doch in höherem Maße der Fall ist, als man gemeinhin glaubt, darf die Bereinigung nicht erzwungen werden. Selbstverständlich ist, daß es sich dabei immer nur um Splittergebiete handeln kann mit einigen Hundert oder Tausend Einwohnern, nicht aber um Landesteile, die nach der Größe des Hauptteiles als wesent­ liche Bestandteile desselben anzusehen sind. v.Jan, Reichsverfassungsreform.

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Die Verhältnisse der Zwergländer und der Enklaven und Ex­ klaven werden sich durch Anschluß an ein anderes Land oder durch Zusammenschluß auf dem Wege des Art. 18 RV. regeln lassen. Auch vom föderalistischen Standpunkt ist hiegegen nichts zu erinnern. Schwieriger wäre die Regelung, wenn solche Gebilde den Wunsch hätten, sich unmittelbar an das Reich anzuschließen. Für diesen Fall ergeben sich vier Möglichkeiten, die Ministerpräsident Dr. Held in seiner Rede auf der Länderkonferenz wie folgt behandelt hat: Die vier Möglichkeiten sind folgende: 1. Aufgabe der Eigenstaatlichkeit und Umwandlung in reichs­ unmittelbare Gebiete (Reichsländer), 2. Aufrechterhaltung der Eigenstaatlichkeit, aber Übernahme der Landesverwaltung durch das Reich, 3. Aufrechterhaltung der Eigenstaatlichkeit und der Landes­ verwaltung, aber unter Reichsaufsicht, einmal in sachlicher Hinsicht auf die Verwaltung und sodann in persönlicher Hin­ sicht auf die Beamten und unter Verpflichtung der Landes­ beamten, den Weisungen der Reichsregierung Folge zu leisten, 4. Aufrechterhaltung der Eigenstaatlichkeit und Aufrechterhal­ tung von Teilen der Landesverwaltung, aber Übernahme einzelner Teile der Verwaltung durch das Reich. Diese 4. Möglichkeit bedeutet unter allen Umständen weniger als die 2., kann aber, je nach der Größe der vom Reich übernommenen Verwaltungsgebiete entweder mehr oder weniger bedeuten als die Möglichkeit unter Ziffer 3. 1. Was zunächst die Umwandlung von Ländern in Reichsländer betrifft, so würde sie sich wohl in der Weise vollziehen, daß die eigenen Landesverwaltungen verschwinden, ebenso die eigene Volksver­ tretung, wenigstens mit den dieser eigentümlichen parlamentarischen Rechten. Eine Verantwortlichkeit der Reichsregierung gegenüber dem einschlägigen Landtage für die Verwaltungsmaßnahmen im Reichslande, wäre begrifflich ausgeschlossen. Denn es handelt sich bei der Verwaltung von solchen Reichsländern ausschließlich um An­ gelegenheiten der Reichsverwaltung, für die die Reichsregierung nur dem Reichstage verantwortlich ist und nie dem Landtag eines einzel­ nen Landes gegenüber verantwortlich gemacht werden kann. Ebenso unmöglich wäre es, den ehemaligen Landtagen solcher Länder das

Recht der Ausgabenbewilligung zu belassen. Denn es würde sich um Reichsmittel handeln, über die nur der Reichstag verfügen kann. Wenn also ein solcher Landtag bleiben wollte und sollte, könnte das nur mit den Zuständigkeiten geschehen, die ein Vertretungskörper eines Kommunalverbandes gegenüber der Verwaltungsbehörde be­ sitzt, im wesentlichen also mit dem Rechte der Beschlußfassung über die eigenen Einnahmen und Ausgaben. Die Reichsratsstimmen der betreffenden Länder hätten zu verschwinden. Ihre Führung durch das Reich wäre vom bundesstaatlichen und vom grundsätzlichen Standpunkte der Weimarer Verfassung aus abzulehnen. Sie wäre aber auch verfassungsrechtlich unmöglich, da der Reichsrat die Ver­ tretung der Länder ist. Das Reichsland verzichtet bewußt und gewollt auf seine Ländereigenschaft und unterstellt sich unmittelbar dem Reich. Es hat also keinen Platz in der Vertretung der Länder, deren Inter­ essen ihm ohnehin sernliegen. Gegen die Schaffung von Reichsländern bestehen aber grund­ sätzlich und praktisch-politisch die größten Bedenken, auf die bei der Behandlung des Problems: Preußen und Reich noch näher einzu­ gehen sein wird. Doch sei hier schon soviel gesagt, daß es für die Be­ wohner des Landes ein kaum erträgliches Gefühl sein müßte, daß über ihre Angelegenheiten im Gegensatze zu anderen Ländern nicht sie selbst, sondern auch die Bewohner der anderen deutschen Länder durch den Reichstag und die Reichsregierung mit entscheiden würden. Es liegt nahe, daß sich die Angehörigen des Reichslandes geradezu als Bewohner einer Kolonie betrachten würden. Auch für die selb­ ständig bleibenden Länder würde sich eine unangenehme Situation ergeben. Es stünde zu befürchten, daß das Verhältnis des Reichs und der Reichsregierung zu diesem Land, das nun Reichsland wäre, ein innigeres würde, als es für die übrigen Länder angenehm oder erträglich wäre. Zwischen der Behandlung des direkt verwalteten Reichslandes und der Behandlung der übrigen Länder durch die Reichsregierung die richtige Linie zu finden, wäre sehr schwierig. Eine solche Zweiteilung wäre auch für die Einheitlichkeit des ganzen Volkes gefährlich. Dazu käme, daß die Reichsregierung, wenn das Experiment gemacht würde, auf allen Gebieten der Verwaltung eine sehr große Machtfülle erhalten würde, die für die anderen Länder sicherlich nicht ohne Bedeutung wäre. Sie könnten wohl bald keinen selbständigen Schritt mehr machen, sondern wären genötigt, das nach­ zumachen, was das Reich für das Reichsland macht. Denn wenn die

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Reichsregierung einmal sich mit der eigentlichen Verwaltungstätig­ keit befassen würde, müßte der Vollzug auch in den übrigen Ländern in der gleichen Weise vor sich gehen. Sonst würde sofort über ver­ schiedenen Vollzug geklagt werden. Die Reichsregierung würde hierdurch auf Gebiete gedrängt, die nicht ihres Amtes sind, sie würde wieder auf Gebieten, die sie zurzeit noch nicht bearbeitet, in Wett­ bewerb mit den Ländern treten und weiter, wenn sie erst einmal ein­ zelne Länder voll verwaltete, ganz von selbst das Bestreben haben, auch hinsichtlich der Verwaltung bei den übrigen Ländern sich mehr und mehr einzumischen. Es würde mit dem Gedanken der Rationali­ sierung der Verwaltung gearbeitet und versucht werden, ein Land nach dem anderen sich einzuverleiben oder anzugliedern. Würde eine solche Reichsverwaltung für vielfach nicht zusammenhängende, sondern zerstreut liegende Gebiete gemacht, so wäre sie jedenfalls teurer, als wenn die eigene Verwaltung der kleinen Länder weiter­ bestehen würde. Die letzte Instanz säße nicht im Lande selbst, sondern in Berlin, und der Verkehr mit dieser Instanz wäre kostspielig, zeitund kraftraubend. Dazu käme, daß die engen Beziehungen von Re­ gierung und Parlament, wie sie zum Vorteile der Länder in den selb­ ständig gebliebenen Ländern bestehen, zwischen dem Reichsland und dem Reiche nicht mehr möglich wären. Ebensowenig zwischen Re­ gierung und Volk. Die parlamentarische Kontrolle würde durch eine derartige Regelung so gut wie ausgeschlossen werden, weil der Reichs­ tag wohl nicht in der Lage wäre, sich mit den Einzelheiten des Ver­ waltungsvollzugs im Reichslande so zu befassen, wie dies von den Landtagen der Länder heute geschieht. Eine solche Kontrolle aber muß auch im Freistaate als absolut notwendig erachtet werden. Im übrigen aber würde eine solche Maßnahme nicht dezentralisierend, sondern zentralisierend wirken. Das läge in der Natur der Dinge, wie man sich denn mit einer solchen Maßnahme überhaupt glatt auf unitarischem Wege bewegen würde. Vom Standpunkte des födera­ tiven Staates muß daher der Gedanke der Reichsländer unbedingt abgelehnt werden. 2. Die zweite Möglichkeit, Übernahme der Verwaltung einzelner Länder durch das Reich bei Aufrechterhaltung ihrer Eigenstaatlichkeit, ist nicht viel anders zu beurteilen. Die eben geltend gemachten Bedenken gelten auch hier, sogar in vermehr­ tem Maße; denn Eigenstaatlichkeit und Reichsverwaltung schließen sich aus. Ein wesentlicher Bestandteil des Staatsbegriffes ist die

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Staatsgewalt. Wo bleibt diese aber, wenn sie von einem Organ außerhalb des Staates ausgeübt wird? Es wäre eine Fiktion, wenn in einem solchen Falle behauptet werden wollte, die Eigenstaatlich­ keit bestehe weiter. Bei Aufrechterhaltung der Eigenstaatlichkeit müßte die eigene Volksvertretung weiterbestehen. Die Reichsregie­ rung aber könnte nicht von dem Vertrauen dieser Volksvertretung abhängig gemacht werden. Die Volksvertretung würde daher auch in diesem Falle ihres parlamentarischen Charakters entkleidet und auf die Stufe von Vertretungskörpern der Selbstverwaltung herab­ gedrückt. Ein wesentliches Merkmal der Eigenstaatlichkeit würde also verschwinden. Auch hiebei wäre die parlamentarische Kontrolle über Verwaltung und Ausgaben völlig unmöglich. Der Reichstag wäre überhaupt nicht zuständig, da es sich nicht um Reichsangelegenheiten, sondern um Angelegenheiten eines Landes handeln würde. Auch diese Lösung ist daher als unmöglich abzulehnen. 3. Wenn nach der dritten Möglichkeit die eigene Landes­ verwaltung zwar bleiben, aber mit Reichsaufsicht und Ver­ pflichtung der Landesbeamten auf die Reichsregierung verbunden werden sollte, würde das bedeuten, daß neben der all­ gemeinen Reichsaufsicht nach Art. 15 RB. noch eine besondere Reichs­ aufsicht bestellt wird, die auch in Landesangelegenheiten den Willen der Reichsregierung durchzusühren berechtigt wäre. Es würde sich also um eine Abschwächung des eben behandelten Vorschlags handeln insoferne, als die Verwaltung nicht durch Reichsbeamte, sondern durch Landesbeamte geführt wird, diese aber an die Weisungen der entsprechenden Reichsministerien unbedingt gebunden wären. Da­ her dürfte wohl nur der Form nach ein Unterschied mit der 2. Lösung bestehen. Sachlich wäre das Verhältnis zwischen Reich und Land das gleiche wie dort. Auch diese Lösung ist daher abzu­ lehnen. 4. Was den 4. Vorschlag betrifft, die Übernahme nur von Teilen der Landesverwaltung durch das Reich, also eine Teil­ lösung von Nr. 2, so ist auch sie grundsätzlich nicht anders zu be­ urteilen wie die Lösung 2 im ganzen. Die Abgabe weiterer Teile der Verwaltung an die Reichsregierung ist unmöglich, wenn die Länder ihre Eigenstaatlichkeit behaupten wollen. Auch Länder, die nicht unmittelbar von solchen Maßnahmen betroffen würden, würden in ihren eigenen Grundfesten doch auf das stärkste von ihnen berührt und könnten sie nicht hinnehmen.

Hier sei auch von der Übernahme von sog. Zuschußverwaltungen auf das Reich gesprochen. Das Wort Zuschußverwaltung ist irreführend. Hinter ihm verbirgt sich der Begriff der Hoheitsver­ waltung, damit ein Moment von ausschlaggebender Bedeutung für Begriff und Inhalt der Eigenstaatlichkeit. Zuschußverwaltung ist nicht etwa nur die Justizverwaltung, sondern auch die Verwaltung von Unterricht und Kultus, die Verwaltung des Innern usw. sind Zuschußverwaltungen. Man male sich aus, zu welchen Folgerungen es führen würde, wenn das Reich diese Hoheitsverwaltungen der Länder zunächst einmal im einzelnen und dann wohl im gesamten übernehmen würde, welcher Zentralapparat und welche Aufblähung dieses Zentralapparates dann neu in Berlin entstehen müßte. Das wäre nicht Dezentralisation, sondern Zentralisation schlimmster Art. Auch die Frage, ob etwa die Justiz der Reichsverwaltung übertragen werden kann, ist von allen anderen Gründen abgesehen, schon des­ halb zu verneinen, weil die Strafrechtspflege von der Polizeihoheit nicht getrennt werden kann. Im übrigen wäre für alle angedeuteten Lösungsversuche eine Verfassungsänderung nötig. Die Einführung von Reichsländern in das deutsche Staatsrecht würde vor allem die Änderung des Art. 2 erfordern, weiter der Art. 5, 14, 17, 18, 60, 63, 68, 69. überdies müßten auch Bestimmungen über die Gesetzgebung in eigenen inne­ ren Reichsland-Angelegenheiten und über den Gesetzesvollzug in diesen Reichsteilen geschaffen werden. Daraus folgt, daß ohne Mit­ wirkung auch der übrigen Länder, die nicht unmittelbar von der Maß­ nahme betroffen würden, eine solche Änderung der Struktur des Reiches nicht erfolgen kann. Nur einen Weg gibt es, auf dem eine Regelung der vorliegenden Teilprobleme ohne Verfassungsänderung möglich ist. Das wäre der Weg des Abschlusses von Verwaltungsgemeinschaften unter den Ländern. Gegen solche kann schwerlich etwas eingewendet werden. Sie wären ohne Zustimmung des Reichs und der übrigen Länder wohl möglich, soweit sie nicht in das Gesetzgebungs­ oder Verwaltungsgebiet des Reichs einschlagen. Sie dürfen aller­ dings nicht dazu führen, daß das Reich selbst die Verwaltung in solchen Ländern übernimmt, weil das sachlich eine Verfassungs­ änderung bedeuten würde und im übrigen alle die Bedenken hervorrufen müßte, die gegen die anderen Lösungen angedeutet worden sind.

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3. Preußen und Reich. Das Kernstück der ganzen Verfassungsreformfrage stellt das Problem: „Preußen und Reich" dar, die Frage, wie die Beziehungen zwischen Preußen und Reich geregelt werden können, um zu einem für alle Beteiligten gedeihlichen Zusammenwirken zu gelangen. Was für Lösungsvorschläge auch gemacht worden sind, sie laufen immer darauf hinaus, entweder an das frühere Verhältnis anzuknüpfen und Preußen eine Vormachtstellung im Reiche vor den übrigen Län­ dern einzuräumen, bedeuten also die Rückkehr zur Hegemonie, oder sie gehen darauf aus, Preußen als Reichsland im Reich aufgehen zu lassen. Ministerpräsident Dr. Held hat auf der Länderkonferenz über den Anlaß zu den Erörterungen über diesen Punkt ausgeführt, er sei der Meinung, daß die Schwierigkeiten aus dem Dualismus zwi­ schen Reichsregierung und preußischer Regierung nicht ohne Tendenz übertrieben würden, und daß theoretisch neue hinzukonstruiert wür­ den, in der Absicht, damit die ganze deutsche Verfassungsfrage von Grund aus aufzurollen und Gelegenheit zu schaffen zur Weg­ bereitung für den mit harter oder sanfter Gewalt herbeizuführenden Einheitsstaat. Er hat die Vermutung beigefügt, daß bei einigermaßen gutem Willen auf beiden Seiten und strenger Innehaltung der Zu­ ständigkeiten die Schwierigkeiten sich vermindern, vielleicht sogar ganz vermeiden ließen. Durch die Verbesserung der Zuständigkeits­ ausscheidung, über die später noch zu sprechen sein wird, ließen sich die Verhältnisse jedenfalls sehr verbessern. Gewisse Schwierigkeiten bestehen allerdings und es liegt nahe, nachzuforschen, wie sie beseitigt werden können. Es sei gleich fest­ gestellt, daß für den Föderalisten keiner der beiden erwähnten Vor­ schläge in Betracht kommen kann: beide wirken sich unitarisch, nicht föderalistisch aus. Ebenso ist es von vornherein selbstverständlich, daß nichts geschehen darf, womit Preußen nicht von sich aus voll­ ständig einverstanden wäre. In dem Werdegang der Weimarer Verfassung hat die Frage, wie das Verhältnis Preußens zum Reiche zu gestalten sei, eine sehr erhebliche Rolle gespielt. Beim Werden dieser Verfassung hat nicht wie 1871 der Inhaber der preußischen Staatsgewalt geführt, son­ dern die vorläufige Reichsregierung und die Vertretung des Reichs­ volkes haben sich hierüber auseinandergesetzt. Die preußische Re­ gierung stand ebenso wie die Regierungen der anderen deutschen Län37

der daneben, in gewisser Beziehung abwartend und leidend, nicht leitend. Für die Faktoren, welche die Reichsverfassung schufen, bil­ dete der Block Preußen unter den sonstigen vorhandenen kleineren Bausteinen eine gewisse Verlegenheit. Man wußte nicht recht, wie man ihn in das Reichsgebäude einfügen sollte. Die ersten Entwürfe der RV. waren Preußen wenig freundlich gesinnt. Man ging so weit, die Existenz Preußens als Widernatürlichkeit und politischen Widersinn zu bezeichnen und hielt die Aufteilung Preußens für not­ wendig. Bald aber sah man die Schwierigkeit, ja Unmöglichkeit sol­ chen Vorgehens ein. So kam man dazu, daß man den Staat Preu­ ßen unangetastet ließ und ihn in gleicher Weise, wie die anderen deut­ schen Staaten beim Verfassungsbau verwendete, und Preußen der Reichsgewalt ebenso gegenüberstellte, wie Bayern und die anderen Länder. Bei Beratung des Art. 15 (jetzt 18) RV. wurde, neben der Frage der Zukunft der kleinen Staaten, das preußische Problem schon ein­ gehend besprochen. Man wagte damals nicht, schon irgendeine Lösung dieses Problems vorzuschlagen, weil noch zu große Unsicherheit über den Willen der Bevölkerung hierüber herrschte, wie z. B. auch Reichs­ minister Dr. Preuß unumwunden erklärte. Demgegenüber sprach damals der Vertreter der preußischen Re­ gierung, Justizminister Heine aus, der Gedanke habe viel für sich, Preußen zum Reichsland, die preußische Verwaltung zur Reichsver­ waltung, die preußischen Minister zu Reichsministern zu machen. Da­ durch würden die kleineren Staaten sich zu diesem großen Körper hin­ gezogenfühlen. Aber dies würde in Süddeutschland Gegenströmungen erzeugen. Unrichtig sei es, Preußen zerlegen zu wollen und neue Mittelstaaten zu errichten. Für das Reich sei die ungeschwächte Kraft Preußens unentbehrlich. Die Zerstörung Preußens würde die Zer­ störung der Einheitlichkeit des Reichs auf den wichtigsten Gebieten bedeuten. Die Zusammenfassung kleinerer Staaten wäre dagegen zu begrüßen. Demgegenüber stellte Reichsminister Dr. Preuß fest, daß seit der Paulskirche immer der Gedanke wiederkehre: Das Verhältnis Preußens zum Reiche sei nicht anders denkbar, als daß entweder Deutschland unter preußischer Hegemonie stehe oder daß Preußen in Deutschland aufgehe. Das sei mathematisch sicher. Es sei dem republikanischen Reich unmöglich, einen großen Staat von 40 Millionen als Einzelstaat auf die Dauer in sich zu erhalten. Die kleinen Staaten würden in Preußen aufgehen.

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Die bayerische Regierung vertrat bei dieser Gelegenheit die Ansicht, es könne künftig erwünscht sein, die historischen, oft nur auf Zufälligkeiten beruhenden Grenzen der einzelnen Staaten zu ver­ ändern, unter Umständen sie auch zu zerlegen und neue Staaten zu bilden. Aber oberster Grundsatz müsse sein, daß dies alles freiwillig unter Zustimmung aller Beteiligten geschehe. Der preußische Land­ tag werde sich die Zerlegung Preußens nicht gefallen lassen und die Grenze des Rechts der Nationalversammlung fiele mit den Grenzen ihrer Macht zusammen. Der Einheitsstaat scheitere an der Realität der Verhältnisse. In Preußen selbst war man nach dem Umstürze sehr verschie­ dener Meinung über die staatsrechtliche Gestaltung der Zukunft. Anders als in Süddeutschland, wo alles, auch mit Einschluß der sozial­ demokratischen Minister, für die Erhaltung der Eigenstaatlichkeit war, gab es in Preußen zunächst Stimmen, die ein Aufgehen Preußens im Reiche für möglich und notwendig hielten oder die an eine Zer­ schlagung Preußens dachten. Mit Rücksicht auf diese Unklarheit stellten die preußische Regierung und die Volksvertretung sogar die Beratung des Entwurfs der preußischen Verfassung zurück, bis durch die Reichsverfassung entschieden sei, ob eine preußische Verfassung überhaupt noch nötig sei. Nach Erlaß der RV. beschloß die preußische Landesversammlung am 17.12.1919, durch die Reichsverfassung seien die Grundlagen für den deutschen Einheitsstaat derart geschaf­ fen, daß seine Errichtung nur eine Frage der Zeit, der langsameren oder schnelleren Entwicklung sei. Wiederholt habe Preußen durch seine Regierung und Volksvertretung zum Ausdruck gebracht, daß es be­ reit sei, im deutschen Einheitsstaat aufzugehen, wenn dieselbe BereitwMgkeit auch bei den Ländern bestehe. Die Landesversammlung ersuchte daher die Regierung, mit den Regierungen der anderen Länder über die Errichtung des deutschen Einheitsstaates in Verhand­ lungen einzutreten. In einer gemeinsamen Sitzung der Reichsregie­ rung und der preußischen Regierung am 3. 2.1920 wurde hierüber beraten und beschlossen, zur weiteren Klärung der Frage einen Unter­ ausschuß von je drei Ministern zu bilden. Dabei wurden die Besorg­ nisse der süddeutschen Staaten, als ob das Reich beabsichtige, gegen ihren Willen politische Rechte anzutasten, als unbegründet erklärt. Auch bei einer notwendigen Dezentralisation, die immer erforderlich sein werde, liege keine Veranlassung vor, die süddeutschen Staaten umzuformen. Die Schwierigkeiten, Preußen in ein dezentralisiertes 39

Reich einzugliedern, wurden nicht verkannt. Man versprach sich aber Abhilfe nicht von dem unhistorischen Gedanken der Zerschlagung Preu­ ßens, sondern von der organischen Entwicklung. Auf dem Wege der Dezentralisation Preußens müsse weitergegangen werden. Aus der gemeinsamen Verantwortung, die das Reich und Preußen zu tragen hätten, könnten sich Schwierigkeiten ergeben, wie das auch unter der alten Verfassung der Fall gewesen sei. Diesen Schwierigkeiten solle durch eine engere Fühlung beigekommen werden. Der erwähnte gemeinsame Unterausschuß wurde jedoch nicht weiter tätig. Da auch bei keinem anderen deutschen Lande sich Geneigtheit für den Einheits­ staat zeigte, wurde der Gedanke nicht weiter verfolgt, sondern die preußische Landesversammlung schloß am 30.11.1920 die Beratung über die preußische Verfassung ab. Sie trägt allerdings, sehr im Gegensatze z. B. zur bayerischen Verfassung, rein die Form eines Ausführungsgesetzes zur RV. Uber das Problem Preußen und Reich ist eine umfangreiche Literatur erwachsen. Interessant ist eine Erörterung, die hierüber im Jahre 1924 auf der Tagung der deutschen Staatsrechtslehrer bei Behandlung der Frage des deutschen Föderalismus stattgefunden hat. In den Referaten von Dr. Anschütz und Dr. Bilfinger kam zum Ausdrucke, daß eine Stärkung der Stellung des Reichsrats überhaupt mit einer Verstärkung des preußischen Einflusses daselbst verbunden sein müsse. Vor allem der Korreferent Privatdozent Dr. Bilfinger schlug hiezu die Sicherung der einheitlichen Abgabe der preußischen Stimmen im Reichsrat und die Personal-Union zwischen Reichskanzler und preußischen Ministerpräsidenten vor. Bei der auf die Referate folgenden Besprechung des preußisch­ deutschen Problems ergaben sich starke Gegensätze. Man erklärte einerseits die Wiedererweckung der preußischen Hegemonie für un­ möglich und betonte die Schwierigkeiten der Verbindung von Hege­ monie und parlamentarischem Unitarismus und die Untunlichkeit der VerbindungzwischenReichsämternundpreußischenÄmtern. Anderseits erhoben sich auch lebhafte Stimmen für den Wert einer preußischen Hegemonie als einer die Elastizität des bundesstaatlichen Apparates verbürgenden Verbindung zwischen Unitarismus und Föderalismus. Vom Standpunkte der Länder aus gesehen, hat auch hinsichtlich der Regelung des Verhältnisses zwischen Preußen und dem Reich jede Regelung auszuscheiden, die unitaristisch wirkt. In. Betracht kommen drei Möglichkeiten:

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1. die Aufsaugung der kleineren Staaten durch Preußen, wobei dieses als Staat oder Land im Reiche verbleibt wie bisher, also ein Großpreußen, 2. das Aufgehen Preußens im Reich als Reichsland, wo­ bei die anderen Länder entweder Länder bleiben oder diesem Reichslande Preußen sich anschließen oder für sich Reichs­ länder werden, 3. das Aufgehen des Reichs in Preußen durch den Übergang der Reichsgewalt an Preußen. 1. Würde Preußen die kleinen Staaten in Nord- und Mittel­ deutschland aufsaugen, was ohne Verfassungsänderung auf dem Wege des Art. 18 RV., also auf dem Wege der Reichsgesetzgebung geschehen könnte, so würde das bedeuten, daß diese Länder vollständig mit Preußen vereinigt werden und vollständig unter preußische Ver­ waltung kämen, daß Preußen ihre Ausgaben und Einnahmen zu übernehmen hätte. Seine Stellung zum Reich und der Reichs­ regierung würde dadurch rechtlich keineswegs verändert. Bon einer Hegemonie Preußens könnte dann noch nicht gesprochen werden. Es bliebe beim föderalistischen System ohne Hegemonie. Tatsächlich würde dadurch aber das Gewicht Preußens gegenüber dem Reich, aber auch gegenüber den anderen Ländern sich erhöhen. Solange es sich nur um einen nicht erheblichen Zuwachs handeln würde, würde dies allerdings für die übrigen Länder und ihren Einfluß auf die Reichsregierung kaum besonders ins Gewicht fallen. Wenn aber alle Kleinstaaten in Nord- und Mitteldeutschland von diesem Vorgang betroffen würden, würde das doch einen Zuwachs von etwas über 4 MMonen Einwohnern für Preußen bedeuten. Preußen hätte dann also statt 38,1 rund 42,2 Millionen Einwohner. Eine solche Veränderung in der Machtstellung eines einzelnen Landes könnte aber für die übrigen Länder nicht gleichgültig sein. Ein Stimmen­ zuwachs im Reichsrat könnte aus der Aufsaugung des einen oder anderen Kleinstaates für Preußen, solange Art. 61 I Satz 3 RV. be­ stehen bleibt, überhaupt nicht in Betracht kommen, da es jetzt schon 2/5 der Stimmen im Reichsrat besitzt. Wenn die Bestimmung aus Anlaß einer Gebietsänderung geändert werden sollte, könnte der Stimmenzuwachs aber höchstens den Selbstverwaltungskörpern der neu an Preußen fallenden Gebietsteile zugute kommen. Unter den jetzigen Verhältnissen hat Preußen sogar eher ein Interesse an der Aufrechterhaltung der kleinen Länder. Denn mit dem Weg-

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fall der kleineren Länder würde die Stimmcnzahl im Reichsrat von selbst sich verringern und damit auch der Anteil von 2/5 dieser Stimmen, die Preußen zustehen. Wenn es allen seinen Provinzen Vertreter geben will, ohne selbst auf eine seiner jetzigen Stimmen zu verzichten, braucht Preußen aber mindestens 26 Stimmen. Nach allem, was in der Öffentlichkeit zu hören war, kommt übrigens der Anschluß der nord- und mitteldeutschen Länder an Preußen wohl nicht in Betracht. 2. Das „Aufgehen Preußens im Reiche" würde die Er­ klärung Preußens zum Reichsland unter Aufgabe seiner Eigenstaat­ lichkeit bedeuten. Daneben wird auch von der Übernahme der preu­ ßischen Verwaltung durch die Reichsorgane unter Aufrechterhaltung der Eigenstaatlichkeit Preußens gesprochen. Daß das preußische Selbstgefühl eine derartige Regelung in der einen oder anderen Form ertragen würde, ist sehr unwahrscheinlich, ja ausgeschlossen nach der Entwicklung, die der preußische Staatsgedanke seit 1919 durchge­ macht hat. In beiden Fällen (Aufgehen im Reich mit oder ohne Eigenstaat­ lichkeit) hätte die preußische Verwaltung vollständig zu verschwinden. Die Reichsregierung hätte die Aufgaben der preußischen Landes­ regierung voll zu übernehmen. Hierzu müßte sie sich noch vervoll­ ständigen durch die Aufnahme derjenigen Sparten, die sie bisher noch nicht behandelt, sondern den Landesregierungen überlassen hat, also durch Hereinnahme der Beamten der inneren Landesverwaltung in die deutsche Reichsverwaltung. Der Reichsrat wäre auch bei dieser Ausgestaltung der Verfassung als Organ der eigentlichen Reichs­ verwaltung nicht zu entbehren. Ausgeschlossen wäre aber, daß die preußischen Stimmen von der Reichsregierung zu führen wären. Das wäre mit dem föderalistischen Gedanken unverträglich. Eine solche Regelung würde vollständig in unitaristischem Sinne wirken. Eine Frage ist, ob die Reichsratsmitglieder für das Reichsland oder das Land Preußen in diesem Fall, von den Organen der Selbstverwal­ tung, etwa den Provinziallandtagen zu wählen wären. Eine weitere Frage ist, wie es mit dem preußischen Landtag stünde. Wenn die Eigenstaatlichkeit Preußens überhaupt aufgegeben würde, wäre für ihn kein Platz mehr. Alle Rechte der Volksvertretung hätten für das frühere Preußen auf den Reichstag überzugehen. Damit ergibt sich sofort das Bedenken, daß dann für die An­ gelegenheiten des früheren Preußens auch die Abgeordneten aus den

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übrigen Gebieten des Reichs mit zu entscheiden hätten. Um dies zu verhindern, wurde vorgeschlagen, die in Preußen gewählten Reichs­ tagsabgeordneten als ausschließlich zuständig zur Entscheidung für solche Angelegenheiten zu erklären. Allein das wäre nicht folge­ richtig. Wenn Preußen Reichsland wäre, wäre seine Verwaltung Reichsangelegenheit. Zur Entscheidung in Reichsangelegenheiten aber wäre nur der Reichstag im ganzen, nicht ein Teil des Reichs­ tags zuständig. Hiezu kommt auch noch, daß bei dem jetzigen Reichs­ tagswahlverfahren bei vielen Abgeordneten (z. B. den mit Stimmen aus den zusammengesetzten Wahlkreisen oder Wahlkreisverbänden und ferner bei den auf die Reichswahlliste Gewählten) sich gar nicht mehr feststellen läßt, ob sie „in Preußen gewählt" sind. Auch aus dem parla­ mentarischen System heraus würden Schwierigkeiten bei dieser Rege­ lung entstehen. Sollte die Möglichkeit gewählt werden, daß das Auf­ gehen Preußens im Reiche sich nur auf die Führung der preußischen Verwaltung durch das Reich beschränkt, Preußen als Staat dagegen weiterbesteht, was indes — wie oben schon dargelegt wurde — einen inneren Widerspruch bedeuten würde, so könnte, selbst wenn die preu­ ßische Volksvertretung bestehen bleiben sollte, doch keine parlamen­ tarische Verantwortlichkeit der Reichsregierung gegenüber dem preu­ ßischen Landtag bestehen. Daher müßte das parlamentarische System insoferne eine Einschränkung erfahren. Die Reichsregierung wäre auch in Angelegenheiten der preußischen Landesverwaltung nur Organ des Reichs, könnte also nur dem Reichstag verantwortlich sein, von dem sie gestellt wird. Bei einer solchen Regelung müßte also vor allem Art. 17 I Satz 3 RV. insoweit außer Kraft gesetzt werden. Der preußische Landtag wäre dann der Reichsregierung gegenüber etwa in der Stellung eines Bertretungskörpers der Selbst­ verwaltung gegenüber den Verwaltungsbehörden, während die par­ lamentarische Verantwortung der Reichsregierung nur im Reichs­ tage geltend zu machen wäre. Mit dieser Beschränkung wäre auch die Übertragung der Befugnisse des preußischen Landtags an die preußischen Abgeordneten des Reichstags möglich, wenn eine ent­ sprechende Abgrenzung dieser nach dem jetzigen Reichswahlverfahren gefunden werden könnte. Dadurch würde wenigstens die doppelte Wahl erspart. Allerdings wäre die Reichsregierung dann in einer eigentümlichen Lage, indem sie dem ganzen Reichstage gegenüber in einer anderen Stellung sich befinden würde, wie gegenüber demüberwiegenden Teile seiner Mitglieder.

Die politischen Folgen, die aus dem Aufgehen Preußens im Reich entstehen würden, sind schon teilweise angedeutet. Die Preußen müßten das Gefühl haben, daß über die Geschicke ihres Landes, mag es nun als solches, allerdings nur scheinbar, weiterbestehen oder voll im Reich aufgehen, nicht nur die Bewohner ihres Landes, sondern auch die Bewohner der übrigen deutschen Länder mitentscheiden, eine Folge, die allein schon die Verwirklichung dieses Gedankens ver­ hindern muß. Auch Ministerpräsident Braun findet in seiner Bro­ schüre über den Einheitsstaat, daß die Bevölkerung Preußens dadurch gegenüber der Bevölkerung der anderen deutschen Länder in ihrer politischen Willensbetätigung stark beeinträchtigt würde, weil die Bevölkerung Preußens nicht zu bestimmen hätte, wie ihre Regierung zusammengesetzt sein soll und wer die Staatsgewalt in Preußen aus­ übt, sondern daß die Bayern, Badener, Hessen usw., obwohl sie schon in ihren eigenen Ländern die Regierung bestimmen, auch noch in Preußen mitbestimmend mitregieren. Dr. Apelt (Vom Bundesstaat zum Regionalstaat, S. 43) weist mit Recht darauf hin, daß bei der Schaffung eines Reichslandes Teile von verschiedener staatsrechtlicher Qualität geschaffen würden. Es sei sicher sehr schwierig, zwischen dem ganz zentralisierten Reichs­ land und den noch als Länder weiter bestehenden Reichsteilen ein entsprechendes gedeihliches und gesundes Verhältnis zu finden. Mit einem Reichslande habe man schon einmal in der deutschen Geschichte recht ungünstige Erfahrungen gemacht und kurz vor dem Kriege habe man dessen Stellung als Reichsland reformieren müssen. Die Bewohner des Reichslandes würden sehr bald das Gefühl haben, daß sie gegenüber den Bürgern selbständiger Länder in die zweite Linie geraten und daß ihre Interessen hinter denjenigen der anderen Länder zurückbleiben, in denen selbständige Regierungen die lands­ mannschaftlichen Ansprüche dem Reiche gegenüber zu vertreten in der Lage sind. Eine solche Zweiteilung wäre weiter auch der Einheit­ lichkeit der deutschen Nation sehr gefährlich. All diese Gedanken sind durchaus zutreffend. Eine weitere für die übrigen Länder sehr ins Gewicht fallende Folge einer solchen Maßnahme aber wäre, daß die Reichsregierung durch diese Regelung auf allen Gebieten der Verwaltung eine solche Machtfülle erhalten würde, daß auch die Länder, die nicht in Reichsverwaltung, sondern noch in selbständiger Landesverwaltung stünden, kaum einen selb­ ständigen Schritt mehr machen könnten, sondern ganz von selbst ge-

nötigt würden, die gleichen Schritte zu tun, wie sie für das Reichs­ land vom Reich geschehen. Es ist ferner sicher, daß eine solche Regelung von selbst zentri­ petal wirken würde, daß die übrigen Länder nolens volens ein solches Vorgehen allmählich nachmachen müßten. Ein solcher Plan würde also unitarisch wirken. 3. Wie steht es nun mit dem umgekehrten Wege, der Übertra­ gung der Reichsgewalt an Preußen, dem Aufgehen des Reiches in Preußen? Hierin läge die Rückkehr zu der Bismarckschen Hege­ monie für Preußen. Es wurde schon ausgeführt, daß, wer im Föde­ ralismus die Gleichberechtigung der Länder bei Ausübung der Staats­ gewalt erblickt, hiemit grundsätzlich niemals einverstanden sein kann. Was die Auslegung des Begriffes „Gleichberechtigung" anlangt, so ist allerdings zuzugeben, daß die deutschen Länder tatsächlich nicht gleich sind, weder nach Größe noch nach Lebenskraft. Praktisch macht sich dieser Unterschied in der Teilnahme an der Ausübung der Reichs­ staatsgewalt bemerkbar. Quantitativ ist er auch im Stimmrecht zum Reichsrat gegeben. Es fragt sich, ob der Unterschied sich auf das rein Quantitative zu beschränken hat oder ob auch in qualitativer Hinsicht ein Unterschied gemacht werden kann, mit anderen Worten, ob trotz Annahme der Grundsätze der staatsrechtlichen Gleichberechtigung der Unterschied doch so groß sein kann, daß ein Staat etwas erhält, was andere Staaten überhaupt nicht haben, daß er die volle Führung erhält, wie sie Preußen vor 1918 besessen hat. Begrifflich wäre auch ein qualitativer Unterschied hinsichtlich der Beteiligung an der Ge­ schäftsführung wohl möglich. Auf alle Fälle darf aber der Unter­ schied, wenn noch vom bundesstaatlichen Aufbau des Reichs die Rede sein soll, weder in der quantitativen noch in der qualitativen Hinsicht so weit gehen, daß der eine Partner alles oder nahezu alles, die an­ deren aber nichts oder fast nichts an Selbstbestimmungs- und Mit­ bestimmungsrechten hätten. Die Rechte der anderen Bundesmit­ glieder müßten immer noch so bedeutend sein, daß in dem Verhält­ nis der Rechte das Verhältnis der Größe und Kräfte der Länder sich widerspiegelt. Das aber wäre unter der jetzigen RB., bei Über­ tragung der Rechte der Reichsregierung an die preußische Regierung unbedingt nicht mehr der Fall. Es besteht ein sehr erheblicher Unter­ schiedhinsichtlich des jetzigen Selbstbestimmungsrechtes der Länder in ihren eigenen Angelegenheiten und ihres jetzigen Mitbestimmungs­ rechtes in Reichsangelegenheiten gegenüber der früheren Zeit. Eine 45

jetzt einem Lande eingeräumte Hegemonische Führung würde also etwas ganz anderes bedeuten, als dies vor 1918 der Fall gewesen ist. Man kann solgende Gleichung aufstellen: Die Hegemonie vor 1918 würde sich zu einer jetzt neu geschaffenen Hegemonie verhalten, wie die Reichs­ gewalt vor 1918 zur Reichsgewalt nach der Weimarer Verfassung. Alles was der RV. in unitaristischer Richtung vorgeworfen werden muß, würde also noch in verstärktem Maße gegen ein neuerliches Hegemonieverhältnis Preußens zu sagen sein. Was zur Übertragung der Hegemonie an Preußen führt (Personal-Union zwischen Reichs­ kabinett und preußischem Kabinett, damit Übergang der preußischen Stimmen im Reichsrat an die Reichsregierung) könnte daher von den Ländern unter der jetzigen RV. nur abgelehnt werden. Dasselbe gilt für die verfassungsmäßige Festlegung der Vereinigung der Ämter des Reichspräsidenten und des preußischen Staatspräsidenten, übrigens auch schon deshalb, weil die Stellung des preußischen Staats­ präsidenten noch gar nicht feststeht, weshalb nicht überblickt werden kann, wie diese Vereinigung sich staatsrechtlich auswirken würde. Gewisse Schwierigkeiten würden sich für die Durchführung der Personal-Union zwischen Reichsregierung und preußischer Landes­ regierung übrigens auch aus dem parlamentarischen System ergeben. Sie liegen auf der Hand. Die Schwierigkeiten ließen sich allerdings verringern, wenn nicht die ganzen Regierungen, sondern nur ein­ zelne Minister gemeinsam zu sein hätten. Wenn eine Regierung das Vertrauen von zwei Parlamenten besitzen soll oder muß, wird hierauf schon bei der Bildung der Regierung Rücksicht genommen werden. Im übrigen müßte bei einer solchen Regelung die Gefahr einer verschiedenen Mehrheit in beiden Parlamenten eben in Kauf genommen werden. Die Gefahr eines Mißtrauensvotums wäre dabei wohl auch nicht so stark, wenn wenigstens die wichtigsten MinisterParteien entnommen werden, deren Angehörige auf das Vertrauen einer Mehrheit in beiden Parlamenten rechnen können. Daran, die parlamentarische Verantwortlichkeit etwa gegenüber dem einen oder anderen Parlament auszuschließen, kann wohl nicht gedacht werden. Eine solche Ausnahmebestimmung würde dazu führen, daß das betreffende Parlament sich als solches zweiten Grades gegenüber dem anderen ansehen würde. Diese rein negative Beantwortung der Frage: Preußen und Reich wirkt selbstverständlich wenig befriedigend. Die Länder haben ein Interesse am Ausbau der föderalistischen Bestimmungen der 46

Verfassung, aber auch ein Interesse daran, daß die Bestrebungen, die auf den vollen Einheitsstaat abzielen, unterbunden werden. Weiter liegt der Gedanke nahe, daß es nach den gemachten Erfahrungen unzweckmäßig ist, wenn Preußen, wie jetzt, an der Gestaltung der Dinge in der Reichsregierung kein oder nur ein geringes Interesse hat. Wenn Preußen mit einer höheren Verantwortung als bisher in dieser Hinsicht belastet würde, wäre dies für das ganze Reich, auch für die übrigen Länder, nützlich. Wenn Reich und Preußen nicht Hand in Hand gehen, sondern gegeneinander stehen, leiden darunter alle Reichsteile. Endlich kann auch noch erwogen werden, ob nicht die gemeinsamen Interessen der Länder von einer Landes­ verwaltung besser in Rücksicht gezogen und gewahrt werden könn­ ten, als von einer über den Ländern thronenden Reichsverwaltung, die des Unterbaues und der praktischen Erfahrung entbehrt. Ministerpräsident Dr. Held hat daher auf der Länderkonferenz ausgeführt, es könne sehr wohl die Frage erwogen werden, ob nicht doch eine Verbesserung des Verhältnisses zwischen Preußen und Reich in dem Sinn erzielt werden könne, daß Preußen, unter Vorbehalt besonderer Rechtssicherung für die Länder, ähnlich wie nach der Ver­ sailler Verfassung ein gewisser Vorrang eingeräumt wird. So wie die Rechtslage heute liegt, würde die Übertragung einer Hege­ monischen Stellung an Preußen unbedingt unitarisch wirken, zur Verpreußung führen. Wenn aber dieser Gefahr gegenüber ein Riegel vorgeschoben wäre, wenn die Länder in der Verfassung festeren Boden unter den Füßen hätten, dann könnten bestimmte Befugnisse der Reichsgewalt, soweit sie nun einmal in einer Hand liegen müssen, statt der Reichsregierung wohl auch der preußischen Regierung zugestanden werden. Als unerläßliche Voraussetzung hiefür hat Ministerpräsident Dr. Held jedoch hiebei bezeichnet, daß den Wünschen der Länder auf klare verfassungsrechtliche Abgrenzung der Rechte von Reich und Ländern in Gesetzgebung und Verwaltung, auf Ausscheidung ver­ schiedener Gebiete aus der Zuständigkeit des Reichs, auf weiteren entschieden föderativen Ausbau des Reichsrats, auf einen angemesse­ nen Finanzausgleich und auf die Sicherung aller Länderrechte in der Verfassung Rechnung getragen werde. Wenn die jetzige Ordnung der Verhältnisse zwischen dem Reich und den Ländern durch Verschiebungen zugunsten Preußens eine tiefer greifende Änderung erfahren sollte, könnte das weiter aber auch nicht ganz ohne Einfluß auf die bayerische Stellung sein. Denn der v. Ian, Reichsverfassungsreform.

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Gedanke des Ausgleichs zwischen Preußen und Bayern, als dem nächstgrößeren Bundesstaate, hat bei den Beratungen der Reichs­ verfassung eine sehr erhebliche Rolle insoferne gespielt, als die Preu­ ßen im Jahre 1919 zugemuteten Verzichte und Opfer in seiner bis­ herigen Hegemonialstellung auch eine Einschränkung der bayerischen Rechtsstellung bedingten. Es ist also eine notwendige Folge, daß eine neuerliche Wendung zugunsten Preußens auch für Bayern nicht ohne Ausgleich bleiben könnte.

4. Verfassungsreform im föderalistischen Sinne. Ministerpräsident Dr. Held hat die Forderungen, die von den Ländern zu stellen sind, wenn an irgendeine Reform der Verfassung herangegangen werden soll, abschließend zusammengefaßt wie folgt: 1. Berfassungsautonomie der Länder und Sicherung dieser Auto­ nomie. 2. Gebietsautonomie der Länder, d. h. die Sicherung gegen Be­ einträchtigung des Gebietes der Länder ohne ihre Einwilli­ gung auf dem Wege des Art. 18 der Reichsverfassung. 3. Einschränkung der Gesetzgebungsrechte des Reichs durch Be­ seitigung oder Abänderung der Art. 7, 8, 9, 10 der Reichs­ verfassung. Der Landesgesetzgebung wären Polizei, Wohl­ fahrtspflege, Unterricht und Bildungswesen, sowie das Kultus­ wesen in vollem Umfange zurückzugeben. 4. Sicherstellung der Verwaltung der Länder gegen Eingriffe der Reichsverwaltung. 5. Wiederherstellung einer größeren finanziellen Selbständigkeit der Länder durch eine Ausscheidung der Steuerquellen und die Rückübertragung der Steuerverwaltung an die Länder für die eigenen Steuerquellen. Die Erstellung eines Finanzaus­ gleichs, der den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen ent­ spricht und die Erhaltung der Länderselbständigkeit ermöglicht. 6. Ausbau des Reichsrats als Gesetzgebungsfaktor. 7. Alle diese Rechte der Länder wären durch die Reichsverfassung verfassungsmäßig zu sichern. Weiter wäre zu bestimmen, daß für die Änderung von Bestimmungen, welche Länderrechte betreffen, eine Dreiviertelmehrheit im Reichsrate notwendig wäre.

Diesen Forderungen kommt auch außerhalb des Problems Preußen und Reich und der Bildung von Reichsländern Bedeutung zu. Denn ihnen liegen die Erfahrungen zugrunde, die mit der recht­ lichen und praktischen Auswirkung einer Reihe von Bestimmungen der Reichsverfassung gemacht wurden. Schon die Bayerischen Denk­ schriften von 1924 und 1926 haben dargelegt und begründet, warum die Bundesstaaten zur Sicherung ihrer Eigenstaatlichkeit und zum Schutze ihres Eigenlebens vor Verkümmerung eine Erweiterung ihrer übermäßig geschmälerten Gesetzgebungs- und Berwaltungszuständigkeit, die finanzielle Selbständigkeit, eine wirksamere Mitbeteiligung an der Willensbestimmung des Reichs und verfassungsmäßige Bürg­ schaften für diese erweiterten Lebensgrundlagen verlangen müssen. Die Entwicklung, welche die Dinge seit Abfassung der letzten Bayerischen Denkschrift genommen haben, haben die Befürchtungen, die damals ausgesprochen wurden, nicht entkräftet, sondern gestärkt. Die bayerischen Forderungen sind auch in der Öffentlichkeit auf weit­ gehendes Verständnis gestoßen. Erwähnt sei nur die schon oben angezogene Abhandlung von Professor Dr. Triepel „Föderalis­ mus und Revision der Weimarer Reichsverfassung" im Handbuch der Politik 1924 S. 193 ff., ferner eine Abhandlung von Professor Dr. Perels („Einige Grundgedanken der deutschen und der Bremi­ schen Verfassung", Hamburg 1925, Verlag von Lütcke und Wulff), worin gleichfalls einer Erweiterung der Ländergewalt im Verhält­ nis zum Reich (durch Ausgestaltung des Reichsrats zum Organ der Reichsgesetzgebung unter gleichzeitiger Einschränkung der Reichsgesetz­ gebungsgewalt) und im Innern (durch Ermöglichung der freieren Gestaltung der Staatssorm der Länder) das Wort geredet wird. In vielen Hinsichten begegnen sich die bayerischen Forderungen auch mit den anfangs März 1928 festgelegten „Richtlinien" des Reichspartei­ vorstandes des Zentrums zur Reichsreform, wenn diese gegen den Einheitsstaat und für einen echten föderativen Staat, aufgebaut auf wirklich lebensfähigen Ländern, Stellung nehmen. Eine bessere und namentlich bestimmtere, klarere Abgrenzung der Zuständigkeiten des Reichs und der Länder ist jetzt wohl allgemein als unerläßliche Voraussetzung für die Herstellung und Erhaltung des Berfassungs­ friedens erkannt. Die Reichsgesetzgebung hatte auch selbst schon — zunächst in § 42 der mit Gesetzeskraft erlassenen 3. Steuernotver­ ordnung vom 14. 2. 1924 — mit einer neuerlichen Festlegung der Landeszuständigkeiten begonnen, indem sie die Aufgaben der Wohl49

fahrtspflege, des Schul- und Bildungswesens und der Polizei den Ländern zur selbständigen Regelung und Erfüllung überwies und nähere reichsrechtliche Vorschriften darüber, sowie über die Auf­ hebung entgegenstehender reichsrechtlicher Vorschriften in Aussicht stellte. Das Reichsgesetz über Änderungen des Finanzausgleichs vom 10. 8.1925 hat in §8 diese Forderung ausgenommen. Wenn nun die Frage der Verfassungsreform so ziemlich von allen Seiten aufgerollt wird, auch von der Reichsleitung selbst zur Erörterung gestellt worden ist, können auch die Föderalisten auf ihre Forderungen zurückkommen, ohne befürchten zu müssen, daß ihnen ein unzeitgemäßes Vorgehen vorgeworfen werden kann. Das Drän­ gen bestimmter politischer Richtungen nach Beseitigung der Länder und Umformung des Reichs in einen Einheitsstaat macht es den Län­ dern dabei geradezu zur Pflicht, verfassungsmäßige Garantien für die Erhaltung ihrer Eigenstaatlichkeit zu verlangen — unbeschadet ihres unverrückbaren grundsätzlichen Standpunktes, daß das Existenz­ recht der Länder ohnehin der Verfügungsgewalt des Reichs ent­ zogen ist und nicht entäußert werden kann. Zu den einzelnen oben aufgeführten Forderungen ist wenig hinzuzufügen. Die Fessel, die hinsichtlich der Verfassungsautonomie den Ländern durch die Reichsverfassung auferlegt ist, ist wirklich nicht notwendig. Kein Land kann, wie die Dinge jetzt liegen, heute auch nur daran denken, eine Verfassungsänderung anders als auf dem Wege des Rechts vorzunehmen, oder sich eine Verfassung geben wollen, die der wirklichen Stimmung des Volkes und der Sach­ lage im ganzen nicht entspricht. Die Reglementierung aber, wie sie in dieser Hinsicht in der Reichsverfassung geschehen ist, ist eines freien Volkes unwürdig.*) Die Aushöhlung des Begriffs der Staats­ angehörigkeit in der Reichsverfassung ist gleichfalls für die Länder nicht erträglich. Hinsichtlich der Ausscheidung der Gesetzgebungszuständigkeiten besteht kaum eine Meinungsverschiedenheit darüber, daß die National­ versammlung im Bestreben, dem Reich alles zu geben, was zu seiner Stärkung dienlich sein kann, ihm eine Fülle von Gesetzgebungs­ zuständigkeiten gegeben hat, die es weitaus nicht braucht und daß dadurch anderseits die Gesetzgebungsgewalt der Einzelstaaten weiter eingeschränkt worden ist, als es für deren gesichertes Eigenleben erx) Siehe auch Dr. Kurt Perels, Grundgedanken der deutschen und der bremi­ schen Verfassung S. 60.

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träglich ist. Die Zuständigkeit des Reichs zur Gesetzgebung bedeutet zwar nicht die Pflicht hiezu. Das Reich muß keineswegs seine Zu­ ständigkeiten alle auch ausschöpfen. Es sollte vielmehr von ihnen nur dann Gebrauch machen, wenn die landesrechtliche Regelung nicht ausreicht. Allein diese Zurückhaltung ist bisher nicht geübt worden und auch in Zukunft wohl nicht zu erwarten. Der Überfluß an Zu­ ständigkeiten verlockt die Organe des Reichs, über das Bedürfnis und die Zweckmäßigkeit hinausgehend, eine Flut von Gesetzen über das Reich auszuschütten. Die wiederholten Zusicherungen, die Bayern in dieser Hinsicht erhielt, haben sich als unzureichend und wirkungslos erwiesen. Die Einzelstaaten sind auf Gebieten, die ihrer Natur nach ihnen gehören, ständig von dem Zugriff der Reichsgesetzgebung be­ droht und durch diese Unsicherheit gehemmt. Verschärft werden diese Übelstände durch Zuständigkeitsvorschriften, die, obwohl sie wich­ tige Gebiete betreffen, jeder festen und sicheren Begrenzung entbehren und so Unsicherheit und die Gefahr von Konflikten schaffen. Es ist eine Lebensfrage für die Einzelstaaten, daß die Gesetzgebungszu­ ständigkeit des Reichs auf das Maß des Notwendigen zurückgeführt und fester abgegrenzt wird, und daß den Einzelstaaten wieder zurück­ gegeben wird, was ihnen gehört und was sie für ihr Eigenleben brauchen. Der Grundsatz für die Ausscheidung der gesetzgeberischen Zu­ ständigkeiten zwischen dem Reich und den Ländern ergibt sich aus dem Zweck des bundesstaatlichen Zusammenschlusses der Länder und der Aufgabe, die hiernach der Zentralgewalt zukommt, von selbst. Bismarck hat in einer bekannten Rede (am 29. 4. 1869) ausgeführt: „Man soll in germanischen Staaten nicht fragen: Was kann gemein­ sam sein? Wie weit kann der große Mund des Gemeinwesens hineinbeißen in den Apfel?, sondern man muß sich fragen: Was muß absolut gemeinsam sein? und dasjenige, was nicht gemeinsam zu sein braucht, das soll man der speziellen Entwicklung überlassen." Der große Mund in Berlin hat seitdem in den Apfel schon sehr weit hineingebissen und sehr vieles, was nicht gemeinsam zu sein braucht, verschlungen. Dem Reich gebührt, wie die Bayerische Denkschrift von 1924 formuliert, was für seinen Bestand nach außen und seine Wirkung nach innen lebenswichtig ist und einheitlicher Regelung be­ darf. Das Gesetzgebungsrecht der Länder umfaßt, was dieser ein­ heitlichen Regelung nicht bedarf. Ihm sind auch die Gebiete zu über­ weisen, auf denen zum Teil die einheitliche Regelung erwünscht ist,

auf denen aber bisher schon Vereinbarungen der Länder zur Er­ zielung der Einheitlichkeit ausreichten und auch für die Zukunft sicher ausreichen werden. Auf Einzelheiten kann und soll selbstverständlich hier nicht weiter eingegangen werden. Nur beispielsweise sei aus Art. 7 RB. erwähnt, daß das Theater- und Lichtspielwesen den Län­ dern überlassen werden muß, als Kulturgebiete, über welche die Auf­ fassungen in den einzelnen Ländern so stark auseinandergehen, daß ihre einheitliche Regelung durch das Reich nicht möglich ist und zur Unterdrückung der in den einzelnen Ländern herrschenden Auffassung über diese Dinge führen würde. Art. 8, der die Erhaltung der Lebens­ fähigkeit der Länder auf finanziellem Gebiete gewährleistet, müßte so gefaßt werden, daß er seinen Zweck auch wirklich erfüllt. Die Bedarfs- und Grundsatzgesetzgebung in Art. 9—11 RB. ist zu be­ seitigen. Bei den Gegenständen des Art. 9 und 10 handelt es sich ohnehin nicht um Rechtsgebiete, auf denen ein Bedürfnis nach ein­ heitlicher Regelung anzuerkennen ist. Wohlfahrtspflege, Erhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sind ihrem Wesen nach Auf­ gaben der Länder, sie sind das Kernstück der einzelstaatlichen Ver­ waltung. Ohne Freiheit auf diesen Gebieten ist ein Leben der Länder nicht möglich. Sie erfordern auch sachlich, weil sie durch die Verhält­ nisse der Einzelstaaten bedingt sind, die individuelle Landesgesetz­ gebung und sind für die zentrale Regelung nicht geeignet. Was nötig ist für das Reich, gibt ihm bereits Art. 7 und 48 RB. Art. 10 behandelt Hauptstücke der Kulturpolitik der Länder. Soweit dabei Grundrechte der Einwohner in Frage stehen, sind sie durch die RB. ohnehin ge­ währleistet. Zu weiterer reichsrechtlicher Regelung besteht keine Notwendigkeit. Sie ist Aufgabe und Recht der Länder. Auch auf dem Gebiete des Beamtenrechts ist die reichsgesetzliche Regelung unnötig und unzweckmäßig. Soweit Gleichmäßigkeit erforderlich ist, ergibt sie sich ohnehin jetzt zwangsläufig von selbst. Auch hinsicht­ lich des Bodenrechts hat die Denkschrift von 1924 schon die Unmöglich­ keit der reichsrechtlichen Regelung dargelegt. Das Gebiet der Verwaltung war unter der Reichsverfassung von 1871, auch soweit es sich um die Ausführung der Reichsgesetze handelte, den Bundesstaaten gesichert. Die eigene Verwaltungstätigkeit des Reichs war auf bestimmte einzelne Gebiete beschränkt, jede Er­ weiterung erforderte eine Änderung der Reichsverfassung. Den Grundsatz, daß die Reichsgesetze von den Einzelstaaten auszuführen sind, hat auch die neue Verfassung übernommen, sie läßt aber Ab52

weichungen schon durch einfaches Reichsgesetz zu. Wenn auch Art. 14 so aufzufassen ist, daß der Gesetzesvollzug durch die Länder die Regel, die eigene Verwaltung des Reiches Ausnahme sein soll, so ist die Praxis doch auch hier andere Wege gegangen, als die Absicht der Verfassung ist. Das Reich hat in zunehmendem Maß den Vollzug der Reichs­ gesetze an sich gezogen, zum Teil auf dem Wege des Aufbaues neuer Reichsbehörden, zum Teil in der Form unmittelbarer Verwaltungs­ tätigkeit seiner Zentralbehörden. Die Tendenz der Zurückdrängung der Landesverwaltung ist unverkennbar. Sie muß von den Ländern als schwere Bedrohung des Bestandes ihrer Staatlichkeit empfunden werden. Der Grundsatz, daß den Einzelstaaten die Verwaltung und damit auch der Vollzug der von der Zentralgewalt erlassenen Ge­ setze zukommt, ist im Wesen des Bundesstaates begründet. Denn den Einzelstaaten soll von ihren Hoheitsrechten nicht mehr entzogen werden, als für den Bestand und die Wirksamkeit der Zentralgewalt notwendig ist. Er entspricht auch der staatlichen Zweckmäßigkeit; denn die Verwaltung der Länder steht den Menschen und Dingen und den Verhältnissen, um deren Verwaltung es sich handelt, näher. Sie kennt und beherrscht die Zusammenhänge, Bedürfnisse und Möglichkeiten vollkommen. Daher muß die Verwaltung durch die Einzelstaaten nicht bloß erfolgreicher und besser, sondern auch einfacher und billiger sein, als die zentrale Verwaltung im ganzen Reiche. Die Länder müssen daher sowohl zur Erhaltung ihrer Staatlichkeit, wie aus Grün­ den der staatlichen Zweckmäßigkeit verlangen, daß zu dem früheren Rechtszustand zurückgekehrt und durch die Verfassung sichergestellt wird, daß neue Berwaltungszuständigkeiten des Reichs ohne wirk­ liche Notwendigkeit nicht begründet werden dürfen. Zu diesem Zwecke muß die Prüfung, ob das Bedürfnis nach dem unmittelbaren Voll­ zug eines Gesetzes durch Reichsorgane gegeben ist, unter die Garan­ tien der Verfassung gestellt werden. Wenn die Reichsregierung nach Art. 15 RV. allgemeine Anweisungen zum Vollzüge von Reichs­ gesetzen erlassen will, muß die Zustimmung des Reichsrats hiezu verlangt werden. Was zur Wiederherstellung der größeren finanziellen Selbständig­ keit der Länder zu fordern ist, ist oft schon ausgeführt worden, so daß es hier nicht wiederholt zu werden braucht. Von wesentlicher Bedeutung für die Stärkung des föderalistischen Aufbaues der Reichsverfassung ist die verlangte Veränderung der Stellung des Reichsrats. In der früheren Reichsverfassung war der

Bundesrat Organ der Gesetzgebung, und zwar in voller Gleichberech­ tigung mit dem Reichstag — durch das Vetorecht bei Verfassungs­ änderungen sogar mit gewissem Vorrecht vor dem Reichstag. Er war weiter an der Verwaltung des Reichs in hervorragendem Maße beteiligt, hatte insbesondere auch die Verordnungsgewalt inne, und bildete demnach den Träger des föderalistischen Prinzips. Im Gegensatz hiezu hat die Weimarer Verfassung diese Aufgabe dem Reichsrat bisher nur in ganz ungenügendem Maße zugestanden. Er ist vor der Einbringung von Gesetzen an den Reichstag nur zu hören und hat gegen die vom Reichstage beschlossenen Gesetze nur ein Ein­ spruchsrecht. Auch hinsichtlich des Verordnungsrechts sind die Rechte des Reichsrats gegen früher wesentlich eingeschränkt. Ebenso ist er hinsichtlich der Führung der Reichsgeschäfte gegen früher stark zurückgedrängt. Wenn der föderalistische Gedanke in der Reichs­ verfassung mehr betont werden soll, ist deshalb vor allem erforderlich, daß der Träger dieses Gedankens in seinen Zuständigkeiten gestärkt wird?) Der Reichsrat muß daher 1. hinsichtlich der Gesetzgebungsbefugnis dem Reichstag, wie früher, gleichberechtigt zur Seite gestellt werden, 2. hinsichtlich des Verordnungsrechts ein Mitwirkungsrecht er­ halten und 3. hinsichtlich der Führung der Reichsgeschäfte bestimmte Rechte bekommen, die seine dauernde Einschaltung überall, wo sie wesentlich ist, gewährleisten. Die Rechte der Länder sind jetzt in der Reichsverfassung nicht derart festgelegt, daß der Besitz der Rechte als gesichert gelten kann. Auch die für die Länder wichtigsten Bestimmungen der Verfassung, die das Verhältnis des Reichs zu den Ländern, die Teilung der Ge­ walt zwischen beiden Faktoren und das Mitbestimmungsrecht der Länder an der Reichsgewalt betreffen, können ohne Mitbestimmung der Länder geändert werden. Wenn der Reichsrat als Gesetz­ gebungsfaktor eingeschaltet wird, verstärkt sich zwar dieser Schutz ohnehin. Doch sind diese Bestimmungen für die Länder so wichtig, daß eine weitere Verstärkung des Schutzes durch das Verlangen einer gegenüber sonstigen Verfassungsänderungen erhöhten Mehrheit im Reichsrat notwendig^ ist. Statt einer ^/g-Mehrheit müßte eine ^-Mehrheit hiefür verlangt werden. Gesetze, die eine Änderung des *) Siehe auch die oben schon erwähnte Schrift von Dr. Kurt Perels S. 60.

bundesstaatlichen Aufbaues des Reichs oder die Beseitigung der Eigenschaft der Länder als Staaten zum Gegenstand haben, sollten sogar der einstimmigen Annahme bedürfen. Wer diese Forderungen erhebt, muß sich darüber klar sein, daß ihre Erfüllung nicht leicht zu erreichen sein wird. Das darf aber nicht daran hindern, die Forderungen zu erheben, genau so wie ja auch die Gegenseite, obwohl sie sich darüber klar sein wird, daß die Erfüllung ihrer Forderungen mit den Verfassungsänderungen, die hiezu notwendig sind, nicht ohne weiteres erreichbar ist, trotzdem diese Forderungen immer wieder erhebt. Wer die Überzeugung hat, daß die Zustände, wie sie bestehen, mit den viel beklagten Reibungen, Unstimmigkeiten, ja Konflikten nur aus den unklaren und unrichtigen Bestimmungen der Verfassung sich ergeben, hat die Pflicht, den Weg zur Besserung dieser Verhältnisse zu zeigen. Wenn er von anderen vorgeschlagene Wege ablehnt, hat er seinerseits einen anderen Weg aufzuzeigen. Bon vorneherein zu verwerfen wäre der Gedanke, daß etwa ein Programm, wie es oben vorgetragen wurde, außen­ politisch unerwünscht sein könnte. Die unbefugte Einflußnahme von Nichtdeutschen auf die Gestaltung des Verhältnisses von Reich und Ländern hat auch Ministerpräsident Dr. Held auf der Länderkonfe­ renz ausdrücklich abgelehnt.

5. Mindestprogramm im föderalistischen Sinn ohne Ver­ fassungsänderung. Eine ausreichende und nachhaltige Besserung der staatlichen Ver­ hältnisse in Deutschland kann zwar nur von einer durchgreifenden Ver­ fassungsänderung erwartet werden. Aber auch wenn eine solche sich nicht durchführen läßt, könnte schon im Rahmen des geltenden Verfassungsrechts das Verhältnis des Reichs zu den Ländern, das Gegenstand so vieler Klagen und Beschwerden der Länder ist, wesent­ lich gebessert werden. Sind doch die Rechte der Länder bisher nicht nur durch die Verfassung selbst beschränkt worden; auch über diese hinaus haben Reichsgesetzgebung und Reichsverwaltung immer wieder die Länder beiseite geschoben und in ihr Interessengebiet und sogar in ihr Rechtsgebiet eingegriffen. Eine entschlossene Abkehr von diesem Wege würde die Lage um vieles erträglicher machen. Für den Fall, daß eine Verfassungsänderung sich im Augen­ blicke nicht durchsetzen läßt, hat auch Ministerpräsident Dr. Held auf

der Länderkonferenz noch ein föderalistisches Mindestprogrammaufge­ stellt, das keine Verfassungsänderung bedeutet, also mit einfacher Mehrheit des Reichstags angenommen werden könnte und doch die Verhältnisse zwischen Reich und Ländern sehr erheblich bessern würde. Dieses Programm erstreckt sich zunächst auf die Verbesserung des Finanzausgleichs in der Weise, das den Lebensinteressen der Länder und namentlich den besonderen Interessen der wirtschaft­ lich und steuerlich schwächeren Länder Rechnung getragen wird. Denn die Steuerlage eines Landes kann noch lange nicht bestimmend sein für den Wert, den dieses Land für das Reich, für das gesamte deutsche Volk und seine Geltung in der Welt hat. Das Mindestprogramm umfaßt weiter die Verwaltungs­ reform im Reich, insoferne durch eine solche die Verbilligung der öffentlichen Verwaltung und die Ordnung des Verhältnisses zwi­ schen Reichs- und Länderverwaltung ohne Änderung der staatsrecht­ lichen Struktur des Reichs bezweckt wird. Zu diesem Programm­ punkt hat auch der bayerische Staatsminister des Innern, Dr. Stütze!, auf der Länderkonferenz Ausführungen gemacht, die in diesem Zusammenhang erwähnt werden müssen. Er führte unter anderem aus, daß nicht der Bestand der Länder die öffentliche Ver­ waltung erschwere und verteuere, sondern die unorganische und unbestimmte Abgrenzung des Tätigkeitsgebiets zwischen Reich und Ländern. Eine bessere und bestimmtere Abgrenzung der Zuständig­ keiten des Reichs und der Länder auf dem Gebiete der Gesetzgebung und Verwaltung sei die unerläßliche Voraussetzung für die Herstel­ lung und Erhaltung des Verfassungsfriedens, aber auch für die rich­ tige Reform der Verwaltung. Wäre der Grundsatz des Art. 14 RV., daß der Vollzug der Reichsgesetze den Ländern obliegt, eingehalten worden, so wäre es auch auf der Grundlage der Weimarer Verfassung möglich gewesen, das Verhältnis zwischen Reich und Ländern ge­ deihlich zu gestalten. Aber Reichsgesetzgebung und Reichsverwaltung seien andere Wege gegangen und hätten in das Rechts- und Inter­ essengebiet der Länder eingegriffen. Das Verwaltungsgefüge der Länder und der Selbstverwaltungskörper sei aufgesplittert worden durch die Neuschaffung von Sonderbehörden und selbständigen Verwaltungskörpern für die einzelnen Aufgaben, durch die Ein­ schaltung der Reichsverwaltung in und neben bestehenden Verwal­ tungsorganismen mit allen Begleiterscheinungen der Doppelarbeit und mit Hinzufügung weiterer Oberaussichtsstellen. 56

Zur Beseitigung dieser Mängel sind folgende Forderungen auf­ zustellen, deren Beachtung durch Reichsregierung und Reichstag eine ganz außerordentliche Entlastung bringen könnte: 1. Die Reichsgesetzgebung hat die in der Verfassung gesetzten Schranken einzuhalten, auch soweit die Verteilung der Zuständigkeiten in Gesetzgebung und Verwaltung nur als Regel und ohne verfassungs­ mäßigen Schutz gegen eine Einschränkung und Änderung ausge­ sprochen ist. Die in der Verfassung festgelegte Regel darf nur bei unabweisbarer Notwendigkeit durch die Ausnahme durchbrochen werden. Die Reichsregierung muß die Richtschnur, die die Ver­ fassung gibt, auch bei der Stellungnahme zu Anregungen des Reichs­ tags dem Reichstage gegenüber, ferner bei der Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen und bei der Einrichtung und Ausgestaltung der Reichsverwaltung zu der ihrigen machen. Zuständigkeiten, die dem Reiche zwar in der Reichsverfassung vorbehalten, bisher aber noch nicht in Anspruch genommen worden sind, sollen nicht ohne Not und nicht ohne Zustimmung des Reichs­ rats in Anspruch genommen werden. Dabei könnte sehr wohl der Grundsatz festgelegt werden, daß die in Art. 9 und 10 der Reichs­ verfassung dem Reiche vorbehaltene grundsätzliche Gesetzgebung durch die Regelungen im 2. Hauptteile der Verfassung und in sonstigen Gesetzen erschöpft sei. Zuständigkeiten, die den Ländern in der Reichs­ verfassung Vorbehalten sind, sollen ihnen auch nicht mit verfassungs­ ändernden Gesetzen entzogen werden. Die Erfüllung dieser Forderung wäre schon durch einen ernst­ haften Entschluß der Regierungsparteien nach dieser Richtung hin möglich. Schon dadurch wäre eine moralische Stärkung und Beruhi­ gung der Länder zu erzielen. Es würde dann eine Reihe von Gesetz­ entwürfen, die heute die Länder mit Unruhe erfüllen, beiseite gelegt werden können, so das Steuervereinheitlichungsgesetz, das Feier­ tagsgesetz, das Reichselektrizitätsgesetz, das Reichsstraßengesetz, das Reichssperrgesetz, das Reichsverwaltungsgerichtsgesetz usw. 2. Wo bei der jetzigen Ausscheidung der Zuständigkeiten für Gebiete, die den Ländern Vorbehalten sind, eine einheitliche Regelung durch das ganze Reich erwünscht ist, ist diese Einheitlichkeit zunächst auf dem Wege von Vereinbarungen der Länder zu erzielen. Hier­ durch werden Reibungen und Dissonanzen vermieden. Der Ver­ fassungsfriede wird gefördert. Die reichsgesetzliche Regelung sollte nur dann erfolgen, wenn der einfachere und billigere Weg der Ver-

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einbarung nicht zum Ziele führt. Dieser Weg läßt für die Berück­ sichtigung der örtlichen Verschiedenheiten viel mehr Raum. Keine weiteren Behörden werden erforderlich. Der Einwand, daß die glei­ chen gesetzgeberischen Aufgaben von sämtlichen Ländern, also viel­ fach geleistet werden müssen, statt wie bei der Reichsgesetzgebung nur einmal, ist nicht stichhaltig. Denn auch bei der Gesetzgebung durch das Reich ist die dauernde und eingehende Mitarbeit der Länder unentbehrlich. Sehr häufig wird sich übrigens bei solchen Verein­ barungen auch der Weg der Landesgesetzgebung vermeiden lassen. Die reichsgesetzliche Regelung ist daher häufig nur eine scheinbare, keine wirkliche Arbeitsminderung. Im Gegenteil bedeutet die Herein­ ziehung der Reichsregierung und des Reichsgesetzgebers nur eine Arbeitsmehrung. 3. Soweit eine Regelung durch den Reichsgesetzgeber zulässig und Bedürfnis ist, ist sie auf die Grundzüge zu beschränken, die für das ganze Reich notwendig und unterschiedslos durchführbar sind. Die Regelung eines Gegenstandes bis in die letzte Einzelheit erschwert die Verwaltung. Das Reglementieren von Reichswegen durch Anweisungen und Verordnungen hat einen Umfang ange­ nommen, der zur schädlichen Gleichbehandlung, zur Tötung der Ini­ tiative und zur Unmöglichkeit der Berücksichtigung örtlicher Ver­ schiedenheiten, aber auch zur Aufblähung der Zentralstellen für die Erlassung und Durchführung dieser Vorschriften geführt hat. Durch die Beschränkung auf Rahmengesetze könnte an den Zentralstellen gespart und der Geschäftsgang der unteren Stellen erleichtert werden. 4. Der Vollzug der Reichsgesetze muß den Ländern verbleiben; Ausnahmen sind auf unabweisbare Notwendigkeiten zu beschränken. 5. Deshalb soll der Aufbau weiterer unmittelbarer Reichsver­ waltungen unterbleiben, die bestehenden sind auf ihre Notwendigkeit nachzuprüfen. Damit sind nicht jene Verwaltungen gemeint, die ihrer Natur nach Reichssache sind und sein müssen, wie Heeres- und Postverwaltung usw., sondern jene bestehenden oder geplanten Reichsbehörden, die entbehrlich sind, wenn der Grundgedanke der Verfassung: „Vollzug der Reichsgesetze durch die Länder" eingehalten wird. Dabei ist an die Reichsbauverwaltung, die Reichswasser­ straßenverwaltung, die Reichsforstverwaltung u. ä. gedacht. Das Reichskriminalpolizeiamt, der Reichskommissar für die Überwachung der öffentlichen Ordnung, das Reichsverwaltungsgericht, die Reichs­ städteordnung sind in Betracht zu ziehen. 58

Es widerspricht von Grund aus den Grundgedanken einer ra­ tionellen Verwaltung, wenn von Reichs wegen neben die bisherigen Landes- und Reichsbehörden eine Unzahl von Sonderbehörden für einzelne Aufgaben gestellt worden ist, mit einem Behörden­ gefüge, das von der untersten Stufe bis zur Reichsspitze jeweils gesetzlich neu geschaffen worden ist. Abgesehen von der Abtrennung der gesamten Sozialversicherung vom Gebiete der allgemeinen Verwaltung sind Stück um Stück unorganisch weiters Gebiete aus der Verwaltung der Länder und Gemeinden herausgenommen worden, so das Versorgungswesen, das Schlichtungswesen und zu­ letzt die Arbeitsvermittlung und die Arbeitslosenfürsorge. Die Viel­ heit der Behörden nebeneinander verteuert die Verwaltung, sie hemmt und erschwert den Fortgang der Verwaltungsarbeit. Zu­ ständigkeitsreibungen entstehen. Der Staatsbürger weiß nicht mehr, an wen er sich mit seinen Anliegen zu wenden hat. Derartige Sonder­ behörden verteuern und erschweren die Verwaltung, sind also zu beseitigen. Neue Verwaltungsausgaben dürfen nur den bestehen­ den Verwaltungsbehörden der Gemeinden und des Staates angegliedert werden. Bei der Gebietseinteilung für die un­ mittelbare Reichsverwaltung dürfen Landesgebiete nicht zer­ rissen werden. Gerade hiermit ist ein Gebiet berührt, auf dem unter dem Mantel der rationellen Wirtschaft schwere psycho­ logische Fehler gemacht worden sind, die die Länder mit Mißtrauen erfüllen müssen. 6. Die Reichsverwaltung soll sich weiter auch nicht mehr auf Gebieten betätigen, für die ihr jede Zuständigkeit fehlt, weil hiedurch eine ganz nutzlose Doppelarbeit entsteht, an der die Länder jeden­ falls nicht die geringste Mitschuld tragen. Auf dem Umwege über die sog. Fondsverwaltungen greift die Reichsregierung nämlich jetzt vielfach in Gebiete ein, die den Ländern anerkanntermaßen Vor­ behalten sind und Vorbehalten bleiben müssen. Bei den Fonds muß vor allem die Frage der Reichswichtigkeit des Zweckes geprüft wer­ den. Dadurch wird von selbst eine starke Einschränkung der Fonds sich ermöglichen lassen. Reichsfonds für Zwecke, die zur Zuständigkeit der Länder gehören, sind mit der Reichsverfassung nicht vereinbar. Wie die Bayerische Denkschrift schon 1926 ausgeführt hat, liegt hier ein circulus vitiosus vor. Das Reich vorenthält den Ländern beim Finanzausgleich die Mittel, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben brauchen und beanspruchen müssen, und erfüllt dann mit diesen Er-

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sparungen auf Kosten der Länder Aufgaben, deren Erfüllung nicht dem Reiche, sondern den Ländern zusteht. Noch bedeutungsvoller ist die Frage der Verteilung der Fonds von einer Zentralstelle aus. Eine solche Verteilung ist vollständig zweckwidrig. Sie führt entweder zur Vielarbeit, wenn die Länder­ regierungen gehört werden, oder zur unrichtigen Verteilung, wenn sie nicht gehört werden. Soweit reichswichtige Fonds mit Rücksicht auf ihre Zwecke be­ stehen bleiben können, müssen sie grundsätzlich schlüsselmäßig an die Länder verteilt werden. Nur für die gesamtdeutschen Aufgaben ist die unmittelbare Verteilung durch das Reich zulässig. Verfassungs­ widrig ist es, wenn die Verteilung über private Organisationen vorgenommen wird. Wenn in dieser Weise verfahren wird, wird praktische Verwal­ tungsreform betrieben und die Gesamtverwaltung des Reichs und der Länder kann so ganz erheblich vereinfacht und verbessert werden. Dann werden aber auch die Klagen über das Nebeneinander-, Durch­ einander- und Gegeneinanderregieren verstummen, weil der Anlaß dazu entfällt. Damit wird weiterhin dem Ruf nach dem Einheits­ staat der Boden entzogen. Der Bundesstaat wird „rationalisiert".

VI. Schlußbemerkung. An den Schluß meiner Darlegungen darf ich die Worte stellen, mit denen Ministerpräsident Dr. Held seine Ausführungen auf der Länderkonferenz am 16.1.1928 zusammenfassend geschlossen hat: „Wir in Bayern lehnen den Einheitsstaat in jeder Form ab. Wir lehnen es ab, daß Länder oder Landesteile gegen ihren Willen in andere Länder oder in das Reich einverleibt werden. Wir lehnen es ab, daß ohne genügende verfassungsmäßige Sicherung der Rechte und Möglichkeiten der Existenz der übrigen Länder einem Lande eine führende oder vorherrschende Stellung im Reiche zugeteilt wird. Wir lehnen die Übernahme oder die Ansichziehung von Verwaltungs­ gebieten der einzelnen Länder durch das Reich ab; das gilt insbe­ sondere auch von der Ansichnahme der Justizverwaltung generell oder der Justizverwaltung eines einzelnen Landes. Nebenbei be­ merkt würde durch eine solche Übernahme der Finanzausgleich ganz über den Haufen geworfen. Wir lehnen es ab, wenn gegen den Wil­ len der Länder das Reich in irgendeiner Form auf die Verwaltungs­ reform der Länder Einfluß nehmen möchte. Wir lehnen es ab, wenn gegen den Willen der Länder sich das Reich als Kontrolleur der Ausgabenwirtschaft der Länder aufwerfen möchte. Wir lehnen es insbesondere ab, daß das Reich in irgendeiner Form unmittelbar auf die Verwaltung der Gemeinden und ihrer Ausgabenwirtschaft in den Ländern gegen den Willen der zuständigen Länder Einfluß nehmen möchte. Wir sind aber gerne bereit, Hand in Hand mit dem Reiche zu gehen, wenn es gilt, Schwierigkeiten und Gefahren zu beseitigen für das Reich und im Verhältnisse der Länder zum Reich. Und wir sind gerne bereit, nicht nur nach dem Maß unserer Rechtsverpflich­ tung, sondern aus freien Stücken dem Reiche zu helfen und zu opfern, soweit nicht unsere eigene verfassungsmäßige Selbständigkeit in den Ländern dadurch verkümmern müßte oder gar der Vernichtung preisgegeben wird. Ist der gute Wille auf beiden Seiten da, so wird man auch ohne Zwang und auf der Grundlage des heutigen Aufbaues des Reichs zu einem gedeihlichen Nebeneinander und zu einem wirkungsmächtigen Wettbewerb in Reich und Ländern für die Freiheit und Wohlfahrt des ganzen deutschen Vaterlandes und Volkes gelangen können. An unserem guten Willen wird es dabei nicht fehlen."

Inhaltsverzeichnis I. Einleitung............................................................................................

Seite 1

Für den Einheitsstaat?.....................................................................

3

II.

III. Gegen den Einheitsstaat.................................................................. 8 1. Der föderalistische Gedanke in der Welt........................................... 8 2. Geschichtliche Unmöglichkeit des Einheitsstaates in Deutschland . . 10 3. Staatsrechtliche Unmöglichkeit des Einheitsstaates................................ 14 4. Der Wille der Länder zur Eigenstaatlichkeit............................................20 5. Kulturpolitisches gegen den Einheitsstaat................................................22

IV. Der Bundesstaat vor und nach 1918....................................................25

V. Reform des Bundesstaates....................................................................29 1. Allgemeines zur Reformfrage................................................................... 29 2. Die kleineren Länder und das Reich........................... 30 3. Preußen und Reich...................................................................................37 4. Berfassungsreform im föderalistischenSinn.............................................. 48 5. Mindestprogramm im föderalistischen Sinn ohne Verfassungsänderung 55 VI. Schlußbemerkung. ......................

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Soeben erschien:

undesstaat, Einheitsstaat und die Höhe der öffentlichen Ausgaben Unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse in Preußen, Bayern und Sachsen

Ein Beitrag zur Verfassungsfrage von Ministerialrat Karl Sommer, München ,

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154 Seiten. 8°. 1928. Brosch. M. 4.—

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I. Ist der Einheitsstaat billiger als der Bundesstaat? Die Propaganda für den Einheitsstaat in den letzten Jahren. Der deutsche Städte- und Ständestaat. Kampffeld, Kampfziel und Kampfmittel. Verwaltungsreform, Verfassungs­ reform, Staatsreform. Verwaltungsvereinfachung, Verwaltungsvereinheitlichung. Staat­ lichkeit und Selbstverwaltung. Die Regelung der Einzelheiten im dezentralisierten Ein­ heitsstaat. Verreidilichung von „Zuschußverwaltungen". Die hauptsächlichsten Vertreter des Gedankens des billigeren Einheitsstaates. Die Vergleichbarkeit der Größen. Die öffentl. Kosten in der Schweiz (Bundesstaat) und in Dänemark (Einheitsstaat). Welche Ausgaben kommen für den Vergleich in Deutschland in Betracht? Welche Kosten der Ver­ waltung würden im Einheitsstaat in Wegfall kommen, welche neue hinzutreten? Kosten einer preußischen Provinzialverwaltung. Stimmen gegen den „billigeren" Einheitsstaat.

II. Ist Bayern ein besonders teuer verwaltetes Land? Stimmen hierzu. Internationale Steigerung der Ausgaben gegenüber der Vorkriegs­ zeit. Überblick über einige europäische Länder und die Vereinigten Staaten von Amerika. Der Generalnenner der amerikanischen Einheit. Kosten der obersten Staats­ organe in Deutschland, England, Frankreich, Italien. Schwierigkeiten des Vergleichs in Deutschland. Aufgaben und Lastenverteilung in den drei Vergleichsländern (Bayern, Preußen, Sachsen). Zunahme der öffentlichen Aufgaben. Hauptposten der öffentlichen Lasten und der Ausgabensteigerung: Zahl der Beamten. Entwicklung der öffentlichen Ausgaben im Reich. Zuschußbedarf des Reichs. Zuschußbedarf Bayerns. Verschieden­ artigkeit der wirtschaftlichen und bevölkerungspolitischen Struktur der drei Vergleichs­ länder. Einkommen und Vermögen der drei Vergleichsländer. Ist Bayern nur der arme Verwandte, der vom Reich lebt? Die Zusammenballung der Kapital- und Geldmacht in Berlin. Vergleich der Haushalte des Reichs und der drei Vergleichsländer. Ausgaben der Handels-, Handwerks- und Bauernkammer. Wie man die Entwicklung des Reichs­ haushalts nicht vergleichen darf. Auswertung solcher Vergleiche im Nofprogramm der deutschen Wirtschaft. Die Zahl der Beamten und die Höhe des Besoldungsaufwands in den drei Vergleichsländern, in der Vorkriegszeit und heute. Der bayerische Ministerprösident Dr. Held hatte auf der Länderkonferenz die Veröffentlichung noch weiteren Materials zur Verfassungsfrage in Aussicht gestellt. Ein Teil dieses Materials liegt in dieser Schrift vor. Sie geht von dem Referat des bayer. Ministerpräsidenten aus und behandelt vorwiegend den Zusammenhang der Verfassungsfrage mit der Frage der öffentlichen Lasten. Die Ausgaben der drei größten deutschen Länder, Preußen, Bayern und Sachsen, werden verglichen, daneben wird das verfassungspolitische Problem in seiner Entwicklung und in seiner Verflechtung mit anderen Problemen erörtert. Eine ganz besondere Würdigung findet die Lage des Bauern- und Mittel­ standes. Bayerns Finanzkraft und seine gesamten öffentlichen Ausgaben sind eingehend dargelegf.

R.OLDENBOURG / MÜNCHEN UND BERLIN