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German Pages 172 Year 1999
Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen
Schriftenreihe der Hochschule Speyer Band 134
Bauplanungsrecht vor neuen Herausforderungen Vorträge auf den Ersten Speyerer Planungsrechtstagen vom 10. bis 12. März 1999 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer
herausgegeben von
Jan Ziekow
Duncker & Humblot · Berlin
Die Deutsche Bibliothek- CIP-Einheitsaufnahme Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Bibliothek erhältlich.
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1999 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Gennany ISSN 0561-6271 ISBN 3-428-10011-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 8
Inhaltsverzeichnis Vorwort......... ......................................................................................................
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Umweltverträglichkeitsprüfung und raumbezogene Gesamtplanung Von Jan Ziekow, Speyer ................................................................................
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Möglichkeiten vertraglichen Handeins im Bauplanungsrecht Von Bemhard Stüer, Münster/Osnabrück ......................................................
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Der Planungsgrundsatz der Nachhaltigkeit Von Srephan Mitschang, Kaiserslautern ...................................................... .
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Großflächiger Einzelhandel und Factory Outlet Center- Positionen des Deutschen Städtetages Von Folkert Kiepe, Köln .................................................... ....................... ..
99
Die strukturelle Entwicklung des Einzelhandels im Spannungsfeld der Standorte Von Hans Haupt, Bonn.................................................................................
113
Factory Outlet Center- ein Statement Von Wemer Hoppe, Berlin/Stuttgart.............................................................
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Die Einschaltung Dritter in das Bauleitplanverfahren Von Gerd Schmidt-Eiclzstaedt, Berlin...........................................................
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Naturschutzrechtliche Eingriffsregelung und Bauleitplanung Von Alexander Schink, Düsseldorf............................................................ ...
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Verzeichnis der Referenten .......... ..................................... ................. .............. ..
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Vorwort Der vorliegende Band faßt die Vorträge zusammen, die auf dem Forum "Das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - Erfahrungen und Novellierungsbedarf' vom 10. bis 12. März 1999 an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer gehalten wurden. Unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern dieser "1. Speyerer Planungsrechtstage" waren Abgeordnete von Landesparlamenten, Vertreter aller Ebenen der Verwaltung, der Verwaltungsgerichtsbarkeit, der Rechtsanwaltschaft, der Wirtschaft und der Wissenschaft. Meine Sekretärin, Frau Erika Köge!, hat sachkundig die Formatierung des Bandes übernommen; hierfür sei ihr gedankt. Darüber hinaus gebührt Frau Köge!, Frau Elsie Medl, meiner Sekretärin, meiner Assistentin Frau Dr. Annette Gukkelberger sowie Herrn Wissenschaftlichen Referenten Thorsten Siegel herzlicher Dank fiir die Unterstützung bei der Vorbereitung und Durchfiihrung der Tagung. Speyer, im Juni 1999
Jan Ziekow
Umweltverträglichkeitsprüfung und raumbezogene Gesamtplanung Von Jan Ziekow Das Thema "Umweltverträglichkeitsprüfung fiir raumbezogene Pläne" kann mit Fug und Recht als Dauerbrenner des Planungsrechts bezeichnet werden. Das Scheitern eines früheren Vorstoßes zur Etablierung einer Umweltverträglichkeitsprüfung bei Politiken, Plänen und Programmen 1 hinderte die Kommission der Europäischen Gemeinschaft nicht daran, einen neuen Anlauf zu unternehmen und im Dezember 1996 einen "Vorschlag fiir eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme" zu unterbreiten, der mittlerweile in geänderter Fassung vorliege. Dieser insbesondere in Deutschland umstrittene Vorschlag gibt Anlaß, das deutsche Recht der raumbezogenen Gesamtplanung auf seine diesbezügliche Implementationsfähigkeit zu befragen. Einleitend soll in einer kurzen Einfiihrung der Stand der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) in der Bundesrepublik kurz resümiert, insbesondere ein Überblick über die UVP, wie sie im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen ist, sowie über den Stand der UVP in der raumbezogenen Gesamtplanung gegeben werden (I). Anschließend wird das Konzept einer strategischen Umweltprüfung im allgemeinen (II) und der erwähnte Richtlinienvorschlag im besonderen skizziert (III). Abschließend werden die Auswirkungen der vorgeschlagenen Umweltprüfung auf das deutsche Recht angedeutet (IV). 1 Vorschlag für eine RL über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei Politiken, Plänen und Programmen vom I 6. Aug. I 990; dazu Jörg Wagner, Überlegungen zur Einführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Programme und Pläne in das deutsche Recht, UVP-report I 99 I, S. 98 f. Zum Schicksal des Entwurfs vgl. ausführlich Christian Jacoby, Vorschläge für eine EU-Richtlinie über die Strategische Umweltprüfung (SUP) 1990 bis I 995, in: ders. (Hrsg.), Strategische Umweltvorsorge in der Flächennutzungsplanung, 1996, S. 209 ff.; Elmar KniepsI Wolfgang Stein, Strategische Umweltfolgenabschätzung im Verkehrsbereich, UVP-report 1995, S. 170 (171 ). 2 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, KOM (96) 511 endg. v. 4.12.1996, ABI. EG 1997 C I 29, S. I 4; Geänderter Vorschlag flir eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, KOM (99)73 endg., ABLEG 1999C83,S. 13.
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I. Der Stand der Umweltverträglichkeitsprüfung 1. Die vorhabenbezogene UVP nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung Für die UVP, wie sie bisher schon im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen ist, ist wesentlich ihr Vorhabenbezug: Ihr unterliegen nur die in der Anlage zum UVP-Gesetz aufgefiihrten Vorhaben(§ 3 Abs. 1 S. I UVPG), wobei es sich neben weiteren Eingriffen in Natur und Landschaft vor allem um bauliche und sonstige Anlagen handelt, die errichtet und betrieben werden sollen (§ 2 Abs. 2 UVPG). Daß der deutsche Gesetzgeber bei der Bestimmung des Kreises UVP-pflichtiger Vorhaben etwas sehr zurückhaltend gewesen ist, mußte jüngst der Europäische Gerichtshof feststellen. Die Bundesrepublik hatte das den Mitgliedstaaten durch Art. 4 Abs. 2 der UVP-Richtlinie3 hinsichtlich der Einbeziehung der Anhang II-Projekte eingeräumte Auswahlermessen zu großzügig verstanden und in einer hiervon nicht mehr gedeckten Weise ganze Klassen von Anhang II-Projekten von vornherein von der UVP-Pflichtigkeit ausgenommen.4 Die UVP-Änderungsrichtlinie vom 3. März 19975 bringt insofern eine Verschärfung, als sie die Betätigung des Ermessens der Mitgliedstaaten hinsichtlich der UVP-Pflichtigkeit eines Vorhabens an definierte Auswahlkriterien bindet (Art. 4 Abs. 3 UVP-RL n.F. i.V.m. Anhang III). Darüber hinaus sind die die zwingend oder nach Ermessen UVP-pflichtigen Vorhaben aufzählenden Anhänge I und II zur UVP-Richtlinie erweitert worden. Aus bauplanungsrechtlicher Sicht von Bedeutung sind vor allem die Einbeziehung von Windfarmen, Einkaufszentren und Parkplätzen, Skipisten, Campingplätzen und Freizeitparks in den Anhang II. Am Beginn der vorhabenbezogenen UVP steht das sog. Scoping, in dem die zuständige Behörde mit dem Vorhabenträger den Gegenstand, Umfang und Methoden der Umweltverträglichkeitsprüfung erörtert und ihn über den voraussichtlichen Untersuchungsrahmen sowie über Art und Umfang der von ihm 3 RL 85 I 337 I EWG des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABI. EG 1985, L 175, s. 40. 4 EuGH Rs. C-301 I 95, Kommission I Bundesrepublik Deutschland, NVwZ 1998, s. 1281 (1283). 5 RL 97 I I I I EG des Rates vom 3. März 1997 zur Änderung der Richtlinie 85 I 337 I EWG über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABI. EG 1997 L 73, S. 5. Dazu Bernd Becker, Überblick über die umfassende Änderung der Richtlinie über die Umweltverträglichkeitsprüfung, NVwZ 1997, S. 1167 ff. ; Alexander Schink, Auswirkungen des EG-Rechts auf die Umweltverträglichkeitsprüfung nach deutschem Recht, NVwZ 1999, S. II (14 ff.).
Umweltverträglichkeitsprüfung und raumbezogene Gesamtplanung
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voraussichtlich beizubringenden Unterlagen informiert (§ 5 UVPG). Verfahrenstypologisch gesehen ist das Scoping ein Beispiel für die Kategorie des Kooperationsmanagements6 . Es zielt auf eine effizienzorientierte Verfahrensgestaltung ab, die vereinfachend, beschleunigend und akzeptanzbeschaffend wirkt und das Zulassungsverfahren entscheidungsorientiert fordert. 7 Wegen dieser eminent bedeutsamen Möglichkeit einer "weichen" Verfahrenssteuerung hat das Scoping mittlerweile als Vor-Antragsverfahren auch Aufnahme in das Verwaltungsverfahrensgesetz (§ 71 c) gefunden. 8 Als nächsten Schritt hat zu Beginn des Verfahrens der Vorhabenträger die entscheidungserheblichen Unterlagen über die Umweltauswirkungen des Vorhabens der Behörde vorzulegen (§ 6 Abs. 1 UVPG). Die dabei bisher in § 6 Abs. 3 und Abs. 4 UVPG vorgenommene Unterscheidung zwischen obligatorischen und solchen Angaben, deren Beibringung erforderlich und zurnutbar sein muß, wird an den von Art. 5 Abs. 3 der UVP-Richtlinie i.d.F. der UVPÄnderungsrichtlinie aufgestellten Katalog von Mindestangaben anzupassen sein.9 Weiterhin müssen andere in ihrem Aufgabenbereich berührte Behördenggf. auch grenzüberschreitend- beteiligt(§§ 7, 8 UVPG) sowie eine Anhörung der Öffentlichkeit durchgeführt werden(§ 9 UVPG). Auf der Grundlage dieses Materials sowie eigener Ermittlungen erarbeitet die Behörde das Kernstück der Umweltverträglichkeitsprüfung, die zusammenfassende Darstellung der Auswirkungen des Vorhabens im Sinne von § 11 UVPG. Sie dient dazu, in einer Umweltfolgenprüfung Rechenschaft über die umweltbezogenen Aspekte des betreffenden Vorhabens abzulegen und so eine Implementation der dargestellten Gesichtspunkte in die Zulassungsentscheidung zu errnöglichen. 10 Zu diesem Zweck sind die Auswirkungen des Vorhabens auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft sowie Kultur- und sonstige Güter einschließlich der Wechselwirkungen zu beschreiben (§ 11 S. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG). Wie neuerdings auch die 6 Dazu Jan Ziekow, Zügige Verwaltungsverfahren, in: ders. (Hrsg.), Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren, 1998, S. 51 (77 ff. ). 7 Wilfried Erbguth I Alexander Schink, Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 2. Aufl. 1996, § 5 Rn. I, 6; Michael Kloepfer, Umweltrecht, 2. Aufl. 1998, § 5 Rn. 97; Wolfgang Spoerr, Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung, NJW 1996, S. 85 (86). Zum Scoping vgl. noch Peter Nisipeanu, Das Scoping-Verfahren nach § 5 UVPG, NVwZ 1993, s. 319 ff. 8 Dazu Ziekow (Anm. 6) S. 77 ff., 87 ff. 9 Hierzu Walter Feldt, Änderungen der europäischen UVP-Richtlinie, UVP-report 1997, S. 6 f. 10 Thomas Bunge, Zweck, Inhalt und Verfahren von Umweltverträglichkeitsprüfungen, in: Storm I Bunge, Handbuch der Umweltverträglichkeitsprüfung, 1999, 0100, S. 4; Wilfried Erbguth, Das Bundesverwaltungsgericht und die Umweltverträglichkeitsprüfung, NuR 1997, S. 261 (265); Schink (Anm. 5) S. 12.
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IVU-Richtlinie 11 verfolgt das Konzept der Umweltverträglichkeitsprüfung einen integrierten, medienübergreifenden Ansatz 12 • Kurzgefaßt gilt fiir die UVP: Der Weg ist das Ziel. Der Inhalt ist der Prüfvorgang, das Verfahren als solches. 13 Dabei ist die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht einmal ein selbständiges Verfahren, sondern nur ein unselbständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen(§ 2 Abs. 1 S. 1 UVPG). Entsprechend muß selbst die zusammenfassende Darstellung der Umweltauswirkungen nicht in einem eigenen Verfahrensschritt erfolgen. Sie kann vielmehr in der Begründung der Entscheidung über die Zulässigkeit des Vorhabens erfolgen(§ 11 S. 4 UVPG). Eine Modifikation materieller Umweltstandards erfolgt nicht. 14 Die Bewertung der Umweltauswirkungen des Vorhabens muß bei der Zulassungsentscheidung 11 RL 96 I 61 I EG des Rates vom 24. Sept. 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, ABI. EG 1996 L 257, S. 26. Dazu Bernd Becker, Einführung in Inhalt, Bedeutung und Probleme der Umsetzung der Richtlinie 96 I 61 I EG des Rates der Europäischen Union vom 24. September 1996 über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, DVBI. 1997, S. 588 ff.; Klaus-Peter Dolde, Die EG-Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie) - Auswirkungen auf das deutsche Umweltrecht, NVwZ 1997, S. 319 ff.; Jürgen Dürkop I Harald Kracht I Andreas Wasielewski, Die künftige EG-Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung (IVU-Richtlinie), UPR 1995, S. 425 ff.; Hans-Joachim Koch I Klaus Jankowski, Die IVU-Richtlinie: Umsturz im deutschen Anlagengenehmigungsrecht?, ZUR 1998, S. 57 ff.; Ludwig Krämer, Der Richtlinienvorschlag über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, in: Rengeling (Hrsg. ), Integrierter und betrieblicher Umweltschutz, 1996, S. 51 ff.; Kurt Schäfer, Zum integrierten Konzept der IVU-Richtlinie, UPR 1997, S. 444 ff.; Dieter Sellner I Jörn Schnutenhaus, Die geplante EG-Richtlinie zu "Integrated Pollution Prevention and Control (IPC)", NVwZ 1993, S. 828 ff.; Rudo/f Steinberg I Isabell Koepfer, IVURichtlinie und immissionsschutzrechtliche Genehmigung, DVBI. 1997, S. 973 ff. ; Johannes Zöttl, Die EG-Richtlinie über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, NuR 1997, S. !57 ff. 12 Zur Ermittlung und Bewertung der Wechselwirkungen in der UVP Christian Waffenschmidt I Marion Potschin, Wechselwirkungen bei Umweltverträglichkeitsprüfungen, UVP-report 1998, S. 113 ff. Zum Konzept des integrierten Umweltschutzes vgl. Udo Di Fabio, Integratives Umweltrecht, NVwZ 1998, S. 329 ff.; Harald Kracht I Andreas Wasielewski, Integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung, in: Rengeling (Hrsg.), Handbuch zum europäischen und deutschen Umweltrecht, Bd. I, 1998, § 35; Johannes Masing, Kritik des integrierten Umweltschutzes, DVBI. 1998, S. 549 ff.; Mare Röckinghausen, Integrierter Umweltschutz im EG-Recht, 1998, Uwe Volkmann, Umweltrechtliches Integrationsprinzip und Vorhabengenehmigung, VerwArch 89 (1998), S. 363 ff.; Jan Ziekow, Handlungsspielräume der Verwaltung und Investitionssicherheit, am Beispiel der integrierten Vorhabengenehmigung, in: ders. (Hrsg.), Handlungsspielräume der Verwaltung, 1999. 13 BVerwGE I 00, S. 238 (243 ff.); Matthias Schmidt-Preuß, Der verfahrensrechtliche Charakter der Umweltverträglichkeitsprüfung, DVBI. 1995, S. 485 (488 ff.). 14 BVerwGE 100, S. 238 (244, 248); Wolfgang Appold, in: Hoppe (Hrsg.), Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, 1995, § I Rn. 19.
Umweltverträglichkeitsprüfung und raumbezogene Gesamtplanung
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lediglich "berücksichtigt" werden(§ 12 UVPG). Unproblematisch ist eine solche Berücksichtigung immer dann, wenn über die Zulassung in einer Abwägungsentscheidung, beispielsweise einem Planfeststellungsbeschluß, zu befmden ist. 15 Schwieriger ist die Implementation der UVP-Ergebnisse bei gebundenen Zulassungsentscheidungen wie der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Hier wird ganz überwiegend versucht, dem Berücksichtigungsgebot des § 12 UVPG bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe Rechnung zu tra16 gen. Selbst unter verfahrensrechtlichem Blickwinkel ist die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht wirklich umfassend. Vor allem ergibt sich aus UVP-Recht keine Pflicht des Vorhabenträgers, eine Alternativenprüfung durchzufiihren, wie sie beispielsweise Art. 6 Abs. 4 S. I FFH-RL 17 vorsieht. Die Verpflichtung Vgl. Kloepfer (Anm. 7) § 5 Rn. 101. Vgl. Andreas Gallas, Die Umweltverträglichkeitsprüfung im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, in: Neuere Entwicklungen im Immissionsschutzrecht, 1991, S. 96 (I 07); Werner Hoppe I Gerald Püchel, Zur Anwendung der Art. 3 und 8 EG-Richtlinie zur UVP bei der Genehmigung nach dem Bundeslmmissionsschutzgesetz, DVBI. 1988, S. I (12); Klaus Lange, Rechtsfolgen der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Genehmigung oder Zulassung eines Projekts, DÖV 1992, S. 780 (784); Rudolf Steinberg, Die Bewertung der Umweltauswirkungen eines Vorhabens nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung, DVBJ. 1990, S. 1369 ( 13 70 f. ); Axel Vorwerk, Die Bewertung von Umweltauswirkungen im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung nach§ 12 UVPG, Verw. 29 (1996), S. 241 (252 ff.); Arthur Ziegler, Umweltverträglichkeitsprüfung in Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz, NJW 1991, S. 409. Ablehnend Alexander Schink I Wilfried Erbguth, Die Umweltverträglichkeitsprüfung im immissionsschutzrechtlichen Zulassungsverfahren, DVBI. 1991, S. 413 (416 ff.). Eine defizitäre Umsetzung des medienübergreifenden Ansatzes der UVP-RL nimmt Christian Heitsch, Durchsetzung der materiellrechtlichen Anforderungen der UVP-Richtlinie im immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, NuR 1996, S. 453 (456 ff.) an. 17 RL 92 I 43 I EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABI. EG 1992 L 206, S. 7. Dazu Claus Carlsen, Die Umsetzung der EG-Richtlinie "Fauna, Flora, Habitate" in deutsches Recht und Vollzugsprobleme in den Bundesländern, in: Neue Entwicklungen im Umweltrecht, 1996, S. 197 ff.; Astrid Epiney, Vogel- und Habitatschutz in der EU, UPR 1997, S. 303 ff. ; AndreasFisahn I Wolfgang Cremer, Ausweisungspflicht und Schutzregime nach Fauna-Flora-Habitat- und der Vogelschutzrichtlinie, NuR 1997, S. 268 ff.; Klaus lven, Schutz natürlicher Lebensräume und Gemeinschaftsrecht, NuR 1996, S. 373 ff.; JosefWalter Kirchberg, Bedeutung der Richtlinie "Flora, Fauna, Habitat" der Europäischen Gemeinschaft für nationale Planfeststellungsverfahren, in: Blümel I Kühlwetter (Hrsg.), Aktuelle Probleme des Eisenbahnrechts II, 1997, S. 163 ff.; Tania RödigerVorwerk, Die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Union und ihre Umsetzung ins nationale Recht, 1998; Alexander Schink, Auswirkungen der Fauna-FloraHabitat-Richtlinie (EG) auf die Bauleitplanung, GewArch 1998, S. 41 ff.; Bernd Thyssen, Europäischer Habitatschutz entsprechend der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie in der Planfeststellung, DVBI. 1998, S. 877 ff.; Jörg Wagner, Die planbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem Entwurf der EG-Richtlinie "Fauna, Flora, Habitat", 1990, s. 34 ff. 15
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zur Alternativenprüfung besteht nur nach Fachrecht. 18 Nur dann, wenn der Träger Alternativen geprüft hat, sind die einschlägigen Unterlagen vorzulegen (Art. 5 Abs. 3, 4. Spiegelstrich UVP-RL n.F.).
Vorhabenbezogene UVP Zulassungsverfahren
1
1
andere Verfahrensschritte
UVP
.-----
~
Scoping
Unterlagenvorlage
\
Behördenbeteiligung
Öffentlichkeitsbeteiligung
~
.------------
Auswirkungsdarstellung
1
Vorha- . . - ~ Wechselben
Wirkungsverbund
Zulassungsentscheidung
18 BVerwGE 100, S. 238 (249 f.); Appold (Anm. 14) § I Rn. 7; Hans D. Jarass, Auslegung und Umsetzung der EG-Richtlinie zur Umweltverträglichkeitsprüfung, 1989, S. 32 f. A.A. etwa Erbguth I Schink (Anm. 7) § 2 Rn. 22 f.; Hoppe I Püchel (Anm. 16) S. 6; Hermann Soell I Franz Dirnberger, Wieviel Umweltverträglichkeit garantiert die UVP?, NVwZ 1990, S. 705 (710 f.).
Umweltverträglichkeitsprüfung und raumbezogene Gesamtplanung
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Entsprechend zurückgenommen ist die rechtliche Reaktion auf eine fehlerhafte oder ganz unterbliebene UVP. Auf die Beachtung des im UVP-Gesetz vorgesehenen Verfahrens kommt es nicht an, wenn die Umweltbelange materiell in einer der Umweltverträglichkeitsprüfung adäquaten Weise ermittelt worden sind. Ein Drittbetroffener muß geltend machen können, daß sich der in der nicht ordnungsgemäßen Durchfiihrung der UVP liegende Mangel auf die Sachentscheidung ausgewirkt haben kann. 19 2. Gesetzliche Grundlagen der UVP in der raumbezogenen Gesamtplanung
Für höherstufige Planungen ist bundesrechtlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung nicht mehr vorgeschrieben. Bis zum Jahr 1993 gab § 6a Abs. 1 ROG den Ländern eine Ausgestaltung des Raumordnungsverfahrens vor, die eine Umweltverträglichkeitsprüfung entsprechend dem Planungsstand einschloß. Die ursprüngliche Fassung des UVP-Gesetzes sah eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach den Vorschriften des Baugesetzbuchs fiir die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Flächennutzungsplänen, die Grundlage fiir eine vorhabenbezogene Zulassungsentscheidung sein konnten, vor (§§ 2 Abs. 3 Nr. 4, 17 UVPG a.F.). Das Investitions- und Wohnbaulandgesetz20 hat die UVP-Pflichtigkeit beider Planungsinstrumente beseitigt. Die Umweltverträglichkeitsprüfung von Flächennutzungsplänen ist seitdem rechtlich nicht wiedererweckt worden. Ein bundesrechtlicher Anknüpfungspunkt kann lediglich in der Pflicht, dem Flächennutzungsplan einen Erläuterungsbericht beizufiigen, gesehen werden. 21 Der Erläuterungsbericht soll den wesentlichen Inhalt des Flächennutzungsplans rechtfertigen und die Aussagen zu den zentralen Punkten des Bauleitplans, deren Inhalt, Ziele und Auswirkungen verdeutlichen. 22 Auch bei der Aufstellung eines Flächennutzungsplans sind die Umweltbelange in die Abwägung einzustellen. Die Auswirkungen der Flächennutzungsplanung auf die Umwelt sind daher notwendiger Bestandteil des 19 BYerwGE 98, S. 339 (362); I 00, S. 238 (251 ff.); BYerwG DVBI. 1994, S. 763 . Kritisch Erbguth (Anm. I 0) S. 266; Rudolf Steinberg, Chancen zur Effektuierung der Umweltverträglichkeitsprüfung durch die Gerichte?, DÖV 1996, S. 221 (228). 20 Gesetz zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und BereitstelJung von Wohnbauland vom 22.4. I 993, BGBI. I S. 466. Dazu An nette Guckelberger, Maßnahmen zur Beschleunigung von Planungs- und Genehmigungsverfahren - eine Zwischenbilanz, in : Ziekow (Anm. 6) S. 17 (28 .ff.). 21 Vgl. Rolf-Peter Löhr, in : Battis I Krautzberger I Löhr, Baugesetzbuch, 6. Aufl. 1998, § 5 Rn. 9. 22 BYerwGE 74, S. 47 (51); 77, S. 300 (306); Wolfgang Schrödter, in: Schrödter, Baugesetzbuch, 6. Aufl. 1998, § 5 Rn. 51.
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Erläuterungsberichts und müssen mit der auf dieser Planungsstufe möglichen Konkretheit dargelegt werden. 23 Darüber hinaus bietet der Erläuterungsbericht Gelegenheit, die Ergebnisse einer nichtobligatorischen Umweltverträglichkeitsprüfung des Flächennutzungsplans darzustellen. Ohne hierzu gesetzlich verpflichtet zu sein, führen viele Kommunen eine UVP ihrer Planungsakte durch. Es handelt sich hierbei um eine Spielart der sog. kommunalen Umweltverträglichkeitsprüfung, die teilweise für alle umweltrelevanten Vorhaben einer Kommune durchgeführt wird und beispielsweise sogar Beschaffungsvorgänge erfassen kann. 24 In diesem Rahmen erfolgen auch Umweltverträglichkeitsprüfungen von Flächennutzungsplänen und nichtvorhabenbezogenen Bebauungsplänen. 25 Löhr (Anm. 21) § 5 Rn. 9. Vgl. dazu nur Volker Kleinschmidt, Kommunale UVP, 1994; Uwe Rath, Kommunale Umweltverträglichkeitsprüfung, 1992; Hans Schlarmann, Spielräume flir die freiwillige kommunale UVP aus rechtlicher Sicht, in: Zimmermann (Hrsg.), Umweltverträglichkeitsprüfung in der Kommunalverwaltung, 1990, S. 46 ff.; Rene Schulze, Kommunale UVP in den neuen Bundesländern, UVP-report 1992, S. 122 ff.; Dieter Wagner, Kommunale UVP-Ein Modell kommt in die Jahre?, UVP-report 1994, S. 63 ff. ; Konrad Otto Zimmermann, Die kurze "Geschichte" der kommunalen UVP, in: Zimmermann, a.a.O., S. 4 ff. ; ders., Das Verhältnis zwischen gesetzlicher und freiwilliger kommunaler UVP, in: Zimmermann, a.a.O. , S. 33 ff. Einzelstudien bei Marion Bernhardt, Kommunale UVP in der Landeshauptstadt Schwerin, UVP-report 1994, S. 71 ff.; Ralf-Rainer Braun I Roswitha Kleinert, Umweltverträglichkeitsprüfung in Hagen, UVP-report 1992, S. 129 ff.; Peter Greupner I Joachim Mengden, Das UVP-Modell der Stadt Wiesbaden, in: Zimmermann, a.a.O., S. 186 ff.; Sabine Häring, Das UVP-Modell der Stadt Karlsruhe, in: Zimmermann, a.a.O., S. 177ff.; Hubertus Hanke I Dieter Wagner, Konzept flir die kommunale UVP in der Stadt Hamm, UVP-report 1995, S. 19 ff.; Peter Krüger, Umweltverträglichkeitsprüfung in der Stadt Essen, in: Zimmermann, a.a.O., S. 166 ff.; Michael Marwede, Eineinhalb Jahre UVP in Neuss - eine Bilanz , UVP-report 1994, S. 85 ff.; Harm Pappen, Das UVP-Modell der Samtgemeinde Holtriem, in: Zimmermann, a.a.O., S. 129 ff.; Bernd-Rolf Smerdka, Notwendigkeit und Probleme der freiwilligen UVP in den Gemeinden der neuen Bundesländer am Beispiel der Stadt Brandenburg, UVP-report 1995, S. 22 ff.; Manfred Steiner, Das UVP-Modell der Stadt Ludwigsburg, in: Zimmermann, a.a.O., S. 144 ff.; Helmut Wahle I Gerd Will, Die kommunale Umweltverträglichkeitsprüfung, ZUR 1993, S. 28 f. 25 Dazu Annette Brandenfels, Die UVP in der vorbereitenden Bauleitplanung, UVPreport 1998, S. 91 ff.; Oliver Decken, Forderungen an eine umweltverträgliche Stadtentwicklung, UVP-report 1996, S. 149 f.; Wilfried Erbguth, Stärkung der Umweltvorsorge in der Flächennutzungsplanung, NuR 1995, S. 444 ff.; Horst Glaser I Catherine Hoja, Das UVP-Modell Bauleitplanung für Dortmund, in: Zimmermann (Anm. 24) S. 204 ff.; Christian Jacoby, Methodische Ansätze einer Plan-UVP in der Flächennutzungsplanung, in: ders. (Anm. I) S. 166 ff.; ders., Umweltverträglichkeitsprüfung in der Flächennutzungsplanung, 1994; Christian Jacoby I Kirsten Mangels I Jürgen Stoffel, UVP-Typen im Spiegel der Planungsdynamik in der Flächennutzungsplanung, UVPreport 1994, S. 97 ff.; Michael Kleemann, Die Berücksichtigung von Summen- und Folgewirkungen bei der Flächennutzungs-UVP, UVP-report 1995, S. 178 ff.; Uwe Kleffner I Werner M. Ried, Programm-UVP in der Flächennutzungsplanung beim Stadtverband Saarbrücken, in: Jacoby (Anm. I) S. 135 ff.; Michael Koch I Helmut Höch, 23
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Die Neufassung der rahmenrechtlichen Vorschriften über das Raumordnungsverfahren, nunmehr in§ 15 ROG, hindert die Länder jedenfalls nicht daran, landesrechtlich eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorzuschreiben. 26 In der ganz überwiegenden Mehrzahl der Landesplanungsgesetze der Bundesländer ist eine dem Planungsstand entsprechende UVP im Raumordnungsverfahren verankert. 27 Daneben bestehen zahlreiche Ansätze zur Implementation einer Umweltverträglichkeitsprüfung in der Regionalplanung. 28 Diesbezüglich besteht weitgehende Klarheit darüber, daß eine Plan-UVP teilweise andere methodische Wege als die vorhabenbezogene UVP beschreiten muß. Wegen ihrer Mittlerfunktion zwischen hochstufiger Raumordnung und konkreter Bauleitplanung29 zielt die Regionalplanung noch nicht auf eine Darstellung des Endzustands eines Raumel0 • Im Kern geht es nicht um Bewertung am Maßstab der Umweltverträglichkeit, sondern um eine Öffnung von Alternativen.31 Es müssen Szenarien unterschiedlicher Realisierungskonzepte entwickelt, in ihren Umweltauswirkungen erfaßt, bewertet und gegeneinander abgewogen werUVP zum Flächennutzungsplan, UVP-report 1991, S. 107 ff.; Veronika Mook, Umweltvorsorge in der Flächennutzungsplanung, UVP-report 1995, S. 181 f.; Herbert PfaffSchley, Umweltverträglichkeitsprüfung in der kommunalen Bauleitplanung, UVP-report 1993, S. 28 f. 26 Susan Grotefels, in: Hoppe I Grotefels, Öffentliches Baurecht, 1995, § 4 Rn. I 0. 11 Vgl. §§ 13 Abs. I LUVPG B-W, 13 Abs. 3 LPlG B-W; 13 Abs. 3 S. I HessLPlG; 15 Abs. 2 S. 3 LPlG M-V; 17 Abs. 2 S. 2 NdsROG; 18 Abs. 8 LPlG R-P; 14 Abs. 3 S. 2 SächsLPIG; 15 Abs. I S. 5 LPIG S-A; 14 Abs. 3 S. 2 LPlG S-H; 17 Abs. 2 Thür LPIG. Zur UVP im Raumordnungsverfahren vgl. Matthias Gather, Projektübergreifende Umweltverträglichkeitsprüfungen im Raumordnungsverfahren als Grundlage einer integrierten Umweltplanung, UVP-report 1994, S. 68 ff.; Daniel Globig, Die §§ II, 12 UVPG in der raumordnerischen Umweltverträglichkeitsprüfung, 1997, S. 87 ff. ; Jochen Hofmann-Hoeppel, Einordnung der Umweltverträglichkeitsprüfung in das Raumordnungs- und Zulassungsverfahren, ZUR 1993, S. 22 ff.; Werner Köh/1 Michael Ortgiese, Raumordnungsverfahren mit integrierter Umweltverträglichkeitsprüfung, 1994. 28 Vgl. nur Dieter Eberle, Umweltverträglichkeitsprüfung von Regionalplänen, in: Storm I Bunge (Anm 10) 5010; ders., UVP in der Regional- und Landesplanung, UVPreport 1998, S. 80 f.; Sabine Haas I Klemens Weber, Notwendigkeit und Chancen einer UVP in der Regionalplanung-am Beispiel Rheinland-Pfalz, UVP-report 1998, S. 87 f.; Stefan Marzelli, Ansatz für eine Umweltverträglichkeitsprüfung in der Regionalplanung, UVP-report 1991, S. 104 ff.; Ulrich Ottersbach, Notwendigkeit und Chancen einer UVP in der Regionalplanung, UVP-report 1998, S. 82 f.; Thomas Recktenwald, Ansätze für eine Umweltverträglichkeitsprüfung in der Regionalplanung, 1994; Manfred Richter, Notwendigkeit und Chancen einer UVP in der Regionalplanung (Beispiel Hessen), UVP-report 1998, S. 84 ff.; Kritisch etwa Joachim Dieh/, Plan-UVP im Regierungsbezirk Köln, in: Umweltverträglichkeitsprüfung flir Pläne und Programme, hrsg. v. Institut für Landes- und Stadtentwicklungsforschung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1998, S. 30 ff. 2q Bernhard Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 2. Aufl. 1998, Rn. 152 f. 30 Vgl. Eberle, UVP (Anm. 28), S. 80. 31 Eberle, UVP (Anm. 28), S. 80; Ottersbach (Anm. 28) S. 82. 2 Spcyer 134
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den. 32 Dabei dürfen gesamträumliche Summationswirkungen nicht aus dem Blickfeld geraten. 33 Die einzelnen Elemente einer raumplanerischen UVP sind daher im Vergleich zu den Stufen einer vorhabenbezogenen UVP von deutlich größeren Interdependenzen geprägt. Aus diesem Grund kommt dem sog. Screening, also der Auswahl, ftir welche Bestandteile eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzufUhren ist, eine größere Bedeutung als bei der vorhabenbezogenen UVP zu, wenngleich die UVP-Änderungsrichtlinie von 1997 auch insoweit Screening-Elemente vorsieht. Raumplanungsbezogene UVP Screening
~
Scoping
Erfassung der Planelemente
Jst-EJassung der Umwelt
/~
Alternative Szenario der Umweltauswirkungen
:-I
~
Bewertung
~
Berücksichtigung in der planerischen Abwägung
+
Alternative
+
A u s w a h I
=:J
Eine Umweltverträglichkeitsprüfung fiir Bebauungspläne ist nur ftir die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Plänen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 3 UVPG vorgeschrieben(§ 17 S. l UVPG). Dabei handelt es sich um sol32 Eberle, UVP (Anm. 28), S. 80 f.; Christian Jacoby, Flächennutzungsplanung der Stadt Landau in der Pfalz, in: Umweltverträglichkeitsprüfung flir Pläne und Programme (Anm. 28), S. 49 (51). 33 V gl. Jacoby (Anm. 32) S. 51; Richter (Anm. 28) S. 84.
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ehe Bebauungspläne, durch die die Zulässigkeit von bestimmten UVPpflichtigen Vorhaben begründet werden soll oder die Planfeststellungsbeschlüsse für UVP-pflichtige Vorhaben ersetzen. Die letztere Alternative bezieht sich vor allem auf die Ersetzung der Planfeststellung für Bundesfernstraßen (§ 17 Abs. 3 FStrG) und Betriebsanlagen für Straßenbahnen (§ 28 Abs. 3 PBefG) durch Bebauungsplan. Bei der Anwendung der ersten Alternative ist zu beachten, daß sich die Zulässigkeitsbegründung auf bestimmte Vorhaben beziehen muß. Die Ausweisung eines Gewerbe- oder Industriegebiets, die erst noch potentielle Investoren anziehen soll, genügt nicht. 34 Erforderlich - aber auch ausreichend - ist vielmehr, daß durch den Bebauungsplan bereits eine Standortentscheidung für ein konkretes Vorhaben getroffen wird.35 Bauplanungsrechtlich relevante Vorhaben sind vor allem nach § 4 BlmSchG genehmigungsbedürftige Anlagen(§ 3 Abs. 1 S. 1 UVPG i.V.m. Nr. 1 der Anlage), Bundesfernstraßen und Betriebsanlagen für Straßenbahnen, wenn der Bebauungsplan die Planfeststellung ersetzt(§ 3 Abs. 1 S. 1 UVPG i.V.m. Nr. 8 und 11 der Anlage), Feriendörfer, Hotelkomplexe und sonstige große Einrichtungen für die Ferien- und Fremdenheberbergung (§ 3 Abs. 1 S. 1 UVPG i.V.m. Nr. 15 der Anlage), Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 S. 1 BauNVO ab einer Geschoßfläche von 5000 m2 (§ 3 Abs. 1 S. 1 UVPG i.V.m. Nr. 18 der Anlage) sowie solche Vorhaben, für die nach Landesrecht zur Umsetzung der UVPRichtlinie eine Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehen ist, sofern deren Zulässigkeit durch einen Bebauungsplan begründet wird oder ein Bebauungsplan einen Planfeststellungsbeschluß ersetzt (§ 3 Abs. 1 S. 1 UVPG i.V.m. Nr. 19 der Anlage). Anband der in Art. 4 Abs. 3 der UVP-Richtlinie in der Fassung der Änderungsrichtlinie von 1997 festgelegten Auswahlkriterien muß noch geprüft werden, ob die neu in den Anhang II der Richtlinie aufgenommenen bauplanungsrechtlich relevanten Projekte wie Einkaufszentren und Parkplätze, bestimmte Industrieanlagen, Skipisten, Skilifte und Seilbahnen, ganzjährig betriebene Campingplätze sowie Freizeitparks einer Umweltverträglichkeitsprü36 fung unterzogen werden sollen. Instrumentell folgt die UVP von Bebauungsplänen nicht den im UVPGesetz für die vorhabenbezogene Umweltverträglichkeitsprüfung vorgesehenen Schritten, sondern wird im Bauleitplanverfahren nach den Vorschriften des 34 Alexander Schink, Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung, ZffiR 1998, S. 284 (287); Stüer (Anm. 29) Rn. 766; Jörg Wagner, Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung und im Raumordnungsverfahren, DVBI. 1993, S. 583 (585). 35 Ulrich Bauis, Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung, NuR 1995, S. 448 (450); Werner Hoppe, in: Hoppe I Gratefels (Anm. 26) § 5 Rn. 122; Michael Krautzberger, in: Battis I Krautzberger I Löhr (Anm. 21) § I a Rn. 34; Schink (Anm. 34) s. 287. 36 Dazu Schink (Anm. 5) S. 16.
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Baugesetzbuchs durchgefiihrt. Der Umfang der Prüfung wird durch die für die Aufstellung, Änderung oder Ergänzung des Bebauungsplans anzuwendenden Vorschriften bestimmt(§ 17 S. 1 UVPG). § 1a Abs. 2 Nr. 3 BauGB verweist zwar für die Berücksichtigung der Bewertung der Umweltauswirkungen auf die Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB. Jedoch bedeutet dies nicht, daß die in das Bauleitplanverfahren integrierte UVP mit der bereits aus dem Abwägungsgrundsatz folgenden Einstellung von Umweltbelangen in die Abwägung vollständig identisch wäre. 37 § 17 S. 2 UVPG erklärt ausdrücklich§ 2 Abs. 1 S. 1-3 UVPG für anwendbar. Wesentlich ist vor allem die in § 2 Abs. 1 S. 2 UVPG statuierte Pflicht, die Auswirkungen der Planung auf Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser, Luft, Klima und Landschaft, einschließlich der jeweiligen Wechselwirkungen sowie auf Kultur- und sonstige Sachgüter zu ermitteln, zu beschreiben und zu bewerten. § 1a Abs. 2 Nr. 3 BauGB ergänzt dieses Programm durch die Pflicht, das Ergebnis in der planerischen Abwägung zu berücksichtigen. Dieses Zusammenspiel zwischen den Vorschriften des UVP-Gesetzes und denen des Baugesetzbuchs macht deutlich, daß die Struktur der UVP in der Bauleitplanung der der vorhabenbezogenen UVP insofern vergleichbar ist, als auch im Bebauungsplanverfahren zunächst eine umweltinterne Abwägung erfolgt: Erst nach der Ermittlung, Beschreibung und Bewertung der Auswirkungen auf die isoliert betrachteten Umweltbelange einschließlich der Wechselwirkungen unter diesen wird die gefundene Bewertung auf der Stufe der planerischen Abwägung anderen Belangen gegenübergestellt. 38 Dementsprechend kann der Ablauf einer Umweltverträglichkeitsprüfung für vorhabenbezogene Bebauungspläne an das im UVP-Gesetz skizzierte Muster angelehnt werden. So werden die §§ 5 und 6 UVPG betreffend Scoping und Unterlagenvorlage in§ 17 UVPG zwar nicht in Bezug genommen. Der Vorhabenbezug des Bebauungsplans legt es jedoch nahe, den betreffenden Vorhabenträger einzubinden.39 Ohne dessen Unterlagen, deren Bezugsrahmen auf einer Scoping-Stufe zuvor abgesteckt worden ist, werden die Umweltauswirkungen des Vorhabens kaum sinnvoll beurteilt werden können. 40
Battis (Anm. 35) S. 450 f. ; Schink (Anm. 34) S. 289. Battis (Anm. 35) S. 451 ; Hoppe (Anm. 35) § 5 Rn. 124; Wagner (Anm. 34) S. 586. Zur Notwendigkeit einer umweltinternen Abwägung Philip Kunig, Die Umweltverträglichkeitsprüfung in der Bauleitplanung, in: Baurecht-Aktuell. FS flir Felix Weyreuther zum 65. Geb., 1993, S. 157 ( 173). 39 Krautzberger (Anm. 35) § I a Rn. 36; Hermann Paßlick, in: Hoppe (Anm. 14) § 17 Rn. 56; Stüer (Anm. 29) Rn. 768. 40 Hoppe (Anm. 35) § 5 Rn. 124; Schink (Anm. 34) S. 290. S. in diesem Zusammenhang auch Wolfg ang Sitte/-Czypionka, Umsetzung der Umweltverträglichkeitsprüfung im Städtebau, DÖV 1992, S. 737 (742). 37
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Die auf der Grundlage dieser Angaben prognostisch im Vergleich mit dem erhobenen Ist-Zustand der Umweltsituation ermittelbaren Umweltauswirkungen einschließlich der Wechselwirkungen erlauben einen Standortvergleich. Insoweit hat die Gemeinde Planungsalternativen mit gegebenenfalls geringeren Umweltauswirkungen zu erwägen. 41 Allerdings darf nicht übersehen werden, daß auf der Planungsstufe der Aufstellung eines Bebauungsplans eine echte Standortalternativenprüfung in Anbetracht der geringen Größe des überplanten Gebiets und der Bindungen durch Regional- und Flächennutzungsplanung kaum noch .m~~lich ist. In Betracht kommt lediglich noch eine Feinregulierung 1m Plangebtet. Bürgerbeteiligung und Beteiligung der Träger öffentlicher Belange sind im Baugesetzbuch ausdrücklich vorgeschrieben(§§ 3, 4 BauGB). In welcher Phase sich die Umweltverträglichkeitsprüfung bei der Durchfiihrung der Beteiligung befinden muß, ist in einer Zusammenschau des Konzepts der Beteiligungsvorschriften des UVP-Gesetzes, die auf die Prüfung von Bebauungsplänen allerdings nicht anwendbar sind, und den Regelungen des Baugesetzbuchs zu bestimmen. Zweck der frühzeitigen Bürgerbeteiligung nach § 3 Abs. 1 BauGB ist es vor allem, den Bürgern Einflußmöglichkeiten auf eine noch nicht verfestigte Planung zu geben. 43 Dabei sind grundsätzlich alle realisierbaren Planungsalternativen vorzustellen und die in diesem Planungsstadium voraussehbaren Auswirkungen darzulegen. 44 Hierzu gehören auch die Umweltauswirkungen.45 Die Unterrichtung muß sich auf die fiir die Umwelt voraussichtlich eintretenden Folgen der in Betracht kommenden Standorte erstrecken. Eine abschließende Bewertung der Umweltauswirkungen muß zu diesem Zeitpunkt noch nicht erfolgen. Als Bestandteil der Begründung des Bebauungsplans sind zusammenfassende Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen zusammen mit allen Unterlagen Gegenstand des förmlichen Beteiligungsverfahrens nach§ 3 Abs. 2 BauGB.46 Ergeben sich aus Bürger- und Behördenbeteiligung hinsichtlich der Umweltrelevanz neue Gesichtspunkte, so ist die Darstellung und Bewertung der Umweltauswirkungen insoweit zu korrigieren. Erst 41 Erbguth I Schink (Anm. 7) § 17 Rn. 8 ff.; Hoppe (Anm. 35) § 5 Rn. 124; Kunig (Anm. 38) S. 168 f. 4 ~ Schink (Anm. 34) S. 292. 43 Hoppe (Anm. 35) § 5 Rn. 77 f. 44 Hoppe (Anm. 35) § 5 Rn. 78; Dieter Sel/ner, Zur Umweltverträglichkeitsprüfung bei vorhabenbezogenen Bebauungsplänen, in: Planung und Plankontrolle. Otto Schlichter zum 65. Geh., 1995, S. 257 (272). 45 Ulrich Battis, in: Battis I Krautzberger I Löhr (Anm. 21) § 3 Rn. 7; Hans Schlarmann I Burghard Hildebrandt, Die "integrierte" Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), NYwZ 1999, S. 350 (353). 46 Battis (Anm. 45) § 3 Rn. 13 i.V.m. Löhr (Anm. 21) § 9 Rn. 132; Hoppe (Anm. 35) § 5 Rn. 128; Sellner (Anm. 44) S. 272.
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jetzt ist die umweltinterne Abwägung abgeschlossen und in die planensehe Abwägung nach § 1 Abs. 6 BauGB einzustellen.
UVP vorhabenbezogener Bebauungspläne B e b a u u n g s p I an v e r f a h r e n
~
1
vorhabenbezogene Umweltauswirkungen
andere Belange
~
..--- -------. Scoping
Unterlagenvorlage
Ist-Erfassung der Umwelt
/~
1.------~
Alternative Alternative
Szenario der Umwelt-
au~wirkungen ~ ~
1---..._------• frühzeitige Bürgerbeteiligung
~
Beteiligung der Träger öffentlicher Belange
• •
}uswahl . . - - - - Auswirkungsdarstellung (vorläufige) Bewertung
1---~-----+
-t -t (abschließende) Darstellung
förmliches Beteiligungsverfahren und Bewertung
Abwägung
Für die Zulassung des Vorhabens hat die Umweltverträglichkeitsprüfung im Bebauungsplanverfahren eine Abschichtungsfunktion: Die planerisch erkennbaren und bewältigbaren Umweltauswirkungen des Vorhabens sind grundsätzlich abschließend geprüft. Gemäß § 17 S. 3 UVPG soll im nachfolgenden Zulassungsverfahren die Prüfung der Umweltverträglichkeit auf zusätzliche oder
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andere erhebliche Umweltauswirkungen beschränkt werden. Die Fassung der Vorschrift schließt zum einen einen beschränkten Konflikttransfer in das Zulassungsverfahren nicht aus, wenn der Konflikt dort bewältigt werden kann! 7 Zum anderen kann die fachlich nähere Zulassungsbehörde hinsichtlich der Bewertung der Umweltauswirkungen zu einem anderen Ergebnis als die Gemeinde kommen. In diesem Fallliegen zwar keine zusätzlichen Umweltauswirkungen vor. Jedoch kann die Fachbehörde im Rahmen der Soll-Vorschrift des§ 17 S. 3 UVPG auch fehlerhafte oder durch den Erkenntnisstand überholte Bewertungen der Umweltverträglichkeit korrigieren.48 Für die Folgen einer fehlerhaften oder unterlassenen Umweltverträglichkeitsprüfung im Bauleitplanverfahren gilt nichts anderes als fiir die vorhabenbezogene UVP (o. I 1). Sind keine Anhaltspunkte dafiir vorhanden, daß eine ordnungsgemäße Umweltverträglichkeitsprüfung zu einer anderen Abwägungsentscheidung gefiihrt hätte, so kann die Aufbebung des Bebauungsplans nicht verlangt werden. 49
II. Der Ansatz der Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung Wer sich der gegenwärtigen Diskussion um eine Erweiterung der Umweltverträglichkeitsprüfung in der raumbezogenen Gesamtplanung stellt, sieht sich schnell einem Begriffsdickicht gegenüber. Was mag wohl gemeint sein, wenn davon die Rede ist, die SEA sei die Anwendung von EIA-Prinzipien auf der Ebene von PPPs50? Die Spannung dieses Rätsels wird noch erhöht, wenn anschließend die SEA sogar aufgespalten wird in eine SUVP und eine PPPFolgenprüfung-SEA51 . Teilweise inhaltsgleich wird von einer SUP gesprochen52. Zunächst zur Terminologie: EIA ist die Abkürzung für "environmental irnpact assessment" und im wesentlichen gleichbedeutend mit dem deutschen Begriff "Projekt-UVP". PPP ist aufzulösen in "Policies, Plans, Programmes", also "Politiken, Pläne, Programme". Die Anwendung der Grundsätze der ProjektUVP nicht auf Vorhaben, sondern auf Politiken, Pläne und Programme ergibt die SEA = "Strategie environmental assessment". Ganz überwiegend wird diese Schink (Anm. 34) S. 292 f. Paßliek (Anm. 39) § 17 Rn. 140; Wagner (Anm. 34) S. 586. 49 Schrödter (Anm. 22) § I a Rn. 144; Stüer (Anm. 29) Rn. 772. 50 Vgl. Thomas B. Fischer, Die Strategische UVP, UYP-report 1998, S. 69. 51 Fischer (Anm. 50) S. 70. 5" Ygl. RalfAschemann, Aktuelles zur Strategischen UVP in Österreich, UVP-report 1998, s. 59. 47 48
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"Strategische Umweltprüfung" - daher die vor allem in Österreich gebräuchliche Abkürzung ,,SUP"53 - gleichgesetzt mit einer Umweltverträglichkeitsprüfung für Pläne und Programme54 • Allerdings ist nicht zu übersehen, daß diese Gleichsetzung dem umfassenden Ansatz einer Strategischen Umweltprüfung nicht gerecht wird. 55 In der neueren Literatur wird unter einer Strategischen Umweltprüfung jede Form der Prüfung der Folgen von Politiken, Plänen und Programmen verstanden. 56 Neben Umweltauswirkungen werden auch sozio-ökonomische Wirkungen einbezogen. 57 Je nach Formalisierungsgrad des Verfahrens werden dann die bereits erwähnte SUVP im Sinne einer formalen Strategischen UVP und eine offene PPPFolgenprüfung unterschieden. 58 Der Begriff "Plan- und Programm-UVP" ist selbst alles andere als klar. Der Kommissionsentwurf eines UGB 59 beispielsweise bezieht den Anwendungsbereich der so bezeichneten "Umweltverträglichkeitsprüfung bei Plänen und Programmen" (§§ 74 ff. UGB-KomE) auf Abwasserbeseitigungs-, Abfallwirtschafts- und kommunale Energiepläne, Pläne zur Verbesserung der Agrarstruktur sowie bestimmte umweltrelevante Förderprogramme (§ 75 S. 1 UGBKomE). Der Bereich der gesamträumlichen Planung ist gerade ausgeklammert. Für Raumordnungspläne, Regionalpläne und Flächennutzungspläne soll die Umweltgrundlagenplanung die Umweltverträglichkeitsprüfung ersetzen (§ 75 S. 3 UGB-KomE). Für vorhabenbezogene Bebauungspläne ist weiterhin eine Projekt-UVP vorgesehen(§ 111 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 UGB-KomE). Dagegen listet die Begründung des Kommissionsvorschlags einer Richtlinie über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme als Bei-
53 Zur SUP in Österreich vgl. noch Kerstin Arbter I Christian Rakos, Österreich auf dem Weg zur Strategischen Umweltprüfung, UVP-report 1998, S. 112. 54 Vgl. Liselotte Feldmann, Aktueller Stand des Richtlinienentwurfs fl.ir eine Strategische UVP, UVP-report 1998, S. 63 f.; Adrian Hoppenstedt, Konsequenzen der Europäischen Umweltpolitik flir die Straßen- I Verkehrsplanung in Deutschland, UVPreport 1998, S. 95 ff.; Karl-Hermann Hübler, Ist die Plan- und Programm-UVP der Königsweg der Umweltpolitik im Jahre 2002?, UVP-report 1998, S. 65 ff.; Elmar Knieps I Wolfgang Schmiedecken, Strategische UVP - Plan- und Programm-UVP, UVP-report 1998, S. 62; Dieter Wagner, Strategische Umweltprüfung- ein neuer Anlauf, UVP-report 1995, S. 166 ff. 55 Fischer (Anm. 50) S. 69. 56 Vgl. Fischer (Anm. 50) S. 72. 57 Vgl. Fischer (Anm. 50) S. 69. 58 Fischer (Anm. 50) S. 70 f. 59 Umweltgesetzbuch (UGB-KomE). Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium flir Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, hrsg. v. Bundesministerium flir Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 1998.
Umweltverträglichkeitsprüfung und raumbezogene Gesamtplanung
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spiele für den Geltungsbereich des Vorschlags in Deutschland Raumordnungspläne, Regionalpläne und Flächennutzungspläne ausdrücklich auf. 60 Schließlich ist die Gefahr groß, daß die Bezeichnung "Plan- und ProgrammUVP" suggeriert, es handele sich schlicht um eine Projekt-UVP mit erweitertem Objektbezug. Im Zusammenhang der Ausführungen zur raumplanungsbezogenen UVP ist darauf hingewiesen worden ( o. I 2), daß bei ihr im Vergleich zur Projekt-UVP weniger die konkrete Bewertung am Maßstab der Umweltverträglichkeit als vielmehr die Öffnung von Alternativen in interdependenten Prüfstufen im Vordergrund steht. Insofern ist der Ansatz nicht nur weiter, sondern durchaus ein anderer als bei der Projekt-UVP. Die englische Unterscheidung zwischen "impact" und "Strategie" bringt dies treffend zum Ausdruck. "Strategie" ist die Prüfung deshalb, weil sie sich nicht in einer Symptombeschreibung und -bewertung erschöpft, sondern indirekte, sekundäre und synergetische Effekte in eine Systembetrachtung zu integrieren vermag. 61 Nicht zu Unrecht ist dieser Ansatz als instrumentelle Umsetzung des Nachhaltigkeitsprinzips bezeichnet worden. 62 Um einerseits diesen Bezug und andererseits den zur Projekt-UVP zu verdeutlichen, dürfte es am sinnvollsten sein, von einer Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung zu sprechen.
111. Der Kommissionsvorschlag einer Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung 1. Der Inhalt des ursprünglichen Richtlinienvorschlages Ziel der von der Kommission vorgeschlagenen Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme63 ist es,
6
° KOM (96) 511 S. 3.
Fischer (Anm. 50) S. 69. Fischer (Anm. 50) S. 69; Ulrike Weiland, Strategische Umweltprüfung als Beitrag zu einer dauerhaft-umweltgerechten Entwicklung, UVP-report 1998, S. 74 ff. Zum Nachhaltigkeilsprinzip Arno Bunzel, Nachhaltigkeil - ein neues Leitbild für die kommunale Flächennutzungsplanung, NuR 1997, S. 583 ff.; Wi/fried Erbguth, Konzep~!o nelle und rechtliche Konsequenzen des Gebots nachhaltiger Raumentwicklung, DOV 1998, S. 673 ff. ; Stephan Mitschang, Der Planungsgrundsatz der Nachhaltigkeit, in diesem Band; Meinhard Schröder, "Nachhaltigkeit" als Ziel und Maßstab des deutschen Umweltrechts, WiVerw 1995, S. 65 ff.; Christian Theobald, Sustainable Developmentein Rechtsprinzip der Zukunft?, ZRP 1997, S. 439 ff. 63 Dazu Feldmann, (Anm. 54) S. 63 f. ; Hübler (Anm. 54) S. 65 ff.; Elmar KniepsI Wolfgang Stein, Umweltfolgenabschätzung flir Pläne und Programme, UVP-report 1998, S. 77 ff. ; Jürgen Lindemann, Plan-UVP in der Raumplanung, in: Umweltverträglichkeitsprüfung flir Pläne und Programme (Anm. 28) S. II f.; Schink (Anm. 5) S. 16; 61
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ein hohes Schutzniveau für die Umwelt durch die Erreichung der Grundsätze von Art. 130r Abs. 1 EGV sicherzustellen (Erwägungsgrund 2 des RLVorschlags). Die in den Mitgliedstaaten bereits angewandten Systeme für Umweltprüfungen werden insofern als mangelhaft angesehen, als diese nicht alle grundlegenden Pläne und Programme erfassen, die einen Rahmen für spätere Genehmigungen vorgeben, und weil sie nicht immer den notwendigen minimalen Verfahrensanforderungen entsprechen, um ein hohes Umweltschutzniveau zu gewährleisten (Erwägungsgrund 5). In Anbetracht dieser Mängel wird ein Handeln auf Gemeinschaftsebene ftir notwendig erachtet (Erwägungsgrund 7), wobei die verfahrenstedmischen Einzelheiten den Mitgliedstaaten überlassen bleiben sollen (Erwägungsgrund 8). Die Richtlinie soll für alle in ihren Anwendungsbereich fallenden Pläne und Programme gelten, unabhängig davon, ob diese von den zuständigen Behörden oder aufgrund eines gesetzgebenden Aktes angenommen werden (Erwägungsgrund 10). Die Begründung des Vorschlags sieht Strategische und Projekt-UVP als Beurteilungssystem, das für verschiedene Stadien des Entscheidungsprozesses die jeweils geeignete Prüfung bereitstellt. Dies soll unter anderem zu einer rationelleren Bewertung auf Projektebene führen, indem auf der strategischen Ebene bereits abgearbeitete Prüfungssegmente in geringerer Dichte geprüft werden können. Die Kommission hält es sogar ftir möglich, daß sich dadurch eine vorhabenbezogene UVP ftir die meisten Projekte erübrigen wird, die nach der UVP-Änderungsrichtlinie einer Screening-Prüfung zu unterziehen sind. 64 Durch eine Strategische UVP ausgleichbare Defizite der Projekt-UVP sieht der Entwurf vor allem bei der Alternativenprüfung. Erfolge die Standortwahl ftir ein Projekt schon durch einen raumordnensehen Plan ohne Umweltverträglichkeitsprüfung, so könnten die Umweltfolgen dieser Entscheidung bei der UVP im Projektstadium nicht mehr hirneichend berücksichtigt werden. Ein verbundenes Prüfsystem ermögliche hingegen die angemessene Prüfung von Alternativen. 65 Darüber hinaus könne die Strategische UVP kumulative und synergetische Umweltauswirkungen mehrerer im Plan vorgesehener kleinerer Projekte erfassen.66 Nicht zuletzt werde die Realisierung eines Projekts erleichtert, wenn durch eine Strategische UVP bereits Akzeptanz vermittelt worden . 67 se1.
Dieter Wagner, UVP für Pläne und Programme, UVP-report 1997, S. 12; ders. (Anm. 54) s. 166 ff. 64 KOM (96) 511 S. 6. 65 KOM (96) 511 S. 4. 66 KOM (96) 511 S. 5. 67 KOM (96) 511 S. 5.
Umweltverträglichkeitsprüfung und raumbezogene Gesamtplanung
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Aus diesem Ausgangspunkt ergab sich im ursprünglichen Richtlinienvorschlag die Beschränkung des Anwendungsbereichs der Richtlinie auf Pläne und Programme im Bereich Raumordnung, die 1.) von einer zuständigen Behörde ausgearbeitet und angenommen werden oder die von einer zuständigen Behörde für die Annahme durch einen Gesetzgebungsakt ausgearbeitet werden, die 2.) als Teil des Entscheidungsprozesses im Bereich Raumordnung den Rahmen für nachfolgende Genehmigungen vorgeben und die 3.) Bestimmungen über Art, Größe, Standort oder Betriebsbedingungen von Projekten enthalten (Art. 2 lit. a des RL-Vorschlags). Erforderlich sollte also sein, daß dem Plan oder Programm eine Vorbereitungsfunktion für die Genehmigung eines Projekts zukommt. Unter einer Genehmigung ist dabei eine Behördenentscheidung, aufgrund deren der Projektträger das Recht zur Durchführung eines Projekts erhält, zu verstehen (Art. 2 lit.c des RL-Vorschlags). Projekte sind neben der Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen auch sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen (Art. 2 lit.d des RL-Entwurfs). Ausdrücklich einbezogen sind Pläne und Programme in Bereichen wie Verkehr, Energie, Abfallbewirtschaftung, Bewirtschaftung von Wasserressourcen, Industrie, Telekommunikation und Tourismus (Art. 2lit. a des RL-Vorschlags). Keine Anwendung finden soll die Richtlinie insbesondere auf die allgemeineren politischen Entscheidungen an der Spitze der Entscheidungshierarchie. Die Kommission sieht in Anbetracht der großen formalen Flexibilität dieser Entscheidungen keine Möglichkeit, sie in das Beurteilungssystem von Strategischer und Projekt-UVP einzubeziehen. Ausgeklammert bleiben ebenso Pläne und Programme, welche nicht von einer Behörde in einem formellen Verfahren genehmigt oder aufgrund eines gesetzgebenden Akts angenommen werden. Besteht ein solches Genehmigungsverfahren nicht, so soll es auch nicht aufgrund der vorgeschlagenen Richtlinie eingeführt werden müssen.68 Ausgeschlossen bleiben schließlich Pläne, die der Kommission aufgrund der Verordnungen über die Strukturfonds eingereicht werden.69 Als Pläne und Programme, die nach deutschem Recht von einer Strategischen UVP erfaßt sein könnten, nennt die Vorschlagsbegründung Landesraumordnungsprogramme und -pläne, Landesentwicklungsprogramme und -pläne, Regionalprogramme und -pläne sowie Flächennutzungspläne. 70 Erfaßt sind auch Änderungen bestehender Pläne und Programme (Art. 2 lit. a des RLVorschlags). Für geringfügige Änderungen ist ein Screening zugelassen. Hier haben die Mitgliedstaaten die Wahl, die betreffenden Änderungen nur dann ei-
68
69
°
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KOM (96) 511 S. 2. KOM (96) 511 S. 3 f. KOM (96) 511 S. 3.
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ner Umweltprüfung zu unterwerfen, wenn sie nach Auffassung der Mitgliedstaaten erhebliche negative Umweltauswirkungen haben können (Art. 4 Abs. 3 des RL-Vorschlags). Bebauungspläne unterfallen zwar an und für sich der dargestellten Bestimmung des Begriffs "Plan" (Art. 2 lit. a des RL-Vorschlags). Doch enthält Art. 4 Abs. 4 des RL-Vorschlags insoweit eine Screening-Bestimmung, die eine Ausnahme für Bebauungspläne ermöglicht. Nach dieser Vorschrift erfordern Pläne und Programme, die eine spezielle Nutzung kleiner Flächen auf örtlicher Ebene festlegen - worunter die Vorschlagsbegründung insbesondere Bebauungspläne rechnee 1 - nur dann eine Umweltprüfung, wenn sie nach Auffassung der Mitgliedstaaten erhebliche negative Umweltauswirkungen haben können. Entscheidet sich ein Mitgliedstaat gegen eine generelle Umweltverträglichkeitsprüfung von Bebauungsplänen, so müssen sie zur Feststellung signifikanter negativer Umweltauswirkungen einem Screening unterzogen werden. 72 Der Kern des Vorschlags besteht in der obligatorischen bzw. im Screening festzustellenden Durchführung einer Umweltprüfung für die der Richtlinie unterfallenden Pläne und Programme. Die Umweltprüfung hat zu erfolgen, bevor eine zuständige Behörde einen Plan oder ein Programm annimmt oder diesbezüglich ein Gesetzgebungsverfahren einleitet (Art. 4 Abs. 1 des RL-Vorschlags). Sie reicht nicht mehr in das Gesetzgebungsverfahren selbst hinein, sondern ist vorher abgeschlossen.73 Die von dem Vorschlag erfaßte Phase endet, wenn der Entwurf des Plans oder Programms einer gesetzgebenden Körperschaft vorgelegt wird. 74 Dementsprechend kann ein Gesetzgebungsakt nicht wegen einer fehlerhaften oder nicht durchgeführten Umweltprüfung angefochten werden (Art. 10 Abs. 3 des RL-Vorschlags). Die Umweltprüfung vollzieht sich nach der ursprünglichen Konzeption in drei Phasen (Art. 2 lit.e des RL-Vorschlags): -
die Ausarbeitung einer Umwelterklärung,
-
die Durchführung von Konsultationen und
-
die Berücksichtigung der Umwelterklärung und der Ergebnisse der Konsultationen.
Die Erstellung der Umwelterklärung beginnt mit einem Scoping, in welchem die zuständige Behörde den Untersuchungsrahmen abklärt. Zur Gewährleistung der hierzu erforderlichen Unabhängigkeie5 konsultiert sie bei der Festlegung 71
72 73 74 75
KOM (96) 511 KOM (96) 511 KOM (96) 511 KOM (96) 511 KOM (96) 511
S. 13. S. 13. S. 4. S. 14. S. 13.
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des Untersuchungsrahmens sowie des Umfangs und Detaillierungsgrades der in die Umwelterklärung aufzunehmenden Informationen die jeweils betroffenen Umweltbehörden (Art. 5 Abs. 3 des RL-Vorschlags). Der Detaillierungsgrad der Informationen wiederum ist abhängig von dem des betreffenden Plans oder Programms sowie dessen Stellung im Entscheidungsprozeß (Art. 5 Abs. 2 S. 2 des RL-Vorschlags). 76 Nach der ursprünglichen Fassung des Richtlinienvorschlags mußten die in der Umwelterklärung enthaltenen Informationen so detailliert sein, wie fiir eine Bewertung der erheblichen direkten und indirekten Auswirkungen bei Umsetzung des Plans oder Programms auf die Schutzgüter realistischerweise verlangt werden kann. Schutzgüter sind Menschen, Fauna und Flora, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft, Sachgüter und das kulturelle Erbe (Art. 5 Abs. 2 S. 1 des RL-Vorschlags). Die Erfassung von Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren wurde zwar im ursprünglichen Richtlinienvorschlag nicht ausdrücklich erwähnt, jedoch in der Vorschlagsbegründung vorausgesetzt. 77 Weiche Informationen mindestens aufgenommen werden müssen, soll in einem Katalog als Anhang zu der Richtlinie festgeschrieben werden (Art. 5 Abs. I des RL-Entwurfs), welcher allerdings durch den geänderten Richtlinienvorschlag einschneidend modifiziert worden ist (im einzelnen u. III 3). Der Ausarbeitung der Umwelterklärung folgt die Konsultationsphase. In ihr sind eine Kopie des Plan- oder Programmentwurfs sowie der Umwelterklärung den betroffenen Umweltbehörden und der betroffenen Öffentlichkeit zugänglich zu machen (Art. 6 Abs. 1 des RL-Entwurfs). Welches diese Behörden bzw. Teile der Öffentlichkeit sind und in welcher Weise sie zu konsultieren sind, bestimmen die Mitgliedstaaten (Art. 6 Abs.e 3-5 des RL-Entwurfs). Entscheidend ist, daß Behörden und Öffentlichkeit vor der Annahme des Plans oder Programms Gelegenheit gegeben wird, zu dem Entwurf und der begleitenden Umwelterklärung Stellung zu nehmen (Art. 6 Abs. 2 des RL-Entwurfs). Für Pläne und Programme, deren Durchftihrung erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt eines anderen Mitgliedstaates haben könnte, ist ein grenzüberschreitendes Konsultationsverfahren vorgesehen. Es ist einzuleiten, wenn der Mitgliedstaat der Planung solche erheblichen Auswirkungen feststellt oder der betroffene Mitgliedstaat es verlangt. Dem betroffenen Mitgliedstaat ist dann eine Kopie des Plan- oder Programmentwurfs sowie der entsprechenden Umwelterklärung zuzuleiten (Art. 7 Abs. l des RL-Entwurfs). Er hat dem anderen Mitgliedstaat mitzuteilen, ob er bezüglich des Plans bzw. Programms Konsultationen wünscht (Art. 7 Abs. 2 des RL-Entwurfs).
76
Art. 5 Abs. 2a des geänd. RL-Vorschlags.
77
KOM (96) 511 S. 4.
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Abgeschlossen wird die Umweltprüfung mit der Berücksichtigungsphase. Die zuständige Behörde ist verpflichtet, die Umwelterklärung sowie die abgegebenen Stellungnahmen und die Ergebnisse der Konsultationen vor der Annahme des Plans oder Programms bzw. vor der Übermittlung zum Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen (Art. 8 S. 1 des RL-Entwurfs). Dabei muß sichergestellt sein, daß die aufgrund dieses Materials flir notwendig erachteten Änderungen auch vorgenommen werden können (Art. 8 S. 2 des RL-Entwurfs). Eine Pflicht zur Abänderung des Plans oder Programms soll durch die vorgeschlagene Richtlinie jedoch nicht begründet werden.78 Über die Annahme des Plans oder Programms muß die Behörde die Konsultationsbeteiligten informieren und ihnen eine Kopie des angenommenen Plans oder Programms sowie eine Erklärung über die Art und Weise der Berücksichtigung von Umwelterklärung, Stellungnahmen und Konsultationen zu Verfügung stellen (Art. 9 Abs. 1 des RL-Entwurfs). Wie die Mitgliedstaaten die dargestellten Anforderungen in ihre jeweiligen nationalen Systeme übernehmen, bleibt ihnen überlassen. Möglich ist sowohl die Integration in schon vorhandene Verfahren als auch die Schaffung neuer Verfahren zur Umsetzung der vorgeschlagenen Richtlinie (Art. 3 des RLEntwurfs). 2. Änderungswünsche im Verfahren zum Erlaß der Richtlinie
Der Richtlinienvorschlag ist von den am Erlaßverfahren zu beteiligenden europäischen Institutionen einhellig begrüßt worden. Gleichzeitig sind allerdings zahlreiche Änderungswünsche formuliert worden: Der Wirtschafts- und Sozialausschuß kritisierte vor allem die Ausklammerung von gemäß den Strukturfondsverordnungen vorgelegten Plänen aus dem Anwendungsbereich und forderte die Einbeziehung umweltrelevanter allgemeiner Raumordnungspläne für die Landwirtschaft. Darüber hinaus solle den Mitgliedstaaten aufgegeben werden, jeweils eine Behörde zu benennen, die die Vorschriftsmäßigkeit der Informations- und Konsultationsverfahren gewährleistet. 79 Instrumentell von erheblicher Bedeutung ist die Anregung, ein Monitoring- und Kontrollsystem zu installieren. 80
KOM (96) 511 S. 14. Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zu dem "Vorschlag fllr eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABI. EG 1997 C 287, S. 101 (103). 80 Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses (Anm. 79) S. I 04. 78
79
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Der Ausschuß der Regionen forderte den Entwurf einer Gesamtperspektive, die Umweltfragen mit sozialen und wirtschaftlichen Fragen in eine gemeinsame Untersuchung einbindet. Die Abgrenzung des Anwendungsbereichs der Richtlinie wird als unzureichend angesehen. Einbezogen werden müßten alle Pläne, die in irgendeiner Form die Bodennutzung betreffen, und zwar unabhängig von dem Verfahrensweg, auf dem die Pläne und Programme erarbeitet werden. 81 Die durchgreifendsten Änderungswünsche sind vom Europäischen Parlament formuliert worden, das den Bericht des federführenden Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz mit geringfügigen Modifikationen übernommen hat. 82 Der Anwendungsbereich der Richtlinie solle nicht auf Pläne und Programme im Bereich Raumordnung beschränkt bleiben, sondern alle Pläne bzw. Programme erfassen, "die sich auf die terrestrische und marine Umwelt auswirken". 83 Entsprechend dieser Erweiterung könne es auf die Eigenschaft des Plans oder Programms als Teil des Entscheidungsprozesses im Bereich Raumordnung nicht mehr ankommen. Einbezogen werden sollen vielmehr schon Planungsakte, "die einen allgemeinen oder sektoralen Rahmen für nachfolgende Genehmigungen im Bereich Bodennutzung, Ressourcennutzung oder Raumordnung vorgeben, die direkt oder indirekt die künftige Durchführunr, von Projekten im Sinne der (UVP-) Richtlinie 85 I 337 I EWG betreffen" 4 . Ausdrücklich genannt werden sollten auch Pläne und Programme in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei. Weiterhin wurde die Einfügung eines Katalogs von Plänen und Programmen angeregt, bei denen in jedem Fall eine Strategische UVP durchzufuhren sein soll. Hierzu zählen auch städtebauliche Pläne und Vorschriften. 85 Die Voraussetzungen, unter denen insbesondere Bebauungspläne von einer Umweltprüfung ausgenommen werden können, sollten erheblich verschärft werden. Eine Umweltprüfung sollte nicht nur bei erheblichen negativen, sondern bei allen erheblichen Umweltauswirkungen zwingend erforderlich sein. Vor der Entscheidung, ob eine Prüfung erforderlich ist, war eine Konsultation 81 Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zu dem "Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme", ABI. EG 1998 C 64, S. 63 (64 f.). 82 Stellungnahme des Europäischen Parlaments zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, ABI. EG 1998 C 341, S. 18; Bericht des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Verbraucherschutz über den Vorschlag für eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, PE 226.406 I end. 83 Art. 2 fit. a i.d.F. der Stellungnahme (Anm. 82). 84 Art. 2 fit. a i.d.F. der Stellungnahme (Anm. 82). 85 Art. 3a i.d.F. der Stellungnahme (Anm. 82).
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der Umweltbehörden vorgesehen. Schließlich sollte das Absehen von der Durchfiihrung einer Umweltprüfung einer zu veröffentlichenden Begründung bedürfen. 86 Die Stellungnahme des Europäischen Parlaments sah eine deutliche Änderung des Charakters der Umweltprüfung vor. Die Umwelterklärung sollte nicht nur von der zuständigen Behörde, sondern auch von einer dafiir benannten unabhängigen Einrichtung erstellt werden können. 87 Die Verfahrensherrschaft der Behörde wäre dadurch geschwächt worden. Einen weiteren tiefen Eingriff in die mitgliedstaatliche Verfahrensorganisation hätte die obligatorische Verantwortung des nationalen Umweltministeriums fiir die ordnungsgemäße Anwendung von Umweltschutzmaßnahmen bei überregionalen Plänen und Program. s1c 'h gebracht. men8 8 mit Das Konsultationsverfahren sollte keine feste Stufe innerhalb der Umweltprüfung mehr darstellen, sondern als permanente Prozeßstruktur eingerichtet werden. Die Umweltbehörden und sogar die Öffentlichkeit sollen schon vor Beginn der Arbeiten flir den Plan oder das Programm und dann nochmals im Scoping beteiligt werden. 89 Auf der eigentlichen Konsultationsstufe sollen dann auch die von dem Plan voraussichtlich betroffenen Projektträger beteiligt werden.90 Schließlich soll die Angemessenheit der gesamten Umweltprüfung einer unabhängigen Zertifizierung unterworfen werden. 91 Bei genauer Analyse dürfte es sich bei dem vom Europäischen Parlament vorgelegten Konzept nicht mehr um eine Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung, sondern um den Versuch handeln, einen allgemeinen Umweltdiskurs mit einem mehr oder weniger lockeren Bezug zu staatlichen Handlungsfeldern zu institutionalisieren. Darauf deuten die äußerst vage Ausdehnung des Allwendungsbereichs auf alle Pläne und Programme, "die sich auf die terrestrische und marine Umwelt auswirken", die Erweiterung von negativen auf alle erheblichen Umweltauswirkungen in den Screening-Bestimmungen, die Implementation unabhängiger Prüfstellen in das Verfahren sowie die Verpflichtung, bereits vor Beginn der Arbeiten flir den Plan und anschließend bei jeder Alternativenprüfung die Öffentlichkeit und die Umweltbehörden zu konsultieren, hin. Es ist überaus fraglich, ob aus einem solch redundanzstrotzenden Planungsprozeß überhaupt noch Planungsakte hervorgehen können. Jedenfalls würde ein solchermaßen aufgeblähtes Verfahren absolut unvertretbare sozio-ökonomische 86
87 88 89 90 91
Art. 4 Abs. e 4a und 4b i.d.F. der Stellungnahme (Anm. 82). Art. 5 Abs. I i.d.F. der Stellungnahme (Anm. 82). Art. 5 Abs. I a i.d.F. der Stellungnahme (Anm. 82). Art. 5 Abs. 3 i.d.F. der Stellungnahme (Anm. 82). Art. 6 Abs.e I und 2 i.d.F. der Stellungnahme (Anm. 82). Art. 5 Abs. 4a i.d.F. der Stellungnahme (Anm. 82).
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Folgekosten produzieren, denen im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag keine nennenswerten Vorteile für die Berücksichtigung der Umweltsituation in der Planung korrespondieren würden. 3. Der geänderte Richtlinienvorschlag
Es kann daher nur begrüßt werden, daß der geänderte Richtlinienvorschlag der Kommission92 den Vorstellungen des Europäischen Parlaments deutlich zurückhaltend begegnet ist. Die ausdrückliche Erstreckung auf Pläne und Programme in den Bereichen Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Fischerei wurde ebenso abgelehnt wie ein Katalog obligatorischer Umweltprüfungen. Ohne Resonanz bei der Kommission blieben auch die vorgeschlagene Erweiterung auf alle erheblichen Umweltauswirkungen in den Screening-Bestimmungen, die Durchführung der Umweltprüfung durch eine andere Einrichtung als die zuständige Behörde, eine überregionale Verantwortung des nationalen Umweltministeriums sowie die Ausdehnung des Konsultationsverfahrens. Gleichwohl enthält der geänderte Vorschlag eine Reihe von Modifikationen gegenüber der ursprünglichen Fassung, die teilweise Anregungen des Europäischen Parlaments aufgreifen, teilweise sinnvolle Klarstellungen und Ergänzungen beinhalten, teilweise aber konzeptionelle Änderungen darstellen. Auf Wünsche des Parlaments zurück gehen die Ergänzung des Ziels der Richtlinie um die Sicherstellung von Fortschritten auf dem Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung (Erwägungsgründe 1a und 2, Art. 1 des geänd. RL-Vorschlags) und die Aufnahme des Hinweises, daß die Festlegung von Umweltprüfungsverfahren für Pläne und Programme für die Wirtschaft vorteilhaft sei, da dadurch ein konsistenter Rahmen festgelegt werde, in dem gehandelt und zu wirtschaftlich effizienteren oder kostengünstigeren Lösungen beigetragen werde (Erwägungsgrund 3a des geänd. RL-Vorschlags). Ebenso durch das Parlament vorgeschlagen wurde die Klarstellung, daß die gemeinschaftsrechtliche Regelung nur einen Mindesteahmen für eine Umweltprüfung festlegt (Erwägungsgründe 2 und 7 des geänd. RL-Vorschlags), über den die Mitgliedstaaten hinausgehen können. Der Anwendungsbereich der Richtlinie wurde neu bestimmt, wenngleich nicht im Sinne des Ansatzes des Parlaments. Der Passus "im Bereich Raumordnung" in der Definition von Plänen und Programmen im Sinne der Richtlinie ist gestrichen worden. Statt dessen findet sich die Raumordnung nunmehr in der Erläuterung, welche Bereiche beispielhaft von der Definition umfaßt sein können (Art. 2 lit. a des geänd. RL-Vorschlags). Neu aufgenommen in diese 92
Geänderter Vorschlag (Anm. 2).
3 Speyer 134
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Erläuterung wurde der vom Parlament in den Vordergrund gestellte Bereich "Bodennutzung". Das hiermit eine signifikante Erweiterung des Anwendungsbereichs der vorgeschlagenen Richtlinie verbunden sein würde, muß bezweifelt werden. Auch der "Bereich Raumordnung" nach dem ursprünglichen Kommissionsvorschlag konnte nicht im Sinne des deutschen Raumordnungsrechts, sondern mußte als Raumplanung im weiteren Sinne verstanden werden. 93 Als marginale sachliche Änderung ist weiterhin die Lösung des Plans oder Programms aus einer schließlich zur Genehmigungserteilung führenden Entscheidungshierarchie anzusehen. Daß der Plan oder das Programm Teil des Entscheidungsprozesses ist, wird nicht mehr gefordert. Es genügt nunmehr, daß die Pläne bzw. Programme "einen Rahmen für künftige Genehmigungen von Projekten vorgeben". Gleichwohl soll es offensichtlich dabei bleiben, daß dem Plan oder Programm eine Vorbereitungsfunktion für eine spätere Genehmigung (o. III 1) zukommen soll. Anders ist kaum zu erklären, weshalb der notwendige Projektbezug des Plans bzw. Programms verstärkt wurde. Erfaßt sind nunmehr nur solche Pläne und Programme, die auf Standort und (nicht mehr: oder) u.a. Art, Größe oder Betriebsbedingungen der Projekte Bezug nehmen (Art. 2 lit. a des geänd. RL-Vorschlags). Auch der Detaillierungsgrad der in die Umwelterklärung aufzunehmenden Informationen ist weiterhin von der Stellung des Plans oder Programms im Entscheidungsprozeß abhängig (Art. 5 Abs. 2a des geänd. RL-Vorschlags). Ohne sachlichen Gehalt ist die Verselbständigung der in Art. 9 vorgesehenen Informationsphase als vierte Stufe der Umweltprüfung (Art. 2 lit.e des geänd. RL-Vorschlags). Eher erläuternden als modifizierenden Charakter hat die in Art. 6 Abs. 2 des Vorschlags aufgenommene Ergänzung, den Umweltbehörden und der Öffentlichkeit müsse Gelegenheit zur Stellungnahme "innerhalb ausreichend bemessener Fristen" gegeben werden. Die vom Europäischen Parlament verlangte "unabhängige Zertifizierung der Angemessenheit der strategischen Umweltprüfung" ist zur Pflicht der Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission mitzuteilen, auf welche Weise die Qualität der Umwelterklärung sichergestellt wird, abgemildert worden. Diese Pflicht dürfte inhaltlich über die allgemeine Pflicht zur Umsetzung der Richtlinie kaum hinausgehen. Die wichtigsten Änderungen betreffen den Inhalt der Umwelterklärung. Sie ist gegenüber der ursprünglichen Konzeption stark aufgewertet worden. In der Ausgangsfassung des Richtlinienvorschlags kam der Umwelterklärung primär eine Informationsfunktion zu. Eine umweltinterne Abwägung war nicht vorgesehen. Vielmehr sollte die Umwelterklärung lediglich die notwendigen Informationen in einem Detaillierungsgrad enthalten, der im Rahmen des Planungsverfahrens eine Bewertung der Auswirkungen bei Umsetzung des Plans auf die 93
Knieps I Stein (Anm. 63) S. 77.
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aufgezählten Schutzgüter ermöglicht (vgl. Art. 5 Abs. 2 des RL-Vorschlags). Art. 5 Abs. 2 des geänderten RL-Vorschlags schreibt nunmehr eine umweltinterne Abwägung ausdrücklich vor: In der Umwelterklärung sind die erheblichen direkten und indirekten Auswirkungen bei der Umsetzung des Plans oder Programms auf Menschen, Fauna und Flora, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft, Sachgüter und das kulturelle Erbe sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Faktoren zu identifizieren, zu beschreiben und angemessen zu bewerten. Diesem veränderten Konzept wurde der im Anhang zum Richtlinienvorschlag aufgeführte obligatorische Inhalt der Umwelterklärung (Art. 5 Abs. 1 des geänd. RL-Vorschlags) angepaßt. Nach der geänderten Fassung besteht vor allem eine explizite Verpflichtung zur Prüfung und Beschreibung der "NullVariante" und von Alternativlösungen. Allerdings sind dabei nicht alle denkbaren, sondern nur "realistische" Alternativen zu erwägen. Hierunter wird man solche zu verstehen haben, die die Verwirklichung der wesentlichen Planungsziele ermöglichen und keine außer Verhältnis zu den der Lösung der Ausgangsplanung stehenden Kosten verursachen. Nach dem Anhang des geänderten Richtlinienvorschlags sind im einzelnen in die Umwelterklärung aufzunehmen: -
Inhalt des Plans oder Programms und wichtigste Ziele (lit. a);
-
eine Beschreibung der "Null-Variante" und realistischer Alternativen (z.B. Alternativstandorte ftir Projekte) einschließlich berücksichtigter Änderungen oder Ausgleichsmaßnahmen zur Verwirklichung der Ziele des Plans oder Programms (lit. b );
-
Umweltmerkmale jedes durch den Plan oder das Programm und seine realistischen Alternativen in seinen Umweltbedingungen wahrscheinlich erheblich beeinflußten Gebiets, insbesondere hinsichtlich der Gebiete von besonderem Umweltinteresse (lit. c);
-
Umweltprobleme, die bei dem Plan oder Programm und seinen realistischen Alternativen ein Rolle spielen (lit. d);
-
wahrscheinliche erhebliche Auswirkungen des Plans oder Programms und seiner realistischen Alternativen auf die Umwelt, einschließlich Prüfung der sekundären, kumulativen, synergistischen, kurz-, mittel- und langfristigen, ständigen und vorübergehenden, positiven und negativen Auswirkungen (lit. e);
-
Maßnahmen, die geplant sind, um erhebliche negative Umweltauswirkungen des Plans oder Programms zu verhindern oder zu verringern und soweit wie möglich auszugleichen (lit. g);
-
eine Erklärung, wie die Prüfung vorgenommen wurde, und die Gründe fiir die Ablehnung der geprüften Alternativen (lit. ha);
3•
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eine nichttechnische Zusammenfassung aller genannten Informationen (lit. hb).
Strategische UVP nach dem geänderten Richtlinienentwurf
., Konsultation der Umweltbehörden p
Scoping . - - - - - - - - ........... .
....................... -j-- ..t ······ L
A
f
+
- - - - - - - - - - - - Plananalyse
+,__ ____.I
Null-Variante
•
-----.+
._I
Umweltschutzziele
Alternativenprüfung
+.
I I.__- - - - .
+ Alternative
N
E
Ist-Erfassung derUmwelt
t
Umweltproblerne
Alternative
1.--J
IL------•., Szenario der Umweltauswirkungen mit Schutzgutrelevanz
•+
N
Darstellung
T
Bewertung
w
u
. ................................. ...........+................................................. . ..... .
·------''
Umwelterklärung
1--------------+------- Konsultationsphase
R
F
. +--;+======I
.,.
1-------~1
angenommener Plan
-
Infonnationsphase
~
~
Öffentlichkeits- grenzüberschreitende beteiligung
Behördenbeteiligung
.. 1·:-ff
,.: .• •
Konsultation
.... ····j·y
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IV. Strategische UVP und deutsches Planungsrecht Von deutscher Seite ist vor allem vom Bundesrat massive Kritik an dem Richtlinienvorschlag der Kommission geübt worden94 . Er hat die Bundesregierung dezidiert aufgefordert, dem Vorschlag nicht zuzustimmen. 95 Aufwand und Nutzen einer Strategischen UVP stünden in einem deutlichen Mißverhältnis; sämtliche Bemühungen um Verfahrensbeschleunigung und Deregulierung würden nachgerade konterkariert. Der bisherige Abwägungsprozeß in der Raumordnung werde durch die Einführung einer Umweltprüfung für Pläne und Programme überfordert. Im übrigen führe der zeitliche Abstand zwischen Planaufstellung und eventueller Projektverwirklichung dazu, daß die Ergebnisse einer Strategischen UVP zum Zeitpunkt der Realisierung des Vorhabens nicht mehr verwertbar wären. 96 Auf der Ebene der abstrakten Raumordnungsplanung sei noch völlig offen, welches Vorhaben wie realisiert werden könne. Die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Abwägung reiche völlig aus. 97 Eine Auswirkungsbetrachtung sei bei großräumigen, beispielsweise landes- oder bundesweiten Planungen sinnvoll nicht zu leisten. Darüber hinaus führe die in dem Richtlinienvorschlag vorgesehene Öffentlichkeits-, Behörden- und Auslandsbeteiligung zu nicht gerechtfertigten fmanziellen, organisatorischen und zeitlichen Belastungen des Planungsverfahrens. 98 Man geht wohl nicht fehl, wenn man diese Kritik als vernichtend bezeichnet. Ihr wird von Teilen des planungsrechtlichen Schrifttums ausdrücklich beigepflichtet, allerdings mit dem resignativen Zusatz, die Verabschiedung der Richtlinie werde sich wohl nicht verhindern lassen. Kein Mitgliedstaat werde sich nachsagen lassen wollen, ein wichtiges Umweltvorhaben der Kommission gestürzt zu haben. 99 Schon aus diesem Grund empfiehlt es sich, sich rechtzeitig mit den Umsetzungsnotwendigkeiten und -möglichkeiten vertraut zu machen. Dies gilt um so mehr, weil von seiten der Regional- und Landesplaner nicht einhellig, aber doch zum überwiegenden Teil darauf hingewiesen worden ist, daß die Implementationsprobleme nicht gravierend sein dürften. 100 94 Beschluß des Bundesrates zum Vorschlag ftir eine Richtlinie des Rates über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme, BRDrucks 277 I 97. 95 Beschluß des Bundesrates (Anm. 94) S. I. 96 Beschluß des Bundesrates (Anm. 94) S. 2. 97 Beschluß des Bundesrates (Anm. 94) S. 4. 98 Beschluß des Bundesrates (Anm. 94) S. 5. 99 Scl1ink (Anm. 5) S. 16. Kritisch auch Hans-Georg Crone-Erdmann, Statement contra UVP, in: Umweltverträglichkeitsprüfung für Pläne und Programme (Anm. 28) S. 37 f. 100 Vgl. nur Haas I Weber (Anm. 28) S. 88; Lindemann (Anm. 63) S. 14 ff.; Richter (Anm. 28) S. 85 f.
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Zunächst stellt der Richtlinienentwurf ausdrücklich klar, daß es keiner Schaffung eines besonderen Verfahrens zur Durchfiihrung einer Strategischen UVP bedarf. Möglich ist vielmehr auch die Integration in bestehende Verfahren (Art. 3 des geänd. RL-Entwurfs). Auszugehen ist davon, daß der Anwendungsbereich des Richtlinienentwurfs die Akte der Landesplanung und der Bauleitplanung in der Bundesrepublik flächendeckend erfassen dürfte. Für die Ebene der Bebauungsplanaufstellung muß der Bundesgesetzgeber sich entscheiden, ob alle Bebauungspläne einer Strategischen UVP unterworfen werden sollen oder ob von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden soll, Bebauungspläne hinsichtlich der Erheblichkeil negativer Umweltauswirkungen einem Screening zu unterziehen (vgl. Art. 4 Abs. 4 des geänd. RL-Entwurfs). Da die Integration einer UVP in die Bebauungsplanung bereits erprobt ist, spräche wohl wenig dagegen, auf ein Screening zu verzichten und eine generelle UVP-Pflichtigkeit von Bebauungsplänen einzufUhren. Es machte wenig Sinn, auf den abstrakteren Ebenen der Raumordnung und Landesplanung ausnahmslos eine Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung vorzusehen und diese Vorarbeiten auf der konkretesten Planungsstufe nicht zu verdichten. Die einzigen zusätzlichen Belastungen des Bebauungsplanverfahrens bestünden in der Notwendigkeit, den umweltbezogenen Teil der Planbegründung in die Form einer den Anforderungen des RichtlinienEntwurfs genügenden Umwelterklärung zu fassen. Die Vorschriften des Baugesetzbuches über die Beteiligung der Bürger und der Träger öffentlicher Belange(§§ 3, 4 BauGB) setzen das in Art. 6 des geänderten RL-Entwurfs vorgesehene Konsultationsverfahren vorbildlich um. 101 Entsprechendes gilt ftir eine Strategische UVP von Flächennutzungsplänen. Auch für die höheren Planungsstufen dürften die Implementationsschwierigkeiten durchaus beherrschbar sein. In erster Linie stellt die Einfiihrung einer Strategischen UVP methodische Anforderungen: Es müssen Instrumente entwickelt werden, die eine systematische Erfassung und Darstellung der Umweltauswirkungen der Planung ftir den Gesamtraum ermöglichen. 102 Der Abarbeitung großmaßstäblicher Belastungskumulationen kommt hier zentrale Bedeutung zu. 103 Insoweit gibt es Erfahrungen aus dem europäischen Ausland 104 und 10 1 Thomas Groß, Neue Entwicklungen in der Zuordnung von Landschaftsplanung und Raumplanung, NuR 1998, S. 123 (128). 102 Kari-Hermann Hübler, Statement pro UVP, in : Umweltverträglichkeitsprüfung für Pläne und Programme (Anm. 28) S. 39 (41); Lindemann (Anm. 63) S. 16. 103 Karsten Runge, Kumulative Umweltbelastungen - eine Aufgabe der UVP von Plänen und Programmen, UVP-report 1995, S. 174 ff. 104 Vgl. J. van den Berg I S.G. Nooteboom , Strategie Environmental Assessment (SEA) - Existing Methodology, in: Jacoby (Anm. I) S. 59 ff.; Peter Janssens, Internationale Erfahrungen mit der UVP für Pläne und Programme, in: Umweltverträglichkeitsprüfung für Pläne und Programme (Anm. 28) S. 18 ff.; Alain Made/la, Etat de Ia
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zahlreiche Ansätze der deutschen Planungswissenschaften. Sie sind erst auszuwerten und zu erproben, bevor - wie vom Bundesrat - die mangelnde Praktikabilität einer großmaßstäblichen Auswirkungsbetrachtung behauptet wird. lOS Der Kern einer Strategischen Umweltverträglichkeitsprüfung, die Öffnung von Alternativen (o. II), ergibt sich bereits de lege lata im deutschen Planungsrecht aus dem Abwägungsgebot. Insoweit stellt die Vorgabe, eine Prüfung der "Null-Variante" und von realistischen Planungsalternativen durchzuführen, keine Neuerung dar, jedenfalls soweit es sich um Planungen mit Projektbezug handelt. 106 Es muß immer im Blick behalten werden, daß der Richtlinien-Entwurf ausdrücklich eine dem Detaillierungsgrad des Plans und Programms und der Sinnhaftigkeit der Bewertung eines Aspekts gerade auf dieser Planungsstufe angemessene Umweltprüfung fordert (Art. 5 Abs. 2a des geänd. RL-Entwurfs). Dies schließt von vomherein die Unterstellung aus, auf höheren Stufen seien gleichsam gebündelt hunderte von Projekt-UVPs durchzufuhren und fur jedes Vorhaben eine extensive Standortdiskussion zu fuhren. Der Richtlinien-Entwurf läßt es nicht nur zu, sondern setzt geradezu voraus, daß Einzelfragen auf eine niedrigere Planungsstufe verlagert werden können. Um so mehr sich die Planung konkretisiert, um so mehr muß von der Diskussion der Konzeption, der Bilanzierung. zur Alternativenprüfung im einzelnen übergegangen werden. Das Modell der Strategischen UVP über mehrere Planungsstufen ist also das einer gleitenden Skala. Dieses Modell wird am ehesten dem prozeßhaften Charakter der Planung gerecht. Der Planungsakt selbst ist nur eine Momentbetrachtung innerhalb eines perpetuierlichen Prozesses. Die Planung findet mit dem beschlossenen Plan nicht ihr Ende. Sie ist einerseits bis zur Vorhabenzulassung weiter zu konkretisieren, andererseits bei Bedarf auf allen Stufen fortzuschreiben. 107 Daß zwischen der Aufstellung beispielsweise eines Landesentwicklungsprogramms und der Verwirklichung eines konkreten Projekts ein größerer zeitlicher Abstand liegen kann, ist kaum zu bestreiten. Nur kann daraus kein Argument gegen eine
Reflexion et Pratique de I'Etude d'Impact strategique en France, in: Jacoby (Anm. I) S. 91 ff. ; Rob A.A. Verheem, Strategie Environmental Assessment (SEA)- Experiences in the Netherlands, in: Jacoby (Anm. I) S. 118 ff. Jas Vgl. Knieps I Stein (Anm. 63) S. 78. 106 Zur Notwendigkeit der Alternativenprüfung im Planungsrecht vgl. nur Lieselatte Sclllarmann, Die Alternativenprüfung im Planungsrecht, 1991; Stüer (Anm. 29) Rn. 854. Zur Notwendigkeit der Prüfung der Null-Variante BVerwG DVBI. 1997, S. 1115 ( 1116 f.). 107 Vgl. §§ 5 Abs. 5, 9 Abs. 8 LPIG 8-W; Art. 14 Abs. 5, 16 Abs. 5, 18 Abs. 7 BayLPIG; §§ 5 Abs. 6, 7 Abs. 6 S. I HessLPIG; I Abs. I Nr. I, 4 Abs. 2 S. 2, 9 Abs. I S. I LPLG M-V; 3 Abs. 5, 7 Abs. 8 SächsLPIG, II Abs. 4, 13 Abs. 10 ThürLPIG.
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Strategische UVP hergeleitet werden, wenn diese im Modell der gleitenden Skala umgesetzt wird. 108 Nimmt man dieses Modell ernst, so wird die vom Bundesrat befürchtete Konterkarierung des Deregulierungsgedankens durch ein Mißverhältnis von Aufwand und Nutzen kaum eintreten. Zum einen können kumulative und synergistische Effekte durch eine UVP auf Bauleitplan- oder gar auf der Projektebene kaum noch abgefangen werden. Zum anderen kann die weitgehende Abarbeitung der Umweltauswirkungen vor Erreichen der Projektebene dazu führen, daß das eigentliche Genehmigungsverfahren schneller abgewickelt werden kann. 109 Der Faktor Zeit darf in Planungs- und Genehmigungsverfahren nicht isoliert auf die jeweilige Realisierungsstufe bezogen, sondern muß als ganzheitlicher Verwirklichungsparameter begriffen werden, der alle Realisierungsstufen umfaßt. 110 Der weitere Vorwurf, eine Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung führe zu einerunvertretbaren Verlängerung des Planungsverfahrens, läßt sich durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung entkräften. Zahlreiche Vorschriften über die Beteiligung von Bürgern und Behörden in Planungsverfahren kennen mittlerweile Fristen, innerhalb derer die Beteiligung abgeschlossen sein muß (vgl. nur §§ 3 Abs. 2, 4 Abs. 2 BauGB, 20 Abs. 1 AEG, 29 Abs. 1a PBefG, 17 Abs. e 3a-3c FStrG). Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb in der höherstufigen Gesamtplanung nicht ebenso verfahren werden kann. III Neben der Entwicklung von Instrumenten für eine methodisch zureichende Umwelterklärung würde der größte Umsetzungsbedarf bei der Einfügung des in dem Richtlinien-Entwurf vorgesehenen Konsultationsverfahrens in das Verfahren der Aufstellung von Raumordnungsplänen entstehen. Bei den hochstufigen Planungen wie Landesentwicklungsprogrammen und -plänen ist eine Öffentlichkeitsbeteiligung bislang regelmäßig nicht vorgesehen. Gleiches gilt ganz überwiegend für die Aufstellung von Regionalplänen. 112 Daß die teilweise vorgesehene Beteiligung der nach§ 29 BNatSchG anerkannten Verbände und ggf. anderer Vereinigungen an der Erarbeitung des Plans oder Programms 113 die Vorgaben des Richtlinien-Entwurfs für eine Öffentlichkeitsbeteiligung bereits vollständig erfüllt, 114 darf bezweifelt werden. Die in dem Vorschlag der Kommission den Mitgliedstaaten überlassene Bestimmung der zu konsultierenKnieps I Stein (Anm. 63) S. 78. KniepsI Stein (Anm. 63) S. 77 f. 110 Ziekow (Anm. 6) S. 64 ff. 111 Vgl. Richter (Anm. 28) S. 85 . 112 Ausnahmen: § 7 Abs. 3 HessLP1G; § 13 Abs. 3 ThürLP1G. 113 Vgl. §§ 5 Abs. 1 S. 2, 7 Abs. 2 S. 2 HessLP1G; 5 Abs. 3 S. 1 Nr. 6, S. 2, 8 Abs. 3 S. I Nr. 4, S. 2 Nds ROG; 3 Abs. 3 Nr. 3, 7 Abs. 3 Nr. 3 SächsLPIG. 114 So aber wohl Lindemann (Anm. 63) S. 15. 108
109
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den Teile der Öffentlichkeit unter Berücksichtigung der Stellung des Plans oder Programms im Entscheidungsprozeß (Art. 6 Abs. 4 des RL-Entwurfs) wird nicht so verstanden werden können, daß die herzustellende Öffentlichkeit auf den höheren Planungsstufen enger verstanden wird als auf den niedrigeren. 115 Das Gegenteil dürfte der Fall sein, geht es doch gerade um die Bestimmung der "betroffenen Öffentlichkeit" (Art. 6 Abs. 1 des RL-Entwurfs), also der Teile der Öffentlichkeit, die durch die Umweltauswirkungen der Planung betroffen sein können. Der Kreis der potentiell Betroffenen ist jedoch bei höherstufigen Planungen größer als bei einer weitgehend konkretisierten Planung. Hinsichtlich der Konsultation von Umweltbehörden und anderen Mitgliedstaaten besteht teilweise kein Änderungsbedarf. Dies gilt fiir die Landesplanungsgesetze, in denen sowohl fiir die Stufe der Landesentwicklungsplanung als auch fiir die der Regionalplanung eine generelle Beteiligung von Behörden und von Nachbarstaaten vorgesehen ise 16 • In einigen Bundesländern sind jedoch die Umweltbehörden bislang nicht in den Kreis der zu beteiligenden Behörden einbezogen. 117 Die entsprechende Anpassung bereitet keine Schwierigkeiten. Gleiches gilt, wenn die Umweltinteressen eines anderen Mitgliedstaates verfahrenstechnisch nicht ausreichend integriert werden können. 118 In Anbetracht des fiir alle Raumordnungspläne geltenden Abwägungsgebots des § 7 Abs. 7 ROG bedarf es fiir die Aufnahme des Berücksichtigungsgebots des Art. 8 des Richtlinienvorschlags an und fiir sich keiner Gesetzesänderungen. Allenfalls ließe sich daran denken, die Berücksichtigung der Umwelterklärung und der Konsultationsergebnisse ausdrücklich zu erwähnen. Schließlich wird auch die in dem Richtlinien-Entwurf (Art. 9) enthaltene Pflicht der zuständigen Behörde, die Konsultationsbeteiligten über die Annahme des Plans oder Programms zu informieren und ihnen eine Plan- oder Programmkopie sowie eine Erklärung über die Art und Weise der Berücksichtigung von Umwelterklärung und Stellungnahmen zur VerfUgung zu stellen, nur marginale Gesetzesänderungen notwendig machen. Schon wegen § 7 Abs. 8 ROG muß allen Raumordnungsplänen eine Begründung beigefUgt werden. Wie schon bisher bei der UVP vorhabenbezogener Bebauungspläne (o. I 2) kann die Erklärung über die Art und Weise der Berücksichtigung innerhalb der Planbegründung erfolgen. Manche Landesplanungsgesetze sehen sogar ausdrücklich vor, daß die Beteiligten über das Ergebnis der Prüfung der von ihnen vorge-
In diese Richtung aber Lindemann (Anm. 63) S. 15 f. Vgl. §§ 5 Abs. 3 Nr. 5 und 7, 8 Abs. 3 Nr. 3 und 5 NdsROG. 117 Vgl. Art. 18 Abs. I BayLPIG; § 13 Abs. 2 LPIG NW; § 13 Abs. 2 ThürLPIG. 118 So beispielsweise nach Art. 14 und 17, 18 BayLPIG; 13, 15 LPIG NW; 13 LPIG RP; II, 13 ThürLPIG. 115
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brachten Amegungen und Bedenken zu unterrichten sind. 119 Eine solche Klarstellung wäre im Zuge der eventuellen Richtlinienumsetzung sicher vorteilhaft, wenngleich nicht notwendig. Die vorgesehene Verpflichtung, eine Kopie des angenommenen Plans oder Programms zur Verfügung zu stellen, ist nicht in dem Sinne zu verstehen, daß jedem Konsultationsbeteiligten ein vervielfältigtes Exemplar übergeben werden muß. Zweck der Vorschrift ist es vielmehr, die betroffenen Umweltbehörden und die Öffentlichkeit über die Annahme des Plans oder Programms zu unterrichten. 120 Hierfür genügt die Bekanntmachung des Raumordnungsplans, sofern die Möglichkeit besteht, von seinem Inhalt Kenntnis zu nehmen.
V. Schlußbetrachtung Faßt man die Ergebnisse der Betrachtung des Richtlinien-Entwurfs der Kommission über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme zusammen, so steht und fällt die Realisierbarkeit mit der Entwicklung eines zureichenden Prüfungsinstrumentariums. Der Jurist darf diese Verantwortung zunächst an die Zunft der Planer verschieben. Im übrigen ist das deutsche Recht der raumbezogenen Gesamtplanung gut gerüstet, wenn es zu einer Verabschiedung der Richtlinie kommen sollte. Eine ineinander greifende Strategische UVP auf verschiedenen Planungsstufen wird nicht allein dem Charakter von Planung als Prozeß gerecht, sondern kann durch eine sachgerechte Abschichtung die projektnäheren Realisierungsstufen entlasten. Das geltende Planungsrecht stellt genügend verfahrensrechtliche Anknüpfungspunkte bereit, mit deren Hilfe eine Verlängerung des Planungsverfahrens durch eine Strategische Umweltverträglichkeitsprüfung verhindert werden kann. Die im Bau- und Landesplanungsrecht notwendigen Änderungen lassen sich ohne größere Schwierigkeiten vornehmen. Viele der oben vorgeschlagenen Änderungen haben eher klarstellenden als inhaltlich modifizierenden Charakter. Ob es daher tatsächlich der "Königsweg" ist, für eine notwendig werdende Umsetzung der Richtlinie auf das im UGB-Kommissionsentwurf vorgestellte Modell einer Umweltgrundlagenplanung (§§ 69 ff. UGB-KornE) zurückzugreifen, 121 darf bezweifelt werden. Hoppe hat zu Recht darauf hingewiesen, daß die Fixierung der Umweltgrundlagenplanung auf die Darstellung als Ziele der Raumordnung und Landesplanung(§ 71 Abs. 1 UGB-KornE) die instrumentel-
119
Vgl. §§ 7 Abs. 4 SächsLPIG, 7 Abs. 4 LPIG S-A.
° KOM (96) 511 S. 14.
12
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So Hüb/er (Anm. 54) S. 66.
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Jen Fähigkeiten der Raumordnung überfordert. 122 Der Richtlinienvorschlag der Kommission, so er denn verabschiedet wird, ist jedenfalls kein Grund, eine Revolution im deutschen Planungsrecht anzuzetteln.
122 Werner Hoppe, Bemerkungen zur Umweltgrundlagenplanung im UGB-Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission, in: Planung - Recht - Rechtsschutz. FS für Willi Blümel zum 70. Geb., 1999, S. 177 (198 f.). Kritisch zur Eignung der Umweltgrundlagenplanung als Instrument zur Verwirklichung einer Strategischen UVP auch Eberle (Anm. 28), UVP-report 1998, S. 80 (81 ).
Möglichkeiten vertraglichen Handeins im Bauplanungsrecht Von Bernhard Stüer Die rasante städtebauliche Entwicklung in den neuen Bundesländern in den Aufbruchjahren seit der Wende wäre mit den traditionellen Instrumenten der städtebaulichen Planung kaum zu bewältigen gewesen. Neben die herkömmlichen Formen der durch die Gemeinde aufgestellten Bauleitplanung trat zunächst noch flir das Gebiet der damaligen DDR der Vorhaben- und Erschließungsplan nach § 55 BauZVO, 1 dessen Verwirklichung durch einen Erschließungs- und Durchflihrungsvertrag gesichert wurde. Kooperation zwischen Gemeinde und Investor statt hoheitlicher Planung war das neue Losungswort. Die BauZVO geht auf den Staatsvertrag vom 18.5.1990 über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik zurück.2 Mit dem Beitritt der DDR zum 3.10.1990 ist das BauGB auch in den neuen Ländern in Kraft gesetzt worden. Der städtebauliche Vertrag ist nach einer Regelung in § 6 BauGB-MaßnG 1993 nunmehr in § 11 BauGB geregelt. Es gilt flir ihn schon seit dem InvWoBaulG 1993 flir das Gebiet der gesamten Bundesrepublik ein einheitliches Regelwerk.
I. Rechtsgrundlagen Das geltende Recht stellt auf der Grundlage der gewonnenen Erfahrungen zwei Regelungen zu städtebaulichen Verträgen bereit: den Erschließungsvertrag in § 124 BauGB und den städtebaulichen Vertrag nach § 11 BauGB, der vielfach von einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 BauGB begleitet wird. 3 1 Bauplanungs- und Zulassungsverordnung vom 20.6.1990, OBI. der DDR I Nr. 45, S. 739. 2 Zur BauZVO Bielenberg I Krautzberger I Söfker, Das neue Städtebaurecht der DDR, Berlin I 990; Stüer DVBI. 1992, 266. 3 Zum neuen Formen des Verwaltungshandeins in den Formen des nicht formalisierten Verwaltungshandeln Schulte, in: Stüer (Hrsg.) Verfahrensbeschleunigung, 57.
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1. Erschließungsvertrag Nach§ 124 BauGB kann die Gemeinde die Erschließung durch Vertrag auf einen Dritten übertragen. 4 Gegenstand des Erschließungsvertrages können nach Bundes- oder Landesrecht beitragsfähige sowie nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen in einem bestimmten Erschließungsgebiet in der Gemeinde sein. 5 Der Dritte kann sich gegenüber der Gemeinde verpflichten, die Erschließungskosten ganz oder teilweise zu tragen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Erschließungsanlagen nach Bundes- oder Landesrecht beitragsfähig sind. Die vertraglichen Leistungen müssen den gesamten Umständen nach angemessen sein und in sachlichem Zusammenhang mit der Erschließung stehen. Hat die Gemeinde einen qualifizierten Bebauungsplan nach § 30 I BauGB erlassen und lehnt sie das zurnutbare Angebot eines Dritten ab, die im Bebauungsplan vorgesehene Erschließung vorzunehmen, ist sie verpflichtet, die Erschließung selbst durchzuflihren. Der Erschließungsvertrag bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. 2. Städtebaulicher Vertrag (Überblick) § 11 BauGB regelt den städtebaulichen Vertrag, 6 der als Durchführungsvertrag auf der Grundlage eines Vorhaben- und Erschließungsplans7 auch im Zusammenhang mit einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan stehen kann. Nach § 11 I BauGB kann die Gemeinde städtebauliche Verträge schließen. 8 Der Allwendungsbereich des städtebaulichen Vertrages nach § 11 BauGB ist weit und kann sich etwa auf ( 1) die Vorbereitung oder Durchflihrung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner auf eigene Kosten, (2) die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere die Grundstücksnutzung, die Durchflihrung von Ausgleichsmaßnahmen, die Dekkung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraum4 VGH Mannheim, Urt. v. 5.12.1985 - 2 S 2833 I 83 -, NJW 1986, 2452 Fremdanlieger; LG Mönchengladbach, Urt. v. 22.11.1988- 2 S 338 I 87 -, ZMR 1988, 307 - ergänzende Vertragsauslegung. 5 BT-Drs. 12 I 3944, S. 24 ff. 6 Bietenberg DVBI. 1990, 1314; Birk Die neuen städtebaulichen Verträge, 1994; ders. VBIBW 1993, 456; ders. VBIBW 1994, 4, 89, 133; Grziwotz DVBI. 1994, I 048; Krautzberger UPR 1992, I; Runkel 1990, 616; Stüer DVBI. 1995, 649. 7 Döring NVwZ 1994, 853; Hauth LKV 1991, 363; Jahn LKV 1992, 124; Kniep DWW 1994, 43; Krautzberger DWW 1994, 129; Lenz BauR 1993, 513; Löhr NVwZ 1987, 545; Pietzcker DVBI. 1992, 658; Runkel LKV 1993, 78; Söfker ZfBR 1992, 149; Stich BauR 1991, 413; Uechtritz DVBI. 1993, 181; Weidemann I Deutsch NVwZ 1991,
956. 8
Birk SächsVBI. 1994, 7, 51.
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versorgungsproblernen sowie des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung und (3) der Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen beziehen, die der Gemeinde flir städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind. Dazu gehört auch die Bereitstellung von Grundstücken. Die Aufzählung in § 11 I 2 BauGB ist dabei nur beispielhaft und hat keinen abschließenden Charakter. Städtebauliche Verträge sind vielmehr im gesamten Anwendungsbereich des Städtebaurechts zulässig, soweit die vertraglichen Gegenstände eine bodenrechtliche Relevanz haben. Auch im Zusammenhang mit der Satzung über einen Vorhaben- und Erschließungsplan nach§ 12 BauGB ist der Abschluß eines städtebaulichen Vertrages zur Sicherung der Durchflihrung des Vorhabens und zur Regelung der Erschließungskosten erforderlich (Durchführungsvertrag). Der städtebauliche Vertrag hat sich damit zu einem zentralen Instrumentarium des Städtebaus entwickelt, das über den aus den alten Bundesländern bereits in der Vergangenheit bekannten klassischen Erschließungsvertrag weit hinausreicht. Der städtebauliche Vertrag ist ein öffentlich-rechtliches Handlungsinstrumentarium. Daneben sind auch zivilrechtliche oder gemischt öffentlich-rechtliche und zivilrechtliche vertragliche Regelungen denkbar. 9 Eine Vereinbarung zwischen einer Gemeinde und einem Dritten kann auch aus einer Mischung öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Bestandteile bestehen. 10
3. Rechtliche Problemfelder Die rechtlichen Problemfelder des vertraglichen Instrumentariums liegen allerdings auf der Hand: Das traditionelle Verständnis der Bauleitplanung war von dem Bilde einer hoheitlich handelnden, durch vertragliche Regelungen nicht gebundenen planenden Gemeinde geprägt. Das Erschließungsbeitragsrecht wurde herkömmlich als bindender, nicht dispositiver Rahmen flir die Beitragspflichtigen verstanden, so daß auch nur in diesem Umfang gesetzgebeTischer und satzungsrechtlicher Regelungen vertragliche Vereinbarungen zwischen Gemeinde und Investor rechtlich flir zulässig gehalten wurden. 11 Vertragliche Vereinbarungen mit der öffentlichen Hand unterliegen zudem dem sog. Koppelungsverbot. Danach darf durch einen verwaltungsrechtlichen Vertrag nichts miteinander verknüpft werden, was nicht ohnedies schon in einem Y BYerwG, Urt. v. 11.2.1993-4 C 18.91 -, BYcrwGE 92,56 = DYBI. 1993,654 = NJW 1993, 2695 = BayYBI. 1993, 405 = Hoppe I Stüer RzB Rdn. 156 - Weilheimer Einheimischenmodel I. 10 BYerwG, 8 . v. 24.2.1994-4 8 40.94 - , BBauBI. 1994, 490 = Hoppe I Stüer RzB Rdn. 880- Messegebäude. 11 BVerwG, Urt. v. 23.8.1991 - 8 C 61.90 -, BVerwGE 89, 7 = DYBI. 1992, 372 = NJW 1993, 1642 = Hoppe I Stüer RzB Rdn. 758- Abwasserbeseitigung.
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Zusammenhang steht. Außerdem darf eine hoheitliche Entscheidung ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung nicht von wirtschaftlichen Gegenleistungen abhängig gemacht werden, es sei denn, erst die Gegenleistung würde ein der Entscheidung entgegenstehendes rechtliches Hindernis beseitigen. Denn ein "Verkauf von Hoheitsakten" wird allgemein als unzulässig angesehen. 12 Eine weitere Grenze ftir vertragliche Regelungen wurde im Verbot des Machtmißbrauchs der öffentlichen Hand und des Übermaßverbotes bei der Festlegung der Gegenleistung gesehen. Besteht dagegen auf die hoheitliche Entscheidung ein Rechtsanspruch ohne jeden Spielraum, so darf sie nicht von irgendeiner Gegenleistung abhängig gemacht werden. 13 Auch kann durch Vereinbarungen der Gemeinde mit einem Dritten die Auslegung oder Anwendung von ortsrechtlichen Normen nicht abgeändert werden. 14 Überhaupt wurde eine zu große Nähe zwischen planender Gemeinde und Investoren schon wegen der subjektiven Abwägungssperren ftir bedenklich gehalten. 15 Im Zweifel handelte der Investor ohne Netz und doppelten Boden und auf eigenes Risiko. 16 Der städtebauliche Vertrag könnte sich damit als Balanceakt zwischen Vertragsfreiheit, strikter Gesetzesbindung und einseitiger vertraglicher Bindung erweisen. Das Instrumentarium des städtebaulichen Vertrages wirft daher die Frage auf, ob das traditionelle Verständnis von Bauleitplanung und Erschließungsbeitragsrecht im Hinblick auf diese neuen Rechtsgrundlagen der Korrektur bedarf oder in umgekehrter Richtung die Regelungsmöglichkeiten des städtebaulichen Vertrages auf Grenzen der Bauleitplanung und des Erschließungsbeitragsrechtes stoßen.
12
710.
BVerwG, Urt. v. 16.12.1993 - 4 C 27.92 -, NVwZ 1994, 485
=
DVBI. 1994,
BVerwG, 8. v. 25.11.1980 - 4 8 140.80-, Buchholz 406.11 § 36 BBauG Nr. 27. BVerwG, 8. v. 24.8.1992-4 8143.92. 15 BVerwG, Urt. v. 12.12.1969-4 C 105.66-, BVerwGE 34, 301 =Hoppe I Stüer RzB Rdn. 213- Abwägungsgebot; Urt. v. 6.7.1973-4 C 22.72-, BVerwGE 42, 331 = DVBI. 1973, 800 = BauR 1973, 285 =Hoppe I Stüer RzB Rdn. 713- Folgekostenvertrag; Urt. v. 5.7.1974-4 C 50.72 -, BVerwGE 45, 309 = DVBI. 1975, 767 =Hoppe I Stüer RzB Rdn. 24 - Delog-Detag; 8. v. 9.11.1979- 4 N 1.78 -, BVerwGE 59, 87 = Hoppe I Stüer RzB Rdn. 26 - Normenkontrolle; Urt. v. 1.2.1980 - 4 C 40.77 -, DVBI. 1980, 686 = BauR 1980, 333 = ZfBR 1980, 88 = Hoppe I Stüer RzB Rdn. 27 Rathaus Altenholz; 8 . v. 28.8.1987 - 4 N 1.86 -, DVBI. 1987, 1273 = ZfBR 1988, 44 = Hoppe I Stüer RzB Rdn. 63- Volksflirsorge; BGH, Urt. v. 7.2.1985- 111 ZR 179 I 83 -, BGHZ 94, 372 = UPR 1985, 419 =Hoppe I Stüer RzB Rdn. 330- Bauverptlichtung; OVG Koblenz, Urt. v. 28.11.1992 - I A I 0312 I 89 -, BauR 1992, 479 - Koppelungsverbot; VGH München, Urt. v. 11.4.1990 - I 8 85 A.l400 -, BayVBI. 1991, 47 - Einheimischenmodell; Stüer DVBI. 1995, 649. 16 BVerwG, 8. v. 13.2.1992- 8 8 1.92 -, NVwZ 1992, 672 =Hoppe I Stüer RzB Rdn. 734 - Erschließungsvertrag. 13
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II. Erschließungsvertrag § 124 BauGB stellt als Vertragstyp den Erschließungsvertrag bereit, der im Zusammenhang mit städtebaulichen Maßnahmen abgeschlossen werden kann. Ergänzend zu § 124 BauGB sind die Regelungen über die städtebaulichen Verträge in § 11 BauGB heranzuziehen. 1. Grundkonzeption
Der klassische Erschließungsvertrag ist durch § 124 BauGB dahin gehend gefaßt, daß die Gemeinde die Erschließung auf einen Dritten übertragen kann. 17 Der Erschließungsvertrag ist - uch wenn er (privatrechtliche) Sicherungsabreden fiir den Fall der Nichterfiillung des Vertrages oder des Scheiteros der Bebauungsplanung enthält - ein öffentlich-rechtlicher Vertrag. 18 Der Erschließungsbegriff in § 124 BauGB umfaßt die öffentliche Erschließung schlechthin und geht damit insbesondere über den fiir § 127 I BauGB kennzeichnenden Erschließungsbegriff hinaus. Der Dritte kann sich gegenüber der Gemeinde verpflichten, die Erschließung zu übernehmen und die Erschließungskosten ganz oder teilweise zu tragen. Nicht ein öffentlich-rechtlicher Erschließungsvertrag, sondern ein privatrechtlicher Werkvertrag i. S. der§§ 631 ff. BGB ist der mit einem Bauunternehmer geschlossene Vertrag, durch den die Gemeinde dem Bauunternehmer (lediglich) die Baudurchfiihrung überträgt. Die Gemeinde bleibt dann selbst Trägerin der Erschließungsmaßnahme. 19 Gegenstand des Erschließungsvertrages können nach Bundes- oder Landesrecht beitragsfähige sowie nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen in einem bestimmten Erschließungsgebiet in der Gemeinde sein. Ein echter Erschließungsvertrag zeichnet sich dadurch aus, daß ein Unternehmer von der Gemeinde die Erschließung eines bestimmten Gebietes im eigenen Namen und auf eigene Rechnung übernimmt und die fertiggestellten Erschließungsanlagen der Gemeinde überträgt. 20 Der Erschließungsvertrag ist darauf gerichtet, die Erschlie-
17 Löhr, in: Battis I Krautzberger I Löhr, BauGB, 6. Auf!. 1998, § 124 Rdn. 3; Döring NVwZ 1994, 853. 18 BT-Drs. 12 I 3944, S. 30; Löhr, in: Battis I Krautzberger I Löhr, BauGB, 6. Auf!. 1998, § 124 Rdn. 2; Ernst, in: Ernst I Zinkahn I Bielenberg, BauGB, 1998, § 124 BauGB Rdn. I 0. 19 Löhr, in: Battis I Krautzberger I Löhr, BauGB, 6. Auf!. 1998, § 124 Rdn. 2. 20 OYG Saarlouis, Urt. v. 7.11 .1988 - I R 3221 87 - , DÖV 1989, 861.
4 Speycr 134
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ßung der Grundstücke sicherzustellen. Weiche Maßnahmen dazu erforderlich sind, ist eine Frage des Einzelfalls. 21 Ein zurnutbares Erschließungsangebot nach § 124 BauGB kann auch die Pflicht der Gemeinde zur Erschließung eines beplanten Grundstücks verdichten (Erschließungspflicht). Das Modell des Erschließungsvertrages nach § 124 BauGB hat daher auch für die Pflichtenverdichtung der Gemeinde in nach § 30 BauGB beplanten.Gebieten einen wichtigen Stellenwert(§ 124 III 2 BauGB).22 Dazu reicht allerdings das Angebot des Investors, in Vertragsverhandlungen einzutreten, nicht aus. 23 Verpflichtungen zum Erwerb oder zur Veräußerung von Grundstücken bedürfen dabei der notariellen Beurkundung. 24 Im übrigen ist Schriftform geboten. 25 Der Vorhabenträger kann nach der durch das BauROG 1998 übernommenen Regelung des InvWoBaulG 1993 26 auch den sonst üblichen Gemeindeanteil von 10 % und damit die Erschließungskosten voll übernehmen. Das war nach der vorher geltenden Regelung nicht möglich. 27 Enthielt der Vertrag eine Erstattungsregelung des gemeindlichen 10 %-Anteils nicht, stand dem Investor gegen die Gemeinde ein auf§ 129 I 3 BauGB gestützter gesetzlicher Anspruch
21 BVerwG, Urt. v. 26.8.1993- 4 C 24.91 - , DVBI. 1993, 1357 =Hoppe I Stüer RzB Rdn. 102- Bargteheide; B. v. 23.12.1993-4 B 212.92 - , Buchholz 406.11 § 30 BauGB Nr. 35. 22 BVerwG, Urt. v. 4.10.1974- 4 C 59.72 -, Buchholz 406.11 § 123 BBauG Nr. II S. 20; Urt. v. 30.8.1985 - 4 C 48.81 -, Buchholz 406.11 § 35 BBauG Nr. 228; Urt. v. 7.2.1986-4 C 30.84-, BVerwGE 74, 19; Urt. v. 3.5.1991-8 C 77.89-, BVerwGE 88, 166; Urt. v. 22.1.1993-8 C 46.91 -, BVerwGE 92, 8 = DVBI. 1993,669 = DÖV 1993,713 = BauR 1993,585. 23 BVerwG, B. v. 18.5.1993-4 B 65.93 - , NVwZ 1993, 1101 = DÖV 1993,918 = UPR 1993,305. 24 BVerwG, Urt. v. 9.11.1984- 8 C 77.83 - , NVwZ 1985, 346 - Erschließungsvertrag; BGH, Urt. v. 5.5.1972 - VZR 63 I 70 -, BGHZ 58, 386 = NJW 1972, 1364 Formzwang; OVG Saarlouis, Urt. v. 7.11.1988- I R 322 1 87 -, DÖV 1989, 861; Kopp, VwVfG, 6. Aufl. 1996, § 57 Rdn. 7 f. 25 §§54, 57 VwVfG, BVerwG, Urt. v. 15.12.1989- 7 C 6.88 -, BVerwGE 84, 236 = DVBI. 1990, 376 = NVwZ 1990, 665 =Hoppe I Stüer RzB Rdn. 136- gemeindenachbarlicher Immissionsschutz. 26 lnvestitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz v. 22.4.1993, BGBI. I S. 466; vgl. dazu Busse BayVBI. 1993, 193; Engel UPR 1993, 209; Fluck Der Betrieb 1993, 20 II; Grziwotz DNotZ 1993, 488; Hoffmann LKV 1993, 281; Krautzberger NVwZ 1993, 520; Lüers LKV 1993, 185; ders. ZffiR 1993, 106; Moormann UPR 1993, 286; Rist VwPrBW 1993, 169; Schink NuR 1993, 365; Stallmann UPR 1994, 170; Thoma BayVBI. 1994, 137. 27 BGH, Urt. v. 5.5.1983- 111 ZR 177 I 81 - , WM IV 1983, 993 = MDR 1984, 126 = ZffiR 1984, 52; BVerwG, Urt. v. 23.8.1991-8 C 61.90-, NVwZ 1992, 1642; Löhr, in: Battis I Krautzberger I Löhr, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 124 Rdn. 6.
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zu. 28 § 124 II 3 BauGB stellt die volle Kostenübernahme dadurch sicher, daß die Vorschrift über die mindestens 10 %ige Kostentra~ung durch die Gemeinde in§ 129 I 3 BauGB ftir nicht anwendbar erklärt wird. 2 Eine stärker an den gesetzlichen Abgabenregelungen orientierte Sichtweise hatte das BVerwG noch in einer Entscheidung30 ein knappes Jahr nach der deutschen Einheit mit dem Hinweis darauf vertreten, daß bei einer Überforderung des privaten Investors viele begonnene Erschließungsmaßnahmen - namentlich infolge eines Konkurses des Erschließungsunternehmers - steckenbleiben und die Gemeinden sich in einem solchen Fall unerwartet eigenen Erschließungspflichten ausgesetzt sehen. Es sei daher- so das BVerwG- eher zu begrüßen als zu bedauern, wenn das eine oder andere Projekt nicht zustande komme. Ohnehin war der 10 %-Anteil der Gemeinde in§ 129 I 3 BauGB eine mehr oder weniger gegriffene Größe und kann nicht als exakter Ausgleich ftir die der Allgemeinheit entstehenden Vorteile einer Erschließungsmaßnahme angesehen werden. Die der Allgemeinheit erwachsenden Vorteile können vielmehr im Einzelfall wesentlich höher oder auch gar nicht vorhanden sein. Es gilt allerdings der Angemessenheitsgrundsatz des § 124 III BauGB, der an die Stelle der vormals bestehenden strikten Bindung an das satzungsrechtliche Beitragsrecht getreten ist. 31 Die vertraglichen Leistungen müssen den gesamten Umständen nach angemessen sein und in sachlichem Zusammenhang mit der Erschließung stehen. Das Gesetz geht dabei offenbar davon aus, daß die jeweiligen Erschließungsmaßnahmen einen Bezug zu dem städtebaulichen Vorhaben aufweisen. Ein Ablösevertrag ist als unwirksam anzusehen, wenn die vereinbarte Ablösesumme das Doppelte oder mehr bzw. die Hälfte oder weniger des sich bei Entstehung sachlicher Beitragspflichten ergebenden Erschließungsbeitrages beträgt (sog. "absolute Mißbilligungsgrenze"). 32 Der städtebauliche Vertrag nach § 124 BauGB kann sich im Rahmen der Sachgerechtigkeit und Angemessenheit auch auf Erschließungsmaßnahmen beziehen kann, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem städtebaulichen Vorhaben stehen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf Fremdanlieger, die in den Vorteil einer Erschließungsmaßnahme kommen. Liegen in einem Gebiet, dessen Erschließung ein Unternehmer durch einen Erschließungsvertrag 28 BVerwG, Urt. v. 19.10.1984 - 8 C 52.83 -, NJW 1985, 642; Urt. v. 9.11.1984 - 8 C 1.84 - , NJW 1985, 643. 29 BT-Drs. 12 I 3944, S. 24 ff.; Klein I Steinfort Der Städtetag 1993, 211. 30 BVerwG, Urt. v. 23.8.1991 - 8 C 61.90 -, BYerwGE 89, 7 = DYBI. 1992, 372 = Hoppe I Stüer RzB Rdn. 758. 31 Stüer DYBI. 1995, 649. Das BVerwG, hat dies ftir verfassungsmäßig erklärt, so BVerwG, Urt. v. 27.6.1997 - 8 C 23.96-, NJW 1997, 3257. 32 BVerwG, Urt. v. 9.11.1990- 8 C 361 89 - , BYerwGE 87, 77 = DVBI. 1991, 447; OYG Münster, B. v. 5.3.1998- 3 8 961 /96 - .
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übernommen hat, Grundstücke Dritter, so ist es Sache des Unternehmers, mit diesen Fremdanliegern Vereinbarungen zu treffen, ob und gyf. in welchem Umfang sich diese an den Kosten der Erschließung beteiligen. 3 Soweit die fiir das Vorhaben erforderlichen Erschließungsmaßnahmen zugleich auch Fremdanliegergrundstücken zugute kommen, kann der Investor auch die Kosten dieser Erschließung übernehmen. Dafiir bietet § 124 BauGB eine entsprechende gesetzliche Grundlage. Die Erschließungsmaßnahmen sind einem bestimmten Vorhaben zugeordnet. 34 Wenn zugleich Fremdgrundstücke erschlossen werden, ist dies fiir die Wirksamkeit der vertraglichen Regelungen unschädlich, solange die vereinbarten Maßnahmen angemessen sind. Die Übernahme der Erschließung von Fremdgrundstücken nach § 124 BauGB ist aber auch dann zulässig, wenn diese Maßnahmen sich nicht lediglich als Abfallprodukt der dem Vorhaben zugute kommenden Erschließungsmaßnahmen darstellen. Verträge zur Übernahme von Erschließungsmaßnahmen, die fiir das Vorhaben nicht erforderlich sind und ausschließlich Fremdanliegern zugute kommen, können nach § 124 BauGB dann übernommen werden, wenn die Regelungen angemessen sind und die Maßnahmen in sachlichem Zusammenhang mit der Erschließung stehen. So könnte es etwa sachgerecht und angemessen erscheinen, wenn ein Investor neben den unmittelbar fiir sein Vorhaben erforderlichen Erschließungsmaßnahmen auch die Erschließung einzelner Fremdgrundstücke übernimmt, weil eine einheitliche Durchftihrung der gesamten Baumaßnahme zweckmäßig ist und zwischen den einzelnen Maßnahmen ein sachlicher Zusammenhang besteht. Die Angemessenheil ist etwa dann gegeben, wenn durch die einheitliche Durchftihrung der Gesamtmaßnahme zugleich auch eine städtebauliche Aufwertung des Vorhabens und seiner Umgebung erfolgt. Auch kann der Gesichtspunkt einer schnelleren Abwicklung der Gesamtmaßnahme im Rahmen der Angemessenheilsprüfung eine Rolle spielen. Vielfach wird die Übernahme der Erschließung von Fremdgrundstücken im Zusammenhang mit einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan nach § 12 BauGB geschehen. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan ist nach den gesetzlichen Regelungen in §§ 12, 30 II BauGB eine Satzung, deren Bestandteil der Vorhaben- und Erschließungsplan ist und die auf der Grundlage eines Durchführungsvertrages erlassen wird. Der Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans umfaßt dabei zunächst den Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans, kann aber in seinem sonstigen Geltungsbereich auch einzelne 33 So OYG Saarlouis, Urt. v. 7.11 .1988- I R 322/87 - , DÖV 1989, 861 - Erschließungsvertrag. 34 Zum Bestimmtheilsgrundsatz des §56 VwYfG BYerwG, Urt. v. 15.12.1989 - 7 C 6.88 -, BYerwGE 84, 236 = DYBI. 1990, 376 =Hoppe I Stüer RzB Rdn. 59- gemeindlicher Immissionsschutz.
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andere Grundstücke außerhalb des Vorhaben- und Erschließungsplans umfassen.
Vorhabenbezogener Bebauungsplan Entstehung §55 BauZVO
Satzung § 12 BauGB
Vorhaben- und Erschließungsplan
Sonderform eines Bebauungsplans
Durchflihrungsvertrag
mit der Gemeinde abgestimmter Vorbaben- und Ersc:bließungsplan Verfugbarkeit der Grundstücke Verpflichtung des Vorhabenträgers zur
• •
Projektdurchführung Übernahme Erschließungskosten
•
Sicherheitsleistung
•
Festsetzungskatalog § 9 BauGB
• •
§§ 127 bis 135c BauGB
VEP
Aufstellungsverfahren wie Bebauungsplan keine Bindungen an Satzung
•
§§ 14 bis 28 BauGB §§ 39 bis 79 BauGB
~
/
Sonstiger Geltungsberelc:b Bindungen an Festsetzungskatalog Geltung des allgemeinen Städtebaurechts Verfugbarkeit der Grundstücke nicht erforderlich
/
............
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Während die Grundstücke im Bereich des Vorhaben- und Erschließungsplans fiir den Investor verfiigbar sein müssen, verbleiben die Grundstücke im sonstigen Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans in der Hand der bisherigen Eigentümer und Nutzungsberechtigten. Hier kann sich die Frage stellen, ob und in welchem Umfang eine Freistellung der Eigentümer im sonstigen Geltungsbereich des vorhabenbezogenen Bebauungsplans rechtlich zulässig ist.
Vorhabenbezogener Bebauungsplan
Hotel
VEP
Satzung
I
Sonstige Erschließungsflächen
I
2. Heranziehung von Fremdanliegern
Übernimmt der Investor Erschließungsmaßnahmen, die zugleich auch Fremdanliegern zugute kommen, so entsteht der Gemeinde allerdings kein Aufwand mit der Folge, daß eine Heranziehung von Fremdanliegern auf gesetzlicher und satzungsrechtlicher Grundlage nicht möglich ist. 35 Eventuell be35 Löhr, in: Battis I Krautzberger I Löhr, BauGB, 6. Aufl. 1998, § 124 Rdn. 2; Ernst, in: Ernst I Zinkahn I Bielenberg, BauGB, 1998, § 124 BauGB Rdn. II.
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reits erhobene Vorausleistungen hat die Gemeinde zu erstatten. 36 Auch der übernehmende Investor hat keine gesetzliche Grundlage fiir eine Heranziehung von Fremdanliegern, die durch die von ihm durchgefiihrten Erschließungsmaßnahmen Vorteile erhalten. 37 Fremdanlieger können daher in einem solchen Fall der vertraglichen Übernahme der Kosten durch einen Dritten Vorteile erhalten und gleichwohl einer Beitragspflicht nicht unterliegen. Um eine Heranziehung von Fremdanliegern zu ermöglichen, könnte es sich daher empfehlen, die Erschließungsmaßnahmen, die zugleich Fremdanliegern zugute kommen, in der Hand der Gemeinde zu belassen und dieser so die Möglichkeit der Verteilung der Kosten auf die Beitragspflichtigen einzuräumen.38 Hierzu sind verschiedene Modelle der Vorfinanzierung und Kostener39 stattung denkbar.
3. Bindung an den Bebauungsplan Die Herstellung der Erschließungsanlagen setzt nach § 125 I BauGB zwar grundsätzlich einen Bebauungsplan voraus. Liegt ein Bebauungsplan nicht vor, so dürfen diese Anlagen nur hergestellt werden, wenn sie den in § 1 IV bis VI BauGB bezeichneten Anforderungen entsprechen(§ 125 II BauGB). Das BauROG 1998 hat mit dieser Erweiterung einen Beitrag zur Stärkung der kommunalen Planungshoheit leisten wollen. Die Regelung steht im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Wegfall des Anzeigeverfahrens fiir diejenigen Bebauungspläne, die aus dem Flächennutzungsplan entwickelt worden sind. Die im früheren § 125 II 3 BauGB genannten Prüfkriterien sollen nunmehr von den Gemeinden in eigener Verantwortung überprüft werden. Mit der Streichung kommt der Gemeinde eine höhere Verantwortung zu. Voraussetzung fiir eine rechtmäßig hergestellte Erschließungsanlage sind danach eine Anpassung an die Ziele der Raumordnung (§ 1 IV BauGB) sowie eine fehlerfreie Abwägung der privaten und öffentlichen Belange (§ 1 V und VI BauGB). Wie diese Prüfung erfolgt, hat die Gemeinde selbst zu bestimmen. Es ist jedoch zweckmäßig, daß die Gemeinde die Prüfergebnisse schriftlich niederlegt. Erschließungsanlagen, die vor lokrafttreten des BauROG 1998 ohne Zustimmung der höheren Verwaltungsbehörde hergestellt wurden, gelten insoweit als rechtmäßig hergestellt. Mit dem lokrafttreten des BauROG 1998 ist eine Genehmigung nicht mehr erforderlich. Sollte die Genehmigung nach§ 125 II BauGB a. F. die letzte Lenz KStZ 1983, 121. VGH Mannheim, Urt. v. 5.12.1985 - 2 S 2833 I 83 -, NJW 1986, 2452; Driehaus Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 5. Aufl. 1999, Rdn. 149. 38 OVG Saarlouis, Urt. v. 9.2.1998- I W 29 I 97 -. 39 Stüer DVBI. 1995,649 36
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fehlende Rechtmäßigkeitsvoraussetzung fiir die Erhebung von Erschließungsbeiträgen sein, beginnt mit diesem Zeitpunkt die Festsetzungsverjährung.40
111. Vertrag zur Vorbereitung und Durchführung städtebaulicher Maßnahmen Eine General- und Auffangbestimmung der städtebaulichen Verträge, die auch fiir Erschließungsverträge nach § 124 BauGB ergänzend heranzuziehen ist, enthält§ 11 BauGB. Nach § 11 I 1 BauGB kann die Gemeinde städtebauliche Verträge schließen. Die möglichen Vertragsgegenstände können sich aus allen Bereichen des Städtebaurechts ergeben. Keine Grundlage in § 11 BauGB finden Verträge außerhalb des Städtebaurechts oder Verträge, mit denen die Gemeinde ihre Entscheidungskompetenzen im Städtebau unzulässig aufgibt. § 11 I BauGB zählt ohne abschließenden Charakter drei Gruppen von städtebaulichen Verträgen auf: Die Vorbereitung und Durchfiihrung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner auf eigene Kosten (§ 11 I 2 Nr. 1 BauGB), die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele (§ 11 I 2 Nr. 2 BauGB) und die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen(§ 11 I 2 Nr. 3 BauGB). Gegenstand des städtebaulichen Vertrages kann insbesondere die Vorbereitung oder Durchfiihrung städtebaulicher Maßnahmen durch den Vertragspartner auf eigene Kosten sein(§ 11 I 2 Nr. 1 BauGB). Dazu gehören auch die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse, die Bodensanierung und sonstige vorbereitende Maßnahmen sowie die Ausarbeitung der städtebaulichen Planungen. Die Verantwortung der Gemeinde fiir das gesetzlich vorgesehene Planaufstellungsverfahren bleibt unberührt.
1. Grundstücksneuordnung Gegenstand des Vertrages kann nach§ 11 I 2 Nr. 1 BauGB die Neuordnung der Grundstücksverhältnisse sein. Der Vertrag ersetzt dabei die Regelungen des gesetzlichen Urnlegungsverfahrens bzw. der gesetzlichen Grenzregelung. Die vertragliche Regelung steht im Zusammenhang mit dem Ankauf der Grundstücke durch die Gemeinde oder den Dritten. Die Grundstücke werden dann nach Anweisung der Gemeinde so zugeschnitten, daß die entstehenden Grundstücke nach Lage, Form und Größe fiir die in Aussicht genommene Nutzung zweckmäßig sind. Außerdem ist im Umlegungsvertrag die Übertragung der für öffentliche Zwecke erforderlichen Flächen an die Gemeinde, die Verteilung der 4° Fachkommission "Städtebau" der ARGEBAU, Muster-Einflihrungserlaß zum BauROG, Nr. 12.
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verbleibenden Flächen an die Teilnehmer des vertraglichen Urnlegungsverfahrens und die Verteilung der Verfahrenskosten zu regeln. Die Grundstücksneuordnung auf der Basis eines städtebaulichen Vertrages wird allerdings nur dann gelingen, wenn die Grundstücke verfügbar sind, also die Grundstückseigentümer einer derartigen vertraglichen Regelung hinsichtlich des Eigentumserwerbs zustimmen. 2. Bodensanierung und sonstige vorbereitende Maßnahmen Der städtebauliche Vertrag kann auch die Bodensanierung und sonstige vorbereitende Maßnahmen regeln. Die Bodensanierung umfaßt insbesondere die Gefahrenermittlung, Untersuchung und die Beseitigung von Bodenverunreinigungen, insbesondere von Altlasten. Zur Freilegung gehört der Abbruch baulicher Maßnahmen und die Entsiegelung.
3. Ausarbeitung städtebaulicher Planungen Der städtebauliche Vertrag kann auch die Ausarbeitung städtebaulicher Planungen betreffen. Hierzu zählt die Ausarbeitung von Flächennutzungsplänen und Bebauungsplänen sowie anderen städtebaulichen Satzungen, mit denen sich eine städtebauliche Planung verbindet. Auch Landschafts- und Grünordnungspläne oder ergänzende Gutachten wie Lärmschutzgutachten, Emissionsgutachten, Feststellung von Bodenverunreinigungen oder andere Fachgutachten können durch einen städtebaulichen Vertrag übertragen werden. Mit dem Vertrag geht nur die technische Erstellung der städtebaulichen Planungen auf den Vertragspartner über. Die städtebauliche Verantwortung bleibt weiter bei der Gemeinde. Dies gilt vor allem für die Zuständigkeit im Hinblick auf die gesetzlich vorgeschriebenen Verfahrensschritte städtebaulicher Planungen. Erforderlich sind weiterhin sämtliche nach dem BauGB und der GO notwendigen Beschlüsse, die Abwägung, insbesondere die Entscheidung über die vorgebrachten Anregungen und die Behandlung der Stellungnahmen der Träger öffentlicher Belange sowie die Entscheidung über die Vorlage des Plans zur Ge. 41 nehmtgung.
41 Fachkommission "Städtebau" der ARGEBAU, Muster-Einführungserlaß zum BauROG, S. 57.
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IV. Vertrag zur Förderung und Sicherung der Planziele Der städtebauliche Vertrag kann sich nach § 11 I 2 Nr. 2 BauGB auch auf die Förderung und Sicherung der mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele, insbesondere die Grundstücksnutzung, die Durchfiihrung des Ausgleichs nach § 1 a III BauGB, die Deckung des Wohnbedarfs von Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen sowie des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung beziehen. Der Vertrag wird zumeist im Zusammenhang mit der Aufstellung eines Bebauungsplans nach § 30 BauGB oder einer Innenbereichssatzung nach § 34 IV BauGB sein. Er setzt im übrigen voraus, daß noch kein Rechtsanspruch auf die im Bebauungsplan ausgewiesene Bebauung besteht. Denn die Vereinbarung einer vom Vertragspartner zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne seine Leistung einen Bauanspruch hätte (§ 11 II 2 BauGB).
1. Verpflichtung zur Vorhabendurchführung Der städtebauliche Vertrag kann sich auf die Sicherung der Grundstücksnutzung beziehen. Dazu gehört insbesondere die Verpflichtung des Vorhabenträgers, das im Vertrag beschriebene Vorhaben innerhalb einer bestimmten Zeit zu errichten und einer entsprechenden Nutzung zuzufiihren. Hierfiir kann es verschiedene Gründe geben: Die städtebaulichen Planungen sind auf Realisierung ausgerichtet. Als planerisches Ziel kommt etwa die Schaffung von Wohnraum und gewerblichen Arbeitsplätzen oder die Auslastung von in der Gemeinde vorhandenen Eimichtungen der Infrastruktur in Betracht. Die zeitlichen Verpflichtungen sollten dabei gegebenenfalls in Einzelfristen aufgeteilt werden, die z.B. den Bauantrag, den Beginn der Arbeiten nach Erteilung der Baugenehmigung, den Abschluß der Rohbauarbeiten, die Bezugsfertigkeit und die Nutzung betreffen. Die Durchsetzung der Verpflichtungen kann gegebenenfalls durch eine angemessene Vertragsstrafe gesichert werden. Auch ist es vom Ansatz her zulässig, zugunsten der Gemeinde ein dinglich gesichertes Ankaufsrecht vorzusehen. 2. Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen Der städtebauliche Vertrag kann die Verpflichtung des Vertragspartners beinhalten, Mittel des sozialen Wohnungsbaus zu beantragen und auf bestimmten Flächen für Sozialwohnungen mit den entsprechenden Mietpreisbindungen einzusetzen. Dabei kann sich die Verpflichtung auch auf die Errichtung famili-
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engerechter oder altengerechter Wohnungen sowie auf Wohnungen für Studenten oder betreutes Wohnen beziehen. 3. Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung Der städtebauliche Vertrag kann auch Regelungen über die Deckung des Wohnbedarfs der ortsansässigen Bevölkerung enthalten. Dies wird vor allem in Großstädten und Fremdenverkehrsgemeinden in Betracht kommen, in denen eine Nachfrage gerade von Auswärtigen nach Wohnraum besteht. Die Gemeinden können daher durch vertragliche Regelungen ein sog. "Einheirnischenmodell" verwirklichen. Ziel des Vertrages ist es, daß der Vertragspartner nur an Einheimische veräußert. Geschieht dies nicht, kann sich die Gemeinde ein Ankaufsrecht vorbehalten und grundbuchlieh sichern lassen. Die Gemeinde kann dabei die Grundstücke durch Vertrag von dem Eigentümer erwerben und sie sodann an Einheimische weiterveräußern. Es kann aber auch in einem städtebaulichen Vertrag vereinbart werden, daß der Eigentümer die Grundstücke unmittelbar an Einheimische zu einem bestimmten Kaufpreis veräußert. Für diese .,Einheirnischenmodelle" sind zwei Modelle entwickelt worden: Das "Weilheimer Einheimischenmodell" beinhaltet einen städtebaulichen Vertrag, der vor Aufstellung des Bebauungsplans mit dem Grundstückseigentümer geschlossen wird. Die Gemeinde macht die Aufstellung des Bebauungsplans davon abhängig, daß der Grundstückseigentümer der Gemeinde ein auf 10 Jahre befristetes, notariell beurkundetes Kaufangebot macht. Das Kaufangebot wird durch eine Auflassongsvormerkung gesichert. Die Gemeinde darf das Kaufangebot nur annehmen, wenn der Eigentümer das Grundstück über den vereinbarten Kaufpreis oder an einen Auswärtigen veräußert. Beim "Traunsteiner Einheimischenmodell" verpflichtet sich der Grundstückseigentümer, die Grundstücke nur mit Zustimmung der Gemeinde zu veräußern. Die gemeindliche Zustimmung ist zu erteilen, wenn das Grundstück an Einheimische zu einem limitierten Preis veräußert wird. Die Vereinbarung wird durch ein preislimitiertes Vorkaufsrecht zugunsten der Gemeinde dinglich gesichert. Die Modelle dürfen nach Auffassung des BVerwG allerdings nicht dazu führen, Auswärtige generell auszuschließen. Es müssen daher auch für Auswärtige Baugrundstücke zur Verfiigung stehen. 42 Die Gemeinde kann daher über das Instrument der städtebaulichen Festsetzungen hinaus Möglichkeiten der vertraglichen Gestaltung nutzen. Allerdings müssen die vertraglichen Regelungen durch städtebauliche Gründe gerechtfertigt sein. Einheimischenmodelle sind 42 BVerwG, Urt. v. 11.2.1993-4 C 18.91 -, BVerwGE 92, 56= Hoppe I Stüer RzB Rdn. 156 - Weilheimer Einheimischenmodell; VG München, Urt. v. 18.1 1.1997- M I K 96.5647 -, NJW 1998, 2070- EinheimischenmodelL
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daher nur dann gerechtfertigt, wenn sie eine Benachteiligung der Einheimischen bei der Versorgung mit Bauland beheben sollen. Es wäre nicht durch kommunale Aufgaben gerechtfertigt, die Einheimischen ganz einseitig zu bevorzugen und ihnen allein den Erwerb von Grundstücken im Gemeindegebiet zu ermöglichen. Vertragliche Regelungen müssen vor allem angemessen sein. Auch dürfen die vertraglichen Regelungen nicht unzulässig den gemeindlichen Planungsraum einschränken. Denn eine solche subjektive Abwägungssperre würde das Planungsgeschehen einseitig und unzulässig binden und vor allem eine auch die Interessen anderer Planbetroffener einbeziehende Abwägung nicht ermöglichen. 43 4. Naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen Gegenstand des städtebaulichen Vertrages können auch Ausgleichsmaßnahmen für naturschutzrechtliche Eingriffe sein, die im Zusammenhang mit der Bauleitplanung stehen. Nach § 135 a II BauGB soll die Gemeinde bei Ausgleichsmaßnahmen, die an anderer Stelle den Grundstücken zugeordnet sind, die Maßnahmen anstelle und auf Kosten der Vorhabenträger oder der Eigentümer der Grundstücke durchführen, sofern dies nicht auf andere Weise gesichert ist. Zu dieser Vorbehaltsklausel in § 135 a li 1 BauGB gehört auch der städtebauliche Vertrag, der die entsprechenden Regelungen hinsichtlich der Ausgleichsmaßnahmen enthalten kann. Der Vorhabenträger kann sich daher in einem städtebaulichen Vertrag verpflichten, die im Rahmen der Bauleitplanung aufgrund einer Abwägung nach § 1 a BauGB erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen. So könnte sich etwa der Investor eines durch Bebauungsplan ausgewiesenen Vorhabens in einem städtebaulichen Vertrag zur Durchführung der erforderlichen naturschutzrechtlichen Maßnahmen verpflichten und eine zeitnahe Ausführung zusichern. Die Sicherung bestimmter Verpflichtungen durch zusätzliche Eintragung einer Baulast hat dabei den Vorteil, daß sie nach Maßgabe des jeweiligen Landesrechts auch in der Zwangsverstei. ht untergeht. 44 gerung mc Nach§ 135 a li 2 BauGB können Ausgleichsmaßnahmen schon vor Beginn der Bauarbeiten und vor Zuordnung der Ausgleichsflächen zu den Eingriffsflächen durchgeführt werden. Die Gemeinde kann daher auch gegebenenfalls auf frühere Maßnahmen zurückgreifen und erforderliche Ausgleichsmaßnahmen aus einem Ökokonto bestreiten. Dabei können von dem Vorhabenträger auch Kosten übernommen werden, die der Gemeinde bereits entstanden sind(§ 11 I 43 VG München, Urt. v. 18. 11 .1997 - M I K 96.5647 - , NJW 1998, 2070 - Einheimischenmodell. 44 BVerwG, B. v. 29.10.1992-4 B 218.92-, DVBI. 1993, 114 = NJW 1993, 480.
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2 Nr. 3 BauGB). Einer vertraglichen Vereinbarung bedarf es auch, wenn Ausgleichsflächen in anderen Gemeinden in Anspruch genommen werden sollen.
5. Sonstige Vereinbarungen zur Zielsicherung Neben den vorgenannten Gegenständen kann sich der städtebauliche Vertrag auch auf die Förderung und Sicherung anderer mit der Bauleitplanung verfolgten Ziele beziehen. Regelungsgegenstände können etwa Maßnahmen sein, die nicht durch Festsetzungen gesichert werden können und die sich daher einem qualifizierten Bebauungsplan entziehen. So kann etwa festgelegt werden, daß der Vorhabenträger über die Festsetzungsmöglichkeiten in§ 9 BauGB und der BauNVO hinaus Verpflichtungen etwa zur Nutzung oder zum Betrieb bestimmter Einrichtungen übernimmt. Das gilt auch etwa für sonst nicht festsetzbare Nutzungseinschränkungen etwa einer sportlichen Anlage. Die Vereinbarungen können sich auch auf gestalterische Regelungen oder die Abstimmung des Baugeschehens mit einem im Einvernehmen mit der Gemeinde zu erstellenden Architektenentwurf beziehen.
V. Vertrag zur Übernahme von Aufwendungen Nach § 11 I 2 Nr. 3 BauGB kann sich der städtebauliche Vertrag auch auf die Übernahme von Kosten oder sonstigen Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Maßnahmen entstehen oder entstanden sind und die Voraussetzung oder Folge des geplanten Vorhabens sind, beziehen. Dazu gehört auch die Bereitstellung von Grundstücken. Hierunter fallen alle Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Durchführung städtebaulicher Vorhaben stehen. In Ergänzung zu den Erschließungsverträgen gibt § 11 I 2 Nr. 3 BauGB daher auch die Rechtsgrundlage für den Folgekostenvertrag, der sich auf die Übernahme von Infrastrukturkosten bezieht. 45 Es zählen dazu Kosten und sonstige Aufwendungen, die der Gemeinde für städtebauliche Planungen, andere städtebauliche Maßnahmen sowie Anlagen und Einrichtungen entstehen, die der Allgemeinheit dienen. Dazu gehört auch die Bereitstellung von Grundstük45 Zu Folgekostenverträgen BYerwG, Urt. v. 6.7.1973 - 4 C 22.72-, BVerwGE 42, 331 - Erschließungsbeitrag; 8 . v. 19.1.1981 - 8 B 6.81 -, Buchholz 406.11 § 123 Nr. 19- Finanzierung; B. v. 24.2.1994- 4 B 40.94 -, BBauBI. 1994, 490 = ZfBR 1994, 232- Messegebäude; OYG Lüneburg, Urt. v. 26.2.1976- VI A 199 I 75 -, DÖV 1977, 208- abstraktes Schuldversprechen; BGH, Urt. v. 8.6.1978 - III ZR 48 I 76 -, BGHZ 71, 386 = DVBI. 1978, 798 = BauR 1978, 368- Folgelastenvertrag; Urt. v. 3.10.1985 - JII ZR 60 I 84-, DVBI. 1986,409 = NJW 1986, 1109; Urt. v. 13.6.1991- IIJ ZR 143 I 90 - , BayVBI. 1991, 700 = BRS 53, Nr. 70.
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ken. Die städtebaulichen Maßnahmen, Anlagen und Einrichtungen können auch außerhalb des Gebietes liegen. Zu den Gegenständen derartiger Verträge rechnen vor allem Infrastrukturmaßnahmen wie etwa Schulen,46 Kindergärten, Feuerwehrgerätehaus, Kläranlagen47 oder andere kommunale Einrichtungen und Maßnahmen, die im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben stehen. Die Kosten und Aufwendungen sowie die Planungen, städtebaulichen Maßnahmen, Anlagen und Einrichtungen müssen allerdings Voraussetzung oder Folge des vom Bauwilligen geplanten Vorhabens sein. Es muß daher ein direkter Zusammenhang zwischen dem Bauvorhaben und den Aufwendungen oder Maßnahmen bestehen. Unzulässig wäre eine Übernahme von Kosten, die nicht durch das Vorhaben ausgelöst werden. 48 Eine allgemeine Wertabschöpfung der durch die Planung erlangten Vorteile und Gewinne findet daher in § 11 BauGB keine Grundlage. 49 Für solche Folgekostenverträge gilt das Koppelungsverbot mit dem Inhalt, daß hoheitliche Entscheidungen in der Regel nicht von zusätzlichen wirtschaftlichen Geldleistungen abhängig gemacht werden dürfen. 5° Aus dem Kausalitätserfordernis fiir den Folgekostenvertrag in § 11 I 2 Nr. 3 BauGB ist zudem abzuleiten, daß nur Kostenerstattungen fiir solche städtebauliche Maßnahmen vereinbart werden dürfen, die Voraussetzung oder Folge des vom Investor gewünschten Vorhabens sind. Auch bereits entstandene Folgekosten fallen darunter. Allerdings dürfen dem Eigentümer oder Investor keine Kosten auferlegt werden, die nicht im Zusammenhang mit seinem Vorhaben stehen, sondern durch ganz andere Maßnahmen veranlaßt werden. Dies gilt fiir Planungen ebenso wie fiir Infrastruktureinrichtungen, die nicht durch das Vorhaben veranlaßt sind. Die Übernahme von derartigen Kosten ist allerdings dann zulässig, wenn sie im Zusammenhang mit dem Vorhaben stehen und das Vorhaben etwa ohne diese Kosten nicht durchgefiihrt werden könnte. Dies gilt etwa fiir übergreifende Planungen, die ohne das Vorhaben nicht erforderlich gewesen wären.
46 OYG Münster, Urt. v. 6.10.1977- III A 793 I 75 - , OVGE 33, 147 = DYBI. 1978, 305 = NJW 1978, 1542 - Schulbaukostenbeiträge. 47 Zu Folgekostenverträgen über einen Abwasserkanal YGH München, Urt. v. 25 .11.1981 - 183 IV 78 -, DYBI. 1982, 906 = BayYBI. 1982, 177. 48 BVerwG, Urt. v. 14.8.1992- 8 C 19.90 -, BYerwGE 90, 310 = DVBI. 1993, 263 = NJW 1993, 1810- Folgekostenbeitrag. 49 BYerwG,B.v. 24.11.1980-4B 140.80-,NJW 1981, 1747=DÖV 1981,269= VR 1981, 367- Folgekostenvertrag. 50 BYerwG, Urt. v. 6.7.1973 - 4 C 22.72 -, BYerwGE 42, 331 - Folgekostenvertrag; OVG Koblenz, Urt. v. 28.11.1992 - I A I 0312 I 89 - , BauR 1992, 479- Geldleistung: Eine Gemeinde darf sich für die Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens keine finanziellen Gegenleistungen versprechen lassen.
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VI. Rechtsnatur des Vertrages Der städtebauliche Vertrag ist nicht notwendigerweise ein öffentlichrechtlicher Vertrag. Vielmehr können städtebauliche Ziele auch in der Rechtsform des privatrechtliehen Vertrages verfolgt werden. 51 Ob ein Vertrag dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen ist, entscheidet nach § 40 I 1 VwGO datüber, ob im Streitfall der Verwaltungs- oder der Zivilrechtsweg eröffnet ist. Bei Verträgen ist grundsätzlich anband objektiver Kriterien zu entscheiden, ob der Vertragsgegenstand dem öffentlichen oder dem Privatrecht zuzuordnen ist. Dabei ist sowohl der Zweck des Vertrages als auch der jeweilige Sachzusammenhang zu berücksichtigen52 . Die Einordnung städtebaulicher Verträge anband dieser Kriterien wirft oft erhebliche Probleme auf. Zwar fällt es nicht schwer, den Erschließungsvertrag nach § 124 BauGB als öffentlich-rechtlich zu bewerten, wird doch mit ihm die Ausführung der nach § 123 BauGB der Gemeinde obliegenden Erschließung auf einen Privaten geregele 3 • Die in § 11 BauGB aufgezählten Vertragstypen sind dem öffentlichen Recht zuzuordnen, falls die Parteien gemeinsame städtebauliche Zwecke verfolgen, so beim Folgekostenvertrag oder bei der privaten Umlegung von Grundstücken 54 . Doch wie steht es beispielsweise mit den Verträgen, die Gemeinden im Rahmen der Einheimischenmodelle abschließen? Vordergründig handelt es sich um die Abgabe eines Angebotes auf Abschluß eines Grundstückskaufvertrages, welches unter einer Bedingung steht. Der Vertragsinhalt selbst ist also rein zivilrechtlich. Andererseits verfolgt die Gemeinde mit ihm ein städtebauliches Ziel, das sich unter dem Gesichtspunkt der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 II 1 GG) rechtfertigt. Zu ihr zählt auch die öffentliche Aufgabe "Stärkung der gewachsenen Einwohnerstruktur". Das BVerwG hat den Vertrag nach kontroversen Entscheidungen der Vorinstanzen als zivilrechtliehen Vertrag behandelt und dabei in erster Linie auf den geregelten Vertragsgegenstand abgestellt. 55 Werden etwa Grundstücke übertragen, ist der Vertrag zivilrechtlich, selbst wenn mit der Übertragung öffentlichrechtliche Zielsetzungen verfolgt werden. Werden dagegen Aufgaben übertra51 BVerwG, Urt. v. 11.2.1993 - 4 C 18.91 -, BVerwGE 92,56 (62) = DVBI. 1993, 654 = NJW 1993, 2695; Stüer, Bau- und FachplanungsR, 2. Aufl. 1998, Rdn. 1126. 52 GmS-OGB, 8. v. I 0.4.1986 - GmS-OGB I I 85 - , BVerwGE 74, 368, 370 = BGHZ 97, 312 = NJW 1986, 2359; Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, II. Aufl. 1997, § 14 Rdn. 10 f. 5J Oerder BauR 1998, 22. 54 Oerder BauR 1998, 22. 55 BVerwG, Urt. v. 11.2.1993 - 4 C 18.91 -, BVerwGE 92, 56 (58 f.) = DVBI. 1993, 654 = NJW 1993, 2695.
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gen, die von der gesetzlichen Kompetenzverteilung in den Aufgabenbereich der Gemeinde fallen (z.B. Erschließung, Planvorbereitung), handelt es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag. Diese Einordnung ist zwar nicht zwingend, hat aber den Vorteil, ein (vergleichsweise) griffiges Abgrenzungskriterium zur Verfugung zu stellen56 . Die Rechtsnatur des städtebaulichen Vertrages ist zwar fiir die Bestimmung des Rechtsweges von erheblicher Bedeutung, nicht jedoch fiir die Frage, ob der Vertrag materiell-rechtlich zulässig ist57 . Auch wenn es sich um einen privatrechtlichen Vertrag handelt, muß er sich über § 134 BGB an den Anforderungen des BauGB messen lassen. Ein gesetzliches Verbot in diesem Sinne kann sich auch aus dem Gesamtinhalt des BauGB nach dessen Sinn, Zweck und Systematik ergeben58 . Auch die übrigen Grundsätze, die fiir öffentlich-rechtliche Verträge maßgebend sind, so das Koppdungsverbot (§ 59 li Nr. 4 VwVfG), fließen über die zivilrechtliehen Generalklauseln wie § 138 BGB in die Beurteilung eines privatrechtliehen städtebaulichen Vertrages ein59. Zivilgerichte könnten allerdings eher dazu neigen, an städtebauliche Verträge die besonderen Anforderungen des Gesetzes über die allgemeinen Geschäftsbedingungen zu stellen und hieraus zusätzliche Wirksamkeitsanforderungen abzuleiten. Städtebauliche Verträge können auch eine gemischte Natur haben, also Elemente des öffentliche Rechts wie auch des Zivilrechts vereinen60 •
VII. Formvorschriften Nach §§ 11 III, 124 IV BauGB sind städtebauliche Verträge schriftlich abzuschließen, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Dies wird in aller Regel § 313 BGB sein, wonach ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, der notariellen Beurkundung bedarf. Diese Formvorschrift ist nach§ 62, 2 VwVfG auch auf öffentlich-rechtliche Verträge anwendbar. Sie erlangt erhebliche Bedeutung nicht nur im Zusammenhang mit
Hien, in: FS Schlichter, 1995, S. 140 ff. Krautzberger, in: Ernst I Zinkahn I Bielenberg, BauGB, 1998, § II Rdn. 189; Hien, in: FS Schlichter, 1995, S. 141; a.A.: Oerder BauR 1998,22. 58 BVerwG, Urt. v. 11.2.1993 - 4 C 18.91 -, BVerwGE 92, 56 (60) = DVBI. 1993, 654 = NJW 1993, 2695. 59 BVerwG, Urt. v. 11.2.1993 - 4 C 18.91 -, BVerwGE 92, 56 (65) = DVBI. 1993, 654 = NJW 1993, 2695 . 60 BVerwG, Urt. v. 1.2.1980 - 4 C 40.77-, NJW 1980, 2538 = BRS 36, Nr. 30; BVerwG, B. v. 24.2.1994 - 4 B 40.94 - , BBauBI. 1994, 490 = UPR 1994, 232 = NVwZ 1994, 1012. 56
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den Einheimischenmodellen, sondern auch vielfach bei Erschließungsverträgen, in denen sich der Investor verpflichtet, die Grundstücke mit den fertiggestellten Erschließungsanlagen auf die Gemeinde zu übertragen. Im übrigen sind die Anforderungen des jeweiligen Kommunalrechts vor allem an die Zeichnungsberechtigung und an die zusätzlichen Wirksamkeitsanforderungen wie etwa zwei Unterschriften und BeifUgung eines Dienstsiegels zu beachten.
VIII. Angemessenheitsldausel Für die städtebaulichen Verträge gelten neben§ 11 BauGB ergänzend§§ 54 ffVwVfG bzw. der VwVfG der Länder. Ein Vertrag scheidet daher aus, soweit auf die Leistung der Behörde bereits ein Anspruch besteht (§ 11 II BauGB, §56 II VwVfG). Dies wird auch aus dem Koppelungsverbot abgeleitet. Voraussetzung für den Abschluß eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ist nach §56 I 1 VwVfG weiter, daß die Gegenleistung für einen bestimmten Zweck vereinbart wird und der Behörde zur Erfiillung ihrer öffentlichen Aufgaben dient. Vor allem aber müssen die vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen entsprechend angemessen sein. Diese Angemessenheitsklausel in § 11 II 1 BauGB bringt eine wichtige inhaltliche Begrenzung:61 Die Vereinbarung einer vom Bauwilligen zu erbringenden Leistung ist unzulässig, wenn er auch ohne sie einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung hätte und sie auch nicht als Nebenbestimmung gefordert werden könnte. Damit können allerdings nur solche Ansprüche gemeint sein, die auch ohne den Abschluß des Vertrages nach dem geltenden Planungsrecht bestehen. Hat der Investor etwa bereits aufgrund eines rechtsverbindlichen Bebauungsplans nach § 30 I BauGB oder im nichtbeplanten Innenbereich nach § 34 BauGB einen Genehmigungsanspruch, darf die Baugenehmigungsbehörde die Erteilung der Baugenehmigung nicht von der Übernahme zusätzlicher vertraglicher Verpflichtungen in einem städtebaulichen Vertrag abhängig machen. Werden Genehmigungsansprüche erst durch den Abschluß des Folgekostenvertrages begründet, gelten diese Einschränkungen nicht. Anderenfalls könnten Infrastruktureinrichtungen nicht zum Gegenstand städtebaulicher Folgekostenverträge gemacht werden, da die Gemeinde auf eine Kostenübernahme fiir solche Einrichtungen außerhalb vertraglicher Vereinbarungen keinen Rechtsanspruch begründen kann. Die Angemessenheit muß sich nach Inhalt und Zweck des gesamten Regelungspaketes bestimmen. Dafür können die Wertungen herangezogen werden, wie sie in verschiedenen vom Gesetzgeber angebotenen städtebaulichen Model61 BGH, Urt. v. 13.6.1991 - 111 ZR 143 I 90-, BayVBI. 1991, 700 = BRS 53 Nr. 70 - Folgekostenvertrag.
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len niedergelegt sind. Im förmlich festgelegten Sanierungsgebiet etwa hat der Eigentümer nach Maßgabe der§§ 152 ff BauGB an die Gemeinde einen Ausgleichsbetrag zu leisten, der der durch die Sanierung bedingten Bodenwertsteigerung entspricht (§ 154 I BauGB). Die durch die Sanierung bedingte Erhöhung des Bodenwerts des Grundstücks besteht nach § 154 II BauGB aus dem Unterschied zwischen dem Bodenwert, der sich für das Grundstück ergeben würde, wenn eine Sanierung weder beabsichtigt noch durchgeführt worden wäre (Anfangswert), und dem Bodenwert, der sich für das Grundstück durch die rechtliche und tatsächliche Neuordnung des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets ergibt (Endwert). Der Ausgleichsbetrag ist nach Abschluß der Sanierung zu entrichten (§ 154 III BauGB). Die Erhebung des Ausgleichsbetrags dient der Finanzierung der Sanierung. Überschüsse sind nach § 156 a BauGB auf die Eigentümer zu verteilen. Bei einem besonderen Gemeinwohlinteresse kann nach § 165 BauGB ein städtebaulicher Entwicklungsbereich festgelegt werden, in dem ebenfalls die durch die Planung eintretenden Bodenwertsteigerungen der Gemeinde zur Finanzierung der Maßnahme verbleiben. Die Gemeinde soll dabei die Grundstücke zu dem Anfangswert erwerben und sie nach Durchführung der Entwicklungsmaßnahme an Bauwillige veräußern (§ 169 BauGB). Einnahmen, die bei der Vorbereitung und Durchführung der Entwicklungsmaßnahme entstehen, sind zur Finanzierung der Entwicklungsmaßnahme zu verwenden (§ 171 BauGB). Ergibt sich nach der Durchführung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme ein Überschuß der bei der Vorbereitung und Durchfiihrung der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme erzielten Einnahmen über die hierfiir getätigten Ausgaben, so ist dieser Überschuß wie bei der Sanierung zu verteilen. Wertsteigerungen, die sich bei der Veräußerung von Grundstücken realisieren, fließen daher nicht dem bisherigen Eigentümer zu, sondern können in vollem Umfang zur Finanzierung der Entwicklungsmaßnahme eingesetzt werden. Die volle Abschöpfung der Wertsteigerung im Bereich einer Entwicklungsmaßnahme verbunden mit der Enteigungsmöglichkeit ist allerdings an qualifizierte Gemeinwohlerfordernisse gebunden. Die Durchführung der Entwicklungsmaßnahme muß im besonderen öffentlichen Interesse geboten sein. Die im Umlegungsgebiet gelegenen Grundstücke werden nach ihren Flächen rechnerisch zu einer Umlegungsmasse verbunden(§ 55 I BauGB). Nach Abzug der fiir die Verwirklichung der Planung benötigten öffentlichen Flächen(§ 55 II BauGB) wird die Verteilungsmasse nach dem Verhältnis der eingebrachten Flächen oder Werte verteilt (§ 56 BauGB). Bei der Wertumlegung ist der jeweilige Einwurfswert fiir die Zuteilung maßgeblich. Wertsteigerungen, die das zugeteilte Grundstück durch die Umlegung erfahren hat, verbleiben der Gemeinde zur Finanzierung der entstandenen Kosten. Bei der Flächenumlegung wird neben dem Flächenabzug des § 55 II BauGB ein entsprechender Flächenbeitrag festgesetzt oder ein Geldbeitrag erhoben(§ 58 BauGB). Diese gesetzlichen Modelle können auch fiir städtebauliche Verträge herangezogen werden. Eine obere Begrenzung dürften Kostenbelastungen des lnve-
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stors auch bei einem städtebaulichen Vertrag durch die Abschöpfung der (vollen) Wertsteigerung oder der mit der Maßnahme verbunden Aufwendungen erfahren. Vertragliche Vereinbarungen, die im Ergebnis zu einer darüber hinausgehenden Belastung des Investors führen, sind unzulässig. Vor allem darf die Gemeinde den städtebaulichen Vertrag nicht als willkommene Gelegenheit nutzen, von dem Investor Leistungen zu verlangen, die nicht durch das Vorhaben verursacht werden. Auch wird eine volle Abschöpfung der durch die Planung eintretenden Wertsteigerungen nur in Sondersituationen zulässig sein. Denn bei der Entwicklungsmaßnahme etwa ist eine volle Wertabschöpfung an das Vorliegen besonderer Gemeinwohlgründe gebunden. Im Gegensatz dazu können die naturschutzrechtlichen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen in vollem Umfang auf den Vertragspartner umgelegt werden. Hier geht das Gesetz von einer vollen Kostenübernahme durch den Investor aus. Festgesetzte Ausgleichsmaßnahmen sind nach§ 135 a I BauGB vom Vorhabenträger durchzuflihren. Soweit Ausgleichsmaßnahmen an anderer Stelle den Grundstücken nach § 9 I a BauGB zugeordnet sind, soll die Gemeinde diese anstelle und auf Kosten der Vorhabenträger oder der Grundstückseigentümer durchführen und auch die hierfür erforderlichen Flächen bereitstellen(§ 135 a II BauGB). Die Verteilung der Kosten ist dem Erschließungsbeitragsrecht nachgebildet, soweit keine anderen Regelungen getroffen werden (§§ 135 b, 135 c BauGB). Allerdings besteht diese Verpflichtung zur Durchführung und Finanzierung der Ausgleichsmaßnahmen nur nach Maßgabe des Ergebnisses der gemeindlichen Abwägung. Denn § 1 a BauGB verpflichtet im Gegensatz zur Eingriffsregelung in § 8 BauNVO nicht zu einem vollständigen Ausgleich, stellt Art und Umfang der Ausgleichsmaßnahmen in die abwägende Entscheidung der gemeindlichen Planung. Die Ergebnisse dieser naturschutzrechtlichen Ausgleichsentscheidung sind allerdings nach der gesetzlichen Regelung von den Begünstigten voll zu tragen. Auch soweit die Gemeinde naturschutzrechtliche Maßnahmen durchführt, erfüllt sie damit nicht eigene Prirnärverpflichtungen, sondern wird im Interesse der Investoren oder sonst Begünstigten tätig. An diesem Modell der naturschutzrechtlichen Vollkostenübernahme kann sich auch der städtebauliche Vertrag orientieren. Allerdings wäre es unzulässig, wenn der Vertragspartner nach dem Vertrag mehr als den durch die Maßnahme verursachten Ausgleichsbedarf übernehmen würde. Bei der Bestimmung der Angemessenheit sollte allerdings nicht kleinlich verfahren werden. 62 Es darf auch berücksichtigt werden, daß der Investor viel-
62 Zu eng daher zur früheren Rechtslage VG Köln, Urt. v. 4.8.1983 - 7 K 5047 I 78 -, KStZ 1983, 234: Nur ein atypischer Verlauf der Entwicklung, z.B. ein besonderer sprunghafter Anstieg der Bevölkerungszah1, !.echtfertige eine Abwälzung der Folgekosten auf den daflir ursächlichen Bauträger. Ahnlieh auch VGH München, Urt. v. 2.4. 1980 - 290 IV 76 - , BayVBI. 1980, 719 = KStZ 1981, 93 - Ansiedlungsprojekt
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fach ein erhebliches wirtschaftliches Interesse an einer schnellen Durchführung des Projektes hat. Dies gilt vor allem im Hinblick auf die erheblichen Vortaufkosten und die Gefahr, daß sich solche Kosten im Falle des Scheiteros als Fehlinvestitionen erweisen könnten. Hinzu kommt vielfach die nicht unerhebliche Zinsbelastung, die mit der Länge der Planungsverfahren und der Bauausführung steigt. Eine schnelle Projektabwicklung ist daher ein erheblicher wirtschaftlicher Faktor, der durchaus bei der Berechnung der Angemessenheit berücksichtigt werden kann. Auch das Interesse des Vorhabenträgers, sein Vorhaben in eine gute Infrastruktur und in eine ansprechende Umgebung eingebettet zu sehen, kann bei der vertraglichen Gestaltung eine Rolle spielen. Auf der anderen Seite entstehen den Gemeinden durch neue Bauvorhaben Folgelasten, die sie berechtigterweise zumindest zu einem Teil abwälzen können. Die Angemessenheitsklausel muß hier Spielräume für sachgerechte Ausgleichsregelungen eröffnen. Eine strikte Bindung an die gesetzlichen Abrechnungsmodelle war vom Gesetzgeber nicht gewollt und würde auch den geänderten städtebaulichen und wirtschaftlichen Ausgangslagen nicht gerecht. Auch muß vermieden werden, daß der Investor zunächst die gemeindlichen Leistungen in Anspruch nimmt und etwa das von der Gemeinde geschaffene Baurecht ausnutzt, sich aber später mit Hinweis auf die Nichtigkeit der Vereinbarungen seinen im städtebaulichen Vertrag übernommenen Verpflichtungen zu entziehen sucht. In den Vertrag könnte dazu etwa folgende Regelung aufgenommen werden: Der Investor kann sich auf die Nichtigkeit des städtebaulichen Vertrages (Durchführungsvertrages) nicht mehr berufen, wenn mit der Verwirklichung des Vorhabens begonnen worden ist.
IX. Konfliktbewältigung durch städtebauliche Verträge Der städtebauliche Vertrag kann als Instrument der Lastenverteilung eigenständige Funktionen der Konfliktbewältigung übemehmen. 63 Nach dem Grundsatz der Konfliktbewältigung sind die der Planung zuzurechnenden Konflikte durch Planung zu bewältigen. Dieser Grundsatz gilt allerdings nicht grenzenlos. Vielmehr kann die Lösung der aufgeworfenen Fragen im Sinne der Lastenverteilung auf andere Teile, vor allem auch Nachfolgeverfahren, verschoben werden. In diesem Konzept kann auch der städtebauliche Vertrag eigenständige Funktionen erfüllen, die neben die Bauleitplanung und verschiedene Formen von Nachfolgeverfahren treten. So kann etwa der städtebauliche Vertrag planbegleitend sicherstellen, daß die planerische Konzeption umgesetzt wird. Denn die Bauleitplanung hat von Natur aus eine Schwäche: Sie unterbreitet zwar ein städtebauliches Angebot, verpflichtet aber nicht zu dessen Umsetzung. Bau63
Stüer DVBI. 1995, 649.
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leitplanung ist daher auf Umsetzung angewiesen. So kann auch vom Prinzip her nicht ausgeschlossen werden, daß lediglich einzelne Teile des Bebauungsplans realisiert werden, während andere Teile nicht verwirklicht werden. Hier kann stärker noch als eine Auflage in der Baugenehmigung der städtebauliche Vertrag Abhilfe schaffen. Er ermöglicht nicht nur, die zeitnahe Realisierung eines Vorhabens zu gewährleisten, sondern auch, zwischen verschiedenen Teilen eines als Einheit begriffenen Vorhabens eine verbindliche Klammer herzustellen. Dies ist nicht nur fiir naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahmen, die an anderer Stelle als der des Eingriffs verwirklicht werden sollen, von unschätzbarem Wert. 64 Die vertraglichen Regelungen können daher die satzungsrechtlichen Festsetzungen entlasten, wie der vorhabenbezogene Bebauungsplan deutlich macht. Hier wird durch den Durchfiihrungsvertrag die Umsetzung der Planung sichergestellt(§ 12 I BauGB). Die vertraglichen Regelungen müssen allerdings nach § 11 II BauGB angemessen in dem Sinne sein, daß sie bei einer Gesamtbetrachtung vor dem Hintergrund des Städtebaurechts und der jeweils übernommenen Verpflichtungen sachgerecht erscheinen. Auf dieser Grundlage der Angemessenheil kann sich daher der städtebauliche Vertrag als eigenständige Legitimationsquelle des Städtebaus und der Konfliktbewältigung entwikkeln, der neben die gesetzlichen Regelungen tritt, ja diese durchaus auch modifizieren kann.
X. V ertragliehe Haftung der Gemeinde Die Gemeinde sollte bei dem Abschluß von Verträgen mit Investoren sicherstellen, daß sie nicht in unübersehbare Haftungsrisiken gerät. Gemeindliche Haftungsverpflichtungen können sich etwa ergeben, wenn die Gemeinde durch Vertrag das Risiko eines bestimmten Erfolges übernommen hat (Garantievertrag) oder der Vertragspartner durch die Gemeinde in seinem Vertrauen getäuscht worden ist.65 Bei einer entsprechenden vertraglichen Risikoübernahme66 kann die Gemeinde verpflichtet sein, fiir den Fall des Fehlschiagens der Planung aus Gtünden, die in der Rechtssphäre der Gemeinde liegen, einen fmanziellen Ausgleich für nutzlos erbrachte Aufwendungen zu gewähren. Verletzt die Gemeinde etwa bei der Erteilung von Auskünften oder bei der Planung ihre einem Dritten gegenüber bestehenden Amtspflichten, so können
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me I.
BYerwGE 104, 68; BYerwGE 104,363. BGH, Urt. v. 29.11.1990 - II1 ZR 365 I 89 -, BGHR BGB § 305 Risikoübernah-
66 BGH, Urt. v. I. 12. 1983 - IIJ ZR 3 8 I 82 -, BayVBI. 1984, 284 = ZfBR 1984, 146 - Fehlgeschlagene Bauleitplanung.
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sich Amtshaftungsansprüche nach § 839 BGB, Art. 34 GG ergeben. 67 Kommt es nicht zum Abschluß eines Vertrages, können Ansprüche aus culpa in contrahendo bestehen. 68 Dies gilt auch, wenn die Gemeinde die Verhandlungen über den Abschluß eines Erschließungsvertrages, von dem die Erteilung der Baugenehmigung allein noch abhing, ohne triftigen Grund aus sachfremden Erwägungen schuldhaft abbricht69 oder die Gemeinde ihrem Vertragspartner unrichtige, seine Vermögensdispositionen nachhaltig beeinflussende Angaben über den Stand der Bauleitplanung macht oder ihm Tatsachen verschweigt, deren Kenntnis ihn veranlaßt hätte, sich von dem Vertrag früher als geschehen zu lösen. 70 Eine Haftung der Gemeinde tritt allerdings nicht schon deshalb ein, weil der von ihr aufgestellte Bebauungsplan die im Vertrag vorausgesetzte bauliche Nutzung von Grundstücken nicht oder nicht in dem gewünschten Maße ermöglicht.71 Der Schadensersatz geht dabei in der Regel auf das negative Interesse (sog. kleiner Schaden). Das positive (Erfüllungs-)Interesse (sog. großer Schaden) kann nur dann geltend gemacht werden, wenn die Gemeinde die Garantie fiir den Eintritt eines bestimmten Erfolges übernommen hat. Die Wirksamkeit einer solchen Garantieübernahme setzt allerdings voraus, daß die Belange der Bauleitplanung dem nicht entgegenstehen72 oder ein solcher Vertrag nicht im Hinblick auf das Abwägungsgebot nichtig ist.
67 BGH, Urt. v. 11.5.1989 - 111 ZR 88 I 87-, DVBI. 1989, 1094 = NJW 1990,245 Terrassenwohnstadt; Urt. v. 21.12.1989- 111 ZR 49 I 88 -, BGHZ II 0, I = DVBI. 1990, 355- Wohnqualität; Urt. v. 21.12.1989- III ZR 118 I 88 -, BGHZ I 09, 380. 68 BGH, Urt. v. 8.6.1978- II1 ZR 48 I 76 -, BGHZ 71, 386 = DVBI. 1978, 798 = BauR 1978, 368 - Folgelastenvertrag; Urt. v. 22.11.1979 - III ZR 186 I 77 -, BGHZ 76, 16 = DVBI. 1980, 679 = NJW 1980, 826 = BauR 1980, 327; Urt. v. 7.2.1980- III ZR 23 I 78 -, BGHZ 76, 343 = NJW 1980, 1683- Teilungsgenehmigung; Urt. v. 22.1 0. 1981- II1 ZR 37180-, NVwZ 1982,98 = DÖV 1982,417 = UPR 1982,229 - Sanatorium; Urt. v. 20.9.1984- III ZR 47 I 83-, BGHZ 92, 164 = NJW 1985, 1778- Kooperationsvertrag; Urt. v. 9.4.1987 - III ZR 181 I 85-, BGHZ 100, 329 = BauR 1987, 429 = DÖV 1987, 742- Holzpresserei. Der Anspruch ist vor den Zivilgerichten geltend zu machen, so BGH, Urt. v. 3.10.1985 - III ZR 60 I 84 -, DVBI. 1986, 409 = NJW
1986, 1109.
BGH, Urt. v. 7.2.1980- II1 ZR 23178-, BGHZ 76,343. Derartige Ansprüche gehören nach § 40 II VwGO vor die Zivilgerichte, vgl. BGH, Urt. v. 18.6.1978 - III ZR 48 I 76 -, BGHZ 71, 386, 392 ff.; Urt. v. 22.11.1979 - I1I ZR 186 I 77 - , BGHZ 76, 16, 22 ff.; Urt. v. 17.2.1980- III ZR 23 I 78 -, BGHZ 76, 343 ff.; Urt. v. 11 .12.1983 - III ZR 38 I 82 - , LM Nr. 54 zu § 133 (C) BGB; Urt. v. 17.2.1980- III ZR 23 I 78 -, BGHZ 76, 343, 348; Urt. v. 13.10.1985 - III ZR 60 I 84 -, NJW 1986, 1109 = DVBI. 1986, 409 = NVwZ 1986, 420- culpa in contrahendo, zum Anspruch eines Bauträgers gegen eine Gemeinde auf Ersatz von Aufwendungen im Zusammenhang mit einer fehlgeschlagenen Bauleitplanung. 71 BGH, Urt. v. 8.6.1978 - III ZR 48176-, BGHZ 71,386 = DVBI. 1978,798 Folgelastenvertrag. 72 BGH, Urt. v. 22.11.1979 - 111 ZR 186 I 77 -, BGHZ 76, 16 = DVBI. 1980, 679. 69 70
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XI. Verbot subjektiver Abwägungssperren Die Regelungsmöglichkeiten des städtebaulichen Vertrages stoßen zudem auf rechtsstaatliche Grenzen, die sich vor allem aus dem Abwägungsgeboe3 und der Eigenturnsgarantie ergeben: Rechtsstaatliche Planung muß ein hohes Maß an Neutralität wahren und darf den Bürgern nicht als "abgekartetes Spiel" von Interessengruppen erscheinen. Eine einseitige Inpflichtnahme der öffentlichen Hand durch private Investoren ist nicht zulässig. Verträge, durch die die Planung einseitig gebunden wird und den übrigen Bürgern und Planbetroffenen nicht mehr neutral erscheint, verstoßen gegen das Abwägungsgebot. 74 Vor allem ist eine subjektive Abwägungssperre, bei der sich die öffentliche Hand einseitig bindet, verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar. 75 Die Beteiligten stehen in der Gefahr, daß die nichtigen Verträge rückabzuwickeln sind. 76 So ist nicht nur die Verpflichtung der Gemeinde, einen Bebauungsplan aufzustellen, nichtig. 77 Unzulässige Bindungen können auch zur Unwirksamkeit der Bauleitplanung fiihren. 78 Jedenfalls kann eine zu enge Nähe von Gemeinde und Investor Indiz für einen Abwägungsfehler sein. Ein auf einer unzulässigen Vorwegnahme planerischer Entscheidungen beruhender Abwägungsmangel kann allerdings geheilt werden, wenn die zuständige Gemeindevertretung die bisherige Fehlerhaftigkeit der Planung gerade wegen der unzulässigen Vorwegnahme der planerischen Entscheidung erkannt hat, die Gemeinde aus der Erkenntnis dieser Fehlerhaftigkeit die erforderlichen Schlüsse gezogen hat und die dann getroffene Entscheidung selbst sowohl vom Abwägungsvorgang als auch vom Abwägungsergebnis her dem Abwägungsgebot genügt. 79
73 BYerwG, Urt. v. 12.12.1969-4 C 105.66-, BVerwGE 34, 301 =Hoppe I Stüer RzB Rdn. 23 - Abwägungsgebot; Urt. v. 5.7.1974-4 C 50.72-, BYerwGE 45, 309 = Hoppe I Stüer RzB Rdn. 24- Delog-Detag; B. v. 9.11.1979-4 N 1.78 -, BVerwGE 59, 87 =Hoppe I Stüer RzB Rdn. 26- Normenkontrolle. 74 OLG München, Urt. v. 9.3.1976 -, BayOLGZ 1976,47 = BayVBI. 1976,378 = DÖV 1976, 573. 75 Zur bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung solcher Verträge BVerwG, Urt. v. 1.2.1980- 4 C 40.77 -, DVBI. 1980, 686 =Hoppe I Stüer RzB Rdn. 27- Rathaus Altenholz. 76 Zu den Grenzen der Rückabwicklung BVerwG, Urt. v. 14.4.1978-4 C 6.76 -, BYerwGE 55, 337 = BRS 37, Nr. 15 = KStZ 1980, 74 - Folgekostenvertrag; OVG Münster, Urt. v. 6.10.1977 - I1I A 793 I 75 -, DVBI. 1978, 305 - Schulbaukostenbeiträge; Urt. v. 14.11.1979- III A 942 I 77-, KStZ 1980, 72. 77 BGH, Urt. v. 22.11.1979- 111 ZR 186 I 77 -, DVBI. 1980, 679. 78 VG München, Urt. v. 18.11.1997 - M I K 96.5647 -, NJW 1998, 2070 - Einheimischenmodell. 79 OVG Münster, Urt. v. 25.11.1976- VIII A 1625 I 76-, OVGE 32, 174 = BauR 1977, I 00; vgl. auch BVerwG, B. v. 28.8.1987- 4 N 1.86 -, DVBI. 1987, 1273 = Hoppe I Stüer RzB Rdn. 63- Yolksfl.irsorge.
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Die Abgrenzung von zulässiger Einschaltung von Privaten und Interessenneutralität der öffentlichen Hand ist schwierig, im Gesetz nicht geleistet und setzt im Einzelfall behutsames Handeln voraus. Eine Mitwirkung Dritter im Planungsverfahren darf nicht dazu führen, daß die planende Gemeinde die Letztentscheidung und Gesamtverantwortung aus der Hand gibt und die betroffenen Bürger sich einseitigen Interessenentscheidungen anderer am Planungsgeschehen Interessierter ausgeliefert sehen. Dies ist auch im Blick auf die Eigentumsgarantie in Art. 14 GG nicht hinnehmbar. Vertragliche Regelungen dürfen die planende Gemeinde nicht einseitig binden und Entscheidungen vorwegnehmen, die erst auf der Grundlage der förmlichen Beteiligungsverfahren getroffen werden. Die Gesamtverantwortung der Planung muß daher bei der planenden Gemeinde liegen. Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine rechtsstaatliche Planung können durch vertragliche Vereinbarungen nicht beseitigt werden. Im Hinblick auf diese unverzichtbaren verfassungsrechtlichen Vorgaben ist beim Abschluß städtebaulicher Verträge im Hinblick auf einseitig begünstigende, das Planverfahren belastende Wirkungen Vorsicht am Platze: Rechte Dritter dürfen durch den Abschluß städtebaulicher Verträge nicht auf der Strecke bleiben. Dies gilt vor allem für einen entsprechenden Vorbehalt hinsichtlich der förmlichen Beteiligungsverfahren, die durch einseitige vertragliche Bindungen der planenden Gemeinde nicht "ausgehebelt" werden dürfen. Die gesetzliche Regelung des städtebaulichen Vertrages gibt der Praxis ein hilfreiches Instrumentarium an die Hand, das vor allem bei konkreten Investitionsvorhaben neue Perspektiven eröffnet. Aus Gründen der Wahrung des rechtsstaatlich gebotenen Planungsprozesses sollte jedoch mit diesem Instrumentarium bezogen auf beteiligte Drittinteressen behutsam umgegangen werden. Planung darf sich weder als "obrigkeitliche Hoheitsverwaltung" noch als "Spielball privatwirtschaftlicher Interessen" verstehen. Städtebauliche Planung steht im Dienste aller Bürger und muß sich vor allem durch Offenheit und Ausgewogenheit der Planungsprozesse und durch überzeugende Konzepte legitimieren. Dies setzt die strikte Beachtung förmlicher Verfahren und das Bemühen der politischen Entscheidungsträger um größtmögliche Akzeptanz bei den Betroffenen voraus.
Der Planungsgrundsatz der Nachhaltigkeit Von Stephan Mitschang
I. Einleitung Mit dem Inkrafttreten des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 1 wurde der Nachhaltigkeitsgrundsatz sowohl im neugefassten Raumordnungsgesetz2 als auch im novellierten Baugesetzbuch3 normiert und die im Zusammenhang mit einer "nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung" stehende Diskussion nunmehr auch auf die Ebenen der Regional- und Bauleitplanung verlagert. Verankert wurde das Nachhaltigkeitsprinzip in den Leitvorstellungen über die Raumordnung und in den Oberzielen der Bauleitplanung, die im Rahmen jeder städtebaulichen Planung zu berücksichtigen sind. Nachfolgend soll der Versuch unternommen werden, den Grundsatz der Nachhaltigkeit in seiner Bedeutung für die Bauleitplanung der Gemeinden zu beleuchten und seine möglichen Auswirkungen für die gemeindliche Planungspraxis zu erfassen. Anzusetzen ist im Hinblick daraufbei dem Begriff der "nachhaltigen Entwicklung" und seiner Bedeutung für die städtebauliche Entwicklung. Im Zusammenhang damit sollen im weiteren die bereits schon vor der gesetzlichen Implementierung des Nachhaltigkeitsprinzips in das Städtebaurecht bestehenden Operationalisierungsansätze in der Regional- und Stadtplanung näher betrachtet werden, bevor der Planungsgrundsatz der Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt der Erörterungen gestellt wird. In diesem Kontext wird vor allem der Frage nachzugehen sein, inwieweit aus der Verankerung des Nachhaltigkeitsprinzips in den bauleitplanerischen Oberzielen neue Anforde-
1 Gesetz zur Änderung des Baugesetzbuches und zur Neuregelung des Rechts der Raumordnung (Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 - BauROG) vom 18. August 1997, BGBI. I S. 2081. 2 Vgl. §I Abs. 2 Satz I des Raumordnungsgesetzes (ROG) vom 18. August 1997, BGBI. l S. 2081, ber. S. 2102. 3 Baugesetzbuch (BauGB) i.d. Neufassung der Bekanntmachung vom 27. August 1997, BGBI. I S. 2141 , ber. BGBI. !1998, S. 137.
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rungen an die Gemeinden abzuleiten und mit welchen Auswirkungen auf die kommunale Planungspraxis jene instrumentell zu bewältigen sind.
II. Zur Entstehung und zur Bedeutung des Begriffes der "nachhaltigen Entwicklung" Der Begriff der "Nachhaltigkeit" wurde durch die deutsche Forstwirtschaft bereits Anfang des 19. Jahrhunderts geprägt und kennzeichnet dort eine bestimmte Art der Waldbewirtschaftung, bei der einerseits die Produktionskraft des Waldes oder des Waldstandortes und die jeweilige Holzernte so in Einklang miteinander gebracht werden, daß langfristig ein möglichst hoher Holzertrag gewährleistet ist sowie andererseits Boden und Standort jedoch nicht beeinträchtigt werden4• Im heute gebräuchlichen Sinne ist der Begriff im Zusammenhang mit der Ende der achtziger Jahre sich in Politik und Gesellschaft in immer stärkerem Maße durchsetzenden Erkenntnis zu sehen, wonach in der Umweltgefährdung, insbesondere im Ressourcenverbrauch, eine die gesamte Menschheit betreffende Problematik besteht. Dies war auch der Grund dafiir, weshalb die Vereinten Nationen unter der Leitung der norwegischen Politikerirr Brundtland eine "Weltkommission fiir Umwelt und Entwicklung" mit dem Ziel einsetzten, eine Strategie ausfindig zu machen, die eine weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Einklang mit der der Erhaltung der Umwelt gewährleisten sollte. Mit dem im Jahre 1987 daraufhin erarbeiteten sogenannten "Brundtland-Bericht"5 mit dem Titel "Our common future" wurde "sustainable Development" als Gerechtigkeitsnorm, die gebietet, die Bedürfnisse der heutigen Generation so zu befriedigen, daß die Möglichkeiten zukünftiger Generationen ihre Bedürfnisse zu befriedigen, nicht beeinträchtigt werden, schließlich in die umweltpolitische Diskussion eingefiihrt6 . In die deutsche Sprache wurde "sustainable Development" zunächst als "dauerhafte Entwicklung" 7 übersetzt und sodann im Laufe der Zeit mit weiteren synonymen Begriffen wie "dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung"8 oder "zukunftsfähige Entwicklung"9 belegt10.
4 Haber, in: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hrsg.), Handwörterbuch der Raumordnung, 1995, S. 658 sowie ders., RuR 1994, S. 169 f. 5 Vgl. dazu: Hauff, Unsere gemeinsame Zukunft. Der Brundtland-Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, 1987. 6 Gatzweiler, Stadt und Gemeinde 1997, S. 126. 7 Hau.ff(Fußn. 5), S. 47. 8 Rat von Sachverständigen flir Umweltfragen, Umweltgutachten 1994 - Für eine dauerhaft-umweltgerechte Entwicklung, 1994.
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Rückblickend wurde dem Begriff der "nachhaltigen Entwicklung" international im Rahmen der dem Kommissionsbericht folgenden "UNO-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCD)" im Juni 1992 (sogenaMte "Rio-Konferenz") zum Durchbruch verholfen. Dort wurde unter anderem unter der Bezeichnung "Agenda 21" ein 40 Einzelpunkte betreffender Aktionsplan für nachhaltige Entwicklung von über 170 Staaten unterzeichnee 1• Das in dieser Agenda 21 weiter ausdifferenzierte Leitbild der nachhaltigen Entwicklung beinhaltet eine "ausgewogene" Verfolgung sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Ziele im Rahmen einer globalen Partnerschaft und orientiert sich besonders an den Bedürfnissen der Entwicklungs- und Schwellenländer und setzt sich insoweit mit allen Bereichen menschlichen Lebens auseinander. Allerdings spricht die Agenda von Rio in Kapitel 28 den Städten eine zentrale Rolle bei der Umsetzung der Aktionsfelder zu und zwar insoweit, als jene lokale Agenda 21-Prozesse initiieren und vor Ort mit Vertretern aller gesellschaftlich relevanten Gruppen, vor allem aber mit den BürgeriiUlen und Bürgern, umsetzen sollen12. Damit werden zum erstenmal auf einer weltweiten Umweltkonferenz die menschlichen Siedlungen, vor allem die Städte und ihr verdichtetes Umland zu Zielpunkten, auf die Einfluß genommen werden soll. Um einen intensiven Erfahrungsaustausch im Hinblick auf die unterschiedlichen Formen der Umsetzung der lokalen Agenda 21 herbeiführen zu köMen, wurde in der Folge auf europäischer Ebene eine "Kampagne zukunftsbeständiger Städte und Gemeinden (Sustainable Cities & Towns Campaign)" ins Leben gerufen und schließlich im Mai 1994 von immerhin etwa 80 Kommunen eine "Charta der Europäischen Städte und Gemeinden auf dem Weg zur Zukunftsbeständigkeit", die sogenaMte "Charta von Aalborg", unterzeichnet. Auchjene sieht unter Hervorhebung des Grundsatzes der kommunalen Selbstverwaltung als wichtiges Element des Agenda-Prozesses die Einbeziehung der BürgeriMen und Bürger als "Schlüsselakteure" vor, weist auf zukunftsfähige FlächeMutzungsstrukturen hin und fordert auf, Verantwortung für das Weltklima zu über-
9 BUND I Misereor (Hrsg.), Zukunftsfähiges Deutschland - Ein Beitrag zu einer global nachhaltigen Entwicklung. Studie des Wuppertal Instituts flir Klima, Umwelt, Energie, 1996, S. 24. 10 Während Finke, Thesen aus ökologischer Sicht zum Themenbereich "dauerhafte, umweltgerechte Raumentwicklung" sustainable Development, in: Akademie flir Raumforschung und Landesplanung, Raumordnungspolitik in Deutschland, Forschungs- und Sitzungsberichte Bd. 197, 1994, S. 48 noch auf dreißig verschiedene Definitionen zum Begriff der "nachhaltigen Entwicklung" verweisen konnte, berichtet Hübler im Vorwort zu Wolf, Nachhaltige Raumentwicklung, 1996, S. 5 von 146 Versionen allein im deutschsprachigen Raum. 11 Dazu ausführlich: Lembke, ZA U 1992, S. 322 ff. 12 Vgl. Masberg, RuR 1998, S. 90 ff. ; Keuler, BBaubl. 1993, S. 167 ff.; kritisch: Schuber/, RaumPlanung 1996, S. 68 ff. sowie ders., db 1998, S. 51 ff.
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nehmen und die Vergiftung von Ökosystemen zu vermeiden. Die Nachfolgekonferenz im Oktober 1996 in Lissabon und der dort verabschiedete "Lisboa Action Plan" unterstreichen das breite Interesse seitens der Kommunen in einen solchen lokalen Agenda-Prozeß einzutreten und konkrete Handlungsschritte im Sinne der nachhaltigen Entwicklung einzuleiten 13 • Auf nationaler Ebene wurde von dem zwischenzeitlich eingesetzten Deutschen Nationalkomitee und dem dazugehörigen Exekutivausschuß in Vorbereitung auf die Weltsiedlungskonferenz Habitat II sowohl der Nationalbericht14 erarbeitet als auch der "Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung" des Deutschen Nationalkomitees verabschiedee 5• Im Juni 1996 fand schließlich die Weltsiedlungskonferenz Habitat II der Vereinten Nationen in Istanbul statt, die mit der Vereinbarung über die Habitat-Agenda abgeschlossen wurde 16 und nach einem schwierigen Meinungsbildungsprozeß nachdrücklich den Willen der beteiligten Nationen zur Bewältigung der komplexen Urbanisierungsprobleme bekundet. Entsprechend der Devise "Think global - act local" wurde im Rahmen dieser Konferenz die Aufforderung zur Bewältigung der Nachhaltigkeitsanforderungen nicht nur an die Staaten, sondern wiederum an die Städte und Gemeinden gerichtet 17 • Zur Sicherung des institutionellen Rahmens für die Umsetzung der HabitatAgenda hat die Bundesrepublik Deutschland ein eigenes "Habitat-Follow up" geschaffen, dessen mittelfristiger Arbeitsschwerpunkt in der im kommenden Jahr in Berlin stattfindenden "Weltkonferenz für die Zukunft der Städte- Urban 21" liegen soll. Im Rahmen dieser Konferenz sollen konkrete Probleme der Stadt- und Siedlungsentwicklung, differenziert nach den verschiedenen Regionen der Welt mit ihren unterschiedlichen wirtschaftlichen, sozialen, klimatischen und kulturellen Entwicklungsbedingungen, angesprochen werden. Darüber hinaus sollen in einem "Weltbericht zur Zukunft der Städte" Analyseergebnisse zu den gegenwärtigen Tendenzen der Stadtentwicklung mit ihren 13 Vgl. dazu auch die vom Deutschen Städtetag (Hrsg.) erarbeitete Orientierungshilfe "Städte für eine umweltgerechte Entwicklung". Materialien für eine "Lokale Agenda 21", Köln, 1995. Darin sind Vorschläge flir insgesamt 19 Handlungsfelder im Hinblick auf Handlungsgrund lagen, Ziele und Maßnahmen zu finden. 14 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.), Nationalbericht Deutschland zur Konferenz Habitat II, Siedlungsentwicklung und Siedlungspolitik, 1996. 15 Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Hrsg.), Nationaler Aktionsplan zur nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung - Deutsches Nationalkomitee Habitat II, 1996. 16 Vgl. dazu den Bericht zum Städtegipfel Juni 1996 in Istanbul: Pahi-Weber, Planerin 1996, S. 12 ff. 17 Dazu auch: Adam I Blach, Informationen zur Raumentwicklung 1997, S. 201 ff.; Konukiewitz I Schmitz, BBauBI. 1996, S. 250 ff.
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ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen nachteiligen Aspekten dargestellt werden. Auch ist beabsichtigt, daß die beteiligten Nationen erneut eine Charta verabschieden, in der die Visionen und Leitbilder für eine weltweit nachhaltige städtebauliche Entwicklung im 21 . Jahrhundert niedergelegt sind 18 • Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß das Postulat der "nachhaltigen Entwicklung" angesichts seiner allgemeinen und unverbindlichen Zieldefinitionen heute in der Bundesrepublik Deutschland von einem breiten gesellschaftlichen Konsens getragen wird. In diesem Zusammenhang darf aber auch nicht verhehlt werden, daß der Begriff der "nachhaltigen Entwicklung" aufgrund seines großen Angerneinheitsgrades und den damit verbundenen weitreichenden Interpretationsspielräumen zwischenzeitlich zunehmend auch kritischen Betrachtungen ausgesetzt ise 9 und im Hinblick darauf mit Kennzeichnungen wie "Leerhülse"20 oder "Mogelpackung"21 versehen wird.
111. Operationalisierungsansätze in der Regionalund Stadtplanung Operationalisierungsansätze auf dem Gebiet der nachhaltigen Entwicklung beziehen sich in der Praxis eindeutig auf die regionale und kommunale Ebene, stecken jedoch noch in den Anfängen22 . Dem entspricht es, wenn nach den Grundsätzen der Agenda 21 das Ziel der nachhaltigen Entwicklung auch in der Stadt- und Siedlungspolitik zu verfolgen ist. Insoweit angesprochen sind sowohl die Regional- als auch die Stadtplanung. Wenngleich heute einige Regionen sowie eine große Zahl von Städten und Gemeinden einen lokalen Agenda 21-Prozeß initiiert haben, so darf dennoch nicht außer acht gelassen werden, daß inhaltliche und verfahrensmäßige Abstimmungen zwischen den Regionen oder den Städten und Gemeinden bzw. je18 Zur Veranstaltung "Urban 21 " , vgl. Krautzberger I Blote, BBauBI. 1998, S. I 0 ff. sowie Döhne I Krautzberger, BBauBI. 1997, S. 83 . 19 Vgl. Aring, RaumPlanung 1997, S. 305 f. 20 Schuber/, (Fußn. 12), S. 73. 21 Klemmer, Sustainable Development - Die Wirtschafts- und gesellschaftspolitische Perspektive: Ressourcen- und Umweltschutz um jeden Preis?, in: Akademie flir Raumforschung und Landesplanung, Dauerhafte umweltgerechte Raumentwicklung, Arbeitsmaterialien Nr. 212, 1994, S. 189. 22 Vgl. dazu die Ausführungen von Gustedt I Kanning, RuR 1998, S. 167 ff. sowie von Masberg (Fußn. 12), S. 91 , wo darauf hingewiesen wird, daß erst seit etwa 1995 eine Auseinandersetzung mit den Nachhaltigkeitszielen in deutschen Kommunen stattfindet.
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ner mit der Region nicht stattgefunden haben. Vergleichende Untersuchungen belegen, daß verschiedene Agenda-Initiativen völlig unterschiedliche Ziele verfolgen und infolgedessen auch unterschiedliche Zieladressate ansprechen23 • Vielfach handelt es sich um Einzelprojekte, die isoliert und ohne Einbindung in einen konzeptionellen Rahmen angegangen werden. Weiterhin mangelt es an Zeit- und Umsetzungsplänen, so daß für den Erfolg der Initiative erforderliche Entscheidungen entweder zu spät oder gar nicht getroffen werden, bzw. daß faktische Hinderungsgründe eine Umsetzung unmöglich werden lassen. Schließlich sind auch Unstimmigkeiten in Bezug auf Aufgaben- und Kompetenzzuweisungen erkennbar, die nicht oder nur mit großem Zeit und sonstigem Aufwand beseitigt werden können, vielfach sogar offen bleiben24 . Zusammengenommen ist das Bild, das sich derzeit offenbart, alles andere als klar und einheitlich25. Sinnvoll wäre in diesem Zusammenhang sicherlich eine Koordinierung oder Bündelung von Maßnahmen, um die damit einhergehende Wirkungssteigerung nutzen zu können. Dennoch lassen sich Ansatzpunkte fiir die Umsetzung des Zieles der nachhaltigen Entwicklung insbesondere im Bereich der Politik und zwar in Form von Vereinbarungen oder Absichtserklärungen feststellen. Erfaßt werden dabei alle Sektoren, also sowohl der ökologische und ökonomische als auch der soziale Bereich. Vor allem der bereits erwähnte Nationale Aktionsplan zur nachhaltigen Siedlungsentwicklung des Deutschen Nationalkomitees Habitat II enthält auf der Grundlage der Erkenntnis, daß viele ökologische und soziale Probleme auf die Siedlungsweise und Raumnutzung zurückzuführen sind, umfassende programmatische Zielvorstellungen für eine nachhaltige Regional- und Stadtentwicklung26 . In diesem Sinne werden als bedeutsame Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung angesprochen: •
die Bewahrung und Weiterentwicklung der günstigen dezentralen Siedlungsstruktur,
Vgl. dazu die Darlegungen von Masberg (Fußn. 12), S. 95 ff. So zurecht resümierend: Schubert (Fußn. 12), S. 55. 25 In diesem Sinne auch: Kühn I Moss, Nachhaltige Entwicklung- lmplikationen flir die Stadt- und Regionalforschung, in: Kühn I Moss (Hrsg.), Planungskultur und Nachhaltigkeit, 1998, S. 19. 26 Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auch auf den im Jahre 1993 vom Bundesministerium flir Raumordnung, Bauwesen und Städtebau herausgegebenen Raumordnungspolitischen Orientierungsrahmen der Bundesregierung sowie den ebenfalls vom Bundesministerium fllr Raumordnung, Bauwesen und Städtebau im Jahre 1995 herausgegebenen Raumordnungspolitischen Handlungsrahmen und das darin niedergelegte mittelfristige Aktions- und Arbeitsprogramm der Ministerkonferenz flir Raumordnung durch die ebenfalls dien Zielsetzungen der nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen wird. Vgl. dazu: Wolf, Nachhaltige Raumentwicklung, I 996, S. 71 ff. sowie Spangenberger, VR 1997, S. 394. 23
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•
die Bildung und der Ausbau von Städtenetzen,
•
der Abbau von Anreizen zur Dis- und Suburbanisierung sowie
•
die Stabilisierung ländlicher Räume und Siedlungen27 •
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Gestützt wird die Umsetzung dieser Zielvorstellungen durch Förderprogramme im Rahmen des Experimentellen Wohnungs- und Städtebaus. Insoweit hinzuweisen ist auf die Forschungsprogramme "Städte der Zukunft"28 auf der örtlichen sowie "Regionen der Zukunft" 29 auf der entsprechenden regionalen Ebene. Es braucht nicht weiter ausgefiihrt zu werden, daß eine Operationalisierung der Nachhaltigkeitsanforderungen im Hinblick auf ihren großen Allgemeinheitsgrad und den insoweit induzierten Interpretationsspielräumen in konkrete Strategien und Handlungserfordernisse in den Gebieten der Regional- und Stadtplanung, anders als etwa in den Bereichen der Politik, auf nicht ohne weiteres ausräumbare Probleme stößt und Diskussionsbedarfe auslöst. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise feststellbar, daß die einzelnen AgendaInitiativen vielfach zu sehr sektoral ausgerichtet sind, also entweder auf ökonomische oder auf ökologische bzw. auf allein soziale Belange abstellen und den mit der nachhaltigen Entwicklung einhergehenden integrativen Ansatz außen vorlassen. Soweit jedenfalls sektorale Ansatzpunkte zum Tragen kommen, handelt es sich in überwiegendem Maße um ökologische Aspekte der Nachhaltigkeit. Auch in dem durch die Bundesforschungsanstalt fiir Landeskunde und Raumordnung erarbeiteten Städtebaulichen Beriche0 fmdet - schon unmißverständlich durch den Titel der Arbeit "Nachhaltige Entwicklung - Herausforderungen fiir einen ressourcenschonenden und umweltverträglichen Städtebau" zum Ausdruck gebracht - eine auf ökologische Handlungsfelder verengte Darstellung von Handlungserfordernissen statt31 und zwar dergestalt, daß den Handlungsfeldern "Ressourcennutzung in den Städten", "Regionale Stoffaustauschprozesse" und "Räumliche Ordnungsprinzipien" konkrete Handlungserfordernisse auf den Gebieten der "Stadterneuerung und Stadtumbau", der "Vitalisierung bestehender Wohn- und Gewerbegebiete am Stadtrand", der "umweltverträglichen Stadterweiterung" und der "geordneten stadtregionalen
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ff.
Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau (Fußn. 15), S. 4
Dazu genauer: Döhne I Krautzberger (Fußn. 18, S. 83 ff. Ausführlich: Adam I B/ach (Fußn. 17), S. 207 ff. 30 Bundesforschungsanstalt für Landeskunde und Raumordnung (Hrsg.), Nachhaltige Entwicklung - Herausforderungen an einen ressourcenschonenden und umweltverträglichen Städtebau, 1996. 31 Kritisch zurecht: Löhr, Informationen zur Raumentwicklung 1996, S. 99 ff. 28
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Entwicklung" zugewiesen werden32, ohne jedoch die bestehenden wechselseitigen Konfliktpotentiale zu erörtem33 • Erklärbar mag diese Bevorzugung des ökologischen Sektors dadurch sein, daß jener eher operationalisierbar ist, als der wirtschaftliche und vor allem der soziale Sektor, bei dem es neben Fragen der intergenerativen Gerechtigkeit, vorwiegend um Partizipationsfragen der betroffenen Gesellschaftsebenen geht. Ebenso noch keine Lösung kann für die Frage nach der besseren Strategie zur Erreichung des Ziels der nachhaltigen Entwicklung angeführt werden34 • Nach wie vor streitet man in Wissenschaft und Praxis gleichermaßen darüber, ob eher eine "top-down-Strategie", also eine Vorgehensweise, bei der sozusagen "von oben" gelenkt und gesteuert wird, angebracht ist, eine Zielannäherung zu gewährleisten, oder ob nicht vielleicht doch besser eine "bottom-up-Strategie", also ein auf Planungsdemokratie und Selbstverantwortlichkeit setzender Prozeß, einzuleiten ist. Wenngleich die herrschende Meinung 35 eine "bottom-up-Strategie" unter Bezugnahme auf das Erfordernis eines von breiten Bevölkerungsschichten getragenen Konsenses präferiert, so wird man eine kategorische Anwendung dieser Umsetzungsstrategie wohl ebenso ablehnen müssen, wie eine umgekehrt strikte Anwendung der "top-down-Strategie". Vielmehr wird im Rahmen der Umsetzung von Nachhaltigkeitsanforderungen in nicht wenigen Fällen auf Situationen treffen, in denen der Erfolg einer Agenda-Initiative von der zeitgleichen oder auch zeitversetzten Anwendung beider Strategien abhängig sein kann, jedoch stets "von oben" gewollt sein muß 36. Der angestrebten Konsensfmdung aufbreiter Gesellschaftsbasis entspricht die zunehmende Bedeutung informeller Instrumente. Derartige, auch im interkommunalen Rahmen zur Anwendung kommende Kooperations- und Konsensstrategien37 mit einer intensiven Informations-, Beratungs- und Moderationstätigkeie8 tragen in hohem Maße dazu bei, das Ziel der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen39. Planungs- und EntscheidungsprozesIm einzelnen dazu auch: Gatzweiler (Fußn. 6), S. 128 ff. Ebenso: Kühn I Moss (Fußn. 25), S. 21 und Hesse, RuR 1996, S. I 08. 34 Zum Streitstand, vgl. Kühn I Moss (Fußn. 25), S. 24 f. 35 Siehe dazu: Bundesforschungsanstalt flir Landeskunde und Raumordnung (Fußn. 30), S. 25; Fürst, Nachhaltige Politik und kommunalpolitische Handlungsspielräume, in: Ritter (Hrsg.), Stadtökologie, 1995, S. 68 und Behr, Neue Formen des "StädteManagements" aufWegen zur Lokalen Agenda 21 , in: Kühn I Moss (Fußn. 25), S. 183; Burmeister I Hokkeler, Informationen zur Raumentwicklung 1998, S. 34 ff.; Spangenherger (Fußn. 21 ), S. 404; Priehs, Kooperations- und Konsensstrategien, in: Deutsches Institut flir Urbanistik (Hrsg.), Flächensteuerung in Großstadtregionen-Ansätze flir eine nachhaltige Siedlungsentwicklung, 1997, S. 151 und Hilligardt, RuR 1998, S. 17. 36 Zutreffend: Behr (Fußn. 35). 37 Z.B. Städtenetze und Regionalkonferenzen. 38 Genauer: Heinzel, Mediationsverfahren in der Stadt- und Regionalplanung, Konzepte und Verfahren, in: Kühn I Moss (Fußn. 25), S. 81 ff. 39 Spangenherger (Fußn. 26), S. 404. 32 33
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se verlangen daher nicht nur offengelegt, um akzeptiert zu werden, sondern auch einen gemeinsam gestalteten Planungs- und Entscheidungsprozeß. Dabei geht es vor allem um eine aktive Mitwirkung der Betroffenen. Zusammenfassend kann festgehalten, daß die bestehenden Operationalisierungsansätze zur Umsetzung des Ziels der nachhaltigen Entwicklung weder eine gemeinsame Zielorientierung aufweisen, noch sonst in irgendeiner Form ein abgestimmtes Vorgehen der einzelnen Akteure erkennen lassen, mit der Folge brachliegender Synergieeffekte. Aufgrund des weitreichenden Allgemeinheitsgrades des Ziels der "nachhaltigen Entwicklung" und der im Zusammenhang damit sich zwangsläufig eröffnenden Interpretationsspielräume, ergeben sich in Ermangelung von Patentrezepten40 bei der praktischen Anwendung Umsetzungsprobleme im Hinblick auf die Bestimmung konkreter Handlungserfordernisse. Informelle Ansätze entlasten die Diskussion um die "richtigen" Ansätze einer nachhaltigen Entwicklung und erhöhen die Akzeptanz von Planungs- und Entscheidungsprozessen, auch im interkommunalen Rahmen. Ausblickend sind "von oben" gewollte und regional sowie kommunal abgestimmte Vorgehensweisen erforderlich. Im Hinblick auf die nach wie vor bestehenden Gemeindeegoismen und unter Berücksichtigung des nationalen sowie internationalen Wettbewerbsdrucks, dem sowohl die Regionen als auch die Städte und Gemeinden ausgesetzt sind, muß ein regional- und stadtplanerisches Leitbild "nachhaltige Entwicklung" gegenwärtig mit einem Fragezeichen versehen werden.
IV. Nachhaltige städtebauliche Entwicklung als Grundsatz der Bauleitplanung
Mit dem lokrafttreten des Bau- und Raumordnungsgesetzes ist das Nachhaltigkeitsprinzip nicht nur für die Raumordnung, sondern auch in der Bauleitplanung verankert worden. Die Bauleitplanung soll nunmehr eine "nachhaltige städtebauliche Entwicklung" gewährleisten. Inwieweit sich daraus neue Anforderungen an die Gemeinden als Träger der Bauleitplanung ergeben, soll im folgenden untersucht werden.
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Zutreffend: Albers, Die alte Stadt 1997, S. 290.
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1. Verankerung des Nachhaltigkeitsprinzips in den Oberzielen der Bauleitplanung Ein Ziel des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 war es, der in Art. 20 a GG41 geregelten Staatszielbestimmung Umweltschutz42 auch im Bau- und Planungsrecht Rechnung zu tragen43 • Jene verpflichtet alle staatliche Gewalt bei allen staatlichen Planungen und Maßnahmen die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen, zu entwickeln und zu bewahren. Dabei kommt dem Nachweltschutz und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen eine besondere Bedeutung zu. Deshalb wurden durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 die bauleitplanerischen Oberziele im Sinne des Nachhaltigkeilsprinzips geändert und ergänzt und dadurch die Bauleitplanung insgesamt dieser Zielsetzung verpflichtet44 • Interessanterweise war eine Verankerung des Nachhaltigkeilsprinzips in den bauleitplanerischen Oberzielen im Entwurf der Bundesregierung für das Bauund Raumordnungsgesetz 1998 nicht enthalten45, sondern wurde erst auf Vorschlag des "Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau" in den Gesetzesentwurf aufgenommen46• Zugleich gestrichen wurde, daß die städtebauliche Entwicklung der Gemeinden "geordnet" verlaufen sol147 • Nach § 1 Abs. 5 Satz I BauGB sollen daher die Bauleitpläne heute eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung und eine dem Wohl der Allgemeinheit entsprechende sozialgerechte Bodennutzung gewährleisten und dazu beitragen, eine menschenwürdige Umwelt zu sichern und die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen und zu entwickeln. Eine inhaltliche Erläuterung dessen, was unter einer "nachhaltigen" städtebaulichen Entwicklung zu verstehen ist, ergibt sich unter Bezugnahme auf den Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau im wesentlichen aus der Habitat-Agenda der Istanbul-Konferenz48 , nach der eine nachhaltige Entwicklung einen gerechten Ausgleich der sozialen, ökonomi41 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vom 23. Mai 1949, BGBI. I S. I, zu I. geänd. durch Gesetz vom 20. Oktober 1997, 8GB I. I S. 2470. 42 Zur Staatszielbestimmung Umweltschutz, vgl. Schink, DÖV 1997, S. 221 ff.; Waechter, NuR 1996, S. 321 ff.; Murswiek, NYwZ 1996, S. 222; Henneke, NuR 1995, S. 325 ff. sowie Kloepfer, DVBI. 1996, S. 73 ff. 43 Genauer dazu: Battis I Krautzberger I Löhr, NVwZ 1997, S. 1146 f.; Lüers, ZffiR 1997, S. 231 ff.; Wagner, DYBI. 1996, S: 704 ff. und Bunzel, NuR 1997, S. 583 ff. 44 Schink, BauR 1998, S. 1164. 45 Ygl. BT-Drs. 13 I 6392 vom 4 . Dezember 1996. 46 Vgl. BT-Drs. 13 I 7588 und BT-Drs. 13 I 7589 vom 2. Mai 1997, S. 14. 47 Dazu genauer weiter unten : vgl. D. 4. b}. 48 Vgl. oben 8 .
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sehen und ökologischen Belange umfaßt. Durch die nachhaltige Entwicklung soll sichergestellt werden, daß der Umweltschutz mit ökonomischen und sozialen Entwicklungsinteressen der Gegenwart in Einklang gebracht wird, ohne daß künftigen Generationen die Fähigkeit zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse genommen wird. Damit entspricht das bauleitplanerische Oberziel der nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung für die örtliche Ebene der Leitvorstellung der Raumordnung für die regionale Planungsstufe, wonach eine nachhaltige Raumentwicklung die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften großräumig ausgewogenen Ordnung führt49. Die Verankerung des Grundsatzes der Nachhaltigkeit in den Oberzielen der Bauleitplanung verdeutlicht zunächst, daß auch der Umweltschutz ein Ziel der schon seit jeher umweltorientierten Bauleitplanung50 ist und stellt darüber hinaus klar, daß die Belange des Umweltschutzes gleichgewichtig neben den anderen bauleitplanerischen Oberzielen stehen. Zwar wird die Bauleitplanung dadurch nicht zu einer Umweltplanung51 , doch wird durch die Einbeziehung des Nachhaltigkeitsgedankens als Planungsgrundsatz die Bedeutung der Bauleitplanung für den Nachweltschutz und damit für die Erhaltung und Sicherung der natürlichen Lebensgrundlagen für künftige Generationen herausgestellt52 •
2. Konkretisierung durch Planungsleitlinien Bei dem in § I Abs. 5 Satz 2 BauGB angefiihrten Katalog handelt es sich um eine nicht abgeschlossene 53 und nahezu im Rahmen jedes Gesetzgebungsverfahrens präzisierte Auflistung54 von bei der bauleitplanerischen Abwägung zu berücksichtigenden Belangen. Im Rahmen der zehn angegebenen Ziffern wird den wichtigsten bei der Planung zu beachtenden Belangen Rechnung getragen. In diesem Zusammenhang ist allerdings darauf hinzuweisen, daß die in § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB aufgelisteten Planungsleitlinien überwiegend solche öf49
Vgl. § I Abs. 2 Satz I ROG sowie die Ausführungen von Erbguth, DÖV 1998,
s. 673 ff.
50 Siehe dazu: Stich, VDI-Zeitschrift "Umwelt" 1977, S. 66 ff. sowie Mitschang, Die Belange von Natur und Landschaft in der kommunalen Bauleitplanung, 2. Aufl. 1996, S. I ff. 51 Schink, BauR 1998, S. 1163. 52 Dazu genauer unten D. 4. c) bb). 53 W. Schrödter, in: Schrödter, BauGB, 6. Aufl. 1998, § I Rn. 92; Krautzberger (Fußn. 43), § I Rn. 48. 54 So auch im Rahmen der Änderung des Baugesetzbuches durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998, vgl. dazu Schlichter I Stich (Hrsg.), Berliner SchwerpunkteKommentar zum BauGB 1998, § Rn. 8 ff.
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fentlichen Belange ansprechen, die durch Rechtsnormen außerhalb des Baugesetzbuches konkretisiert werden 55 . Da sie der Regelungskompetenz der Gemeinden nicht unterliegen, kann sich die Planung der Gemeinde über sie nicht hinwegsetzen. In besonderem Maße gilt dies fiir Fachplanungsentscheidungen im Sinne von§ 38 BauGB, aber auch fiir Entscheidungen anderer Verwaltungsträger, wie etwa im Bereich des Denkmal- und Naturschutzrechts. Die im Sinne von unbestimmten Rechtsbegriffen in § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB angefiihrten planungssteuernden Oberziele der Bauleitplanung werden infolge ihres allgemeinen und abstrakten, generalklauselartigen Charakters durch die in § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB aufgelisteten Planungsleitlinien konkretisiert und erleichtern der Gemeinde insoweit die Zusammenstellung des Abwägungsmaterials56. Während so etwa dem Oberziel "sozialgerechte Bodennutzung" sowie den Oberzielen "menschenwürdige Umwelt" und "Schutz und Entwicklung der natürlichen Lebensgrundlagen" eindeutig mehrere der aufgelisteten Planungsleitlinien zugeordnet werden können, kann eine solche Aussage aufgrund des umfassenden Inhaltsanspruchs des Oberziels der "nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung" im Sinne eines Ausgleichs von sozialen, ökonomischen sowie ökologischen Interessen, fiir dieses Oberziel nicht getroffen werden. Vielmehr entsprechen ihm alle der in § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB angefiihrten Planungleitlinien gleichermaßen. Im Hinblick auf eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung sind im Zusammenhang mit den in § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB enthaltenen Planungsleitlinien dennoch zwei Aspekte hervorzuheben. So haben die Planungsleitlinien auch außerhalb der eigentlichen Bauleitplanung Relevanz, beispielsweise im Rahmen von § 31 Abs. 2 Nr. 2 BauGB oder von § 35 Abs. 3 BauGB. Für die Berücksichtigung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes im Rahmen dort zu treffender Entscheidungen ist dies von großer Bedeutung. Außerdem ist auf die Erweiterung des Katalogs abwägungserheblicher Belange durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 hinzuweisen. Ergänzt wurde die Ziffer 10, nach der "die Ergebnisse einer von der Gemeinde beschlossenen sonstigen städtebaulichen Planung" bei der Aufstellung der Bauleitpläne zu berücksichtigen sind. Zwar handelt es sich insoweit lediglich um eine Klarstellung fiir die Planungspraxis57, mit der zum Ausdruck gebracht werden sollte, daß in die bauleitplanerische Abwägung auch sogenannte "informelle Planungen", - soweit ss W. Schrödter (Fußn. 53), § I Rn. 92 a und Krautzberger (Fußn. 43), § I Rn. 51.
56 Gaentzsch, in: Schlichter I Stich (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Baugesetz-
buch, 1995, § I Rn. 50 weist den Planungsleitlinien die Funktion einer "Aufmerksamkeitsschwelle" zu. 57 Gaentzsch (Fußn. 56), § I Rn. 4 weist darauf beispielsweise flir die bis zum Inkrafttreten des Baugesetzbuches im Jahre 1987 noch im Gesetz enthaltene städtebauliche Entwicklungsplanung hin.
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sie von der Gemeinde beschlossen sind - wie etwa Rahmenplanungen, städtebauliche Entwicklungsplanungen sowie sonstige städtebauliche Konzeptionen, einzubeziehen sind58 • Im Nachhaltigkeilsdiskurs erlangt dies insoweit Bedeutung, da danach auch informelle Planungen soweit sie beispielsweise im Rahmen von Agenda 21-Prozessen entstanden sind59, ebenso bei der bauleitplanerischen Abwägung einer Beachtenspflicht unterliegen. 3. Abwägungsgebot und Nachhaltigkeitsgrundsatz
Nach § I Abs. 6 BauGB sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Unter strukturellen Gesichtspunkten betrachtet, handelt es sich bei dem Abwägungsgebot um einen mehrstufigen Vorgang60, der in folgende Abwägungsphasen unterteilt werden kann: •
Zusammenstellung des Abwägungsmaterials,
•
Gewichtung der zu berücksichtigenden Belange,
•
Ausgleich der betroffenen Belange.
In Verbindung mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs ergibt sich ein Diskussionsbedarf insbesondere im Hinblick auf die zweite und dritte Abwägungsphase. So wird die Auffassung vertreten, den Umweltbelangen käme gegenüber den sozialen und den ökonomischen Belangen ein grundsätzlicher Vorrang zu61 • Ein derart konstruiertes Primat der ÖkoloSie62 ist mit dem bauleitplanerischen Abwägungsgebot jedoch nicht vereinbar6 • Durch den Plangeber sind alle abwägungserheblichen Belange in die Abwägung einzustellen; sie stehen einander prinzipiell gleichrangig gegenüber64. Entscheidend ist vielmehr das tatsächliche Betroffensein eines Belangs, also 58 Ausführlich dazu: Krautzberger (Fußn. 43), § I Rn. 79 ff. und W. Schrödter (Fußn. 53),§ I Rn. 155. 59 Vgl. oben C. 60 Hoppe, DVBI. 1977, S. 136; ders., in: Hoppe I Grotefels, Öffentliches Baurecht, 1995, § 7 Rn. 44 ff.; Kuschnerus, Der sachgerechte Bebauungsplan, 1997, S. 95 ff.; Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 1997, Rn. 576 ff.; Erbguth I Wagner, Bauplanungsrecht, 3. Aufl. 1998, Rn. 221 ff. 61 Vgl. z.B. Finke, Informationen zur Raumentwicklung 1996, S. 109 ff. sowie ders. (Fußn. I 0), S. 56, wonach die Strategie der nachhaltigen Raumentwicklung sogar gegen den Willen der Bevölkerung durchzusetzen sei. 61 Vgl. dazu auch oben C. 63 Löhr (Fußn. 31 ), S. I 0 I ; Schink (Fußn. 51), S. 1164 und Mitschang, Eingriffsregelung und nachhaltige Flächennutzungsplanung, demnächst in Zeitschrift für deutsches und internationales Baurecht 1999. 64 BVerwG, Beschluß vom 5. April 1993-4 NB 3.91 -, NVwZ 1994, S. 288.
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das quantitative Maß seines Betroffenseins65 • Sind beispielsweise in einem Planungsfalle die Belange des Umweltschutzes in besonderem Maße negativ betroffen, so können diese in der konkreten Situation entgegenstehende andere Belange überwiegen, soweit jedenfalls deren Betroffenheit nicht gleichermaßen hoch zu veranschlagen ist. Lediglich bei den im Abwägungsprogramm in § 1 Abs. 5 BauGB sowie in § 1 a BauGB besonders betonten Belangen hat der Gesetzgeber von seiner Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch Gewichtungsvorgaben steuernd auf den Abwägungsvorgang Einfluß zu nehmen, so daß deren Zurücksetzung angesichts der konkreten Situation eine besondere Rechtfertigung erfordert66 • Davon betroffen sind die bauleitplanerischen Oberziele in § I Abs. 5 Satz 1 BauGB, die Umwidmungssperrklausel in § I Abs. 5 Satz 3 BauGB sowie die Bodenschutzklausel in § 1 a Abs. 1 BauGB. In der letzten Abwägungsphase ist, nachdem die von der Planung betroffenen Belange erkannt und entsprechend ihrer konkreten Betroffenheit gewichtet wurden, in den Ausgleich der betroffenen Belange einzutreten und eine Abwägungsentscheidung herbeizuführen. Die Gemeinde hat dabei einen weiten Spielraum und entscheidet unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eigenverantwortlich67, welchen Belangen sie angesichts der konkreten Sachlage und unter Berücksichtigung ihrer Planungsziele einen Vorrang einräumt. Ein grundsätzliches Primat der Ökologie wäre damit nicht vereinbar und würde außerhalb des Abwägungsprogramms stehen und der Gemeinde eine strikte Beachtenspflicht - wie sie beispielsweise für die Ziele der Raumordnung gegeben ist - abverlangen. Dem das Nachhaltigkeitsprinzip tragenden gerechten Ausgleich zwischen den ökologischen, den ökonomischen sowie den sozialen Belangen könnte dann nicht mehr Rechnung getragen werden. Demzufolge ist die Abwägungsüberwindbarkeit der ökologischen Belange - wie der ökonomischen und sozialen Belange auch - geradezu eine Voraussetzung für eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung68 . 4. Faktische Auswirkungen auf die Bauleitplanung der Gemeinden
Soweit sich nach dem vorstehend Dargelegten durch die Verankerung des Nachhaltigkeitsprinzips in den bauleitplanerischen Oberzielen keine neuen rechtlichen Anforderungen an die Bauleitplanungen der Gemeinden ergeben, so bleibt noch danach zu fragen, ob sich vielleicht faktische Auswirkungen im Kuschnerus (Fußn. 60), Rn. 280. BVerwG, Beschluß vom 31. Januar 1997-4 NB 27.96-, DVBI. 1997, S. 1112. 67 Vgl. dazu: BVerwG, Beschluß vom 23. April 1997-4 NB 13.97-, BauR 1997, s. 798. 68 Ebenso: Runzel (Fußn. 43), S. 586. 65
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Hinblick auf den Nachhaltigkeilsdiskurs einstellen können. Dem soll im folgenden genauer nachgegangen werden. a) Verzicht auf eine geordnete städtebauliche Entwicklung?
Es ist bereits weiter oben darauf hingewiesen worden69, daß die bauleitplanerischen Oberziele mit der Novellierung des Baugesetzbuches durch das Bauund Raumordnungsgesetz geändert und ergänzt wurden. So sollen die Bauleitpläne nunmehr an Stelle einer "geordneten" eine "nachhaltige" städtebauliche Entwicklung gewährleisten. Insoweit ist zunächst danach zu fragen, ob künftig fiir die Bauleitplanung auf eine geordnete städtebauliche Entwicklung verzichtet werden soll. Um es vorweg zu nehmen: durch die Neufassung des § 1 Abs. 5 Satz 1 BauGB hat sich nichts an der Verpflichtung geändert, daß durch die Bauleitplanung eine geordnete städtebauliche Entwicklung herbeigefuhrt werden soll 70 • Vielmehr ist die Streichung des Wortes "geordnet" rein redaktioneller Natur, da das Planungsziel der städtebaulichen Ordnung bereits in § 1 Abs. 3 BauGB enthalten ist71 • Auch an anderen Stellen des Baugesetzbuches72 wird weiterhin auf die "geordnete städtebauliche Entwicklung" abgestellt, so daß von einer Vernachlässigung der auf eine städtebauliche Ordnung abzielenden Planung nicht ausgegangen werden kann. Vielmehr stellt eine dem Nachhaltigkeitsgrundsatz verpflichtete städtebauliche Planung stets auch eine dem Prinzip der städtebaulichen Ordnung gerecht werdende Planung dar. Wenn insoweit klargestellt ist, daß der Gesetzgeber mit der Verankerung des Nachhaltigkeitsprinzips in den bauleitplanerischen Oberzielen auf eine geordnete städtebauliche Entwicklung nicht verzichtet hat, so ist weiter danach zu fragen, welche Bedeutung die Einbeziehung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes fiir das die Gemeinden verpflichtende Planungsziel der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung haben kann. Anzusetzen ist hier bei der Aufgabe der Bauleitplanung.
Vgl. oben D. I. Herrschende Auffassung: vgl. z.B. Schlichter I Stich (Fußn. 54), § I Rn. 6; Krautzberger (Fußn. 43), § I Rn. 45 ; Erbguth I Wagner (Fußn. 60), Rn. 214. 71 BT-Drs. 13 I 7589 vom 2. Mai 1997, S. 14. 72 Vgl. § I a Abs. 3 Satz 2, § 34 Abs. 4 Satz 3 sowie§ 200 a Satz 2 BauGB. 69
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b) Aufgabe und Inhalt der Bauleitplanung- Schranken for die nachhaltige städtebauliche Entwicklung § 1 Abs. 1 BauGB bezeichnet als Aufgabe der Bauleitplanung die Vorbereitung und Leitung der baulichen und sonstigen Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde. Bei der Bauleitplanung geht es damit um die Steuerung der zulässigen Bodennutzungen auf den Grundstücken in der Gemeinde. Die daraus ableitbare Entwicklungs- und Ordnungsfunktion der Bauleitplanung wird durch § 1 Abs. 3 BauGB verdeutlicht. Danach sind die Gemeinden zur Aufstellung von Bauleitplänen verpflichtet, sobald und soweit dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Aufgabe der Bauleitplanung ist es also einerseits, den ordnenden Rahmen für die bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke in der Gemeinde zu setzen und andererseits, die Entwicklung der baulichen und sonstigen Nutzung vorzubereiten und zu leiten und damit zur Realisierung der städtebaulichen Entwicklungsvorstellungen der Gemeinde 73 . be1zutragen .
In diesen Kontext einzustellen, ist die Verpflichtung eine "nachhaltige" städtebauliche Entwicklung herbeizuführen. Der ordnende Rahmen der Bauleitplanung ist von der Gemeinde demnach so auszugestalten, daß sich die städtebaulichen Entwicklungsvorstellungen der Gemeinde unter Beachtung der Anforderungen eines gerechten Ausgleichs sozialer, ökonomischer und ökologischer Belange und unter Wahrung der Interessen künftiger Generationen verwirklichen lassen. Für die Bewältigung dieser komplexen Aufgabe von entscheidender Bedeutung ist die durch den Gesetzgeber vorgenommene und bereits weiter oben angesprochene Aufgabenzuweisung im Hinblick auf die Steuerung der Bodennutzung und zwar nicht nur in Bezug auf das Bauen, sondern auch bezüglich der sonstigen Nutzungen, soweit ihnen eine städtebauliche Relevanz beizumessen ise4 • Daraus ergeben sich gleichzeitig die der Bauleitplanung immanenten Schranken. Welche Belange städtebaulich relevant sind und damit einen Planungsanlaß und eine städtebauliche Zielsetzung begründen können, wird durch das Baugesetzbuch nicht abschließend geregelt. Anhaltspunkte dafür liefert der in § 1 Abs. 5 Satz 2 BauGB enthaltene Katalog von Planungsleitlinien zwar nicht abschließend75 , aber dennoch unter Berücksichtigung der wesentlichen bei einer Planung zu berücksichtigenden Aspekte. Nach der frühen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts76 ist dann kein In diesem Sinne auch: Krautzberger (Fußn. 43 ), § I Rn. I 0. Dies spiegelt sich in dem für die Bauleitplanung der Gemeinden bestehenden Darstellungs- und Festsetzungskatalog in den §§ 5 und 9 BauGB wider, wonach für die nicht baulichen Nutzungen mittlerweile mehr Regelungsmöglichkeiten verankert sind. 75 Vgl. dazu oben D. 2. 76 BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 -IV C 105.66-, DVBI. 1970, S. 414. 73
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Raum für eine Bauleitplanung, wenn es ihr von vomherein an den zur Rechtfertigung des Plans geeigneten städtebaulich beachtlichen Allgemeinbelangen, mithin an städtebaulicher Relevanz, fehlt. Zutreffend wird deshalb darauf hingewiesen77 , daß Ausfluß der verfassungsrechtlich verankerten kommunalen Planungshoheit lediglich ein kommunalpolitisches, nicht jedoch ein allgemein politisches Mandat ise8 . Im Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs ergibt sich daraus, daß die Bauleitplanung keinesfalls als zentrale Gesellschaftsplanung im örtlichen Bereich angesehen werden darf, wie dies zunehmend im Rahmen von Agenda 21-Prozessen gefordert und gesehen wird, sondern vielmehr auf die städtebauliche Entwicklung beschränkt ist79 • Der Gemeinde ist es daher verwehrt, die Bauleitplanung für andere als für städtebauliche Zwecke zu verwenden80• Ein diesbezüglicher Bauleitplan ist im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB nicht erforderlich. Zusammenfassend kann festgehalten werden, daß der im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsdiskussion bestehende umfassende Anspruch in Bezug auf seine Umsetzung durch die Bauleitplanung zu relativieren ist. Nur soweit die mit dem Nachhaltigkeitsprinzip verbundenen Ziele auch städtebaulich relevant sind, stellen sie einen Rechtfertigungsgrund ftir eine Bauleitplanung dar. Neben der Erforderlichkeit städtebaulicher PlanunWen bestehen noch weitere materielle Planungsschranken für die Bauleitplanung 1• Im Zusammenhang mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs spielen sie jedoch nur eine untergeordnete Rolle und können deswegen an dieser Stelle vernachlässigt werden.
c) Nachhaltigkeitsadressat: Flächennutzungsplanung Mit dem Flächennutzungsplan als vorbereitendem Bauleitplan und dem Bebauungsplan bzw. dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan als verbindlichem Bauleitplan, ist die Bauleitplanung zweistufig angelegt. Das bauleitplanerische Oberziel der nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung gilt für beide Planungsebenen, eine wirksame Umsetzung seiner Anforderungen kann jedoch
77 Kuschnerus (Fußn. 60), Rn. 17 mit Hinweis auf die Rechtsprechungen des BVerfG, Beschluß vom 23. November 1988-2 BvR 1619, 1628 I 83-, NVwZ 1989, S. 347 und des BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1990- 7 C37.89 -, NVwZ 1991, s. 682. 78 Zu den anderen Handlungsfeldem, vgl. Fürst (Fußn. 35), S. 61 ff. 79 Erbguth I Wagner (Fußn. 60), Rn. 214; Krautzberger (Fußn. 43 ), § I Rn. 45. 8 Krautzberger (Fußn. 43), § I Rn. 45. 81 Insoweit anzuführen sind die Pflicht zur Anpassung an die verbindlichen Ziele der Raumordnung, die Anforderungen des Abwägungsgebotes sowie das interkommunale Abstimmungsgebot
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nur auf der Stufe der Flächennutzungplanung erfolgen. Zwar muß auch ein Bebauungsplan diesem bauleitplanerischen Oberziel entsprechen, doch steht dieser nach dem hierarchisch gegliederten Planungssystem in einem vertikalen Ableitungsverhältnis zum Flächennutzungsplan und ist insoweit aus dessen Darstellungen grundsätzlich zu entwickeln (vgl. § 8 Abs. 2 BauGB). Aufgabe der Flächennutzungsplanung ist es "für das ganze Gemeindebiet die sich aus der beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung ergebende Art der Bodennutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde in den Grundzügen darzustellen" (§ 5 Abs. 1 BauGB). Auf der Stufe der vorbereitenden Bauleitplanung geht es also um die Darstellung einer das gesamte Gemeindegebiet erfassenden Bodennutzungskonzeption82 . Die Aussagen dieser Bodennutzungskonzeption entsprechen nach § 5 Abs. 1 BauGB der "beabsichtigten städtebaulichen Entwicklung" und sind von daher auf eine langfristige Umsetzung ausgelegt. Zwar wird vom Gesetzgeber der Umfang des Prognosezeitraums nicht bestimmt, doch geht die Planungspraxis im allgemeinen von durchschnittlich 10 - 15 Jahren aus. Die Hauptinhalte des Flächennutzungsplans sind in § 5 Abs. 2 bis 4 BauGB geregelt und beziehen sich auf Darstellungen, nachrichtliche Übernahmen und Vermerke sowie auf Kennzeichnungen83. Die kommunalen Entwicklungsvorstellungen kann die Gemeinde allein durch die zuerst genannten Darstellungen zum Ausdruck bringen. Sie dienen außerdem als Grundlage fiir das bereits erwähnte Entwicklungsgebot und sind abwägungsrelevant im Gegensatz zu den sonstigen Inhalten des Flächennutzungsplans. Dem bisher Dargelegten zufolge drücken die Darstellungen des Flächennutzungsplans den planensehen Willen der Gemeinde im Hinblick auf die beabsichtigte bauliche und sonstige Nutzung der Grundstücke im Gemeindegebiet aus. Ihm kommt insoweit eine Steuerungs- und Ordnungsfunktion sowie eine Koordinationsfunktion zu84• Erstere dadurch, daß auf einer derartig geordneten Grundlage eine Steuerung nachfolgender städtebaulicher Planungen erfolgt85, letztere insoweit, als vorausschauend Nutzungsanforderungen erfaßt und koordiniert werden86. Da sich der Regelungsinhalt des Flächennutzungsplans allein auf die Darstellung der Bodennutzung erstreckt, handelt es sich bei ihm um ei82 Kuschnerus (Fußn. 60), Rn. 28; Koppitz I Schwarting I Finkeldei, Der Flächennutzungsplan in der kommunalen Praxis, 1996, Rn. 5. 83 Genauer dazu: Koppitz I Schwarting I Finkeldei (Fußn. 82), Rn. 21 ff., 48 ff. und 57 ff. 84 Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1963- I C 79.63 - , DVBI. 1964, S. 916. 85 Auch § 214 Abs. 2 Nr. 2 BauGB spricht von der "sich aus dem Flächennutzungsplan ergebenden geordneten städtebaulichen Entwicklung". 86 Ebenso: Bunzel I Meyer, UPR 1994, S. 284 ff. sowie Klinge, BauR 1995, S. 289 ff.
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ne reine Flächenplanung87• Konkret geht es dabei um die grundsätzliche Zuordnung von Bauflächen und Freiflächen. Zwar werden dabei die grundlegenden Raumnutzungsentscheidungen infolge der fehlenden Rechtsqualität des Flächennutzungsplans noch nicht endgültig getroffen, doch entfalten sie eine gewisse Bindungswirkung sowohl für die nachgeordnete Ebene der verbindlichen Bauleitplanung einerseits, als auch flir sonstige Planungsträger, die den Flächennutzungsplan bei ihren Planungen im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen haben und insoweit gegebenenfalls ihre Planungen seinen Darstellungen anzupassen haben, andererseits88 . Eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung hat bei den auf der Ebene der Flächennutzungsplanung zu treffenden grundlegenden Raumnutzungsentscheidungen anzusetzen. In den Grundzügen wird hier die städtebauliche Entwicklung in Bezug auf die bauliche und sonstige Nutzung nach den voraussehbaren Bedürfnissen der Gemeinde bestimmt. Durch die Einbeziehung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes wird für die zu treffenden Raumnutzungsentscheidungen ein neuer Weg eingeschlagen, der nicht wie bisher an einseitig ausgerichteten Leitbildern der Stadtentwicklung orientiert ist89, sondern erstmalig durch Bündelung und Vernetzung, sowohl soziale, ökonomische und ökologische Belange integrativ berücksichtigt. Der in diesem Sinne von der Bauleitplanung zu setzende Rahmen städtebaulicher Ordnung erlaubt eine Verwirklichung der gemeindlichen Entwicklungsvorstellungen durch eine die künftige Bodennutzung vorbereitende Flächennutzungsplanung vor dem Hintergrund des Nachhaltigkeitsgrundsatzes und den Interessen nachfolgender Generationen. Ergänzt wird das bisherige Verständnis über eine "geordnete" städtebauliche Entwicklung durch die dem Nachhaltigkeitsgrundsatz anhaftende Eigenschaft der "Dauerhaftigkeit" als Ausdruck der intergenerativen Verantwortung90• Nicht zuletzt auch im Hinblick auf die große Bedeutung der Flächennutzungsplanung fiir die Umsetzung des Nachhaltigkeitsgedankens hat der Gesetzgeber im Rahmen des Bau- und Raumordnungsgesetzes diese Planungsebene gestärkt91 . Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf insbesondere drei Aspekte: den Verzicht auf ein Anzeige- und Genehmigungsverfahren im Falle von aus dem Flächennnutzungsplan entwickelten Bebauungsplänen92, die neuen Steuerungsmöglichkeiten gegenüber privilegierten Vorhaben im planungsrechtlichen Außenbereich sowie die Fortentwicklung der ein-
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Koppitz I Schwarting I Finke/dei (Fußn. 82), Rn. 5. Kuschnerus (Fußn. 60), Rn. 37. Z.B. Leitbild der "Stadt der kurzen Wege". Vgl. dazu unten D. 4. d). AusfUhrlieh dazu: Lüers, UPR 1997, S. 349 ffsowie Bunzel (Fußn. 43), S. 584 ff. Kritisch: Stollmann, UPR 1996, S: 9 ff. sowie Engel, ZUR 1997, S. 30 ff.
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griffsrechtlichen Bestimmungen und die damit verbundene Vorverlagerung des Erfordernisses zur Eingriffsbewältigung auf die Stufe der Flächennutzungsplanung93. Diese Stärkung der Flächennutzungsplanung steht in wechselseitiger Relation mit dem Nachhaltigkeitsdiskurs. Sie verdeutlicht den Gemeinden die Bedeutung dieser Planungsebene für die städtebauliche Entwicklung und bildet gleichzeitig die Grundlage für die planungsbezogene Umsetzung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes. aa) Zur Situation der Flächennutzungsplanung in den Gemeinden Die Flächennutzungsplanung als vorbereitende Bauleitplanung ist im Grunde genommen in ihrer Grundstruktur seit der Schaffung des Bundesbaugesetzes im Jahre 1960 nahezu unangetastet geblieben. Lediglich kleinere, die Gesamtstruktur der Flächennutzungsplanung jedoch nicht berührende Veränderungen wurden vorgenommen, die flir sich betrachtet, eher die Bedeutung dieses Instruments für die städtebauliche Entwicklung hervorgehoben haben. Trotzdem führt die Flächennutzungsplanung in der planungspraktischen Anwendung ein ihr nicht gerecht werdendes ,,Schattendasein". Insbesondere kann sie vielerorts die ihr zugedachte Steuerungs-, bzw. Lenkungs- und Koordinationsfunktion nicht mehr erfüllen und verliert insoweit an Bedeutung94 . Nach einer vom Deutschen Institut für Urbanistik im Jahre 1996 durchgeführten Untersuchung95 haben lediglich 30% der Gemeinden einen Flächennutzungsplan der zweiten und sogar nur 4% einen Flächennutzungsplan der dritten oder schon der vierten Generation. Das bedeutet, daß etwa 60 % der Gemeinden nach wie vor mit dem ersten Flächennutzungsplan arbeiten. Die durchschnittliche Geltungsdauer liegt bei 12-14 Jahren96 • Dieser langen Geltungsdauer entspricht die Anzahl der durchschnittlich durchgeführten Änderungsverfahren. So werden in größeren Städten in zwölf Jahren im Durchschnitt 78 Änderungsverfahren durchgeführt97, das sind sechs Verfahren pro Jahr98 . In Relation zur Aufstellung von Bebauungsplänen gesetzt bedeutet dies, daß nahezu die Aufstellung jedes
93 Ausflihrlich: Schink, DVBI. 1998, S. 609 ff.; Krautzberger, NuR 1998, S. 338 ff. ; Lüers, UPR 1996, S: 402 ff. ; Schmidt, NVwZ 1998, S. 338 ff.; Louis, NuR 1998, S: 119 ff. ; Mitschang, WiVerw 1998, S. 20 ff. sowie ders. (Fußn. 53), demnächst in ZfBR 1999. 94 Lüers (Fußn. 91 ), S. 349. 95 Bunzel I Meyer, Die Flächennutzungsplanung- Bestandsaufnahme und Perspektiven für die kommunale Praxis, \996, S. 68 ff. 96 Bunzel I Meyer (Fußn. 95). 97 Der "Spitzenreiter" lag bei 303 Änderungen. 98 Bunzel I Meyer (Fußn. 95), S. 74 f.
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zweiten Bebauungsplanes eine Änderung des Flächennutzungsplanes erfordert99. Als Ergebnis dieser Untersuchung kann festgehalten werden, daß in der Planungspraxis der Flächennutzungsplanung die ihr zugewiesene Steuerungs- und Koordinationsfunktion faktisch nicht mehr zukommt. Die meisten Flächennutzungspläne sind veraltet und stammen aus der Mitte der siebziger bis zur Mitte der achtziger Jahre. Schon allein in Bezug auf ihren Aufstellungszeitraum können sie den Anforderungen des Nachhaltigkeitsgrundsatzes nicht mehr Rechnung tragen. Gründe, warum von einer Fortschreibung des Flächennutzungsplanes bisher Abstand genommen wurde, sind: •
hohe inhaltliche Anforderungen - insbesondere durch die Berücksichtigung umweltbezogener Belange,
•
hohe finanzielle Anforderungen - mangelnde Finanzausstattung der öffentlichen Hand,
•
großer Zeitaufwand ftir die Neuaufstellung - erheblicher Diskussionsaufwand,
•
Wirkungs- und Bedeutungslosigkeit des Flächennutzungsplanes ftir die Planverwirklichung - ausreichende Abweichungsmöglichkeiten,
•
statischer Charakter des Flächennutzungsplanes - keine Flexibilität.
Unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten ergibt sich angesichts dieser Ausführungen ein bescheidenes Bild zur Situation der Flächennutzung. Impulse ftir eine nachhaltige städtebauliche Entwicklung gehen von den veralteten Flächennutzungsplänen nicht aus. Die durch den Gesetzgeber vorgenommene Akzentuierung in Bezug auf die Flächennutzungsplanung war im Hinblick darauf not. 100 wend1g . bb) Erfordernis zur Neuaufstellung? Nach § 1 Abs. 3 BauGB haben die Gemeinden Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung erforderlich ist. Danach besteht eine gemeindliche Pflicht zur Planung dann, wenn die vorhandenen Bedürfnisse nicht anders als durch eine Bauleitplanung in geordnete Bahnen gelenkt werden können 101 • Es wurde bereits ausgeführt 102, daß eine 99 100 101
Bunze/ 1 Meyer (Fußn. 95), S. 77. Vgl. oben D. 4. c). Gaentzsch (Fußn. 56),§ I Rn. 15.
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"nachhaltige" städtebauliche Entwicklung eine "geordnete" städtebauliche Entwicklung einschließt und diese um einen Zukunftsbezug erweitert. Das Baugesetzbuch enthält ftir die städtebauliche Entwicklung und Ordnung nur allgemeine Wertungsvorgaben, wie sie durch die bauleitplanerischen Oberziele und die sie konkretisierenden Planungsleitlinien zum Ausdruck gebracht werden 103 . Im Hinblick darauf kann im Einzelfall auch eine Pflicht zur Aufstellung oder Änderung von Bauleitplänen abgeleitet werden, wenn die städtebauliche Entwicklung nicht im Sinne einer nachhaltigen Ordnung zu verlaufen drohe 04 • Praktische Relevanz konunt dem vor allem im Zusanunenhang mit den im vorstehenden Sinne "veralteten" Flächennutzungsplänen zu, die insbesondere den heute geltenden Umweltanforderungen 105 nicht mehr entsprechen. Ein Flächennutzungsplan, der seiner Steuerungs- und Koordinationsfunktion nicht mehr gerecht wird, hat seinen Sinn und Zweck als vorbereitender Bauleitplan verloren. Zwar leidet ein derartiger Flächennutzungsplan nicht an einem Abwägungsmangel, wenn sich nach seinem Inkrafttreten infolge neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse oder neu auftretender, vorher nicht erkennbarer Konflikte die Planungserforderlichkeit verdichtet, da flir die Abwägung nach § 214 Abs. 3 Satz I BauGB allein die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlußfassung über den Bauleitplan maßgeblich ist. Doch kann sich davon unabhängig im Hinblick auf geänderte Rahmenbedingungen eine Planungspflicht zur Aufstellung oder Änderung des Flächennutzungsplanes ergeben. Einklagen läßt sich eine solche Rechtspflicht zur Aufstellung oder Änderung eines Bauleitplanes durch den Bürger freilich nicht 106 . Eine Planungspflicht besteht nur im öffentlichen Interesse und ist daher konununalaufsichtlich durchsetzbar, doch wird dies wohl nur im Einzelfall praxisrelevant werden. cc) Stärkung des Umweltschutzes Wenngleich den Gemeinden aus rechtlicher Sicht aus der Verankerung des Nachhaltigkeitsprinzips in den Oberzielen der Bauleitplanung keine zusätzlichen Anforderungen erwachsen, so fUhrt der Planungsgrundsatz der Nachhaltigkeit faktisch zu einer Stärkung der Umweltbelange 107 . Aufgabe der Flächennutzungsplanung ist es, eine flächen- und nutzungsbezogene Ordnung der Vgl. oben D. 4. a). Vgl. dazu oben D. I und D. 2. 104 Ebenso: Schrödter (Fußn. 53), § I Rn. 33; Mitschang (Fußn. 93), demnächst in 102
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Vgl. unten D. 4. d). Siehe § 2 Abs. 3 und 4 BauGB. 107 In diesem Sinne auch: Schink (Fußn. 51), S. 1165. 105 106
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Grundstücke in der Gemeinde nach den städtebaulichen Entwicklungsvorstellungen der Gemeinde zu gewährleisten und insoweit den ordnenden Rahmen für ihre Umsetzung bereitzustellen 108• Bei der insoweit erforderlichen Zuordnung von Freiflächen und baulich oder durch sonstige Nutzungen in Anspruch zu nehmenden Flächen sind nach den Vorschriften des Städtebaurechts in zunehmendem Maße umweltrechtliche Bestimmungen zu beachten 109. Vor allem die Flächennutzungspläne, deren Beschlußfassungen vor dem lokrafttreten der Vorschriften des Baugesetzbuches im Jahre 19871iegen, haben im Hinblick auf die heute an städtebauliche Planungen gestellten Umweltanforderungen Defizite aufzuweisen. Infolgedessen wird eine Neuaufstellung jener Flächennutzungspläne zwangsläufig eine Stärkung der Umweltbelange mit sich bringen und dem integrativen Ansatz des Nachhaltigkeitsprinzips unter Berücksichtigung des insoweit vernachlässigten ökologischen Sektors Rechnung getragen110. Maßgebliche Veränderungen der gesamtgemeindlichen Bodennutzungskonzeption ergeben sich im Hinblick darauf auf der Stufe der vorbereitenden Bauleitplanung in erster Linie in Bezug auf •
den Bodenschutz, durch sparsame und schonende Inanspruchnahme neuer Flächen für bauliche und infrastrukturelle Maßnahmen im Sinne einer bedarfsgerechten Planung, durch Innenentwicklung sowie durch die Wiedernutzung brachgefallener Flächen,
•
die Eingriffsbewältigung, durch Einbeziehung der Möglichkeiten der räumlichen und zeitlichen Flexibilisierung im Zusammenhang mit der Umsetzung des Öko-Konto-Gedankens sowie
•
die Herstellung vernetzter Biotopstrukturen, durch Umsetzung der Anforderungen der europarechtlichen Vogelschutz- und Fauna-Flora-HabitatRichtlinien 111 .
In der Planungspraxis kann dies dazu führen, daß am heutigen Bedarf nicht orientierte, aber in alten Flächennutzungsplänen dargestellte Baulandausweisungen unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit erneut zur Diskussion gestellt werden. Vor allem aber wird es um die Einbeziehung auch der bislang im Rahmen der Flächennutzungsplanung vernachlässigten im bauplanungsrechtlichen Außenbereich gelegenen Flächen in die gesamtgemeindliche und überörtlich abgestimmte städtebauliche Entwicklung gehen. So betrachtet wird durch Vgl. oben 0. 4. c). Mitschang, Berücksichtigung der Umweltbelange bei der Aufstellung städtebaulicher Planungen, demnächst in der Zeitschrift Wirtschaft und Verwaltung I I 1999 und Schink (Fußn. 51), S. 1163 ff. 110 In diesem Sinne auch Schink (Fußn. 51), S. 1165. 111 Zu alledem ausführlich: Schink (Fußn. 51), S. 1165 ff.; Bunzel (Fußn. 43), S. 583 ff. sowie Mitschang (Fußn. I 09), demnächst in WiVerw I / 1999. 108 109
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Stephan Mitschang
die Verankerung des Nachhaltigkeitsgrundsatzes in den bauleitplanerischen Oberzielen und die damit herbeigeführte faktische Stärkung der Umweltbelange die Perspektive für die Ausgestaltung eines kommunalen oder gegebenenfalls auch regionalen Flächenmanagements 112 eröffnet. d) Intergenerative Verantwortung der Gemeinden
Der dem Nachhaltigkeitsprinzip zugrunde liegende Zukunftsbezug 113 im Sinne einer dauerhaft ausgewogenen Entwicklung erfordert Entscheidungen eingedenk der Ansprüche künftiger Generationen. Eine gewisse Gefahr ftir die gesamte Nachhaltigkeitsdiskussion ist jedoch darin zu sehen, daß mit der Schaffung des Bau- und Raumordnungsgesetzes durch die Ausgestaltung des vorhabenbezogenen Bebauungsplanes und die Einbeziehung von vertraglichen Regelungen in das Städtebaurecht auch den investiven Interessen Rechnung getragen wurde und insoweit kurzfristigen und oftmals kurzsichtigen, nicht mit einer nachhaltigen städtebaulichen Entwicklung vereinbaren Investitionspolitik der Vorrang eingeräumt werden könnte. Verschärft wird diese Problematik durch den vorgenommenen Abbau der präventiven staatlichen Kontrolle im Hinblick auf die Anzeige- bzw. Genehmigungsfreiheit von aus dem Flächennutzungsplan entwickelten Bebauungsplänen. Die Aufstellung von Bauleitplänen erfolgt gemäß § 2 Abs. 1 BauGB in eigener Verantwortung der Gemeinden. Damit liegen die Initiative und die Verantwortung für die Bauleitplanung bei der Gemeinde, genauer bei den von den Bürgern für einen lediglich begrenzten Zeitraum gewählten Vertretern. Im Hinblick daraufbleibt abzuwarten, ob die aus dem Nachhaltigkeitsprinzip resultierende intergenerative Verantwortung dem Vorsorgeprinzip verpflichtete und am Nachweltschutz orientierte Planungsentscheidungen herbeizuführen vermag.
V. Zusammenfassung und Ausblick Mit der Rio-Konferenz im Jahre 1992 ist dem Begriff der "nachhaltigen Entwicklung" als prägendem Grundsatz der internationalen Umweltpolitik 114 zum Durchbruch verholfen worden. Mittlerweile hat der Begriff "sustainable development" seine Verankerung nicht nur im Bereich des Europarechts 115 mit Genauer: Mitschang, Naturschutz und Landschaftsplanung 1997, S. 273 ff. Vgl. oben D. 4 . c). 114 Calliess, DVBI. 1998, S. 560. 115 Ausführlich dazu: Calliess (Fußn. 114), S. 564 ff. 112 113
Der Planungsgrundsatz der Nachhaltigkeit
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weitreichenden Konsequenzen für die künftige Raumordnungs- und Regionalpolitik der Europäischen Gemeinschaft, sondern ebenso im Raumordnungsrecht sowie auch im Städtebaurecht auf nationaler Ebene gefunden. So haben die Bauleitpläne nach § 1 Abs. 5 Satz 1 des durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 novellierten Baugesetzbuches nunmehr eine "nachhaltige städtebauliche Entwicklung" zu gewährleisten. Durch die Einbindung des Grundsatzes der Nachhaltigkeit in die bauleitplanerischen Oberziele wird dem integrativen Ansatz des Nachhaltigkeitsprinzips in der Bauleitplanung Rechnung getragen. Danach sind bauleitplanerische Abwägungsentscheidungen nicht sektoral, sondern integrativ, also unter Berücksichtigung gleichgewichtiger ökologischer, ökonomischer und sozialer Belange, zu treffen. Ein Primat der Ökologie ist damit jedoch nicht vereinbar. Für die Bauleitplanung entfaltet der Nachhaltigkeitsgrundsatz in erster Linie Wirksamkeit auf der Stufe der Flächennutzungsplanung, wenn es um die grundlegenden Raumnutzungsentscheidungen im Sinne der Ausgestaltung einer gesamtgemeindlichen Bodennutzungskonzeption geht. Da die Aufstellung von Bauleitplänen in das Planungsermessen der Gemeinden fällt und eine Planungspflicht von dem einzelnen Bürger nicht eingefordert werden kann, obliegt es allein der Gemeinde vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeitsdiskussion in eine neue Flächennutzungsdiskussion einzusteigen. Gegenwärtig allerdings noch nicht absehbar ist, inwieweit die das Nachhaltigkeitsprinzip tragende intergenerative Verantwortung unter dem Druck der in einem nationalen und internationalen Wettbewerb stehenden investiven Interessen in den Gemeindeparlamenten im Rahmen von Planungsentscheidungen durchsetzungsfähig ist. Ausblickend sei an dieser Stelle noch auf den Entwurf der Unabhängigen Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch (UGB-KomE 116) verwiesen, der in § 4 des Allgemeinen Teils in Übereinstimmung mit den Vorschlägen des Rates von Sachverständigen für Umweltfragen die Leitlinien einer dauerhaft umweltgerechten Entwicklung konkretisiert und den Grundsatz der Nachhaltigkeit in ein allgemeines Leitprinzip des Umweltrechts überführt 117 und aus dieser Richtung den Nachhaltigkeitsdiskurs weiter vorantreiben wird. Zwar sind heute zahlreiche, allerdings weder vertikal noch horizontal verknüpfte und von daher teilweise auch ineffizient angelegte Agenda 21Initiativen festzustellen, mit denen der Versuch unternommen wird, einen Beitrag zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsanforderungen auf allen möglichen Ebenen politischen und gesellschaftlichen Handeins zu leisten und dem relativ
116 Umweltgesetzbuch, Unabhängige Sachverständigenkommission zum Umweltgesetzbuch beim Bundesministerium flir Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Berlin 1998, mit Begründung. 117 Dazu genauer: Schink, DÖV 1999, S. 4 sowie ders. ZAU 1998, S. 195 ff.
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Stephan Mitschang
offenen Begriff ein Antlitz zu verleihen. Sie verlaufen außerhalb der durch Aufgabe und Inhalt gesetzten instrument-immanenten Schranken der Bauleitplanung in informellen Planungs- und Politikprozessen und regen dort eine insgesamt fiir die gesellschaftliche Entwicklung wichtige Diskussion an. Die Kernprobleme der Nachhaltigkeit werden weder durch die Regionalplanung noch durch die Bauleitplanung geschaffen und sachlogisch auch nicht durch sie ausgeräumt. Sie sind vielmehr in den Verhaltensmustern der Konsumgesellschaft angelegt und erfordern insgesamt ein gesellschaftliches Umdenken 118 • Ob dies gelingt, ist fraglich.
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Zu Recht Albers (fußn . 40), S. 293.
Großflächiger Einzelhandel und Factory Outlet Center Positionen des Deutschen Städtetages Von Folkert Kiepe
I. Aktuelle generelle Tendenzen für die Stadtentwicklung Die städtischen Zentren stehen vor großen Herausforderungen. Dabei ist die Ausgangslage fiir die Innenstädte sowie Stadtteilzentren in den alten und neuen Ländern zwar verschieden, die Probleme sind aber ähnlich:
In den alten Ländern findet seit Ende der 70er Jahre eine Stadt-RandWanderung von Menschen und Arbeitsplätzen statt. Dies geht mit der Verlagerung städtischer Funktionen aus der Innenstadt und den Stadtteilzentren in die Randbereiche einher. Die zentrifugalen Kräfte haben beträchtliche Ausmaße angenommen und im Vergleich zur Gesamtstadt zu einer Ausdünnung der Bevölkerung in der Innenstadt geführt. Kennzeichen der Funktionsschwächung sind u. a. 1. die Verdrängung der Wohnfunktion durch "rentablere" Nutzungen mit der Gefahr, daß sich die Sozialstruktur in den Städten weiter differenziert und damit die urbane Mischung verloren geht,
2. die Verdrängung von Handwerk, stadtverträglichem Gewerbe des mittelständischen Einzelhandels und die zunehmende Filialisierung von Handel und Dienstleistung, 3. die Überlastung mit individuellem Pkw- Verkehr und Wirtschaftsverkehr einerseits, mangelnde Parkmöglichkeiten und teilweise schlechte Erreichbarkeit von Innenstadteinrichtungen mit öffentlichem Nahverkehr andererseits, 4. die mit den Stadt-Rand-Wanderungen verbundene Umverteilung der Finanzzuweisungen von den Kernstädten ins Umland. Zur Verdeutlichung des letztgenannten Merkmals möchte ich Ihnen kurz eine graphische Darstellung der Umverteilung beim 15%-igen Einkommensteueranteil zeigen, die diese Auswirkung der Stadt-Rand-Wanderung flir die Jahre 1979-1997 sehr deutlich macht: Ergebnis dieser Prozesse sind immer höhere Verluste der Kernstädte und zunehmende Gewinne der jeweiligen Umlandgemeinden. 7•
Folkert Kiepe
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In den neuen Ländern sind die Innenstadtprobleme im wesentlichen durch tiefgreifende Kriegsschäden, die Vernachlässigung der Bausubstanz, die Abwanderung der Bewohner in Neubausiedlungen an den Stadtrand und den Niedergang von Handel und Gewerbe gekennzeichnet. Außerdem haben sich viel stärker als in den alten Ländern großflächige Einzelhandelsbetriebe (Einkaufs-, Verbrauchermärkte), z. T. auch Büros und Dienstleistungszentren, vorwiegend in kleinen Gemeinden im Umland der Städte angesiedelt. Hier sind neue, aber zumeist monofunktionale Zentren auf der "grünen Wiese" entstanden.
II. Situation bei Handel und Dienstleistungen 1. Problembeschreibung Das Kernproblem ist die Konkurrenz zwischen großflächigen Einrichtungen (mit innenstadtrelevanten Sortimenten) auf der sog. "grünen Wiese" und Einrichtungen in den Innenstädten bzw. in den Stadtteilzentren. Dies führt zu Kaufkraftverlusten in der Innenstadt und zu Problemen der Rentabilität innerstädtischer Einrichtungen. Hinzu kornrnt, daß sich als Folge hoher Bodenpreise und Gewerbemieten z. T. nur noch Handelsketten in der Innenstadt halten kön-
Großflächiger Einzelhandel und FOC - Positionen des Deutschen Städtetages I 0 I nen, was zu einer Filialisierung und zu einer Verringerung des Gesamtangebotes an Waren- und auch Dienstleistungen in der Innenstadt fiihrt. Der Strukturwandel im Einzelhandelssektor und der mit ihm verbundene Trend zu großflächigen Betriebsformen geht bisher unaufualtsam weiter. Kaum eine Entwicklung der Nachkriegszeit verändert das Bild und Zentrengefüge unserer Städte so nachhaltig, wie gerade dieser Strukturwandel mit seinen gravierenden Auswirkungen auf die städtische Versorgung, auf Urbanität und Flächenverbrauch. Diese Entwicklung ist im gesamten Bundesgebiet zu beobachten, nimmt aber insbesondere in den Städten der neuen Länder, die ihre Zentren gerade erst zu profilieren suchen, fast zerstörefische Formen an. Verschiebungen ergeben sich aber auch in den Nebenzentren, in den städtischen Außenbereichen sowie in den funktionalen Beziehungen zwischen Stadt und Umland. Dies alles muß in einem Gesamtzusammenhang betrachtet werden.
2. Entwicklungstrends a) Alles deutet darauf hin, daß die Konzentrationsprozesse im Einzelhandel eine neue Dimension erreichen: Zwar wird die Kaufkraft (mit Ausnahme der ostdeutschen Städte) kaum noch zunehmen, wohl aber ist - gemäß dem Wunsch der Konsumenten - mit einer zunehmenden Produktdifferenzierung und Angebotsvielfalt zu rechnen; d. h. aber auch mit einem weiteren Flächenwachstum. Dieser enorme Zuwachs an Verkaufsflächen ist in der Regel in innerstädtischen Lagen nicht mehr realisierbar. Experten erwarten eine Ausweitung der Einzelhandelsflächen auf 118 Millionen qm im Jahre 2005; dann hätte sie sich - gemessen an 1980 - verdoppelt. Im Jahr 2000 wird der Bestand auf 108 Millionen qm geschätzt. Infolge dessen treten die großflächigen und rationeller organisierten Betriebsformen immer mehr in Konkurrenz zu den traditionellen, meist weniger flexiblen Läden des Einzelhandels. Während man bislang noch von einer additiven Ergänzung durch den großflächigen Einzelhandel sprechen konnte, erleben wir jetzt einen Verdrängungs- und Umverteilungsprozeß von kleinen zu großen Betriebsformen (s. DIHT-Untersuchung). b) Verdrängungsprozesse spielen sich inzwischen aber auch unter den großflächigen Einzelhandelseinrichtungen selbst ab, und zwar nicht nur innerhalb der Städte sondern auch zwischen benachbarten Kommunen - gelegentlich sogar über Landesgrenzen hinweg. Dieser Trend wird durch einen verschärften Wettbewerb zwischen einigen marktbeherrschenden Handelskonzernen und Verbundgruppen forciert, die damit unmittelbaren Einfluß auf die Entwicklung des Einzelhandels und der Städte insgesamt nehmen.
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Folkert Kiepe
Bei zunehmender Sättigung des Marktes dürfte in Zukunft auch mit Leerständen bei ausgedienten, insbesondere verkehrsungünstig gelegenen Fachmärkten zu rechnen sein. Diese Ex- und Hopp-Mentalität wird sich vor allem im Städtebau und in der Landschaftsplanung bemerkbar machen, aber auch die Volkswirtschaft erheblich belasten. c) Eine neue Generation von Fachmarktzentren und Einzelhandelsagglomerationen ist im Vormarsch, die mit den Begriffen des Megashopping und Erlebniseinkaufs auf Größe, Vielfalt in der Warenpräsentation und zunehmend auch auf Mischung mit Freizeit- und Kultureinrichtungen setzen. Daneben treten neue Factory-Outlet-Center auf den Markt, die den traditionellen Einzelhandel ganz ausschalten und sich als Fabrikverkaufsstellen außerhalb der Städte zu positionieren suchen. Der klassische Fachmarkt mit seiner Trennung in Kern- und Randsortimente könnte bald der Vergangenheit angehören und sich einer neuen durchmischten Erlebniswelt - meist in Form der überdachten Malls- anpassen. d) Um der Entmischung entgegenzuwirken und die Besucher in den gewachsenen Stadtzentren zu halten, starten viele Städte Attraktivitäts- und Imagekampagnen fiir ihre Innenstädte. Gegen die Glitzerwelt der peripheren Einkaufs- und Freizeitzentren setzen sie auf eine neue Vielfalt, die Durchmischung von Einzelhandel, Kultur, Wohnen, Dienstleistungseinrichtungen und Gastronomie. Trotz dieser Attraktivierungen ist insbesondere im Einzelhandel die Abnahme der Zentralität bislang nicht aufzuhalten. Viele Betriebe kapitulieren vor dem Abwanderungs- und Filialisierungstrend oder suchen in einer Art Doppelstrategie neben dem Innenstadtstandort auch Dependancen in den Malls am Stadtrand. Ein Ende dieser Entwicklung ist noch nicht abzusehen, zumal auch die neuen Freizeitzentren am Stadtrand mehr und mehr zu einer Entleerung der Innenstädte beitragen. e) Mindestens ebenso gravierend fiir die Stadtentwicklung wirkt sich der Entmischungsprozeß auf die städtischen Neben- und Grundzentren aus. Mit wachsender Mobilität bevorzugen viele Stadtbewohner verkehrsgünstig gelegene Einzelhandelsstandorte, zumal berufstätige Männer und Frauen immer häufiger den täglichen Einkauf auf dem Weg zur Arbeit erledigen und dabei in der Regel den PKW benutzen. Bevölkerungsgruppen, die auf eine quartiersnahe Versorgung angewiesen sind und über kein Auto verfugen, sind die Verlierer dieser Auslagerungsprozesse. Die städtebaulichen Folgen dieser Entwicklung: verödete Nebenzentren, Ladenschließungen, minderwertige Folgenutzungen und Urbanitätsverlust in den Stadtteilen; denn mit dem Ausbluten des Einzelhandels ziehen sich auch andere Nutzungen, insbesondere im privaten Dienstleistungs- und Freizeitbereich aus diesen Zentren zurück. So vollzieht sich nach und nach ein Entrnischungsprozeß, der alle kostenträchtigen Bemühungen der letzten Jahrzehnte zur städtebaulichen Sanierung und Konsolidierung der Stadtteile konterkariert.
Großflächiger Einzelhandel und FOC - Positionen des Deutschen Städtetages I 03
t) Der strukturelle Wandel verschärft sich noch durch die gegenwärtige Strukturkrise der Wirtschaft. Die deutliche Zuriickhaltung bei Ansiedlungsprojekten im produzierenden und Dienstleistungsgewerbe wird kompensiert durch das offensichtlich weiter florierende Investitionsgeschäft bei großflächigen Einzelhandelseinrichtungen. Leider sind einige Gemeinden bereit, zur Belebung des örtlichen Ansiedlungsgeschäftes Immobilien um jeden Preis fur solche Großprojekte auf den Markt zu bringen und das notwendige Baurecht hierfur zu schaffen. Solche Strategien lassen oft die notwendigen Wirtschaftsplanerischen Langfristperspektiven vermissen, zumal die kommunalen Steuereinnahmen bei diesen Projekten relativ gering sind, die volkswirtschaftlichen Kosten (z. B. flir Verkehrsinfrastruktur) jedoch sehr hoch sein können. Außerdem bleiben die erhofften Arbeitsplatzzuwächse insbesondere im Einzelhandel in der Regel weit hinter den Erwartungen zuruck. Die Rationalisierungseffekte im großflächigen Einzelhandel bewirken bei gleichem Warenumschlag eher noch einen Arbeitsplatzabbau.
g) Die beschriebenen Strukturveränderungen, deren städtebauliche Folgen sich inzwischen weithin sichtbar auch im Weichbild unserer Städte niederschlagen, vollziehen sich vor dem Hintergrund ungeklärter Zukunftsperspektiven und mangelnder Planungsorientierung. So ist z. B. kaum erforscht, ob die großräumigen Umverteilungen angesichts nachlassender Kaufkraft und Konsumbereitschaft nicht längerfristig an ihre Grenzen stoßen. Ober ob nicht sogar ein funktionales Vakuum in den Innenstädten und demzufolge ein verändertes Mietgefiige zu einem Roll-Back von Außen nach Innen fiihren könnte. Die große Attraktivität, die zur Zeit manche Innenstadthalmhöfe auf den Einzelhandel ausüben, sind vielleicht erste Anzeichen einer neuen Zentralitätsentwicklung. Daß auch diese Entwicklung nicht ohne Probleme abläuft, wird bei den Auseinandersetzungen zwischen den Städten und der Deutschen Bahn AG immer wieder deutlich. Hierzu möchte ich auf die kürzlich von DB AG und DST gemeinsam verabschiedete "Erklärung zur Zukunft der Personenbalmhöfe" verweisen.
3. Handlungsvorschläge Wie können die Städte auf diese Entwicklungen reagieren? Folgende Maßnahmen werden vom Deutschen Städtetag empfohlen: a) Erarbeitung von Einzelhandelsentwicklungskonzepten fiir die Gesamtstadt (ggf. auch dariiber hinaus) zur Abschätzung des Enzelhandelsbedarfs und Käuferverhaltens, möglichst unter Beteiligung der IHK. b) Erarbeitung von Zentrenkonzepten als Grundlage fiir Standortplanungen fiir Einzelhandel und Freizeitinfrastraktur; Herstellung eines politischen Kon-
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Folkert Kiepe
senses; damit Schaffung einer Basis für die örtliche Wirtschafts- und Bauleitplanung sowie Planungssicherheit für Investoren. c) Interkommunale Abstimmung dieser Zentrenkonzepte und von Einzelhandelsvorhaben und Freizeitplanungen zur Vermeidung raumordnenscher Schieflagen und volkswirtschaftlich schädlicher Überangebotsstrukturen und Flächenverbräuche. d) Konsequente Anwendung des Raumordnungs- und Planungsrechts einschließlich gründlicher bauordnungsrechtlicher Kontrollen unter Einbeziehung der in anderen EU-Mitgliedstaaten gesammelten Erfahrungen. e) Stadtverträglichkeitsnachweise bei neuen Ansiedlungsprojekten im großflächigen Einzelhandel mit Nachweis des Bedarfs, des Einzugsradius, der Übereinstimmung mit den jeweiligen Zentrenkonzepten und der notwendigen Verkehrsanbindungen (IV und ÖPNV). f) Kommunale Programme zur städtebaulichen Verbesserung vorhandener integrierter Einkaufszentren, sowie Freizeiteinrichtungen und Verbesserung des öffentlichen Umfeldes; Schaffung guter Verkehrsanbindungen für IV, ÖPNV und Güterverkehr (City-Logistik).
g) Unterstützung von Betrieben, die sich am Ort erweitern oder im Sinne des Zentrenkonzeptes modernisieren wollen z. B. durch steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten in zentralen Lagen oder Versiegelungsabgaben bei Projekten auf der grünen Wiese. Gewährleistung gleicher Rahmenbedingungen für Innenstadt und "grüne Wiese". h) Unterstützung des Einzelhandels beim Aufbau von Management- und Marketingstrukturen, gemeinsame Werbekampagnen der öffentlichen Hand, der Industrie- und Handelskammern und des Einzelhandels. 4. Forderungen an Bund und Länder
Diese Vorschläge machen einiges deutlich: Wir müssen wesentlich stärker als in der Vergangenheit versuchen, die städtebaulichen Maßnahmen zur Erhaltung und Schaffung gemischter Strukturen mit arbeitsmarkt- und wirtschaftsfördernden sowie steuerlichen Maßnahmen zu verbinden. Im Rahmen eines solchen integrativen Ansatzes kommt es insbesondere darauf an, die fürderpolitischen und steuerlichen Rahmenbedingungen zugunsten der städtischen Zentren zu verbessern. Konkret zu fordernde Maßnahmen hierzu sind: -
eine Differenzierung der Ladenschlußzeiten zwischen städtischen Zentren und "grüner Wiese",
-
die Verlängerung des Fördergebietsgesetzes nur für innerstädtische Bereiche,
Großflächiger Einzelhandel und FOC - Positionen des Deutschen Städtetages I 05
-
die Fortführung des KjW-Wohnraum-Modernisierungsprogramms im Innenstadtbereich über das Jahr 2000 hinaus,
-
die Festschreibung eines erhöhten Finanzierungsbeitrags, mit dem sich der Bund an der Städtebauförderung beteiligt,
-
die Bindung von Städtebaufürdermitteln an die Beachtung der o.g. Zentrenkonzepte,
-
besondere Abschreibungsmöglichkeiten fur innerstädtischen Dienstleistungen, wohnverträgliches Gewerbe und Wohnen.
Handel,
Anhang: Thesen des Deutschen Städtetages (Beschluß des Hauptausschusses vom 17. Juni 1998) zur
Zukunft der städtischen Zentren I. 1. Die städtischen Zentren, die sich bisher durch Urbanität, Nutzungsvielfalt und Lebendigkeit auszeichnen, stehen vor großen Herausforderungen. Neben dem Einwohnerschwund, der sich in den Städten der neuen Länder in den letzten Jahren zu einer dramatischen Stadtflucht gesteigert hat, fuhrt insbesondere die Konkurrenz des großflächigen Einzelhandels auf der "grünen Wiese" mit den damit verbundenen Folgeerscheinungen in Verkehr und Umwelt zu negativen Auswirkungen, die die Zentren in ihrer Hauptfunktion gefährden, nämlich gleichzeitig Wohnstandort und Schwerpunkt von Handel und Kultur zu sein. Um den sich abzeichnenden bedrohlichen Trend zur Verödung der Innenstädte und Stadtteilzentren aufzuhalten, muß deshalb wesentlich stärker als bisher versucht werden, die Vitalisierung bzw. Revitalisierung der Innenstädte und die Erhöhung der Funktionstüchtigkeit der Stadtteilzentren sowie die funktionale Verbindung von innerstädtischen und Außenbereichszentren zu Hauptzielen stadtpolitischen Handeins zu machen. Hier sich nicht nur die Städte, sondern auch der Einzelhandel selbst gefordert. Dieser muß bereit sein an den Zentrenkonzepten der Städte mitzuwirken und sie mitzutragen. 2. Vor diesem Hintergrund können zwar keine detaillierten und für alle Städte verbindlichen Handlungskonzepte vorgeschrieben werden. Es muß aber versucht werden, eine Orientierung zu geben und zur fachlichen Klärung
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der Handlungsprinzipien und Strategien beizutragen. Die nachfolgenden Vorschläge und Forderungen des Deutschen Städtetages sind überwiegend langfristig orientiert und lassen sich nur in Stufen umsetzen. Diese Langfristorientierung darf jedoch nicht zu einem Ausweichen vor Problemen und einem Verschieben von Entscheidungen führen. Gerade weil die angesprochenen Probleme nur langfristig gelöst werden können, müssen die notwendigen Entscheidungen jetzt getroffen werden. Alle Städte - sowohl in den alten wie auch in den neuen Ländern - stehen vor der Aufgabe, in so unterschiedlichen Bereichen wie bei der Einzelhandelsentwicklung, im Wohnungsbau, im Verkehrs- oder Kultursektor neue oder bessere Lösungen zu fmden, obwohl sich die Intensität und Dauer vieler externer Veränderungen bisher kaum abschätzen läßt. Politische Entscheidungsprozesse in den immer stärker miteinander verflochtenen Stadtregionen sind überdies komplexer und damit schwerer als bisher an den Zielen einer Gesamtentwicklung zu orientieren. II.
Für die zukünftige Entwicklung städtischer Zentren kommt folgenden Handlungsfeldern und den dazu an die Politik gerichteten Forderungen grundlegende Bedeutung zu: 1. Städtische Zentren und Regionen Die Gefahrdung wichtiger Funktionen der Innenstädte und der Stadtteilzentren führt in zunehmendem Maße auch zu einer Schwächung und zu einem Abbau der Wettbewerbsfahigkeit der Stadtregionen insgesamt. Eine effektive und umfassende Kooperation der Städte und Gemeinden in den Verdichtungsräumen wird daher immer dringender, auch um die Lebensqualität und die Lebensperspektiven der Bevölkerung zu sichern. Nach den Erfahrungen mit den bisherigen Formen und Inhalten der freiwilligen kommunalen Zusammenarbeit in den städtischen Regionen ist die Bewältigung der an Zahl und Gewicht ständig zunehmenden Probleme nur über eine Neustrukturierung der kommunalen Aufgaben bei gleichzeitiger Reduzierung der Zahl der Organisations- und Entscheidungsebenen zu erreichen. Hierzu bedarf es allerdings der Fortentwicklung und Anpassung der kommunalen Selbstverwaltung auf der örtlichen und regionalen Ebene. In den neuen Ländern setzt dies zunächst eine tragfahige Gemeindegebietsreform voraus. Generell erfordert eine qualitativ neue Planungs- und Verwaltungsebene regionalen Zuschnitts, daß kommunale Selbstverwaltung und staatliches Verwaltungshandeln auf dieser Ebene neu abgegrenzt und organisiert werden. Dazu sind die regionalbedeutsamen Angelegenheiten,
Großflächiger Einzelhandel und FOC - Positionen des Deutschen Städtetages 107 die bisher von staatlichen Behörden wahrgenommen werden, einer kommunal verfaßten Region zuzuordnen. Wenn die Länder, die hier als Gesetzgeber vorrangig in der Pflicht stehen, ihre Aufgaben zur Neuregelung der Planungs- und Entscheidungsstrukturen in den Stadtregionen nicht rechtzeitig wahrnehmen, so drohen zunächst vor allem den Städten und Gemeinden der Kernbereiche in den Verdichtungsräumen schwerwiegende negative soziale, wirtschaftliche und städtebauliche Folgen. Mittel- und längerfristig werden jedoch alle Städte und Gemeinden der Stadtregionen spürbare Nachteile hinnehmen müssen. Nur Mut und Entschlossenheit zur politischen Innovation können die bestehenden Ungleichgewichte in den Stadtregionen beseitigen, die Lebensperspektiven der Bürgerinnen und Bürger in allen beteiligten Städten und Gemeinden sichern, die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Chancen der Stadtregionen aufrechterhalten und ihre Wettbewerbsfähigkeit im vereinten Europa auf Dauer garantieren. 2. Finanzen Die zentralörtlichen Leistungen der großen und größeren Kernstädte rechtfertigen in Verbindung mit deren besonderen sozialen Aufgaben die Forderung nach einem adäquaten Lastenausgleich zwischen Stadt und Umland. Dabei ist von Bedeutung: Die aus der differenzierten Aufgabenstellung der großen und größeren Städte entstehenden Sonderbedarfe resultieren nicht aus den kommunalpolitisch grundsätzlich wünschenswerten autonomen Entscheidungen der Städte, sondern sind Ergebnisse auch landespolitischer und bundespolitischer Vorgaben sowie Folgen sozioökonomischer Prozesse, auf die die Städte selbst kaum Einfluß nehmen können. So ist es landespolitisch gewollt und "verordnet", daß zentrale Orte fiir ihren gesamten, weit über die Stadtgrenzen hinausreichenden Versorgungsbereich Aufgaben wahrnehmen, ohne hierfür a priori etwa über Entgelte finanziell angemessen entschädigt zu werden. Die mit diesen Funktionen verbundenen zusätzlichen Aufgaben und Lasten liegen ebensowenig in der Entscheidungskompetenz und der Verantwortung der Städte wie die Tatsache, daß sich in den Städten die sozio-ökonomischen Krisen besonders drastisch auswirken, weil sich in ihnen die sozialen Problemgruppen konzentrieren und ihre Sozialetats in schwindelnde Höhe treiben. Der Stadtbewohner ist also nicht deshalb teuer, weil er die besonderen Angebote der Zentren als "städtischen Luxus" exklusiv genießen kann; städtische Sonderlasten ergeben sich vielmehr aus der landespolitisch verordneten Funktion der Städte als Arbeits- und Versorgungszentren fiir ihre eigenen Einwohner und die des gesamten Umlandes. Es ist deshalb ein Gebot der fiskalischen Äquivalenz bzw. der finanziellen Gerechtigkeit, daß die zentralen Orte für ihr Leistungsangebot ans Umland fmanziell entschädigt,
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daß die Nutzer der zentralörtlichen Leistungen bzw. hilfsweise ihre Wahnsitzgemeinden entsprechend zur Kasse gebeten werden. 3. Wohnen Um die Städte als Wohnstandorte zu sichern und wieder attraktiver zu machen, ist in der Wohnungspolitik eine grundlegende Reform nötig, die das Profil der WohnungsbaufOrderung den gewandelten ökonomischen, sozialen, ökologischen und fiskalischen Bedingungen anpaßt. Städte und Gemeinden benötigen dafür flexiblere Instrumente, die es ermöglichen, die vorhandenen Mittel und Kräfte vor Ort zu bündeln und auf das Notwendige zu konzentrieren. Die Städte sollten in die Lage versetzt werden, Fördermittel aus verschiedenen Bereichen in bestimmte, fiir die Verbesserung und Stabilisierung eines Standortes besonders wichtige Projekte zu konzentrieren. Eine dezentrale Förderpolitik bietet zudem die Chance, die wohnungspolitischen Instrumente besser auf die unterschiedlichen Nachfrage- und Investitionsbedingungen auf den Wohnungsteilmärkten, sowohl sektoral als auch räumlich auszurichten, wohnungsbezogene mit anderen, z.B. städtebaulichen Maßnahmen zu verknüpfen und die Kooperationsmöglichkeiten zwischen Wohnungsuntemehmen, Trägem der sozialen Arbeit sowie Städten und Gemeinden zu verbessern. Durch eine Stärkung des örtlichen Bezugs könnten auch vorhandene Synergie- und Effektivitätspotentiale besser ausgeschöpft und das Entstehen einseitiger Sozialstrukturen vermieden werden. Im Rahmen einer solchen Reform muß insbesondere für die Städte in den neuen Ländern die Förderpolitik im Altbau der im Neubau gleichgestellt und eine Verzahnung mit der Städtebauförderung auf hohem Niveau erreicht werden. 4. Handel Die Zentren der Städte können ihrer Funktion nur gerecht werden, wenn sie auch Standorte eines vielfaltigen und attraktiven Einzelhandels sind. Deshalb ist eine weitere Polarisierung im Einzelhandel durch nicht integrierte Großbetriebe auf der "grünen Wiese" zu verhindern. Diese großflächigen Einzelhandelsuntemehmen, die überwiegend auf kurzfristige Erfolgserwartungen und steuerliche Abschreibungszeiträume ausgerichtet sind, rauben den Zentren der Städte in den neuen Ländern ihre Entwicklungschancen und bedrohen die Zentren der Städte in den alten Ländern. Eine neue Variante nicht integrierter großflächiger Einzelhandelsbetriebe stellen in diesem Zusammenhang die Factory-Outlet-Center dar, durch die in ihrem Einzugsbereich die Nutzungsvielfalt und damit verbunden die Urbanität der Innenstädte und Stadtteilzentren bedroht werden.
Großflächiger Einzelhandel und FOC - Positionen des Deutschen Städtetages I 09
Vor diesem Hintergrund ist es dringend geboten, daß die Städte Zentrenund Einzelhandelsentwicklungskonzepte erarbeiten und umsetzen, regional bedeutsame Einzelhandelsvorhaben interkommunal abstimmen sowie alle vorhandenen Mittel des Bau-, Planungs- und Förderrechts ausschöpfen, um Großbetriebe an nicht integrierten Standorten zu verhindern. Darüber hinaus sind die Länder aufgefordert, die zur Steuerung und Ordnung des großflächigen Einzelhandels vorgesehenen und vorhandenen Instrumente der Raumordnung und Landesplanung konsequent anzuwenden und damit das zentralörtliche System zu sichern sowie das Verbot der Beeinträchtigung benachbarter Zentren zu beachten. Factory-Outlet-Center sind deswegen nur an integrierten Standorten und in standortverträglichen Größenordnungen zuzulassen. 5. Kultur und Freizeit Öffentliche Kultur- und Bildungseinrichtungen tragen wesentlich zur Anziehungskraft von Innenstädten und städtischen Nebenzentren bei. Zusammen mit einer Vielfalt privater kultureller Milieus und kultureller Angebote von Handel und Dienstleistungsgewerbe formen sie die Attraktivität städtische Räume, welche viele Menschen bewegt, diese aufzusuchen oder dort zu leben. Diese Vielfalt gilt es zu erhalten und weiterzuentwickeln. Gleichzeitig muß bei Großinvestitionen der gewerblichen Kulturwirtschaft wie z.B. Musicaltheater und Multiplexkinos innerstädtischen Standorten der Vorzug gegeben werden. Ein Kennzeichen städtischen Lebens ist einerseits die Konzentration sich voneinander abgrenzenden sozial-kultureller und ethnischer Milieus, andererseits aber auch eine erhöhte wohn- und wohnumfeldunabhängige Mobilität von Menschen in der Stadt, ftir die städtische Zentren in erster Linie periodisch aufgesuchte Erlebnisräume sind. Innenstädte sind damit vor allem auch Orte, wo unterschiedliche Menschen und Interessen aufeinanderstoßen. Städtische Kulturpolitik muß deshalb auf die Tatsache reagieren, daß zur Urbanität die Gegensätzlichkeit von Lebensformen gehört, und friedliches Miteinander im Sinne ausgehaltener Differenzen fördern. Die öffentlichen Kultur- und Bildungseinrichtungen können dazu ebenso beitragen wie einzelne Veranstaltungen. Die historisch gewachsenen Strukturen, Ensembles und Einzeldenkmäler in den Städten sind ein Kapital, von dem viele andere Funktionen und vor allem Einzelhandel, Dienstleistungen und Tourismusbranche profitieren. Deshalb müssen Stadtgestaltung und Denkmalpflege mit den Innenstädten besonders sorgfaltig umgehen.
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6. Verkehr Zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Städten - insbesondere der Verdichtungsräume - ist ein massiver Ausbau der Infrastruktur für den öffentlichen Personennahverkehr dringend erforderlich. Er kann von den Städten aber nur fmanziert werden, wenn der Bund den Ländern und kommunalen Gebietskörperschaften für die Mitfmanzierung der ÖPNV-Infrastrukturkosten einen weiteren zweckgebundenen Anteil in Höhe von 10 Pfg. je Liter aus dem Mineralölsteueraufkommen zur Verfügung stellt. Die Städte brauchen außerdem bessere Rahmenbedingungen für ihre Verkehrssicherheitsarbeit und im sog. ruhenden Verkehr. Dies gilt vor allem für die Sicherung des Anwohnerparkens. Es sollte aber auch der OSTVorschlag zur Einführung von Tempo 30 in den Städten endlich umgesetzt werden. Dieser Vorschlag sieht vor, daß innerhalb geschlossener Ortschaften auf einem von der jeweiligen Stadt vorgegebenen Netz von Vorfahrtstraßen Tempo 50 oder mehr und abseits dieses Netzes - ohne große Straßenumbauten - generell Tempo 30 gilt. Nur so wird eine flächenhafte und wirksame Verkehrsberuhigung für die Städte finanzierbar und bundesweit in den nächsten Jahren umsetzbar sein. Die Bewohner und Bewohnerinnen der Innenstädte sollten ferner durch strikte Geräuschgrenzwerte für Pkw, Krafträder und Lkw vor gesundheitsschädlichem Verkehrslärm geschützt werden. Neue technische Standards für Kraftfahrzeuge - verbunden mit einem begrenzten steuerlichen Vorteil müssen hier Abhilfe schaffen. Weiterhin bedarf es der Verbesserung des Verkehrslärmschutzes auch an bestehenden Verkehrswegen. 7. Die Grundvoraussetzung für den Weg zu lebenswerten städtischen Zentren ist die Vorgabe von sowohl ökologisch, ökonomisch, sozial und kulturell verträglichen Rahmenbedingungen. Dabei können die Städte nur erfolgreich sein, wenn die anderen Städte und Gemeinden der Region sowie die übergeordneten Gebietskörperschaften am "gleichen Strang" ziehen und die Bürgerinnen und Bürger durch Änderungen ihres persönlichen Verhaltens mehr als bisher entsprechende Beiträge leisten. Vor diesem Hintergrund erfordert die Umsetzung der Beschlüsse von Rio zur Agenda 21 und der von Instanbul zu Habitat li von den Städten eine nachhaltige Stadtentwicklung mit größtmöglicher Reduzierung des Verbrauchs neuer Flächen durch Revitalisierung von ehemaligen Militär-, Bahn- und Postflächen sowie von Gewerbe- und Industriebrachen. 8. Sicherheit und Ordnung Wegen ihrer Problem- und Bürgernähe tragen die Städte bei der vorbeugenden Bekämpfung von Gewalt ihren Teil der gesamtstaatlichen Verantwortung. Durch vielfältige Maßnahmen in den unterschiedlichsten Lebens-
Großflächiger Einzelhandel und FOC - Positionen des Deutschen Städtetages 111
bereichen, insbesondere bei der städtebaulichen Planung und Gestaltung sowie in der Kultur-, Bildungs- und Jugendarbeit, versuchen die Städte, dieser Verantwortung gerecht zu werden und der weiteren Entwicklung von Gewalt entschieden entgegenzuwirken. Diese Übernahme von Verantwortung kann jedoch nicht dazu führen, daß das gesellschaftliche Problem Gewalt allein den Städten überlassen wird. Bund und Länder bleiben aufgefordert, ihren Beitrag zur Problembewältigung zu leisten. Insbesondere darf es keine Verlagerung staatlicher Polizeiaufgaben auf die Städte geben.
111. Zur Schaffung tragfahiger Strukturen in den städtischen Zentren müssen jetzt die Weichen gestellt werden, um den angestrebten Entwicklungen neue Impulse zu geben: für mehr Attraktivität, für mehr Investitionen, für mehr Kooperation zwischen Bürgern, privaten Investoren, Städten und Umlandgemeinden in den Regionen.
Die strukturelle Entwicklung des Einzelhandels im Spannungsfeld der Standorte Von Hans Haupt
I. Strukturelle Entwicklung 1. Standortstruktur des Einzelhandels Die Verkaufsfläche des Einzelhandels hat sich von 1980 bis heute verdoppelt, seit 1950 sogar verzehnfacht Auch die kommenden Jahre werden durch eine Verkaufsflächenexpansion bestimmt sein: Verkaufsfläche im Einzelhandel in Deutschland 1995 80 Mio. m- in ABL 15 Mio. m" in NBL
2005 97 Mio. m" in ABL 21 Mio. m" in NBL
Zieht man eine Betrachtung der Verteilung der Verkaufsfläche auf die verschiedenen Netztypen heran, so zeigt sich fur die alten Bundesländer immer noch eine eindeutige, aber abnehmende Dominanz des primären Netzes (City, Nebenzentren, Vorstädte) und eine kontinuierliche Zunahme des sekundären Netzes (Gewerbe-, Industrie-, Sondergebiete); exakt in Zahlen ausgedrückt, geht der Anteil des primären Netzes von 73% (1990) auf68% (2010) zurück, der des sekundären Netzes steigt von 27 % auf 32 %. Von diesen Durchschnittszahlen gibt es jedoch örtlich teilweise erhebliche Abweichungen. Dies bezieht sich vor allem auf höhere Anteile des sekundären Netzes, was durchweg fur den Bereich der neuen Bundesländer gilt. Hier dominiert eindeutig das sekundäre Netz mit einem Anteil von 53% im Jahre 1995. Zieht man die Zahlen aus der Hotel- und Gaststättenzählung von 1993 zu Rate - leider etwas veraltetes Zahlenmaterial - so ergibt sich bei einer etwas anderen Betrachtungsweise eine Verteilung der Verkaufsflächen mit 42 % auf die Innenstädte, 21,1% aufNebenzentren, 12,4% aufWohngebiete und 25,5 % auf die Grüne Wiese. Diese Zahlen dürften sich in den letzten Jahren noch zugunsten der Grünen Wiese verschoben haben. 8 Speyer 134
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Die weitere Entwicklung wird abhängig sein von der Einzelhandelsentwicklung generell und der Entwicklung der Betriebstypen; letzteres gibt auch Aufschluß zur Stadtentwicklung, weil die Betriebstypen des Einzelhandels sehr standortorientiert sind.
2. Schwerpunkte der Einzelhandelsentwicklung I Entwicklung der Betriebstypen Auf Schlaglichter reduziert wird die generelle Entwicklung des Einzelhandels in Deutschland in den kommenden Jahren von drei Faktoren bestimmt: •
Fortschreitende Internationalisierung und Globalisierung der Beschaffungs- und Absatzmärkte.
•
Fortschreitende Konzentration und damit verbundener Strukturwandel, der die Marktanteile der großen Unternehmen steigen läßt und damit die von diesen Unternehmen favorisierten Betriebstypen fördert.
•
Zunehmende Zahl an strategischen Allianzen bis hin zur Bildung europäischer Handelskonzerne.
Die Handelskonzerne mit Ursprung im Lebensmittelhandel bestimmen so weitestgehend zur Zeit die Entwicklung der Einzelhandelslandschaft Einer ihrer Favoriten bei den Betriebstypen-der Fachmarkt- wird so von der Einzelhandelsentwicklung weiter begünstigt, was zu Lasten der Innenstadtstandorte geht. Besonders bemerkenswert wird diese Tatsache, wenn man bedenkt, daß die Marktanteile der großen Handelsgruppen permanent steigen. Im Bereich des Lebensmittelhandels und der ergänzenden Sortimente hat sich der Anteil der "Top 10" allein von 1995 auf 1996 um zwei Prozentpunkte erhöht (79,4 % zu 81,4 %); 1980 betrug dieser Anteil noch 31 %, 1992 70 %. Hier liegen über externes und internes Wachstum die Schwerpunkte der Konzentrationsentwicklung, die sich in Übernahmen, Mehrheitsbeteiligungen und Fusionen widerspiegelt und damit die seit langem laufende Diversifizierung in andere Branchen - vor allem Non-feod-Bereiche - vorantreibt und dies überwiegend mit dem Betriebstyp Fachmarkt Aus dieser Entwicklung ergibt sich folgende Einschätzung zu den Marktanteilen (ifo Institut).
Marktanteile Selbstbedienungswarenhäuser I Verbrauehermärkte Fachmärkte
1995
2000
17,5%
19,3%
14%
20,8%
Strukturelle Entwicklung des Einzelhandels im Spannungsfeld der Standorte 115
Die Marktanteile der nicht innenstadtorientierten Betriebstypen nehmen also kräftig zu. Alle anderen Angebots- I Betriebstypen stagnieren oder verlieren Marktanteile mit der Folge, daß sich die Standortgewichte des Einzelhandels weiter zum sekundären Standortnetz verlagern, d. h. zu peripheren städtischen Lagen, in Gewerbegebiete (soweit bauplanungsrechtlich noch möglich) und auf die Grüne Wiese; vor allem hier werden Standorte ohne zentralörtliche Zuordnung als Einzelhandelsstandorte entwickelt, was gleichzeitig zu einer Gefahrdung des Zentrale-Orte-Systems und den Zielen der Landesplanung und Raumordnung fUhrt.
II. Rolle der Innenstädte in dieser Entwicklung Hierzu kann an dieser Stelle nur eine Skizze gegeben werden. Kernpunkt aller Überlegungen ist die Erhaltung der Funktionsfahigkeit der Städte, wobei der Einsatz der Instrumente aus Raumordnung, Landesplanung und Bauleitplanung eine ganz entscheidende Rolle spielt. 1. Die Gefahrenpotentiale
Generell stehen vier Spannungsfelder im Mittelpunkt der Betrachtung: •
Wirtschaft I städtische Verkehspolitik
•
Innerstädtischer Handel I ,.Grüne Wiese"
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Wirtschaft I Denkmalschutz
•
Wirtschaft I Sicherheit in der Stadt
Mit Blick auf das Thema soll hier nur der Bereich ,.Innenstadt I Grüne Wiese" kurz beleuchtet werden. Seit den 70er Jahren gibt es eine phänomenale Entwicklung preisaggressiver Betriebsformen außerhalb der Innenstädte, was die Attraktivität der Cities schwächt. Die Citylagen der Großstädte verlieren relativ zugunsten der Vorstadt- und Subzentren und der Anbieter auf der ,.Grünen Wiese" und zugunsten der Kernlagen der Mittel- und Kleinstädte. Gleichzeitig verlieren jedoch alle City- und Kernlagen zugunsten der Vorstädte und Stadtränder. Alles in allem nimmt der Wettbewerb der Standorte weiter zu, was nach aktueller Einschätzung auch weiterhin zu Lasten der Innenstädte gehen dürfte. Hinzu tritt noch das Problem, daß der Einsatz neuer Medien im Verkauf des Einzelhandels sozusagen standortungebundener Verkauf ist und zumindest auch die Innenstädte betreffen wird. Eine Einschätzung ist hier zur Zeit allerdings noch mit vielen spekulativen Aspekten behaftet; sie sollten aber trotzdem nicht vergessen werden.
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2. Die Gegengewichte Die geschilderten Entwicklungen unterliegen nicht naturgesetzliehen Gegebenheiten. Sie sind gestaltbar, wenn der Verbraucher von den Einzelhandelsunternehmen richtig angesprochen wird, wenn es hier gelingt, eine profilierte Unternehmenspolitik aufzubauen, und wenn die vorhandenen gesetzlichen Rahmenbedingungen bei den Standortentscheidungen des Einzelhandels sachgerecht genutzt werden.
111. Steuerung der Ansiedlung von Handelsbetrieben Die Divergenzen zwischen Zielen der Stadtentwicklung - Einzelhandel I Dienstleistungen in der Stadt halten, in die Stadt bringen - und der realen Entwicklung der Standorte des Einzelhandels werden größer. Diese divergierende Entwicklung muß versucht werden, einigermaßen im Griff zu behalten. Was kann geschehen? Ein wichtiger Ansatz liegt im konzeptionellen Vordenken der Gemeinden für künftige Einzelhandelsstandorte, d. h. vorausschauende Politik der Kommunen zur Steuerung der Standortstrukturen. Das angestrebte Ziel, Städte attraktiv zu gestalten und in ihrer Multifunktionalität zu erhalten bzw. zu stärken, erfordert daher, die Ansiedlung von großflächigen Einzelhandelsvorhaben konsequent mit Hilfe des bauplanungsrechtlichen Instrumentariums zu lenken, aber auch Eckwerte für Innenstadtinvestitionen festzulegen. Folgende Aspekte sind dabei zu berücksichtigen: I. Die Ausweisung von Flächen in der Bauleitplanung muß stärker von konzeptionellen Vorstellungen der Entwicklung der Handelslandschaft geprägt sein und eine gewisse Vorsorge für diese Entwicklung einschließen. Neue Angebotsformen im Handel müssen Chancen in Städten finden. Insofern sollten städtebaulich verträgliche Standorte vorgestellt werden, um bei konkreten und vom Standort her nicht wünschenswerten Ansiedlungsbegehren Alternativen anbieten zu können. Dies gilt z. B. für innerstädtische Einkaufszentren, denn sie werden generell vom Verbraucher gut angenommen und können zur Hebung der Attraktivität der Innenstädte eingesetzt werden. Generell ist Transparenz bei handelsverwertbaren Grundstücken nötig. 2. Die Herstellung planungsrechtlicher Grundlagen ist Voraussetzung für eine lenkende Einflußnahme auf Ansiedlungsvorhaben. Damit die Bestimmungen der Baunutzungsverordnung von 1990 Anwendung finden können, sind Änderungen älterer Bebauungspläne von bereits durch großflächigen Einzelhandel genutzten oder auch potentiellen Standorten erforderlich. Die Gefahr von Schadensersatzforderungen wird meist überschätzt.
Strukturelle Entwicklung des Einzelhandels im Spannungsfeld der Standorte 117
3. Bei derErteilungeiner ersten Baugenehmigung für ein Gebiet muß Klarheit darüber bestehen, ob am Standort weiterer Handel beabsichtigt ist oder ob es sich um einen Einzelfall handelt. Spätere Auswirkungen möglicher Einzelhandelsagglomerationen können am wirkungsvollsten durch eine prognostische Herangehensweise vermieden werden. 4. Das Bauplanungsrecht räumt die Möglichkeit ein, die zulässigen Nutzungsarten detailliert zu speziftzieren. Davon sollte Gebrauch gemacht werden, wenn es stadtentwicklungspolitisch notwendig ist. 5. Bestimmte Sortimente müssen nicht unbedingt in städtebaulich integrierten Standorten untergebracht werden. Ihre Ansiedlung in städtebaulich nicht integrierten Lagen führt weder zu einer Gefahrdung der Funktion der Innenstädte noch der verbrauchernahen Versorgung. Die Entscheidungen müssen hier auf den jeweiligen Einzelfall abgestellt werden. Dabei darf aber stadtentwicklungspolitisch nicht außer acht bleiben, daß es nicht nur auf die Art der Sortimente, sondern bei größeren Agglomerationen auch auf die Beeinträchtigung der innerstädtischen Kundenfrequenz ankommt. Wenn die Frequenzbringer die Innenstadt verlassen, folgen auch andere Sortimente I Geschäfte. Ein aktuelles Problem in neuer Dimension stellen die Factory-Outlet-Center dar. Z. Zt. wird darüber heftig diskutiert, aber an einigen Orten wird schon die Realisierungsphase erreicht. Ausgangspunkt für dieses Problem ist die Fülle an sogenannten Konversionsflächen, die als Industriebrachen, nicht mehr genutzte Militärflächen und zu anderer Verwendung freigegebene Grundstücke der Bahn und der Post auf den Immobilienmarkt drängen. Diese Grundstücke liegen in den unterschiedlichsten Standorten: Kerngebiete, Stadtränder I Gewerbegebiete, Grüne Wiese, kleinere Gemeinden mit keiner oder niedriger zentralörtlicher Bedeutung. Der Verwertungsdruck bei den Eigentümern ist groß; bei allen diskutierten Projekten werden neue Arbeitsplätze in den Vordergrund gestellt, ohne die Gefährdung bestehender Arbeitsplätze in die Betrachtung einzubeziehen. Insgesamt ist die Gefahr sehr groß, daß großflächiger Einzelhandel an falschen Standorten entsteht und dies in Dimensionen, die die bisherige Diskussion um den großflächigen Einzelhandel an nichtintegrierten Standorten bei weitem übertrifft, teilweise sogar fast an Stadtgründungen heranreicht. Es muß deshalb frühzeitig falschen örtlichen Entwicklungen entgegengewirkt werden. Agieren ist nötig, nicht erst reagieren. Es besteht kein Zweifel, auch Factory-Outlet-Center sind großflächiger Einzelhandel und wie dieser zu behandeln. Der DIHT hat dazu ein Positionspapier vorgelegt, um einen Orientierungsrahmen für die Kammerarbeit und Empfehlungen für die Kommunalund Landespolitik zu geben.
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Alles in allem: Die Einzelhandelsentwicklung ist städtebaulich gestaltbar, aber nur, wenn konzeptionelle Vorstellungen zur Entwicklung des Einzelhandels wie zur gesamten Stadtentwicklung vorliegen und wenn das Instrumentarium von Raumordnung, Landesplanung und Bauleitplanung konsequent angewendet wird. Diese Doppelstrategie ist notwendig. Nur darauf kann der Einzelhandel in der Innenstadt seine Unternehmenspolitik aufbauen. Daran hängt der Fortbestand des Handelsstandortes Stadt.
Leitsätze 1. Factory-Outlet-Center sind eine BündeJung von Verkaufseinrichtungen. Sie sind deshalb wirtschaftlich und rechtlich den Einkaufszentren gleichzusetzen und als großflächiger Einzelhandel zu behandeln. 2. Factory-Outlet-Center müssen wie jeder andere großflächige Einzelhandel nach den Regelungen des Raumordnungs-, Landesplanungs- und Bauplanungsrechts bewertet werden. 3. Daraus ergeben sich folgende Feststellungen: a) Factory-Outlet-Center müssen in das Zentrale-Orte-System eingebunden werden. b) Wegen der Innenstadtrelevanz der Sortimente sind im Regelfall negative städtebauliche Auswirkungen zu erwarten. Factory-Outlet-Center sind deshalb nur in Kern- und für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. c) Für Factory-Outlet-Center sind alle Abwägungen nach§ 11 Abs. 3 Baunutzungsverordnung zu treffen. Sie unterliegen den Anforderungen eines Raumordnungsverfahrens und in der Regel einer Umweltverträglichkeitsprüfung. 4. Die in Aussicht gestellten neuen Arbeitsplätze dürfen den Abwägungsprozeß zur Zulassung von Factory-Outlet-Centern nicht dominieren. Auch die Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt des Einzugsbereiches sind in vollem Umfang einzubeziehen(§ l, Abs. 5, Ziffer 8 BauGB).
Factory Outlet Center- ein Statement Von Werner Hoppe
I. Den FOC bläst der Wind ins Gesicht. Das erlebt derjenige, der innerhalb einer Anwaltskanzlei einen der führenden Betreiber von FOC bei seinen Ansiedlungsbemühungen in Deutschland mitberät, täglich hautnah. Dieser neuartigen Vertriebsform des Einzelhandels wird nur eine nüchterne, sachgebundene, sorgfaltig differenzierende Einzelfallbetrachtung gerecht. Dies ist nicht die Stunde der "terribles sirnplificateurs" und nicht die der "Übertreibungskünstler", als welche Romanschriftsteller im letzten "Literarischen Quartett" - zutreffend - charakterisiert worden sind. FOC sind bei rechtskonformer Zulassung keine "Totengräber der City", sie sind keine "Giganten auf der grünen Wiese". Auch führen sie nicht als "krakenhafte Einkaufszentren" zur Amerikanisierung der lebendigen europäischen Stadt, die Michael Krautzberger in einem Horrorszenario an die Wand wirft. Warum muß Peter Runkel in einem durchaus lesenswerten Aufsatz zu "Factory-Outlet-Center" ihnen im Untertitel das Etikett anhängen: "Eine neue Dimension von Einkaufszentren als Bedrohung lebendiger lnnenstädte"? Können wir nicht nüchtern rechtliche Gründe und Gegengründe austauschen, statt reißerische Totschlagsargumente ins Feld zu führen? Es ist schon erstaunlich, wie leichtfertig die MKRO die FOC außerhalb von Ortszentren für .,unzulässig" erklärt und dies auf die .,Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung " stützt. Auch steht das vielfach unreflektierte Rekurrieren auf das Zentrale-Orte-Prinzip und die ohne substantielle Diskussion der normativen Voraussetzungen von "Zielen der Raumordnung" vorgenommene Instrumentalisierung der raumordnungsrechtlichen Zielbindung einer sachlich differenzierenden Diskussion entgegen. In diesen Instrumentenkasten gehört auch die Empfehlung einer restriktiven Handhabung, sprich einer restriktiven Auslegung des geltenden Planungsrechts bei der Behandlung von FOC durch einen Beschluß der Regierungschefs von
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Wemer Hoppe
Bund und Ländern. Mir ist es neu, daß diese Regierungschefs eine besondere Kompetenz zur Behandlung rechtsmethodischer Fragen haben. Zu diesem Beschluß und zu dem ihm zugrundeliegenden Bericht bemerkt das OVG Brandenburg in einer Entscheidung vom 16.12.1998 treffend: "Die Auffassung der Antragstellerio kann nicht zutreffen, allein dieser Bericht sowie der Umstand, daß die besonderen städtebaulichen Gefahren von "FactoryOutlet-Centem" auf höchster politischer Ebene unstreitig seien, genügten im Rahmen dieses Verfahrens, um die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer Verletzung des materiellen interkommunalen Abstimmungsgebotes anzunehmen, weil pauschale Behauptungen oder politische Vorstellungen die rechtlich gebotene einzelfallbezogene Betrachtungsweise nicht zu ersetzen vermögen". (Beschl. v. 16.12.1998 -3 B 116 I 98-, amtl. UmdruckS. 5) Ich sehe mich eher dem Votum der GMA-Grundlagenuntersuchung verbunden, mit der diese renommierte Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung im Auftrag des BMBau die raumordnerischen und städtebaulichen Auswirkungen von FOC außerordentlich sorgfaltig und umfassend untersucht hat. Ohne das Gefahrdungspotential auch für den Einzelhandel abzustreiten, heißt es in der Studie (S. 134): "Gleichwohl ist vor dem Hintergrund der vorliegenden Erkenntnisse zum Betriebstyp Factory-Outlet-Center und der Ergebnisse dieser Grundlagenuntersuchung eine differenzierte Betrachtung und damit auch differenzierte Bewertung angezeigt." Deswegen halte ich die generalisierende Feststellung in den Leitsätzen des DIHTzu FOC: "Wegen der Innenstadtrelevanz der Sortimente sind im Regelfall negative städtebauliche Auswirkungen zu erwarten", für zu weitgehend, um das Wort "fehlsam" zu vermeiden. Differenzierende Betrachtungsweise heißt Berücksichtigung aller maßgeblichen Faktoren für das konkrete Vorhaben: Konzeption des Betreibers, Standort, W arensortirnent und seine Sortimentsschwerpunkte, Einfluß auf die Zentralität von Kommunen im Einzugsgebiet, Kaufkraftabflüsse, Auswirkungen auf die verbrauchernahe Versorgung, auf den Verkehr, auf die Umwelt, die Einfügung des FOC in ein leistungsfahiges Verkehrsnetz, Erschließung, Flächenverbrauch, Versiegelung, Verbrauchererwartungen, Attraktivität für Investoren und Mieter, alles Faktoren, die die GMAUntersuchung eingehend behandelt. Ebenso entscheidend sind auch verfassungsrechtliche Vorgaben.
Factory Outlet Center- ein Statement
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II. Dieses vorausgeschickt, komme ich nun zu den rechtlichen Gesichtspunkten. Vorab einige tatsächliche Gesichtspunkte zu FOC: 1. Der Begriff "Factory Outlet Center" (FOC) hat sich an Stelle des deutschen Begriffes des Hersteller-Direktverkaufs-Zentrums eingebürgert. Anders als herkömmliche Fabrik- oder Lagerverkaufsstätten - diese sind dadurch gekennzeichnet, daß derjeweilige Hersteller seine Waren am Ort der Herstellung selbst verkauft - stellt das FOC eine bauliche Zusammenfassung (Center) einer Mehrzahl von Ladengeschäften (Outlet Stores) in einem einheitlichen Gebäudekomplex dar, in denen die Hersteller als Mieter der Geschäfte - losgelöst von der eigentlichen Fabrikationsstätte - ihre Waren unter Umgehung des Groß- und Einzelhandels direkt an den Endverbraucher verkaufen. FOC unterscheiden sich darüber hinaus konzeptionell - mit einer gewissen Varianz je nach dem Center-Betreiber bzw. Investor - von herkömmlichen Einkaufsstätten durch die Beschränkung der Warengruppen und Sortimente sowie durch die Preisgestaltung. Die Waren beschränken sich im Kern auf Bekleidung ( ca. 60 bis 70 % des Gesamtangebots, daneben Schuhe, Lederwaren, Accessoires und Glas I Keramik I Porzellan) möglichst namhafter und exklusiver Hersteller und Designer. Kennzeichnend für das FOC sind die hochwertigen Markenartikel. Der Hersteller veräußert in den Ladeneinheiten diejenigen Waren, die im regulären, zumeist hochpreisigen Facheinzelhandel nicht oder jedenfalls nicht zu den sonst üblichen Preisen veräußert werden können: Ib-Waren, Modelle der vergangeneu Saison, Auslaufmodelle, Restposten, Retouren und Waren für Markttestzwekke. Diese Waren werden zu erheblich reduzierten Preisen verkauft, in der Regel zwischen 25 und 50 % unter dem herkömmlichen Ladenpreis. Wegen dieser spezifisch FOC-bedingten Besonderheiten der Waren ist immer nur ein sehr beschränktes Warensortiment im Angebot, das sich praktisch täglich ändert. Das gilt im Hinblick auf alle bestimmenden Merkmale: Größe, Qualität, Ausstattung, Farben, Musterung etc. Die einzelnen Ladengeschäfte sind unterschiedlich groß, nach den Erfahrungen im Ausland in der Regel nicht größer als 200 m 2 Verkaufsfläche, selten beträgt die Verkaufsfläche mehr als 400 bis 500m2 • Die gesamte Verkaufsfläche des FOC hängt von dem individuellen Setreiberkonzept ab. Sie liegt zumeist bei über 5000 m 2 und kann - so die Erfahrungen in England und Frankreich durchaus 10.000 bis 20.000 m 2 Verkaufsfläche betragen. Hinzu kommen - wiederum in Abhängigkeit vom Setreiber - mehr oder weniger umfangreiche Flächen für eine Mall, Gastronomie und Freizeit- und LeisureEinrichtungen. Dadurch soll der Erlebniswert des Einkaufs gesteigert werden.
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Wemer Hoppe Aufgrund dieser Faktoren liegt der Einzugsbereich eines FOC deutlich über dem eines herkömmlichen Einkaufszentrums. Es wird davon ausgegangen, daß der Kunde eine Anfahrtszeit mit dem Pkw von bis zu 90 Minuten in Kauf nimmt. Entsprechend groß ist das Einzugsgebiet. In Abhängigkeit von der Bevölkerungszahl im Einzugsbereich geht die GMA davon aus, daß das Besucheraufkommen bei einer Verkaufsfläche von 10.000 bis 15.000 m2 bei 2,5 bis 35 Mio. p.a. liegt, und das Verkehrsaufkommen bei ca. 1,2 Mio. Fahrzeugen. Damit ist zugleich ein weiterer Punkt angesprochen: Der typische FOC-Kunde reist mit dem Pkw an, weshalb der Standort auf eine möglichst günstige Anhindung an das bestehende (Fern-)Straßennetz angewiesen ist. Es werden - typischerweise - dezentrale Standorte bevorzugt: Aus mehreren Gründen. Da man auf fußläufig erreichbare, städtebaulich integrierte Innenstadtlagen nicht angewiesen ist, kommt der Verkehrsanbindung eine besondere Bedeutung zu und dezentrale, an überörtliche Straßen angeschlossene Standorte sind rascher erreichbar als City-Lagen. Auch kann der große Stellplatzbedarf in der Regel in Innenstädten nicht befriedigt werden, zumindest nicht zu wirtschaftlich vertretbaren Preisen - abgesehen davon, daß große Stellplatzflächen in der Innenstadt auch städtebaulich nicht erwünscht sind.
Wichtiger aber noch ist eine FOC-spezifische Erwägung: Je geringer die Distanz des FOC-Standortes zu den hochwertigen Fachgeschäften in der City ist, um so eher befiirchtet der innerstädtische Facheinzelhandel - der weiterhin die wichtigste Vertriebsstufe des Herstellers ist - ein Konkurrenzverhältnis und umso schwieriger gestaltet es sich erfahrungsgemäß fiir den Betreiber des FOC, Hersteller als Mieter fiir die Ladengeschäfte zu fmden. Der Hersteller hat regelmäßig ein vitales Eigeninteresse daran, daß eine solche Konkurrenzsituation auch nicht dem Anschein nach besteht. Dies ist auch der Grund, weshalb FOC-Betreiber grundsätzlich Standorte in der unmittelbaren Nachbarschaft eines Oberzentrums - in dem sich üblicherweise die Fachgeschäfte I Boutiquen mit den bekannten Designer-Waren befinden - meiden. Das FOC mit einer Verkaufsfläche von- unterstellt- 10.000 bis 20.000 m2 ist als großflächiger Einzelhandel zu qualifizieren. Allerdings weist das FOC gegenüber dem herkömmlichen großflächigen Einzelhandel eine Vielzahl der erörterten Besonderheiten auf, denen planungsrechtlich Rechnung zu tragen ist. 2. Liegt ein qualifizierter Bebauungsplan vor, ist zu ermitteln, ob das FOC mit den Festsetzungen des Bebauungsplanes übereinstimmt und ob die Erschließung gesichert ist. Hinsichtlich der Gebietsart ist ein Sondergebiet (§ 11 Abs. 3 BauNVO) oder ein Kerngebiet (§ 7 BauNVO) Voraussetzung. Im Einzelfall kann das FOC auch in einem GE oder GI zulässig sein. Die
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Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 BauNVO sind zu prüfen. Im Einzelfall kann ein FOC auch nach § 34 BauGB genehmigt werden, wenn in der das Baugrundstück prägenden Nachbarschaft großflächiger Einzelhandel vorhanden ist. Liegt ein Rechtsanspruch auf Genehmigung vor, bedarf es in der Regel keines Raumordnungsverfahrens. 3. Muß ein neuer Bebauungsplan aufgestellt oder ein bestehender Bebauungsplan geändert werden, muß die Gemeinde eine Vielzahl gesetzlicher Vorgaben und Bindungen beachten: a) Gern.§ 1 Abs. 4 BauGB sind die Bauleitpläne den Zielen der Raumordnung anzupassen. § 3 Nr. 2 ROG 1998 defmiert das Ziel der Raumordnung nunmehr ausdrücklich als "verbindliche Vorgaben in Form von räumlich und sachlich bestimmten und bestimmbaren, vom Träger der Landes- oder Regionalplanung abschließend abgewogenen textlichen oder zeichnerischen Festlegungen in Raumordnungsplänen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raumes". Charakteristisch fiir Ziele der Raumordnung ist nach dieser Defmition, daß es sich um Iandesplanerische Letztentscheidungen handelt. Welche Ziele sind maßgeblich? Die Rechtsauffassung der Ministerkonferenz fiir Raumordnung, FOC seien "entsprechend der Leitvorstellung einer nachhaltigen Raumentwicklung" außerhalb von Großstädten I Oberzentren nicht zulässig, läßt sich auf geltendes Recht nicht stützen. Diese Auffassung wird auch auf das - im Raumordnungsrecht verankerte zentralörtliche Gliederungsprinzip gestützt, das den Gemeinden Ober-, Mittel- und Unterzentralität zuordnet. Es soll folgende Ausprägungen haben: -
ein Kongruenzgebot, wonach auch privatwirtschaftliche Betriebseinheiten bestimmten Zentralitätsstufen zugeordnet werden (z.B. FOC den Oberzentren),
-
ein Beeinträchtigungsverbot, wonach die ausgeglichenen Versorgungsstrukturen nicht wesentlich beeinträchtigt weden sollen,
-
ein Integrationsgebot, wonach großflächige Einzelhandelsbetriebe nur räumlich und funktional Siedlungsschwerpunkten zugeordnet werden sollen.
Das Kongruenzgebot kann keine Geltung beanspruchen. Das Beeinträchtigungsverbot und das Integrationsgebot sind keine Ziele, sondern Grundsätze der Raumordnung, also allgemeine Aussagen zur Entwicklung, Ordnung und Sicherung des Raums(§ 3 Nr. 3 ROG), die der ge-
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meindlichen Abwägung unterliegen und überwindbar sind. Sie genügen nicht den strikten Anforderungen des § 3 Nr. 2 ROG 1998. Die generelle und strikte Bindung bestinunter privatwirtschaftlicher Betriebseinheiten an eine bestinunte zentralörtliche Stufe entspricht nicht den strukturellen Besonderheiten bestinunter privatwirtschaftlicher Betriebseinheiten wie FOC und verkennt die Funktion dieses Prinzips: Es kann und soll das Ziel der ausgeglichenen Versorgungsstrukturen nicht auf dem Wege einer strikten Bindung privatwirtschaftlicher Betriebseinheiten an zentralörtliche Stufen erreichen. Das Beeinträchtigungsverbot soll "ausgeglichene Versorgungstrukturen" in allen Zentralitätsstufen unter Berücksichtigung aller Zentralitätsstufen und aller Iandesplanerischen Entwicklungsziele - auch fiir Mittelzentren - garantieren. "Ausgeglichene Versorgungsstrukturen" meinen nicht nur den Einzelhandel in Großstädten. Das Beeinträchtigungsverbot verlangt - als Grundsatz der Raumordnung - eine konkrete räumlichvorhabenbezogene Beurteilung von Einwirkungen des konkret in Rede stehenden Vorhabens auf das zentralörtliche Gesamtgefüge in allen zentralörtlichen Stufen dieses Raums, nicht nur auf das Oberzentrum. Das Merkmal der "Ausgeglichenheit" der Versorgungsstrukturen nötigt zu einer Abwägung, die Vorteile und Nachteile der Auswirkungen des zu beurteilenden Vorhabens in eine zentralörtliche Gesamtbilanz einstellt. Das Integrationsgebot ist - wie gesagt - eine Abwägungsdirektive und ein abzuwägender Belang mit Gewicht. Hierzu Erbguth: "Das zentralörtliche Gliederungsprinzip kann und soll das Ziel einer lückenlosen Versorgung der Bevölkerung nicht auf dem Wege einer strikten Bindung privatwirtschaftlicher Betriebseinheiten an zentralörtliche Stufen erreichen."
Es ist zu bedenken, daß auch verfassungsrechtliche Erwägungen gegen eine starre Handhabung des zentralörtlichen Gliederungsprinzips im Sinne eines Kongruenzgebotes sprechen. Ein solches Gebot verletzt die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Geeignetheit, der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit. Landesplanerische Festlegungen, weiche der zentralörtlichen Gliederung dennoch eine Verbotswirkung mit Zielcharakter beilegen, sind deshalb als unwirksam anzusehen. Im übrigen gibt es keine eindeutigen Bestinunungsmerkmale daftir, welche Zentralität eine Gemeinde aufweisen muß, um von einer Konkordanz zwischen dem Einzelhandelsgroßprojekt und der Belegenheitsgemeinde sprechen zu können.
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Neuere Untersuchungen raumordnungswissenschaftlicher Art - das Zentrale-Orte-Prinzip stammt von dem Wirtschafts-Geographen Christaller melden im übrigen Bedenken gegen die Tragfähigkeit des Zentral-OrteKonzepts als Steuerungsinstrument für die Raumordnung an. Die GMA-Grundlagenuntersuchung stellt fest (S. 136): "Aufgrund der Bereitschaft der Verbraucher z.T. große Wegstrecken zum Besuch eines F.O.C. in Kauf zu nehmen und damit zusammenhängend der erheblichen Absatzreichweite bzw. Raumwirksamkeit fugen sich Factory-Outlet-Center unabhängig von der zentralörtlichen Bedeutung der Standortgemeinde nur in seltenen Ausnahmefli.llen in die landesplanerisch vorgesehenen Versorgungsbereiche ein. Dies ist im übrigen auch bei einer Reihe anderer großflächiger Einzelhandelsbetriebe mit großer Absatzreichweite der Fall (z.B. Möbelfachmärkte). Aufgrund der ... Streuwirkung ist jedoch ein wesentlicher Eingriff in die Zentralität von Städten und Gemeinden zumeist nicht anzunehmen".
b) Zu berücksichtigen ist das Abwägungsgebot des§ I Abs. 6 BauGB. Besondere Bedeutung innerhalb des Abwägungsgebotes kommt dem Gebot der interkommunalen Abstimmung gemeindlicher Bauleitpläne (§ 2 Abs. 2 BauGB) zu. Es besagt, daß eine Abstimmung mit Planungen benachbarter Gemeinden erforderlich ist, wenn unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung der Nachbargemeinde in Betracht kommen. Nach der Rechtsprechung besteht lediglich ein Anspruch darauf, daß unzumutbare Auswirkungen unterbleiben. Diese Auswirkungen müssen städtebaulicher Art sein. Eine Nachbargemeinde kann sich also nicht auf§ 2 Abs. 2 BauGB berufen, soweit sie sich zum Fürsprecher wirtschaftlicher Interessen und privater Belange von Gewerbetreibenden macht. Soweit ersichtlich, haben bisher interkommunale Abwehrklagen gegen FOC keinen Erfolg gehabt, da die Rechtsprechung unterhalb einer durch ein Einzelhandelsprojekt bewirkten Umsatzverteilung von 10 % keine gravierenden städtebaulichen Auswirkungen annimmt. In die Abwägungen sind neben den in §§ 2 Abs. 2 und 1 Abs. 5 BauGB aufgeführten Belange auch alle sonstigen öffentlichen und privaten Belange einzustellen. Dazu gehören beim FOC namentlich die in § 11 Abs. 3 BauNVO geregelten Auswirkungen. Besondere Bedeutung haben in diesem Zusammenhang: -
Die Auswirkungen des Vorhabens auf die städtebaulich relevante Handels-Infrastruktur der Standortgemeinde, der Nachbargemeinden und der Gemeinden im Einzugsgebiet,
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die Belange der Wirtschaft,
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die Arbeitsplätze,
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die Verbesserung der Angebotsstruktur (auch das Interesse der Bürger mit der Versorgung hochwertiger, preiswerter Markenartikel),
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die Förderung des Tourismus,
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die Entwicklung der Region,
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das Interesse der Gemeinde an einer nachhaltigen eigenen Entwicklung,
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Iandesplanerische und raumordnerische Grundsätze,
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verkehrliehe Belange,
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Belange der Grünordnung und des Naturschutzes.
Bei der Abwägung sind insbesondere auch verfassungsrechtliche Vorgaben zu berücksichtigen: Die Planungshoheit der Gemeinde (und der damit verbundene Gestaltungsspielraum), die Wettbewerbsneutralität, die Entscheidung für die freie Marktwirtschaft sowie die unternehmerische Handlungsfreiheit. Eine Gemeinde braucht erst dann auf die Verfolgung eigener Entwicklungsziele und städtebaulicher Erfordernisse zu verzichten, wenn sie gegen gesetzliche Vorgaben verstößt oder wichtige, dem Vorhaben widerstreitende Belange unvertretbar gering gewichtet. c) Von besonderer Bedeutung sind die marktwirtschaftliehen Auswirkungen des Vorhabens und ihre mögliche städtebauliche und Iandesplanerische Relevanz. Die Abwägung dieser Belange setzt zunächst eine sorgfältige, durch Fachgutachten unterstützte Ermittlung der von dem FOC gebundenen Kaufkraft und ihrer Herkunft voraus. Diese Ermittlungen sind zumindest für die einzelnen Orte in der Nachbarschaft und die zentralen Orte im Einzugsgebiet anzustellen. Bei der Ermittlung der Auswirkungen eines FOC gibt es ein Sonderproblem: Da es bisher keine empirisch belegten Erfahrungen und Modellansätze für das Kaufverhalten in einem FOC gibt, werden die Kaufkraftbewegungen vielfach unter Anwendung derjenigen Grundsätze ermittelt, die fiir sonstige großflächige Einzelhandelsprojekte entwickelt wurden. Es wird so getan, als ob der im FOC getätigte Umsatz in vollem Umfange zu Lasten des Facheinzelhandels geht. Dabei werden die Besonderheiten des FOC (enger Sortimentsbereich, Besonderheiten bei den Waren, lb-Ware, Waren vorangegangener Saison etc.) wie auch die Besonderheiten bei der Kundenstruktur und die besondere Art des Einkaufens (Erlebniswert) nicht berücksichtigt. Es spricht aber vieles dafür, daß nur ein Teil des im FOC getätigten Umsatzes zu Lasten des bestehenden Einzelhandels geht. Die von den Gutachtern ermittelten Werte stellen daher ein Worst-Case-Szenario dar.
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Die jeweiligen Auswirkungen müssen im Einzelfall ermittelt und bewertet werden. Da das FOC einen - unbestritten - sehr weiten Einzugsbereich hat (90 Minuten Fahrzeit mit dem Automobil), und - je nach Standort - ein nicht unerheblicher Anteil der Käufer touristisch induziert ist (Städtetourismus, gezielte Fernfahrten verbunden mit der Wahrnehmung touristischer Nahziele in der Region des FOC, Abstecher von Touristen anläßlich von Ferienfahrten etc.), ist der Umsatzanteil bei den Orten in der Nachbarschaft, in der Region und im Einzugsbereich überwiegend gering bis sehr gering. Die am stärksten betroffene Sortimentsgruppe (Textilien) weist nach den uns vorliegenden Erkenntnissen nur in ganz wenigen Fällen einen Umsatzanteil von 10 bis 11 % auf (Worst-Case-Szenario). Häufiger liegt er zwischen 2 und 4 %: in der Regel jedoch unter 2 %. Diese Zahlen sind zu gewichten und zu bewerten. Die im FOC vertretenen Markenhersteller begreifen die Einrichtung als zusätzlichen Vertriebsweg Der Einkauf im FOC ist zur Deckung eines Grundbedarfs nicht geeignet. Da nur ein eingeschränktes Warenangebot verfiigbar ist, können keine Zielkäufe getätigt werden. Die Grundidee des FOC besteht weniger in der Bedarfsdeckung, sondern in der Bedarfswekkung und im Erlebniseinkauf Empirisch belegbar (durch Studien über ausländische FOCs) wird in einem FOC in gewissem Umfang zusätzliche Kaufkraft generiert. Die Umsätze gehen daher nicht vollumfänglich zu Lasten des innerstädtischen Einzelhandels. Angesichts des großen Einzugsbereichs (bis zu 90 Autominuten) verteilen sich die Kaufkraftumverteilungseffekte im übrigen auf eine große Region. Nicht von ungefähr heißt es in der GMA-Grundlagenuntersuchung (S. 138): "Attraktive und leistungsfähige Factory-Outlet-Center in geeigneter Standortlage mit vor allem verkehrlicher Erreichbarkeil werden durch ihre weiträumige Ausstrahlung und dem oftmals einkaufstouristischen Charakter in Bezug auf diese Einrichtungen in erheblichem Umfang eine Kunden- bzw. Besucherfrequenz in den jeweiligen Standortbereichen induzieren", zu Deutsch: "fördern".
Bei der Gewichtung ist zu berücksichtigen, daß der Abfluß von Kaufkraft zunächst nur eine wirtschaftliche Auswirkung hat. Er fiihrt zu einer verstärkten Konkurrenz. Der Wettbewerb nirnrnt zu. Die damit verbundenen Umsatzeinbußen stellen einen normalen, marktkonformen Vorgang dar. Nur wenn der Umschlag in städtebauliche Auswirkungen erfolgt, hat dies planungsrechtliche Bedeutung. Wann liegen solche "städtebaulichen Auswirkungen" vor? Nach den einschlägigen, zu § 11 Abs. 3 BauNVO ergangenen Erlassen verschiedener Länderminister liegen solche Auswirkungen vor, wenn durch übermäßige Kaufkraftbindung an einem Standort und der dadurch verursachten Geschäftsaufgaben im Wohnbereich die ausreichende Nahversorgung der
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WemerHoppe (nicht modernisierten) Bevölkerung nicht mehr gewährleistet ist. Eine städtebauliche bedeutsame Auswirkung liegt ferner dann vor, wenn irrfolge der Umsatzverlagerung eine Verödung der Innenstädte erfolgt. Selbst Umsatzeinbußen oder gar Geschäftsaufgaben schlagen daher noch nicht und nicht ohne weiteres auf die städtebauliche Ebene durch. Städtebauliche Dimension erlangen Ladenschließungen und Leerstände erst, wenn hierdurch die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung mit solchen Gütern gefährdet wird, die der Bürger in der Innenstadt erwarten darf. Gleiches gilt dann, wenn die Innenstadt in ihrem zentralörtlichen Status gefährdet ist.
Städtebaulich relevante Auswirkungen treten nach der Rechtsprechung und
einer vom Wirtschaftsministerium Baden-Württemberg (in Zusammenhang mit den IHK des Landes) in Auftrag gegebenen Grundsatzuntersuchungen der GMA bei einer Umsatzverteilung zwischen 10 und 20 % auf. Im Regelfall sind sie städteplanerisch hinnehmbar, zumal wenn sie eher bei 10 % liegen. Solche Auswirkungen können durch den wettbewerbliehen Anpassungsdruck weitgehend kompensiert werden. So heißt es im Beschluß des VG Neustadt vom 29. September 1998 (NVwZ 1999, 101, 103): "Nicht nur in den OMA-Gutachten wird darauf hingewiesen, daß nach den europäischen Erfahrungen über die Auswirkungen von Factory-Outlet-Centers davon ausgegangen werden kann, daß Städte und Gemeinden mit einem attraktiven Einzelhandelsangebot als Einzelhandelsstandort insgesamt nicht gefährdet seien bzw. unter Umständen in gewissem Umfang sogar von KundenzufUhreffekten durch Factory-Outlet-Center profitieren könnten, und daß ein negativer Einfluß auf das Investitionsverhalten im Einzelhandel nicht nachweisbar sei, weil ein wesentlicher Teil der Betriebe mit Sortimentsumstellungen auf eine veränderte Wettbewerbssituation reagiere." "Bei diesem neuen Betriebstyp sollte aber nach der OMA-Grundlagenuntersuchung ... die Bedeutung ... nicht überschätzt werden. So werden zwar in diesem Gutachten auch wirtschaftliche Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und das Investitionsverhalten des innerstädtischen Einzelhandels, speziell bei Mittelstädten innerhalb einer halbstündigen Pkw-Fahrdistanz mit geringer Bevölkerungsdichte, bei der Ansiedlung eines "Factory-Outlet-Zentrums" insbesonere branchenspezifisch (z.B. Schuh-, Textil- und Bekleidungshandel) in Einzelfällen nicht ausgeschlossen (vgl. S. 24 der Kurzfassung), städtebauliche Auswirkungen werden aber regelmäßig nur flir Innenstädte mit einem wenig attraktiven Einzelhandelsangebot prognostiziert, und eine Gefährdung der verbrauchernahen Versorgung wird erst gar nicht erwartet (S. 25 der Kurzfassung)." In der Abwägung spielen die marktwirtschaftliehen Auswirkungen auch im Hinblick auf Iandesplanerische Belange eine Rolle. Zunächst ist zu ermitteln, ob der zentrale Status von Gemeinden im Einzugsbereich spürbar beeinträchtigt wird. Darüber hinaus sind die Grundsätze der Raumordnung zu berücksichtigen. Nach einem Erlaß des Bayerischen Staatsministeriums fiir Landesentwicklung und Umweltfragen werden die Iandesplanerischen
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Grundsätze selbst bei einer sortimentsbezogenen Kaufkraftschöpfung von 15 bis 25 % in der Regel nicht gefährdet. Die GMA geht in der erwähnten Langzeitstudie von Iandesplanerischen negativen Auswirkungen erst ab einer Umsatzumverteilung jenseits der 20 %-Marke aus. 4. Ein letzter Punkt: Vielfach wird die Sorge geäußert, daß das FOC sich schleichend in ein herkömmliches Einkaufszentrum wandle, zumindest, daß die kennzeichnenden Merkmale in der Praxis nicht eingehalten würden und sie nicht zu kontrollieren seien. Dieser Befürchtung kann nachhaltig begegnet werden. Auf dreierlei Weise: Durch Festsetzungen im Bebauungsplan (enge und präzise Defmition des FOC, Festlegung des SO-Gebietscharakters) können die maßgeblichen Merkmale planungsrechtlich festgeschrieben werden. Ihre Einhaltung ist mit den Mitteln des Bauaufsichtsrechtes jederzeit kontrollierbar und durchsetzbar. Flankierend dazu empfiehlt sich der Abschluß eines städtebaulichen Vertrages. In dem Vertrag (zwischen Betreiber I Bauherrn und Standortgemeinde, gegebenenfalls unter Hinzuziehung der Kreisverwaltung) kann die Beachtung der maßgeblichen Merkmale verbindlich geregelt werden. Der Vertrag begründet eine eigene rechtliche Verpflichtung. Im Vertrag kann auch geregelt werden, wie die Einhaltung dieser Verpflichtungen kontrollierbar ist (Buchfiihrung über Warenbestände etc.) und wie häufig die Kontrollen durchzufuhren sind. Ebenso kann vereinbart werden, daß die Kontrolle von Fachleuten (beispielsweise öffentlich bestellten Sachverständigen) auf Kosten des Betreibers vorgenommen werden. Schließlich wird die Einhaltung der im Bebauungsplan getroffenen Festsetzung in der Baugenehmigung (über Nebenbestimmungen) aufgegeben werden. Eine solche Nebenbestimmung ist als selbständig vollziehbarer Verwaltungsakt auszugestalten. Sie kann ohne weiteres mit den Mitteln des Verwaltungszwanges durchgesetzt werden.
Literatur Dem Statement liegen zugrunde Vogels. Paul-Heinz I Will. Joachim, Raumordnerische und städtebauliche Auswirkungen von Factory-Outlet-Center, Grundlagenuntersuchung im Rahmen des Forschungsfeldes "Zentren" des experimentellen Wohnungsund Städtebau im Auftrag des Bundesministeriums ftir Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, Bonn, in: Stadtforschung aktuell, Band 70 (hgg. von Hellmut Wollmann) (1999), S. 134 9 Speycr 134
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Moench, Christoph I Sandner, Wolfram, Die baurechtliche Zulassung von Factory-Outlet-Centren (erscheint in NVwZ) Moench, Christoph, Thesen zur planungsrechtlichen Zulassung von FOC, in: FORUM-Seminar FOC am 23. Sept. 1998 (Unterlagen Hoppe I Moench) Hoppe. Werner, Raumordnungsrechtliche Rechtsfragen bei der Planung von FOC, in: FORUM-Seminar FOC am 23. Sept. 1998 (Unterlagen Hoppe I Moench) Hoppe, Werner, "Ziele der Raumordnung" (§ 3 Nr. 2 OG 1998) und "Allgemeine Ziele der Raumordnung und Landesplanung" im Landesentwicklungsprogramm des Landes NRW, in: NWVBI. 1998,461 ff. Hoppe, Werner I Runse, Benno, Zentralörtliches Gliederungsprinzip und Bauleitplanung, in: Wirtschaft und Verwaltung 1984, Vierteljahresbeilage Gewerbearchiv Umwelt- und Planungsrecht 3 I 84, 151 ff. Runkel, Peter, Factory-Outlet-Center,- Eine neue Dimension von Einkaufszentren als Bedrohung lebendiger Innenstädte -, in: UPR 1998, 241 ff.
Otting, Olaf, Factory Outlet Center und interkommunales Abstimmungsgebot (erscheint demnächst im DVBI.)
Dem Charakter des Statements entsprechend, ist auf einzelne Nachweise im Text verzichtet worden.
Die Einschaltung Dritter in das Bauleitplanverfahren Von Gerd Schmidt-Eichstaedt
I. Einführung Nach § 4b BauGB '98 kann die Gemeinde "insbesondere zur Beschleunigung des Bauleitplanverfahrens die Vorbereitung und Durchfiihrung von Verfahrensschritten nach den§§ 3 bis 4a einem Dritten übertragen." Die neue Vorschrift stellt zunächst etwas klar, was man wohl auch ohne Klarstellung kaum angezweifelt hätte: Zumindest was "die Vorbereitung" von Verfahrensschritten der Bürgerbeteiligung und der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange (TÖB) betrifft, sagt § 4b nicht viel mehr als das, was schon immer völlig unstreitig war - daß nämlich die Gemeinde wie jeder Hoheitsträger sich Leistungen einkaufen darf. Sehr vereinfacht ausgedrückt: Die Gemeinde darf nicht nur Heizöl einkaufen, um das Rathaus zu beheizen, sondern sie darf auch eine geeignete Person natürlicher oder juristischer Art damit beauftragen, bei der Organisation der Bürger- und Trägerbeteiligung mitzuhelfen. Das eine ist ein Kaufvertrag, das andere ein Werkvertrag. Das einfache Beispiel ist aber auch geeignet, die Grenzen erkennbar werden zu lassen. Denn die Bürger- und Trägerbeteiligung dienen der ordnungsgemäßen Durchfiihrung einer öffentlichen, hoheitlichen Aufgabe - nämlich der Bauleitplanung. Die Bürger und die TÖB haben Anspruch darauf, mit ihren Anregungen bis zum Gehör des Entscheidungsträgers vorzudringen. Der Werkvertrag darf also nicht dazu fuhren, daß der Dritte- die Agentur, das Planungsbüro oder gar der Vorhabenträger - völlig eigenständig darüber entscheidet, welche Argumente es wert sind, bis zum Ohr der Verwaltung zu gelangen. Die Gemeinde kann sich von ihrer Letztverantwortung ftir die ordnungsgemäße Durchführung der Verfahrensschritte nicht befreien; sie darf "die Durchführung" nicht völlig aus der Hand geben. Bei der Beauftragung des Dritten müssen vielmehr hinreichende Kontrollmechanismen in Form von Berichtspflichten und Eingriffsmöglichkeiten vorgesehen sein und bei Bedarf auch ausgeübt werden 1• Alle materiellen Ent1 So schon Arno Bunzel I Diana Coulmas I Walter Metscher I Gerd SchmidtEichstaedt, Städtebauliche Verträge, Berlin 1995, S. 54.
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scheidungen müssen von der Gemeinde getroffen werden (dazu wird unten unter III. mehr und genaueres gesagt werden). 1. Nur geeignete Dritte dürfen beauftragt werden
Es versteht sich von selbst, daß die Kontrollpflichten der Gemeinde damit beginnen, daß sie sich einen geeigneten Dritten als Vertragspartner aussucht; der Dritte muß bereit und in der Lage sein, die ihm übertragenen Obliegenheiten zuverlässig auszuführen. Wenn man der Ansicht ist, daß auch der Vorhabenträger zur Organisation der Beteiligungsschritte eingeschaltet werden darf (was noch zu erörtern sein wird), wird man doch jedenfalls fordern müssen, daß die Gemeinde besonders sorgfaltig abwägen muß, ob sie gerade ihn mit der Organisation und Auswertung der Bürger- und Trägerbeteiligung beauftragen sollte. Je umstrittener ein Vorhaben ist, desto weniger ist gerade der Vorhabenträger geeignet, auch noch die Bürger- und Trägerbeteiligung zu organisieren. 2. Die Abwägung darf nicht in die Hände von Dritten gegeben werden Die Letztverantwortung der Gemeinde gilt in verstärktem Umfang für das Kernstück der Bauleitplanung, also für die Abwägung. Es ist üblich und erlaubt, daß die mit der Vorlage der Planentwürfe beauftragten Planungsbüros den Schriftverkehr mit den TÖB im Namen der Gemeinde abwickeln und auswerten (nach§ 4b BauGB '98 nun auch in eigenem Namen?) und daß sie auch die im Rahmen der Planauslegung eingegangenen Anregungen und Bedenken auswerten. Dabei muß sorgf