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German Pages 260 Year 2007
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 205
Ausschluss von Minderheitsaktionären in Deutschland und den USA Von Silke Schöpper
Duncker & Humblot · Berlin
SILKE SCHÖPPER
Ausschluss von Minderheitsaktionären in Deutschland und den USA
Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 205
Ausschluss von Minderheitsaktionären in Deutschland und den USA
Von Silke Schöpper
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Hohe Rechtswissenschaftliche Fakultät der Universität zu Köln hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-12469-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Diese Arbeit wurde im Mai 2005 fertig gestellt und im Jahre 2006 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Dissertation angenommen. Für die Veröffentlichung konnten Gesetzgebung, Literatur und Rechtsprechung im Wesentlichen bis Dezember 2006 berücksichtigt werden. Mein Dank gilt meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Joachim Hennrichs, der mir in der ersten Zeit meiner Dissertation durch eine Stelle an seinem Lehrstuhl ideale Forschungsbedingungen bot. Frau Prof. Dr. Barbara Grunewald danke ich für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens. Der Friedrich-Ebert-Stiftung bin ich für die finanzielle Förderung der Arbeit zu Dank verpflichtet. Der Teil der Arbeit zum US-amerikanischen Recht entstand während eines einjährigen Aufenthaltes an der University of Virginia. Ohne ein Stipendium der University of Virginia School of Law, das in Zusammenarbeit mit der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster vergeben wird, an der ich studiert habe, wäre dieser Aufenthalt nicht möglich gewesen. Beiden Fakultäten danke ich daher für ihre Unterstützung. Herrn Prof. Michael Dooley an der University of Virginia bin ich für zahlreiche anregende Anmerkungen zum US-amerikanischen Recht dankbar. Ganz besonderer Dank gilt meinen Eltern, Horst und Christa Schöpper. Sie haben mir meine Ausbildung ermöglicht und mir in allen Lebenslagen den nötigen Rückhalt gegeben. Ganz besonderer Dank gilt auch Herrn Marcel Dué. Er hat die Arbeit lange kritisch begleitet und mich stets bestärkt und unterstützt. Ohne ihn wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Ihm und meinen Eltern sei diese Arbeit gewidmet. Düsseldorf, im Dezember 2006
Silke Schöpper
Inhaltsübersicht Kapitel I Einleitung und Gang der Untersuchung
19
Kapitel II Squeeze-out im deutschen Recht und alternative Ausschlusstechniken
23
§ 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
§ 2 Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
§ 3 Der Begriff „Squeeze-out“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28
§ 4 Überblick über die Regelungen der §§ 327a–f AktG und Einordnung in die Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
30
§ 5 Alternative Ausschlusstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34
§ 6 Squeeze-out als Instrument des Going Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
42
Kapitel III Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
47
§ 1 Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
§ 2 Abstimmungsprobleme mit dem allgemeinen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . .
53
§ 3 Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
96
Kapitel IV Ausschluss von Minderheitsaktionären in den USA
150
§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 § 2 Ausschluss von Minderheitsaktionären nach Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . 151 § 3 Sale of Assets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 § 4 Reverse Stock Split . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 § 5 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157
8
Inhaltsübersicht Kapitel V Minderheitenschutz in den USA
159
§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 § 2 Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 § 3 Erfordernis eines Beschlusses des boards und Sorgfaltspflichten der directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 § 4 Treuepflichten von beherrschenden Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 § 5 Zustimmungserfordernis der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 § 6 Abfindungsrecht („Appraisal Right“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 § 7 Federal Securities Laws . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 § 8 Zwischenergebnis: Minderheitenschutz im amerikanischen Recht . . . . . . . . . 213 Kapitel VI Squeeze-out im EU-Recht
215
§ 1 Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 § 2 EU-Übernahmerichtlinie von 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 Kapitel VII Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
238
§ 1 Möglichkeiten der Strukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 § 2 Beschlusserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 § 3 Materielle Rechtmäßigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 § 4 Andienungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 § 5 Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 § 6 Wertende Betrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258
Inhaltsverzeichnis Kapitel I Einleitung und Gang der Untersuchung
19
Kapitel II Squeeze-out im deutschen Recht und alternative Ausschlusstechniken
23
§ 1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
23
§ 2 Entstehungsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
27
§ 3 Der Begriff „Squeeze-out“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. US-amerikanische Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Deutsche Terminologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
28 29 30
§ 4 Überblick über die Regelungen der §§ 327a–f AktG und Einordnung in die Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 A. Überblick über die Regelungen der §§ 327a–f AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 B. Vorteile der Squeeze-out-Regelung gegenüber alternativen Ausschlusstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 C. Einordnung in die Gesetzessystematik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 § 5 Alternative Ausschlusstechniken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Ausschluss nach Umwandlungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Übertragende Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die Voraussetzungen der übertragenden Auflösung II. Vor- und Nachteile der übertragenden Auflösung . . . . . . . . . . . . . . . . C. Mehrheitseingliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Überblick über die Voraussetzungen der Mehrheitseingliederung . . II. Vor- und Nachteile der Mehrheitseingliederung . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
34 34 35 35 39 39 40 41 42
§ 6 Squeeze-out als Instrument des Going Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Gründe für ein Going Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Techniken des Going Private . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Bedeutung des Squeeze-out für das Going Private . . . . . . . . . . . . . . .
42 43 43 46
10
Inhaltsverzeichnis Kapitel III Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
47
§ 1 Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Anteilseigentum als privates Vermögensrecht im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Keine Enteignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Squeeze-out als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung . . . . . . . . . D. Ausgleichsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
48
§ 2 Abstimmungsprobleme mit dem allgemeinen Gesellschaftsrecht . . . . . . . . . . A. Zeitliche Begrenzung der Ausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzlich geregelte Ausübungsfrist als rechtssystematische Notwendigkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verwirkung des Ausschlussrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verwirkung als typischer Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materielle Voraussetzungen der Verwirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Ausschlussrecht als der Verwirkung unterliegendes Recht . . . b) Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Publikums-Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Personalistische Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Erscheinungsformen der personalistischen Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Wesensmerkmale der personalistischen AG . . . . . . . . . c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Austrittsrecht der Restminderheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Austrittsrecht in Analogie zu umwandlungs- und aktienrechtlichen Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Konzernrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Abfindungsrecht bei Abschluss eines Unternehmensvertrages, § 305 AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Abfindungsrecht bei Mehrheitseingliederung, § 320b AktG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umstrukturierung des Unternehmensträgers . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Verschmelzung, § 29 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Spaltung, § 125 i. V. m. § 29 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Formwechsel, § 207 UmwG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
53 54
48 48 49 50 52
55 56 56 57 57 57 57 58 59 59 60 61 61 62 63 63 63 63 65 66 66 67 67
Inhaltsverzeichnis
11
2. Vergleichbare Interessenlage? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 a) Wesentliche Modifikation der Mitgliedschaftsrechte . . . . . . . . 68 b) Vorangegangene Strukturveränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Austrittsrecht als Ausprägung des allgemeinen Lösungsrechts . . . . . 69 1. Voraussetzungen und Grenzen der Anteilsveräußerung bei der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Grundsatz der freien Übertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Statutarische Übertragungsschranken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 c) Schuldrechtliche Veräußerungsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . 72 d) Faktische Unübertragbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 e) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 2. Anerkennung eines ordentlichen Austrittsrechts im Aktienrecht? 74 a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 3. Das Recht zum Austritt aus wichtigem Grund . . . . . . . . . . . . . . . . 76 a) Anerkennung eines außerordentlichen Austrittsrechts in der Aktiengesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 aa) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 bb) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (1) Charakter der Mitgliedschaft in der AG . . . . . . . . . . . 79 (2) Fehlende Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 (3) Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Kapitalerhaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 (4) Keine Beschränkung auf Fälle rechtlicher Unveräußerlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 cc) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 b) Voraussetzungen des außerordentlichen Austrittsrechts . . . . . . 82 aa) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 bb) 95%-Kapitalmehrheit des Hauptaktionärs als Austrittsgrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83 (1) Ausgangssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (2) Interessenabwägung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (3) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 cc) Subsidiarität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 c) Vollzug und Rechtsfolgen des Austritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 aa) Ausübung des Austrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 bb) Durchführung des Austritts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 d) Abfindung des ausscheidenden Aktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
12
Inhaltsverzeichnis C. Beschränkung auf börsennotierte Aktiengesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschränkung auf börsennotierte Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . 2. Erstreckung auf nicht börsennotierte Gesellschaften . . . . . . . . . . . . II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vergleichbarkeit der Ausgangssituation unabhängig von einer Börsennotiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entkoppelung von vorangegangenem Übernahme- oder Pflichtangebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Besonderheiten bei personalistisch geprägten Gesellschaften . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
§ 3 Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Behandlung bedingter Aktienbezugsrechte beim Squeeze-out . . . . . . . . . . I. Bedingte Aktienbezugsrechte: Aktienoptionen und Wandelschuldverschreibungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meinungsstand zur Behandlung bedingter Aktienbezugsrechte . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Berücksichtigung noch nicht ausgeübter Bezugsrechte bei der Berechnung der Beteiligungsschwelle? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Analoge Anwendung der §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 AktG . . . 3. Beschränkung auf Bezugsrechte bis zur Beteiligungsschwelle von 5% des Grundkapitals? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Beschlusserfordernis – rechtssystematische Notwendigkeit? . . . . . . . . . . . I. Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Praktische Gesichtspunkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Fehlende Vergleichbarkeit mit der Eingliederung . . . . . . . . . . . . . . 3. Fehlende Vereinbarkeit mit konzernrechtlichen Grundsätzen . . . . 4. Anderweitige Zielerreichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Materielle Rechtmäßigkeitskontrolle – Sonderfall: Treuepflichtverletzung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Sorgfaltspflichten des Vorstandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeine Prüfungspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Einberufung der Hauptversammlung und Entwurf des Übertragungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erläuterungspflicht des Vorstandes in der Hauptversammlung . . . 4. Raum für Sorgfaltspflichtverletzungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Treuepflichten des Hauptaktionärs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
89 90 90 91 92 93 94 94 95 96 96 96 97 100 100 101 102 104 105 105 106 106 107 107 108 108 109 110 110 111 112 113 113
Inhaltsverzeichnis
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III. Allgemeine Rechtsmissbrauchskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Umwandlung einer GmbH in eine AG zur Durchführung des Squeeze-out . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umwandlung einer GmbH in eine AG, Squeeze-out und anschließende zeitnahe Rückumwandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Erreichen der Beteiligungsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gestaltungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) „Zusammenschluss zum Ausschluss“ als rechtsmissbräuchliches Verhalten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss nur zum Erreichen der Kapitalmehrheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Nach Squeeze-out Börsengang oder anderweitige Aufnahme neuer Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Abfindungsbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Bewertungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ertragswertverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Discounted-Cash-Flow-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Börsenkurs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. DAT/Altana-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts . . . . . . . . . 2. Einzelfragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Anfechtung des Übertragungsbeschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Anfechtbarkeit wegen abfindungswertbezogener Informationsmängel? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Die gesetzliche Ausgangslage bei Mehrheitseingliederung und Squeeze-out . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Der Wortlaut der §§ 320b Abs. 2, 327f AktG . . . . . . . . . cc) Weitergehende sachliche Überlegungen . . . . . . . . . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Freigabeverfahren bei Anfechtungsklagen gegen Squeeze-outBeschlüsse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
115 116 116 117 118 119 119 120 122 123 124 125 125 126 126 127 127 128 128 128 129 130 131 131 131 132 133 134 134 135 136 137 138
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Inhaltsverzeichnis II. Spruchverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorteile gegenüber der Anfechtungsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F. Exkurs: Steuerrechtliche Folgen des Ausschlusses für den Minderheitsaktionär . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Begriff der Veräußerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Meinungsstand zur Behandlung des Anteilsverlustes beim Squeezeout . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sinn und Zweck der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtspolitische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . G. Besonderheiten beim Ausschluss von Minderheitsaktionären in der KGaA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . H. Zwischenergebnis zum Ausschluss von Minderheitsaktionären im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
140 141 142 143 143 144 145 145 146 146 147 148
Kapitel IV Ausschluss von Minderheitsaktionären in den USA
150
§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 § 2 Ausschluss von Minderheitsaktionären nach Übernahmerecht . . . . . . . . . . . . . A. Statutory Merger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Short-form Merger (Parent-subsidiary Merger) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Triangular Merger and Compulsory Stock Exchange . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenergebnis: Besonderheiten beim Squeeze-out Merger . . . . . . . . .
151 151 152 153 154
§ 3 Sale of Assets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 § 4 Reverse Stock Split . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 § 5 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 Kapitel V Minderheitenschutz in den USA
159
§ 1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 § 2 Verfassungsrechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vertragstheorie („Contract Theory“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Willkürverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
160 160 161 161
Inhaltsverzeichnis § 3 Erfordernis eines Beschlusses des boards und Sorgfaltspflichten der directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Beschluss des board of directors („Plan of merger“) . . . . . . . . . . . . . . . . B. Sorgfaltspflichten („Fiduciary duties“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Duty of Care . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Standards of Care . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ausgestaltung der Duty of Care . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Business Judgment Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Inhalt und Funktion der Business Judgment Rule . . . . . . . . . . b) Begründung für die Business Judgment Vermutung . . . . . . . . . 4. Widerlegung der Business Judgment Vermutung . . . . . . . . . . . . . . a) Nicht in gutem Glauben – Betrug, Illegalität oder Interessenkonflikt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Irrationale Vorstandsentscheidung (Verschwendung) . . . . . . . . c) Grobe Fahrlässigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Rechtsfolgen bei Verletzung der Duty of Care . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Exkulpation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Duty of Loyalty – Self-Dealing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Beschlusskontrolle in „Self-Dealing“-Transaktionen . . . . . . . . . . . 2. Moderne „Fairness“-Tests . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. „Substantive Fairness“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. „Procedural Fairness“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erforderliches Maß an Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Zustimmung durch unabhängiges Gremium . . . . . . . . . . . . . . . . c) Rolle des involvierten directors . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Hauptversammlungsbeschluss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Gesetzlich normierte „sichere Häfen“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) MBCA Subchapter F . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) ALI Principles of Corporate Governance . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7. Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . § 4 Treuepflichten von beherrschenden Gesellschaftern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Definition des beherrschenden Gesellschafters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Treuepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Entire Fairness Test“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Weinberger v. UOP, Inc. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. „Fair Dealing“-Rechtsprechung nach Weinberger . . . . . . . . . . . . . . 3. „Fair Price“-Rechtsprechung nach Weinberger . . . . . . . . . . . . . . . . II. „Business Purpose Test“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 5 Zustimmungserfordernis der Aktionäre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Statutory Merger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Short-form Merger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Sale of Assets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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§ 6 Abfindungsrecht („Appraisal Right“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Appraisal Right in Squeeze-out-Transaktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Statutory Merger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Short-form Merger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Sale of Assets . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. „Market exception“ in Publikums-Gesellschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Abfindungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ablauf des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Anteilsbewertung – „Fair Value“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Traditionelle „Delaware Block Method“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Earnings Valuation Method . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Market Value Method . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Net Asset Value Method . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Kombination . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Moderne Bewertung – „Discounted Cash Flow“ . . . . . . . . . . . . . . . 3. Minderheitsabschlag („Minority Discount“) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Exklusivität des Appraisal Right . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
197 198 198 199 199 199 201 201 203 203 203 204 204 204 205 206 206 208
§ 7 Federal Securities Laws . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Proxy Rules . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. SEC Rule 10b-5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. SEC Rule 13e-3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Zusammenfassung: Bedeutung des Bundesrechts für den Aktionärsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
209 209 210 211 212
§ 8 Zwischenergebnis: Minderheitenschutz im amerikanischen Recht . . . . . . . . . 213
Kapitel VI Squeeze-out im EU-Recht § 1 Historische Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vorentwurf einer neunten Richtlinie von 1974/75 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Vorentwurf einer neunten Richtlinie von 1984 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Vorschlag der SLIM-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung der zweiten Gesellschaftsrichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
215 215 215 217 219
Inhaltsverzeichnis
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D. Vorschlag einer dreizehnten Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 E. Vorschlag einer EU-Übernahmerichtlinie von 2002 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 § 2 EU-Übernahmerichtlinie von 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . A. Vorgaben der Übernahmerichtlinie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Ausgestaltung des übernahmerechtlichen Squeeze-out . . . . . . . . . . . . . . . . I. Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Beteiligungsschwelle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mindestbeteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Berechnungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Gattungsbezogener Squeeze-out . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entbehrlichkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses . . . . . . . . . . 2. §§ 39a, b WpÜG: Übertragung durch gerichtliche Entscheidung 3. Weitere mögliche Gestaltung des übernahmerechtlichen Squeezeout-Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Abfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Andienungsrecht der Minderheitsaktionäre (Sell-out) . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
223 224 225 225 225 227 227 228 229 229 230 230 231 232 233 234 236 237
Kapitel VII Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
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§ 1 Möglichkeiten der Strukturierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 § 2 Beschlusserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 § 3 Materielle Rechtmäßigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 § 4 Andienungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 § 5 Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 § 6 Wertende Betrachtung und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 *** Die verwendeten Abkürzungen beruhen auf Kirchner, Hildebert (Begr.), Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 5. Aufl., Berlin 2003, soweit sie den deutschen Rechtskreis betreffen, und auf The Bluebook: A Uniform System of Citation, 18th ed. Cambridge, Mass. 2005, soweit sie den US-amerikanischen Rechtskreis betreffen.
Kapitel I
Einleitung und Gang der Untersuchung Der Ausschluss von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft ist in Deutschland nicht zuletzt seit der Einführung der §§ 327a ff. AktG ein aktuelles und brisantes Thema. Die zum 1. Januar 2002 neu in das Aktiengesetz eingeführten Regelungen1 enthalten ein gesellschaftsrechtliches Phänomen, das es in dieser Form in Deutschland bisher nicht gab. Der so genannte „Squeeze-out“ ermöglicht es einem Hauptaktionär, der 95% der Anteile an einer Aktiengesellschaft hält, die verbleibenden Minderheitsaktionäre gegen Gewährung einer angemessenen Barabfindung zwangsweise aus der Gesellschaft auszuschließen. Die Minderheitsaktionäre werden auf diesem Wege ohne ihre Zustimmung aus der Gesellschaft verdrängt (daher die vielfach verwendete Bezeichnung „Squeeze-out“, die soviel wie „herausquetschen“ bedeutet2). Ähnliche Regelungen existieren in fast allen EUMitgliedstaaten.3 Seit dem 1. Januar 2002 sind in Deutschland über 150 Verfahren durchgeführt worden; weitere sind zu erwarten.4 An einem Ausschluss der Minderheit kann der Hauptaktionär ein Interesse haben, um seine unternehmerische Initiative voll entfalten zu können. Auch kann die Gesellschaft auf diese Weise minderheitsbedingte Gesellschaftskosten sparen. So entfallen nach dem Ausschluss die Versammlungsformalitäten der §§ 121–128 AktG. Auch „lästige“ und unternehmerische Entwicklungen verzögernde Anfechtungsklagen von Minderheitsaktionären hat der Hauptaktionär nach der Durchführung des Ausschlusses nicht mehr 1 In das Aktiengesetz eingefügt durch Art. 7 des Gesetzes zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen vom 20.12.2001, BGBl. I 2001, 3822 ff. Mit Gesetz vom 8. Juli 2006 hat der Gesetzgeber in Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie nunmehr speziell übernahmerechtliche Squeeze-out-Regelungen geschaffen. Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 8.7.2006, BGBl. I 2006, 1426 ff. Diese werden in Zukunft neben den §§ 327a ff. AktG stehen. Dazu ausführlich Kapitel VI: Squeeze-out im EU-Recht. 2 Zur Terminologie vgl. auch § 3. 3 Forum European Konzernrecht ZGR 1998, 672, 734 ff.; Sieger/Hasselbach NZG 2001, 926 ff. mit einem Überblick über die erforderlichen Beteiligungsquoten innerhalb der EU. 4 Vgl. Markwardt BB 2004, 277.
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Kap. I: Einleitung und Gang der Untersuchung
zu fürchten. Interessant ist die nähere Untersuchung des Squeeze-out insbesondere deshalb, weil es bisher nur mit erheblich größerem Zeit- und Kostenaufwand möglich war, Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft zu verdrängen. Bis dato war der Ausschluss von Minderheitsaktionären nur als Folge einer Strukturveränderung, d.h. zum Beispiel einer übertragenden Auflösung oder einer Mehrheitseingliederung, möglich. Vergleichbare Ziele verfolgt das amerikanische Recht mit der Konstruktion des squeeze-out mergers. Durch den Ausschluss der Minderheitsaktionäre werden hier die Kosten gespart, welche die von der Securities and Exchange Commission auferlegten börsenrechtlichen Publizitätspflichten mit sich bringen. Daneben findet sich auch in der amerikanischen Literatur und Rechtsprechung das Argument der größeren Effizienz der Unternehmensführung ohne den Einfluss lästiger Minderheitsaktionäre, die teilweise auch berufsmäßig Anfechtungsklagen gegen wichtige Beschlüsse erheben und damit die Gesellschaften erpressen (so genanntes „greenmailing“). Auch wenn die mit dem squeeze-out merger und den §§ 327a ff. AktG verfolgten Ziele vergleichbar sind, so unterscheiden sie sich doch wesentlich in ihrer Konstruktion. Auch die rechtliche Herangehensweise an den Schutz der Minderheitsaktionäre vor unangemessener Benachteiligung fällt in beiden Rechtsordnungen sehr unterschiedlich aus. Die vorliegende Arbeit macht es sich zur Aufgabe, die verschiedenen Herangehensweisen in den beiden Rechtsordnungen zu vergleichen und zu untersuchen, inwieweit die mit den §§ 327a ff. AktG in Deutschland und mit der Konstruktion des squeeze-out mergers in den USA verfolgten Zwecke von den Normen der verschiedenen Rechtssysteme erreicht werden. Ziel der Dissertation ist es gleichfalls, zu untersuchen, inwieweit die wissenschaftliche Vergleichung auch zur Verbesserung des deutschen Rechts beitragen kann. Ein Ziel der Rechtsvergleichung ist das Auffinden der „besseren Lösung“ durch die Untersuchung der Lösungsansätze zur Problembewältigung in unterschiedlichen Rechtsordnungen.5 Für die Gegenüberstellung der Problemlösungen bietet sich insbesondere der Vergleich zwischen den verschiedenen „Rechtskreisen“ oder „Rechtsfamilien“ an, da allgemein in verschiedenen Rechtsordnungen auch bei identischen Problemen eher unterschiedliche Lösungen zu erwarten sind als in dem gleichen Rechtskreis angehörenden Rechtsordnungen.6 Die Untersuchung des Minderheitsschutzes im angloamerikanischen Recht ist insbesondere deshalb reizvoll, weil in der dortigen Common Law-Tradition mit ihren Fallordnungen eine völlig andere Herangehensweise an die Falllösung besteht. Daneben haben Gesetzgeber und Ge5 6
Zweigert/Kötz, Rechtsvergleichung, S. 15 f. Vgl. Rheinstein/von Borries, Rechtsvergleichung, S. 15.
Kap. I: Einleitung und Gang der Untersuchung
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richte in den USA zu der Frage des Ausschlusses von Minderheitsaktionären über einen langen Zeitraum in vielfältiger und häufig grundsätzlicher Form Stellung genommen. Anders als in Deutschland, wo sich eine Börsenkultur erst in den letzten Jahren entwickelt hat, hat die Aktie in den USA schon seit langem für breite Bevölkerungsschichten eine besondere Bedeutung. Dies liegt vor allem daran, dass die Aktie in den USA verbreitet Funktionen der Daseinsvorsorge tragen muss, die in Deutschland der Staat übernommen hat. So war und ist die Auseinandersetzung mit den sich im Rahmen von Ausschlussverfahren stellenden Problemen in Literatur und Rechtsprechung auch deshalb von besonderer Relevanz, weil die Aktie in den USA vielen Bürgern als soziale Absicherung dient. Im Ergebnis ist zu erwarten, dass aus der langjährigen amerikanischen Erfahrung im Umgang mit dem Minderheitenschutz im Rahmen von Ausschlussverfahren ein Nutzen für die aktuelle Diskussion in Deutschland gezogen werden kann. In Kapitel II der Arbeit sollen die Eigenheiten der §§ 327a ff. AktG und die Besonderheiten gegenüber anderen Ausschlusstechniken dargestellt werden. Hier wird die Terminologie erläutert, ein Überblick über die Vorschriften gegeben, werden alternative Ausschlusstechniken diskutiert und die Auswirkungen der Regelungen auf das Going Private behandelt. In Kapitel III werden die rechtlichen Probleme der §§ 327a ff. AktG dargestellt und Lösungsansätze erläutert. Nach einer Erörterung der Verfassungsmäßigkeit der neuen Squeeze-out-Regelung werden Abstimmungsprobleme mit dem allgemeinen Gesellschaftsrecht untersucht. Hier wird den Fragen nach einer zeitlichen Begrenzung der Ausübung des Ausschlussrechts, nach einem mit dem Ausschlussrecht korrespondierenden Austrittsrecht der Minderheitsaktionäre und nach der Begrenzung des Anwendungsbereichs der Squeeze-out-Regelung auf börsennotierte Gesellschaften nachgegangen. Weiterhin werden die Behandlung bedingter Aktienbezugsrechte beim Squeeze-out, das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses und einer materiellen Beschlusskontrolle, die Abfindungsbemessung und Rechtsschutzmöglichkeiten behandelt. In Kapitel IV werden zunächst die verschiedenen Möglichkeiten des USamerikanischen Rechts zum Ausschluss von Minderheitsaktionären erläutert. In Kapitel V werden Lösungsansätze des amerikanischen Rechts zur Bewältigung von minderheitsbezogenen Problemen aufgezeigt. Dabei werden insbesondere die unterschiedlichen Herangehensweisen gegenüber dem deutschen Recht herausgearbeitet und Erklärungen für die teilweise sehr unterschiedlichen Lösungsmodelle angeboten. Hier werden die Verfassungsmäßigkeit des Squeeze-outs, die Frage nach einem Hauptversammlungsbeschlusserfordernis, das in den USA im Gegensatz zum deutschen Aktienrecht existierende Andienungsrecht („appraisal right“) und die bundes-
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Kap. I: Einleitung und Gang der Untersuchung
rechtliche Wertpapierkontrolle im Rahmen von Squeeze-out-Transaktionen erörtert. Ein Schwerpunkt liegt hier auf der Interpretation der in jüngerer Zeit ergangenen Rechtsprechung zur Frage der Sorgfaltspflichten von board-Mitgliedern und Mehrheitsgesellschaftern im Rahmen von Squeezeout-Transaktionen. In Kapitel VI wird auf die derzeitige europarechtliche Entwicklung und deren Relevanz für die §§ 327a ff. AktG eingegangen. Die im Zuge der Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie durch den deutschen Gesetzgeber in das WpÜG eingefügten speziell übernahmerechtlichen Squeeze-out-Regelungen werden dargestellt. Sie werden aufbauend auf den aus dem Rechtsvergleich zwischen deutschem und amerikanischem Recht gewonnenen Erkenntnissen über Stärken und Schwächen der deutschen aktienrechtlichen Squeeze-out-Regelung kritisch erörtert. Die Arbeit endet mit einer Zusammenfassung der gefundenen Ergebnisse. Hier werden noch einmal abschließend die Gemeinsamkeiten und Unterschiede beim Ausschluss von Minderheitsaktionären im deutschen und US-amerikanischen Recht dargestellt. Auch soll aufgezeigt werden, wie die gewonnen Erkenntnisse für die deutsche Squeeze-out-Regelung fruchtbar gemacht werden können.
Kapitel II
Squeeze-out im deutschen Recht und alternative Ausschlusstechniken § 1 Einführung Die praktische Relevanz der aktienrechtlichen Squeeze-out-Regelung zeigt sich vor allem daran, dass allein im ersten Jahr nach ihrem Inkrafttreten über 100 Unternehmen von diesem Verfahren Gebrauch gemacht haben.7 So hat nicht nur der Ausschluss der verbliebenen Mannesmann-Aktionäre durch Vodafone Schlagzeilen gemacht.8 Die verbliebenen Minderheitsaktionäre der Dresdner Bank AG mussten dem Hauptaktionär Allianz AG ebenso weichen,9 wie die Kleinaktionäre der Schuhkette Salamander dem Stromversorger Energie Baden-Württemberg (EnBW).10 Die Wirtschaft hatte ein solches Verfahren schon seit längerem gefordert.11 Zum einen mache der Verbleib einer sehr kleinen Restminderheit in der Aktiengesellschaft ökonomisch keinen Sinn.12 Die Beachtung zwingender minderheitsschützender Normen stelle einen erheblichen und kostspieligen Formalaufwand dar. Dieser Aufwand bleibe im Wesentlichen derselbe, auch wenn nur ein minimaler Splitterbesitz vorhanden sei.13 Zum anderen 7 Vgl. „Die Kritik der M&A-Branche am deutschen Übernahmegesetz ist leiser geworden“ im Handelsblatt Nr. 009 vom 14.01.2003, S. 20; „Für Kleinanleger kann sich eine Barabfindung lohnen“ im Handelsblatt Nr. 089 vom 09.05.2003, S. 33. 8 Vgl. z. B. „Trennung, Vodafone erzieht Tochter zukünftig allein“ in der Süddeutschen Zeitung vom 22.04.2002. 9 Vgl. z. B. „Lurchi bleibt, Salamander geht“ in der Süddeutschen Zeitung vom 01.05.2002; „Salamander-Aktionäre für Squeeze-out“ im Handelsblatt vom 13.09.2002. 10 Vgl. z. B. „Die Dresdner Bank hält heute ihre letzte öffentliche Hauptversammlung ab. Ade Kleinaktionäre!“ im Handelsblatt vom 24.05.2002. 11 Vgl. Haarmann/Schüppen, Frankfurter Komm zum WpÜG, vor § 327a Rn. 2; Land/Hasselbach ZGR 2002, 120, 121; Vetter AG 2002, 176, 178; ders. DB 2001, 743. 12 Vgl. Vetter AG 2002, 176, 178. 13 So hielt in oben genanntem Beispiel die britische Vodafone bei zuletzt rund 4.500 verbliebenen Minderheitsaktionären 99,4% der Anteile an der damaligen Mannesmann AG, vgl. „Vodafone erzieht Tochter zukünftig allein“ in der Süddeutschen Zeitung vom 22.04.2002.
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Kap. II: Squeeze-out im deutschen Recht
seien die bestehenden Möglichkeiten zum Ausschluss von Minderheitsaktionären zu aufwändig. So scheitere eine Mehrheitseingliederung nach §§ 320 ff. AktG, wenn der Hauptaktionär keine Aktiengesellschaft sei oder seinen Sitz im Ausland habe.14 Schließlich wurde auch im rechtswissenschaftlichen Schrifttum15 und anderen interessierten Kreisen16 vorgebracht, dass im Verhältnis zu den Nachbarstaaten der Wettbewerb in Deutschland ohne eine Squeeze-out-Regelung leide. Zahlreiche andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verfügten über eine entsprechende Regelung, wenn auch in unterschiedlicher Ausgestaltung.17 In der Tat sprach eine Vielzahl von Gründen für die Einführung einer Squeeze-out-Regelung in das deutsche Recht. Der Formalaufwand in einer Einmann-AG ist wesentlich geringer als in einer AG mit – wenn auch nur geringem – Streubesitz. Dies gilt selbst nach der Einführung der Erleichterungen für die kleine AG18 und insbesondere bei börsennotierten Aktiengesellschaften, da der Wegfall weiterer Aktionäre mangels handelbarer Aktien zu einem automatischen Entzug der Börsenzulassung (so genanntes „Delisting“) führt. Mit der Börsennotierung entfallen aufwändige Zulassungsfolgepflichten wie zum Beispiel die Veröffentlichung von Zwischenberichten nach § 40 BörsG und Ad-hoc-Meldungen nach § 15 WpHG. Auch die Insiderhandelsregelungen der §§ 13 f. WpHG sind dann nicht mehr anwendbar, so dass die Weitergabe vertraulicher Informationen nur noch nach § 404 AktG (Strafbarkeit von Geheimhaltungspflichtverletzungen) strafbar ist.19 Aus diesen Gründen sieht Angerer20 das Delisting sogar als häufiges Hauptmotiv für einen Squeeze-out an.21 Neben diesen börsenrechtlichen Pflichten entfallen mit dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre aber auch originäre gesellschaftsrechtliche Schutz14
Vgl. Vetter AG 2002, 176, 178. Forum Europaeum Konzernrecht ZGR 1998, 672, 732 ff.; Kallmeyer AG 2000, 59; Kossmann NZG 1999, 1198; Land/Hasselbach DB 2000, 562; Schiessl AG 1999, 442, 451. 16 Vgl. Börsensachverständigenkommission beim Bundesministerium der Finanzen, Standpunkte Börsensachverständigenkommission zur künftigen Regelung von Unternehmensübernahmen, 1999, S. 26; DAV NZG 1999, 850. 17 Forum Europaeum Konzernrecht ZGR 1998, 672, 732, 734. 18 Vgl. DAV NZG 1999, 850. 19 Vgl. Angerer BKR 2002, 260, 261. 20 Angerer BKR 2002, 260, 261. 21 Nach einer Untersuchung von Rathausky erachteten allerdings immerhin fast 27% der befragten Unternehmen den Wegfall der Börsennotierung bei dem von ihnen durchgeführten Squeeze-out für „nicht wichtig“. Vgl. Rathausky Die Bank 2004, 87, 91. 15
§ 1 Einführung
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pflichten. Bei der Einmanngesellschaft ist jede Hauptversammlung eine Vollversammlung, so dass die Einberufungsformalien der §§ 121–128 AktG nicht erforderlich sind.22 Die Pflicht zur Vorbereitung umfangreicher schriftlicher Berichte sowie mündlicher Erläuterungen des Vorstandes für die Hauptversammlung entfällt.23 Ebenso muss weder dem allgemeinen Informationsrecht, noch dem Auskunftsrecht der Minderheitsaktionäre nach § 131 AktG mehr Rechnung getragen werden. Die Interessen der Minderheit müssen ebenfalls nicht mehr berücksichtigt werden. Teure Prüfungsberichte und Gutachten entfallen.24 Die unternehmerische Initiative kann jedoch nicht nur durch minderheitenbedingten Aufwand und entsprechende Kosten gehemmt werden, sondern auch durch gezielte Anfechtungsklagen von Minderheitsaktionären beeinflusst werden.25 So kann jeder Inhaber auch nur einer einzigen Aktie der Gesellschaft Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluss erheben.26 Zusätzlich ist nach den so genannten „Holzmüller-Grundsätzen“ bei jeder geplanten Strukturänderung zunächst die Zustimmung der Hauptversammlung einzuholen. Auch diese Beschlüsse bieten ein Angriffsziel für Anfechtungsklagen, welche eine mit überwältigender Mehrheit beschlossene Strukturveränderung über Jahre hinweg verzögern können.27 Besteht bei Hauptversammlungsbeschlüssen über Strukturveränderungen nach dem Umwandlungsgesetz unter Umständen die Möglichkeit der Überwindung des Hindernisses der Anfechtungsklage im Freigabeverfahren nach § 16 Abs. 3 UmwG, so scheidet diese Möglichkeit bei Strukturveränderungen im Sinne der Holzmüller-Grundsätze aus. Hier steht der Vorstand vor der Wahl, die geplante Strukturveränderung zunächst trotz im Raum stehender Anfechtungsklage im Unternehmensinteresse durchzuführen und dabei das Risiko einzugehen, im Falle des Unterliegens im gerichtlichen Anfechtungsverfah22
Vgl. § 121 Abs. 6 AktG. Vetter AG 2002, 176, 177. 24 Angerer BKR 2002, 260, 261; Krieger 2002, 53. Eine empirische Untersuchung von Rathausky hat ergeben, dass „die erhöhte Flexibilität, Hauptversammlungsbeschlüsse einfach und schnell herbeiführen zu können“, das im Durchschnitt wichtigste Argument für die Durchführung der untersuchten Squeeze-outs war. Rathausky Die Bank 2004, 87, 91. Vgl. auch Rathausky FB 2004, 107, 114. 25 Zum Thema der sog. „räuberischen Aktionäre“ vgl. Lutter in Festschrift Der Betrieb, 1988, S. 193 ff.; Baums/Vogel/Tachewa ZIP 2000, 1649 ff.; Hirte BB 1988, 1469 ff.; Mertens AG 1990, 49 ff.; Schlaus AG 1988, 113 ff.; Wardenbach BB 1991, 485 ff. 26 § 245 AktG. 27 Sowohl der Regierungsentwurf als auch sogar die Interessenverbände der Kleinaktionäre meinen erkannt zu haben, dass es durchaus Kleinaktionäre gibt, die die Möglichkeit der Anfechtungsklage missbrauchen, um finanzielle Zugeständnisse zu veranlassen. Vgl. BT-Drs. 14/7034, S. 2 f., 31 f.; Süddeutsche Zeitung vom 21.03.2001 „Der lästige Kleinaktionär“. 23
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Kap. II: Squeeze-out im deutschen Recht
ren später von der Gesellschaft in Regress genommen zu werden, oder mit der Durchführung der Maßnahme bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens (oft jahrelang) abzuwarten. Letztgenannte Alternative steht häufig einer Aufgabe des Vorhabens gleich.28 Zwar bestanden auch bisher juristische Möglichkeiten, eine unliebsame Restminderheit aus der Gesellschaft auszuschließen. Doch war dies nur unter strengen Voraussetzungen und hohem Kostenaufwand möglich. Wie von Seiten der Wirtschaft bemängelt, verbietet sich die Mehrheitseingliederung nach §§ 320 ff. AktG, wenn der Hauptaktionär keine Aktiengesellschaft ist oder seinen Sitz im Ausland hat. Auch ist eine Eingliederung ausgeschlossen, wenn der Hauptaktionär einen geschlossenen Aktionärskreis hat, da dann die erforderliche Abfindung in Aktien nicht möglich ist. Die übertragende Auflösung als weitere Gestaltungsmöglichkeit bringt diverse steuerliche Nachteile mit sich.29 Nicht zu überzeugen vermag dagegen das Argument, die Einführung einer Squeeze-out-Regelung sei aus rechtsvergleichender Sicht geboten.30 Tatsächlich existiert eine Squeeze-out-Regelung in den meisten europäischen Ländern,31 doch ist dies keine Begründung für eine so weit reichende deutsche Regelung.32 So knüpft das französische Recht das Ausschlussrecht an die Börsennotierung.33 Das englische Recht setzt ein vorangegangenes Übernahmeangebot voraus.34 Gleichwohl erscheint es vorstellbar, dass ausländische Investoren sich durch die ausdifferenzierten deutschen Regelungen zum Minderheitenschutz abgeschreckt fühlen. Schließlich stellt ein Ausschlussrecht die Kehrseite des Übernahmeangebots nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmeangebot (WpÜG) dar. Es ermöglicht es dem Erwerber, nach einem weitgehend erfolgreichen Angebot nach dem WpÜG noch in der Zielgesellschaft verbliebene Minderheitsaktionäre gegen Zahlung einer angemessenen Abfindung auszuschließen. Damit folgt der Gesetzgeber dem Gedanken, dass derjenige, der verpflichtet ist, ein Übernahmeangebot abzugeben, auch die Möglichkeit erhalten solle, Restminderheiten abzufinden, um so alleiniger Aktionär zu werden.35 Für 28
Vetter AG 2002, 176, 178. Zu den Vor- und Nachteilen der alternativen Ausschlusstechniken vgl. § 5. 30 So u. a. auch die Regierungsbegründung, vgl. BT-Drs. 14/7034, S. 32. 31 Vgl. die Angaben bei Forum Europaeum Konzernrecht ZGR 1998, 672, 734 sowie die Länderberichte in Hommelhoff/Hopt/Lutter, Konzernrecht und Kapitalmarktrecht. 32 So auch Angerer BKR 2002, 260, 261 f. 33 Vgl. Art. 5-6-3 des Règlement Général der Börsenaufsichtsbehörde Conseil de marchés financiers. 34 Vgl. Art. 429 I des Companies Act 1985. 35 Regierungsbegründung, BT-Drs. 14/7034, S. 32. 29
§ 2 Entstehungsgeschichte
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diesen speziellen Fall hat der deutsche Gesetzgeber nun in Sommer 2006 in Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie die §§ 39a–c WpÜG36 geschaffen, die speziell übernahmerechtliche Squeeze-out-Regelungen enthalten.37 Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass die Möglichkeit des Ausschlusses von Minderheitsaktionären im Rahmen eines Squeeze-out zweifelsfrei zu einer Stärkung des Wirtschaftsstandortes Deutschland beitragen wird. Die unternehmerische Initiative wird durch die Minimierung gesellschaftsbedingten Aufwands und minderheitsbedingter Kosten, sowie den Wegfall der Bindung an minderheitsschützende Vorschriften gefördert. Die organisatorischen und vor allen Dingen zeitlichen Verzögerungen bei der Durchführung von Strukturveränderungen, die bisher für inländische Konzerne im internationalen Vergleich einen nicht zu unterschätzenden Wettbewerbsnachteil darstellten, entfallen. Auch wird der Wirtschaftsstandort Deutschland für Investoren aus dem Ausland attraktiver. Auf diese konnte es bisher abschreckend wirken, dass sie zwar die satzungsändernde Aktienmehrheit, aber gleichwohl nicht alle Aktien an einer deutschen Aktiengesellschaft erwerben konnten, und so an die umfangreichen gesetzlichen Vorschriften zum Schutz der Minderheitsaktionäre gebunden waren.38
§ 2 Entstehungsgeschichte Die Schaffung einer gesetzlichen Regelung, die den Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer überwiegend von einem Hauptaktionär beherrschten Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) zum Inhalt hat, war bereits seit längerer Zeit diskutiert worden.39 Ursprünglich bereits im Rahmen des Entwurfes zum KonTraG40 im Gespräch, wurde das Vorhaben jedoch mit Blick auf die damals aufkommende Diskussion auf europäischer Ebene zunächst zurückgestellt.41 Erstmalig ausdrücklich und mit ausführlicher Begründung gefordert wurde die Einführung einer Squeeze-out-Regelung in der Untersuchung „Konzernrecht für Europa“ des Forum Europaeum Konzernrecht vom Herbst 1998,42 in dem 36
Vgl. Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 8.7.2006, BGBl. I 2006, 1426 ff. 37 Dazu ausführlich Kapitel VI: Squeeze-out im EU-Recht. 38 So im Ergebnis auch: Hamann, Squeeze-out, S. 8; Vetter AG 2002, 176, 178. 39 Ausführlich zur Entstehungsgeschichte Hasselbach in: Kölner Komm zum WpÜG § 327a Rn. 9 f.; Neye in: Hirte, WpÜG, S. 25 ff. 40 Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich v. 27.4.1998, BGBl. 1998 I 786. 41 Hamann, Squeeze-out, S. 9. 42 Forum Europaeum Konzernrecht ZGR 1998, 672, 732 ff.
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Kap. II: Squeeze-out im deutschen Recht
Standpunkt der Börsensachverständigenkommission (BSK) vom Februar 199943 und in der Stellungnahme des Handelsrechtsausschusses des deutschen Anwaltsvereins e. V. (DAV) vom Herbst 199944. Gestützt wurden diese Forderungen auf einen Vergleich mit anderen europäischen Rechtsordnungen und die Berufung auf die Unzulänglichkeiten der in den §§ 320 ff. AktG geregelten Mehrheitseingliederung. Die von der Bundesregierung in Folge der Übernahme der Mannesmann AG durch Vodafone im Frühjahr 2000 eingesetzte Expertenkommission befürwortete dann in ihrem am 17. Mai 2000 veröffentlichten Eckpunktepapier45 ebenfalls die Einführung einer Squeeze-out-Regelung. Nach ausführlicher Diskussion wurde hier die Mindestbeteiligungsschwelle des Hauptaktionärs in Anlehnung an § 320 Abs. 1 Satz 1 AktG und im Anschluss an die Stellungnahme des DAV46 auf 95% festgelegt. Abweichende Stimmen in der Literatur, welche die Beteiligungsschwelle bei 90% oder gar 98% festsetzen wollten,47 haben sich nicht durchgesetzt.48 Dem Standpunkt der BSK folgend, sah das Bundesministerium der Finanzen in seinem am 29. Juni 2000 veröffentlichten Diskussionsentwurf die Squeeze-out-Regelung losgelöst von im Zusammenhang mit öffentlichen Übernahmeangeboten stehenden Sachverhalten. Der am 12. März 2001 veröffentlichte Referentenentwurf und der am 11. Juli 2001 publizierte Regierungsentwurf enthielten – ebenso wie die Endfassung des Gesetzestextes – zwar eine Reihe von neuen Detailregelungen, aber keine grundlegenden Änderungen.49
§ 3 Der Begriff „Squeeze-out“ Obwohl der Begriff des „Squeeze-out“ (wörtlich: hinausquetschen) weder in dem Gesetzestext der §§ 327a ff. AktG, noch in dem Regierungsentwurf zum WpÜG50, noch in dem Vorschlag des DAV, der dem Diskussions-
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BSK Standpunktepapier vom Februar 1999, S. 26. DAV NZG 1999, 850 ff. Die Stellungnahme entspricht bereits in weiten Teilen dem nunmehr geltenden Recht. Erstmals wurde zudem eine Kodifizierung in den §§ 327a ff. AktG vorgeschlagen. 45 Empfehlung der Expertenkommission „Unternehmensübernahmen“ vom 17. Mai 2000, abgedruckt bei Pötzsch/Möller, WM Sonderbeilage 2/2000, S. 37 f. 46 DAV NZG 1999, 850, 851. 47 Vgl. z. B. Forum Europaeum Konzernrecht ZGR 1998, 672, 737; Kallmeyer AG 1999, 59; Kossmann NZG 1999, 1198, 1202. 48 Dazu Neye in: Hirte, WpÜG, S. 25, 29. 49 Vgl. Möller/Pötzsch ZIP 2001, 1256, 1261. 50 Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 17.08.2001, BT-Drs. 574/01. 44
§ 3 Der Begriff „Squeeze-out“
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entwurf voranging,51 Erwähnung findet, wird die Diskussion um den Ausschluss von Minderheitsaktionären in Deutschland unter diesem Stichwort geführt. Schon in den Begründungen der einzelnen Gesetzesentwürfe taucht der Begriff des Squeeze-out auf.52 Der Begriff des Squeeze-out hat seinen Ursprung im US-amerikanischen Recht. Er wird dort jedoch häufig in anderem Kontext verwand. Bei der Verwendung dieses Begriffes im Zusammenhang mit dem Ausschluss von Minderheitsaktionären gegenüber amerikanischen Juristen ist daher Vorsicht geboten.
A. US-amerikanische Terminologie Das US-amerikanische Recht unterscheidet zwischen dem Freeze-out und dem Squeeze-out. Als Freeze-out wird ganz allgemein eine Strategie des Mehrheitsaktionärs bezeichnet, die dazu dient, Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft auszuschließen. Ziel des Freeze-out ist es, den Mehrheitsaktionär zum Alleinaktionär zu machen. Dazu bedient dieser sich – grundsätzlich – zulässiger Mittel der Strukturveränderung der Gesellschaft.53 Anders als beim Freeze-out wird der Minderheitsaktionär beim Squeezeout nicht auf juristisch-technischem Wege zum Verlassen der Gesellschaft gebracht. Vielmehr wird ihm den Verbleib in der Gesellschaft so uninteressant gestaltet, dass er die Gesellschaft mehr oder minder freiwillig verlässt. Dies kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass sich für die Ausschüttung kumulierter Dividenden wiederholt keine Mehrheit findet.54 Der Squeezeout verlässt hier den Rahmen des rechtlich Zulässigen und zeichnet sich durch eine Verletzung der gesellschafterlichen Treuepflicht aus.55 Diese Differenzierung weicht jedoch im Zusammenhang mit dem Begriff squeeze-out merger auf. Mit diesem Begriff bezeichnet das US-amerikanische Recht den grundsätzlich legalen Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer Aktiengesellschaft als Folge einer umwandlungsrechtlichen Transaktion.56 51
DAV NZG 1999, 850 ff. Allgemeiner Teil der Begründung zum Diskussionsentwurf vom 29.07.2000, S. 75; Allgemeiner Teil der Begründung zum Referentenentwurf vom 12.03.2001, S. 74; Allgemeiner Teil der Begründung zum Regierungsentwurf vom 11.07.2001, S. 73. 53 Brudney/Bratton, Corporate Finance 671–748; Merkt GesR Rn. 1028. 54 Merkt GesR Rn. 1029; Seiler, Freezeout, S. 1 f. 55 Clark Corporate Law, S. 499. 56 Dazu ausführlich unten Kapitel IV § 2. Der squeeze-out merger ist die häufigste Gestaltungsform zum Ausschluss von Minderheitsaktionären in den USA. 52
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Kap. II: Squeeze-out im deutschen Recht
B. Deutsche Terminologie Der Begriff des Squeeze-out bezeichnet in Deutschland ein Rechtsinstitut, bei dem durch eine einzige gesellschaftsrechtliche Maßnahme der Hauptaktionär den Ausschluss der Minderheitsaktionäre bewirken kann. Da die US-amerikanische Literatur denselben Vorgang als Freeze-out bezeichnet, und mit dem Begriff des Squeeze-out bereits eine andere gesellschaftsrechtliche Maßnahme belegt hat,57 ist die deutsche Wahl der Begriffsbestimmung im internationalen Vergleich etwas unglücklich gefallen. Doch hat sich der Begriff des Squeeze-out in der deutschsprachigen Literatur58 auch durch das Gesetzgebungsverfahren eingebürgert und kann allenfalls bei der Korrespondenz mit amerikanischen Kollegen zu Verwirrungen führen.
§ 4 Überblick über die Regelungen der §§ 327a–f AktG und Einordnung in die Gesetzessystematik A. Überblick über die Regelungen der §§ 327a–f AktG Bis zur Einführung der §§ 327a–f AktG zum 1. Januar 200259 war ein endgültiger Ausschluss aller unliebsamen Minderheitsaktionäre nur im Rahmen der sehr zeitintensiven und aufwändigen übertragenden Auflösung möglich.60 Mit der Neuregelung wurde ein straffes und relativ unaufwändiges Verfahren geschaffen, das dem Hauptaktionär den Ausschluss der Minderheitsaktionäre aus der Aktiengesellschaft ohne eine vorherige Strukturveränderung ermöglicht. Allein auf Verlangen eines Aktionärs, dem Aktien der Gesellschaft in Höhe von 95% des Grundkapitals gehören (Hauptaktionär), kann die Hauptversammlung nunmehr die Übertragung der Aktien der übrigen Aktionäre (Minderheitsaktionäre) auf den Hauptaktionär beschließen, § 327a Abs. 1 AktG. Als Folge kann der Hauptaktionär 100% aller Anteile an der Gesell57
Siehe dazu den vorangegangenen Abschnitt. So wurde schon im Vorfeld der Einführung der §§ 327a ff. AktG weitestgehend die Bezeichnung Squeeze-out verwendet, vgl. Altmeppen, ZIP 2001, 1073, 1083; Kallmeyer AG 2000, 59; Habersack ZIP 2001, 1230 ff.; Halm NZG 2000, 1162 ff.; Land/Hasselbach DB 2000, 557 ff.; dies. DB 2000, 1747, 1748; Pötzsch/ Möller WM Sonderbeilage 2/2000, S. 29; Vetter ZIP 2000, 1817 ff.; ders. DB 2001, 743 ff. Nur selten wurden Begriffe wie „Minority Squeeze-out“ (Land/Hasselbach DB 2000, 1747, 1753 f.) oder „Freeze-out“ (Drygala AG 2001, 291, 293; Kossmann NZG 1999, 1198 ff.) als Bezeichnung für den Ausschluss von Minderheitsaktionären gegen Barabfindung gebraucht. 59 BGBl. 2001 I 3822 ff. 60 Dazu sogleich unten § 5. 58
§ 4 Überblick über die Regelungen der §§ 327a–f AktG
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schaft auf sich vereinen und so die uneingeschränkte Kontrolle über die Gesellschaft ausüben. Für die Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär ist zunächst der eben genannte Hauptversammlungsbeschluss erforderlich, § 327a AktG. Die im Gesetz genannte Kapitalmehrheit von 95% bezieht sich hier nur auf die Antragsberechtigung.61 Der Beschluss selbst kann dagegen mit einfacher Mehrheit erfolgen, § 133 Abs. 1 BGB.62 Zudem ist die Gewährung einer angemessenen Barabfindung an die ausscheidenden Minderheitsaktionäre durch den Hauptaktionär erforderlich, § 327a Abs. 1 AktG. Die Barabfindung muss die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung berücksichtigen.63 Der Vorstand hat dem Hauptaktionär alle dafür notwendigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen und Auskünfte zu erteilen, § 327b Abs. 1 AktG. Zur Vorbereitung des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre hat der Hauptaktionär der Hauptversammlung einen schriftlichen Bericht zu erstatten, in dem er die Voraussetzungen für die Übertragung darlegt und die Angemessenheit der Barabfindung erläutert. Die Angemessenheit der Barabfindung ist durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer zu prüfen. Diese werden auf Antrag des Hauptaktionärs vom Gericht ausgewählt und bestellt, § 327c Abs. 2 AktG. Der Hauptversammlungsbeschluss kann nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die durch den Hauptaktionär festgelegte Barabfindung zu niedrig bemessen sei. Vielmehr bestimmt das angerufene Gericht im gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahren die angemessene Barabfindung, § 327f Abs. 1 AktG.64 Antragsberechtigt ist jeder ausgeschiedene Minderheitsaktionär, also nicht nur derjenige, der während der Hauptversammlung seinen Widerspruch zu Protokoll gegeben hat, § 3 Nr. 2 SpruchG.65 Mit der Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses in das Handelsregister gehen alle Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär über, § 327e Abs. 3 AktG. Eine eventuell bestehende Börsennotierung wird mangels handelbarer Aktien gegenstandslos. Die Zulassungsstelle muss die Notierung damit einstellen und die Zulassung zum Aktienhandel widerrufen, §§ 38 Abs. 1, 3 BörsG. 61 Zu Fragen des Zustandekommens der erforderlichen Kapitalmehrheit vgl. Kapitel III § 3 C.III.3. 62 Hüffer AktG § 327a Rn. 11. 63 Zu Fragen der Abfindungsbemessung vgl. Kapitel III § 3 D. 64 Der Gesetzgeber hat das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren nunmehr im Spruchverfahrensgesetz neu geregelt. Gesetz zur Neuordnung des Spruchverfahrens v. 12.6.2003, BGBl. 2003 I 838. 65 Ausführlich zu Fragen des Rechtsschutzes Kapitel III § 3 E.
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Kap. II: Squeeze-out im deutschen Recht
B. Vorteile der Squeeze-out-Regelung gegenüber alternativen Ausschlusstechniken Die für den Squeeze-out erforderliche Beteiligungsquote ist mit 95% sehr hoch bemessen. Dennoch stellt der Squeeze-out eine wesentliche Erleichterung des Ausschlusses von Minderheitsaktionären gegenüber den schon bisher bestehenden Techniken der übertragenden Auflösung und der Eingliederung nach §§ 320 ff. AktG dar. Die Ausschlussmöglichkeit der §§ 327a ff. AktG ist – anders als bei der übertragendem Auflösung oder der Eingliederung – nicht an grundlegende Struktur- oder Konzernierungsmaßnahmen, sondern allein an ein bestimmtes Mehrheitsverhältnis gebunden. Gegenüber der übertragenden Auflösung ist der Squeeze-out steuerrechtlich neutral.66 Außerdem ist der Squeeze-out gegenüber § 179a AktG kostengünstiger, da die Kosten für die im Rahmen der übertragenden Auflösung notwendigen Verträge und gegebenenfalls die Kosten für die Gründung einer Erwerbergesellschaft entfallen.67 Gegenüber der Eingliederung hat der Squeeze-out den Vorteil, dass weder ein Sitz des Erwerbers im Inland erforderlich ist, noch eine Abfindung in eigenen Aktien gewährt werden muss.68 Dadurch beschränken sich die Kosten der aufwändigen Unternehmensbewertung auf ein Unternehmen. Die Bewertung des Hauptaktionärs entfällt.69 Im Gegensatz zur Eingliederung tritt auch nicht die unangenehme Rechtsfolge der gesamtschuldnerischen Haftung nach § 322 AktG und der Verlustausgleichspflicht ein. Der Squeeze-out bietet sich also als Ausschlusstechnik an, wenn der Mehrheitsgesellschafter über 95% der Anteile verfügt.
C. Einordnung in die Gesetzessystematik Beim Squeeze-out handelt es sich um eine dem deutschen Recht bislang unbekannte gesellschaftsrechtliche Maßnahme. Sie ist in ihrer Reichweite weder mit dem Rechtsgedanken der §§ 737, 723 BGB, noch mit den Grundsätzen der bisher vom Aktiengesetz zur Verfügung gestellten Möglichkeiten zum Ausschluss eines Aktionärs oder der Konzernbildung vergleichbar. 66
Schwichtenberg DStR 2001, 2075, 2082. Schwichtenberg DStR 2001, 2075, 2082. 68 Vgl. DAV NZG 1999, 850; Krieger BB 2002, 53, 54. 69 Vgl. Grunewald ZIP 2002, 18, 20; Krieger BB 2002, 53, 54; Schwichtenberg DStR 2001, 2075, 2082. 67
§ 4 Überblick über die Regelungen der §§ 327a–f AktG
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Dem Gesellschaftsrecht seit jeher bekannt ist der Ausschluss eines Verbandsmitglieds aus wichtigem Grund im Sinne der §§ 737, 723 BGB. Dieses Recht gewährt jedoch in erster Linie die Möglichkeit zur Lösung verbandsinterner Probleme, die auf ein den Gesellschaftsinteressen zuwiderlaufendes Verhalten eines Mitglieds zurückzuführen sind.70 Der Squeeze-out hingegen hat keinen sanktionsrechtlichen Charakter. Ein solcher ergibt sich weder aus der rechtspolitischen Entstehungsgeschichte, noch aus einer umfangreichen weiteren Auslegung.71 Neben dem Ausschluss aus wichtigem Grund, der nach neuerer Ansicht auch im Aktienrecht trotz der dortigen Besonderheiten zulässig ist,72 kennt speziell das Aktienrecht den Ausschluss von Aktionären aus der Aktiengesellschaft bei Versäumung der Einlagepflicht (Kaduzierung, § 64 AktG) und die Einziehung von Aktien (§ 237 AktG). Auch mit diesen Maßnahmen ist der Squeeze-out jedoch nicht vergleichbar. Bei den §§ 327a ff. AktG handelt es sich weder um Regelungen zur realen Kapitalaufbringung wie bei der Kaduzierung nach § 64 AktG, noch um ein Mittel der Kapitalherabsetzung wie bei § 237 AktG.73 Im Gegensatz zum Squeeze-out ist der Verlust der Aktien im Wege der Einziehung auch nur zulässig, wenn er in der ursprünglichen Satzung oder durch eine Satzungsänderung vor Übernahme oder Zeichnung der Aktien angeordnet oder gestattet war, vgl. § 237 Abs. 1 Satz 2 AktG. Zwar hat sich der Gesetzgeber bei der Schaffung der §§ 327a ff. AktG an den Vorschriften zur Eingliederung und zum Unternehmensvertrag orientiert. Dennoch handelt es sich beim Squeeze-out nicht um eine Maßnahme der Konzernbildung.74 Zum einen steht der Squeeze-out grundsätzlich auch Privataktionären mit einem Anteil von 95% am Grundkapital und damit nicht nur verbundenen Unternehmen offen. Anders als bei der Eingliederung (vgl. § 323 AktG) zielt die Squeeze-out-Regelung auch nicht auf die Sicherung der Leitungsmacht ab. Aufgrund dieser Besonderheiten kann beim Squeeze-out also nicht von einer konzernrechtlichen Maßnahme gesprochen werden. Damit ist der Squeeze-out mit keiner der bisher bekannten Ausschlussmöglichkeiten vergleichbar. Er stellt aus diesem Grund eine dem deutschen Recht bisher unbekannte gesellschaftsrechtliche Maßnahme dar. 70
K. Schmidt GesR § 28 I 5. a). So auch Hamann, Squeeze-out, S. 16. 72 Vgl. hier nur K. Schmidt GesR § 28 I 5. a); dazu ausführlich unten Kapitel III § 2 B.II.3. 73 So zutreffend schon Hamann, Squeeze-out, S. 16. 74 So im Ergebnis auch schon Hamann, Squeeze-out, S. 17. 71
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Kap. II: Squeeze-out im deutschen Recht
§ 5 Alternative Ausschlusstechniken Vor Einführung der §§ 327a ff. AktG war es keinesfalls unmöglich, missliebige Minderheitsaktionäre kollektiv75 aus der Aktiengesellschaft auszuschließen. Im Rahmen von Verschmelzung und Formwechsel konnten die Minderheitsaktionäre auch bisher von der ursprünglichen Gesellschaft ausgeschlossen werden. Ihnen mussten allerdings Anteile an der neuen Gesellschaft angeboten werden. Im Rahmen der übertragenden Auflösung konnte die Substanz einer Gesellschaft unter den Augen der Minderheitsgesellschafter verkauft, und diese mit einer substanzlosen Gesellschaft und dem Anspruch auf Beteiligung am Liquidationserlös zurückgelassen werden. Im Rahmen der Mehrheitseingliederung konnten die unliebsamen Minderheitsaktionäre ebenfalls aus der einzugliedernden Gesellschaft ausgeschlossen werden. Allerdings mussten ihnen Anteile an der Hauptgesellschaft angeboten werden. Außer im Rahmen der übertragenden Auflösung war es bisher also nur begrenzt möglich, sich Minderheitsaktionären dauerhaft zu entledigen. Da es jedoch andererseits auch nicht jedem Mehrheitsaktionär möglich sein wird, die für den Squeeze-out erforderliche Beteiligungsschwelle von 95% zu erreichen, werden die übrigen hier dargestellten Ausschlusstechniken weiterhin eine gewisse Relevanz behalten.
A. Ausschluss nach Umwandlungsrecht §§ 9–15 UmwG 1965 eröffneten die Möglichkeit, das Vermögen einer Aktiengesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf ihren Hauptaktionär zu übertragen, wenn dieser mit mindestens 75% an der Gesellschaft beteiligt war.76 Dabei schieden die Minderheitsaktionäre gegen Barabfindung aus der Gesellschaft aus. Diese Möglichkeit besteht heute jedoch nicht mehr. Weder die Verschmelzung, § 2 ff. UmwG, noch der Formwechsel, § 190 ff. UmwG, sind geeignet, den Ausschluss von Minderheitsaktionären herbeizuführen. Dem umwandlungsrechtlichen Prinzip der Kontinuität der Mitgliedschaft folgend, haben die Aktionäre der Ausgangsgesellschaft stets einen Anspruch auf Mitgliedschaft in der neuen Gesellschaft.77 Ein 75 Zum Ausschluss Einzelner standen bisher – wie eben bereits angesprochen – der Ausschluss aus wichtigem Grund als Sanktionsmaßnahme, der Ausschluss bei Versäumung der Einlagepflicht (sog. Kaduzierung, § 64 AktG) und die Einziehung von Aktien im Rahmen einer Kapitalherabsetzung (§ 237 AktG) zur Verfügung. Auf die nähere Darstellung soll hier jedoch aufgrund der andersartigen Zielsetzung verzichtet werden. 76 Vgl. Angerer BKR 2002, 260, 262; diese Regelungen waren Gegenstand der „Feldmühle“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 14, 263 ff.). 77 Schwichtenberg DStR 2000, 2075, 2077.
§ 5 Alternative Ausschlusstechniken
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Ausschluss kann auch nicht durch ein Barabfindungsangebot erzwungen werden. Unter bestimmten Voraussetzungen kann den Minderheitsaktionären allenfalls der Erwerb ihrer Anteile gegen eine angemessene Barabfindung angeboten werden.78
B. Übertragende Auflösung Der Ausschluss von Minderheitsaktionären kann auch im Wege der so genannten übertragenden Auflösung erreicht werden, §§ 179a,79 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG. Bei der übertragenden Auflösung überträgt die Gesellschaft zunächst durch einen Asset Deal im Wege der Einzelrechtsübertragung ihr gesamtes Vermögen auf eine vom Hauptaktionär kontrollierte und oft eigens zu diesem Zweck gegründete Gesellschaft. Nach der Abwicklung des Kaufvertrages besteht das einzige Vermögen der übertragenden Gesellschaft in dem erzielten Kaufpreis. Die übertragende Gesellschaft beschließt spätestens dann – häufig jedoch bereits mit dem Übertragungsbeschluss – ihre Liquidation. Das Gesellschaftsvermögen wird dann entsprechend ihrer Beteiligungsquote an die Aktionäre verteilt. I. Überblick über die Voraussetzungen der übertragenden Auflösung Inhalt des Kaufvertrages muss die Übertragung des ganzen Vermögens der Aktiengesellschaft sein. Dies ist jedoch nicht wörtlich zu nehmen. Vielmehr greift die Vorschrift auch dann ein, wenn nur unwesentliches Vermögen bei der Gesellschaft zurückbleibt und diese mit dem zurückbehaltenen Vermögen ihren in der Satzung festgelegten bisherigen Unternehmensgegenstand nicht mehr weiterverfolgen kann.80 Sowohl der Kaufvertrag (sog. Übertragungsvertrag) als auch die anschließende Auflösung der Gesellschaft erfordern einen zustimmenden Beschluss der Hauptversammlung. Dieser muss mit einer Drei-Viertel-Mehrheit des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals zustande kommen, §§ 179a Abs. 1, 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG. Zudem setzt diese Ausschlussalternative die Existenz einer anderen Gesellschaft der gewünschten Rechtsform (z. B. einer GmbH oder 78 Vgl. §§ 29, 207 UmwG. Der Minderheitsaktionär, der mit der Verschmelzung bzw. dem Formwechsel nicht einverstanden ist, kann der Beschlussfassung zur Verschmelzung bzw. zum Formwechsel widersprechen, bzw. Widerspruch zu Protokoll erklären. Ihm muss die Übernahme seines (umgewandelten) Gesellschaftsanteils gegen eine Barabfindung angeboten werden, §§ 29, 207 UmwG. 79 § 179a AktG wurde erst 1994 durch Art. 6 Nr. 3 UmwBerG in das AktG eingefügt. 80 Hüffer AktG § 179a Rn. 3.
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Kap. II: Squeeze-out im deutschen Recht
GmbH & Co. KG) voraus. Diese kann der Investor gerade zu diesem Zweck gegründet, oder bereits in seinem Bestand haben. Anders als bei der Verschmelzung sieht das Verfahren der übertragenden Auflösung eine Prüfung des vereinbarten Kaufpreises nicht vor. Damit wird letztlich auch die Angemessenheit des an den Aktionär auszuschüttenden Liquidationsanteils nicht überprüft. Da der über die nötige Stimmenmehrheit verfügende Hauptaktionär sowohl die aufzulösende Aktiengesellschaft als auch die Erwerbergesellschaft kontrolliert, kann er den Kaufpreis im Grunde beliebig festsetzen.81 Der Nachteil für die Minderheitsaktionäre liegt hier auf der Hand. Im älteren Schrifttum wurde daher mit zum Teil unterschiedlicher Begründung ein Verbot dieser Transaktion gefordert, wenn in Wahrheit nicht die Beendigung der Gesellschaft, sondern der Ausschluss der Minderheitsaktionäre bezweckt wurde.82 Teilweise wurde diese Forderung damit begründet, dass die übertragende Auflösung eine Umgehung der umwandlungsrechtlichen Vorschriften darstelle. Teilweise wurde eine fehlende Inhaltskontrolle des Beschlusses bemängelt. Dem ist die Rechtsprechung ausdrücklich entgegengetreten.83 Der BGH führt insoweit aus, dass die übertragende Auflösung keine Umgehung der umwandlungsrechtlichen Vorschriften darstelle, da diese insofern keine abschließende Regelung enthielten. Außerdem sei eine Inhaltskontrolle des Übertragungs- und des Auflösungsbeschlusses abzulehnen, da der mit der nötigen Mehrheit gefasste Beschluss seine sachliche Rechtfertigung bereits in sich trage.84 Auch die Festsetzung einer angemessenen Abfindung für die Minderheitsaktionäre in einem gerichtlichen Spruchverfahren in Analogie zu aktienund umwandlungsrechtlichen Vorschriften85 hatte die Rechtsprechung bisher abgelehnt.86 Diese Praxis hat das Bundesverfassungsgericht jedoch im Jahre 2000 mit Blick auf Art. 14 Abs. 1 GG für „verfassungsrechtlich bedenklich“ erklärt.87 Zwar schließe es Art. 14 Abs. 1 GG nicht grundsätzlich aus, eine Aktionärsminderheit gegen ihren Willen aus der Gesellschaft auszuschließen.88 Die ausscheidenden Minderheitsaktionäre müssten aber in die81
Schwichtenberg DStR 2001, 2075, 2077. Martens in: FS Fischer S. 437; Martens GmbHR 1984, 265; Wiedemann ZGR 1980, 147; Wiedemann JZ 1989, 447; Wiedemann DB 1993, 141; Timm JZ 1980, 355; Timm ZGR 1987, 403. 83 BGHZ 103, 184 („Linotype“); OLG Stuttgart ZIP 1995, 1515 („Moto Meter“). 84 BGHZ 76, 352, 353. 85 Vgl. §§ 305, 306, 320b AktG, §§ 15, 34, 36, 305 UmwG. 86 BayObLG ZIP 1998, 2002 („Magna Media“); OLG Stuttgart ZIP 1997, 362. 87 BVerfG ZIP 2000, 1670. 88 BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671. 82
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sem Fall eine volle wirtschaftliche Entschädigung erhalten, die sich an dem Wert ihrer Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen zu orientieren habe.89 Obwohl die – auch bei Neugestaltung des Umwandlungsrechts nicht geänderte – gesetzliche Regelung dies nicht vorsieht, wird nunmehr für den Fall, dass die Übertragung des Geschäftsbetriebs auf ein Unternehmen im Einflussbereich des Mehrheitsgesellschafters erfolgt, eine besondere gerichtliche Kontrolle der Vergütung der Altgesellschaft – und damit inzident auch der Minderheitsaktionäre – durch das Bundesverfassungsgericht vorgeschrieben.90 Der Gesetzgeber hat auch die Gelegenheit der Neufassung des Spruchverfahrens im Jahre 2003 nicht genutzt, um die Art der gerichtlichen Kontrolle gesetzlich festzuschreiben.91 Solange diese gerichtliche Kontrolle nicht durch den Gesetzgeber normiert wird, gibt es zwei Möglichkeiten, diese dennoch zu gewährleisten: zum einen kann im Übertragungsbeschluss zugleich der Kaufpreis festgelegt werden, so dass insoweit eine Überprüfung im Rahmen einer Anfechtungsklage stattfinden kann.92 Zum anderen kann das angerufene Gericht für diesen Fall das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren analog anwenden.93 Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung keiner der beiden Möglichkeiten angeschlossen. Vorzugswürdig scheint jedoch die Anlehnung an das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren.94 Bei der Anfechtungsklage handelt es sich um eine aktienrechtliche Gestaltungsklage, die bei Erfolg gemäß § 248 Abs. 1 AktG zur Nichtigkeit 89
BVerfG ZIP 2000, 1670, 1672. BVerfG AG 2000, 42 ff. 91 Das Gesetz zur Neuordnung des Spruchverfahrens vom 12. Juni 2003, BGBl. I 2003, 838 ff. hat die einzelnen bislang vor allem im AktG und UmwG zersplittet enthaltenen Regelungen zum Spruchverfahren in nur 17 Paragraphen im neuen Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren zusammengefasst. § 1 dieses Gesetzes, der den Anwendungsbereich skizziert, zählt allerdings nur die auch bisher schon bekannten Anknüpfungsvorschriften für das Spruchverfahren auf. 92 So Roth NZG 2003, 998, 1002 ff. 93 Vgl. Schwichtenberg DStR 2001, 2075, 2078. Diese Möglichkeit ist nicht etwa durch den Gesetzgeber durch Neufassung des gesellschaftsrechtlichen Spruchverfahrens im Jahre 2003 ausgeschlossen worden. Vielmehr soll das Spruchverfahren nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch für andere als die in § 1 SpruchG aufgezählten Fälle entsprechend angewendet werden können. Vgl. Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses, BT-Drs. 15/838, S. 16; Begr. RegE, BTDrs. 15/371, S. 11; vgl. auch die Stellungnahme des DAV (zum RegE) NZG 2003, 316 ff. Noch zur alten Regelung des aktienrechtlichen Spruchverfahrens: Lutter/ Leinekugel ZIP 1999, 261, 266; Weinheimer/Fritzsche in: Richard/Weinheimer, Going Private, S. 268. 94 So auch Haarmann/Schüppen, Frankfurter Komm zum WpÜG, vor § 327a Rn. 12; Schwichtenberg DStR 2001, 2075, 2078. 90
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des angefochtenen Beschlusses führt.95 Kommt das Gericht im Anfechtungsverfahren zu dem Ergebnis, dass die angebotene Abfindung unangemessen niedrig ist, so hat es nicht die Möglichkeit, eine angemessene Abfindung festzusetzen. Vielmehr muss es den zugrunde liegenden Hauptversammlungsbeschluss für nichtig erklären. Hält die Gesellschaft an der übertragenden Auflösung fest, so muss sie nunmehr erneut eine Hauptversammlung einberufen und einen neuen, eine angemessene Abfindung beinhaltenden, Beschluss treffen. Dies würde im Ergebnis zu zusätzlichen nicht zu unterschätzenden Kosten und einer nicht nur geringfügigen zeitlichen Verzögerung der Übertragung führen. Hier führt das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren schneller zum gewünschten Ergebnis. In dessen Rahmen kann das Gericht direkt eine angemessene Abfindung festsetzen.96 Exkurs: Analoge Anwendung des Spruchverfahrens Die Veräußerung des gesamten Gesellschaftsvermögens und die anschließende Liquidation der Gesellschaft stellen eine einheitliche Strukturmaßnahme dar, die als solche vom Gesetzgeber in § 179a AktG nicht entsprechend gewürdigt und abschließend geregelt worden ist.97 § 179a AktG erfasst den Fall, dass die Interessen der Aktionäre einheitlich sind, da alle Aktionäre bei der Veräußerung eine Gewinnmaximierung anstreben. Bei der übertragenden Auflösung liegt es jedoch gerade im Interesse des Mehrheitsaktionärs, den Kaufpreis möglichst gering zu halten. Dieser Interessenkonflikt zwischen Mehrheits- und Minderheitsaktionär(en) erfordert einen besonderen Schutz der Minderheitsaktionäre. Insoweit existiert jedoch eine Regelungslücke. Diese Regelungslücke ist planwidrig. Auf den eben genannten Sonderfall ist die Regelung des § 179a AktG nicht zugeschnitten.98 Schließlich ist die Interessenlage der Minderheitsaktionäre bei der übertragenden Auflösung mit derjenigen der von den anderen in § 1 SpruchG aufgeführten Strukturmaßnahmen betroffenen Minderheitsaktionären vergleich95
Vgl. Hüffer AktG § 248 Rn. 4. Vgl. z. B. § 305 Abs. 5 Satz 2 AktG. So im Ergebnis auch: Fritzsche/Dreier/ Verfürth, SpruchG, § 1 Rn. 81; Klöcker/Frowein, SpruchG, § 1 Rn. 17; Lutter/ Leinekugel ZIP 1999, 261, 266; Wolf ZIP 2002, 153, 157 ff. Zusätzlich sind die Anforderungen an die Transparenz und Information über die Vorbereitung der Entscheidung, also Erstellung eines Vorstandsberichts, Sachverständigengutachtens und Sachverständigenberichts, entsprechend anzuwenden. Vgl. Fritzsche/Dreier/Verfürth, a. a. O. 97 Fritzsche/Dreier/Verfürth, SpruchG, § 1 Rn. 76; ähnlich Wiedemann ZGR 1999, 857, 865. 98 So zutreffend BverfG, ZIP 2000, 1670, 1672; Fritzsche/Dreier/Verführt, SpruchG, § 1 Rn. 77 f.; Lutter/Leinekugel ZIP 1999, 261, 266; Wiedemann ZGR 1999, 857, 863 ff. 96
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bar. Wie beim Squeeze-out ist der Mehrheitsgesellschafter am Ende Alleineigentümer des Gesellschaftsvermögens. Die ausgeschlossenen Aktionäre sind wie beim Squeeze-out an einer angemessenen Entschädigung als Kompensation für den Verlust ihrer Mitgliedschaft interessiert. Eine analoge Anwendung der Vorschriften des SpruchG auf die übertragende Auflösung ist daher im Ergebnis nicht nur möglich, sondern im Interesse des Minderheitenschutzes auch geboten. II. Vor- und Nachteile der übertragenden Auflösung Die übertragende Auflösung ist neben dem Squeeze-out die einzige unternehmerische Maßnahme, die es einem Hauptaktionär ermöglicht, die Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft (und, verglichen mit der Eingliederung, auch aus dem Konzern) auszuschließen. Bis zur vorgenannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 200099 besaß die übertragende Auflösung auch dadurch besondere Attraktivität, dass die Preisfindung für das Unternehmen nicht ohne weiteres gerichtlich überprüfbar war.100 Dieser zusätzliche Reiz der übertragenden Auflösung ist jedoch durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben worden. Daneben ist zu berücksichtigen, dass die Wahl der übertragenden Auflösung weit reichende steuerliche Konsequenzen hat. Wie bei einem Geschäft unter Fremden hat die Veräußerung an den Hauptaktionär zu Teilwerten und somit unter Auflösung der stillen Reserven zu erfolgen.101 Die Veräußerung zu Buchwerten wäre steuerlich als verdeckte Gewinnausschüttung an den Hauptaktionär anzusehen, wenn Buchwerte und Teilwerte divergieren.102 Gleichwohl ist davon auszugehen, dass die übertragende Auflösung auch nach Inkrafttreten der Squeeze-out-Regelung ihre Bedeutung behalten wird, da sie als einzige Ausschlussalternative den Ausschluss einer Minderheit ermöglicht, die mit bis zu 25% am Grundkapital der Gesellschaft beteiligt ist.103
C. Mehrheitseingliederung Ein weiterer Weg, der zu einem Ausschluss der Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft führt, ist die Eingliederung nach den Vorschriften der 99
BVerfG ZIP 2000, 1670. Weinheimer/Fritzsche in: Richard/Weinheimer Going Private, S. 268. 101 Schwichtenberg DStR 2001, 2075, 2078. 102 Schwichtenberg a. a. O. 103 So im Ergebnis auch Wolf ZIP 2002, 153 ff. 100
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Kap. II: Squeeze-out im deutschen Recht
§§ 319 ff. AktG. Mit Wirksamwerden der Eingliederung gehen sämtliche Aktien der eingegliederten Gesellschaft auf die Hauptgesellschaft über, § 320a AktG. I. Überblick über die Voraussetzungen der Mehrheitseingliederung Die Eingliederung erfolgt aufgrund eines Mehrheitsbeschlusses, den die Hauptversammlung mit einfacher Mehrheit fassen kann, wenn die zukünftige Hauptgesellschaft mindestens 95% der Aktien der Gesellschaft hält und ihren Sitz im Inland hat, § 320 Abs. 1 AktG. Zwar wird vereinzelt im Hinblick auf § 320 Abs. 1 AktG, wonach die zukünftige Hauptgesellschaft mindestens 95% der einzugliedernden Gesellschaft halten muss, auch für den Eingliederungsbeschluss eine Mehrheit von mindestens 95% der abgegebenen Stimmen verlangt.104 Der Wortlaut des § 320 Abs. 1 AktG stellt ein solch hohes Mehrheitserfordernis aber gerade nicht auf. Allein aus der Tatsache, dass ein besonderes Mehrheitserfordernis im Gesetz nicht geregelt ist, lässt sich ein entsprechendes ungeschriebenes Mehrheitserfordernis aber nicht ableiten.105 Die Hauptversammlung der zukünftigen Hauptgesellschaft hat der Eingliederung mit einer Drei-Viertel-Mehrheit zuzustimmen, § 319 Abs. 2 AktG. Bei der zukünftigen Hauptgesellschaft muss es sich ebenfalls um eine Aktiengesellschaft handeln. Der Vorstand der zukünftigen Hauptgesellschaft hat der Hauptversammlung zuvor einen ausführlichen schriftlichen Bericht über die geplante Eingliederung und ihre rechtlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu erstatten, § 319 Abs. 3 AktG. Er muss darauf hinweisen, dass die Eingliederung einerseits zu einer gesamtschuldnerischen Haftung der Hauptgesellschaft für die Verbindlichkeiten der eingegliederten Gesellschaft führt, § 322 AktG, andererseits ein umfassendes Weisungsrecht gegenüber dem Vorstand der eingegliederten Gesellschaft, § 323 AktG, und einen Abfindungsanspruch der aus der eingegliederten Gesellschaft ausscheidenden Minderheitsaktionäre mit sich bringt. Die Eingliederung ist durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer (Eingliederungsprüfer) zu prüfen, § 320 Abs. 3 AktG. Als Folge der Eingliederung gehen alle Anteile an der eingegliederten Gesellschaft, auch solche, die sich im Streubesitz befinden, auf die Hauptgesellschaft über, § 320a Satz 1 AktG. Die Hauptgesellschaft muss die aus104
Koppensteiner in Kölner Komm zum AktG, § 320 Rn. 6; v. Godin/Wilhelmi AktG § 320 Rn. 3; Land/Hasselbach DB 2000, 557. 105 So auch: Hüffer AktG § 320 Rn. 4; Habersack in: Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 320 Rn. 7; Schwichtenberg DStR 2001, 2075, 2078.
§ 5 Alternative Ausschlusstechniken
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geschiedenen Aktionäre mit eigenen Aktien oder – falls sie selbst ein abhängiges Unternehmen ist – nach Wahl der ausgeschiedenen Aktionäre mit den Aktien ihres beherrschenden Gesellschafters oder mit einer Barzahlung abfinden, § 320b Abs. 1 AktG. Die zu gewährenden Anteile werden wie bei der Verschmelzung aus dem Verhältnis der Anteilswerte bei einzugliedernden bzw. eingliedernden Unternehmen bestimmt. Die Barabfindung muss die Verhältnisse der eingegliederten Gesellschaft im Zeitpunkt ihres Eingliederungsbeschlusses berücksichtigen, § 320b Abs. 1 AktG. Der Eingliederungsbeschluss kann nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die von der Hauptgesellschaft angebotene Abfindung nicht angemessen sei, § 320b Abs. 2 Satz 1 AktG. Vielmehr steht den Aktionären in diesem Fall, ebenso wie unter den Voraussetzungen von § 320b Abs. 2 Satz 3 AktG, das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren offen, § 320 Abs. 2 Satz 2 AktG. II. Vor- und Nachteile der Mehrheitseingliederung Die Eingliederung ermöglicht der Hauptgesellschaft, die eingegliederte Gesellschaft umfassend zu leiten, ohne auf die Vorteile ihrer rechtlichen Selbstständigkeit verzichten zu müssen.106 Sie ermöglicht daneben die fast uneingeschränkte Kontrolle des Vorstandes der eingegliederten Gesellschaft und den Zugriff auf deren Gesellschaftsvermögen.107 Zugleich werden im Rahmen der Eingliederung alle Minderheitsaktionäre von der einzugliedernden Gesellschaft ausgeschlossen. Auch ist die Eingliederung gegenüber der übertragenden Auflösung steuerrechtlich neutral.108 Aus Sicht des Kontrollinhabers ist es jedoch nachteilig, dass eine 95%Beteiligungsquote und ein Sitz im Inland erforderlich sind. Gesellschaften mit Sitz im Ausland müssen daher die erwünschte Eingliederung über eine bereits bestehende oder zu diesem Zweck zu gründende Tochtergesellschaft abwickeln. Dies führt zu zusätzlichem Aufwand und weiteren Kosten. Privataktionäre, die mit 95% am Grundkapital der Gesellschaft beteiligt sind, können sich nicht der Eingliederung als Mittel des Ausschlusses von Minderheitsaktionären bedienen. Der größte Nachteil der Eingliederung liegt jedoch darin, dass die Aktionäre der einzugliedernden Gesellschaft – wie bei Formwechsel und Ver106
Hüffer AktG § 319 Rn. 2. Vgl. § 323, 308 Abs. 1 AktG, wobei selbst die in § 308 Abs. 1 AktG vorgesehene Begrenzung des Weisungsrechts durch das Konzerninteresse oder die Belange der Hauptgesellschaft entfällt. Dazu Hüffer AktG § 323 Rn. 3; Koppensteiner in Kölner Komm § 323 Rn. 4. 108 Schwichtenberg DStR 2001, 2075, 2079. 107
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schmelzung – Anspruch auf Anteile an der Hauptgesellschaft haben. Dies kann von Seiten der Hauptgesellschaft insbesondere dann unerwünscht sein, wenn es sich bei der Hauptgesellschaft um eine nicht börsennotierte Gesellschaft handelt. Ein Ausgleich in Aktien der Hauptgesellschaft ist darüber hinaus dann schlichtweg nicht möglich, wenn diese über einen geschlossenen Aktionärskreis verfügt.
D. Zusammenfassung Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass auch in Zukunft ein Anwendungsbereich für die dargestellten Ausschlusstechniken neben dem Squeezeout verbleiben wird. Wenn der Squeeze-out auch schneller, einfacher und kostengünstiger als die übertragende Auflösung durchzuführen ist, so verbleibt auch in Zukunft ein Anwendungsbereich für die übertragende Auflösung dort, wo der Mehrheitsaktionär nicht über die für den Squeeze-out erforderlichen 95% der Anteile am Grundkapital, wohl aber über eine DreiViertel-Mehrheit in der Hauptversammlung verfügt. So kann im Wege der übertragenden Auflösung schon ab einer Beteiligungsquote von 75% – statt wie beim Squeeze-out erst ab 95% – eine Restminderheit aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden. Die Eingliederung dürfte dagegen als Mittel zum Ausschluss von Minderheitsaktionären an Bedeutung verlieren. Dies mag zum einen an den notwendigen Konzernierungsmaßnahmen, zum anderen an der Pflicht zur Abfindung in Aktien der Hauptgesellschaft und der gesamtschuldnerischen Haftung liegen. Gleichwohl mag sie von Hauptaktionären bevorzugt werden, deren primäres Ziel nicht der Ausschluss von Minderheitsaktionären, sondern die weitergehenden Vorteile der Konzernierung – also das Hauptziel der Eingliederung – sind.
§ 6 Squeeze-out als Instrument des Going Private Der Begriff des Going Private bezeichnet den Rückzug eines Unternehmens von der Börse.109 Dieser kann aufgrund eines börsenrechtlichen Antrags auf Widerruf der Börsenzulassung (sog. reguläres Delisting, § 38 Abs. 4 BörsG) oder aufgrund des Entfallens der Voraussetzungen für die Börsennotierung (sog. kaltes Delisting) erfolgen.110 Möchte ein Unternehmen die immer noch bestehenden Unsicherheiten des börsenrechtlichen De109
Zur Begriffsbestimmung: Land/Hasselbach DB 2000, 557; Richard/Weinheimer BB 1999, 1613. 110 Zu den Going Private-Alternativen im Einzelnen: Weinheimer/Fritzsche in: Richard/Weinheimer, Going Private, S. 256 ff., 265 ff.
§ 6 Squeeze-out als Instrument des Going Private
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listingverfahrens111 umgehen, so kann es den Umweg über das allgemeine Gesellschaftsrecht wählen. Hier bietet der Squeeze-out eine neue, schnelle und kostengünstige Alternative, um die Börsennotierung ohne ein Antragsverfahren vor der Zulassungsbehörde zu beenden. Gehen die Aktien der verbliebenen Minderheitsaktionäre mit der Eintragung des Hauptversammlungsbeschlusses auf den Hauptaktionär über, so entfällt die Börsennotierung mangels verbliebener handelbarer Aktien automatisch.
A. Gründe für ein Going Private Die Vorteile eines Rückzugs von der Börse sind gerade in Zeiten stagnierender Börsenkurse nicht von der Hand zu weisen.112 Die hohen Kosten der Börsennotierung rechtfertigen häufig ihren Nutzen nicht mehr. Bei dauernder Unterbewertung der Aktien einer Gesellschaft kann die Börsennotierung ihre primäre Funktion der Kapitalbeschaffung nicht mehr erfüllen.113 Daneben droht bei niedrigen Börsenwerten und einer großen Anzahl von Aktien im Streubesitz die Gefahr einer feindlichen Übernahme.114 Auch umfangreiche Publizitätspflichten schwächen die Gesellschaften im Vergleich zu ihren nicht börsennotierten Mitbewerbern.115 Der Rückzug von der Börse ist daher durchaus eine Umstrukturierungsmaßnahme, die in Deutschland in Zukunft häufiger in Betracht gezogen werden sollte und wohl auch werden wird.116
B. Techniken des Going Private Im deutschen Recht stehen derzeit sechs Wege zur Durchführung eines Going Private zur Verfügung: Das reguläre Delisting nach § 38 Abs. 4 BörsG, die Verschmelzung der börsennotierten Gesellschaft auf eine nicht börsennotierte Gesellschaft, die Umwandlung der börsennotierten Gesellschaft in eine Gesellschaft mit nicht börsenfähiger Rechtsform, die Veräußerung des gesamten Vermögens der Gesellschaft unter anschließender Liquidation nach § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG, die Eingliederung der börsennotierten Gesellschaft in eine andere Aktiengesellschaft gemäß §§ 319 ff. AktG, sowie der Ausschluss der Minderheitsaktionäre nach §§ 327a ff. AktG.117 111
Dazu sogleich unten B. Eine detaillierte Darstellung der Gründe, die zu einem Going Private führen können findet sich u. a. bei Richard in: Richard/Weinheimer, Going Private, S. 25 ff. 113 Vgl. auch Land/Hasselbach DB 2000, 557. 114 Vgl. Steck AG 1998, 460; Vollmer/Grupp ZGR 1995, 459, 474. 115 Vgl. Land/Hasselbach DB 2000, 557. 116 Dazu auch: Land/Hasselbach DB 2000, 557; Pluskat WM 2002, 833; Richard/ Weinheimer BB 1999, 1613, 1619 f.; Schwichtenberg DStR 2001, 2075 ff. 112
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Der klassische Weg, den der Gesetzgeber zum Rückzug von der Börse zur Verfügung gestellt hat, ist das Antragsverfahren zum Widerruf der Börsenzulassung nach § 38 Abs. 4 BörsG. Die Zulassungsstelle kann danach die Börsenzulassung auf Antrag des Emittenten widerrufen, wenn sich in einer Abwägung ergibt, dass die Interessen der Gesellschaft an einem Widerruf die Interessen der Anleger an der Aufrechterhaltung der Börsenzulassung überwiegen. Der Widerruf wird ein Jahr nach der Veröffentlichung der Entscheidung wirksam.118 In der rechtswissenschaftlichen Diskussion ist heftig umstritten, ob das kapitalmarktrechtliche Delistingverfahren darüber hinaus weiteren gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen unterliegt.119 So wird zum einen unter Berufung auf die Holzmüller-Rechtsprechung120 eine Zustimmungspflicht der Hauptversammlung bejaht.121 Der BGH fordert seit 2003 auch ein obligatorisches Barabfindungsangebot an die Minderheitsaktionäre.122 Das Umwandlungsgesetz bietet zwei Wege, sich ohne förmlichen Antrag an die Zulassungsstelle von der Börse zurückzuziehen: Zum einen die Verschmelzung der börsennotierten Gesellschaft auf eine nicht börsennotierte Gesellschaft123, zum anderen den Formwechsel der börsennotierten Gesellschaft in eine Gesellschaft mit nicht börsenfähiger Form124. Mit Eintragung 117 Eine empirische Analyse öffentlicher Übernahmeangebote im Hinblick auf Going Private-Transaktionen hat Zillmer durchgeführt. Zwischen 1996 und 2000 wurden danach am Markt das reguläre Delisting und der Formwechsel zur Umsetzung des Börsenrückzugs favorisiert. Vgl. Zillmer FB 2002, 490 ff. 118 Vgl. § 54a der Börsenordnung für die Frankfurter Wertpapierbörse, der hier stellvertretend für alle anderen – derzeit gleichlautenden – deutschen Börsenordnungen stehen soll. 119 Dazu ausführlich: Groß ZHR 165 (2001) 141 ff.; Hellwig/Bormann ZGR 2002, 465 ff.; Mülbert ZHR 165 (2001) 105 ff.; Wirth/Arnold ZIP 2000, 111 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen. 120 In der Entscheidung BGHZ 83, 122 ff. hatte das Gericht entscheiden, dass „jede Strukturmaßnahme von herausragender Bedeutung“, die den Charakter der Gesellschaft erheblich verändert, grundsätzlich der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf. Dazu zuletzt Sieger/Hasselbach AG 1999, 241 ff. 121 BGH NJW 2003, 1032 ff.; LG München I DB 2003, 2458, 2459; Lutter in FS Zöllner, S. 363, 378; Land/Hasselbach DB 2000, 557, 558; Lutter/Leinekugel ZIP 1998, 805, 806; Steck AG 1998, 460, 461: zwar stelle das Delisting keine Strukturänderung der Gesellschaft im klassischen Sinne dar, wie es in dem vom BGH entschiedenen Fall der Fall war, doch stelle die Einschränkung der Verkehrsfähigkeit der Aktie eine vergleichbar schwere, wenn auch faktische Strukturänderung der Gesellschaft dar; a. A. Bungert BB 2000, 52, 55; Groß ZHR (165) 2001, 141, 165 f.; Wirth/Arnold ZIP 2000, 111, 116. 122 BGH NJW 2003, 1032 ff. („Macroton“). An der bestehenden Rechtsunsicherheit im Bereich des börsenrechtlichen Delistings hat dies jedoch nicht viel geändert. Dazu ausführlich Ekkenga ZGR 2003, 878 ff.; Geyrhalter/Zirngibl DStR 2004, 1048 ff.; Lutter JZ 2003, 680; Schiffer/Goetz BB 2005, 453 ff.
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der Verschmelzung in das Handelsregister geht die börsennotierte Gesellschaft als juristische Person unter, vgl. § 20 Abs. 1 Nr. 2 UmwG. Da die aufnehmende Gesellschaft bei Going Private-Transaktionen ihrerseits nicht börsenfähig ist, führt dieses Verfahren zwangsweise zu einem automatischen Wegfall der Börsennotierung.125 Gleiches gilt für den Formwechsel: Mit Eintragung des diesbezüglichen Hauptversammlungsbeschlusses in das Handelsregister ist die Form gewechselt, vgl. § 202 Abs. 1 Satz 1 UmwG. Damit ist die Börsennotierung mangels handelbarer Aktien gegenstandslos. Eine weitere Möglichkeit des Börsenrückzugs bietet die übertragende Auflösung. Die börsennotierte Gesellschaft überträgt ihr gesamtes Vermögen im Wege der Einzelrechtsübertragung auf eine oft eigens zu diesem Zweck gegründete, nicht börsennotierte Gesellschaft. Zeitgleich mit dem Übertragungsbeschluss, spätestens jedoch nach der Abwicklung des Kaufvertrages, beschließt sie ihre Liquidation.126 Spätestens infolge der Löschung der Gesellschaft nach Abschluss der Abwicklung geht auch ihre Börsennotierung unter. Regelmäßig wird die Zulassungsstelle die Börsennotierung aber schon mit der Beendigung der aktiven Geschäftstätigkeit einstellen, da die Abwicklung in diesem Fall lediglich in der Verteilung des entsprechenden Kaufpreises besteht und kein spekulatives Element mehr enthält.127 Schließlich kann sich ein Unternehmen auch im Zuge einer Mehrheitseingliederung nach §§ 319 ff. AktG von der Börse zurückziehen.128 Mit Eintragung der Eingliederung in das Handelsregister gehen alle Aktien, die sich nicht in der Hand der Hauptgesellschaft befinden, auf diese über, vgl. § 320a AktG. Die eingegliederte Gesellschaft bleibt zwar als 100%-iges Tochterunternehmen der Hauptgesellschaft als juristische Person erhalten, doch wird ihre Börsennotierung mangels handelbarer Aktien gegenstandslos. Die Zulassungsstelle muss die Notierung damit einstellen und die Zulassung zum Aktienhandel widerrufen, vgl. § 38 Abs. 3 BörsG.129 123 Bei der Verschmelzung der rückzugswilligen börsennotierten Gesellschaft auf eine nicht börsennotierte Erwerbergesellschaft hat es sich zumindest bis zum Jahre 1999 um die am häufigsten angewandte Going Private-Technik gehandelt. Vgl. Richard/Weinheimer BB 1999, 1613, 1615. 124 Dabei ist ein Formwechsel der börsennotierten Aktiengesellschaft sowohl in eine Kapitalgesellschaft anderer Rechtsform, als auch in eine Personengesellschaft zulässig, § 226 UmwG. 125 Land/Hasselbach DB 2000, 557, 559; Steck AG 1998, 460, 462. 126 Zu den Voraussetzungen und dem Verfahren der übertragenden Auflösung im Einzelnen vgl. schon oben § 5 B. 127 Weinheimer/Fritzsche in: Richard/Weinheimer, Going Private, S. 268 f. 128 Zu den Voraussetzungen und dem Verfahren der Mehrheitseingliederung im Einzelnen vgl. schon oben § 5 C. 129 Vgl. Vetter DB 2001, 743, 745; hier wäre auch eine Erledigung in sonstiger Weise, § 43 Abs. 2 VwVfG, vertretbar, vgl. Pluskat WM 2002, 883.
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Kap. II: Squeeze-out im deutschen Recht
Seit dem 1. Januar 2002 besteht zudem die Möglichkeit, sich im Zuge eines Squeeze-outs von der Börse zurückzuziehen.130 Mit Eintragung des diesbezüglichen Hauptversammlungsbeschlusses in das Handelsregister gehen alle Aktien der Minderheitsaktionäre auf den Hauptaktionär über, vgl. § 327e Abs. 3 Satz 1 AktG. Die Börsennotierung wird mangels handelbarer Aktien gegenstandslos. Wie bei der Mehrheitseingliederung muss die Zulassungsstelle die Notierung damit einstellen und die Zulassung zum Aktienhandel widerrufen, vgl. § 38 Abs. 3 BörsG.
C. Die Bedeutung des Squeeze-out für das Going Private Die Vorteile des Squeeze-out, die schon im Rahmen der Gegenüberstellung der verschiedenen Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären genannt wurden,131 gelten auch hier. Die §§ 327a ff. AktG stellen hier eine wesentliche Erleichterung des Börsenrückzugs dar. Anders als Verschmelzung, Formwechsel, übertragende Auflösung und Eingliederung ist der Squeeze-out nicht an grundlegende Struktur- oder Konzernierungsmaßnahmen, sondern allein an ein bestimmtes Mehrheitsverhältnis gebunden. Kosten für zeitaufwändige und nicht gewünschte Strukturmaßnahmen können eingespart werden. Auch können durch einen Squeeze-out die großen Rechtsunsicherheiten beim regulären Delisting nach § 38 Abs. 4 BörsG, die durch die Diskussion über die gesellschaftsrechtlichen Voraussetzungen entstanden sind, umgangen werden. Hinzu kommt, dass durch die Wahl der §§ 327a ff. AktG der Rückzug von der Börse mit dem Ausschluss unliebsamer Minderheitsaktionäre verbunden werden kann.132 So kann der Mehrheitsgesellschafter sein mit dem Going Private verfolgtes Ziel der verstärkten Kontrolle über die Gesellschaft in verschärfter Form verwirklichen. Dadurch dürfte wiederum das Interesse inländischer wie ausländischer Investoren an einer Gesellschaft steigen, die mit dem vereinfachten und beschleunigten Verfahren zum Börsenrückzug inklusive des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre zwei unternehmerische Maßnahmen auf einmal durchführen können. Es ist daher anzunehmen, dass der Squeeze-out die Verschmelzung als beliebteste Going Private-Technik abgelöst hat.133
130 Zu den Voraussetzungen und dem Verfahren des Squeeze-out im Einzelnen vgl. schon oben § 4 A. 131 Vgl. schon oben § 4 B. 132 Hamann, Squeeze-out, S. 56, sieht dies gar als größten Vorteil der §§ 327a ff. AktG. Vgl. dazu auch Thaeter/Brandi, Öffentliche Übernahmen, Rn. 176. 133 Statistische Erhebungen liegen hierzu allerdings bisher nicht vor.
Kapitel III
Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out Für die Einführung einer Squeeze-out-Regelung in das deutsche Aktienrecht sprachen erhebliche rechtspolitische und rechtsökonomische Gründe.134 Bedenkt man jedoch den tiefen Einschnitt in die Rechte der ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre, den ein zwangsweiser Ausschluss aus der Gesellschaft mit sich bringt, so kann bei einer umfassenden Untersuchung der §§ 327a–f AktG der Minderheitenschutz nicht außer Betracht gelassen werden. Dies ist nicht nur rechtsethisch geboten, sondern ergibt sich auch als kapitalmarktrechtliche Notwendigkeit. Wissenschaftliche Untersuchungen aus neuerer Zeit haben ergeben, dass der Standard des Minderheitenschutzes in einem Land erheblichen Einfluss auf die Investitionsbereitschaft und damit auf die „Breite und Tiefe nationaler Kapitalmärkte“ hat.135 Im Folgenden soll daher umfassend auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen, generelle Abstimmungsprobleme des Squeeze-outs mit dem allgemeinen Gesellschaftsrecht und Einzelfragen des Minderheitenschutzes im Rahmen der §§ 327a ff. AktG eingegangen werden. Hier stellen sich schwerpunktmäßig die Fragen, ob die Ausübung des Ausschlussrechts zeitlich zu begrenzen ist, ob dem Ausschlussrecht des Hauptaktionärs ein Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs gegenübersteht und ob die Anwendung der §§ 327a ff. AktG nicht grundsätzlich auf börsennotierte Aktiengesellschaften zu beschränken sein sollte.136 Im Anschluss sollen Fragen der Behandlung bedingter Aktienbezugsrechte, des Beschlusserfordernisses, der materiellen Beschlusskontrolle, der Abfindungsberechnung und des Rechtsschutzes geklärt werden. Abschließend soll auf steuerrechtliche Folgen des Squeeze-outs für den Minderheitsaktionär und Besonderheiten beim Ausschluss von Minderheitsaktionären aus der Kommanditgesellschaft auf Aktien eingegangen werden. 134
Vgl. schon Kapitel II § 1. Dazu Fleischer ZGR 2002, 757, 763 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 136 Wie schon in der Einleitung dieser Arbeit erwähnt, bestehen grundsätzliche rechtspolitische Bedenken gegenüber der Tatsache, dass über den Minderheitsaktionären fortwährend das Damoklesschwert des Ausschlusses liegt, ohne dass sie ihrerseits den Ausschluss aus der Gesellschaft verlangen können. Auch der – im Verhältnis zu Regelungen in diversen europäischen Nachbarstaaten – weite Anwendungsbereich wird häufig als verfehlt kritisiert. 135
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
§ 1 Verfassungsrechtliche Grundlagen Ein zwangsweiser Ausschluss von Minderheitsaktionären muss sich zunächst im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 14 GG halten.137
A. Anteilseigentum als privates Vermögensrecht im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG Das in der Aktie verkörperte Anteilseigentum fällt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als privates Vermögensrecht in den grundrechtlichen Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG.138 Schon in seinem Feldmühle-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass sich der Schutz dabei sowohl auf das mitgliedschaftliche als auch auf das vermögensrechtliche Element des korporativen Eigentums erstrecke.139 Der Verlust des Anteilseigentums im Rahmen eines Squeeze-outs tangiert sowohl die mitgliedschaftliche Stellung des Minderheitsaktionärs, weil dieser gegen seinen Willen die Beteiligung an der Gesellschaft verliert, als auch dessen vermögensrechtliche Position, weil er um seine in der Aktie verkörperten Vermögensrechte140 gebracht wird.
B. Keine Enteignung Eine Einordnung als Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG scheidet allerdings aus.141 Der Eigentumsverlust tritt weder aufgrund eines Tätigwerdens des Staates oder eines mit staatlichen Zwangsrechten beliehenen Unternehmers ein, noch handelt die Hauptversammlung mit staatlich verliehener Enteignungsbefugnis.142 Vielmehr wird die Hauptversammlung bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen ermächtigt, auf Gesellschafterebene 137 Ausweislich einer Studie von Rathausky stellte die vermeintliche Verfassungswidrigkeit des Squeeze-out bei den bis Mitte 2003 durchgeführten Squeeze-out-Verfahren den häufigsten Klagegrund dar. Vgl. Rathausky, AG Report 2004, R24. 138 BVerfGE 14, 263, 276 („Feldmühle“); BVerfGE 100, 289, 301 f. („DAT/Altana“); BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 („Moto Meter“); vgl. auch Wieland in: Dreier GG Art. 14 Rn. 41; Depenheuer in: v. Mangoldt/Klein GG Art. 14 Rn. 145, jeweils mit weiteren Nachweisen. 139 BVerfGE 14, 263, 276. 140 Die Vermögensrechte bestehen aus dem gesetzlichen Anspruch auf den Bilanzgewinn, dem Recht zum Bezug neuer Aktien bei Kapitalerhöhungen und dem Recht auf Teilnahme an dem Liquidationserlös, vgl. Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG Art. 7 § 327a Rn. 28. 141 Vgl. Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG Art. 7 § 327a Rn. 27; Hamann, Squeeze-out, S. 21.
§ 1 Verfassungsrechtliche Grundlagen
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die privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Aktionären umzugestalten. Für eine Enteignung fehlt es also am Wesensmerkmal des staatlichen Zugriffs.
C. Squeeze-out als zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung Die gesetzlichen Bestimmungen zum Ausschluss von Minderheitsaktionären können aber als Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG gesehen werden.143 Bei der Ausgestaltung des Eigentumsrechts verbleibt dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Gestaltungsspielraum, sofern er nicht die Bedeutung des Grundrechts und die ergangenen Wertentscheidungen des Verfassungsgebers verkennt. Dabei ist er verpflichtet, das Eigentumsrecht des Einzelnen mit den Belangen der Allgemeinheit zu einem gerechten Ausgleich zu bringen.144 Der Gesetzgeber hat also die Möglichkeit, aus wichtigen Gründen des Allgemeinwohls die Interessen der Minderheitsaktionäre an der Erhaltung ihrer Vermögenssubstanz hinter dem Interesse des Hauptaktionärs an der freien Entfaltung seiner unternehmerischen Initiative zurücktreten zu lassen.145 Als beachtenswertes Gemeinwohlinteresse hat das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung das unternehmerische Interesse an Strukturmaßnahmen und das damit zusammenhängende Bedürfnis nach der Beseitigung der Nachteile einer Minderheitsbeteiligung angesehen.146 Wie das Gericht schon im Feldmühle-Urteil für den Fall der Mehrheitsumwandlung nach dem Umwandlungsgesetz 1956 festgestellt hat, genießt das durch die Aktie vermittelte Anteilseigentum keinen absoluten Bestandsschutz.147 Vielmehr sei der Entzug der Mitgliedschaft als Eingriff in Art. 14 Abs. 1 GG verhältnismäßig, wenn das unternehmerische Interesse des Hauptaktionärs das Bestandsinteresse des Minderheitsaktionärs überwiege und die berechtigten Interessen des Minderheitsaktionärs gewahrt blieben. Als überwiegen142 Zu den Wesensmerkmalen der Enteignung vgl. Depenheuer in v. Mangoldt/ Klein GG Art. 14 Rn. 408 ff.; Sachs/Wendt GG Art. 14 Rn. 148 ff.; Schmidt-Bleibtreu/Klein GG Art. 14 Rn. 12. 143 Vgl. Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG Art. 7 § 327a Rn. 28; Hamann, Squeeze-out, S. 21; Vetter AG 2002, 176, 181. 144 Vgl. Sachs/Wendt GG Art. 14 Rn. 85; Schmidt-Bleibtreu/Klein GG Art. 14 Rn. 6a. 145 BVerfGE 14, 263, 281; BVerfGE 100, 289, 301. 146 BVerfGE 14, 263, 276; BVerfGE 100, 289, 301 f.; BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671. Dies hat die obergerichtliche Rechtsprechung nunmehr auch speziell für den Fall des Squeeze-out bekräftigt. Vgl. OLG Hamburg, AG 2003, 441, 443; OLG Hamburg 2003, 696; OLG Stuttgart, AG 2004, 105, 108. 147 BVerfGE 14, 263 ff.
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
des unternehmerisches Interesse erkennt das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung das Konzernierungsinteresse an.148 Die gleiche Wertung hat das Bundesverfassungsgericht im DAT/Altana-Beschluss für den Fall der Eingliederung getroffen.149 Im MotoMeter-Beschluss hat das Bundesverfassungsgericht schließlich auch den Fall als verfassungsrechtlich unbedenklich anerkannt, in dem ein Großaktionär die „übertragende Auflösung“ wählt, allein um wenige Minderheitsaktionäre möglichst einfach aus der Gesellschaft zu drängen.150 Mit der Einführung des Squeeze-out bezweckt der Gesetzgeber die Förderung von Wirtschaft und Wettbewerb.151 Dies entspricht im Kern den vom Bundesverfassungsgericht bisher anerkannten höherrangigen Gemeinwohlinteressen im Falle des Ausschlusses von Minderheitsaktionären und kann daher als verfassungsrechtlich legitim angesehen werden.152
D. Ausgleichsregelung Eine Inhalts- und Schrankenbestimmung setzt nicht notwendigerweise die Schaffung einer Ausgleichsregelung voraus. Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit und zum Ausgleich von Sonderopfern können Ausgleichsregelungen aber gleichwohl erforderlich sein.153 Beim Squeeze-out ist dies der Fall. Der Eingriff in das Anteilseigentum der Minderheitsaktionäre ist zwar durch höherrangige Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt, doch verlangt das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, dass zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ausgeschlossenen Minderheitsaktionären ein voller wirtschaftlicher Ausgleich für ihren Verlust zu gewähren ist.154 Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Funktion des Minderheitsaktionärs in einer Aktiengesellschaft, die von einem Gesellschafter mit einem Kapitalanteil von mindestens 95% beherrscht wird, auf die eines reinen Ka148
BVerfGE 14, 263, 281 ff. BVerfGE 100, 289, 303. 150 BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 f. 151 Vgl. nur Regierungsbegründung, BT-Drs. 14/7034 S. 32. 152 So mittlerweile einstimmig auch die obergerichtliche Rechtsprechung. Vgl. OLG Hamburg AG 2003, 441, 443; OLG Hamburg AG 2003, 696, OLG Köln, AG 2004, 39, 41. Ebenso Kossmann NZG 1999, 1198, 1199; Vetter DB 2001, 743, 746. Und jetzt auch der BGH, vgl. BGH BB 2005, 2651, 2652. Dazu Bungert BB 2005, 2652, 2653. 153 Zur ausgleichspflichtigen Inhalts- und Schrankenbestimmung vgl. Depenheuer in v. Mangoldt/Klein GG Art. 14 Rn. 241 ff.; Schmidt-Bleibtreu/Klein GG Art. 14 Rn. 6b. 154 BVerfGE 14, 263, 281; BVerfGE 100, 289, 305. Letztgenannte Entscheidung bezieht auch ausführlich Stellung zur Berechnung des vollen wirtschaftlichen Ausgleichs. 149
§ 1 Verfassungsrechtliche Grundlagen
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pitalanlegers reduziert.155 In einer solchen Lage können die Minderheitsaktionäre weder ihre eigenen unternehmerischen Ziele verfolgen, noch ist es ihnen möglich, auf die Verwaltung der Gesellschaft großen Einfluss zu nehmen. Auch können sie die spezifischen aktienrechtlichen Minderheitsrechte (etwa die Einberufung einer Hauptversammlung nach § 122 Abs. 1 AktG oder die Geltendmachung von Ersatzansprüchen nach § 147 Abs. 1 AktG) nicht mehr ausüben, da sie das erforderliche Quorum nicht erreichen. Schließlich ist der Minderheitsaktionär in dieser Situation ohnehin nicht vor dem Verlust seiner Mitgliedschaftsrechte geschützt: Vorbehaltlich einer anderweitigen satzungsmäßigen Regelung besteht gem. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG jederzeit die Möglichkeit der Auflösung der Gesellschaft mittels einer Dreiviertel-Mehrheit. Dem Interesse des Minderheitsaktionärs als Kapitalanleger hat der Gesetzgeber mit der Schaffung der §§ 327a Abs. 1 Satz 1 a. E., 327b Abs. 1 AktG und damit der Pflicht zur Gewährung einer angemessenen Barabfindung genüge getan.156 Die wirtschaftliche Position der Minderheitsaktionäre wird durch die Regelungen zur Barabfindung, der Nachprüfung durch einen vom Gericht zu bestellenden Sachverständigen (§ 327c Abs. 2 Satz 2, 3 AktG) sowie der gerichtlichen Nachprüfbarkeit gem. § 327f AktG hinreichend geschützt.157 Dazu kommen die gem. § 327b Abs. 2 AktG zu stellende Bankgarantie158 und die Verzinsungspflicht gem. § 327b Abs. 2 AktG. Der Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichsregelung steht nicht entgegen, dass die Abfindung zunächst gem. § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG durch den Hauptaktionär als Schuldner festgelegt wird. Die Angemessenheit ist gem. § 327c Abs. 2 Satz 2, 3 AktG durch einen oder mehrere sachverständige Prüfer zu prüfen; diese werden nicht von dem Hauptaktionär, sondern auf seinen Antrag durch das Gericht ausgewählt und bestellt. Die Verweisung in § 327c Abs. 2 Satz 4 AktG auf die für Abschlussprüfer geltenden Bestimmungen (§ 293d AktG i. V. m. §§ 319 Abs. 1–3, 323 HGB) gewährleistet, dass es sich um unabhängige Prüfer handelt. Dem Interesse des Hauptaktionärs an einer möglichst geringen Abfindungszahlung wird also mit geeigneten Maßnahmen entgegengesteuert.159 Die Angemessenheit der Abfindung wird daneben zusätzlich durch das Spruchverfahren geschützt, wel155
Vgl. auch OLG Stuttgart, AG 2004, 105, 108; OLG Köln, AG 2004, 39, 41. Zur Berechnung einer angemessenen Barabfindung ausführlich unten Kapitel III § 3 D. 157 Vgl. OLG Köln, AG 2004, 39, 41; OLG Oldenburg, AG 2002, 682; OLG Hamburg AG 2003, 441, 443. 158 Vgl. OLG Hamburg, AG 2003, 441, 443; OLG Hamburg, AG 2003, 696; OLG Köln, AG 2004, 39, 41; LG Berlin, DB 2003, 707, 708. Dazu Dißars/Kocher NZG 2004, 856, 857. 159 Vgl. jetzt auch BGH BB 2005, 2651, 2652. 156
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
ches der Gesetzgeber als weitere – gerichtliche – Überprüfungsmöglichkeit geschaffen hat. Nach dem MotoMeter-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts bietet ein solches Verfahren schon für sich allein „Sicherheit dafür, dass ein zum Ausscheiden gezwungener Aktionär erhält, was seine gesellschaftliche Beteiligung an dem arbeitenden Unternehmen wert ist.“160 Verfassungsrechtlich erforderlich ist hingegen nicht, dass die Zahlung der Abfindung durch eine absolut insolvenzfeste Sicherheit gewährleistet wird.161 Der Gesetzgeber hat hier seine Einschätzungsprärogative in § 327b Abs. 3 AktG in zulässiger Weise ausgeübt, indem er die Sicherung der Zahlung durch eine von dem Hauptaktionär beizubringende Garantieerklärung eines in Deutschland zugelassenen Kreditinstituts vorschreibt. Bei öffentlich-rechtlichen Banken besteht eine Insolvenzgefahr wegen der Gewährträgerhaftung ohnehin nicht, bei anderen Kreditinstituten ist sie sehr gering. Der Gesetzgeber muss nicht für alle theoretisch denkbaren Fälle Vorsorge treffen.162 Der Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichsregelung steht auch nicht entgegen, dass § 327b Abs. 3 AktG nur die Verpflichtungserklärung eines Kreditinstituts in Höhe der vom Hauptaktionär festgelegten Barabfindung, nicht aber in Höhe des sich nach dem Spruchverfahren gegebenenfalls ergebenden Mehrbetrages vorsieht. Das Insolvenzrisiko des Hauptaktionärs als Schuldners ist hier nicht mehr als ein allgemeines Gläubigerrisiko, vor dem ein Minderheitsaktionär bei anderen Strukturmaßnahmen schon generell nicht geschützt wird.163 So hat das Bundesverfassungsgericht die Regelungen der §§ 291 ff. AktG, die gleichfalls in die grundrechtlich geschützte Eigentumsposition der außenstehenden Aktionäre eingreifen und keinerlei Insolvenzsicherung für die Ausgleichs- und Abfindungsansprüche der §§ 304, 305 AktG bieten, für verfassungsgemäß erklärt.164
E. Ergebnis Bei den §§ 327a–f AktG handelt es sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Der Gesetz160 BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671; vgl. auch BVerfGE 100, 289, 303 und BGH BB 2005, 2651, 2652. 161 So aber die Revisionsführer in dem Fall, der dem BGH nun zu dieser Frage erstmalig vorlag. Vgl. BGH BB 2005, 2651, 2652. 162 So auch BGH BB 2005, 2651, 2652. 163 Vgl. BGH BB 2005, 2651, 2652; OLG Hamburg NZG 2003, 539, 543; 2003, 978 ff. 164 BVerfG NJW 1999, 1699; vgl. auch BVerfGE 14, 263, 287. Dieses Argument verwendet auch der BGH, um die o. a. Revision zurückzuweisen. Vgl. BGH BB 2005, 2651, 2652.
§ 2 Abstimmungsprobleme mit dem allgemeinen Gesellschaftsrecht
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geber hat sich bei der Schaffung dieser Normen innerhalb der Grenzen der – in ständiger Rechtsprechung gefestigten – Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses von Minderheitsaktionären gehalten. Mit dem Ziel der Wirtschafts- und Wettbewerbsförderung verfolgen die Regelungen zum Squeeze-out – vom Bundesverfassungsgericht als gegenüber dem Bestandsinteresse der Minderheitsaktionäre anerkannte – höherrangige Gemeinwohlinteressen. Mit der Schaffung einer Pflicht zur Gewährung einer angemessenen Barabfindung wurde das Erfordernis einer Ausgleichsregelung ebenfalls gewahrt. Durch diese Abfindungsregelung sowie die umfangreichen Schutzvorkehrungen zu deren Sicherung und Durchsetzung werden die Interessen der Minderheitsaktionäre ausreichend geschützt. Die §§ 327a ff. AktG können damit als verfassungsrechtlich unbedenklich eingestuft werden.165
§ 2 Abstimmungsprobleme mit dem allgemeinen Gesellschaftsrecht Mit Blick auf allgemeine gesellschafts- und zivilrechtliche Grundsätze stellen sich im Rahmen der §§ 327a ff. AktG insbesondere drei Fragen, deren Lösungen sich nicht allein durch einen kurzen Blick in das Gesetz erschließen lassen. So ist es zum einen rechtspolitisch nicht unproblematisch, dass dem Hauptaktionär das Recht zum Ausschluss der Minderheit ohne zeitliche Begrenzung eingeräumt ist. Hier kann zunächst überlegt werden, ob eine diesbezügliche gesetzliche Regelung gefordert werden sollte.166 Schon die Anwendung des allgemein zivilrechtlichen Grundsatzes der Verwirkung könnte hier jedoch möglicherweise Abhilfe verschaffen.167 Daneben stellt sich die Frage, ob dem Minderheitsaktionär ein mit dem Ausschlussrecht des Hauptaktionärs korrespondierendes Austrittsrecht zu165 So auch mittlerweile einheitlich die obergerichtliche Rechtsprechung zum Squeeze-out, nachdem zuvor einige erstinstanzliche Gerichte Zweifel geäußert hatten, und der BGH. Vgl. BGH BB 2005, 2651, 2652; OLG Oldenburg, AG 2002, 682; OLG Köln, AG 2004, 39; OLG Hamburg, AG 2003, 696; OLG Hamburg, AG 2003, 698; OLG Stuttgart, ZIP 2003, 2363; OLG Düsseldorf, AG 2004, 207. Noch zweifelnd: LG Hamburg, AG 2003, 279; LG Wuppertal, AG 2004, 161. Dies entspricht der einhelligen Auffassung in der Literatur, vgl. Grzimek in Geibel/Süßmann, WpÜG, Art. 7 § 327a Rn. 26 ff.; Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327a Rn. 11; Hamann, Squeeze-out, S. 20 ff.; Halm NZG 2000, 1162, 1165; Land/Hasselbach DB 2000, 557, 562; Sieger/Hasselbach ZGR 2002, 120, 127; Vetter ZIP 2000, 1817, 1818; K. Schmidt mit Aussage im Handelsblatt vom 14.09.2000 „Karlsruhe stärkt Schutz von Kleinaktionären“ S. 4. 166 Wie es z. B. Fleischer in ZGR 2002, 757 ff. tut. 167 Dazu sogleich unter A.
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
steht. Gesetzlich ist ein solches, anders als bei anderen unternehmerischen Maßnahmen, nicht vorgesehen. Ein solches Austrittsrecht könnte sich aber möglicherweise aus dem Grundsatz des allgemeinen Lösungsrechts ergeben. Hier wird zu untersuchen sein, ob im Aktienrecht ein außerordentliches Austrittsrecht überhaupt anzuerkennen ist, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen ein solches in vorliegendem Fall besteht.168 Schließlich ist vielfach kritisiert worden, dass sich die gesetzliche Regelung der §§ 327a ff. AktG auf börsennotierte wie auf nicht börsennotierte Aktiengesellschaften bezieht. Hier stellt sich die Frage, ob ein so weiter Anwendungsbereich mit der Konzeption der nicht börsennotierten Aktiengesellschaft überhaupt vereinbar ist.169 Auf die aufgeworfenen Fragen soll im Weiteren ausführlich eingegangen werden.
A. Zeitliche Begrenzung der Ausübung Rechtspolitisch bedenklich erscheint, dass die §§ 327a ff. AktG dem Hauptaktionär das Recht zum Ausschluss der Minderheit ohne zeitliche Begrenzung gewähren. Über den Minderheitsaktionären schwebt so fortwährend das „Damoklesschwert des Ausschlusses“, ohne dass sie rechtlichen Einfluss auf ihren Verbleib oder ihr kollektives Ausscheiden170 aus der Gesellschaft hätten. Es ist daher zu überlegen, ob und aus welchen Gründen dem Gesetzgeber die Einführung einer zeitlichen Begrenzung des Rechts zum Squeeze-out zu empfehlen ist171 und inwieweit mit der dargestellten Problematik auch ohne eine entsprechende Regelung umgegangen werden kann. Als Möglichkeit der zeitlichen Begrenzung kommt das Recht der Verwirkung in Betracht. Untersucht werden soll hier, unter welchen Umständen 168 169 170
Dazu unter B. Dazu unter C. Zur Frage des Austrittsrechts eines Minderheitsaktionärs im Folgenden un-
ter B. 171 Dass eine solche Überlegung nicht ganz abwegig ist, zeigt auch die Existenz einer entsprechenden Regelung in der im letzten Jahr verabschiedeten EU Übernahmerichtlinie. Danach ist die Ausübungsfrist für das Ausschlussrecht des Mehrheitsaktionärs auf drei Monate ab Ablauf der Annahmefrist eines öffentlichen Übernahmeangebots beschränkt. Vgl. Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, Abl.EG v. 30.4.2004 Nr. L 142, S. 12, 21. Bei einem vorschnellen Vergleich ist aber Vorsicht geboten, da diese EU-Regelung allein Squeeze-out-Verfahren im Anschluss an ein öffentliches Übernahmeangebot erfasst, während die §§ 327a ff. AktG über den übernahmerechtlichen Kontext hinaus eine allgemein gesellschaftsrechtliche Regelung enthalten. Zu Vergleichbarem und Unterschieden und evtl. daraus zu ziehenden Konsequenzen für das deutsche Recht siehe ausführlich unten: Kapitel VI § 2 B.
§ 2 Abstimmungsprobleme mit dem allgemeinen Gesellschaftsrecht
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im Einzelfall von einer Verwirkung des Ausschlussrechts infolge Zeitablaufs ausgegangen werden kann. I. Gesetzlich geregelte Ausübungsfrist als rechtssystematische Notwendigkeit? Im Gesetz findet sich keine zeitliche Begrenzung der Ausübung des Ausschlussrechts nach Erreichen der 95%-Schwelle. Dennoch wird in der Literatur vorgebracht, dass aus Anlegerschutzgesichtspunkten einiges für eine solche Begrenzung spreche.172 So sei eine sinnvolle Ausübung von Informations- und Mitwirkungsrechten durch den Minderheitsaktionär kaum möglich, wenn dieser ständig mit dem Ausschluss aus der Gesellschaft rechnen müsse. Minderheitenrechte könnten so auf Dauer leer laufen. In solch einer Situation würde eine zeitliche Begrenzung des Ausschlussrechts zu einer größeren Rechtssicherheit und Planbarkeit für die Minderheitsaktionäre führen. Diese könnten damit ihre Informations- und Mitwirkungsrechte weitaus zielorientierter ausüben; die gesellschaftsinternen Kontrollmechanismen würden gestärkt.173 Zwingend ist ein solcher Schluss jedoch keinesfalls. Kleinanleger in Publikums-Gesellschaften haben vielfach nur sehr geringen Einfluss auf das Schicksal der Gesellschaft.174 Häufiger noch verfolgen sie rein kapitalistische Interessen, die im Falle eines Ausschlusses durch eine angemessene Barabfindung voll kompensiert werden können.175 Dem Hauptaktionär wird jedoch mit dem Ausschlussrecht ein Gestaltungsmittel an die Hand gegeben, das in bestimmten Situationen von zentraler Bedeutung sein kann. Ob der Ausschluss der Minderheitsaktionäre dabei aus wirtschaftlicher Sicht bereits zum Zeitpunkt des Erreichens der 95%-Beteiligungsschwelle erfor172 Dazu ausführlich Fleischer ZGR 2002, 757, 769 f., der weitere rechtssystematische, rechtsökonomische und rechtsvergleichende Aspekte zur Begründung der Notwendigkeit einer Ausübungsfrist heranzieht. 173 So Fleischer ZGR 2002, 757, 769. 174 So setzen viele Minderheitsrechte ein Quorum von mindestens 10% voraus, dass die Minderheitsaktionäre in einer Aktiengesellschaft, in welcher der Hauptaktionär 95% der Anteile hält, nicht erreichen können, selbst wenn sie geschlossen auftreten. Vgl. § 147 Abs. 1 AktG (Geltendmachung von Ersatzansprüchen; 10%Quorum), § 122 Abs. 1 AktG (Einberufung einer Hauptversammlung; 20%Quorum). 175 Auch das Bundesverfassungsgericht sieht den Kleinanleger in einer Publikums-Gesellschaft als reinen Kapitalgeber und nutzt dies bei seiner Argumentation für die Verfassungsmäßigkeit ihres Ausschlusses aus der Gesellschaft wenn eine angemessene Barabfindung gewährleistet ist, vgl. BVerfGE 14, 263, 281 f. („Feldmühle“); BVerfG ZIP 1999, 1436, 1439 („DAT/Altana“); BVerfG ZIP 2000, 1670, 1671 („Moto Meter“). Dazu schon oben Kapitel III § 1 D.
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derlich ist, oder ob dessen Notwendigkeit erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt, ist häufig offen. Dem Hauptaktionär muss es möglich sein, einen wirtschaftlich günstigen Zeitpunkt zur Ausübung des Rechts abzuwarten. Dies kann zum Beispiel ein Zeitpunkt sein, in dem ein Unternehmenskäufer gefunden wurde, dem an dem 100%-igen Erwerb des Unternehmens liegt, oder auch ein Zeitpunkt, in dem aus anderen Gründen die Beteiligung der Minderheitsaktionäre wirtschaftlich nicht mehr tragbar ist. Das Recht zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre ist daher ein effektiveres Mittel der Wirtschaftsförderung, wenn eine Ausübungsfrist nicht besteht. Dies ist jedenfalls im Fall der dem gesetzlichen Leitbild entsprechenden Publikums-Aktiengesellschaft mit dem Minderheitenschutz vereinbar, da die wirtschaftlichen Interessen des Hauptaktionärs nach der gesetzlichen Wertung überwiegen und die Ausübung der (aufgrund der Mehrheitsverhältnisse ohnehin wenig praxisrelevanten) Minderheitsrechte nicht wesentlich berührt wird. In besonderen Konstellationen bleibt die Verwirkung, wie im Folgenden zu zeigen sein wird, als ein effektives Mittel des Minderheitenschutzes. II. Verwirkung des Ausschlussrechts? Zwar besteht eine gesetzlich normierte zeitliche Begrenzung des Ausschlussrechts derzeit nicht, doch kann im Einzelfall eine Verwirkung des Ausschlussrechts infolge treuwidrigen Verhaltens in Betracht kommen. 1. Verwirkung als typischer Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens Die Verwirkung stellt einen typischen Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens dar.176 Zwar lässt die Rechtsordnung widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu. Die Parteien dürfen ihre Rechtsansichten ändern.177 Widersprüchliches Verhalten ist aber dann missbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde,178 oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen.179
176 177 178 179
Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 87. BGH NJW 1997, 3377, 3379. BGHZ 32, 279; 94, 354; BGH NJW 1986, 2107. Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 55.
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2. Materielle Voraussetzungen der Verwirkung Nach herkömmlicher Definition ist ein Recht verwirkt, wenn der Berechtigte es über längere Zeit hinweg nicht geltend gemacht hat und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte – und auch eingerichtet hat – dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend machen werde.180 a) Ausschlussrecht als der Verwirkung unterliegendes Recht Die mitgliedschaftliche Stellung des Gesellschafters unterliegt nicht der Verwirkung.181 Im Übrigen gelten im Gesellschaftsrecht jedoch die allgemeinen Grundsätze. Gegenstand der Verwirkung können alle subjektiven Rechte sein.182 Unter einem subjektiven Recht versteht man die einer einzelnen Person zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse von der Rechtsordnung zugewiesene Rechtsmacht.183 Die §§ 327a ff. AktG gewähren dem Hauptaktionärs eine Art Gestaltungsrecht184 und somit ein subjektives Recht, das Gegenstand der Verwirkung sein kann. b) Vertrauenstatbestand Der Verpflichtete muss sich aufgrund des längeren Untätigbleibens des Berechtigten, hier der längeren Nichtaussprache des Ausschlussverlangens durch den Hauptaktionär, darauf eingerichtet haben, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Wegen des geschaffenen Vertrauenstatbestandes muss die verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen.185 aa) Publikums-Aktiengesellschaft Schaut man zunächst auf das gesetzlich normierte Leitbild der (börsennotierten) Publikums-Aktiengesellschaft186, so erscheint es schwierig, im Ein180 BGHZ 43, 292; 84, 281; 105, 298; Erman/Werner, BGB, § 242 Rn. 84; HkBGB/Schulze § 242 Rn. 42; Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 87. 181 BGH LM (Cc) Nr. 58; MüKO/Roth, BGB, § 242 Rn. 512; Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 100. 182 MüKO/Roth, BGB, § 242 Rn. 466 mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 183 Hk-BGB/Dörner Vor §§ 1–20 Rn. 2. 184 Vetter DB 2001, 743, 744; ders. AG 2002, 176, 185. 185 BGHZ 25, 52; 67, 68; Palandt/Heinrichs, BGB, § 242 Rn. 95. 186 Einen guten Überblick über die verschiedenen Erscheinungsformen der Aktiengesellschaft und über die Frage, inwieweit diese (noch) vom gesetzlichen
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zelfall ein schutzwürdiges Vertrauen des Minderheitsaktionärs zu begründen. Die Verwaltung der Gesellschaft wird von Fremdmanagern übernommen. Der Einfluss des einzelnen Kleinaktionärs auf die Entscheidungsfindung ist gering. Gleiches gilt häufig für sein Mitspracheinteresse, was sich daran zeigt, dass die Interessen der meisten Aktionäre in der Hauptversammlung im Rahmen des Depotstimmrechts durch Bankenvertreter ausgeübt werden. Die Anteilseigner erfüllen hier die Funktion reiner Kapitalgeber: „sie sind in der Publikumsgesellschaft beliebig austauschbar“.187 Für einen reinen Kapitalgeber stellt der Ausschluss gegen eine angemessene Barabfindung aber – auch wenn sie spät erfolgt – keine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte dar. Sein rein finanzieller Verlust kann jederzeit angemessen kompensiert werden. Daneben ist zu berücksichtigen, dass jeder Minderheitsaktionär weiß, oder zumindest um die Aktionärsstruktur der Gesellschaft wissen muss, in die er investiert hat, da nicht zuletzt bei der jährlich stattfindenden Hauptversammlung über diese informiert wird. Damit einher geht die gesetzlich normierte Information über das Ausschlussrecht des Hauptaktionärs nach §§ 327a ff. AktG. Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn ein Hauptaktionär einer erhöhten Treubindung gegenüber seinen Mitaktionären unterliegt.188 Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn enge, langjährige persönliche Beziehungen zwischen den Aktionären wie im Rahmen einer personalistischen Aktiengesellschaft bestehen. bb) Personalistische Aktiengesellschaft Bei der personalistischen Aktiengesellschaft handelt es sich um einen Gesellschaftstyp, der dem idealtypischen Leitbild des Aktiengesetzes nicht entspricht und bei näherer Betrachtung Elemente erkennen lässt, die typisch für Personengesellschaften sind. „Die Person des Aktionärs rückt im Verhältnis zu seiner kapitalistischen Beteiligung in den Vordergrund und gibt der Gesellschaft eine personalistische Prägung.“189 Das gesellschaftliche Interesse an der Ausbildung, beruflichen Fähigkeiten und sonstigen Spezialkenntnissen, aber auch der Zugehörigkeit zur Familie eines UnternehmensLeitbild erfasst sind, bieten Friedewald, Die personalistische AG, S. 3 ff. und K. Schmidt, GesR, § 26 III 2. 187 Friedewald, Die personalistische Aktiengesellschaft, S. 3: Bezeichnenderweise ist die Aktiengesellschaft in Frankreich als „société anonyme“ bekannt; vgl. auch BGHZ 50, 290, 348. 188 Ausführlich zur neueren Rechtsprechung und der Treuepflicht von Aktionären untereinander vgl. K. Schmidt, GesR, § 20 IV, insb. § 20 IV 2 c. 189 Friedewald, Die personalistische AG, S. 10.
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gründers oder -leiters führen zu einer Personifizierung der ansonsten anonymen Rechtsform.190 Die wirtschaftliche Macht verschiebt sich zu Gunsten der Aktionäre, die regelmäßig auch Ämter in den Führungsgremien der Gesellschaft bekleiden. Prägend für die personalistische Aktiengesellschaft sind die Begrenztheit des Aktionärskreises, die Beteiligung der Aktionäre an der Verwaltung, sowie der fehlende Handel der Aktien an einem öffentlichen Kapitalmarkt.191 (1) Erscheinungsformen der personalistischen Aktiengesellschaft Häufig in Erscheinung tretende Unterformen der personalistischen Aktiengesellschaft sind die Familien-Aktiengesellschaft192 und die Mitunternehmer-Aktiengesellschaft. Diese basieren auf dem Konzept, dass sich Familienmitglieder bzw. mehrere Partner aus beruflichen Gründen zu einer Aktiengesellschaft zusammenschließen und durch statutarische und schuldrechtliche Maßnahmen ihren Einfluss auf die Gesellschaft sichern. (2) Wesensmerkmale der personalistischen AG Die personalistische AG zeichnet sich insbesondere durch drei Merkmale aus: die Begrenztheit des Aktionärskreises, die Beteiligung der Aktionäre an der Verwaltung und den fehlenden Handel der Aktien an einem öffentlichen Kapitalmarkt. Die Anzahl der Aktionäre der personalistischen AG ist auf eine Gruppe von Personen beschränkt, die sich aus verwandtschaftlichen und/oder beruflichen Gründen zusammengeschlossen haben. Durch gesellschafts- und schuldrechtliche Gestaltungen soll die Aufnahme von Fremden in die Gesellschaft verhindert, und der ursprüngliche Aktionärskreis möglichst abgeschlossen gehalten werden.193 190
Friedewald, Die personalistische AG, S. 4. Friedewald, Die personalistische AG, S. 14 ff. 192 Das Mitbestimmungsrecht definiert in § 76 Abs. 6 Satz 2 BetrVG 1952 Familien-Aktiengesellschaften als solche, „deren Aktionäre eine einzelne natürliche Person oder deren Aktionäre untereinander im Sinne von § 15 Abs. 1 Nr. 2 bis 8, Abs. 2 Abgabenordnung verwandt oder verschwägert sind“. 193 Als statutarische Maßnahmen sind hier denkbar: die Ausgabe von vinkulierten Namensaktien, die Zwangseinziehung von Aktien nach § 237 AktG, stimmrechtsbezogene Ausgestaltungen (z. B. Veränderungen von Mehrheitserfordernissen, Stimmrechtsbegrenzung, Ausgabe von Mehrstimmrechtsaktien), besondere Anforderungen an die Qualifikation der Verwaltungsmitglieder, Entsendungsrechte in den Aufsichtsrat oder die Vereinbarung von Sonderrechten und Nebenleistungspflichten. Auch folgende schuldrechtliche Maßnahmen kommen in Betracht: der Abschluss 191
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Daneben besteht in der personalistischen AG meist eine weitgehende Identität zwischen den Aktionären und den Mitgliedern der Verwaltung. Zumindest ein Aktionär muss jedoch als Mitglied des Vorstandes oder des Aufsichtsrates der Gesellschaft tätig sein. Die in der Verwaltung tätigen Aktionäre können daher nicht nur durch ihre meist großen Beteiligungen Einfluss auf das Schicksal „ihrer“ Aktiengesellschaft ausüben, sondern können auch durch ihre Verwaltungstätigkeit die Geschäftsführung und deren Überwachung maßgeblich mitbestimmen. Das „Aktionärsmanagement“ steigt dadurch vom reinen Kapitalanleger zum verantwortlichen Entscheidungsträger auf.194 Es ist daher durchaus möglich, von einer Ersetzung der sonst im Kapitalgesellschaftsrecht üblichen Drittorganschaft durch das Prinzip der Selbstorganschaft in der personalistischen AG zu sprechen.195 Um eine Aktiengesellschaft als personalistisch zu klassifizieren, dürfen ihre Aktien schließlich nicht an einem öffentlichen Kapitalmarkt gehandelt werden. Die Ausgabe anderer Wertpapiere als Aktien, wie zum Beispiel von Genussscheinen oder Schuldverschreibungen, schadet dabei der Einordnung als personalistische AG nicht. Sobald jedoch Anteile der Gesellschaft öffentlich gehandelt werden führt dies zu der unwiderlegbaren Vermutung, dass es auf die Person des Aktionärs nicht mehr ankommt. Von einer engen persönlichen Verbundenheit der Anteilseigner oder einem geschlossenen Aktionärskreis kann dann nicht mehr gesprochen werden.196 c) Zwischenergebnis Eine personalistische AG unterscheidet sich aufgrund der engen persönlichen Verbundenheit der Aktionäre und deren besonderen Interesses an dem Schicksal der Gesellschaft wesentlich von dem Verhältnis des Minderheitsaktionärs einer Publikums-Gesellschaft zu „seiner“ Gesellschaft und seinen Mitaktionären. Ein schutzwürdiges Vertrauen im Rahmen eines Verwirkungstatbestandes ist dort denkbar, wo langjährige, enge persönliche Beziehungen zur Gesellschaft bestehen und ein Ausschluss daher eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte darstellt. Hier wird es auf die Umstände des Einzelfalles ankommen. Ein schutzwürdiges Vertrauen kann aber in der Regel dann nicht entstehen, wenn ein Minderheitsaktionär auch in gefestigter höchstrichterlicher von Stimmbindungsverträgen und die Vereinbarung von Vorkaufsrechten sowie von Anbietungspflichten und Rückkaufsrechten. Vgl. Friedewald, Die personalistische AG, S. 15. 194 Friedewald, Die personalistische AG, S. 17. 195 Friedewald, Die personalistische AG, S. 17. 196 Friedewald, Die personalistische AG, S. 18.
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Rechtsprechung als reiner Kapitalanleger angesehen wird und er zum Ausgleich seiner rein finanziellen Interessen eine angemessene Barabfindung erhält. Minderheitsaktionäre in abhängigen Gesellschaften werden in diesem Sinne grundsätzlich ebenso denen in Publikums-Gesellschaften gleichzustellen zu sein, wie Minderheitsaktionäre in börsennotierten Kommanditgesellschaften auf Aktien.197 Enge persönliche Beziehungen können dagegen im Einzelfall in „kleinen Aktiengesellschaften“198 genauso zu Tage treten wie in Kommanditgesellschaften auf Aktien mit personalistischer Struktur. Im Ergebnis ist jedoch auch hier immer auf den Einzelfall abzustellen. 3. Rechtsfolgen Die Verwirkung begründet, ebenso wie die sonstigen Tatbestände der unzulässigen Rechtsausübung, eine inhaltliche Begrenzung des Rechts. Letztendlich bedeutet die Verwirkung einen Rechtsverlust, da das Recht dauerhaft nicht mehr ausgeübt werden kann.199 Sie ist rechtsvernichtende Einwendung und im Prozess von Amts wegen zu berücksichtigen.200 III. Ergebnis Zusammenfassend kann hier festgestellt werden, dass eine Verwirkung des Ausschlussrechts durch den Hauptaktionär generell möglich ist. Bei der Feststellung der spezifischen Voraussetzungen der Verwirkung im Einzelfall ist dabei jedoch ein besonderer Blick auf die Erscheinungsform der betroffenen Aktiengesellschaft und das Verhältnis der Minderheitsaktionäre zu „ihrer“ Gesellschaft zu werfen. Auch wenn die Verwirkung immer eine Ausnahmeerscheinung bleiben sollte, so ist sie doch dort denkbar, wo enge persönliche Bindungen zwischen Minderheitsaktionär und Gesellschaft, beispielsweise in einer personalistischen Gesellschaft, bestehen.201 197 Gerade in einer abhängigen Gesellschaft kann die Konzernmutter ein Interesse an dem Ausschluss der verbliebenen Minderheitsaktionäre haben. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Einführung eines europäischen Squeeze-outs jahrelang im Rahmen der EU-Konzernrechtsrichtlinie diskutiert wurde. Dazu Kapitel VI A. 198 Die „kleine AG“ bildet ein Gegenstück zur Publikums-AG, für die der Gesetzgeber 1994 Sonderregelungen geschaffen hat (BGBl. 1994 I 1961). „Klein“ ist die kleine AG insoweit, als dass sie nicht börsennotiert und nur von einem geschlossenen Aktionärskreis getragen ist. Dazu ausführlich: Seibert/Kiem, Die kleine AG. 199 Hk-BGB/Schulze § 242 Rn. 48. 200 BGH NJW 1966, 345; Palandt/Heinrichs BGB § 242 Rn. 97. 201 A. A. Markwardt BB 2004, 277, 286, der eine Verwirkung des Rechts, einen Squeeze-out durchzuführen, ohne weitere Differenzierung kategorisch ablehnt.
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B. Austrittsrecht der Restminderheit Dem aktienrechtlichen Ausschlussrecht des Mehrheitsaktionärs steht derzeit in Deutschland kein Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs gegenüber. Dies ist aus Gesichtspunkten des Minderheitenschutzes nicht unbedenklich. Denn zu den grundlegenden Strukturprinzipien des Verbandsrechts gehört es, dass die Mitglieder einer Gesellschaft diese bei Vorliegen bestimmter Umstände wieder verlassen können.202 Zwar kann ein Aktionär seine Anteile grundsätzlich am Markt veräußern.203 Doch ist es in Zeiten stagnierender Börsenkurse und dauerhafter Unterbewertung auch namhafter Unternehmen an den Börsen häufig nicht gewährleistet, dass der Minderheitsaktionär bei Veräußerung seiner Anteile an der Börse den vollen Wert seines Anteils als Erlös erzielt. Auch kann insbesondere die Veräußerung von Anteilen nicht börsennotierter Unternehmen schwer fallen. Es erscheint daher angebracht, die Frage näher zu beleuchten, ob mit dem Ausschlussrecht des Mehrheitsaktionärs ein Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs (dann gegen eine angemessene Abfindung) korrespondiert.204 Für ein aktienrechtliches Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs sprechen im konkreten Fall auch rechtssystematische und rechtsökonomische Gesichtspunkte.205 So trägt ein Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs zur Stärkung des Gleichgewichts zwischen den gegensätzlichen Interessen bei, indem es dem Ausschlussrecht der Mehrheit gegenüber gestellt wird. Die Minderheitenposition wird bei marktengen Papieren gestärkt, indem das Recht auf Abfindung an Stelle des Veräußerungserlöses tritt und somit einen angemessenen Ausgleich gewährleistet. Ein Austrittsrecht könnte sich zunächst aus einer analogen Anwendung bereits in Aktien- und Umwandlungsgesetz normierter Austrittsrechte erge202
Schindler, Austrittsrecht, S. 1. So die bislang h. M. zur Frage der Einzelbeendigung der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft, welche die Veräußerlichkeit der Beteiligung als einzige Form der Einzelbeendigung der Mitgliedschaft in der Aktiengesellschaft sieht. Vgl. Schindler, Austrittsrecht, S. 2 Fn. 8 mit weiteren Nachweisen. 204 Die im vorletzten Jahr verabschiedete EU-Übernahmerichtlinie sieht ein solches Andienungsrecht, auch „sell-out“ genannt, vor. Danach kann der Minderheitsaktionär von dem Erwerber auch noch nach Ausschlagen eines öffentlichen Übernahmeangebotes den Abkauf seiner Anteile verlangen. Vgl. Art. 16 Abs. 2 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote, ABl.EG v. 30.4.2004 Nr. L 142, S. 12, 22. Ob der Gesetzgeber die anstehende Umsetzung dieser Richtlinie jedoch zum Anlass nimmt, ein solches Andienungsrecht auch für die außerhalb eines übernahmerechtlichen Kontextes stehenden Squeeze-out Situationen zu normieren, ist fraglich. Dazu unten Kapitel VI B. Dafür spricht sich auch Hasselbach aus. Vgl. Hasselbach ZGR 2005, 387, 398 f. 205 Vgl. auch Fleischer ZGR 2002, 757, 773 f. 203
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ben. Scheitert die Annahme einer Analogie, so ist an ein ungeschriebenes Austrittsrecht als Ausprägung des allgemeinen Lösungsrechts zu denken. I. Austrittsrecht in Analogie zu umwandlungsund aktienrechtlichen Vorschriften Das Gesetz sieht ein Austrittsrecht als Mittel des Minderheitenschutzes an vielen Stellen vor. So kann im Umwandlungsrecht ein Aktionär von der Gesellschaft die Abnahme seiner Anteile gegen eine Barabfindung verlangen, wenn er mit Verschmelzung, Spaltung oder Formwechsel nicht einverstanden ist.206 Ebenso steht dem Minderheitsaktionär ein Austrittsrecht zu, wenn er mit der Eingliederung seiner Gesellschaft, soweit die Hauptgesellschaft ebenfalls abhängig ist, oder dem Abschluss eines Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrages nicht einverstanden ist.207 Als Gegenstück zum Squeeze-out hat der Gesetzgeber jedoch kein vergleichbares Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs vorgesehen. Wie aus den Gesetzgebungsmaterialien hervorgeht, hat er eine solche Regelung auch nicht etwa bedacht und dann bewusst verworfen.208 Eine analoge Anwendung der oben genannten aktien- und/oder umwandlungsrechtlichen Vorschriften kommt also dann in Betracht, wenn eine vergleichbare Interessenlage vorliegt. 1. Gesetzliche Anwendungsfälle a) Konzernrecht Das Aktienkonzernrecht sieht ein typisiertes Austrittsrecht in zwei Fällen vor: Zum einen das Abfindungsrecht bei Abschluss eines Beherrschungsund Gewinnabführungsvertrages, § 305 AktG, zum anderen das Abfindungsrecht bei Mehrheitseingliederung, § 320b AktG. aa) Abfindungsrecht bei Abschluss eines Unternehmensvertrages, § 305 AktG Schließt eine Aktiengesellschaft mit einem anderen Unternehmen einen Beherrschungsvertrag oder verpflichtet sie sich in einem Gewinnabfüh206 §§ 29 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 125 Satz 1 i. V. m. 29 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 207 Abs. 1 Satz 1 UmwG. 207 §§ 320b Abs. 1 Satz 3, 305 Abs. 1 AktG. 208 Ein Austrittsrecht findet dort keinerlei Erwähnung, vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung vom 17.08.2001, BT-Drs. 574/01.
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rungsvertrag, ihren ganzen Gewinn209 an dieses abzuführen, so muss der Unternehmensvertrag die Verpflichtung des anderen Teils enthalten, auf Verlangen der außenstehenden Aktionäre deren Aktien gegen eine im Vertrag bestimmte angemessene Abfindung zu erwerben.210 Hintergrund der Zuerkennung dieses Abfindungsrechts ist die mit beiden Verträgen einhergehende grundlegende Änderung der mitgliedschaftlichen Stellung.211 Durch die Vereinbarung der Abführung des gesamten Bilanzgewinns der Aktiengesellschaft an die Obergesellschaft verliert der Aktionär nicht nur sein ihm nach § 58 Abs. 4 AktG zustehendes Recht auf Teilhabe am Gesellschaftsgewinn. Vielmehr wird auch das Schicksal der Gesellschaft vollkommen in die Hand der Konzernleitung gelegt. Denn der Beherrschungsvertrag ermöglicht es dem herrschenden Unternehmen, dem Vorstand der abhängigen Gesellschaft bis hin zu deren Existenzminimum212 nachteilige Weisungen zu erteilen und diese somit vollständig dem übergeordneten Konzerninteresse zu unterstellen.213 Im Ergebnis führt der Abschluss des Unternehmensvertrages also zu einer Änderung des Gesellschaftszwecks.214 Die Unternehmensführung orientiert sich nicht mehr an der Gewinnmaximierung zu Gunsten der Gesellschaft und ihrer Mitglieder, sondern allein an dem übergeordneten Verbandsinteresse. Das Austrittsrecht des § 305 AktG gewährt den Minderheitsaktionären also die Möglichkeit aus einer Gesellschaft auszuscheiden, die sich nicht mehr von den gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen aller ihrer Eigentümer leiten lässt.215 209 Verpflichtet sich die Gesellschaft nur einen Teil ihres Bilanzgewinns an die Obergesellschaft abzuführen, so liegt darin lediglich ein Teilgewinnabführungsvertrag nach § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG, auf den das Abfindungsrecht keine Anwendung findet, vgl. Koppensteiner in Kölner Komm zum AktG, § 292 Rn. 7, 23. 210 § 305 Abs. 1 AktG. 211 Vgl. BGHZ 135, 374, 379; 138, 136, 139; Hüffer AktG § 305 Rn. 1. 212 Zu dieser dem § 308 AktG immanenten Grenze vgl. OLG Düsseldorf AG 1990, 490, 492; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 23 V 4 c; Hüffer AktG § 308 Rn. 19; Immenga ZHR 140 (1976) 301, 304 ff.; Sina AG 1991, 1, 7 f.; Ulmer ZHR 148 (1984) 391, 408 ff.; a. A. aber Koppensteiner in Kölner Komm zum AktG § 308 Rn. 32. 213 Vgl. § 308 AktG. 214 Allgemeine Auffassung, vgl. BGHZ 105, 324, 331; 135, 374, 378; Emmerich/ Sonnenschein, Konzernrecht, § 8 II 2. 215 Die Ausgleichszahlung des § 304 AktG hat der Gesetzgeber hier nicht als ausreichend angesehen. Diese Ausgleichszahlung ist auf die Höhe der hypothetischen Gewinnerwartung des als unabhängiges Unternehmen geführten Gesellschaft (Abs. 2 Satz 1) bzw. die Höhe der Gewinnausschüttung des herrschenden Unternehmens (Abs. 2 Satz 2) beschränkt. Sie kompensiert also allein die durch den Unternehmensvertrag verursachten Vermögensnachteile, nicht aber den faktischen Verlust sämtlicher Mitgliedschaftsrechte, vgl. Begründung des Regierungsentwurfs in Kropff, AktG, S. 397.
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bb) Abfindungsrecht bei Mehrheitseingliederung, § 320b AktG § 320b AktG sieht ein Abfindungsrecht für die ausscheidenden Minderheitsaktionäre bei der Eingliederung durch Mehrheitsbeschluss vor. Es entsteht kraft Gesetzes, sobald die Eingliederung mit Eintragung in das Handelsregister wirksam wird und der Hauptgesellschafter hierdurch die Aktien der Minderheitsaktionäre erwirbt, vgl. § 320a AktG.216 Da der Verlust der Mitgliedschaft zwangsweise eintritt, ist fraglich, ob überhaupt von einem Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs gesprochen werden kann.217 Der Austrittscharakter der Norm wird aber insbesondere deutlich, wenn es sich bei der Hauptgesellschaft ihrerseits um eine abhängige Gesellschaft handelt. Hier gewährt § 320b Abs. 1 Satz 3 AktG dem ausscheidenden Aktionär ein echtes Wahlrecht zwischen der Abfindung in Aktien der Hauptgesellschaft und einer Barabfindung. Zwar kann der Minderheitsaktionär auch hier den Ausschluss aus der Gesellschaft nicht verhindern, doch obliegt ihm die Entscheidung ob er über seine Anteile an der Hauptgesellschaft weiterhin wirtschaftlich an der Gesellschaft beteiligt sein oder gegen eine Barabfindung ausscheiden möchte.218 In der Systematik des deutschen Konzernrechts stellt die Eingliederung die intensivste Form der Konzernbildung dar.219 Die eingegliederte Gesellschaft wird der uneingeschränkten Leitungsmacht des herrschenden Unternehmens unterstellt, vgl. § 323 Abs. 1 AktG. Selbst die in § 308 Abs. 1 AktG vorgesehene Begrenzung des Weisungsrechts durch das Konzerninteresse oder die Belange der Hauptgesellschaft entfällt. Einzige Schranke bei Ausübung der Leitungsmacht sind die zwingenden Vorschriften der §§ 134, 138 BGB.220 Das Schicksal der abhängigen Gesellschaft wird also noch intensiver als bei Abschluss eines Unternehmensvertrages in die Hände der Hauptgesellschaft gelegt. Über seine Beteiligung an der Hauptgesellschaft bleibt der Minderheitsaktionär zwar weiterhin wirtschaftlich auch Eigentümer der abhängigen Gesellschaft. Einfluss auf deren Schicksal kann er jedoch nur noch mittelbar ausüben. Das Abfindungsrecht bezweckt hier nicht nur den Vermögensausgleich für den mit der Mehrheitseingliederung verbundenen Verlust der Mitgliedschaft in der eingegliederten Gesellschaft,221 216
Hüffer AktG § 320b Rn. 2; Koppensteiner in Kölner Komm § 320 Rn. 18. Zu der Frage, ob § 320b AktG als Austrittstatbestand, oder nicht vielmehr als Ausschlussrecht der Gesellschaftermehrheit einzuordnen ist, vgl. auch Schindler, Austrittsrecht, S. 113 f. 218 Schindler, a. a. O., nimmt mit guten Gründen einen Doppelcharakter der Norm an. 219 Schindler, Austrittsrecht, S. 113. 220 Hüffer AktG § 323 Rn. 3; Koppensteiner in Kölner Komm § 323 Rn. 4. 221 Hüffer AktG § 320b Rn. 1. 217
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sondern gleichwohl – wie beim Abschluss eines Unternehmensvertrages – die Entschädigung für den Verlust der Herrschaftsrechte in der abhängigen Gesellschaft. b) Umstrukturierung des Unternehmensträgers Das Umwandlungsrecht enthält gesetzlich normierte Abfindungsrechte für die Fälle, dass ein Aktionär mit Verschmelzung, Spaltung oder Formwechsel nicht einverstanden ist.222 aa) Verschmelzung, § 29 UmwG Ein Ausscheiden gegen eine angemessene Abfindung ist gemäß § 29 Abs. 1 Satz 1 UmwG zunächst dann möglich, wenn durch die Verschmelzung ein Wechsel der Rechtsform des Rechtsträgers bewirkt wird.223 Ein Austrittsrecht bei formwahrender Verschmelzung sieht das Gesetz hingegen nur dann vor, wenn die Anteile des übernehmenden Rechtsträgers in dessen Gesellschaftsvertrag oder Satzung Verfügungsbeschränkungen224 unterworfen sind, § 29 Abs. 1 Satz 2 UmwG. Ein allgemeines Austrittsrecht bei formwahrender Umwandlung sieht das Gesetz damit nicht vor. Hintergrund des Austrittsrechts bei der formwechselnden Verschmelzung ist der Gedanke, dass es keinem Verbandsmitglied zuzumuten ist, gegen seinen Willen eine Mitgliedschaft mit veränderten Rechten und Pflichten zu erwerben.225 Durch die Gewährung eines Austrittsrechts bei Verfügungsbeschränkungen sollen die Minderheitsgesellschafter vor dem durch die Verschmelzung bewirkten Eingriff in ihre Verfügungsbefugnis über die Mitgliedschaft geschützt werden.226 Damit wird dem hohen Wert der freien Übertragbarkeit als Mitgliedschaftsrecht Rechnung getragen. 222 Vgl. §§ 29 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 125 Satz 1 i. V. m. 29 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 207 Abs. 1 Satz 1 UmwG. 223 Ausgenommen ist ein Austrittsrecht allerdings bei Mischverschmelzungen zwischen Aktiengesellschaft und KGaA, vgl. § 78 Satz 4 AktG, da sich hier die Gesellschaft, solange die aufnehmende Gesellschaft keine Verfügungsbeschränkung vorsieht, kaum verändert. 224 Der Begriff der Verfügungsbeschränkung setzt hier zwingenderweise eine dingliche Wirkung der Übertragungsschranken voraus, so dass schuldvertraglichen Übertragungsbeschränkungen in der aufnehmenden Gesellschaft ein Austrittsrecht nach § 29 Abs. 1 Satz 2 UmwG nicht begründen können, vgl. Lutter/Grunewald, UmwG § 29 Rn. 7; Grunewald in Festschrift Boujong, S. 175, 181. 225 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drs. 12/6699, S. 94, 117. 226 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes, BT-Drs. 12/6699, S. 94; Hauptanwendungsfall ist hier wohl der Schutz der Minderheitsaktionäre vor der Verschmelzung mit einer Gesellschaft, die Inhaberaktien oder vinkulierte Namensaktien ausgibt.
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bb) Spaltung, § 125 i. V. m. § 29 UmwG Aufgrund der Verweisung in § 125 Satz 1 UmwG steht dem Minderheitsgesellschafter das Austrittsrecht aus § 29 Abs. 1 AktG auch im Falle des gegenüber der Verschmelzung spiegelbildlichen Verfahrens der Aufspaltung, § 123 Abs. 1 UmwG, sowie in dem Verfahren der Abspaltung, § 123 Abs. 2 UmwG, zu. Erhalten die Minderheitsgesellschafter in einem dieser Verfahren Anteile an einer Gesellschaft anderer Rechtsform oder unterliegen die erworbenen Anteile einer Verfügungsbeschränkung, so hat der Gesellschafter einen Anspruch darauf, gegen eine angemessene Abfindung aus den übernehmenden Rechtsträgern auszuscheiden. Auch hier soll vor einem erzwungenen Wechsel der Mitgliedschaft und ihres Charakters geschützt werden.227 cc) Formwechsel, § 207 UmwG Ein Austrittsrecht des Minderheitsgesellschafters sieht das Umwandlungsgesetz schließlich auch bei der identitätswahrenden Umwandlung nach § 207 UmwG vor. Dieses Recht erstreckt sich auf alle Fälle des Formwechsels der in § 191 UmwG bezeichneten Rechtsträger. Hintergrund ist auch hier der Gedanke, dass dem Minderheitsaktionär die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft anderer Rechtsform mit veränderten Rechten und Pflichten nicht aufgezwungen werden kann.228 2. Vergleichbare Interessenlage? Gemeinsam haben die oben genannten Austrittsrechte, dass sie als Folge einschneidender Strukturveränderungen gewährt werden. Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie wesentliche Eingriffe in die Mitgliedschaftsrechte des Minderheitsaktionärs, und zwar nicht nur der Vermögens-, sondern insbesondere auch der Herrschaftsrechte, kompensieren sollen.
227 Ausgeschlossen ist hingegen ein Austrittsrecht bei der dritten Variante der Spaltung, der Ausgliederung, vgl. § 125 Satz 1 UmwG. Kritik an dieser Ausnahme und der darauf bezogenen Begründung des Gesetzgebers übt Schindler, der für diesen Fall ein außerordentliches Austrittsrecht des widersprechenden Gesellschafters bejaht, vgl. Schindler, Austrittsrecht, S. 120 f., 211 f. 228 Ausgenommen ist ein Austrittsrecht allerdings für den Fall des Formwechsels zwischen Aktiengesellschaft und KGaA, vgl. § 250 UmwG; dies i. Ü. mit derselben Begründung wie bei der formwechselnden Verschmelzung nach § 78 Satz 4 UmwG, vgl. dazu schon an entsprechender Stelle.
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a) Wesentliche Modifikation der Mitgliedschaftsrechte Insbesondere an der detaillierten Ausdifferenzierung der Austrittsrechte im Umwandlungsrecht lässt sich erkennen, dass ein Austrittsrecht nur demjenigen Gesellschafter zustehen soll, der durch die vorangegangene unternehmerische Maßnahme einen wesentlichen Eingriff in seine Mitgliedschaftsrechte erleidet. Bei der formwechselnden Verschmelzung ebenso wie bei der identitätswahrenden Umwandlung sollen dem Minderheitsgesellschafter die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft anderer Rechtsform und die damit veränderten Rechte und Pflichten nicht aufgezwungen werden. Bei der formwahrenden Verschmelzung soll der Minderheitsgesellschafter zumindest vor Verfügungsbeschränkungen in der aufnehmenden Gesellschaft geschützt werden. Gleiches gilt entsprechend für die Spaltung. Ausnahmen gelten jedoch dort, wo die umwandlungsrechtliche Maßnahme keinen signifikanten Einfluss auf die Mitgliedschaft des Gesellschafters hat.229 Das gleiche Grundprinzip kann man bei den konzernrechtlichen Austrittsrechten entdecken. Die Mehrheitseingliederung führt mehr noch als der Abschluss eines Unternehmensvertrages zu einem faktischen Entzug der Herrschaftsrechte in der abhängigen Gesellschaft. Zudem werden Vermögensrechte entzogen. Eine vergleichbare Lage könnte bei der dem Squeeze-out zugrunde liegenden Situation, in der die Gesellschaftsstruktur durch die 95%-Kapitalmehrheit des Hauptaktionärs geprägt ist, unter Umständen noch gesehen werden. Da auch Minderheitsrechte zumeist noch eine gewisse Mehrheit voraussetzen,230 kann auch hier von einer Beschränkung der Herrschaftsrechte gesprochen werden. Auch über die Verwendung des Bilanzgewinns kann der Hauptaktionär in der Hauptversammlung gegebenenfalls gegen den Willen der verbliebenen Minderheitsaktionäre entscheiden, vgl. § 174 Abs. 1 AktG. Ob dieser Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte des Minderheitsaktionärs aber dieselbe Intensität erreicht wie bei den oben genannten Ausgangssituationen ist sehr fraglich. Eine Weisungsbefugnis des Hauptaktionärs, wie sie in den §§ 308, 323 AktG für das herrschende Unternehmen statuiert ist, besteht nicht. Dieser kann allenfalls über sein Gewicht in der Hauptversammlung mittelbar Einfluss auf die Unternehmensführung nehmen. Auch der Anspruch auf den Bilanzgewinn nach § 58 Abs. 4 AktG verbleibt grundsätzlich bei dem Minderheitsaktionär. Mit den Ausgangssituationen der umwandlungsrechtlichen Austrittsrechte ist die dem Squeeze-out zugrunde liegende Situation erst recht nicht ver229
Vgl. §§ 78 Satz 4, 250 UmwG. Vgl. z. B. §§ 50, 93 Abs. 4 Satz 3, 103 Abs. 3 Satz 1, 122 Abs. 1, 147 Abs. 1 AktG. Dazu schon oben Kapitel III § 1. 230
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gleichbar. Formwechselnde Verschmelzung und identitätswahrende Umwandlung führen zur Mitgliedschaft des Gesellschafters in einer GmbH oder Personengesellschaft. Dies hat weit reichende Folgen für den Charakter der Beteiligung. Im Gegensatz hierzu kann die Veränderung der mitgliedschaftlichen Stellung des Minderheitsaktionärs in der dem Squeeze-out zugrunde liegenden Situation nur als geringfügig bezeichnet werden. Auch mit einer statutarischen Veräußerungsbeschränkung ist die Beschränkung der Mitgliedschaftsrechte nicht vergleichbar.231 Die Frage der Wesentlichkeit der Modifikation der Mitgliedschaftsrechte kann jedoch letztlich dahinstehen, da es jedenfalls an einer vorangegangen Strukturveränderung fehlt. b) Vorangegangene Strukturveränderung Alle der oben genannten normierten umwandlungs- und aktienrechtlichen Austrittsrechte entstehen infolge einer vorangegangen Strukturveränderung der Gesellschaft. Diese Strukturveränderung besteht in der Konzernbildung oder in der Umwandlung des Unternehmensträgers. Von einer dementsprechenden Strukturveränderung kann aber bei dem Erwerb der 95%-igen Kapitalmehrheit durch den Hauptaktionär nicht gesprochen werden. In diesem Fall liegt keine rechtliche, sondern nur eine faktische Veränderung der Gesellschaftsstruktur vor. 3. Ergebnis Ist schon das Vorliegen eines in der Intensität vergleichbaren Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte sehr zweifelhaft, so fehlt es der dem Squeeze-out zugrunde liegenden Situation jedenfalls an einer den gesetzlich normierten aktien- und umwandlungsrechtlichen Austrittsrechten zugrunde liegenden vorangegangen Strukturveränderung. Eine Analogie zu den §§ 305, 320b AktG, §§ 29, 125, 207 UmwG scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus. II. Austrittsrecht als Ausprägung des allgemeinen Lösungsrechts Scheidet eine Analogie zu gesetzlich normierten Austrittsrechten aus, so ist im Weiteren zu untersuchen, ob sich zumindest aus dem Prinzip des all231 Zwar kann die Übermacht des Hauptaktionärs zu faktischen Erschwerungen der Veräußerung führen. So sind sowohl eine fehlende Nachfrage als auch sinkende Kurse aufgrund eines möglicherweise drohenden Ausschlusses denkbar. Doch sind im Umwandlungsrecht schon schuldrechtliche Veräußerungsbeschränkungen von § 29 Abs. 1 Satz 2 UmwG ausgenommen, vgl. Lutter/Grunewald, UmwG § 29 Rn. 7. Dies muss dann erst Recht für faktische Übertragungsschranken gelten.
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gemeinen Lösungsrechts ein ordentliches oder zumindest ein außerordentliches Austrittsrecht aus der Aktiengesellschaft ableiten lässt und ob sich im Falle des Vorliegens der dem Squeeze-out zugrunde liegenden Situation daraus ein Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs aus wichtigem Grund ergibt. 1. Voraussetzungen und Grenzen der Anteilsveräußerung bei der AG Ist es einem Minderheitsaktionär möglich, seine Anteile am Markt jederzeit zu einem angemessenen Preis zu veräußern, so stellt sich die Frage nach einem ordentlichen oder außerordentlichen Austrittsrecht nicht. Dem Minderheitsaktionär steht dann ein mit dem Ausschlussrecht des Hauptaktionärs korrespondierendes Lösungsrecht zu. Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit gilt jedoch im Aktienrecht nicht unbeschränkt. Hier sollen daher kurz der Grundsatz, aber auch die vielfältig möglichen Beschränkungen aufgezeigt werden, um so den Weg zu der Frage nach einem ordentlichen oder außerordentlichen Austrittsrecht zu ebnen. a) Grundsatz der freien Übertragbarkeit Das Aktienrecht wird durch die freie Übertragbarkeit der Anteile geprägt. Ermöglicht wird die freie Übertragbarkeit durch die rechtliche Verselbstständigung der Mitgliedschaft in Form selbstständiger Anteile am Grundkapital. Die Zerlegung des Grundkapitals in eine Vielzahl gleicher Anteile232 sorgt für die größtmögliche Verkehrsfähigkeit der Beteiligung. Diese Verkehrsfähigkeit wird vor allem dadurch erreicht, dass die Aktie als Inhaber- oder Namensaktie nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen übertragen wird, also entweder durch sachenrechtliche Übertragung nach §§ 929 ff. BGB233 oder mittels Indossament234. Dabei ist die Inhaberaktie von vorneherein als kapitalmarktrechtliches Instrument ausgestaltet. Die Namensaktie erlangt Börsenfähigkeit, wenn sie mit einem Blankoindossament versehen wird.235 Aber auch die Mitgliedschaft an einer nicht börsennotierten Aktien232
Vgl. § 1 Abs. 2 AktG. Vgl. zur Übertragung der Inhaberaktie: Lutter in Kölner Komm zum AktG Anh. § 68 Rn. 15. 234 Vgl. § 68 Abs. 1 Satz 1 AktG; dieser erlaubt zwar die Übertragung durch Indossament, schreibt sie aber nicht zwingend vor. Der Aktionär kann gleichwohl die Übertragung des verbrieften Rechts selbst gemäß §§ 398, 413 BGB wählen, vgl. Hüffer AktG § 68 Rn. 3. 235 Vgl. § 18 Abs. 3 DepotG; dazu auch Bungeroth in Geßler/Hefermehl AktG § 68 Rn. 41; Hüffer AktG § 68 Rn. 3; Lutter in Kölner Komm zum AktG § 68 Rn. 17. 233
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gesellschaft besitzt durch die Möglichkeit der Übertragung nach wertpapierrechtlichen Grundsätzen grundsätzlich eine hohe Verkehrsfähigkeit. Dies entspricht dem gesetzlichen Leitbild der Aktiengesellschaft als Kapitalsammelbecken zur Finanzierung wirtschaftlicher Großunternehmen.236 b) Statutarische Übertragungsschranken Die freie Übertragbarkeit der Aktie kann jedoch in der Satzung der Aktiengesellschaft eingeschränkt werden.237 Statutarische Einschränkungen der Veräußerbarkeit sind allerdings aufgrund der im Aktienrecht gemäß § 23 Abs. 5 AktG geltenden Satzungsstrenge nur sehr begrenzt, und zwar nur im Falle der Vinkulierung von Namensaktien gemäß § 68 Abs. 2 AktG, möglich. Danach kann die Satzung die Übertragung der Anteile an die Zustimmung der Gesellschaft binden. Der Umfang, in dem die Gesellschaft die Voraussetzungen des Zustimmungserfordernisses regeln darf, ist allerdings umstritten.238 Einigkeit besteht allein darin, dass das Zustimmungserfordernis in der Satzung auf die Übertragung an bestimmte Personengruppen beschränkt werden darf239, oder gar in bestimmten Fällen erteilt werden muss240. Uneinigkeit besteht hingegen darüber, ob in der Satzung auch Gründe für eine Zustimmungsverweigerung festgelegt werden dürfen. Die herrschende Auffassung in der Literatur wendet sich zu Recht gegen eine solche Verschärfung der Vinkulierung.241 Der Grundsatz der freien Übertragbarkeit dürfe in seinem Kern nicht angetastet werden, sondern sei in diesem Falle Regelungsschranke.242 Daneben sprechen zwei weitere Gesichtspunkte für eine Unzulässigkeit eines statutarischen Zustimmungsverbots. Zum einen würde eine dement236 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zum AktG 1965, in Kropff, AktG 1965, S. 13 ff. 237 Vgl. hierzu ausführlich Schindler, Austrittsrecht, S. 21 ff. 238 Eine ausführliche Streitdarstellung mit weiteren Nachweisen findet sich bei Schindler, Austrittsrecht, S. 22. 239 So kann zum Beispiel eine Veräußerung an Wettbewerber, ausländische Investoren, oder – in der Familien-Aktiengesellschaft – an Familienfremde einem Zustimmungserfordernis unterworfen werden, um die Gesellschaft vor Überfremdung zu schützen, vgl. Hüffer AktG § 68 Rn. 10. 240 Zum Beispiel die Übertragung an Mitaktionäre, vgl. Bungeroth in Geßler/ Hefermehl AktG § 68 Rn. 101; Lutter in Kölner Komm zum AktG § 68 Rn. 27; Schindler, Austrittsrecht, S. 22. 241 Bungeroth in Geßler/Hefermehl AktG § 68 Rn. 102; Hüffer AktG § 68 Rn. 14; Schindler, Austrittsrecht, S. 22 f.; a. A. Lutter in Kölner Komm zum AktG § 68 Rn. 27. 242 Bungeroth in Geßler/Hefermehl AktG § 68 Rn. 102; Schindler, Austrittsrecht, S. 22.
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sprechende Regelung dem eigentlich entscheidungsberechtigten Organ (dem Vorstand) die Entscheidung über die Zustimmung nehmen.243 Zum anderen könnte eine Zustimmung auch dann nicht erteilt werden, wenn sie deutlich im Interesse der Gesellschaft läge.244 Ein statutarisches Zustimmungsverbot ist daher unzulässig. Gleichwohl bietet die Vinkulierung von Namensaktien gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 AktG den Aktionären die Möglichkeit, den Aktionärskreis zu begrenzen und so eine Überfremdung zu verhindern.245 In welchem Umfang die Vinkulierung dabei der freien Veräußerbarkeit Grenzen setzt, hängt allerdings weitgehend von der Ausgestaltung der Satzung und dem, dem Entscheidungsorgan zugebilligten, Entscheidungsmaßstab ab. So besteht ein begrenzter Ermessensspielraum zum Beispiel dann, wenn die Satzung die Verweigerungsgründe gem. § 68 Abs. 2 Satz 4 AktG abschließend festlegt. Dann darf die Zustimmung nicht verweigert werden, wenn keiner der genannten Gründe eingreift.246 Daneben darf eine Zustimmung zur Veräußerung auch immer nur dann verweigert werden, wenn dies dem Interesse der Gesellschaft entspricht. Ansonsten würde der Grundsatz der freien Veräußerbarkeit der Aktie zu sehr eingeschränkt.247 c) Schuldrechtliche Veräußerungsbeschränkungen Die Anteilsübertragung kann daneben auch durch schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern untereinander oder zwischen den Gesellschaftern und der Gesellschaft eingeschränkt werden.248 Solche schuldrechtlichen Abreden sind im Aktienrecht von besonderer Bedeutung, da sie trotz der in § 23 Abs. 5 AktG normierten Satzungsstrenge Vorkaufsrechte, Vorerwerbsrechte und andere Bindungen zwischen den Aktionären zum Inhalt haben können, die in der Satzung nicht erlaubt wären.249 Neben 243
Schindler, Austrittsrecht, S. 23. Schindler, a. a. O. 245 Ausführlich zum Zweck der Anteilsvinkulierung vgl. Schindler, Austrittsrecht, S. 24 f. 246 Vgl. BGH WM 1987, 174, 175; Bungeroth in Geßler/Hefermehl AktG § 68 Rn. 127; Lutter in Kölner Komm zum AktG § 68 Rn. 27; Lutter AG 1992, 369, 371. 247 BGH NJW 1987, 1019, 1020; LG Aachen AG 1992, 410, 411; Bungeroth in Geßler/Hefermehl AktG § 68 Rn. 124; Hüffer AktG § 68 Rn. 15; Lutter in Kölner Komm zum AktG § 68 Rn. 30; Lutter AG 1992, 369, 370. Zur Frage welche konkreten Interessen eine Zustimmungsverweigerung rechtfertigen können vgl. Schindler, Austrittsrecht, S. 27 f. 248 Ausführlich zu den schuldrechtlichen Einschränkungsmöglichkeiten der Anteilsveräußerung vgl. Friedewald, Die personalistische AG, S. 76 ff. 249 Bungeroth in Geßler/Hefermehl AktG § 68 Rn. 69; Lutter in Kölner Komm zum AktG § 68 Rn. 23; Schindler, Austrittsrecht, S. 34. 244
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der Vereinbarung von Vorkaufsrechten nach § 463 BGB, sowie Vorerwerbsund Andienungsrechten, können die Gesellschafter sich auch untereinander verpflichten, ihre Anteile gar nicht, oder nur an bestimmte Erwerber zu veräußern.250 Anders als die eben genannten statutarischen Übertragungsschranken können schuldrechtliche Abreden die Übertragung der Anteile mangels dinglicher Wirkung251 jedoch letztlich nicht verhindern. Die Einschränkung der freien Übertragbarkeit wirkt hier nur mittelbar durch die Drohung mit Vertragsstrafen und Schadensersatzpflichten. Die Folgen schuldrechtlicher Abreden unterscheiden sich qualitativ von denen statutarischer Übertragungsschranken. Dennoch dürften die Folgen trotz qualitativer Unterschiede, je nach Höhe der bei Vertragsbuch fälligen Vertragsstrafe oder Schadensersatzpflicht, faktisch mit denen statutarischer Veräußerungsbeschränkungen vergleichbar sein.252 d) Faktische Unübertragbarkeit Der Grundsatz der freien Veräußerbarkeit von Aktien kann aber nicht nur durch rechtliche Ausgestaltungen eingeschränkt, sondern auch durch faktische Umweltbeziehungen stark beeinflusst werden.253 Eine Übertragung kann zum Beispiel scheitern, wenn für eine Beteiligung am Markt keine Nachfrage besteht. Dies kann umso mehr gelten, je personalistischer eine Aktiengesellschaft ausgestaltet ist. Denn erwiesen ist, dass ein potentieller Erwerberkreis abnimmt, je weniger sich eine Beteiligung als Kapitalanlage eignet.254 Auch kann sich eine Veräußerung als wirtschaftlich sinnlos erweisen, wenn die Unternehmensbeteiligung am Markt unterbewertet ist. Diese wirtschaftlichen Hindernisse können der Veräußerung von Anteilen durch einen Aktionär im Ergebnis ebenso entgegenstehen wie statutarische oder schuldrechtliche Veräußerungsbeschränkungen. e) Zwischenergebnis Vollständig gewahrt wird der Grundsatz der freien Übertragbarkeit in börsennotierten Aktiengesellschaften, soweit Inhaberaktien ausgegeben wurden. Ist die Mitgliedschaft jedoch in Namensaktien verbrieft, so besteht die Möglichkeit, deren Übertragbarkeit im Rahmen der Vinkulierung an die 250 251 252 253 254
Bungeroth in Geßler/Hefermehl AktG § 68 Rn. 69. Vgl. § 137 S. 1 BGB. So im Ergebnis auch Schindler, Austrittsrecht, S. 34 f. Vgl. Schindler, Austrittsrecht, S. 35 f. Schindler, Austrittsrecht, S. 35.
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Zustimmung der Gesellschaft zu binden. Umfangreiche schuldrechtliche Beschränkungen können hinzukommen. Schließlich können auch wirtschaftliche Umweltbedingungen zu einer faktischen Unveräußerbarkeit der Beteiligung führen. In Fällen starker rechtlicher oder faktischer Beschränkungen der Veräußerbarkeit einer Minderheitsbeteiligung kann daher durchaus ein Bedürfnis nach einem Austrittsrecht aus der Aktiengesellschaft bestehen. 2. Anerkennung eines ordentlichen Austrittsrechts im Aktienrecht? a) Meinungsstand Die Frage der Anerkennung eines ordentlichen Austrittsrechts in der Aktiengesellschaft, wie dies bei den Personengesellschaften in §§ 723 BGB, 133, 134 HGB der Fall ist, wird im Schrifttum seit jeher kontrovers diskutiert.255 Die herrschende Meinung lehnt die Anerkennung eines ordentlichen Austrittsrechts im Kapitalgesellschaftsrecht mit Verweis auf die rechtsformspezifischen Besonderheiten ab.256 Im Schrifttum finden sich nur vereinzelt Autoren, die ein ordentliches Austrittsrecht befürworten.257 Die Diskussion dreht sich hier vornehmlich um das Recht der GmbH, die in ihrer Organisationsstruktur noch personalistischer geprägt ist als die AG. Erstmals von Teichmann vertreten wurde, dass das ordentliche Austrittsrecht ein unabdingbares Mitgliedschaftsrecht bei den Verbänden sei, bei denen sich aus der Intensität der wechselseitigen Beziehungen die Gefahr menschlicher Konflikte ergebe.258 Falle daher die freie Veräußerbarkeit der Anteile an einer Kapitalgesellschaft durch entsprechende Regelungen in der Satzung fort, so sei die Situation mit der bei den Personengesellschaften vergleichbar, wo neben den engen gesellschaftlichen Bindungen von vorneherein ein ordentliches Austrittsrecht bestehe. Teichmann erkennt daher für diesen Fall ein ordentliches Austrittsrecht für den 255
Eine ausführliche Darstellung des Meinungsstandes zur Frage des ordentlichen Austrittsrechts im Aktien- und GmbH-Recht findet sich bei Schindler, Austrittsrecht, S. 37 f. 256 OLG Hamm GmbHR 1993, 656, 657; Baumbach/Hueck/Fastrich GmbHG § 34 Rn. 17; Hachenburg/Ulmer GmbHG Anh. § 34 Rn. 46; Kraft in Kölner Komm zum AktG, § 1 Rn. 32; K. Schmidt GesR § 35 IV 3; Schindler, Austrittsrecht, S. 38 ff. 257 Diese Autoren unterscheiden sich teilweise auch noch wesentlich in ihrer Begründung, sowie der Reichweite und dem Anwendungsbereich des befürworteten ordentlichen Austrittsrechts. Vgl. Reuter, Privatrechtliche Schranken, S. 390 ff.; Roitzsch, Minderheitenschutz im Verbandsrecht, S. 90 ff.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 238 ff.; Wiedemann GesR I S. 401 f. 258 Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 242.
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GmbH-Gesellschafter wie für den Aktionär an.259 Roitzsch befürwortet ein ordentliches Austrittsrecht für den Fall, dass die Übertragbarkeit der Anteile in der Satzung vollständig ausgeschlossen wurde.260 b) Stellungnahme Die Frage nach der Anerkennung eines ordentlichen Austrittsrechts in der Aktiengesellschaft lässt sich nicht ohne Blick auf die spezifischen Wertungen des Aktienrechts treffen. Im Ergebnis kann nur dort ein ungeschriebenes ordentliches Austrittsrecht anerkannt werden, wo eine gesetzliche Regelungslücke besteht, die eine entsprechende Anwendung rechtfertigt.261 Schon aus der Tatsache, dass bei Personengesellschaften mit § 723 BGB eine gesetzliche Regelung des ordentlichen Kündigungsrechts besteht, lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber im Aktiengesetz bewusst auf eine entsprechende Regelung verzichtet hat. Im Kapitalgesellschaftsrecht wird das ordentliche Austrittsrecht vielmehr durch die grundsätzliche freie Veräußerbarkeit der Beteiligung ersetzt. Dies entspricht sowohl der besonderen Struktur der Mitgliedschaft,262 als auch dem Grundsatz der Kapitalerhaltung.263 Bewirkt der Austritt eines Personengesellschafters die Anwachsung seiner Beteiligung bei den übrigen Gesellschaftern,264 so bliebe die Mitgliedschaft des Aktionärs nach dem Austritt grundsätzlich als rechtlich selbstständige Vermögensposition erhalten. Diese müsste dann von der Gesellschaft unter den engen Voraussetzungen der §§ 71 ff. AktG übernommen werden. Daneben müsste die Gesellschaft als Schuldnerin des Abfindungsanspruchs beachten, dass ihr Grundkapital nicht angetastet werden darf. Auch unterscheidet sich bei Personen- und Kapitalgesellschaften die Risikoverteilung im Hinblick auf das Lösungsrecht. Bei der Aktiengesellschaft trägt der Gesellschafter das Risiko der Veräußerung grundsätzlich selbst. Das Verwertungsrisiko kann er nicht auf die Gesellschaft abwälzen, doch hat er auch die Möglichkeit, von einer Höherbewertung seiner Anteile am Markt zu profitieren. Der Personengesellschafter soll dagegen gegenüber dem GmbH-Gesellschafter und Aktionär bewusst von dem Verwertungsrisiko freigestellt werden und hat daher kraft Gesetzes ein unabdingbares ordentliches Kündigungsrecht. 259 260 261 262 263 264
Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 247. Roitzsch, Minderheitenschutz im Verbandsrecht, S. 92. So auch der Ansatz von Schindler, Austrittsrecht, S. 38 ff. Vgl. schon oben Kapitel III § 2 B.II.1.a). Dazu ausführlich Schindler, Austrittsrecht, S. 39 f. Vgl. § 738 Abs. 1 Satz 1 BGB.
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Das Fehlen eines ordentlichen Austrittsrechts in der Kapitalgesellschaft lässt sich damit grundsätzlich schon mit den unterschiedlichen Wertungen in Personen- und Kapitalgesellschaftsrecht begründen.265 Dieses Ergebnis ändert sich auch nicht in dem Fall der Vinkulierung oder anderweitigen erschwerten oder ausgeschlossenen Übertragbarkeit der Anteile. Für die Aktiengesellschaft enthält § 68 Abs. 2 AktG eine gesetzgeberische Wertung zu Gunsten des Bestandsschutzes, indem er den Mitgliedern der Gesellschaft die Möglichkeit gibt, durch entsprechende Satzungsgestaltung privatautonom auf den Mitgliederkreis einzuwirken. Diese Regelung kann nicht dadurch ausgehebelt werden, dass man dem lösungswilligen Gesellschafter bei Zustimmungsverweigerung ein Austrittsrecht zugesteht.266 Die Folgen außerhalb der Satzung bestehender, schuldrechtlicher Veräußerungsbeschränkungen muss der Gesellschafter ohnehin selbst tragen, da sie auf seiner eigenen, privatautonomen Entscheidung zur Selbstbindung beruhen. c) Ergebnis Im Ergebnis kommt ein ordentliches Austrittsrecht des Aktionärs aufgrund der rechtsformspezifischen Besonderheiten des Aktienrechts daher nicht in Betracht. 3. Das Recht zum Austritt aus wichtigem Grund Scheidet ein ordentliches Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs im Falle des Vorliegens einer Squeeze-out-Situation aus, so muss sich die Frage darauf richten, ob und wenn ja unter welchen Voraussetzungen ein außerordentliches Austrittsrecht besteht. a) Anerkennung eines außerordentlichen Austrittsrechts in der Aktiengesellschaft Ist ein solches Austrittsrecht aus wichtigem Grund im GmbH-Recht heute allgemein anerkennt,267 so ist diese Frage im Recht der Aktiengesellschaft weiterhin umstritten und noch weitgehend ungeklärt.
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So schon Schindler, Austrittsrecht, S. 39 ff. So auch K. Schmidt GesR § 35 IV 3 a. 267 Vgl. Baumbach/Hueck/Fastrich GmbHG Anh. § 34 Rn. 16 ff.; Hachenburg/ Ulmer GmbHG Anh. Zu § 34 Rn. 18; Lutter/Hommelhoff GmbHG § 34 Rn. 44; K. Schmidt GesR § 35 IV 3 b; sehr ausführlich Schindler, Austrittsrecht, S. 44 ff. 266
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aa) Meinungsstand Weder Rechtsprechung noch Schrifttum haben sich bisher näher mit der Frage des außerordentlichen Austrittsrechts des Aktionärs beschäftigt.268 Die wohl herrschende Auffassung im Schrifttum lehnt die Anerkennung eines außerordentlichen Austrittsrechts in Form der Kündigung der Mitgliedschaft ab.269 Zum einen wird die Ablehnung damit begründet, dass ein Austrittsrecht mit den strengen Regeln der Kapitalbindung im Aktienrecht nicht vereinbar sei.270 Zum anderen wird angeführt, dass die Aktie anders als der Geschäftsanteil bei der GmbH von Anfang an als fungibles Vermögensrecht ausgestaltet sei, so dass ein Austrittsrecht dem Wesen der Mitgliedschaft widerspreche.271 Ein Teil des neueren Schrifttums erkennt ein außerordentliches Austrittsrecht aus der Aktiengesellschaft jedoch unter gewissen Umständen an. So stellte Wiedemann erstmals fest, dass das Austrittsrecht in allen Kapitalgesellschaften ein subsidiäres Mitgliedschaftsrecht sei,272 das dort wieder aufleben müsse, wo die Übertragung als Mittel zur Befreiung aus der gesellschaftlichen Bindung rechtlich oder praktisch ausgeschlossen sei273. Dem sind eine Reihe von Autoren für das Recht der Aktiengesellschaft gefolgt,274 wenn auch mit zum Teil erheblichen Unterschieden hinsichtlich der für das Austrittsrecht erforderlichen Voraussetzungen. Einige Stimmen in der Literatur befürworten ein subsidiäres Austrittsrecht ähnlich wie bei der GmbH dann, wenn dem Aktionär der weitere Verbleib in der Gesellschaft unzumutbar ist, unabhängig davon ob eine Vinkulierung der Anteile vorliegt.275 Andere beschränken das Austrittsrecht auf Fälle der Vinkulierung, in denen die Gesellschaft der Veräußerung an einen bestimm268 Eine erste ausführliche Auseinandersetzung mit dem Thema wagt Schindler, Austrittsrecht, S. 80 ff. 269 Vgl. Bungeroth in Geßler/Hefermehl AktG § 68 Rn. 67; v. Godin/Wilhelmi AktG § 68 Anm. 9; Barz in GroßKomm § 68 Anm. 2; Lutter in Kölner Komm zum AktG § 68 Rn. 23. 270 Vgl. Hueck GesR S. 242 f.; Mülbert, AG, S. 456 f.; Würdinger, Aktienrecht, S. 47. 271 Vgl. Bungeroth in Geßler/Hefermehl AktG § 68 Rn. 67; v. Godin/Wilhelmi AktG § 68 Anm. 9; Lutter in Kölner Komm zum AktG § 68 Rn. 23. 272 Wiedemann Übertragung, S. 90. 273 Wiedemann GesR I S. 401; ders., Unternehmensgruppe S. 68 f. 274 Becker, Austritt, S. 21 f.; Grunewald, FS Boujoung, S. 175, 199; dies., FS Claussen, S. 103, 111 f.; Lutter/Grunewald UmwG § 29 Rn. 32; Lutter/Decher UmwG § 207 Rn. 3; Raiser, Kapitalgesellschaften, S. 71 f.; Roitzsch, Minderheitenschutz, S. 90 f.; Schindler, Austrittsrecht, S. 82 ff. Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 247. 275 Wiedemann GesR I S. 401; Grunewald in FS Claussen S. 103; Schindler, Austrittsrecht, S. 82 ff.
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ten Erwerber die Zustimmung rechts- und ermessensfehlerfrei verweigert.276 Roitzsch erkennt ein außerordentliches Austrittsrecht bei zweijähriger Unveräußerbarkeit an.277 Die Auffassung der Rechtsprechung zum außerordentlichen Austrittsrecht des Aktionärs klar zu umreißen fällt angesichts bis dato fehlender einschlägiger Entscheidungen schwer.278 Erste Schritte der Rechtsprechung in Richtung zur Anerkennung eines außerordentlichen Austrittsrechts zeigen sich in einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1986.279 In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall wollten die Aktionäre einer Familien-AG durch die Vinkulierung aller Anteile verhindern, dass familienfremde Dritte in ihren Kreis eindringen. Für einen der Aktionäre wurde die Vinkulierung seiner Anteile unzumutbar. Der BGH entschied hier, dass von den übrigen Aktionären die Bereitschaft erwartet werden könne, jenem Aktionär seine Anteile zu einem angemessenen Preis abzukaufen oder diese Anteile zumindest durch einen willkommenen Dritten übernehmen zu lassen.280 Hier sah der BGH das allgemeine Lösungsrecht als Ermessensausübungsschranke, die dem betroffenen Aktionär ein klageweise durchsetzbares Zustimmungsrecht gewährt. Wollen die Mitaktionäre eine Klage verhindern, so müssen sie dem Aktionär freiwillig den Austritt anbieten. Der ausscheidende Aktionär steht damit jedenfalls nicht schlechter als mit einem außerordentlichen Austrittsrecht. Der BGH erreicht auf diesem Umwege die Wirkung eines Austrittsrechts.281 bb) Stellungnahme Ein außerordentliches Austrittsrecht als subsidiäres Lösungsrecht des Aktionärs ist grundsätzlich anzuerkennen. Dies ist letztlich die konsequente Fortführung des schuldrechtlichen Grundsatzes, dass jede intensive, dauerhafte und Konfliktpotential tragende vertragliche Bindung zwischen Parteien vorzeitig aus wichtigem Grund kündbar ist. Von diesem Grundsatz 276
Becker, Austritt, S. 21 f.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 247. Roitzsch, Minderheitenschutz, S. 90 f. 278 Einen ersten Versuch wagt Schindler, Austrittsrecht, S. 81 f. 279 BGH WM 1987, 174 ff. 280 BGH WM 1987, 174, 175. 281 In einer weiteren Entscheidung erklärt der Bundesgerichtshof schließlich im Zusammenhang mit dem außerordentlichen Austrittsrecht aus der GmbH, dass dieses Recht als Grundprinzip des Verbandsrechts zu den zwingenden, unverzichtbaren Mitgliedschaftsrechten gehöre. BGHZ 116, 359, 369. Diese weite Formulierung lässt zumindest laut Schindler darauf schließen, dass der Bundesgerichtshof die Anwendbarkeit dieses „Grundprinzip des Verbandsrechts“ auch in der Aktiengesellschaft für denkbar hält. Vgl. Schindler, Austrittsrecht, S. 82. 277
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umfasst ist auch die Mitgliedschaft des Aktionärs. Bei der Mitgliedschaft handelt es sich um ein mit Rechten und Pflichten ausgestattetes Dauerrechtsverhältnis, das je nach Art und Struktur der Aktiengesellschaft tief in die persönlichen Lebensverhältnisse der einzelnen Mitglieder eingreifen kann.282 In die Erwägungen um die Anerkennung eines außerordentlichen Austrittsrechts bei der Aktiengesellschaft sind jedoch die aktienrechtlichen Besonderheiten der Ausgestaltung der Mitgliedschaft einzubeziehen. Dem Aktionär steht mit der freien Veräußerbarkeit der Aktie anders als dem GmbH-Gesellschafter bereits ein starkes Lösungsrecht zur Verfügung.283 Anders als in der GmbH, wo die Gesellschafter weit reichenden Einfluss auf unternehmerische Entscheidungen nehmen können, gleicht die Stellung des Aktionärs häufig der eines reinen Kapitalgebers.284 Diese Unterschiede der Mitgliedschaft in GmbH und AG könnten bei der AG, anders als im Recht der GmbH, gegen eine Anerkennung eines außerordentlichen Austrittsrechts sprechen. Zumindest könnte darauf verwiesen werden, dass der Aktionär durch die freie Veräußerlichkeit seiner Beteiligung hinreichend geschützt sei. (1) Charakter der Mitgliedschaft in der AG Das Argument, die Stellung des Aktionärs gleiche der eines reinen Kapitalgebers, kann jedoch nur überzeugen, wenn man allein das Leitbild der börsennotierten Publikums-Aktiengesellschaft vor Augen hat, wie es dem Aktiengesetz von 1965 zugrunde liegt.285 Danach ist die Aktiengesellschaft als Kapitalquelle für Großunternehmen konzipiert, bei dem sich die Pflichten des Aktionärs in der Leistung seiner Einlage nach § 54 Abs. 1 AktG erschöpfen, und ihm im Gegenzug hauptsächlich Gewinnbezugsrechte zustehen. Auf die Person des Investors kommt es nicht an. Sie ist austauschbar. Dieses Leitbild der Aktiengesellschaft entspricht allerdings nicht der Rechtswirklichkeit. Schon in den 80er Jahren hat sich gezeigt, dass nur etwa zwei Drittel der 100 größten Unternehmen als Aktiengesellschaft orga282
Dass es sich bei der Mitgliedschaft um Rechtsverhältnis handelt, ist heute weitgehend anerkannt, vgl. Wiedemann, GesR, S. 95; ders.; Übertragung, S. 39; Würdinger, Aktienrecht, S. 45. 283 Dieses kann mit dinglicher Wirkung nur nach § 68 Abs. 2 AktG eingeschränkt werden. Dazu schon oben Kapitel III § 2 B.II.1.b). 284 Der geringere Einfluss gegenüber der GmbH ergibt sich insbesondere aus der in § 76 Abs. 1 AktG vorgegebenen strikten Trennung von Gesellschaftereinfluss und Geschäftsführung und die Beschränkung der Hauptleistung auf die Einlage, § 54 Abs. 1 AktG. 285 Vgl. Begründung des Regierungsentwurfes zum AktG 1965, in Kropff, AktG 1965, S. 13 ff.
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nisiert sind, und dass sogar nur ein Drittel den Vorstellungen von Publikumsgesellschaften mit breit gestreutem Kapital entsprach.286 Bei einem nennenswerten Teil der übrigen Aktiengesellschaften handelte es sich um abhängige Gesellschaften oder um Aktiengesellschaften mit weitgehend personalistischer Prägung. Letztgenannte Gesellschaften zeichnen sich durch einen weitgehend geschlossenen Aktionärskreis, die Beteiligung der Aktionäre an der Verwaltung und insbesondere den fehlenden Handel der Aktien am öffentlichen Kapitalmarkt aus.287 Die personalistischen Elemente der Mitgliedschaft sind der Aktiengesellschaft daher keinesfalls wesensfremd. Es kann daher auch in der Aktiengesellschaft die Situation eintreten, dass dem Aktionär die Fortführung der Mitgliedschaft unzumutbar wird, der Verweis auf die Veräußerlichkeit der Beteiligung aber nicht interessengerecht erscheint. Für das Recht der GmbH zum Ausschluss aus wichtigem Grund wird diese Argumentation mittlerweile anerkannt.288 Gleiches muss aber auch für ein außerordentliches Austrittsrechts des Aktionärs gelten. (2) Fehlende Erforderlichkeit Eine Ablehnung des Austrittsrechts aus wichtigem Grund lässt sich auch nicht mit dem Argument der fehlenden Erforderlichkeit begründen. In einer personalistisch strukturierten Aktiengesellschaft stellt das Austrittsrecht ebenso wie in der GmbH ein subsidiäres Mittel des Individual- und Minderheitenschutzes dar.289 Auch der Verweis auf die grundsätzliche freie Veräußerbarkeit der Aktie reicht nicht aus, um ein mangelndes Bedürfnis nach einem außerordentlichen Austrittsrecht in der Aktiengesellschaft zu begründen. Wie gezeigt290 ist auch die Übertragbarkeit von Aktien nicht immer grenzenlos gewährleistet und unterliegt Schranken. Eine solche Schranke 286 Monopolkommission, Hauptgutachten VIII, S. 195 (Tab. 26) und S. 208 (Tab. 30). 287 Zu diesen Wesensmerkmalen der personalistischen AG näher Friedewald, Die personalistische AG, S. 14 ff. Dazu auch schon oben Kapitel III § 2 A.II.2.b)bb). Möglich wird eine solche Gestaltung durch die Gestaltungsmöglichkeiten die das Aktiengesetz selbst vorgibt. Die Vinkulierung (§ 68 Abs. 2 AktG) und Einziehung (§ 237 AktG) ermöglichen die Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Mitgliederkreises und schaffen damit die Voraussetzungen für einen weitgehend geschlossenen Aktionärskreis; durch die Auferlegung einer Nebenleistungspflicht nach § 55 AktG wird die Stellung des Aktionärs als reiner Kapitalgeber aufgehoben. 288 Lutter in Kölner Komm zum AktG § 237 Rn. 119 f.; Friedewald, Die personalistische AG, S. 145 ff.; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 12 Rn. 48; Becker ZGR 1986, 383, 387 ff. 289 Vgl. Schindler, Austrittsrecht, S. 86. 290 Vgl. oben Kapitel III § 2 B.II.1.
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stellt zum Beispiel die Vinkulierung nach § 68 Abs. 2 AktG dar. Auch eine erhebliche Wertminderung des Anteils, die der Minderheitsaktionär nicht zu vertreten hat – dies kann insbesondere nach der Durchführung von Strukturveränderungen auf Veranlassung des Mehrheitsaktionärs der Fall sein –, kann eine faktische Beschränkung der Übertragbarkeit darstellen. Die Frage, wer letztlich das Risiko der Unveräußerlichkeit zu tragen hat, ist erst eine Frage der Subsidiarität. (3) Vereinbarkeit mit den Grundsätzen der Kapitalerhaltung Auch die Unterschiede in der Kapitalbindung rechtfertigen den Ausschluss des außerordentlichen Austrittsrechts bei der Aktiengesellschaft gegenüber der Anerkennung eines solchen Rechts für die GmbH nicht.291 Zwar unterliegt die Aktiengesellschaft im Vergleich zur GmbH einer besonders strengen Kapitalbindung. Nach § 57 Abs. 3 AktG ist jede Auszahlung mit Ausnahme des Bilanzgewinns ausgeschlossen. Die Einziehung eigener Aktien ist nur in Verbindung mit einer Kapitalherabsetzung statthaft, § 237 AktG. Der Erwerb eigener Aktien ist nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 71 ff. AktG zulässig. Doch auch das Aktienrecht enthält an verschiedenen Stellen die Wertung, dass im Falle des Austritts aus wichtigem Grund die Interessen der ausscheidenden Aktionäre gegenüber denen der Gläubiger überwiegen. Dies gilt vor allem für die Ausnahmeregelungen in §§ 57 Abs. 1 Satz 2, 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG und bei Abfindungsleistungen nach den §§ 305, 320b AktG, §§ 29 Abs. 1, 207 Abs. 1 Satz 1 UmwG. Daraus folgt, dass auch aus den Kapitalbindungsvorschriften nicht auf die generelle Unzulässigkeit des außerordentlichen Austrittsrechts in der Aktiengesellschaft geschlossen werden kann.292 (4) Keine Beschränkung auf Fälle rechtlicher Unveräußerlichkeit Ein außerordentliches Austrittsrecht ist auch nicht auf die Fälle zu beschränken, in denen die Übertragbarkeit an einer Zustimmungsverweigerung nach § 68 AktG scheitert.293 Die Unzumutbarkeit des weiteren Verbleibs in der Aktiengesellschaft und die Veräußerbarkeit der Aktie sind grundsätzlich 291 So aber Hueck GesR (1983) S. 242 f.; Würdinger, Aktienrecht, S. 47. Wie hier Schindler, Austrittsrecht, S. 87. 292 So zutreffend Schindler, Austrittsrecht, S. 87. 293 So aber der Vorschlag einiger Stimmen in der Literatur, die auf die generelle Verkehrsfähigkeit der Aktie verweisen. Vgl. Becker, Austritt, S. 21 f.; Roitzsch, Minderheitenschutz, S. 90 f.; Teichmann, Gestaltungsfreiheit, S. 247. Wie hier Schindler, Austrittsrecht, S. 88.
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zwei voneinander unabhängige Fragen. Kommt man in einem Fall zu dem Ergebnis, dass ein wichtiger Grund zum Ausscheiden vorliegt, so ist erst im Rahmen der Subsidiarität zu fragen, ob ein Austritt wegen der Möglichkeit der Veräußerung ausscheidet. cc) Zwischenergebnis Aus den genannten Gründen ist ein Austrittsrecht aus wichtigem Grund als subsidiäres Mitgliedschaftsrecht in der Aktiengesellschaft grundsätzlich anzuerkennen. Wie im GmbH-Recht lässt sich dies aus dem Grundsatz ableiten, dass alle Dauerschuldverhältnisse, die besonders intensive wechselseitige Beziehungen und damit die Gefahr menschlicher Konflikte mit sich bringen, vorzeitig aus wichtigem Grund kündbar sein müssen. Dem stehen im Aktienrecht weder der Grundsatz der freien Veräußerbarkeit der Aktie, noch die strengen aktienrechtlichen Regelungen zur Kapitalbindung entgegen. b) Voraussetzungen des außerordentlichen Austrittsrechts Die für das außerordentliche Austrittsrecht aus der GmbH geltenden materiellen Voraussetzungen können im Wesentlichen auch für das Austrittsrecht im Aktienrecht übernommen werden. Im GmbH-Recht ist der Gesellschafter zum Austritt nur berechtigt, wenn Umstände vorliegen, die ihm den weiteren Verbleib in der Gesellschaft unzumutbar machen.294 Daneben darf dem ausscheidungswilligen Gesellschafter kein anderes – die Interessen der Gesellschaft und der Mitgesellschafter weniger beeinträchtigendes – Mittel, insbesondere kein anderes Lösungsrecht, zur Verfügung stehen.295 Unterschiede aufgrund der Rechtsform und der anders ausgeprägten Mitgliedschaft bei der AG sind im Rahmen der Interessenabwägung und bei der Frage der Subsidiarität zu berücksichtigen. aa) Interessenabwägung Im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung sind die Interessen des austrittswilligen Aktionärs mit möglichen entgegenstehenden Interessen der Gesellschaft und der Mitaktionäre abzuwägen. Im Zusammenhang mit der Interessenabwägung ist auch die Struktur der Aktiengesellschaft zu berücksichtigen. Handelt es sich um eine börsennotierte Publikums-Gesellschaft ist 294
Vgl. BGHZ 116, 359, 369; OLG Hamm GmbHR 1993, 656, 657; Baumbach/ Hueck, GmbHG, Anh. 34 Rn. 16; Lutter/Hommelhoff, GmbHG § 34 Rn. 44; Scholz/ Winter, GmbHG, § 15 Rn. 119. 295 Schindler, Austrittsrecht, S. 60 ff.
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kein Fall denkbar, in dem die für das Austrittsrecht erforderliche Intensität der Beziehungen und das erforderliche Maß an Interessenverflechtung erreicht werden.296 Praktische Bedeutung kann dem Austrittsrecht jedoch in abhängigen Gesellschaften und in geschlossenen Gesellschaften, insbesondere Familien-Aktiengesellschaften, zukommen. In diesen Gesellschaften steht der Gesellschaft aufgrund des gesteigerten Vertrauensverhältnisses anerkanntermaßen das Recht zu, den Aktionär bei schwerwiegenden Pflichtverletzungen aus der Gesellschaft auszuschließen.297 Umgekehrt muss sich aus diesem Vertrauensverhältnis und den besonderen gegenseitigen Interessenverflechtungen auch ein zum Austritt berechtigender wichtiger Grund ergeben können. bb) 95%-Kapitalmehrheit des Hauptaktionärs als Austrittsgrund Der Gesetzgeber hat dem Ausschlussrecht des Mehrheitsaktionärs im Rahmen der §§ 327a ff. AktG – anders als bei vielen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, die mittelbar zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre führen298 – kein Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs gegenüber gestellt. Gleichwohl sind aufgrund der signifikanten Übermacht des Hauptaktionärs Situationen denkbar, in denen dem Minderheitsaktionär der weitere Verbleib in der Gesellschaft ebenso wie in den geregelten Fällen unzumutbar wird.299 296 A. A. Schindler, Austrittsrecht, S. 89, der annimmt, dass auch für einen Minderheitsaktionär mit signifikanter Minderheitsbeteiligung in einer Publikums-Gesellschaft die Mitgliedschaft von derartiger Bedeutung sein kann, dass sich hier ausnahmsweise ein Lösungsrecht gegenüber den Interessen der Gesellschaft und der Mitaktionäre durchsetzt. Denkbar hält er dies in einem Fall, in dem eine Beteiligung von 2–3% am Grundkapital vorliegt. 297 Lutter in Kölner Komm zum AktG § 237 Rn. 120; Friedewald, Die personalistische AG, S. 145; Raiser, Kapitalgesellschaften, § 12 Rn. 48; Schindler, Austrittsrecht, S. 89; Becker ZGR 1986, 383, 402. 298 So kann im Umwandlungsrecht ein Aktionär von der Gesellschaft die Abnahme seiner Anteile gegen eine Barabfindung verlangen, wenn er mit Verschmelzung oder Formwechsel nicht einverstanden ist, vgl. §§ 29 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 207 Abs. 1 Satz 1 UmwG. Ebenso steht dem Minderheitsaktionär ein Austrittsrecht zu, wenn er mit der Eingliederung seiner Gesellschaft, soweit die Hauptgesellschaft ebenfalls abhängig ist, nicht einverstanden ist, vgl. § 320b Abs. 1 Satz 3 AktG. 299 Auch wenn es sich bei dem Erwerb der 95% – Anteilsmehrheit des Hauptaktionärs keinesfalls um eine Strukturänderung handelt, so kann diese hohe Mehrheitsbeteiligung gleichwohl einen vergleichbaren Einfluss auf die verbliebene Minderheit haben. Dass der Gesetzgeber dies sehr wohl erkannt hat, lässt sich an der Einführung eines Austrittsrechts für den Fall ablesen, dass der Hauptaktionär diese Mehrheit im Rahmen eines Pflichtangebots erwirbt. Hier ist der Erwerber verpflichtet, den Aktionären eine Abnahme ihrer Anteile gegen eine angemessene Barabfindung anzubieten, vgl. § 35 Abs. 2 WpÜG.
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(1) Ausgangssituation Hält ein Aktionär 95% der Anteile an einer Gesellschaft, so kann er die verbleibenden Minderheitsaktionäre unter Einhaltung der Formalien der §§ 327a ff. AktG gegen ihren Willen aus der Gesellschaft ausschließen. Dies kann im Rahmen der freien Entfaltung der unternehmerischen Initiative wirtschaftlich sinnvoll sein.300 Gleichwohl ist jedoch denkbar, dass ein Hauptaktionär an dieser Maßnahme kein Interesse hat, da sie zumindest derzeit aus Unternehmenssicht nicht erforderlich erscheint. Zwar mögen ein verhältnismäßig geringer Aufwand und gleichfalls geringe Kosten nicht von einem Ausschluss abschrecken. Doch können schon das Entstehen eines anlegerfeindlichen Bildes in der Öffentlichkeit und ein daraus folgender Image- und Umsatzverlust gegen einen nicht zwingend erforderlichen Squeeze-out sprechen. In den meisten Unternehmen wird daher die Einführung der §§ 327a ff. AktG nichts an der Unternehmensstruktur ändern. Eine wirtschaftlich nicht erforderliche Maßnahme wird kaum ein Unternehmen um ihrer selbst willen durchführen. Aus dieser Ausgangssituation heraus erwachsen jedoch die Probleme um die Frage eines außerordentlichen Austrittsrechts der verbliebenen Minderheitsaktionäre. Ist ein solcher mit der vorliegenden Situation unzufrieden, so steht ihm kein gesetzlich normiertes, mit dem Ausschlussrecht des Hauptaktionärs korrespondierendes Austrittsrecht zu. (2) Interessenabwägung Dem Minderheitsaktionär in einer Gesellschaft, die durch die Übermacht des Hauptaktionärs geprägt ist, kann aber durchaus ein berechtigtes Interesse am Austritt aus der Gesellschaft zukommen. Selbst die Ausübung von Minderheitsrechten erfordert in vielen Fällen eine gewisse Mehrheit. So können Aktionäre die Einberufung einer Hauptversammlung erst verlangen, wenn ihre Anteile zusammen 20% des Grundkapitals erreichen.301 Für einen gerichtlichen Antrag auf Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds ist zumindest ein Quorum von 10% erforderlich.302 Eine Ausübung von Minderheitsrechten und damit ein Einfluss auf das Schicksal der Gesellschaft ist daher bei einer Gesellschaft, deren Struktur 300
Dazu schon oben Kapitel I. § 122 Abs. 1 AktG. 302 § 103 Abs. 3 Satz 1 AktG. Dieselbe 10%-Hürde gilt für die Rechte aus §§ 50, 93 Abs. 4 Satz 3, 137, 147 Abs. 1 AktG. Eine gelungene Übersicht über die Rechte der Minderheitsaktionäre und die für deren Ausübung erforderlichen Quoten findet sich bei: Henn, Rechte des Aktionärs, S. 92 ff. Dazu auch schon oben Kapitel III § 1. 301
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durch die 95%-Anteilsmehrheit des Hauptaktionärs geprägt ist, nur noch sehr begrenzt möglich. Neben der Erkenntnis des mangelnden Einflusses auf das Schicksal der Gesellschaft kann ein Interesse am Austritt aus derselben durch eine besondere persönliche Verbindung mit ihr noch geschürt werden. Dies ist je eher denkbar, desto mehr personalistische Elemente eine Gesellschaft in sich trägt. Gerade in personalistischen Aktiengesellschaften sind die Aktionäre häufig als Mitglieder der Verwaltung eng in die tatsächlichen Geschäftsführungsmaßnahmen eingebunden. Aufgrund des kleinen Aktionärskreises und familiärer Beziehungen fühlt sich der Aktionär auch häufig persönlich mit dem Schicksal der Gesellschaft verbunden und ist daher umso mehr an der Durchsetzung seiner individuellen Vorstellungen interessiert.303 Kann er diese Vorstellungen aufgrund der Übermacht des Hauptaktionärs dauerhaft nicht mehr realisieren, so ist dies als berechtigtes Austrittsinteresse anzuerkennen. Ein dem Austrittsinteresse entgegenstehendes Interesse der Gesellschaft am Verbleib des austrittswilligen Minderheitsaktionärs in der Gesellschaft ist dagegen nur schwer vorstellbar. Sowohl Aufwand und Kosten des Austritts fallen geringfügig aus und können einem Austritt daher in der Regel nicht entgegenstehen. Denkbar ist in einer Familien-Gesellschaft aber zum Beispiel der Erhalt eines alteingesessenen und prestige-trächtigen Familienmitglieds. Doch ist auch hier kaum ein Fall denkbar, in dem ein solches Interesse das Austrittsinteresse der anderen Seite überwiegen könnte. Eine Unzumutbarkeitsprüfung wird sich auch hier im Ergebnis immer am Einzelfall orientieren müssen. (3) Zwischenergebnis Ein Fall eines überwiegenden Austrittsinteresses eines Minderheitsaktionärs in einer Publikums-Gesellschaft ist nicht denkbar. Der Minderheitsaktionär ist hier reiner Kapitalanleger. Ein schützenswertes Interesse am Verbleib in der Gesellschaft kann nicht anerkannt werden. Die für ein Austrittsrecht erforderliche Unzumutbarkeit des Verbleibs in der Gesellschaft kann jedoch in einer personalistischen Aktiengesellschaft vorliegen. Hier ist eine Unzumutbarkeit des Verbleibs in der Gesellschaft aufgrund der dort bestehenden engen persönlichen Verflechtungen denkbar. Letztlich muss jedoch immer eine Interessenabwägung im Einzelfall stattfinden. 303 Ausführlich zu den Wesensmerkmalen der personalistischen Aktiengesellschaft und dem besonderen Verhältnis ihrer Aktionäre untereinander, sowie zur Gesellschaft vgl. schon oben Kapitel III § 2 A.II.2.b)bb).
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cc) Subsidiarität Die freie Übertragbarkeit der Aktie als Wesensmerkmal des Aktienrechts steht einem Austrittsrecht aus der Gesellschaft in der Regel entgegen. Sind die Aktien der betroffenen Minderheitsgesellschafter frei übertragbar, so darf ein Austrittsrecht die grundsätzliche Konzeption des Gesetzgebers nicht aushebeln. Es sind jedoch durchaus Fälle denkbar, in denen ein Anteil zwar rechtlich frei veräußerbar ist, eine solche Veräußerung jedoch aufgrund niedriger Kurse wirtschaftlich nicht mehr sinnvoll ist. Zwar wird man auch das Kursrisiko grundsätzlich dem Anleger und nicht der Gesellschaft anlasten müssen. Doch muss sich das Verwertungsrisiko dann auf die Gesellschaft verlagern, wenn der Wertverlust auf eine Entscheidung zurückzuführen ist, die auf einem Beschluss der von der Mehrheit dominierten Hauptversammlung beruht. Allerdings wird man hier den Grad der Zumutbarkeit, bis zu dem der Aktionär gewisse Verluste bei freihändiger Veräußerung hinzunehmen hat, sehr hoch ansetzen müssen, um so dem anlagespezifischen Charakter der Aktie ausreichend Rechnung zu tragen. Daneben muss ein Austrittsrecht auch gegenüber innergesellschaftlichen und gerichtlichen Rechtsbehelfen subsidiär sein.304 Der Verbleib in der Gesellschaft ist einem Minderheitsaktionär dort zumutbar, wo er seine Interessen weiterhin durch die Ausübung von Minderheitsrechten geltend machen kann. Gerade das Aktienrecht hat hier eine ausdifferenzierte Regelung zum Schutz der Minderheitsaktionäre geschaffen.305 Dies gilt insbesondere für das Recht, in bestimmten Fällen eine Sonderprüfung verlangen zu können (vgl. §§ 142 Abs. 2, 258 Abs. 2, 260 Abs. 1 AktG) und die Klagerechte nach §§ 241 ff. AktG. Ein Austritt aus wichtigem Grund kommt hier nur als letztes Mittel in Betracht, wenn der Rückgriff auf eines dieser Rechte keinen Erfolg verspricht oder der Verweis auf eines dieser Rechte oder insbesondere auch auf eine langwierige und riskante Anfechtungsklage unzumutbar ist. Die Frage der Zumutbarkeit ist im Einzelfall anhand einer wertenden Betrachtung zu lösen. Eine Subsidiarität des Austrittsrechts scheidet aber im Ergebnis jedenfalls immer dort aus, wo der Verweis auf Minderheitenrechte nicht mehr sachgerecht und die freie Veräußerbarkeit der Mitgliedschaft aufgrund rechtlicher Beschränkungen ausgeschlossen ist.
304
So schon Schindler, Austrittsrecht, S. 92 f. Dazu Henn, Rechte des Aktionärs, S. 92 ff. Vgl. auch die Hervorhebung dieses Gedankens in der Begründung des Regierungsentwurfes zum AktG von 1965, in: Kropff, AktG, S. 14 ff. 305
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c) Vollzug und Rechtsfolgen des Austritts aa) Ausübung des Austrittsrechts Die Ausübung des Austrittsrechts ist grundsätzlich in zwei Varianten denkbar. Eine Möglichkeit besteht darin, eine einseitige formlose Austrittserklärung des Aktionärs ausreichen zu lassen, so wie es der heute vorherrschenden Auffassung beim Austritt aus der GmbH306 entspricht. Vorstellbar ist es auch, den Austritt an eine Gestaltungsklage zu binden, wie dies beim Ausschluss aus der GmbH307 und der Aktiengesellschaft308 aus wichtigem Grund für erforderlich gehalten wird. Mit den gleichen Gründen wie bei der GmbH wird man für die Ausübung des Austritts aus der Aktiengesellschaft eine einfache, formlose Erklärung genügen lassen können. Das Erfordernis der Gestaltungsklage beim Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund dient der Rechtssicherheit und damit dem Schutz des auszuschließenden Gesellschafters. Beim Austritt ist die Interessenlage jedoch eine andere: dem austrittswilligen Gesellschafter obliegt hier das Initiativrecht; er bedarf daher keines Schutzes. Auch zum Schutz der Gesellschaft bedarf es einer Austrittsklage nicht. Aufgrund der rechtlichen Verselbstständigung der Mitgliedschaft scheidet der Aktionär – im Übrigen wie der GmbH-Gesellschafter309 – mit der Austrittserklärung nicht automatisch aus der Gesellschaft aus. Vielmehr erwirbt er einen schuldrechtlichen Anspruch auf Abnahme seiner Anteile und Zahlung einer angemessenen Abfindung. Bestreitet die Gesellschaft das Vorliegen der Austrittsvoraussetzungen, kann sie die Durchführung des Austritts verweigern und gegebenenfalls auf Feststellung der Unwirksamkeit des Austritts klagen.310 Ein zwingendes Bedürfnis nach einer Austrittsklage, die im Übrigen auch zusätzliche Kosten und Zeitaufwand mit sich brächte, besteht daher nicht. Der austrittswillige Aktionär kann seinen Austritt daher durch einseitige und formlose Erklärung geltend machen.311 306 RGZ 128, 1, 17; OLG Hamm GmbHR 1993, 656, 657; Baumbach/Hueck GmbHG Anh. § 34 Rn. 20; Scholz/Winter GmbHG § 15 Rn. 122; K. Schmidt GesR § 35 IV 3 c; dies war jedoch zeitweise umstritten, vgl. die Darstellung in Schindler, Austrittsrecht, S. 93 f. 307 BGHZ 9, 157, 166; 16, 317, 322; Baumbach/Hueck GmbHG Anh. § 34 Rn. 8; Hachenburg/Ulmer GmbHG Anh. § 34 Rn. 19; Scholz/Winter GmbHG § 15 Rn. 138. 308 Friedewald, Die personalistische AG, S. 148; Becker ZGR 1986, 383, 406. 309 Hachenburg/Ulmer GmbHG Anh. § 34 Rn. 56; Scholz/Winter GmbHG § 15 Rn. 123. 310 Vgl. auch Schindler, Austrittsrecht, S. 94; vgl. zur GmbH K. Schmidt GesR § 35 IV 3 c. 311 So auch schon Schindler, Austrittsrecht, S. 93 f.
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bb) Durchführung des Austritts Hat der Aktionär seinen Austritt wirksam erklärt, so sind drei Gestaltungsalternativen zur Durchführung des Austritts denkbar: Die Gesellschaft kann die Aktien unter den Voraussetzungen der §§ 71 ff. AktG erwerben, die Aktien nach § 237 AktG unter Herabsetzung des Grundkapitals einziehen, oder die Veräußerung der Anteile an einen Mitaktionär oder einen außenstehenden Dritten vermitteln.312 Bei der Entscheidung über die Art der Durchführung handelt es sich um ein Grundlagengeschäft, über das gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 6 AktG nur die Gesellschafter im Rahmen einer außerordentlichen Hauptversammlung beschließen können.313 Die Durchführung des Austritts muss sich im Rahmen der zwingenden Vorschriften über die Kapitalerhaltung halten.314 Unproblematisch ist der Austritt in diesem Kontext lediglich dann, wenn er als Erwerbsgeschäft mit einem durch die Gesellschaft benannten Dritten ausgestaltet ist.315 Beim Erwerb eigener Aktien ist dagegen insbesondere das Rückzahlungsverbot des § 57 Abs. 1 Satz 1 AktG zu beachten.316 Im Rahmen einer ordentlichen Kapitalherabsetzung gem. § 237 Abs. 2 AktG findet die gläubigerschützende Vorschrift des § 225 Abs. 2 AktG Anwendung. Dies hat zur Folge, dass der Abfindungsanspruch erst nach einer Sperre von sechs Monaten fällig wird.317 d) Abfindung des ausscheidenden Aktionärs Mit der Austrittserklärung des Aktionärs entsteht neben dem Anspruch gegen die Gesellschaft auf Abnahme der Anteile auch der Anspruch auf Zahlung der Abfindung. Hinsichtlich der Fälligkeit des Abfindungsanspruches ergeben sich jedoch Unterschiede je nach Art des gewählten Verfahrens.318 Vermittelt die Gesellschaft die Veräußerung der Aktien an einen Dritten oder erwirbt die Gesellschaft die Anteile gemäß § 71 Abs. 1 Nr. 3 AktG selbst, so tritt Fälligkeit im Zeitpunkt der dinglichen Übereignung ein. Werden die 312
Dazu ausführlich Schindler, Austrittsrecht, S. 94 ff. So schon Schindler, Austrittsrecht, S. 95. 314 Dazu ausführlich Schindler, Austrittsrecht, S. 102 ff. 315 Hier vollzieht sich die Durchführung des Austritts außerhalb der Gesellschaft und die Kapitalschutzvorschriften werden nicht berührt. 316 Vgl. zu den Voraussetzungen der verbotenen Einlagenrückgewähr: Hüffer AktG § 57 Rn. 8 ff.; Lutter in Kölner Komm zum AktG § 57 Rn. 15 ff. 317 Dieser Nachteil für den ausscheidenden Aktionär entfällt jedoch bei der Einziehung im Wege des vereinfachten Verfahrens, vgl. § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG. Hier findet § 225 Abs. 2 AktG keine Anwendung, da die Zahlung der Abfindung aus ungebundenen Mitteln erfolgt. 318 Dazu schon Schindler, Austrittsrecht, S. 105 f. 313
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Anteile des austretenden Aktionärs dagegen eingezogen, so ist wiederum danach zu differenzieren, ob die Einziehung im Rahmen einer ordentlichen Kapitalherabsetzung, § 237 Abs. 2 AktG, oder im Rahmen des vereinfachten Verfahrens nach § 237 Abs. 3 Nr. 2 AktG erfolgt. Im Falle des vereinfachten Verfahrens tritt die Fälligkeit zum Zeitpunkt des Einziehungsbeschlusses, im Falle des Verfahrens nach § 237 Abs. 2 AktG jedoch erst nach Ablauf der sechsmonatigen Sperrfrist des § 225 Abs. 2 AktG ein. Als Abfindung steht dem ausscheidenden Aktionär der volle Verkehrswert seiner Beteiligung an der Gesellschaft zu. Hier gelten dieselben Grundsätze wie bei der Bestimmung der angemessenen Abfindung im Rahmen des § 327b AktG, so dass auf das diesbezügliche Kapitel verwiesen werden kann.319 III. Ergebnis Ein allgemeines Austrittsrechts in Analogie zu aktien- und umwandlungsrechtlichen Vorschriften bei Existenz eines 95%-Hauptaktionärs scheidet mangels vergleichbarer Interessenlage aus. Doch ist ein ungeschriebenes außerordentliches Austrittsrecht aus der Aktiengesellschaft als Fall des allgemeinen Lösungsrechts grundsätzlich anzuerkennen. Dies ist Ausprägung des Grundsatzes, dass es jedem Verbandsmitglied möglich sein muss, sich unter bestimmten Voraussetzungen wieder von seinem Verband zu lösen. Die Existenz eines solchen Austrittsrechts aus wichtigem Grund ist im Aktienrecht, anders als die eines ordentlichen Austrittsrechts, grundsätzlich anzuerkennen. Materiell setzt dieses Austrittsrecht voraus, dass dem Minderheitsaktionär der Verbleib in der Gesellschaft unzumutbar ist und er aufgrund statutarischer, schuldrechtlicher oder faktischer Veräußerungsbeschränkungen keinerlei Möglichkeit hat, sich auf andere Weise als durch Austritt von der Gesellschaft zu lösen. Ein Vorliegen dieser Voraussetzungen ist insbesondere im Falle der personalistischen Aktiengesellschaft denkbar, in der besondere Interessenverflechtungen und enge persönliche Beziehungen den Erhalt der Mitgliedschaft in Kenntnis der Unmöglichkeit der Durchsetzbarkeit eigener Interessen unzumutbar machen. Eine Unzumutbarkeitsprüfung wird sich jedoch letztlich immer am Einzelfall orientieren müssen.
C. Beschränkung auf börsennotierte Aktiengesellschaften Der Anwendungsbereich der §§ 327a ff. AktG wurde vielfach als zu weit kritisiert.320 Teilweise wurde daher vorgeschlagen, den Squeeze-out auf börsennotierte Gesellschaften im Sinne von § 3 Abs. 2 AktG zu beschrän319
Siehe unten Kapitel III § 3 D.
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ken und ihn darüber hinaus von einem vorangegangenen Übernahme- oder Pflichtangebot abhängig zu machen.321 Im Folgenden soll untersucht werden, ob, und wenn ja aus welchen Gründen, ein solcher Vorschlag zu begrüßen oder abzulehnen ist. I. Meinungsstand 1. Beschränkung auf börsennotierte Gesellschaften Hauptpfeiler der Argumentation für eine Beschränkung der Squeeze-outRegelung auf börsennotierte Aktiengesellschaften sind im Wesentlichen zwei Argumente: Zum einen wird vorgetragen, dass es sich beim Squeezeout um ein kapitalmarktrechtliches Phänomen handele, dass keinerlei Bezug zu kapitalmarktfernen Gesellschaften in sich trage.322 Zum anderen wird – damit zusammenhängend – vorgebracht, dass die Trennlinie im Kapitalgesellschaftsrecht nicht mehr, wie zu Zeiten der Schaffung des Aktiengesetzes, zwischen AG und GmbH zu ziehen sei. Diese Trennlinie verlaufe heute vielmehr zwischen kapitalmarktaktiven und kapitalmarktfernen Gesellschaften.323 Der Squeeze-out sei insbesondere deshalb als kapitalmarktrechtliche Regelung anzusehen, weil er als unmittelbare Konsequenz der Angebotspflicht des WpÜG und als Mittel eines bevorstehenden Rückzugs von der Börse geschaffen worden sei.324 Er sei auf Fälle zugeschnitten, in denen sich der Aktionärskreis einer Gesellschaft, deren Aktien sich vormals in breitem Streubesitz befanden, immer mehr verkleinert hat, so dass eine ehemals sinnvolle wirtschaftliche Gestaltung nunmehr ihren Sinn verloren habe.325 Bei einer kapitalmarktfernen Gesellschaft sei ein solches Gestaltungsmittel jedoch nicht notwendig, da keine große Fluktuation von Anlegern zu erwarten sei.326 Auch habe die Gesellschaft von vorneherein gewusst, worauf sie sich – bezogen auf Kosten und Aufwand – einlasse.327 Doch auch in anderer Hinsicht unterschieden sich kapitalmarktaktive von kapitalmarktfernen Gesellschaften. Die Aktionäre hätten sich bei dem Erwerb von Aktien einer kapitalmarktfernen Gesellschaft wie bei einer GmbH 320 Bolte DB 2001, 2587 f.; Drygala AG 2001, 291, 298; Fleischer ZGR 2002, 757, 770 ff.; Habersack ZIP 2001, 1230, 1234 f. 321 Fleischer ZGR 2002, 757, 770 ff.; Habersack ZIP 2001, 1230, 1234 f. 322 Habersack ZIP 1230, 1235. 323 Fleischer ZGR 2002, 757, 770 f. 324 Habersack ZIP 1230, 1235. 325 Drygala AG 2001, 291, 298. 326 Habersack ZIP 2001, 1230, 1235. 327 Drygala AG 2001, 291, 298.
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auf eine „gesellschaftsrechtlich geprägte Mitgliedschaft eingelassen, die von gegenseitigen Treuepflichten und Bestandsschutz gekennzeichnet“328 sei. Und auch in der GmbH würden Hinauskündigungsregeln seit jeher vehement bekämpft.329 Den Anteilseignern einer kapitalmarktfernen Aktiengesellschaft sei daher ein erhöhter Vertrauensschutz zu gewähren, die Anwendung der Squeeze-out-Regelung auf diese sei auch aus diesem Grund abzulehnen.330 Schließlich sei auch in anderen europäischen Rechtsordnungen der Squeeze-out als rein kapitalmarktrechtliche Maßnahme ausgestaltet. Sowohl im französischen, als auch im italienischen und schweizerischen Recht sei der Squeeze-out nur bei börsennotierten Gesellschaften und auch nur im Anschluss an ein öffentliches Übernahmeangebot möglich.331 Auch dies spreche für eine Beschränkung der deutschen Squeeze-out-Regelung.332 2. Erstreckung auf nicht börsennotierte Gesellschaften Die weit überwiegende Auffassung in der Literatur erachtet die Erstreckung der deutschen Squeeze-out-Regelung auf nicht börsennotierten Gesellschaften jedoch als legitim.333 Die Nachteile einer Minderheitsbeteiligung träfen eine Aktiengesellschaft unabhängig von einer Börsennotierung. Auch könnten diese Nachteile mit den ansonsten zur Verfügung stehenden konzernrechtlichen Mitteln nicht gänzlich beseitigt werden.334 Ein Bedürfnis für eine „Bereinigung der Aktionärsstruktur“ bestehe gerade dort, wo sich eine ehemals börsennotierte Aktiengesellschaft von der Börse zurückgezogen habe.335 Auch lasse allein eine fehlende Börsennotierung nicht den Rückschluss zu, bei der betroffenen Gesellschaft handele es sich um eine personalistisch 328
Habersack ZIP 2001, 1230, 1235. Vgl. Hachenburg/Ulmer, GmbHG, § 34 Rn. 43; Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG, § 34 Rn. 8; Lutter/Hommelhoff, GmbHG § 34 Rn. 18; Scholz/Westermann, GmbHG § 34 Rn. 16; Goette, GmbH, § 6 Rn. 14. 330 Fleischer ZGR 2002, 757, 770 f.; Habersack ZIP 2001, 1230, 1235. 331 Dies trifft in der Tat zu. Einen Überblick über den Squeeze-out im europäischen Ausland findet man bei: Hamann, Squeeze-out, S. 40 ff.; Sieger/Hasselbach NZG 2001, 926 ff. 332 Fleischer ZGR 2002, 757, 771. 333 Haarmann/Schüppen, Frankfurter Komm zum WpÜG, vor § 327a Rn. 4, 7; Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG, § 327a Rn. 21; Hamann, Squeeze-out, S. 184 ff.; Gesmann-Nuissl WM 2002, 1205 f.; Grunewald ZIP 2002, 18, 21 f.; Krieger BB 2002, 53, 55; Vetter AG 2002, 176, 184 f. 334 Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327a Rn. 21. 335 Gesmann-Nuissl WM 2002, 1205. 329
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geprägte Gesellschaft mit geschlossenem Aktionärskreis, in der verstärkte Treubindungen einen Ausschluss nicht zuließen. Nicht wenige Gesellschaften, deren Aktien im Freiverkehr gehandelt würden und deren Kapital oftmals seit vielen Jahren zu über 95% in der Hand eines Mehrheitsaktionärs liege, seien bedeutende Wirtschaftskonzerne.336 Für den Fall, dass in einer personalistisch geprägten Gesellschaft mit geschlossenem Aktionärskreis ein Ausschlussrecht des Mehrheitsaktionärs nicht gewünscht sei, könne dies ohnehin durch entsprechende Satzungsvorschriften oder (konsortial-)vertragliche Regelungen ausgeschlossen werden.337 Eine generelle Nichtanwendbarkeit der Squeeze-out-Regelungen auf personalistisch geprägte Aktiengesellschaften ergebe sich aus den dort stärkeren Treuepflichten jedoch nicht.338 II. Stellungnahme Eine Beschränkung der Squeeze-out-Regelungen auf börsennotierte Gesellschaften ist abzulehnen. Der Gesetzgeber hat das Recht zum Ausschluss von Minderheitsaktionären bewusst nicht als kapitalmarktrechtliche Maßnahme im WpÜG geregelt, sondern ausdrücklich als gesellschaftsrechtliches Instrument bezeichnet339 und im Aktiengesetz verortet. Die Nachteile einer Minderheitsbeteiligung können eine nicht börsennotierte ebenso wie eine börsennotierte Aktiengesellschaft treffen. Der Ausschluss der Minderheitsaktionäre kann daneben bei kapitalmarktfernen Gesellschaften ebenso wirtschaftlich sinnvoll sein wie bei kapitalmarktaktiven Gesellschaften. Auch sprechen gute Gründe für eine Entkoppelung des Ausschlussrechts von einem vorangegangenem Übernahme- und Pflichtangebot. Schließlich kann den Besonderheiten bei personalistisch geprägten Aktiengesellschaften durch individuelle Satzungsvorschriften und schuldrechtliche Gestaltungsmittel ausreichend Rechnung getragen werden. Die gesetzliche Regelung der §§ 327a ff. AktG ist daher jedenfalls in der Weite ihres Anwendungsbereiches nicht zu bemängeln. 336 Als Beispiele nennt Vetter AG 2002, 176, 184: ABB, Alcatel SEL, Audi, Ford-Werke, Nestlé und die Volksfürsorge (entnommen der Übersicht von Reimer, Wirtschaftswoche Nr. 22 vom 24.05.2001, S. 170). 337 Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327a Rn. 21; Gesmann-Nuissl WM 2002, 1206; Grunewald ZIP 2002, 18, 22. 338 Hamann, Squeeze-out, S. 185 f. 339 Begründung des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung, BR-Drs. 574/01, S. 73.
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1. Vergleichbarkeit der Ausgangssituation unabhängig von einer Börsennotiz Die Nachteile einer Minderheitsbeteiligung können eine nicht börsennotierte ebenso wie eine börsennotierte Aktiengesellschaft treffen. Eine fehlende Börsennotiz sagt nicht notwendigerweise etwas über die Größe und wirtschaftliche Bedeutung eines Unternehmens und die reale Anzahl seiner Minderheitsaktionäre aus.340 Die Versammlungsformalien der §§ 121–128 AktG müssen in einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft genauso eingehalten werden wie in der börsennotierten Gesellschaft. Erleichterungen gelten hier allein für die „kleine AG“.341 Auch „lästige“ und unternehmerische Entwicklungen verzögernde Anfechtungsklagen von Minderheitsaktionären treten in nicht börsennotierten Gesellschaften ebenso auf wie in börsennotierten.342 Dies gilt im Übrigen auch unabhängig von der Größe des nicht börsennotierten Unternehmens. In einer personalistisch geprägten Aktiengesellschaft werden zwar in aller Regel die Erleichterungen für die „kleine AG“ greifen. Doch können auch einige wenige „Querulanten“ die unternehmerische Initiative der Gesellschaft hemmen.343 Daneben treffen die aus der Beachtung zwingender minderheitsschützender Normen entstehenden Kosten börsennotierte wie nicht börsennotierte Unternehmen, Publikums-Gesellschaften ebenso wie personalistisch geprägte Gesellschaften. Minderheitenbedingter Aufwand und Kosten können dabei in Gesellschaften mit nur einem Dutzend Mitgliedern natürlich geringer ausfallen als in großen Publikums-Gesellschaften, die Millionen von Aktien ausgegeben haben. Das Verhältnis der minderheitsbedingten Kosten zum Umsatz wird sich dabei aber in der Regel in der Waage halten. Der vom Gesetzgeber mit der Einführung des Squeeze-out verfolgte Zweck, die unternehmerische Initiative und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland zu fördern, kann mit einem Squeeze-out bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften ebenso erreicht werden wie bei börsennotierten Gesellschaften. Im internationalen Wettbewerb haben die allgemeinen wirtschaftlichen, steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen des Standorts erhebliche Bedeutung. Die Fähigkeit, schnell und flexibel auf Veränderungen 340
Vgl. Vetter AG 2002, 176, 184 mit weiteren Nachweisen. Vgl. z. B. § 121 Abs. 4 AktG. Dazu ausführlich Seibert/Kiem, Die kleine AG. 342 Vetter AG 2002, 176, 184 geht sogar davon aus, dass sich diese Situation infolge der Vorschläge des Berichts der Regierungskommission Corporate Governance vom Sommer 2001 (vgl. Baums, Kommissionsbericht Corporate Governance – Unternehmensführung – Unternehmenskontrolle – Modernisierung des Aktienrechts, 2001) durch zusätzliche Anforderungen an die Gesellschaften noch verstärken wird. 343 Einen interessanten Blick in die Praxis „räuberischer Aktionäre“ bietet hier Jahn BB 2005, 5 ff. 341
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von Markt und Wettbewerb zu reagieren, gehören ebenso hierzu wie die Fähigkeit, grenzüberschreitende Unternehmenskooperationen durchzuführen.344 Teilweise kann die Möglichkeit einer vollständigen Übernahme Voraussetzung für die Investition eines ausländischen Interessenten sein. Wirtschaftsförderung in diesem Sinne kann aber nicht nur auf börsennotierte Gesellschaften beschränkt werden, sondern muss gesamtwirtschaftlich gelten. 2. Entkoppelung von vorangegangenem Übernahme- oder Pflichtangebot Der mit dem Squeeze-out verfolgte Zweck der Wirtschaftsförderung spricht gleichfalls für die Entkoppelung des Ausschlussrechts von einem vorangegangenem Übernahme- oder Pflichtangebot nach dem WpÜG. Ein praktisches Bedürfnis nach einem Ausschlussrecht besteht unabhängig von Zeitpunkt und Art des Beteiligungserwerbs durch den Hauptaktionär. Eine Situation, welche die unternehmerische Entscheidung für die Durchführung eines Squeeze-outs wirtschaftlich sinnvoll erscheinen lässt, kann, muss aber nicht, unmittelbar nach Erreichen der Beteiligungsschwelle im Rahmen eines Übernahme- oder Pflichtangebots eintreten. Dem Ausschlussrecht in diesem Punkt eine (willkürliche) Grenze zu ziehen, würde bedeuten, die unternehmerische Initiative unnötig zu hemmen. Zwar mag die gesetzliche Regelung in Zusammenhang mit dem WpÜG erlassen worden sein, doch sind die heutigen §§ 327a ff. AktG gerade auch aus dem eben genannten Grund in das Aktiengesetz eingefügt worden. 3. Besonderheiten bei personalistisch geprägten Gesellschaften Den Besonderheiten personalistisch geprägter Aktiengesellschaften kann im Einzelfall durch entsprechende Satzungsbestimmungen und schuldvertragliche Gestaltungsmittel ausreichend Rechnung getragen werden. Ein geschlossener Aktionärskreis und die enge persönliche Bindung an die Gesellschaft können gesamtwirtschaftlich gesehen die generelle Ausnahme solcher Gesellschaften aus den §§ 327a ff. AktG nicht rechtfertigen. Das Interesse eines Minderheitsaktionärs am Erhalt seiner Mitgliedschaft in einer personalistisch geprägten Aktiengesellschaft mag über das eines reinen Kapitalgebers hinausgehen.345 Dennoch kann allein dieses Interesse 344
Vetter AG 2002, 176, 184. In einer personalistisch geprägten AG ist der Gesellschafter häufig durch familiäre oder berufliche Bindungen persönlich mit dem Schicksal der Gesellschaft verbunden. Dazu ausführlich schon oben Kapitel III § 2 A.II.2.bb). Zur personalistischen AG Friedewald, Die personalistische AG, S. 14 ff. 345
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nicht grundsätzlich gegenüber dem mit dem Squeeze-out verfolgten Zweck der Förderung der unternehmerischen Initiative überwiegen. Hier kann dem Schutz der Minderheitsaktionäre durch eine Abwägung der Interessen im Einzelfall genüge getan werden. Im Einzelfall kann dann die Treuepflicht des Hauptaktionärs einem Ausschluss des Minderheitsaktionärs aus einer personalistisch geprägten Aktiengesellschaft entgegenstehen.346 Der Minderheitsaktionär ist so im Einzelfall hinreichend vor einem unverhältnismäßigen Ausschluss aus der Gesellschaft geschützt. Sind die Mitglieder einer personalistisch geprägten Aktiengesellschaft an einem Ausschluss des Rechts zum Squeeze-out interessiert, so kann ein solcher durch entsprechende Satzungsbestimmungen oder (konsortial-)vertragliche Regelungen vereinbart werden. In einer Gesellschaftsform, in der in der Regel zahlreiche statutarische und schuldrechtliche Maßnahmen getroffen werden, um den Einfluss der Gründungsgesellschafter und gegebenenfalls derer Erben auf die Gesellschaft zu sichern, stellt dies keinen unzumutbaren Aufwand dar. So kann ein Ausschluss einzelner Aktionäre zum Beispiel durch die Festlegung einer besonders hohen Mehrheit für den Hauptversammlungsbeschluss über den Squeeze-out in der Satzung verhindert werden.347 Auch schuldrechtliche Vereinbarungen der Aktionäre untereinander über den Verzicht auf die Ausübung des Ausschlussrechts sind möglich. Gegebenenfalls kann ein Vertragsbruch mit einer besonderen – über die gesetzliche Regelung hinaus gehenden – Entschädigungspflicht belegt werden. Auch die Zulassung des Squeeze-out unter Gewährung einer zuvor vereinbarten, über die gesetzliche Regelung hinausgehenden Entschädigung ist denkbar.348 III. Ergebnis Die Nachteile einer Minderheitsbeteiligung können alle Arten von Aktiengesellschaften gleichermaßen treffen. Der mit dem Squeeze-out verfolgte Zweck der Wirtschaftsförderung kann nur dann umfassend verfolgt werden, wenn das Ausschlussrecht grundsätzlich für alle Aktiengesellschaften und dabei auch unabhängig von Art und Zeitpunkt des Erreichens der Beteiligungsschwelle durch den Hauptaktionär gilt. Den Besonderheiten personalistisch geprägter Aktiengesellschaften kann anderweitig Rechnung getragen werden. Im Ergebnis kann daher die Kritik an dem weiten Anwendungsbereich der §§ 327a ff. AktG von dieser Seite nicht geteilt werden. Eine Begrenzung des Anwendungsbereichs auf börsennotierte Gesellschaften ist daher abzulehnen. 346 347 348
Dazu ausführlich unten Kapitel III § 3 C.II. So schon Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG, § 327a Rn. 21. Vgl. Gesmann-Nuissl WM 2002, 1205, 1206.
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§ 3 Einzelfragen Neben den Abstimmungsproblemen zum allgemeinen Gesellschaftsrecht werfen die §§ 327a–f AktG eine Vielzahl von Einzelfragen auf. Im Weiteren werden Fragen der Behandlung bedingter Aktienbezugsrechte beim Squeeze-out, des Beschlusserfordernisses, der materiellen Rechtmäßigkeitskontrolle, der Abfindungsbemessung und des Rechtsschutzes erörtert. Im Anschluss wird auf die steuerrechtlichen Folgen des Ausschlusses für den Minderheitsaktionär und die Besonderheiten beim Ausschluss von Minderheitsaktionären aus der KGaA eingegangen.
A. Behandlung bedingter Aktienbezugsrechte beim Squeeze-out Bestehen zum Zeitpunkt des Squeeze-out-Verlangens des Hauptaktionärs noch nicht ausgeübte bedingte Aktienbezugsrechte in Form von Aktienoptionen oder Wandelschuldverschreibungen, so stellen sich in diesem Zusammenhang zwei interessante Fragen: Zum einen kann man darüber nachdenken, ob die Existenz bedingter Aktienbezugsrechte einem Squeeze-out grundsätzlich entgegensteht, mit der Folge, dass ein Ausschlussverfahren nach den §§ 327a ff. AktG erst nach dem Auslauf der Bezugsprogramme durchgeführt werden könnte. Zum anderen stellt sich für den Fall, dass man die Zulässigkeit des Squeeze-out in dem eben genannten Fall grundsätzlich bejaht, die Anschlussfrage, wie sich die Durchführung eines Ausschlussverfahrens auf die bestehenden Aktienbezugsrechte auswirkt. Das Gesetz beantwortet keine der beiden Fragen.349
I. Bedingte Aktienbezugsrechte: Aktienoptionen und Wandelschuldverschreibungen Aktienoptionen und Wandelschuldverschreibungen (§ 221 AktG) vermitteln ihren Inhabern bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einen be349 Teilweise wird sogar vermutet, dass sie bei der Schaffung der §§ 327a ff. AktG bewusst offen gelassen wurden. Vgl. Wilsing/Kruse ZIP 2002, 1465, die entsprechende Rückschlüsse aus der Stellungnahme des DAV-Handelsrechtsausschlusses zum WpÜG ziehen (NZG 2001, 420, 431), in der es heißt: „Es spricht viel dafür, dass die Anwendung der Ausschließungsregeln auf bestehende Optionsrechte keiner ausdrücklichen Regelung bedarf, sondern nach den Leitlinien der BGH-Entscheidung [BGH ZIP 1998, 560 f. („Siemes/Nixdorf“)] durch eine analoge Anwendung bewältigt werden kann.“
§ 3 Einzelfragen
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dingten Anspruch auf „Verschaffung von Aktien“.350 Zur Erfüllung dieses Aktienverschaffungsanspruchs wird dabei in der Regel eine bedingte Kapitalerhöhung nach §§ 192 ff. AktG durchgeführt.351 Möglich, in der Praxis aber selten, ist auch eine Bedienung aus zuvor zurückgekauften eigenen Aktien.352 Treten die Bezugsvoraussetzungen als Folge einer bedingten Kapitalerhöhung ein, so steht es dem Inhaber des Bezugsrechts offen, dieses durch schriftliche Bezugserklärung ausüben.353 So kann er eine in den Bezugsbedingungen vereinbarte Menge von Aktien zu einem bestimmten, vorher festgelegten Preis beziehen. Mit der Ausgabe der Aktien durch den Vorstand, vgl. § 199 AktG, ist das Grundkapital gem. § 200 AktG erhöht. Die nach § 201 AktG erforderliche Anmeldung zum Handelsregister hat nur noch deklaratorische Bedeutung.354
II. Meinungsstand zur Behandlung bedingter Aktienbezugsrechte Weitgehende Einigkeit besteht in der Literatur darüber, dass zum Zeitpunkt des Verlangens des Hauptaktionärs noch nicht ausgeübte Bezugsrechte bei der Berechung der Beteiligungsschwelle in Höhe von 95% des Grundkapitals nicht zu berücksichtigen sind.355 Dem hält Hasselbach entgegen, der Hauptaktionär dürfe den Ausschluss der Minderheitsaktionäre dann nicht durchführen können, wenn die übrigen Aktionäre der Gesellschaft zumindest potentiell eine die gesetzliche Grenze (weit) übersteigende Beteiligung hielten. In diesem Fall gebiete der Minderheitenschutz eine zurückhaltende Anwendung des § 327a AktG.356 Der Bundesgerichtshof hat dagegen in einem vergleichbaren Fall im Zusammenhang mit Überlegungen zu der Frage, was mit Options- und Wandlungsrechten bei einer Einglie350 So die sehr plastische Definition von Wilsing/Kruse in ZIP 2002, 1465. Dieser „Aktienverschaffungsanspruch“ ist eigentlich ein Anspruch gegen die AG auf Abschluss eines Zeichnungsvertrages, der die AG verpflichtet, dem Bezugsrechtsinhaber Mitgliedschaftsrechte im vereinbarten Umfang zuzuteilen, vgl. Hüffer, AktG, § 198 Rn. 4; Lutter in Kölner Komm zum AktG, § 197 Rn. 5. 351 Wilsing/Kruse ZIP 2002, 1465. 352 § 71 Abs. 1 Nr. 2 bzw. Nr. 8 AktG. Dazu ausführlich: Roschmann/Erwe in Harrer, Aktienoptionsprogramme, Rn. 188 ff. 353 § 198 Abs. 1 Satz 1 AktG. 354 Hüffer, AktG, § 201 Rn. 2. 355 Geßler, AktG § 327a Rn. 13; Grzimek in Geibel/Süßmann, WpÜG; § 327a Rn. 42; Gesmann-Nuissl WM 2002, 1205, 1206 ff.; Grunewald ZIP 2002, 18; Krieger BB 2002, 53, 61; Wilsing/Kruse ZIP 2002, 1465, 1467. 356 Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG, § 327a Rn. 34; im Ergebnis ebenso, jedoch ohne nähere Begründung Sieger/Hasselbach ZGR 2002, 120, 137 u. 150.
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
derung geschieht, die Frage ihrer Berücksichtigung bei der Berechnung der Grundkapitalziffer noch nicht einmal in Erwägung gezogen.357 In der Literatur umstritten ist dagegen die Frage, wie sich die Durchführung eines Squeeze-outs auf bereits bestehende bedingte Aktienbezugsrechte auswirkt. Der BGH hat im Jahre 1998 einen ähnlichen Fall in Zusammenhang mit einer Mehrheitseingliederung entschieden.358 In diesem Urteil führt der BGH aus, dass jedenfalls solche Rechte, die einen bedingten Bezugsrechtsanspruch auf Aktien vermitteln, „die sich auf nicht mehr als 5% des Grundkapitals beziehen“, bei einer späteren Ausübung des Optionsrechts analog §§ 320a, 320b Abs. 1 AktG erlöschen. Sie fänden ihre Fortsetzung in einem entsprechenden Abfindungsanspruch gegen die Hauptgesellschaft.359 Nach dem Willen des Gesetzgebers solle die Eingliederung nicht daran scheitern, dass noch Minderheitsaktionäre vorhanden sind. Aus diesem Grund sei das Modell der Mehrheitseingliederung unter Abfindung der Minderheitsaktionäre in Aktien der Hauptgesellschaft wegen des vergleichbaren Interessenkonflikts auf Optionsrechte entsprechend anwendbar. Dabei könne dahinstehen, ob den Optionsrechten ein mitgliedschaftsähnlicher Charakter beizumessen sei oder nicht; jedenfalls fehle es an einer „inneren Berechtigung“. Dem Optionsrecht auf Erwerb einer aktienrechtlichen Mitgliedschaft könne kein größerer Bestandsschutz eingeräumt werden als der aktienrechtlichen Mitgliedschaft selbst. Der BGH führt weiter aus, dass der Optionsinhaber auch regelmäßig kein anerkennenswertes Interesse an dem Erwerb von Aktien der eingegliederten Gesellschaft habe. Diese würde er ohnehin alsbald wieder verlieren.360 Wirtschaftlich seien solche Aktien weitgehend entwertet. Ihr Gewinnpotential könne durch die Hauptgesellschaft beliebig gesteuert werden. Auch finde ein Handel in diesen Aktien ohnehin nicht mehr statt. Ihre Veräußerung käme allenfalls noch auf privater Ebene bis zu einer erneuten Eingliederung in Betracht. Ein dennoch geäußerter Wunsch des Optionsrechtsinhabers auf Erwerb von Aktien der eingegliederten Gesellschaft sei daher in aller Regel mit der grob eigennützigen Erwartung verbunden, dass sich die Gesellschaft zu einer Leistung an ihn bereit finde, auf die er keinen Anspruch habe und die er nach Treu und Glauben auch nicht verlangen könne.361 357
BGH ZIP 1998, 560 f. (Siemens/Nixdorf); dazu Noack EWiR 1998, 483. BGH ZIP 1998, 560 f.; dazu Henze BB 2000, 2059 f. 359 BGH ZIP 1998, 560 f.; dazu Henze BB 2000, 2059 f.; zur rechtlichen Behandlung von Options- und Wandlungsrechten anlässlich der Eingliederung der verpflichteten Gesellschaft vgl. ausführlich auch Martens, AG 1992, 209 ff., auf den auch der BGH in eben genanntem Urteil mehrfach Bezug nimmt. 360 BGH ZIP 1998, 560, 561. 361 BGH ZIP 1998, 560, 561; dies entspricht auch der überwiegenden Auffassung in der Literatur zur Behandlung bedingter Aktienbezugsrechte bei der Einglie358
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Die Frage, ob dies auch in Fällen gelten soll, in denen sich bestehende bedingte Aktienbezugsrechte auf mehr als 5% des Grundkapitals beziehen, hat der BGH in dieser Entscheidung nicht beantwortet. Nach den Berichten des Vorsitzenden Richters am zuständigen II. Zivilsenat Röhricht hat der BGH aber bei 5% des Grundkapitals die im Urteil mangels Entscheidungserheblichkeit nicht erwähnte Grenze gesehen, bis zu der bestehende bedingte Aktienbezugsrechte einer Mehrheitseingliederung unter Abfindung auch der Optionsrechtsinhaber nicht entgegenstehen.362 Von der Mehrheit der Stimmen in der Literatur wird gefordert, diese zur Mehrheitseingliederung ergangene Entscheidung des BGH auf den Squeezeout zu übertragen. Dementsprechend wird vertreten, dass sich bestehende Aktienbezugsrechte mit Wirksamkeit des Squeeze-out ebenso wie die Mitgliedschaftsrechte der ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre in einen Barabfindungsanspruch umwandeln.363 Dem wird entgegengehalten, dass der Squeeze-out trotz gewisser Ähnlichkeiten mit der Mehrheitseingliederung nicht vergleichbar sei.364 Die Umwandlung des Bezugsrechts in einen Abfindungsanspruch sei bei der Mehrheitseingliederung deshalb gerechtfertigt, weil die Eingliederung durch ihre Ausübung ansonsten nach § 327 AktG beendet werde und die Rückabwicklung aller Rechtsgeschäfte zu größeren Vermögenseinbussen führen würde. Vergleichbare Folgen und Kosten träten bei einem Squeeze-out aber nicht ein, da es eine zweite Gesellschaft, mit der es wie bei der Mehrheitseingliederung zu Verflechtungen komme, nicht gebe.365 Auch könne ein Squeezeout bei Bedarf – anders als die Mehrheitseingliederung, die ein einmaliges Ereignis sei – ein weiteres Mal durchgeführt werden; dann, um die durch Ausübung ihres Optionsrechts neu hinzugekommenen Aktionäre auszuschließen. Diese Möglichkeit entfiele nur, wenn die ausgeübten bedingten Aktienbezugsrechte mehr als 5% des Grundkapitals ausmachten.366 derung, vgl. Karollus in Geßler/Hefermehl, AktG, § 221 Rn. 198; Grunewald in MüKo AktG § 320b Rn. 13; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 320b Rn. 8; Hüffer AktG § 320b Rn. 4; Emmerich/Sonnenschein, Konzernrecht, § 7 II 6 c; Martens AG 1992, 209 ff., Noack EWiR 1998, 483, 484. 362 Röhricht in: Gesellschaftsrecht in der Diskussion, 1999, S. 1, 10. 363 Geßler, AktG, § 327a Rn. 13; Grzimek in Geibel/Süßmann, WpÜG, § 327e Rn. 31 ff.; Hüffer AktG § 327b Rn. 3; Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG, § 327e Rn. 21 ff.; Hamann, Squeeze-out, S. 189 f.; DAV NZG 2001, 420, 431; Ehricke/Roth DStR 2001, 1120, 1122; Halm NZG 2000, 1162, 1165; Krieger BB 2002, 53, 61; Wilsing/Kruse ZIP 2002, 1465, 1468 ff. 364 Baums, Ausschluss von Minderheitsaktionären, S. 156 ff.; ders. WM 2001, 1843, 1848; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 327e Rn. 33. 365 Baums WM 2001, 1843, 1848. 366 Baums, Ausschluss von Minderheitsaktionären, S. 156 ff.; ders. WM 2001, 1843, 1848; dem folgend: Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 327e Rn. 33.
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III. Stellungnahme 1. Berücksichtigung noch nicht ausgeübter Bezugsrechte bei der Berechnung der Beteiligungsschwelle? Zutreffend ist zunächst, dass zum Zeitpunkt der Durchführung des Squeeze-out noch nicht ausgeübte Aktienoptionsrechte und Wandelschuldverschreibungen bei der Berechnung der für den Ausschluss der Minderheitsaktionäre erforderlichen Beteiligung in Höhe von 95% nicht zu berücksichtigen sind. Dafür sprechen nicht nur Rechtssicherheitsgesichtspunkte, sondern auch der Wortlaut des § 327a AktG. Gemäß § 200 AktG ist das Grundkapital bei der bedingten Kapitalerhöhung erst mit der Ausgabe der Bezugsaktien durch den Vorstand erhöht. Die Berücksichtigung noch nicht ausgegebener Aktien steht daher schon dem Wortlaut des § 327a AktG entgegen. Möglich ist es auch, ausgeübte, aber noch nicht bediente Aktienbezugsrechte zu berücksichtigen, da hier der Betrag der Grundkapitalerhöhung bereits feststeht und sich das (zukünftige) Beteiligungsverhältnis von Mehrheits- und Minderheitsaktionären feststellen lässt.367 Anders gestaltet sich die Rechtslage jedoch bei noch nicht ausgeübten bedingten Aktienbezugsrechten. Zum Zeitpunkt der Durchführung des Squeezeouts ist noch nicht bekannt, ob und gegebenenfalls wann die Bezugsbedingungen eintreten. Selbst für den Fall, dass man das zukünftige Eintreten der Bezugsbedingungen voraussetzt, ist unklar, in welchem Umfang die Inhaber von Aktienoptionen und Wandelschuldverschreibungen von ihren Bezugsrechten Gebrauch machen. Der Betrag der hypothetischen späteren Erhöhung des Grundkapitals ist daher zum Zeitpunkt der Durchführung des Squeeze-out schon praktisch nicht bestimmbar. Eine Berücksichtigung der noch nicht ausgeübten Aktienoptionsrechte und Wandelschuldverschreibungen im Rahmen der Berechnung der für den Squeeze-out erforderlichen Beteiligungsschwelle scheidet daher auch aus diesem Grund aus.368 Dem steht auch nicht entgegen, dass die begebenen, aber noch nicht ausgeübten Bezugsrechte potentiell die 5%-Grenze überschreiten könnten.369 Bei der Berechnung der Grundkapitalziffer stellt das Gesetz allein auf die Eigentümerstellung ab.370 Der Schutz der Minderheitsaktionäre, die in Zu367
So auch Wilsing/Kruse ZIP 2002, 1465, 1467. So im Ergebnis auch Wilsing/Kruse ZIP 2002, 1465, 1467. 369 So aber Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG, § 327a Rn. 34. 370 So zur Eingliederung Grunewald in MüKo AktG § 319 Rn. 4; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 319 Rn. 8. Zum Squeeze-out wie hier Hamann, Squeeze-out, S. 193. 368
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kunft potentiell mehr als 5% der Anteilseigner der Gesellschaft stellen, ist keine Frage der Berücksichtigung der bedingten Aktienbezugsrechte bei der Ermittlung der Grundkapitalziffer und des Erreichens der 95%-igen Beteiligungsschwelle, sondern eine Frage der analogen Anwendung der §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 AktG auf Bezugsrechte, die mehr als 5% des Grundkapitals ausmachen.371 2. Analoge Anwendung der §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 AktG Für die analoge Anwendung der §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 AktG auf noch nicht ausgeübte Aktienoptionen und Wandelschuldverschreibungen spricht vor allem die Gleichstellung von Minderheitsaktionären und Bezugsrechtsinhabern. Eine planwidrige Regelungslücke liegt hier vor. Der Gesetzgeber hat das Schicksal von bedingten Aktienbezugsrechten nicht ausdrücklich geregelt. Daneben gibt es keine Anzeichen dafür, dass der Gesetzgeber Aktienoptions- und Wandlungsrechte bewusst von der Regelung der §§ 327a ff. AktG ausnehmen wollte. Eine entsprechende Erwähnung dieser Frage in den Gesetzesmaterialien zum WpÜG fehlt.372 Auch ist die Frage des Schicksals der noch nicht ausgeübten bedingten Bezugsrechte mit dem vom BGH entschiedenen Fall vergleichbar. Zwar wären die Folgen des „Stehenlassens“ der Aktienoptionen und Wandelschuldverschreibungen für die Gesellschaft beim Squeeze-out nicht so gravierend wie bei der Eingliederung. Doch ist dies hier nicht von Bedeutung. Das Argument des BGH, der Inhaber eines bedingten Aktienbezugsrechts dürfe nicht besser gestellt werden als ein Minderheitsaktionär, trifft auch hier zu. Wenn schon der Aktionär als Inhaber der vollen Mitgliedschaftsund Vermögensrechte diese gegen Abfindung verliert, so muss dies erst Recht für den Inhaber von bedingten Aktienbezugsrechten gelten. Denn dessen Recht auf Erwerb der aktienrechtlichen Mitgliedschaft steht unter einer aufschiebenden Bedingung und ihn verbinden auch ansonsten nur zukünftige Vermögensinteressen mit der Gesellschaft. Auch in die Interessen der Bezugsrechtsinhaber wird durch die Umwandlung ihres Aktienverschaffungsanspruchs in einen Anspruch auf Barabfindung nicht über Gebühr eingegriffen. Die Inhaber von bedingten Aktien371
Dazu sogleich unter 3. Auch der DAV-Handelsrechtsausschuss geht in NZG 2001, 420, 431 davon aus, dass hier eine bewusste Regelungslücke vorliegt: „Es spricht im Ergebnis viel dafür, dass die Anwendung der Ausschließungsregeln auf bestehende Optionsrechte keiner ausdrücklichen Regelung bedarf, sondern nach den Leitlinien der BGH-Entscheidung [BGH ZIP 1998, 560 f. („Siemens/Nixdorf“)] durch eine analoge Anwendung bewältigt werden kann.“ 372
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
bezugsrechten haben häufig keinerlei mitgliedschaftliche Interessen an der Gesellschaft, sondern sind reine Kapitalanleger. Ihren Vermögensinteressen wird aber auch durch eine angemessene Barabfindung entsprochen.373 Etwas anderes könnte nur für diejenigen Inhaber von Aktienoptionen und Wandelschuldverschreibungen gelten, die diese im Rahmen eines Mitarbeiterprogramms erworben haben.374 Diese haben naturgemäß ein persönlicheres Verhältnis zu „ihrer“ Gesellschaft als reine Kapitalanleger.375 Hier läge daher ein intensiverer Eingriff in Interessen vor. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass Inhalt solcher Mitarbeiterprogramme grundsätzlich eher die zusätzliche Vergütung der Mitarbeiter und ihre Motivation durch eine langfristige Bindung an das Unternehmen ist. Bei Mitarbeiterprogrammen steht daher weniger der Aktienverschaffungs- als der Vergütungseffekt im Vordergrund.376 Der Vergütungskomponente kann aber regelmäßig auch durch Barabfindung entsprochen werden. Auch bei bestehenden Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen ist daher die analoge Anwendung der §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 AktG gerechtfertigt ist. 3. Beschränkung auf Bezugsrechte bis zur Beteiligungsschwelle von 5% des Grundkapitals? Zunächst bleibt festzustellen, dass die Existenz von Bezugsrechten, die sich auf mehr als 5% des Grundkapitals beziehen, der Durchführung eines Squeeze-outs grundsätzlich nicht entgegensteht. Bei der Berechung der Grundkapitalziffer im Rahmen des § 327a AktG kommt es insoweit nur auf die Eigentümerstellung an.377 Dagegen erscheint die analoge Anwendung der §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 auf solche Fälle, in denen sich die bedingten Aktienbezugsrechte auf 373 Vgl. hierzu schon die Argumentation zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit des Ausschlusses von Minderheitsaktionären gegen Barabfindung (Kapitel III § 1). Die dort erfolgte Abwägung zwischen Mitgliedschafts- und Vermögensinteressen der Minderheitsaktionäre auf der einen Seite und Vereinfachungsinteresse des Großaktionärs auf der anderen Seite kann hier in entschärfter Form erneut geführt, und die Verhältnismäßigkeit des Ausschlusses gegen Barabfindung wie oben bejaht werden. 374 Eine solche Differenzierung wird von Wilsing/Kruse ZIP 2002, 1465, 1469 in Betracht gezogen, jedoch auch dort im Ergebnis mit ähnlichen Argumenten abgelehnt. 375 Schließlich sind sie auch als Arbeitnehmer eng mit dem Schicksal der Gesellschaft verbunden. 376 Vgl. dazu ausführlich von Rosen/Leven in Harrer, Aktienoptionsprogramme, Rn. 3. 377 So zur Eingliederung: Grunewald in MüKo AktG § 319 Rn. 4; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 319 Rn. 8; zum Squeeze-out wie hier Hamann, Squeeze-out, S. 193.
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Aktien beziehen, die bei unterstellter Ausübung aller Bezugsrechte mehr als 5% des Grundkapitals der Gesellschaft ausmachen, nicht sachgerecht. Hier müssen die Bezugsrechte von dem Squeeze-out unberührt bleiben und weiterhin gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden können.378 Dafür spricht schon der erkennbare Wille des Gesetzgebers, die Grenze für die Zulässigkeit des Squeeze-outs bei einer 5%-igen Minderheitsbeteiligung zu ziehen. Die von dem Gesetzgeber vorgesehene Ausgangslage einer Gesellschaft mit einer geringfügigen Minderheitsbeteiligung liegt hier nicht vor. Auch ist eine Situation, in der sich die Minderheitsbeteiligung bei unterstellter Ausübung aller Bezugsrechte ohne weiteres bis auf 10% erhöhen kann, nicht mehr mit der vom Gesetzgeber vorgestellten Ausgangssituation vergleichbar. In diesem Fall kann nicht mehr von einem „Einsammeln“ des restlichen, sich nicht mehr in der Hand des Hauptaktionärs befindlichen Kapitals gesprochen werden.379 Wird für eine analoge Anwendung der §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 AktG auf Optionsrechte grundsätzlich angeführt, dass die Optionsrechtsinhaber auch nach Ausübung ihres Optionsrechts alsbald ausgeschlossen würden, so muss hier differenziert werden. Dies gilt in der Tat für Optionsrechte, die auch nach ihrer Ausübung nicht zu einer Minderheitsbeteiligung von über 5% führen. Dies kann jedoch nicht für Optionsrechte gelten, die nach ihrer Ausübung in einer Minderheitsbeteiligung von über 5% resultieren. Hier wäre nach einer Ausübung der Optionsrechte ein Squeeze-out nicht mehr möglich. Diese Wertung muss jedoch bei einer analogen Anwendung der §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 AktG berücksichtigt werden. Die Option muss hier weitgehend unentziehbar sein und ihrem Inhaber durch einseitige Ausübung den Zugriff auf die aktienrechtliche Mitgliedschaft ermöglichen.380 Dem steht auch nicht die – in der Tat zutreffende – Feststellung von Wilsing/Kruse entgegen, dass allein aus der Tatsache, dass ein Unternehmen bedingte Bezugsrechte in einem größeren Umfang ausgegeben hat, nicht geschlossen werden könne, dass diese Bezugsrechte später tatsächlich auch in entsprechender Höhe ausgeübt würden und sich die Quote der Minderheitsaktionäre damit auf mehr als 5% erhöhe.381 Wird bei 378 Mit der Frage der Behandlung von bedingten Aktienbezugsrechten, die sich auf weniger als 5% des Grundkapitals beziehen, unter Hinzurechnung außenstehender Aktien jedoch die Kapitalquote von 5% überschreiten, beschäftigt sich Hamann, Squeeze-out, S. 195 ff. Auch hier komme den Optionsinhabern kein objektives Interesse am Stehen lassen ihrer Bezugsrechte zu, da sie nach deren Ausübung gleichfalls mit dem Ausschluss rechnen müssen. Hamann nimmt daher – zu Recht – eine analoge Anwendung der §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 AktG auf diese Optionsrechte an. 379 Vgl. Hamann, Squeeze-out, S. 194. 380 Vgl. Hamann, Squeeze-out, S. 194. 381 Wilsing/Kruse ZIP 2002, 1465, 1469.
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nur teilweiser Ausübung der Bezugsrechte in der Zukunft eine Minderheitsbeteiligung von mehr als 5% nicht erreicht, so kann die Gesellschaft zwar einen abermaligen Squeeze-out durchführen und der erstgenannte Grundsatz fände wieder Geltung. Doch kann allein die theoretische Möglichkeit, dass Bezugsrechte nicht in ausreichendem Maße ausgeübt werden, nicht die Umwandlung aller bedingten Aktienbezugsrechte in Barabfindungsansprüche rechtfertigen. Hier würde eine Zukunftsprognose zum Nachteil der Optionsrechtsinhaber getroffen, die der gesetzgeberischen Wertung des § 327a AktG nicht entspricht. Ein Squeeze-out bei noch nicht ausgeübten Aktienbezugsrechten mit einem Kapitalvolumen von über 5% des Grundkapitals ist damit zwar ohne weiteres durchführbar. Die bedingten Aktienbezugsrechte wandeln sich jedoch nicht analog §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 AktG in einen Barabfindungsanspruch um, sondern können vielmehr auch nach dem Squeeze-out noch ausgeübt werden.382 IV. Ergebnis Bei der Berechnung der für den Squeeze-out erforderlichen Beteiligungsschwelle sind noch nicht ausgeübte Aktienoptions- und Wandlungsrechte nicht zu berücksichtigen. Im Rahmen der Durchführung des Squeeze-outs sind die §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 AktG analog auf die noch nicht ausgeübten bedingten Aktienbezugsrechte anzuwenden, soweit diese nicht einem Kapitalvolumen von mehr als 5% des Grundkapitals entsprechen. Mit Eintragung des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre in das Handelsregister gehen diese Bezugsrechte auf den Hauptaktionär über. Den Inhabern der bedingten Aktienbezugsrechte steht schließlich als Ausgleich für den Verlust ihrer Rechte analog § 327b Abs. 1 AktG ein Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Barabfindung zu. Eine analoge Anwendung der §§ 327a Abs. 1, 327e Abs. 3 AktG auf bedingte Aktienbezugsrechte mit einem Kapitalvolumen von über 5% des Grundkapitals scheidet hingegen mangels vergleichbarer Interessenlage aus. In diesem Falle können die bedingten Aktienbezugsrechte vielmehr auch noch nach dem Squeeze-out ausgeübt werden, soweit ihre Bezugsvoraussetzungen eintreten. 382 So im Ergebnis auch Hamann, Squeeze-out, S. 195; für die Eingliederung Grunewald in MüKo AktG § 320b Rn. 13; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 319 Rn. 8. Natürlich gilt gegenteiliges dort, wo Optionsrechtsinhaber im Vorfeld des Squeeze-out der Umwandlung ihrer Rechte in einen Barabfindungsanspruch zustimmen und aus diesem Grund die Kapitalquote, auf die sich die Optionen beziehen, unter 5% des Grundkapitals der Gesellschaft absinkt, vgl. Grunewald in MüKo AktG § 320b Rn. 13; Hamann, Squeeze-out, S. 195.
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B. Beschlusserfordernis – rechtssystematische Notwendigkeit? Nicht schon das Verlangen des Hauptaktionärs, sondern erst ein zustimmender Beschluss der Hauptversammlung stellt die rechtliche Grundlage für den Ausschluss der Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft dar. Ob ein solcher Beschluss tatsächlich erforderlich ist, ist rechtspolitisch umstritten; er wurde jedoch letztlich vom Gesetzgeber vorgesehen. I. Meinungsstand Teilweise wird vertreten, dass ein Hauptversammlungsbeschluss schon deshalb entbehrlich sei, weil er aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft wohl stets zustande kommen werde; angesichts der klaren Mehrheitsverhältnisses werde mit der Begründung der Hauptversammlungszuständigkeit eine höhere Legitimation des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre jedenfalls nicht erreicht.383 Auch sei ein Hauptversammlungsbeschluss als Grundlage eines fairen Verfahrens oder als Angriffspunkt für ein späteres gerichtliches Anfechtungsverfahren nicht zwingend erforderlich.384 So verzichteten zum Beispiel auch das niederländische, französische und englische Recht auf die Hinzuziehung der Hauptversammlung.385 Die Aktionäre könnten auch ohne Zusammenkunft in einer Hauptversammlung ausreichend informiert werden.386 Im Übrigen hätten Informationsmängel, soweit sie sich auf die Bemessung des Abfindungsanspruches und damit auf den zentralen Gegenstand der Beschlussfassung beziehen, ohnehin keine Auswirkungen auf die Bestandskraft des Beschlusses. Hier seien die Aktionäre jedenfalls auf das Spruchverfahren verwiesen.387 Der Großteil der Literatur hält das Beschlusserfordernis gleichwohl für sachgerecht.388 Auf diese Weise werde der Ausschluss der Minderheits383
Vetter DB 2001, 743, 744. Habersack ZIP 2001, 1230, 1237; Schiessl AG 1999, 442, 452; Vetter ZIP 2000, 1817, 1820; ders. DB 2001, 743, 744. 385 So Habersack ZIP 2001, 1230, 1237. Zu den rechtsvergleichenden Hinweisen siehe Forum Europaeum Konzernrecht, ZGR 1998, 672, 734 ff. 386 So u. a. durch den schriftlichen Bericht des Hauptaktionärs, der nach § 327c Abs. 2 Satz 1 AktG erforderlich ist. Vetter DB 2001, 743, 744. 387 Habersack ZIP 2001, 1230, 1237. 388 Hüffer, AktG, § 327 Rn. 9; MüKo/Grunewald, AktG, § 327a Rn. 14; Ehricke/ Roth DStR 2001, 1120, 1124 f.; Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 1999, 850, 852; ders. NZG 2001, 420, 431; Kiem in RWS-Forum 2001, 329, 335 ff.; Sieger/ Hasselbach ZGR 2002, 120, 132. 384
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
aktionäre in „geordnete gesellschaftsrechtliche Bahnen“ gelenkt.389 Auch werde so die umfassende Information der Aktionäre sichergestellt.390 Daneben sichere die Möglichkeit, den Ausschließungsbeschluss trotz der Mehrheitsverhältnisse im Klageverfahren überprüfen zu lassen, die Minderheitsaktionäre gegen ein unberechtigtes Ausschlussverlangen.391 Schließlich lege der Zeitpunkt der Eintragung des Beschlusses den Zeitpunkt des Ausschlusses rechtssicher fest.392 II. Stellungnahme Für das Verlangen nach einem Hauptversammlungsbeschluss im Rahmen einer Squeeze-out-Transaktion mögen praktische Gesichtspunkte sprechen. Die Regelung eines Beschlusserfordernisses als Voraussetzung für den Squeeze-out ist jedoch keinesfalls zwingend erforderlich. Hier sprechen sogar rechtssystematische Erwägungen gegen eine solche Regelung. Schließlich kann adäquater Minderheitenschutz auch auf andere Weise gewährleistet werden. 1. Praktische Gesichtspunkte Zwar stellt ein Beschlusserfordernis eine gute Möglichkeit dar, um sicherzustellen, dass niemand ohne die hierfür erforderlichen Voraussetzungen aus der Gesellschaft gedrängt wird. Die Grundsätze des Beschlussverfahrens sind rechtstechnisch ausgereift und vor allen Dingen weithin bekannt. Die Voraussetzungen für den Ausschluss werden zunächst in Vorbereitung auf die Hauptversammlung durch den Vorstand geprüft.393 In der Versammlung kann eine angemessene Diskussion, insbesondere auch über die Angemessenheit der Abfindung, stattfinden. Schließlich ist auch zu bedenken, dass das Spruchverfahren zur Überprüfung der Angemessenheit der Abfindung ansonsten ausnahmslos an einen vorangegangen Hauptversammlungsbeschluss und den hiermit einhergegangen Informationsaustausch und die Diskussion geknüpft ist.394 Im Ergebnis sprechen also auf den ersten 389
Hüffer, AktG, § 327a Rn. 9. MüKo/Grunewald, AktG, § 327a Rn. 14. 391 Hüffer, AktG, § 327a Rn. 9. 392 MüKo/Grunewald, AktG, § 327a Rn. 14. 393 Der Vorstand hat hier zu prüfen, ob das Verlangen des Hauptaktionär das Notwendige, insbesondere ein Barabfindungsangebot, enthält. Dies ergibt sich schon daraus, dass der Vorstand auf einen offensichtlich fehlerhaften Beschluss (§ 327f Abs. 1 AktG) nicht hinwirken darf. Wie hier: Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 327a Rn. 19. Die Angemessenheit des Angebots hat der Vorstand indes nicht zu prüfen; dies ist Aufgabe des Hauptaktionärs und des Wirtschaftsprüfers, vgl. §§ 327b Abs. 1, 327c Abs. 2 AktG. 394 Vgl. auch Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 327a Rn. 18. 390
§ 3 Einzelfragen
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Blick einige praktische Gesichtspunkte für die gesetzgeberische Normierung eines Beschlusserfordernisses. 2. Fehlende Vergleichbarkeit mit der Eingliederung Die vom Gesetzgeber für das Beschlusserfordernis gewählte Begründung der Anlehnung an die Eingliederung mag allerdings nicht zu überzeugen. Anders als bei der Eingliederung ändert sich durch den Squeeze-out an der Rechtslage der Gesellschaft an sich nichts. Der Squeeze-out betrifft vielmehr allein das Verhältnis der Gesellschafter untereinander, und nicht etwa das Verhältnis des Hauptaktionärs zur Gesellschaft. Der Squeeze-out wird damit in die Form eines körperschaftlichen Rechtsaktes gekleidet, obwohl es sich in der Sache nicht um eine Strukturentscheidung handelt.395 3. Fehlende Vereinbarkeit mit konzernrechtlichen Grundsätzen Ein allein vom Hauptaktionär betriebenes Ausschließungsverfahren würde sich hier besser in die Systematik des Gesetzes einfügen als ein Squeezeout-Verfahren, das einen Hauptversammlungsbeschluss voraussetzt. Sowohl die Einberufung als auch die Durchführung der Hauptversammlung erfordern in nicht geringem Maße die Mitwirkung des Vorstandes der Gesellschaft.396 Der Vollzug eines Geschäftes des Hauptaktionärs durch den Vorstand, oder zumindest dessen Beteiligung hieran, widerspricht jedoch deutlich den konzernrechtlichen Prämissen des Aktienrechts.397 Danach ist der Vorstand berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft eigenverantwortlich zu führen, solange nicht ein Beherrschungsvertrag besteht oder die Gesellschaft eingegliedert wurde.398 Ein Weisungsrecht des beherrschenden Gesellschafters besteht selbst in der Einpersonengesellschaft nicht.399 Im Rahmen eines Squeeze-out-Verfahrens obliegt es nach der gesetzlichen Regelung jedoch dem Vorstand, die Hauptversammlung einzuberufen und für die Auslage der in § 327c Abs. 3 AktG genannten Unterlagen zu sorgen. Auch innerhalb der Hauptversammlung hat er den Aktionären Auskünfte zu erteilen und bei etwaiger Anfechtung des Übertragungsbeschlusses das Unbedenklichkeitsverfahren nach § 327e Abs. 2 i. V. m. § 319 Abs. 5, 6 AktG 395
So auch schon Vetter DB 2001, 743, 744. Zu den Pflichten des Vorstandes im Rahmen eines Squeeze-out-Verfahrens vgl. auch unten Kapitel III § 3 C.I. Hierbei handelt es sich jedoch überwiegend um Informations-, Prüf- und administrative Pflichten. 397 So schon Habersack, ZIP 2001, 1230, 1237. 398 § 76 Abs. 1 AktG, vgl. auch §§ 308, 323 AktG. 399 Dazu näher: Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 311 AktG Rn. 10, 77 ff. 396
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zu betreiben. Diese Rollenverteilung vermag mit Blick auf das Prinzip eigenverantwortlicher Leitung und die sich aus §§ 311, 317 AktG ergebenden Grenzen der Einflussnahme nicht zu überzeugen. 4. Anderweitige Zielerreichung Die auszuschließenden Minderheitsaktionäre könnten auch ohne eine Hauptversammlung ausreichend informiert werden. Auch ist ein Hauptversammlungsbeschluss als Grundlage gerichtlicher Kontrolle nicht zwingend erforderlich.400 Die Information der Aktionäre ließe sich auch im Rahmen eines durch den Hauptaktionär geführten Ausschließungsverfahrens sicherstellen. Erfahrungsgemäß nehmen viele private Kleinanleger ohnehin nicht persönlich an Hauptversammlungen teil, sondern lassen sich durch ihre Depotbanken vertreten und schriftlich informieren. Dieses Informationssystem könnte aber auch im Rahmen eines vom Hauptaktionär betriebenen Squeeze-out-Verfahrens genutzt werden. Schließlich spricht gegen die Notwendigkeit eines Beschlusserfordernisses auch, dass Informationsmängel, soweit sie sich auf die Bemessung des Abfindungsanspruchs und damit auf den zentralen Gegenstand der Beschlussfassung beziehen, ohnehin keine Auswirkungen auf die Bestandskraft des Beschlusses haben.401 Hier sind die Minderheitsaktionäre auf das Spruchverfahren verwiesen. Soweit eine materielle Rechtmäßigkeitskontrolle daneben im Einzelfall in Betracht kommt, kann diese auch im Rahmen eines vom Hauptaktionär initiierten Übertragungsverfahrens durchgeführt werden. Ein Hauptversammlungsbeschluss als Anknüpfungspunkt ist hierzu nicht zwingend erforderlich. III. Ergebnis Die Konzeption des Gesetzgebers vermag hier nicht zu überzeugen. Ein Hauptversammlungsbeschlusserfordernis im Squeeze-out-Verfahren fügt sich nicht in die Rechtssystematik des Gesetzes ein. Anders als bei der Eingliederung, deren Regelungen vom Gesetzgeber als Orientierungshilfe heran400 Wie dies übrigens auch in anderen Rechtsordnungen der Fall ist. So kommen das englische, französische und niederländische Recht auch ohne die Hinzuziehung der Hauptversammlung aus. Vgl. Sec. 429 ff. des englischen Companies Act 1985, Art. 92a, 201a des Zweiten Buches des niederländischen Bürgerlichen Gesetzbuches. 401 Zur Verweisung auch von Streitigkeiten über abfindungswertbezogene Informationsmängel in das Spruchverfahren siehe ausführlich unten Kapitel III § 3 E.I.2.
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gezogen werden, handelt es sich beim Squeeze-out nicht um eine Strukturmaßnahme der Gesellschaft. Vielmehr handelt es sich um eine Gestaltungsmaßnahme des Hauptaktionärs, die grundsätzlich auch von diesem in einem eigenständigen Verfahren betrieben werden könnte. Durch entsprechende Gestaltung könnte auch in einem solchen Verfahren den Informationsrechten der Minderheitsaktionäre Genüge getan und umfassender Rechtsschutz gewährt werden.
C. Materielle Rechtmäßigkeitskontrolle – Sonderfall: Treuepflichtverletzung? Im Zuge des Inkrafttretens der gesetzlichen Regelungen zum Squeeze-out wurde in der Literatur wiederholt die Frage aufgeworfen, ob bei dem nach § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG zu fassenden Hauptversammlungsbeschluss zusätzlich zu dem gesetzlich normierten Mehrheitserfordernis ungeschriebene sachliche Voraussetzungen vorliegen müssen.402 Teilweise wurde an die heute noch aktuelle Diskussion um die inhaltliche Kontrolle von Grundlagenentscheidungen und Strukturmaßnahmen angeknüpft, die ihre Aktualität nicht zuletzt den hierzu ergangenen Entscheidungen der jüngeren Rechtsprechung verdankt.403 Die Diskussion soll hier noch einmal aufgegriffen und gerade auch aufgrund der wesentlichen Bedeutung der materiellen Beschlusskontrolle beim Ausschluss von Minderheitsaktionären im amerikanischen Recht404 dargestellt werden. Mit der Frage einer materiellen Beschlusskontrolle eng verbunden ist die Frage der Treuepflichten des Hauptaktionärs bei der Durchführung eines Squeeze-outs. Anders als im amerikanischen Recht stellt sich die Frage nach den Sorgfaltspflichten des Vorstandes bei der Durchführung eines Squeeze-outs nach deutschem Recht nicht so sehr, da der Vorstand an der Transaktion nur im Rahmen von Informations- und administrativen Pflichten405 und nicht etwa an der Entscheidungsfindung beteiligt ist. Die Verant402 Vgl. insb. Hamann, Squeeze-out, S. 159 ff.; aber auch Fleischer ZGR 2002, 759; Habersack ZIP 2001, 1230; Hanau NZG 2002, 1042 f., Markwardt BB 2003, 277, 280 ff. 403 Vgl. BGHZ 136, 133, 142 (Siemens/Nold); BGHZ 138, 71, 81 (Sachsenmilch); BGH ZIP 1999, 1444, 1445 (Hilgers). 404 Ausführlich hierzu unten Kapitel V § 4. 405 Der Vorstand hat dem Hauptaktionär die zur Bemessung der Abfindung erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, die Hauptversammlung einzuberufen und für die Auslage der in § 327c Abs. 3 AktG genannten Unterlagen zu sorgen, sowie gegebenenfalls (d.h. bei etwaiger Anfechtung des Übertragungsbeschlusses) das Unbedenklichkeitsverfahren nach § 327e Abs. 2 AktG zu betreiben. Dieses Konzept widerspricht den konzernrechtlichen Prämissen des Aktiengesetzes, denn
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wortung des Vorstands zur gebührenden Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesellschaft bei Grundlagenentscheidungen verlagert sich im Falle des Squeeze-outs auf den Hauptaktionär, der insoweit aus seiner Treuepflicht gegenüber der Gesellschaft und seinen Mitgesellschaftern gebunden ist. Inwieweit solche Überlegungen zur Anfechtbarkeit eines Squeeze-out-Beschlusses führen können soll im Weiteren erörtert werden. I. Sorgfaltspflichten des Vorstandes Die Pflichten, die den Vorstand nach Eingang des Verlangens des Hauptaktionärs zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre treffen, sind überschaubar und lassen kaum unternehmerisches Ermessen zu. Soweit dem Vorstand ein Entscheidungsspielraum zukommt, haben die Vorstandsmitglieder jedoch nach § 93 Abs. 1 Satz 1 AktG die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden.406 1. Allgemeine Prüfungspflichten Nach Zugang des Verlangens des Hauptaktionärs hat der Vorstand zunächst zu prüfen, ob es das Notwendige, insbesondere ein Barabfindungsangebot enthält.407 Die Angemessenheit des Angebots hat der Vorstand indes nicht zu prüfen; dies ist Aufgabe des Hauptaktionärs und des Wirtschaftsprüfers.408 Daneben hat der Vorstand zu erklären, ob die gesetzlich geforderte Beteiligungsquote erreicht ist. Dies wird in der Regel nur dann problematisch sein, wenn eine Zurechnung der Anteile nach § 16 Abs. 4 AktG erfolgt. Lässt der entsprechende Übertragungsbericht insoweit noch Zweifel offen, so handelt es sich dabei um Umstände, die der Vorstand weder kennt, noch zu kennen braucht, und er muss den Hauptaktionär um entder Vorstand ist verpflichtet, die Gesellschaft eigenverantwortlich zu leiten; ein Weisungsrecht des beherrschenden Gesellschafters besteht insoweit nicht (vgl. nur Habersack ZIP 2001, 1230, 1237). Dazu schon oben Kapitel III § 3 B.II.3. 406 Im Rahmen des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) wurde hier jüngst ein Satz 2 eingefügt, der die USamerikanische Business Judgment Rule (dazu unten Kapitel V § 3 B.I.3.) übernimmt und den Ermessenspielraum von Vorstandsmitgliedern konkretisiert. Danach liegt eine Pflichtverletzung dann nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Vgl. BGBl. I 2005, 2802 ff. Dazu Fleischer ZIP 2004, 685 ff. 407 Dies ergibt sich schon daraus, dass der Vorstand auf einen offensichtlich fehlerhaften Beschluss (§ 327f Abs. 1 AktG) nicht hinwirken darf. Wie hier: Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 327a Rn. 19. 408 Vgl. §§ 327b Abs. 1, 327c Abs. 2 AktG.
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sprechende Nachweise bitten.409 Weiterhin ist zu prüfen, ob die Erklärung nach § 327b Abs. 3 AktG vorliegt und der in § 327c Abs. 2 AktG verlangte Bericht erstattet oder dieser Bericht bereits im Hinblick auf die Angemessenheit der Abfindung geprüft wurde. Fehlen dem Verlangen des Hauptaktionärs die notwendigen Elemente, insbesondere das Barabfindungsangebot, oder liegen entsprechende Nachweise für das Vorliegen der gesetzlich geforderten Beteiligungsquote zur Überzeugung des Vorstandes nicht vor, so darf der Vorstand die Angelegenheit nicht weiter verfolgen. Denn auf einen offensichtlich fehlerhaften Beschluss darf der Vorstand nicht hinwirken.410 2. Einberufung der Hauptversammlung und Entwurf des Übertragungsbeschlusses Ist der Vorstand von dem Vorliegen der Voraussetzungen des Ausschlusses (wirksames Verlangen, Vorliegen der notwendigen Beteiligungsquote) überzeugt und sind ihm die nach § 327c Abs. 2 AktG nötigen Dokumente zugegangen, so hat er zu entscheiden, ob das Ausschlussverfahren im Rahmen der nächsten ordentlichen Hauptversammlung stattfinden oder ob eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen werden soll. Das Ergebnis dieser Entscheidung hängt insbesondere davon ab, ob ein im Hinblick auf die Kosten genügend dringendes Interesse an einer sofortigen Beschlussfassung besteht. Hierbei kommt es nach allgemeiner Auffassung auf das Interesse der Gesellschaft und nicht etwa das des Hauptaktionärs an.411 Schließlich ist ein Übertragungsbeschluss zu entwerfen. Auch im Rahmen des Beschlussvorschlages nach § 124 Abs. 3 AktG sind Vorstand und Aufsichtsrat jedoch nicht gehalten, das Übertragungsbegehren zu unterstützen.412 409
Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 327a Rn. 19. So auch Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 327a Rn. 19. 411 Emmerich/Habersack, AktG, § 327a Rn. 20; Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 327a Rn. 16; MüKo/Grunewald, AktG, § 327a Rn. 13; Sieger/Hasselbach ZGR 2002, 120, 142. Hierfür spricht insbesondere die Ausgestaltung des Verfahrens: Im Ergebnis ist es die Gesellschaft, welche die Minderheit eliminiert und nicht der Hauptaktionär selbst. Es ist deshalb folgerichtig, ihren Vorstand auf die Wahrung ihrer Interessen – wenn auch auf die Kosten der Versammlung beschränkt – zu verpflichten. Der Hauptaktionär hat jedoch die Möglichkeit, eine außerordentliche Versammlung durch Ausübung eines beherrschungsvertraglichen Weisungsrechts oder durch Kostenübernahme herbeizuführen, vgl. dazu Emmerich/Habersack, AktG, § 327a Rn. 20; MüKo/Grunewald, AktG, § 327a Rn. 13. 412 Emmerich/Habersack, AktG, § 327a Rn. 20; Hüffer, AktG, § 327a Rn. 8; Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 327a Rn. 16; MüKo/Grunewald, AktG, § 327a Rn. 13. 410
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Sie sind hier nicht Sachwalter der Interessen des Hauptaktionärs, sondern der Gesellschaft als solcher. 3. Erläuterungspflicht des Vorstandes in der Hauptversammlung Umstritten ist, ob den Vorstand eine Pflicht trifft, in der Hauptversammlung die Beteiligungshöhe des Hauptaktionärs darzulegen, sowie den Entwurf des Übertragungsbeschlusses und die Bemessung der Höhe der Abfindung zu erläutern.413 Teilweise wird vertreten, bei der Pflicht des Vorstandes zur Erläuterung seiner Vorlagen handele es sich um einen allgemeinen in den §§ 176 Abs. 1 Satz 2, 293g Abs. 2 Satz 1, 320 Abs. 3 Satz 2 AktG dargelegten Rechtsgrundsatz.414 Das Fehlen einer entsprechenden Regelung in § 327d AktG mache die Norm unbewusst lückenhaft; sie sei deshalb in ihrer Auslegung entsprechend zu ergänzen.415 Eine Erläuterungspflicht des Vorstandes analog § 293g Abs. 2 Satz 1 AktG ist jedoch abzulehnen.416 § 327d Satz 2 AktG enthält insoweit eine abschließende Regelung. Sofern der Vorstand die Erläuterungen dem Hauptaktionär überlassen will, so kann er dies gem. Satz 2 tun. Dies erscheint auch zweckmäßig, da der Hauptaktionär der an dem Beschluss maßgeblich Interessierte ist und auch der Nachweis der erforderlichen Beteiligungshöhe und die Berechnung eines angemessenen Abfindungsangebots in seinen Pflichtenkreis fallen. Der Vorstand legt das Übertragungsverlangen, wenn auch nach Prüfung seiner Ordnungsmäßigkeit, quasi nur als „Bote“ des Hauptaktionärs vor.417 Beschlussgegenstand ist eine Transaktion zwischen Haupt- und Minderheitsaktionär, die der Vorstand nicht beschlossen hat und deren Bedingungen er nicht beeinflussen kann.418 413
Offen gelassen von OLG Stuttgart ZIP 2003, 2363, 2364. OLG Hamburg ZIP 2003, 1344, 1348 (ohne Begründung); Emmerich/Habersack, AktG, § 327d Rn. 3; Hüffer, AktG, § 327d Rn. 4; Harry Schmidt, Festschrift Ulmer, S. 543, 544. 415 Hüffer, AktG, § 327d Rn. 4. 416 So im Ergebnis auch Grzimek in Geibel/Süßmann, AktG, § 327d Rn. 4; Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 327d Rn. 4; Hasselbach in KK-WpÜG, § 327d Rn. 7; MüKo/Grunewald, AktG, § 327d Rn. 3. 417 Vgl. Koppensteiner in KölnKomm, AktG, § 327d Rn. 4. Zu dem Problem der Vereinbarkeit dieser „Botenstellung“ mit der aktienrechtlichen Prämisse der Unabhängigkeit des Vorstandes siehe schon oben Kapitel III § 3 B.II.3. 418 Eine Erläuterungspflicht ist jedoch mit Koppensteiner (in KölnKomm, AktG, § 327d Rn. 4) ausnahmsweise dann anzunehmen, wenn sich der Vorstand und der Aufsichtsrat dafür ausgesprochen haben, das Verlangen des Hauptaktionärs abzulehnen (vgl. § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG) oder der Vorstand Bedenken gegen den Inhalt von Übertragungs- oder Prüfungsbericht haben. In diesem Fall ergibt sich jedenfalls 414
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Verweigert der Hauptaktionär jedoch jegliche Stellungnahme, so ist der Vorstand deshalb zu Erläuterungen verpflichtet, weil ansonsten jegliche mündliche Darstellung fehlt. Der Vorstand kann sich hier aber auf eine Zusammenfassung des schriftlichen Berichts des Hauptaktionärs beschränken; dies ergibt sich ebenfalls aus Satz 2.419 Der Vorstand ist jedoch verpflichtet, dem Auskunftsrecht der Aktionäre nach § 131 AktG nachzukommen. Geschuldet sind Auskünfte, die verfügbar sind, sowie diejenigen, die der Hauptaktionär zu liefern bereit ist.420 Schließlich hat der Vorstand den Übertragungsbeschluss zur Eintragung ins Handelsregister am Sitz der Gesellschaft anzumelden, § 327e Abs. 1 Satz 1 AktG. 4. Raum für Sorgfaltspflichtverletzungen? Bei all diesen Maßnahmen ist der Entscheidungsspielraum des Vorstandes gering. Sorgfaltsgemäßes Verhalten ist weitgehend vom Gesetz bereits vorgegeben. Auf das Ob der Durchführung des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre hat der Vorstand kaum Einfluss. Hierbei handelt es sich nicht etwa um eine Strukturveränderung der Gesellschaft, sondern um eine Maßnahme des Hauptaktionärs. Diese wurde zwar vom Gesetzgeber in einer Art „verpackt“, die den Squeeze-out als gesellschaftsinternen Entscheidungsprozess erscheinen lässt. Dies ändert jedoch nichts daran, dass ein Großteil der Vorbereitungen und vor allen Dingen die Entscheidung über die Durchführung des Squeeze-outs bei dem Hauptaktionär und nicht etwas bei dem Vorstand der Gesellschaft liegt. Ein Großteil der Informations- und Nachweispflichten wurde daher im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen zum Squeeze-out auf den Hauptaktionär verlagert. Die diesen treffenden Treuepflichten sind deshalb schwerpunktmäßig zu erörtern. II. Treuepflichten des Hauptaktionärs Anerkannt ist heute, dass einen Aktionär die Pflicht trifft, in allen gesellschaftlichen Belangen auf die Interessen der AG und auf die gesellschaftsaus den allgemeinen Sorgfaltspflichten des Vorstandes eine Pflicht zur Kundgabe seiner Bedenken. 419 So auch MüKo/Grunewald, AktG, § 327d Rn. 3. 420 Das Gesetz verpflichtet den Hauptaktionär jedoch weder gegenüber der Hauptversammlung, noch gegenüber der AG zur Auskunftserteilung. Er kann also in der Regel auch schlicht schweigen. Nur in Ausnahmen ist er aufgrund seiner Treuepflicht gegenüber der AG oder gegenüber seinen Mitaktionären zur Auskunftserteilung verpflichtet. Vgl. MüKo/Grunewald, AktG, § 327d Rn. 5. Zu den Treuepflichten des Hauptaktionärs im Allgemeinen vgl. sogleich unter II.
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bezogenen Interessen der Mitaktionäre angemessen Rücksicht zu nehmen.421 Die Pflicht zur Rücksichtnahme stellt dabei eine Schranke für die Ausübung von Aktionärsrechten dar. Insbesondere die Mitwirkungsrechte dürfen nicht zum Schaden der Mitaktionäre ausgeübt werden.422 Diese Bindung hat besondere Bedeutung für den Mehrheitsaktionär, der aufgrund seiner Machtstellung in der Lage ist, entscheidenden Einfluss auf das Schicksal der Gesellschaft und die Interessen der Minderheitsaktionäre auszuüben.423 Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht setzt dabei insbesondere der Ausübung des Stimmrechts Schranken. Der Aktionär darf keine Beschlüsse herbeiführen, die ihm einseitige Vorteile zu Lasten der Mitgesellschafter verschaffen424 oder in sonstiger Weise die Interessen der Mitgesellschafter unangemessen beeinträchtigen.425 Ob ein bestimmtes Verhalten des Aktionärs treuwidrig ist, ergibt sich aus einer Verhältnismäßigkeitsprüfung, d.h. einer Abwägung der Interessen des handelnden Aktionärs einerseits und der Gesellschaft bzw. der übrigen Aktionäre andererseits. Die Treuepflicht unterliegt jedoch engen Grenzen. Insbesondere hat die richterliche Generalklausel der aktienrechtlichen Treuepflicht die Entscheidungen zu respektieren, die der Gesetzgeber im geltenden Aktienrecht getroffen hat.426 Dies ergibt sich nicht nur aus der verfassungsrechtlichen Bindung des Richters an das Gesetz (Art. 20 Abs. 3, 97 Abs. 1 GG), sondern auch aus dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit. Die im Aktiengesetz enthaltenen Einzelregelungen und die diesen zugrunde liegenden Entscheidungen des Gesetzgebers dürfen daher mit Hilfe der Treuepflicht nicht generell in Frage gestellt, sondern allenfalls in Randfeldern ihres Anwendungsbereiches modifiziert werden. Dort, wo das Gesetz eine abschließende Regelung getroffen hat, bleibt für andere Lösungsmodelle unter Hinzuziehung der Treuepflicht kein Raum.427 Für den Fall des Squeeze-outs ergibt sich daraus, dass eine unangemessene Benachteiligung der Minderheitsaktionäre und damit ein treuwidriges 421 BGHZ 103, 184, 194 (Linotype); BGHZ 129, 136, 142 (Girmes); BGHZ 142, 167, 170 (Hilgers AG); MüKo/Bungeroth, AktG, vor § 53a Rn. 19; Lutter ZHR 153 (1989) 446, 454 f.; Henze, Festschrift Kellermann, 1991, S. 141, 147; Vetter AG 2000, 193, 201 f. 422 MüKo/Bungeroth, AktG, vor § 53a Rn. 20. 423 BGHZ 103, 184, 194 f. (Linotype); BGHZ 142, 167, 169 f. (Hilgers AG); MüKo/Bungeroth, AktG, vor § 53a Rn. 21. 424 BGHZ 103, 184 (Linotype). 425 BGHZ 142, 167, 170 (Hilgers AG). 426 MüKo/Bungeroth, AktG, vor § 53a Rn. 27. 427 MüKo/Bungeroth, AktG, vor § 53a Rn. 27; Windbichler, Gesellschaftsrecht, S. 23, 28.
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Verhalten des Hauptaktionärs durch sein Verlangen nach dem Ausschluss der Minderheit und entsprechende Stimmabgabe im durchgeführten Hauptversammlungsbeschluss in der Regel nicht vorliegt. Eine diesbezügliche Interessenabwägung zu Gunsten des Hauptaktionärs hat hier bereits der Gesetzgeber vorgenommen. Mit der Schaffung einer relativ einfachen, schnellen und kostengünstigen Ausschlussmöglichkeit auf Verlangen des Hauptaktionärs und ohne Normierung weiterer materieller Voraussetzungen hat der Gesetzgeber das Interesse des Hauptaktionärs an der Unternehmenseffektuierung über das Bestandsinteresse der Minderheitsaktionäre gestellt.428 Der Hauptaktionär handelt daher nicht allein dadurch treuwidrig, dass er diese gesetzlich zur Verfügung gestellte Option ausübt.429 Eine Treuepflichtverletzung kann im Einzelfall jedoch dann angenommen werden, wenn die Begleitumstände des Ausschlusses deutlich machen, dass der Hauptaktionär den Rahmen der gesetzlichen Wertung überschritten hat. Eine solche Pflichtverletzung kann im Rahmen der allgemeinen Rechtsmissbrauchskontrolle überprüft werden. III. Allgemeine Rechtsmissbrauchskontrolle Trotz des massiven Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte der Minderheitsaktionäre bedarf der Hauptversammlungsbeschluss nach ganz überwiegender Auffassung grundsätzlich keiner sachlichen Rechtfertigung.430 Eine Abwägung nach Erforderlichkeits- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten hat der Gesetzgeber insoweit bereits selbst zu Gunsten des Hauptaktionärs vorgenommen. Dies wird schon aus dem Zweck der Ausgestaltung des Squeeze-out-Verfahrens erkennbar, dass eindeutig auf die Effektuierung der 428
Siehe schon ausführlich oben Kapitel III § 1. Mit derselben Begründung lehnte die Literatur schon bisher die Treuwidrigkeit der Stimmabgabe eines Mehrheitsaktionärs zu Gunsten der Auflösung der AG ab. § 262 Abs. 1 Nr. 2 AktG bringe insoweit die Entscheidung des Gesetzgebers für eine jederzeit und ohne weitere Voraussetzungen mögliche Auflösung der AG durch Mehrheitsbeschluss zum Ausdruck. Diese Entscheidung verbiete es, Auflösungsbeschlüsse einer allgemeinen Inhaltskontrolle zu unterziehen. Eine Treuepflichtverletzung komme daher grundsätzlich nicht in Betracht. Vgl. hierzu MüKo/Bungeroth, AktG, vor § 53a Rn. 28 mit weiteren Nachweisen. 430 Vgl. OLG Köln BB 2003, 2307, 2309 mit Kommentar Aha BB 2003, 2310; Emmerich/Habersack, AktG, § 327a Rn. 26; Hüffer, AktG, § 327a Rn. 11; MüKo/ Grunewald, AktG, § 327a Rn. 18; Steinmeyer/Häger, AktG, § 327a Rn. 20; Hamann S. 161 ff.; Bolte DB 2001, 2587; Fleischer ZGR 2002, 757, 784; Fuhrmann/ Simon WM 2002, 1211, 1214; Gesmann-Nuissl WM 2002, 1205, 1210; Grunewald ZIP 2002, 1820; Handelsrechtsausschuss des DAV NZG 1999, 850, 852; Kossmann NZG 1999, 1198, 1201; Krause NJW 2002, 715; Krieger BB 2002, 53, 55; Markwardt BB 2004, 277, 281; Mertens AG 2002, 377; Sieger/Hasselbach ZGR 2002, 143; Vetter AG 2002, 176, 186, ders. DB 2001, 743, 745. 429
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Unternehmensführung abzielt und damit den Interessen des Hauptaktionärs dient. Würde man eine sachliche Rechtfertigung für den Beschluss verlangen, so würde diese gesetzgeberische Zielsetzung unterlaufen.431 Der Beschluss trägt hier seine Rechtfertigung bereits in sich. Auch hat der BGH für die übertragende Auflösung, welche die Minderheit gleichermaßen belastet, ebenso entschieden.432 Die Interessen der Minderheitsaktionäre werden durch den Anspruch auf Gewährung einer angemessenen Abfindung ausreichend gewahrt. Möglich bleibt jedoch eine Anfechtung wegen Rechtsmissbrauchs. Dieser liegt vor, wenn der vom Gesetzgeber angenommene Zweck entfremdet und stattdessen ein anderswo aufgestelltes Verbot unterlaufen wird oder die beabsichtigte Maßnahme die Minderheitsaktionäre über das vom Gesetzgeber vorgesehene Maß benachteiligt. Hier sind verschiedene Konstellationen denkbar, auch wenn die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens des Hauptaktionärs immer die Ausnahme bleiben wird. 1. Umwandlung einer GmbH in eine AG zur Durchführung des Squeeze-out Das Gesetz sieht die Möglichkeit des Ausschlusses aller Minderheitsgesellschafter bei anderen Rechtsformen nicht vor. Dies kann einen Mehrheitsgesellschafter auf die Idee bringen, die Gesellschaft anderer Rechtsform formwechselnd in eine AG umzuwandeln, um anschließend bei der AG einen Squeeze-out durchführen zu können. Praxisrelevant ist dies allein bei der GmbH, weil der Umwandlungsbeschluss der GmbH zur AG mit einer Dreiviertelmehrheit gefasst werden kann.433 Fraglich ist, ob ein im Zuge eines solchen Verhaltens erfolgter späterer Squeeze-out-Beschluss einer Missbrauchskontrolle standhält. a) Meinungsstand Teilweise wird in dieser Situation die Treuwidrigkeit des Squeeze-out deshalb angenommen, weil die vorausgegangenen Umwandlung von der GmbH in die AG dem Squeeze-out die innere Rechtfertigung nehme.434 431
So auch MüKo/Grunewald, AktG, § 327a Rn. 18. BGHZ 103, 184. 433 Vgl. § 240 Abs. 1 UmwG; anders ist dies jedoch bei den Personengesellschaften, bei denen ein Umwandlungsbeschluss einstimmig gefasst werden muss, vgl. § 217 Abs. 1 UmwG. 434 Krieger BB 2002, 53, 61; Fleischer ZGR 2002, 757, 787; Habersack ZIP 2001, 1230, 1234 f. 432
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Hier könne man nicht argumentieren, der Squeeze-out sei erforderlich gewesen, um den Kosten- und Formalaufwand in der AG zu reduzieren. Hätte man den mit der AG verbundenen Aufwand im Zusammenhang mit Umstrukturierungsmaßnahmen und der Abhaltung von Hauptversammlungen vermeiden wollen, hätte eine Umwandlung gerade in eine AG nicht stattfinden dürfen. Auch könne man schwerlich argumentieren, man wolle den Kreis der Gesellschafter reduzieren; die Umwandlung einer GmbH in eine AG erfolge in der Regel gerade zum Zwecke einer Börseneinführung oder zumindest der Erweiterung des Gesellschafterkreises. Dagegen gehalten wird von einem anderen Teil der Literatur, dass ein Squeeze-out auch im Zusammenhang mit einem vorangegangen Formwechsel allein den vom Gesetzgeber vorgesehenen Zweck der Unternehmenseffektuierung verfolge und damit keinesfalls rechtsmissbräuchlich sei.435 Gesetzgeberisches Motiv der §§ 327a ff. AktG sei es, dem Hauptaktionär einer Aktiengesellschaft mit entsprechender Beteiligungsstruktur den Ausschluss der verbliebenen Minderheitsaktionäre zu ermöglichen. Auch nach dem Formwechsel einer GmbH in eine AG werde mit dem Squeeze-out aber allein dieser Zweck erreicht. Eine Umgehung der Squeeze-out-Vorschriften liege daher nicht vor. b) Stellungnahme Der letztgenannten Auffassung ist zu folgen. Der gesetzgeberische Zweck des Squeeze-out ist es, einem Mehrheitsaktionär mit entsprechender Beteiligungsquote die Möglichkeit zum Ausschluss der Minderheitsaktionäre zum Zwecke der Unternehmenseffektuierung zu geben. Allein dieser Zweck wird auch bei einem vorangegangenen Formwechsel erreicht. Die gegenteilige Auffassung würde zu großer Rechtsunsicherheit führen. Im Ergebnis müsste hier immer eine Einzelfallabwägung dahin gehend stattfinden, ob zwischen dem Umwandlungsbeschluss und dem Squeeze-out-Verlangen hinreichend Zeit vergangen ist, um die Annahme verwerfen zu können, der Formwechsel sei allein zum Zwecke eines späteren Squeeze-outs erfolgt. Die eigentliche Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist diejenige, ob nicht etwa der Umwandlungsbeschluss zum Zwecke des Squeezeout rechtsmissbräuchlich und damit treuwidrig ist.436 Abzustellen ist hierbei auf den Zweck einer Formumwandlung nach §§ 190 ff. UmwG. Die §§ 190 ff. UmwG schaffen die Möglichkeit, auch nach Errichtung der Gesellschaft die für das Unternehmen passende Rechtsform wählen zu können. 435 Hamann, Squeeze-out, S. 170 ff.; Angerer BKR 2002, 260, 267; Markwardt BB 2003, 277, 283. 436 Vgl. hierzu ausführlich: Hamann, Squeeze-out, S. 173 f.
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So wird gewährleistet, dass die Rechtsform der Gesellschaft den aktuellen persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen und steuerlichen Rahmenbedingungen optimal angepasst werden kann. Es ist daher Ausdruck unternehmerischen Ermessens, einer Gesellschaft die Wahl der vom Gesetzgeber bereitgestellten Rechtsformen zu überlassen, die sie unter Berücksichtigung ihrer Verhältnisse für am zweckmäßigsten hält. Allein dem entspricht jedoch auch das Ziel der Mehrheit in oben dargestellter Situation: Es soll eine Gesellschaftsform, nämlich die der AG, gewählt werden, weil sie der Gesellschaft mit der Möglichkeit zum Squeeze-out den größtmöglichen Nutzen bringt. Darin ist nichts Treuwidriges zu sehen. Hat die Gesellschaft eine neue Rechtsform gewählt, so stehen ihr alle mit dieser Rechtsform verbunden Vorteile zur Verfügung; im Gegenzug treffen sie auch die damit verbundenen Nachteile.437 2. Umwandlung einer GmbH in eine AG, Squeeze-out und anschließende zeitnahe Rückumwandlung Anders verhält es sich jedoch dann, wenn nach Formumwandlung und Squeeze-out zeitnah eine Rückumwandlung der – nunmehr im Alleineigentum des Hauptaktionärs stehenden – Aktiengesellschaft in ihre ursprüngliche Rechtsform der GmbH erfolgt. Hier weicht das von dem Hauptaktionär mit dem Squeeze-out verfolgte Ziel von dem für diese Maßnahme vom Gesetz vorgesehenen Sinn und Zweck deutlich ab. Eben gewählte Argumentation, wonach die Gesellschaft alle Vor- und Nachteile ihrer neuen Rechtsform treffen, greift hier als Rechtfertigung bei nur „kurzem Verweilen“ in der neuen Rechtsform der Aktiengesellschaft nicht. Der Hauptaktionär nutzt in einer solchen Situation augenscheinlich nur den Vorteil der Ausschlussmöglichkeit im Aktienrecht. Ein solches „Ausnutzen“ der §§ 327a ff. AktG mit der Planung alsbald in die ursprüngliche Rechtsform „zurückzuspringen“ greift in unangemessener Weise in die Rechte der Minderheitsgesellschafter ein und verstößt aufgrund seiner besonderen Begleitumstände gegen die allgemeine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht.438 Im Ergebnis findet hier ein Ausschluss der Minderheitsgesellschafter einer GmbH statt. Für die GmbH hat der Gesetzgeber das Institut des Squeeze-out jedoch nicht normiert. Dies entspricht dem Prinzip der engeren Bindung der GmbH-Gesellschafter untereinander, sowie dem Grundsatz der unter gewöhnlichen Umständen bestehenden Unkündbarkeit der GmbH-Beteiligung. 437 438
So im Ergebnis auch Hamann, Squeeze-out, S. 173, 174. So schon Hamann, Squeeze-out, S. 175, 176.
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3. Erreichen der Beteiligungsschwelle Schließen sich mehrere Aktionäre zum Erreichen der für den Squeeze-out erforderlichen Beteiligungsschwelle zusammen, um sodann gemeinsam als „Hauptaktionär“ weitere Mitgesellschafter gem. § 327a ff. AktG aus der Gesellschaft auszuschließen, so stellt sich die Frage, ob diese Konstruktion noch vom Willen des Gesetzgebers umfasst ist. a) Gestaltungsmöglichkeiten Für die Feststellung der erforderlichen Kapitalmehrheit in Höhe von 95% gilt nach § 327a Abs. 2 AktG die allgemeine Regelung in § 16 Abs. 2 und Abs. 4 AktG. Dem Aktionär „gehören“ damit alle Aktien, bei denen er Inhaber des Vollrechts ist.439 Hauptaktionär im Sinne der §§ 327a ff. AktG kann dabei jede natürliche und juristische Person, sowie jede Personengesellschaft einschließlich der Gesellschaft bürgerlichen Rechts sein.440 Entscheidend für einen Zusammenschluss als „Hauptaktionär“ ist damit allein das Zusammenfallen des Eigentums an allen Aktien in einer Hand.441 Eine Mehrheit von Aktionären kann als solche also dann Hauptaktionärin sein, wenn sie zuordnungsfähig ist und die Anteile in ihr Vermögen übertragen worden sind. Ein aus mehreren Aktionären der Gesellschaft gebildetes Konsortium in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist dann Hauptaktionär, wenn die zum Erreichen der Kapitalmehrheit erforderlichen Aktien in sein Eigentum übergegangen sind.442 Ein reines Stimmbindungskonsortium, bei dem die Anteile im Eigentum der einzelnen Konsortialmitglieder verbleiben, kommt dagegen als Hauptaktionär nicht in Betracht.443 439
Dazu Hüffer AktG § 16 Rn. 6 f. OLG Hamburg AG 2003, 698; OLG Hamburg AG 2003, 696, 697; Hüffer AktG § 327a Rn. 2; Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327a Rn. 24; Bolte DB 2001, 2587, Gesmann-Nuissl WM 2002, 1205, 1206; Grunewald ZIP 2002, 18, 19. Auch der Gesetzesbegründung zu den §§ 327a ff. AktG ist nicht zu entnehmen, dass bestimmte Rechtsformen als Hauptaktionär auszuschließen seien. 441 Dazu auch Hamann, Squeeze-out, S. 164. Ausführlich zu den möglichen Erscheinungsformen eines solchen Zusammenschlusses vgl. Baums WM 2001, 1843, 1845; Maslo NZG 2004, 163, 164 ff. 442 Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327a Rn. 24. 443 Hüffer AktG § 327a Rn. 13; Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327a Rn. 24; Markwardt BB 2004, 277, 279 f.; Maslo NZG 2004, 163, 165 f.; a. A. Mertens AG 2002, 377, 379 f., der aber außer Betracht lässt, dass eine reine BGB-Innengesellschaft regelmäßig kein Unternehmen im Sinne des § 16 Abs. 4 AktG ist, vgl. dazu Geßler in Geßler/Hefermehl AktG § 16 Rn. 52. 440
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Nach dem oben genannten Grundsatz sind dem Hauptaktionär daneben auch solche Aktien zuzuordnen, die er im Rahmen einer Wertpapierleihe erworben hat.444 Hier ist regelmäßig der Entleiher als Darlehensnehmer Inhaber des Vollrechts; die Pflicht zur Rückgewähr nach § 607 Abs. 1 Satz 2 BGB ändert daran nichts.445 Gleiches gilt bei der Treuhand. Inhaber der Anteile wird ungeachtet schuldrechtlicher Bindungen der Treuhänder.446 Grundsätzlich scheint es daher möglich, dass sich eine beliebig hohe Zahl von Aktionären auf einem der eben genannten Wege zusammenschließt, um so mit der erforderlichen Beteiligung von kumulierten 95% des Grundkapitals den oder die übrigen außenstehenden Mitaktionäre nach §§ 327a ff. AktG aus der Gesellschaft auszuschließen. b) „Zusammenschluss zum Ausschluss“ als rechtsmissbräuchliches Verhalten? Das Verhalten der sich zusammenschließenden Aktionäre wäre jedoch dann als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn das im Zuge des Vorgehens verfolgte Ziel nicht mehr unter den vom Gesetzgeber mit dem Squeeze-out verfolgten Zweck fällt. Der vom Gesetzgeber bei der Schaffung der §§ 327a ff. AktG verfolgte Zweck besteht in dem „Einsammeln von letzten, noch im Streubesitz befindlichen Aktien“.447 Durch die Vereinigung aller Aktien in einer Hand soll es dem Hauptaktionär ermöglicht werden, notwendige Umstrukturierungen ohne zeitliche Verzögerungen vorzunehmen und durch die Existenz der Minderheit bedingten Aufwand und Kosten zu sparen.448 Der Gesetzgeber hatte also hier einen Hauptaktionär vor Augen, der nach Auskauf einer Restminderheit als Alleinanteilsinhaber der Gesellschaft verbleiben und dem so die Unternehmensleitung ohne widerstreitende Interessen ermöglicht werden soll. Dieses Bild weicht jedoch erheblich von einem Zusammenschluss von Aktionären ab, die nur unter Zusammenrechnung ihrer Anteile die für den Squeeze-out erforderliche Beteiligungsschwelle erreichen. Hier verbleiben auch nach dem Squeeze-out mehrere Anteilsinhaber in der Gesellschaft. Auch ist eine dauerhafte alleinverantwortliche Unternehmensführung eines Einzelnen auch nach dem Squeeze-out nicht möglich. 444 Zur Wertpapierleihe näher Kienle in Schimansky/Bunte/Lwowski, BankrechtsHandbuch Band III, § 105; Claussen, Bank- und Börsenrecht, S. 568; Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 8 124 ff. 445 Vgl. Hüffer AktG § 16 Rn. 12; Markwardt BB 2004, 277, 280. 446 Vgl. BGHZ 104, 66, 74 zur GmbH; Hüffer AktG § 16 Rn. 7; Markwardt BB 2004, 277, 280; Maslo NZG 2004, 163, 167. 447 Vgl. Allgemeiner Teil des Referentenentwurfs, BT-Drs. 14/7034, S. 73 f. 448 Dazu schon ausführlich oben Kapitel II § 1.
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Zwar ist der Zusammenschluss mehrerer Aktionäre zur Durchführung eines Squeeze-out vergleichbar mit der Beteiligung einer juristischen Person, die wiederum von mehreren Anteilseignern gehalten wird oder der nach § 16 Abs. 4 AktG Anteile im Rahmen von Konzernverhältnissen zugerechnet werden.449 In einem solchen Fall vertritt die Geschäftsleitung die Interessen der Gesellschaft und veranlasst gegebenenfalls einen Squeezeout. Schließen sich jedoch mehrere Aktionäre allein zur Durchführung eines Squeeze-out zusammen, so liegt die Interessenlage anders: Die Interessen der verschiedenen Aktionäre decken sich hier nur in dem Bestreben, einen oder mehrere Mitgesellschafter aus der Gesellschaft auszuschließen. Zweifelhaft ist jedoch, ob sich die zusammengeschlossenen Aktionäre auch darüber hinaus in jedem Fall über unternehmerische Entscheidungen werden einigen können.450 Auch der Aufwand, welcher durch den Squeeze-out nach seiner gesetzgeberischen Intention gerade beseitigt werden sollte, würde nicht völlig eliminiert. Vielmehr würde dieser Aufwand allein auf die Ebene verlagert, auf der sich die Aktionäre zum Ausschluss der verbliebenen außenstehenden Aktionäre zusammengeschlossen und ihr Eigentum gebündelt haben.451 Dabei ist unerheblich, ob nunmehr eine natürliche Person die Aktien hält, welche die Interessen aller nach deren Vorstellungen und Mitsprache verwirklichen soll, oder ob es sich um eine Gesellschaft beliebiger Rechtsform handelt. Gleiches gilt für die mit dem Squeeze-out gerade bezweckte Ersparnis von Kosten. Auch diese fallen je nach Art des Zusammenschlusses auf untergeordneter Ebene in Form von Ausgaben für Mitgliederversammlungen und Informationsaustausch an. Damit liegt eine rechtsmissbräuchliche Nutzung der Beschlussmöglichkeit nach §§ 327a Abs. 1 Satz 1 AktG vor, wenn sich mehrere Aktionäre unter Übertragung ihres Anteilseigentums an einen beliebigen Rechtsträger als „Hauptaktionär“ zusammenschließen, um so die verbliebenen außenstehenden Aktionäre aus der Gesellschaft nach §§ 327a ff. AktG auszuschließen.452 Ein solcher „Zusammenschluss zum Ausschluss“ ist von dem mit 449
Eine solche Zurechnung im Konzern ist im Gegensatz zu der hier dargestellten Konstruktion rechtlich unproblematisch. Die Regelung vermeidet allein die wirtschaftlich sinnlose und in der Regel Steuerzahlungen auslösende Umschichtung der Beteiligungen im Konzern zur Erreichung der Kapitalmehrheit „in einer Hand“, vgl. DAV NZG 1999, 850, 851; Ehricke/Roth DStR 2001, 1120, 1121; Krieger BB 2002, 53, 54. 450 So auch schon die Kritik von Hamann, Squeeze-out, S. 166. 451 Ähnlich Hamann, Squeeze-out, S. 166; Bolte DB 2001, 2587, 2588. 452 So im Ergebnis auch Baums WM 2001, 1843, 1845 (allerdings beschränkt auf nur vorübergehende Zusammenschlüsse); Hamann, Squeeze-out, S. 164 ff.; Bolte DB 2001, 2587, 2589 f.; a. A. Geßler in Geßler/Hefermehl AktG § 327a Rn. 14;
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der Schaffung der §§ 327a ff. AktG verfolgten Sinn und Zweck des Gesetzgebers nicht gedeckt. In diesem Fall besteht eine offensichtliche Diskrepanz zwischen dem Willen des Gesetzgebers – Auskauf aller Minderheitsaktionäre durch einen Hauptaktionär – und dem Ziel der zusammengeschlossenen Aktionäre – Ausschluss eines bestimmten Aktionärs oder bestimmter Aktionäre, durch mehrere in der Gesellschaft, wenn auch indirekt (zusammengefasst als Hauptaktionär), verbleibende Aktionäre. Dieser Ausschluss könnte auf dem vom Gesetz dafür vorgesehenen Wege nicht erreicht werden, da ohne den „Zusammenschluss zum Ausschluss“ in dieser Konstellation kein Hauptaktionär mit einer Anteilsquote von 95% vorhanden ist. Der auf Verlangen des „Hauptaktionärs“ als Zusammenschluss verschiedener Aktionäre gefasste Hauptversammlungsbeschluss zum Squeeze-out ist daher wegen Stimmrechtsmissbrauchs anfechtbar.453 Eine Ausnahme muss jedoch für solche Gesellschaften und Holdings gelten, deren originäre Aufgabe das Verwalten von Beteiligungen ist und die nicht allein zum Zweck des Squeeze-out gegründet wurden. Bei der Einordnung als Rechtsmissbrauch ist es letztlich unerheblich, ob der Zusammenschluss der Aktionäre dauerhaft oder nur vorübergehend zum Zwecke des Squeeze-out erfolgt.454 Es ist nicht ersichtlich, warum ein einzig zum Ausschluss nach §§ 327a ff. AktG gebildeter Zusammenschluss mehrerer Aktionäre als Hauptaktionär gem. § 327 Abs. 1 Satz 1 AktG über den Ausschluss der verbliebenen Minderheitsaktionäre entscheiden können soll, nur weil dieser Zusammenschluss auf Dauer fortbesteht. Im Zweifel besteht kein Bedürfnis für einen solchen Zusammenschluss, sich zeitnah nach der Durchführung des Squeeze-out wieder aufzulösen. Selbst Stimmrechte der zusammengeschlossenen Aktionäre könnten unter Fortführung des Zusammenschlusses nach ihrer Beteiligungsquote ausgeübt, Dividenden entsprechend bezogen werden. Käme es also auf die Frage der Dauer des Zusammenschlusses an, so könnten die als „Hauptaktionär“ zusammengeschlossenen Aktionäre allein durch Abwarten eines gewissen Zeitraums ihr Verhalten legitimieren. c) Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss nur zum Erreichen der Kapitalmehrheit Daneben ist auch die Durchführung einer Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss in der Gesellschaft, die zu einer sukzessiven Verringerung Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327a Rn. 56; Steinmeyer/Häger WpÜG § 327a Rn. 16; Krieger BB 2002, 53, 62; Markwardt BB 2004, 277, 285. 453 So auch Hamann, Squeeze-out S. 164 ff., 167; Bolte DB 2001, 2587, 2589. 454 Wie hier Hamann, Squeeze-out, S. 167; a. A. aber Baums WM 2001, 1843, 1845; Bolte DB 2001, 2587, 2589 f.
§ 3 Einzelfragen
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der Beteiligungsquote der Minderheitsaktionäre führt, als unzulässig angesehen worden, wenn dieses Vorgehen mit dem alleinigen Zweck des Erreichens der für den Squeeze-out erforderlichen Kapitalmehrheit erfolgt.455 Dies trifft mit Blick auf die materiellen Voraussetzungen des Bezugsrechtsausschlusses wohl zu. Doch ist dies keine Frage des Rechtsmissbrauchs, sondern der Zulässigkeit des Bezugsrechtsausschlusses nach § 186 Abs. 3 AktG. Diese Frage ist zwar bei der Anfechtbarkeit der betreffenden Kapitalerhöhungsbeschlüsse, nicht aber im Rahmen der Durchführung des Squeeze-out zu berücksichtigen.456 4. Nach Squeeze-out Börsengang oder anderweitige Aufnahme neuer Aktionäre Denkbar erscheint, dass ein Hauptaktionär nach Durchführung eines Squeeze-out erneut einen Börsengang plant oder anderweitig neue Aktionäre aufnimmt. Es stellt sich hier die Frage, ob in einem nach dem Squeezeout erfolgten Börsengang oder der anderweitigen Aufnahme von neuen Aktionären ein widersprüchliches und damit rechtsmissbräuchliches Verhalten des Hauptaktionärs liegt. Ein widersprüchliches Verhalten im Sinne des venire contra factum proprium liegt vor, wenn im Widerspruch zu der vorherigen Schaffung eines Vertrauenstatbestand gehandelt wird, infolgedessen die andere Partei Dispositionen getroffen hat, die bei ihr zu einem Nachteil führen.457 Vorliegend mag das Verhalten des Hauptaktionärs – erst Ausschluss der Minderheit, dann Aufnahme neuer Aktionäre – zwar auf den ersten Blick als Widerspruch erscheinen. Es fehlt hier jedoch schon an der Schaffung eines Vertrauenstatbestandes durch den Hauptaktionär. Auch treffen die ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre keine freiwillige Vermögensdisposition. Im Zeitpunkt des Ausschlusses der Restminderheit erweckt der Hauptaktionär nicht etwa den Eindruck, er werde nie wieder zum Zwecke der Finanzierung neue Aktionäre aufnehmen. Vielmehr trifft der Hauptaktionär allein gegenwärtig die Entscheidung, dass es im Sinne des Unternehmens sei, dieses alleinverantwortlich zu führen. Eine solche Unternehmensentscheidung kann er aber in der Zukunft ändern, nämlich dann, wenn er meint, dass es zur Führung des Unternehmens wieder sinnvoll sei, Eigenkapital aufzunehmen. Zu einer Absage an jede zukünftige Eigenkapitalauf455 Baums, Ausschluss von Minderheitsaktionären, S. 133 ff.; ders. WM 2001, 1843 ff.; Gesmann-Nuissl WM 2002, 1205, 1207. 456 So schon Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327a Rn. 58; vgl. auch Gesmann-Nuissl WM 2002, 1205, 1207. 457 Soergel/Teichmann, BGB, § 242 Rn. 312, 316 ff.
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nahme ist der Hauptaktionär weder vom Gesetzgeber gehalten, noch liegt eine solche in seinem Interesse. Eine solche Aussage kann damit auch nicht in sein Verhalten beim Squeeze-out hineininterpretiert werden. Ein Vertrauensbestand wird damit schon nicht geschaffen. Auch fehlt es für ein venire contra factum proprium an dem Merkmal der auf dem Vertrauen beruhenden Vermögensdisposition der Minderheitsaktionäre. Diese werden beim Squeeze-out gegen ihren Willen ausgeschlossen, eine Disposition ihrerseits liegt damit ohnehin nicht vor. Daneben trifft die ausgeschlossenen Aktionäre auch kein Vermögensnachteil. Sie erhalten für ihre Beteiligung im Zeitpunkt des Ausschlusses eine angemessenen Barabfindung, die auch die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft berücksichtigt.458 Schließlich entspricht eine spätere Neuaufnahme von Aktionären sogar dem Sinn und Zweck des Squeeze-out. Dem Hauptaktionär soll durch den Ausschluss der Minderheitsaktionäre die Möglichkeit gegeben werden, dass Unternehmen ohne den Einfluss der Minderheitsaktionären zu leiten und ohne die Gefahr von Anfechtungsklagen umzustrukturieren. Die eigenverantwortliche Leitung und Möglichkeit zur Umstrukturierung muss jedoch auch die Möglichkeit umfassen, bei Bedarf neues Kapital zu generieren.459 Dies ist schließlich eine der Hauptfunktionen der Rechtsform der Aktiengesellschaft. 5. Zusammenfassung Der Hauptversammlungsbeschluss gemäß § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung. Der Gesetzgeber hat insoweit bereits vorab eine abschließende Interessenabwägung zu Gunsten des Hauptaktionärs vorgenommen. Er lässt im Ergebnis das besonders hohe Mehrheitserfordernis, sowie die detaillierten Abfindungs- und Informationsregelungen an die Stelle einer Inhaltskontrolle im Einzelfall treten. Der Hauptversammlungsbeschluss ist jedoch dann wegen Rechtsmissbrauchs anfechtbar, wenn besondere Umstände hinzutreten, welche die Annahme eines treuwidrigen Verhaltens des Hauptaktionärs rechtfertigen. Dies wird wie eben dargelegt nur sehr selten der Fall sein. Dies trifft aber zum Beispiel zu, wenn nach der Formumwandlung einer GmbH in eine AG ein Squeeze-out durchgeführt wurde und danach zeitnah eine Rückumwandlung in die ursprüngliche Rechtsform einer GmbH erfolgt ist. Auch liegt rechtsmissbräuchliches Verhalten vor, wenn sich mehrere Aktionäre allein zur 458
Dazu sogleich unter Kapitel III § 3 D. So auch Markwardt BB 2004, 277, 285; siehe dazu auch MüKo/Grunewald, AktG, § 327a Rn. 28; Vetter AG 2002, 176, 186. 459
§ 3 Einzelfragen
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Durchführung eines Squeeze-out zu einem „Hauptaktionär“ zusammenschließen.
D. Abfindungsbemessung Die Gewährung einer angemessenen Barabfindung durch § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG stellt die verfassungsrechtliche Rechtfertigung des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre im Rahmen des Squeeze-out dar. Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen, muss die Abfindung eine volle Entschädigung für den Verlust des Anteilseigentums darstellen, sie muss also zum vollen Wert der Aktien erfolgen.460 Um diesen Wert zu ermitteln ist eine Unternehmensbewertung erforderlich. Eine Bewertungsmethode ist jedoch gesetzlich nicht vorgeschrieben. Neben die Frage nach der Wahl der richtigen Bewertungsmethode treten Fragen, die das Bundesverfassungsgericht mit seiner neueren Rechtsprechung zur Berücksichtigung des Börsenkurses bei der Bemessung der Abfindung aufgeworfen hat. Beides soll hier erörtert werden.461 I. Allgemeines Zur Höhe der Barabfindung trifft das Gesetz zwei Aussagen: nach § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG muss die Barabfindung „angemessen“ sein, nach § 327b Abs. 1 Satz 1 AktG muss sie „die Verhältnisse der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlussfassung ihrer Hauptversammlung“ berücksichtigen.462 Daneben legt das Gesetz zwar den Bewertungszeitpunkt (Zeitpunkt der Beschlussfassung), nicht aber die Wahl der Bewertungsmethode fest. Regelmäßig ist von der Rechtsprechung bisher das Ertragswertverfahren zur Unternehmensbewertung herangezogen worden.463 Daneben wird in der Bewertungspraxis zunehmend das Discounted-Cash-Flow-Verfahren verwendet. Beeinflusst 460
Dazu ausführlich schon oben Kapitel III § 1 D. Die Bestimmung der Angemessenheit der Barabfindung und die dabei zugrunde liegenden Bewertung der Gesellschaft ist eine rechtliche, keine betriebswirtschaftliche Aufgabe, vgl. schon Großfeld JZ 1981, 641 ff.; Hüttemann ZHR 162 (1998) 563 ff. Sehr ausführlich zur Abfindungsbemessung Komp, Zweifelsfragen des aktienrechtlichen Abfindungsanspruchs nach §§ 305, 320b AktG. Vgl. auch Wilts/Schaldt/Nottmeier FB 2002, 621, 622 ff., welche einige der ersten Squeezeouts in der Praxis auf ihre Besonderheiten im Rahmen der Unternehmensbewertung untersucht haben. 462 Dies entspricht auch den vergleichbaren Regelungen im Umwandlungs- und Konzernrecht, vgl. §§ 29 Abs. 1 Satz 1, 30 Abs. 1 Satz 1 UmwG, §§ 305 Abs. 1 und Abs. 3 Satz 2, 320b Abs. 1 Satz 1 und 5 AktG. 463 Vgl. BGHZ 116, 359, 370 f.; BGH WM 1993, 1412, 1413; BGH NJW 1985, 192, 193; 1982, 2441; OLG Düsseldorf AG 1992, 200, 203; OLG Düsseldorf WM 1990, 1282, 1286; OLG Düsseldorf ZIP 1988, 1555; Seetzen WPg 1991, 166; Aha 461
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wird das Bewertungsergebnis jedoch in jedem Fall von der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts464, wonach der Börsenkurs grundsätzlich als Untergrenze der Abfindung zu berücksichtigen ist. II. Bewertungsverfahren Zur Ermittlung des Anteilswertes ist zunächst der Wert des Unternehmens zu bestimmen. Maßstab für die spätere Umrechnung ist der Anteil der einzelnen Aktie am Grundkapital, vgl. § 8 Abs. 4 AktG.465 Der Wert eines Unternehmens wird von dem subjektiven Nutzen bestimmt, den seine Eigentümer aus ihm ziehen können. Der subjektive Nutzen kann dabei in dem Barwert der zukünftig entziehbaren, den Gesellschaftern zufließenden finanziellen Überschüssen gesehen werden. Dabei ist nicht die Summe der einzelnen Vermögensgegenstände maßgeblich (Einzelbetrachtung), sondern die Ertragskraft unter Zusammenwirken aller Faktoren, u. a. dem good will, Gewinnanteilen und Dividenden (Gesamtbetrachtung). Die prognostizierten finanziellen Überschüsse werden auf den Bewertungsstichtag diskontiert, um so den Unternehmenswert (Zukunftserfolgswert) zu erhalten.466 Diese Grundsätze liegen sowohl dem Ertragswert- als auch dem Discounted-Cash-Flow-Verfahren zugrunde. 1. Ertragswertverfahren Abhängig davon, ob zur Berechnung des Ertragswerts die so genannte pauschale Methode, die analytische oder auch Phasenmethode oder eine Kombination der beiden Methoden, so genannte Kombinationsmethode, herangezogen wird, erfolgt die Prognose des zukünftigen Ertrages aufgrund einer auf einen bestimmten Zeitraum bezogenen Vergangenheitsanalyse (so die pauschale Methode) oder anhand der Prognose von Erträgen auf Basis der Ausarbeitung von zukunftsbezogenen Plänen (so die analytische Methode).467 Die Diskontierung des so ermittelten Ertragswertes auf den BewerAG 1997 26 f.; vgl. auch die ausführliche Darstellung der Entwicklung in der Rechtsprechung: Lausterer, Unternehmensbewertung, S. 99 ff. 464 BVerfGE 100, 289, 306 (DAT/Altana). 465 Vgl. dazu auch Mattes/Graf von Maldeghem BKR 2004, 531, 533; Wilts/ Schaldt/Nottmeier FB 2002, 621, 623. 466 Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 20 ff.; Helbling, Unternehmensbewertung, S. 72 ff., 90 ff.; Piltz, Unternehmensbewertung, S. 17 ff.; Mattes/Graf von Maldeghem BKR 2004, 531, 533 f. 467 Vgl. Piltz, Unternehmensbewertung, S. 19 ff.; Aha AG 1997, 26, 28 ff. In sämtlichen der von Wilts/Schaldt/Nottmeier untersuchten Squeeze-outs wurde die Ertragswertmethode zur Unternehmensbewertung herangezogen, vgl. FB 2002, 621, 622.
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tungsstichtag erfolgt anhand eines Kapitalisierungszinssatzes, der sich aus einem Basiszins468, einem Risikozuschlag und einem Inflationsabschlag469 zusammensetzt.470 2. Discounted-Cash-Flow-Verfahren Nach dem international gebräuchlichen Discounted-Cash-Flow-Verfahren wird der Unternehmenswert aus dem abgezinsten zukünftigen CashFlow ermittelt.471 Anders als bei der Ertragswertmethode wird hier als Zukunftserfolg nicht der Einnahmeüberschuss, sondern der zukünftig entziehbare Netto-Kassenüberschuss, also insbesondere auch nach Steuern, zugrunde gelegt.472 3. Weitere Verfahren Weitere Bewertungsverfahren, wie zum Beispiel das Buchwert-, das Substanzwert- oder das Stuttgarter Verfahren führen in der Regel zu keinen sachgerechten Ergebnissen.473 Eine Anknüpfung an den Buchwert des Unternehmens nimmt stille Reserven, den Firmenwert, sowie nicht aktivierte Wirtschaftsgüter von der Bewertung aus.474 Das Substanzwertverfahren verkennt, dass ein Unternehmen mehr als die Summe seiner arbeitenden, selbstständig bewertungsfähigen Gegenstände (Substanz) ist, sondern darüber hinaus über das Zusammenspiel der einzelnen Faktoren, der Qualität der Unternehmensführung und den Firmenwert einen Wertzuwachs erfährt.475 Auch das Stuttgarter Verfahren, das in einer Kombination von Sub468 Ausgegangen wird hier üblicherweise vom landesüblichen Zinssatz für öffentliche Anleihen mit einer festen Restlaufzeit von 10 oder mehr Jahren, vgl. BGH DB 2000, 82 f.; Piltz, Unternehmensbewertung, S. 27. Um eine mögliche Verzerrung des Ergebnisses durch Zufälligkeiten des Kapitalmarkts und die aktuelle Geldmarktpolitik der Bundesbank zu verhindern, ist hier statt des Tageszinssatzes der Durchschnittszins der letzten 15 Jahre zu ermitteln, vgl. BGH DB 2000, 82. 469 Vgl. ausführlich zur Berechnung dieser Zu- und Abschläge IdW, Wirtschaftsprüfer-Handbuch, Rn. 182 ff., 206 ff. 470 Speziell zur Ermittlung des Kapitalisierungszinssatzes beim Squeeze-out Wilts/Schaldt/Nottmeier FB 2002, 621, 623. 471 Innerhalb dieser Methode bestehen drei verschiedene Bewertungskonzepte, die sich in erster Linie hinsichtlich der Rechentechnik unterscheiden, der WACC-, der APV- und der Equity-Ansatz. Dazu ausführlich IdW Wirtschaftsprüfer-Handbuch, Rn. 291 ff., 314 ff., 319 ff.; Matthes/Graf von Maldeghem BKR 2003, 531, 534 ff. 472 Piltz, Unternehmensbewertung, S. 18 f. 473 Ein guter Überblick über untaugliche Bewertungsverfahren findet sich bei Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 31 ff. 474 Hüffer AktG § 305 Rn. 20; Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 305 Rn. 41.
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stanz- und Ertragswertverfahren auf Mittelwerte abstellt, kommt nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht.476 4. Zwischenergebnis Sowohl mit dem Ertragswert- als auch mit dem Discounted-Cash-FlowVerfahren lässt sich der Zukunftserfolgswert als wahrer Wert des Unternehmens bestimmen. Ein nach einem dieser Verfahren berechneter Unternehmens- bzw. Anteilswert wird daher dem Anspruch des Minderheitsaktionärs auf eine angemessene Abfindung grundsätzlich gerecht. Alle weiteren Verfahren führen dagegen in der Regel zu keinem sachgerechten Ergebnis. Um verfassungsrechtlichen Vorgaben zu erfüllen und dem Schutz der Minderheit gerecht zu werden, hat der Hauptaktionär also eine der beiden erstgenannten Bewertungsmethoden bei der Unternehmens- und Anteilsbewertung zu wählen. III. Börsenkurs Bis 1999 wurde der Börsenkurs von der Rechtsprechung als untaugliche Bemessungsgrundlage abgelehnt.477 Der Börsenkurs hänge von Zufälligkeiten ab, er sei unsicher und leicht manipulierbar. Außerdem könne er zu leicht die wirkliche Ertragslage verheimlichen und auf bloßer Börsenphantasie der Anleger beruhen.478 1. DAT/Altana-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts Diese Rechtsprechung haben die Gerichte nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Frage der vollen wirtschaftlichen Entschädigung aufgegeben.479 In seinem DAT/Altana-Beschluss vom 27. April 1999480 hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, dass der 475
Vgl. Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 20 f. Dazu Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 33. 477 BGH AG 1967, 264; BayObLG AG 1995, 509, 510; OLG Celle AG 1999, 128, 129; OLG Düsseldorf AG 1995, 85, 86; LG Dortmund AG 1982, 257, 258; LG Frankfurt AG 1985, 310, 311. Dies wurde jedoch von einem Teil der Literatur kritisiert, die damals schon den Börsenkurs als Untergrenze der Abfindung ansahen, vgl. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 305 Rn. 42 ff.; Aha AG 1997, 26, 27 f.; Luttermann ZIP 45, 46 und 51 f. 478 Vgl. Großfeld, Unternehmensbewertung, S. 34 f. 479 BGHZ 147, 108; OLG Düsseldorf AG 2000, 422; OLG Hamburg AG 2001, 479; OLG Stuttgart NZG 2000, 744; LG Dortmund AG 2001, 544; LG München I AG 2001, 99. 480 BVerfGE 100, 289 ff. 476
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Börsenkurs bei der Bestimmung der Abfindung nicht außer Betracht gelassen werden könne. Vielmehr müsse er grundsätzlich die Untergrenze der Abfindung für ausscheidende Aktionäre darstellen. Zum einen stehe die Vermögenskomponente für die Minderheitsaktionäre vielfach im Vordergrund. Zum anderen ermögliche das Aktieneigentum eine „Sphäre individueller Freiheit in finanzieller Hinsicht“, die gerade auf der besonders ausgeprägten Verkehrsfähigkeit von Aktien fuße. Darin unterscheide sich die Beteiligung an einer Aktiengesellschaft, insbesondere auch einer börsennotierten Aktienaktiengesellschaft, von anderen Unternehmensbeteiligungen. Diese besondere Verkehrsfähigkeit müsse aber ihre Berücksichtigung in der Abfindung finden. Der Minderheitsaktionär dürfe aus diesem Grund nicht weniger erhalten, als er bei einer freien Desinvestitionsentscheidung zum Zeitpunkt des Verlustes erlangt hätte.481 Den Einwänden der Manipulierbarkeit des Börsenkurses und dessen Abhängigkeit von Zufälligkeiten begegnet das Bundesverfassungsgericht mit der Feststellung, dass nicht zwingend der Börsenkurs zum Bewertungsstichtag als Bemessungsgrundlage heranzuziehen, sondern ein Durchschnittswert aus einem bestimmten Referenzzeitraum zu bilden sei. Einen bestimmten Referenzzeitraum hat das Gericht jedoch nicht vorgegeben. Es hat sich vielmehr mit der Feststellung begnügt, dass der entsprechende Zeitraum so gewählt werden müsse, dass einem Missbrauch und Ungenauigkeiten begegnet werde.482 2. Einzelfragen Letztgenannte Aussage des Bundesverfassungsgerichts hat zu einer Vielzahl von Lösungsversuchen in Rechtsprechung483 und Literatur484 geführt, die zum einen auf den Börsenkurs am Bewertungsstichtag abstellen,485 zum anderen Referenzzeiträume von drei Monaten486 bis zu „mindestens einem Jahr“487 vorsehen. Problematisch im Rahmen der Berechnung der Abfindung beim Squeeze-out ist zusätzlich, dass der Hauptaktionär und der gemäß § 327c Abs. 2 Satz 3 AktG zu bestellende Prüfer bei der Festlegung bzw. Prüfung der Barabfindung vor der Hauptversammlung einen Referenz481
BVerfGE 100, 289, 305 ff. BVerfGE 100, 289, 309 f. 483 BGH DB 2001, 969, 972 f.; OLG Stuttgart DB 2000, 709 f.; OLG Düsseldorf BB 2000, 1905, 1906. 484 Beckmann WPg 2004, 620, 623 f.; Hüttemann ZGR 2001, 454, 463 f.; Luttermann ZIP 2000, 869, 872; Vetter DB 2001, 1347, 1351. 485 OLG Düsseldorf BB 2000, 1905, 1906. 486 BGH DB 2001, 969, 972 f. (DAT/Altana); dazu kritisch Bungert BB 2001, 1163 ff. 487 Luttermann ZIP 2000, 869, 872. 482
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zeitraum berücksichtigen sollen, der zum Teil noch in der Zukunft liegt. Hier wird man mit Grzimek und Bungert einen sich am Einzelfall orientierenden Bemessungszeitraum zulassen müssen.488 Schließlich bleibt festzustellen, dass die Berücksichtigung des Börsenkurses als Untergrenze der Abfindung nicht von der Pflicht einer Unternehmensbewertung, sei es nach dem Ertragswert-, sei es nach dem DiscountedCash-Flow-Verfahren entbindet. Deren Ergebnis kann allerdings in der Regel nur dann zur Bemessung der Barabfindung herangezogen werden, wenn es den Börsenkurs übersteigt. Gerade beim Squeeze-out ist es aufgrund der durch den geringen Streubesitz begründeten Marktenge jedoch möglich, dass der Börsenkurs das Anteilseigentum zu teuer abbildet.489 Eine Unterschreitung des Börsenkurses im Rahmen der Anteilsbewertung ist verfassungsrechtlich keinesfalls ausgeschlossen. Kann der Hauptaktionär die unzutreffende Abbildung des Unternehmenswertes im Börsenkurs darlegen und beweisen, so kommt eine Unterschreitung des Börsenkurses durchaus in Betracht.490 IV. Zusammenfassung Der Minderheitsaktionär hat Anspruch auf Zahlung einer Barabfindung, die dem vollen Wert seines Anteils entspricht. Dieser Anteil ist als Quotient des Unternehmenswertes des arbeitenden und zukunftsertragsorientierten Unternehmens zu ermitteln. Dabei können zur Ermittlung des Unternehmenswertes sowohl das Ertragswert-, als auch das Discounted-Cash-FlowVerfahren herangezogen werden, da ein Verfahren bisher weder gesetzlich vorgeschrieben, noch von der Rechtsprechung vorgegeben ist und beide Verfahren allgemein anerkannt sind.491 Der Börsenkurs ist daneben grundsätzlich als Untergrenze der Abfindung zu berücksichtigen, es sei denn der Hauptaktionär kann eine auffallende Überbewertung am Markt darlegen und beweisen. Eine zusätzliche Sicherung seines Anspruchs auf eine angemessene Abfindung erfährt der Minderheitsaktionär durch § 327b Abs. 3 488
Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG § 327b Rn. 29; Bungert BB 2001, 1163,
1166. 489 Vgl. Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327b Rn. 18; Hüffer AktG § 327b Rn. 5; Steinmeyer/Häger WpÜG § 327b Rn. 5; Beckmann WPg 2004, 620, 623; Ehricke/Roth DStR 2001, 1120, 1123; Habersack ZIP 2001, 1230, 1238; Krieger BB 2002, 53, 56; Schiessl AG 1999, 442, 451 f.; Vetter ZIP 2000, 1817, 1822; Wilts/Schaldt/Nottmeier FB 2002, 621, 625. 490 BVerfGE 100, 289, 309. 491 Zur Anerkennung des Discounted-Cash-Flow-Verfahrens vgl. IDW-Standard: Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (Stand 28.6.2000) Ziffer 2.1.
§ 3 Einzelfragen
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AktG, der die Besicherung des Abfindungsanspruchs durch ein inländisches Kreditinstitut vorsieht.
E. Rechtsschutz Mit Erlass der §§ 327a ff. AktG hat der Gesetzgeber wie im Umwandlungsrecht und auch anderswo im Aktienrecht492 die Entscheidung über bestimmte aus dem Squeeze-out-Beschluss resultierende Streitigkeiten einer Spruchstelle zugewiesen. So soll die Durchführung des Squeeze-out nicht unnötig durch die ansonsten als Folge einer Anfechtungsklage eintretende Registersperre493 belastet, sondern im Gegenteil vereinfacht und beschleunigt werden. Neben den im Gesetz in § 327f AktG geregelten Fällen werden in der Literatur weitere Problemfälle erörtert, in denen das Spruchverfahren gegenüber der Anfechtungsklage aus verfahrensökonomischen Gründen vorzuziehen sei. I. Anfechtung des Übertragungsbeschlusses 1. Allgemeines Anfechtungsklagen der Minderheitsaktionäre, die auf anderen als Bewertungsgründen, insbesondere aber auf der Verletzung von Verfahrensvorschriften, beruhen, sind neben § 327f Satz 1 AktG zulässig.494 Denkbar sind etwa Mängel bei der Einberufung oder Ankündigung der Hauptversammlung (insbesondere im Hinblick auf Fristen), Fehler bei der Vorlage des schriftlichen Übertragungsberichts des Hauptaktionärs, die unzureichende Dokumentation von Unterlagen zur Einsicht, sowie Fehler bei der vollständigen Vorlage der Jahresabschlüsse und Lageberichte.495 Der Haupt492 So bestimmen § 210 UmwG für den Formwechsel und § 32 UmwG für die Verschmelzung, der über § 125 Satz 1 UmwG auch für Spaltung und Abspaltung gilt, ebenso wie § 320b Abs. 2 AktG für die Mehrheitseingliederung und §§ 304 Abs. 3, 305 Abs. 5 AktG für das Recht der Unternehmensverträge, dass eine Anfechtungsklage gegen den Übertragungsbeschluss nicht darauf gestützt werden kann, dass die angebotene Abfindung nicht angemessen sei. 493 Vgl. § 327e Abs. 2 i. V. m. § 319 Abs. 5 Satz 2 AktG, dazu Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG § 327e Rn. 7. Ausführlich zum Freigabeverfahren Buchta/ Sasse DStR 2004, 958 ff. 494 Vgl. Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327f Rn. 2. 495 Dazu Rathausky, AG Report 2004, R24. Mit der Frage zu welchem Zeitpunkt ein Jahresabschluss vorgelegt werden muss hat sich das OLG Hamburg beschäftigt. Vgl. OLG Hamburg AG 2003, 441. Nach Auffassung des OLG Hamburg sind nur solche Jahresabschlüsse vorzulegen, die bereits aufgestellt, geprüft und festgestellt sind oder sein müssten. Anders noch die Vorinstanz, die im Hinblick auf den Wortlaut des Gesetzes auch die Vorlage nach den handelsrechtlichen Bilanzierungsvor-
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versammlungsbeschluss ist auch dann anfechtbar, wenn ein Beschlussvorschlag des Aufsichtsrates fehlt.496 Zulässig ist die Anfechtung des Übertragungsbeschlusses auch dann, wenn der Hauptaktionär gar keine Barabfindung oder diese nicht ordnungsgemäß angeboten hat. Dies ergibt sich nach ganz überwiegender Auffassung inzident aus § 327f Satz 3 AktG.497 Dagegen ist die Anfechtung des Übertragungsbeschlusses mit der Behauptung eines Sondervorteils des Hauptaktionärs nicht zulässig. Auch kann der Übertragungsbeschluss nicht mit dem Vortrag angefochten werden, dass die Barabfindung nach § 327b AktG nicht angemessen sei. Beides ergibt sich unmittelbar aus § 327f Satz 1 AktG. Auch eine materielle Beschlusskontrolle des Hauptversammlungsbeschlusses über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre findet nicht statt.498 Schon der Gesetzgeber hat die wirtschaftlichen Interessen des Hauptaktionärs vor die Interessen der Minderheitsaktionäre am Erhalt ihrer Mitgliedschaft gestellt. Der Übertragungsbeschluss trägt daher seine sachliche Rechtfertigung bereits in sich.499 2. Anfechtbarkeit wegen abfindungswertbezogener Informationsmängel? Umstritten ist die Reichweite des Anfechtungsrechts lediglich für eine Verletzung des Auskunftsrechts der Minderheitsaktionäre aus § 131 AktG sowie für die Verletzung von bewertungsbezogenen Informationspflichten.500 Diese Frage wurde bisher vor allem bei Umwandlungsmaßnahmen und im Recht der Unternehmensverträge erörtert.501 Umstritten ist nicht nur ihre dortige Behandlung, sondern auch die Frage, ob das dort vom BGH gefundene Ergebnis für das Recht des Squeeze-outs übernommen werden kann. schriften noch nicht vorzuliegender Jahresabschlüsse verlangt hat. Vgl. LG Hamburg NZG 2003, 186, 187. Dazu Dißars BKR 2004, 389, 391. 496 LG Frankfurt NZG 2004, 672 ff. 497 Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327f Rn. 2; Hüffer AktG § 327f Rn. 3; Krieger BB 2002, 53, 60; a. A. nur Geßler AktG § 327f Rn. 6. 498 Vgl. dazu schon ausführlich Kapitel III § 3 C.III. 499 Vgl. auch Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327f Rn. 2; Krieger BB 2002, 53, 55. 500 Hierunter fielen etwa die Nichtvorlage des Prüfungsberichts und die Nichtbeantwortung von Fragen zur Angemessenheit der Barabfindung durch den Vorstand in der Hauptversammlung. 501 Vgl. Henze ZIP 2002, 97, 101 ff.; ders. BB 2002, 893, 897; Hoffmann-Becking, RWS-Forum 2001, 55 ff.
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a) Meinungsstand Der BGH hat für den Fall des § 210 UmwG in Abkehr von seiner langjährigen Rechtsprechung502 und der dieser folgenden herrschenden Meinung im Schrifttum503 entschieden, dass „abfindungswertbezogene Informationsmängel“ keine Anfechtung des betreffenden Hauptversammlungsbeschlusses ermöglichen, sondern ausschließlich im Spruchverfahren gerügt werden können.504 Zur Begründung wurde der Wortlaut des § 210 UmwG herangezogen, der eine Beschlussanfechtung auch dann nicht zulässt, wenn die in § 207 UmwG vorgeschriebene Barabfindung nicht (nur) unangemessen niedrig, sondern (auch) nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten wird. Wenn schon ein vollständiges Fehlen des Angebots zwingend zu einem Anfechtungsausschluss führe, so das Gericht, könne für ein Angebot, zu dem eine fehlerhafte Information der außenstehenden Aktionäre hinzutrete, erst Recht nichts anderes gelten.505 Für den Fall des § 320b Abs. 2 Satz 2 und 3 AktG im Rahmen der Mehrheitseingliederung war dagegen bislang anerkannt, dass das Gesetz einen Vorrang der Anfechtungsklage und eine Subsidiarität des Spruchverfahrens vorsieht.506 Aufgrund der Wortlautgleichheit von § 320b Abs. 2 Satz 3 und § 327f Satz 3 AktG wird von Teilen der Literatur eine Übernahme der zur Mehrheitseingliederung gefundenen Grundsätze für den Squeeze-out befürwortet.507 Die wohl überwiegende Auffassung kommt jedoch trotz des unterschiedlichen Wortlauts bei Formwechsel und Squeezeout zu einer Übertragung der vom BGH für den Formwechsel gefundenen Ergebnisse.508 502
Vgl. z. B. BGH ZIP 1993, 751, 761; BGH ZIP 1995, 1256 ff. Emmerich in Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 304 Rn. 82; Bilda in MüKo AktG § 304 Rn. 199; a. A. aber Hirte ZGR 1994, 644, 658 ff.; Hommelhoff ZGR 1990, 447, 474. 504 BGH ZIP 2001, 199, 201 f.; BGH ZIP 2001, 412, 414 f. 505 BGH ZIP 2001, 199, 201 f. (MEZ); BGH ZIP 2001, 412, 414 f. (Aqua Butzke); vgl. auch OLG Karlsruhe NZG 1999, 604 mit Anm. Bungert; dazu auch: Kleindieck NZG 2001, 552 ff.; kritisch: Kallmeyer GmbHR 2001, 204; Bärwaldt GmbHR 2001, 251, 252. 506 Grunewald in MüKo AktG § 320b Rn. 16; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktienkonzernrecht, § 320b Rn. 20; Hüffer AktG § 320b Rn. 8. 507 Hüffer AktG § 327f Rn. 2; Gesmann-Nuissl WM 2002, 1205, 1210. 508 Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327f Rn. 4; Steinmeyer/Häger WpÜG § 327f Rn. 5; Baums, Ausschluss von Minderheitsaktionären, S. 128; Fuhrmann/Simon WM 2002, 1211, 1217; Kiem RWS-Forum 2001, 329, 343; Krause NJW 2002, 705, 715; Sieger/Hasselbach ZGR 2002, 120, 160; Wilsing/Kruse DB 2002, 1539 ff.; differenzierend nach der Art des Informationsmangels Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG § 327f Rn. 3 f. 503
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b) Stellungnahme Der Wortlaut des § 327f Satz 3 AktG entspricht dem des § 320b Abs. 2 Satz 3 AktG und unterscheidet sich damit bei der Frage der Anfechtung bei einem fehlenden oder nicht ordnungsgemäßen Barabfindungsangebot wesentlich von der Regelung in § 210 UmwG. Dies spricht jedoch noch nicht zwingend gegen eine entsprechende Anwendung der vom BGH gefundenen Grundsätze. Vielmehr sprechen im Fall des Squeeze-out sogar weitergehende Erwägungen für eine Verweisung der Streitigkeiten um abfindungswertbezogene Informationsmängel in das Spruchstellenverfahren. aa) Die gesetzliche Ausgangslage bei Mehrheitseingliederung und Squeeze-out Die in § 320b Abs. 2 AktG für die Mehrheitseingliederung und in § 327f AktG für den Squeeze-out enthaltenen Beschränkungen der Anfechtbarkeit des Eingliederungs- bzw. Übertragungsbeschlusses unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von den vergleichbaren Regelungen509 des Umwandlungsrechts. Zwar schließen sie die Anfechtung eines Eingliederungsbzw. Übertragungsbeschlusses ebenfalls aus und verweisen den Streit in das Spruchverfahren, wenn die Anfechtung auf die Unangemessenheit der Barabfindung gestützt wird. Doch anders als im Umwandlungsrecht ist die Anfechtung bei einem vollständigen Fehlen oder bei einer nicht ordnungsgemäß angebotenen Abfindung nicht ausgeschlossen. Vielmehr ist gem. § 320b Abs. 2 Satz 3 AktG bzw. § 327f Satz 3 AktG in diesen Fällen nur dann im Spruchverfahren zu entscheiden, wenn eine hierauf gestützte Anfechtungsklage entweder innerhalb der Anfechtungsfrist nicht erhoben, zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen wurde. Möglicherweise können aber trotz der unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen im Umwandlungsgesetz einerseits und im Aktiengesetz andererseits ausreichende Gründe für eine Übertragung der MEZ/Aqua ButzkeRechtsprechung gefunden werden. Eine solche Übertragung hätte zur Folge, dass künftig auch die Anfechtung von Eingliederungs- und Übertragungsbeschlüssen nach § 327a AktG mit der Rüge des Vorliegens abfindungswertbezogener Informationsmängel ausgeschlossen wäre. Eine solche Schlussfolgerung wäre insbesondere im Recht des Squeeze-out von besonderer praktischer Relevanz. Wären Anfechtungen wegen abfindungswertbezogener Informationsmängel ebenfalls in das Spruchverfahren verwie509 Für den Formwechsel gilt § 210 UmwG. Eine entsprechende Regelung findet sich mit § 32 UmwG auch im Verschmelzungsrecht, der über § 125 Satz 1 UmwG auch für Spaltung und Abspaltung gilt.
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sen,510 so wäre eine Anfechtung von Squeeze-out-Beschlüssen im Ergebnis weitgehend ausgeschlossen. Es verblieben allein noch die Anfechtung wegen Einladungs- und Bekanntmachungsmängeln, sowie die Anfechtung mit der Rüge, der erforderliche 95%-ige Beteiligungsbesitz des Hauptaktionärs liege nicht vor.511 bb) Der Wortlaut der §§ 320b Abs. 2, 327f AktG Aufgrund der dargestellten Unterschiede kann der Wortlaut der §§ 320b Abs. 2, 327f AktG nicht im gleichen Umfange wie in den beiden viel zitierten Entscheidungen des BGH512 zur Begründung eines Anfechtungsausschlusses herangezogen werden. Das Argument, dass wenn schon das vollständige Fehlen eines Barabfindungsangebots mit der Folge eines weitest möglichen Informationsmangels der betroffenen Aktionäre nicht zu einer Anfechtung des zugrunde liegenden Hauptversammlungsbeschlusses berechtige, so könne erst Recht ein im Vergleich dazu geringerer Mangel in Gestalt eines nicht ausreichend begründeten Angebots die Anfechtungsklage nicht eröffnen, greift hier nicht.513 Denn anders als bei der bei einem Formwechsel nach § 207 UmwG anzubietenden Barabfindung würde ein vollständiges Fehlen des Abfindungsangebots bei Mehrheitseingliederung und Squeeze-out sehr wohl zur Anfechtung des zugrunde liegenden Hauptversammlungsbeschlusses berechtigen. Spricht der Wortlaut der §§ 320b Abs. 2, 327f AktG schon nicht für eine Übernahme der MEZ/Aqua Butzke-Rechtsprechung, so bleibt zu fragen, ob er einer Übertragung des Ergebnisses entgegenstünde. Dies wäre nur dann der Fall, wenn ein Verstoß gegen Informations- und Mitteilungspflichten der Gesellschaft als nicht ordnungsgemäßes Angebot im Sinne der §§ 320b Abs. 2, 327f AktG einzuordnen wäre.514 Hier ist zu differenzieren. Nicht 510 Eine Übertragung bejahend: OLG Köln BB 2003, 2307, 2308; LG Hamburg NZG 2003, 787, 789; Aha BB 2003, 2310; Fuhrmann, Der Konzern 2004, 1, 4; Habersack ZIP 2001, 1230, 1237; Krause NJW 2002, 705, 715; Schüppen WPg 2001, 958, 975; Sieger/Hasselbach ZGR 2002, 120, 160; Sinewe DB 2001, 690; Wilsing/Kruse DB 2002, 1539, 1543; ablehnend: LG Frankfurt DB 2003, 1726; Hüffer, AktG, § 327f Rn. 2; Hoffmann-Becking, RWS-Forum 2001, 55, 67; Krieger BB 2002, 53, 60. 511 Vgl. Wilsing/Kruse DB 2002, 1539. Zur Anfechtung wegen des rechtsmissbräuchlichen Erreichens der für den Squeeze-out erforderlichen Beteiligungsschwelle vgl. schon ausführlich oben Kapitel III § 3 C.III.3. 512 BGH ZIP 2001, 199, 201 f.; BGH ZIP 2001, 412, 414 f. 513 So ausdrücklich auch: Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG § 327f Rn. 5; Wilsing/Kruse DB 2002, 1539, 1540. 514 Dazu tendiert anscheinend der BGH, vgl. BGH DB 2001, 319, 320: „Bei Informationsrechtsverstößen solcher Art ist die Barabfindung im Umwandlungs-
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ordnungsgemäß angeboten ist eine Barabfindung dort, wo etwas unklar, widersprüchlich oder unvollständig formuliert ist,515 oder Verfahrensfehler vorliegen.516 Resultieren die Informationsmängel der Minderheitsaktionäre zum Beispiel aus der fehlenden Vorlage des Prüfungsberichts durch den Hauptaktionär, so liegt ein Verstoß gegen § 327c Abs. 3 Nr. 4 AktG vor. Dies hat zur Folge, dass die auf diesem Pflichtverstoß beruhenden Informationsmängel zur Anfechtung berechtigen.517 Ein expliziter Verstoß gegen Verfahrensvorschriften liegt hingegen zum Beispiel dann nicht vor, wenn die mündliche Erläuterung der Barabfindung durch den Hauptaktionär mangelhaft war. Hier sind allein bewertungsrechtliche Fragen streitig. Dieser Fall unterfiele damit nicht § 327f Satz 3 AktG,518 so dass der Wortlaut der Vorschrift einer Verweisung dieses Falles ins Spruchverfahren zumindest nicht entgegenstünde.519 cc) Weitergehende sachliche Überlegungen Schließlich sprechen sogar zusätzliche sachliche Erwägungen für eine Übertragung der MEZ/Aqua Butzke-Rechtsprechung auf den Squeeze-out. Wie der BGH zu Recht ausgeführt hat, führen abfindungswertbezogene Informationsmängel dazu, dass dem Minderheitsaktionär ausreichende Informationen als Grundlage für seine Entscheidung darüber fehlen, ob er der geplanten Maßnahme unter Berücksichtigung der angebotenen Abfindung zustimmen möchte oder nicht. Dem noch unentschlossenen Gesellschafter soll es ermöglicht werden, zu beurteilen, ob der angebotene Ausgleichsanspruch angemessen ist und er daher der beabsichtigten Maßnahme – zumindest unter diesem Gesichtspunkt – ohne Bedenken zustimmen kann.520 Während bei der Beschlussfassung über den Formwechsel aber tatsächlich Fälle denkbar sind, in denen es auf die Zustimmung der Minderheitsaktionäre ankommt, haben die Minderheitsaktionäre beim Squeeze-out keinerlei recht sowohl im Wort- als auch im Rechtssinne ‚nicht ordnungsgemäß angeboten‘ worden“. 515 Grunewald in Lutter, UmwG, § 32 Rn. 4; Marsch-Barner in Kallmeyer, UmwG, § 32 Rn. 2; Wilsing/Kruse DB 2002, 1539, 1540. 516 Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327f Rn. 2. 517 So im Ergebnis auch Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG § 327f Rn. 3 f., 5, 8. 518 Diese Differenzierung trifft – wenn auch ohne nähere Begründung – auch Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG § 327f Rn. 5. 519 Wilsing/Kruse DB 2002, 1539, 1540 f. kommen unter Berufung auf die ratio der der §§ 320b Abs. 2, 327f Abs. 1 AktG zum selben Ergebnis. Sie argumentieren, dass das Prinzip des eingeschränkten Vorrangs des Spruchverfahrens dort leer laufe, wo Anfechtungsklagen mit abfindungswertbezogenen Informationspflichtverletzungen begründet werden können. 520 BGH DB 2001, 319.
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inhaltlichen Einfluss auf die Entscheidung der von dem Hauptaktionär dominierten Hauptversammlung. Diesem Hauptversammlungsbeschluss kommt daher kaum Abstimmungscharakter im korporativen Sinn zu.521 Vielmehr dient das gesetzliche Erfordernis nach einem Hauptversammlungsbeschluss der Publizität sowie der verfahrenstechnischen Kontrolle der Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen der §§ 327a ff. AktG.522 Wenn aber schon beim Formwechsel auf die Rüge abfindungswertbezogener Informationsmängel gestützte Anfechtungsklagen ausgeschlossen sein sollen, obwohl der Umwandlungsbeschluss von der Zustimmung der Minderheitsaktionäre abhängen und das Informationsdefizit kausal für das Abstimmungsergebnis werden kann, so muss dies erst Recht für Squeeze-out-Beschlüsse gelten, bei denen es auf die Zustimmung der Minderheitsaktionäre nicht an- und ihrer ordnungsgemäßen Information keine wesentliche Bedeutung zukommt.523 Im Ergebnis kommt beim Squeeze-out eine fehlerhafte Information über wertrelevante Gesichtspunkte einer fehlerhaften Barabfindung gleich.524 Zudem erleiden die Minderheitsaktionäre durch die alleinige Behandlung von Bewertungsfragen im Spruchverfahren keinerlei Nachteile.525 Vielmehr dient das Spruchverfahren der für alle Beteiligten vorteilhaften Verfahrenskonzentration und -beschleunigung526 und führt zur Vermeidung von – in diesem Bereich typischen – missbräuchlichen Anfechtungsklagen. Im Übrigen war der Schutz vor missbräuchlichen Anfechtungsklagen von Minderheitsaktionären auch schon ein Grund für die Einführung des Squeeze-out.527 c) Ergebnis Die Rechtsprechung des BGH zur Behandlung von abfindungswertbezogenen Informationsmängeln bei der formwechselnden Umwandlung kann im Ergebnis auf den Squeeze-out übertragen werden.528 Zwar unterscheiden 521 Aus diesem Grunde auch die Diskussion, ob ein solcher Beschluss überhaupt erforderlich ist und nicht etwa durch einen gerichtlichen Beschluss auf Übertragung der Anteile durch den Hauptaktionär ersetzt werden kann. Dazu schon ausführlich oben Kapitel III § 3 B. 522 Vgl. Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327f Rn. 5. 523 So auch Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327f Rn. 5; Witt WuB II N. § 210 UmwG 1.1., S. 290. 524 So im Ergebnis auch OLG Köln, Der Konzern 2004, 27, 28. 525 Vgl. Klöcker/Frowein, SpruchG, § 1 Rn. 27; Henze ZIP 2002, 97, 107. 526 Vgl. nur die allgemeine Begründung des Referentenentwurfs zum Gesetz über die Neuordnung des gesellschaftlichen Spruchverfahrens vom 27.11.2001, BT-Drs. 14/7034, S. 16 f. 527 Allgemeiner Teil des Referentenentwurfes, BT-Drs. 14/7034, S. 75. 528 So im Ergebnis auch OLG Köln BB 2003, 2307, 2308; LG Hamburg NZG 2003, 787, 789. Offen gelassen von OLG Stuttgart AG 2004, 105, 107. Vgl. aber
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sich die §§ 210 UmwG, 327f AktG im Wortlaut voneinander, doch steht dies einer Übertragung der gefundenen Grundsätze nicht entgegen. Vielmehr sprechen weitere sachliche Überlegungen für eine solche Übertragung. Streitigkeiten über (rein) abfindungswertbezogene Informationsmängel sind damit auch beim Squeeze-out in das Spruchverfahren zu verweisen. Etwas anderes gilt nur dort, wo gleichzeitig ein Verstoß gegen die geschriebenen Verfahrensvorschriften der §§ 327a ff. AktG vorliegt. Dies ergibt sich im Umkehrschluss aus § 327f Satz 3 AktG, der in Fällen eines nicht ordnungsgemäßen Angebots grundsätzlich die Anfechtungsklage zulässt. 3. Freigabeverfahren bei Anfechtungsklagen gegen Squeeze-out-Beschlüsse Für den Hauptaktionär stellt die mit einer Anfechtungsklage verbundene Registersperre eine erhebliche Behinderung der geplanten Maßnahme dar. Die Registersperre kann jedoch durch Einleitung eines Freigabe-/Unbedenklichkeitsverfahrens gem. § 327e Abs. 2 i. V. m. § 319 Abs. 6 AktG überwunden werden.529 Bei der Anmeldung des Squeeze-out-Beschlusses zum Handelsregister hat der Vorstand eine so genannte Negativerklärung abzugeben.530 Damit muss er bestätigen, dass derzeit keine Anfechtungsklage gegen den Übertragungsbeschluss bei einem Gericht anhängig ist. Kann er dies wegen der Anhängigkeit einer oder mehrerer Anfechtungsklagen nicht, so hat die Gesellschaft die Möglichkeit, durch das Freigabeverfahren die Registersperre zu beseitigen.531 Stellt das zuständige Gericht rechtskräftig fest, dass die Erhebung einer Klage gegen die Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses der Eintragung nicht entgegensteht, ersetzt dies die Negativerklärung.532 Zuständig ist das Gericht, bei dem die Anfechtungsklage rechtshängig ist. Antragsberechtigt ist nur die Gesellschaft, nicht aber der Hauptaktionär.533 Der Hauptaktionär kann die Wahrung seiner Interessen jedoch durch auch LG Wuppertal AG 2004, 161, sowie LG Frankfurt DB 2003, 1726, welches eine Verlagerung von bewertungsspezifischen Fragen in das Spruchverfahren generell nicht für erforderlich hält. 529 Zur interessanten Frage des Schadensersatzes im Wege der Naturalrestitution beim fehlerhaften Squeeze-out siehe Schmidt AG 2004, 299 ff. 530 § 327e Abs. 2 i. V. m. § 319 Abs. 5 Satz 1 AktG. 531 § 327e Abs. 2 i. V. m. § 319 Abs. 6 Satz 1 AktG. 532 Zahlreiche der zum Squeeze-out-Verfahren bereits vorliegenden Entscheidungen sind im Freigabeverfahren ergangen. Vgl. OLG Köln AG 2004, 39; OLG Hamburg AG 2003, 696; OLG Stuttgart, AG 2004, 105, 106; OLG Düsseldorf AG 2004, 207; OLG München DB 2004, 1256.
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Einreichung einer Nebenintervention sicherstellen.534 Das Gericht erlässt den Freigabebeschluss, wenn die Anfechtungsklage entweder unzulässig oder offensichtlich unbegründet ist oder wenn das alsbaldige Wirksamwerden des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre bei einer Abwägung der Interessen der Minderheitsaktionäre, des Hauptaktionärs und der Gesellschaft vorrangig erscheint.535 Die Unzulässigkeit der Anfechtungsklage beurteilt sich dabei nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen.536 Offensichtlich unbegründet ist eine Anfechtungsklage nach ständiger Rechtsprechung dann, wenn sich auf der Grundlage einer vollständigen Durchdringung des Streitgegenstandes in rechtlicher Hinsicht die Erfolglosigkeit der Anfechtungsklage eindeutig ergibt.537 Daneben wird ein überwiegendes Vollzugsinteresse der Gesellschaft am Ausschluss der Minderheitsaktionäre schwer zu begründen sein.538 Allein der Vorteil der Kostenersparnis für den Hauptaktionär kann die Nachteile, die dem Minderheitsaktionär durch den vollständigen Verlust der Mitgliedschaftsstellung entstehen, nicht aufwiegen.539 Denkbar ist ein überwiegendes Vollzugsinteresse des Hauptaktionärs jedoch dann, wenn der Ausschluss der Minderheit als Teil einer Umwandlung oder sonstigen umfassenden Umstrukturierung erfolgt.540
533 Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG, § 327e Rn. 7; Hüffer AktG § 327e Rn. 3, Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 327e Rn. 12; Buchta/Sasse DStR 2004, 958; Krieger BB 2002, 53, 50; Grunewald, ZIP 2002, 18, 22; kritisch jedoch: DAV NZG 2001, 1003, 1008. 534 So Buchta/Sasse DStR 2004, 958 unter Bezugnahme auf eine nicht veröffentliche Entscheidung des LG Bonn v. 4.2.2004, 16 O 66/03. 535 § 327e Abs. 2 i. V. m. § 319 Abs. 6 Satz 1 AktG. Vgl. dazu auch Steinmeyer/ Häger, WpÜG, § 327e Rn. 14. 536 Unzulässig ist eine Klage insbesondere dann, wenn sie sich gegen die Angemessenheit der Barabfindung richtet, da hierfür ausschließlich das Spruchverfahren nach § 327f AktG i. V. m. § 2 SpruchG zur Verfügung steht. 537 OLG Stuttgart DStR 2004, 429; OLG Köln BB 2003, 2307; OLG Hamburg NZG 2003, 539; OLG Stuttgart AG 2003, 456; OLG Frankfurt AG 1998, 428; OLG Düsseldorf ZIP 1999, 793; vgl. auch Hüffer AktG § 319 Rn. 18; Habersack in Emmerich/Habersack, Aktien- und GmbH-Konzernrecht, § 319 Rn. 35 mit weiteren Nachweisen. 538 In der Praxis lassen die Gerichte daher häufig eine Entscheidung über ein vorrangiges Vollzugsinteresse dahinstehen und entscheiden über das Freigabeverfahren je nach Beurteilung der offensichtlichen Unbegründetheit der Klage. Vgl. OLG Köln BB 2003, 2307; OLG Stuttgart DStR 2004, 429, AG 2004, 217. Auch hier entscheiden die Gerichte jedoch häufig sehr zurückhaltend, was dazu führt, dass entsprechende Anfechtungsprozesse häufig mit Vergleichen enden, um die Verfahrensdauer abzukürzen. Dazu Rathausky, AG-Report 2004, R24 ff.; Zimmer/Meese NZG 2004, 201 ff. 539 Grunewald ZIP 2000, 18, 22. 540 So schon die Gesetzesbegründung, vgl. Begr. RegE, BT-Drs. 14/7034, S. 73.
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
II. Spruchverfahren Das Spruchverfahren ist der ausschließliche Rechtsbehelf eines ausgeschlossenen Minderheitsaktionärs zur Überprüfung der Angemessenheit seiner Abfindung, sowie dann, wenn der Hauptaktionär eine Barabfindung nicht oder nicht ordnungsgemäß angeboten hat und eine hierauf gestützte Anfechtungsklage innerhalb der Anfechtungsfrist nicht erhoben, zurückgenommen oder rechtskräftig abgewiesen worden ist, vgl. § 327f AktG.541 Daneben ist das Spruchverfahren nach richtiger Auffassung auch der alleinige Rechtsbehelf bei abfindungswertbezogenen Informationsmängeln.542 Für die Durchführung des Spruchverfahrens verweist § 327f Satz 2 AktG nunmehr auf das zum 1.9.2003 in Kraft getretene „Gesetz über das gesellschaftsrechtliche Spruchverfahren“.543
541 Das Spruchverfahren ist heute von erheblicher praktischer Bedeutung. Ausweislich einer empirischen Studie von Dörfler u. a. ist zwischen 1980 und 1992 in 40% der untersuchten Abfindungsangebote ein Spruchverfahren angestrengt worden. Hier wurde in der Regel eine beträchtliche Nachbesserung (von im Durchschnitt 48% der ursprünglichen Abfindung) erzielt. Vgl. Dörfler/Gahler/Unterstraßer/ Wirichs BB 1994, 156, 159 f. Die Befragung von 114 Unternehmen, die bis Mitte 2003 einen Squeeze-out durchgeführt hatten, durch Rathausky ergab sogar, dass in 69,2% der Fälle ein Spruchverfahren angestrengt worden war. In den fünf zum Untersuchungszeitpunkt bereits abgeschlossenen Verfahren wurde jeweils ein Vergleich geschlossen und die Barabfindung jeweils um 15,2% bis 400% angehoben. Vgl. Rathausky AG-Report 2004, R24 f. 542 Die ausdrückliche Verweisung von Bewertungsstreitigkeiten in das Spruchverfahren soll im Übrigen auch nach dem Willen der Bundesregierung noch in diesem Jahr Gesetz werden. Eine entsprechende Neuregelung von § 243 Abs. 4 AktG ist im Rahmen des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) geplant. Danach sollen Informationsverletzungen nur angefochten werden können, wenn sie ein „objektiv denkender“ Aktionär als wesentlich für die „sachgerechte Wahrnehmung seiner Teilnahme- und Mitgliedschaftsrechte“ angesehen hätte. Dort wo bereits vom Gesetz ein Spruchverfahren vorgesehen ist, soll eine Anfechtungsklage gar nicht auf angebliche Informationsmängel über die Angemessenheit eines Ausgleichs oder einer Abfindung gestützt werden können. Vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BR-Drs. 3/05, S. 8. Dazu Jahn BB 2005, 5, 10; Weißhaupt WM 2004, 705 ff. 543 BGBl. 2003 I S. 838 ff. Mit der Neuordnung des Spruchverfahrens soll die als zu lang empfundene Verfahrensdauer von Spruchverfahren verkürzt, der Rechtsschutz der betroffenen Aktionäre verbessert und die „Zersplitterung“ der spruchverfahrensrechtlichen Regelungen in den §§ 304–306, 320b, 327f AktG, 305–312 UmwG aufgehoben und das Verfahren vereinheitlicht werden, vgl. die allgemeine Begründung des Referentenentwurfs vom 27.11.2001, S. 16 f. Mit der Neuordnung sind jedoch bis auf die Verlängerung der Antragsfrist von zwei auf drei Monate keine inhaltlichen Änderungen verbunden. Es kann daher weiterhin auf die bisherige Kommentarliteratur zu den – nun aufgehobenen – §§ 327f Abs. 2 bzw. 306 AktG verwiesen werden.
§ 3 Einzelfragen
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1. Vorteile gegenüber der Anfechtungsklage Das Spruchverfahren soll verhindern, dass Strukturmaßnahmen durch Anfechtungsklagen von Minderheitsaktionären blockiert werden.544 Während die Erhebung einer Anfechtungsklage regelmäßig zu einer Registersperre führt, welche die Umsetzung der geplanten Strukturmaßnahme verhindert oder zumindest erheblich verzögert, lässt das Spruchverfahren die Durchführung der Maßnahme unberührt. Damit wird im Unternehmensrecht der verfassungsrechtliche Grundsatz des „Dulde und liquidiere“ aufgegriffen: „Dulde, was Du nicht verhindern kannst, und liquidiere Deinen Ausgleich.“545 Einer Gesellschaft bietet das Spruchverfahren damit den erheblichen Vorteil, nicht in jedem Falle befürchten zu müssen, dass eine geplante und bereits mit der erforderlichen Mehrheit beschlossenen Maßnahme durch die Anfechtungsklage eines Minderheitsaktionärs blockiert wird. Auch wird das Erpressungspotential von so genannten „räuberischen Aktionäre“ gemindert, die kein ernsthaftes Interesse an der Blockierung einer Strukturmaßnahme haben und bereit sind, sich ihre Anfechtungsklage gegen Zahlung eines entsprechenden Betrages abkaufen zu lassen und so die Eintragung des Beschlusses in das Handelsregister zu ermöglichen.546 Aber auch für den ausgeschlossenen Minderheitsaktionär ist der Weg über das Spruchverfahren durchaus zweckmäßig. Erhält er eine unangemessene Abfindung, so geht es ihm häufig gerade nicht um die Verhinderung einer Strukturmaßnahme, mit der er durchaus einverstanden sein kann, sondern allein um die Wahrnehmung seiner Vermögensrechte im Hinblick auf die Angemessenheit der Schadenskompensation. Dieses Vermögensinteresse kann er gezielt im Spruchverfahren geltend machen, ohne den Umweg über die Anfechtung des Übertragungsbeschlusses wählen zu müssen.
544
Vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BT-Drs. 15/371, S. 11. So schon Fritzsche/Dreier BB 2002, 737, 744; Dreier, FAZ vom 13. März 2002, S. 30. 546 Zwar ist in diesen Fällen die Anfechtungsklage als rechtsmissbräuchlich anzusehen, weil der anfechtende Aktionär den Hauptversammlungsbeschluss nur anficht, um sich seinen „Lästigkeitswert“ abkaufen zu lassen. Doch gelingt der Nachweis der Rechtsmissbräuchlichkeit der Klageerhebung in der Regel nicht. Dazu Boujong in FS Kellermann, S. 7 ff. und 12 f.; Korte, aktienrechtliche Anfechtungsbefugnis, S. 69 ff. und 113, Hirte BB 1988, 1469, 1474; Kiethe NZG 2004, 489; Martens AG 1998, 118, 122; Schlaus AG 1988, 113. Gerade dieses Erpressungspotenzial sollen die mit dem UMAG eingeführten Gesetzesänderungen weiter einschränken. Dazu Hirschberger/Weiler, DB 2004, 1137 ff.; Jahn BB 2005, 5 ff. 545
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
2. Das Verfahren Im Spruchverfahren antragsberechtigt ist nach § 3 Nr. 2 SpruchG jeder aus der Gesellschaft ausgeschiedene Minderheitsaktionär, und zwar selbst dann, wenn er nur über eine einzige Aktie der Gesellschaft verfügt.547 Aus dem im Gesetz verankerten Begriff „ausgeschiedener Minderheitsaktionär“ lässt sich entnehmen, dass die Antragsbefugnis immer und zugleich nur dann besteht, wenn der Antragsteller im Zeitpunkt der Eintragung des Übertragungsbeschlusses Aktionär der Gesellschaft war. Dagegen ist nicht erforderlich, dass die Aktionärseigenschaft schon im Zeitpunkt des Übertragungsbeschlusses der Hauptversammlung bestand.548 Die Aktionäre, deren Aktien dem Hauptaktionär nach § 16 Abs. 4 AktG zugerechnet werden, sind dagegen nicht antragsberechtigt, da sie nicht zu den Minderheitsaktionären zählen.549 Antragsgegner im Spruchverfahren ist nicht die Gesellschaft, sondern der zur Leistung der Barabfindung verpflichtete Hauptaktionär, vgl. § 5 SpruchG.550 Ist eine Anfechtungsklage gegen den Übertragungsbeschluss anhängig, so führt das Erfordernis einer Negativerklärung gem. § 327e Abs. 2 i. V. m. § 319 Abs. 6 Satz 1 AktG zur Registersperre und verzögert so das Spruchverfahren. Denn die ausgeschiedenen Aktionäre sind erst ab dem Zeitpunkt antragsberechtigt, ab dem die Übertragung ihrer Aktien an den Hauptaktionär mit Eintragung in das Handelsregister wirksam wird.551 Der Antrag auf Einleitung des Spruchverfahrens muss gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3 SpruchG innerhalb von drei Monaten nach dem Tage gestellt werden, an dem die Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister letztmalig im Amtsblatt des Registergerichts veröffentlicht worden ist und damit als bekannt gemacht gilt (§ 10 Abs. 2 HGB). Für das Verfahren sowie die Kosten des Verfahrens gelten die §§ 5 ff. SpruchG. 547
Vgl. Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG, § 327f Rn. 7. So auch: Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327f Rn. 7; Klöcker/ Frowein, SpruchG, § 3 Rn. 13; Steinmeyer/Häger WpÜG § 327f Rn. 13; Büchel, NZG 2003, 793, 794; Bungert/Mennike, BB 2003, 2021, 2025. 549 Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327f Rn. 7; Steinmeyer/Häger § 327f Rn. 12. 550 Dies war bis dato unklar. So aber auch schon bisher: Hasselbach in Kölner Komm § 327f Rn. 8; Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG § 327a Rn. 19; Krieger BB 2002, 53, 57; zweifelnd DAV NZG 2001, 1003, 1008; a. A. hingegen Steinmeyer/Häger § 327f Rn. 14, die es als notwendig ansehen, den Antrag sowohl gegen die Gesellschaft als auch gegen den Hauptaktionär zu richten. 551 Vgl. Fritzsche/Dreier/Verführt, SpruchG, § 3 Rn. 29; Klöcker/Frowein, SpruchG, § 3 Rn. 14. So auch LG Berlin NZG 2003, 930, welches den Antrag auf Einleitung eines Spruchverfahrens vor Eintragung des Übertragungsbeschlusses in das Handelsregister für unzulässig hielt. 548
§ 3 Einzelfragen
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F. Exkurs: Steuerrechtliche Folgen des Ausschlusses für den Minderheitsaktionär In der Regel werden die im Rahmen des Squeeze-out ausgeschlossenen Minderheitsaktionäre Kleinanleger sein, die ihre Aktien im Privatvermögen halten (Privatanleger).552 Wird ein Privatanleger nun innerhalb eines Jahres nach Erwerb seiner Anteile an der Gesellschaft aus dieser ausgeschlossen, so stellt sich die Frage, ob die Übertragung der Aktien auf den Hauptaktionär ein „privates Veräußerungsgeschäft“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG darstellt. Dies hätte zur Folge, dass eventuelle Gewinne oder Verluste in sein zu versteuerndes Einkommen einflössen.553 Da der Minderheitsaktionär seine Anteile in den meisten Fällen am Markt entgeltlich erworben hat und die Bestimmung der Jahresfrist in der Regel keine Probleme aufwirft, kann die Frage, ob eine Anschaffung innerhalb der Jahresfrist vorliegt, zumeist schnell beantwortet werden. Die Kernfrage muss daher lauten: Stellt die Übertragung der Anteile auf den Hauptaktionär gegen eine Barabfindung im Rahmen des Squeeze-out innerhalb der „Spekulationsfrist“ eine Veräußerung im Sinne des § 23 Abs. 1 EStG dar?554 I. Der Begriff der Veräußerung Es ist anerkannt und entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, dass der Begriff der Veräußerung im Rahmen des § 23 EStG weiter geht als die rein bürgerlich-rechtliche Terminologie.555 Im Steuerrecht ist die Veräußerung als spiegelbildlicher Vorgang zur Anschaffung als entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen Dritten mit Liefer552
Zur steuerlichen Behandlung von gewerblichen Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften als Minderheitsaktionären Strunk/Bös, FB 2003, 601 ff. 553 Hält der Minderheitsaktionär mindestens 1% der Anteile an der Gesellschaft, so stellt sich gleichfalls die Frage nach einer Steuerpflichtigkeit nach § 17 EStG. Selbstständige Bedeutung erlangt diese Frage jedoch nur, wenn der Squeeze-out außerhalb der Jahresfrist erfolgt, da eine Besteuerung nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ansonsten Vorrang hat. Kernproblem wäre jedoch auch bei § 17 EStG die Frage nach dem Vorliegen einer steuerpflichtigen Veräußerung. Auch wenn die Begriffsbestimmung hier im Detail von derjenigen im Rahmen des § 23 EStG abweicht, dürfte man in diesem Fall allerdings zum selben Ergebnis kommen. Vgl. dazu auch Strunk/Jehn NWB Fach 3 S. 12157, 12158 f. 554 Vgl. Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach EStG § 23 Rn. 146 a. E.; Kirchhof/ Fischer, EStG Kompakt, § 23 Rn. 16; Schmidt/Heinicke EStG § 23 Rn. 55; Schumacher DB 2002, 1626 ff.; Strunk/Jehn NWB Fach 3 S. 12157, 12158 f.; Waclawik DStR 2003, 447, 449 ff. 555 Vgl. BFH BStBl. II 1976, 64, 65; davor schon BFH BStBl III 1962, 127; BFH BStBl III 1965, 477; Schmidt/Heinicke, EStG, § 23 Rn. 17.
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
verpflichtung definiert.556 Dem Veräußerungsbegriff liegt hier zugrunde, dass eine Übertragung wirtschaftlichen Eigentums auf einen anderen Rechtsträger stattgefunden hat. Dabei kommt es nicht darauf an, ob diese Übertragung freiwillig oder unfreiwillig, rechtsgeschäftlich oder kraft gesellschaftsrechtlichen Tatbestandes stattfindet.557 Auch auf die Motive des Veräußernden kommt es dabei grundsätzlich nicht an, so dass sogar die Veräußerung unter Zwang unter § 23 EStG fällt. Der Grund der Veräußerung ist nur dort von Bedeutung, wo der Steuerpflichtige gezwungen ist, ein Wirtschaftsgut durch ein anderes, funktionsgleiches Wirtschaftsgut zu ersetzen.558 In einem solchen Fall liegt nach allgemeiner Auffassung ausnahmsweise kein Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG vor, da eine Gewinnverwirklichung nicht stattfindet.559 II. Meinungsstand zur Behandlung des Anteilsverlustes beim Squeeze-out Eine Auseinandersetzung mit der steuerrechtlichen Behandlung des Anteilsverlustes im Rahmen des Squeeze-out hat bisher nur vereinzelt stattgefunden. Ein Teil der Literatur begreift die Übertragung des Anteilseigentums des Minderheitsaktionärs auf den Hauptaktionär als „Aktienzwangsverkauf“ und stuft ihn daher als steuerpflichtige „Veräußerung unter Zwang“ ein.560 Die Ausnahmeregelung für den Fall der funktionsgleichen Ersatzbeschaffung greife hier nicht, da die Barabfindung im Sinne von § 327b AktG nicht als Ersatzwirtschaftsgut für das ausscheidende Wirtschaftsgut, die Anteile an der Aktiengesellschaft, angesehen werden könne.561 Andere Stimmen in der Literatur sehen den Anteilsverlust im Rahmen des Squeeze-out hingegen als „wirtschaftliche Enteignung“.562 Die Auswirkungen des Squeeze-out auf die Minderheitsaktionäre seien zumindest in 556
Blümich/Glenk, EStG, § 23 Rn. 111; Schmidt/Heinicke, EStG, § 23 Rn. 50. BFH BStBl 2000 II 424; Strunk/Bös FB 2003, 601, 603; Strunk/Jehn NWB Fach 3 S. 12157, 12158. 558 Schmidt/Heinicke, EStG, § 23 Rn. 56 f. 559 Vgl. BFH BStBl III 1962, 387; BFH BStBl. II 1973, 445; Blümich/Glenk, EStG, § 23 Rn. 116; Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 23 Rn. 75; Schmidt/Heinicke, EStG, § 23 Rn. 56. 560 Kirchhof/Fischer, EStG Kompakt, § 23 Rn. 16; Schmidt/Heinicke EStG § 23 Rn. 55; Strunk/Jehn NWB Fach 3, S. 12157, 12159. 561 Vgl. Schumacher DB 2002, 1626, 1628; Strunk/Jehn NWB Fach 3 S. 12157, 12159. 562 Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach EStG § 23 Rn. 146 a. E.; Schumacher DB 2002, 1626, 1628; wohl im Ergebnis auch Waclawik DStR 2003, 447 ff. 557
§ 3 Einzelfragen
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wirtschaftlicher Hinsicht der staatlichen Enteignung gleichzusetzen.563 Ein Eigentumsverlust durch staatliche Enteignung unterfiele aber nicht dem Begriff des „Veräußerungsgeschäfts“ des § 23 EStG, da es am erforderlichen Veräußerungswillen fehle.564 III. Stellungnahme Im Ergebnis ist die Übertragung des Anteilseigentums des Minderheitsauf den Hauptaktionär im Rahmen des Squeeze-out mit der erstgenannten Auffassung als steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG anzusehen. 1. Sinn und Zweck der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte Der Besteuerung des privaten Veräußerungsgeschäfts liegt der Gedanke zugrunde, dass der Steuerpflichtige sich Werterhöhungen bzw. Wertminderungen von Wirtschaftsgütern innerhalb einer bestimmten, verhältnismäßig kurzen Frist zugeführt und dadurch seine Leistungsfähigkeit für die Zwecke der Einkommensbesteuerung erhöht bzw. vermindert hat.565 Die Rechtfertigung der Norm ergibt sich also nicht aus einem subjektiven Moment spekulativer Absicht, sondern aus dem objektiven Tatbestand eines innerhalb kurzer Zeit erzielten wirtschaftlichen Erfolges oder Misserfolges.566 Allein entscheidend ist, dass eine Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums auf einen anderen Rechtsträger stattgefunden hat. Dabei ist es irrelevant, ob die Übertragung freiwillig oder unter Zwang erfolgte. Ebenso unerheblich ist, ob die Übertragung aufgrund Rechtsgeschäfts oder kraft Gesetzes erfolgt.567 Eine solche Übertragung findet beim Squeeze-out in jedem Falle statt. Hier geht nicht nur das wirtschaftliche, sondern auch das zivilrechtliche Eigentum an den Anteilen des Minderheitsaktionärs auf den Hauptaktionär über. Beim Squeeze-out liegt daher eine Veräußerung im Sinne des § 23 EStG vor. Dasselbe Ergebnis muss auch für Optionsrechte gelten, die der Optionsrechtsinhaber innerhalb eines Jahres vor dem Squeeze-out erworben hat. 563
Schumacher DB 2002, 1626, 1628. Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, § 23 Rn. 73; Schuhmacher DB 2002, 1626, 1628. 565 Vgl. BFH BStBl II 1976, 64 f.; BFH BStBl II 1977, 384, 386; BFH BStBl II 1988, 248, 249; BFH BStBl II 1989, 652; Schmidt/Heinicke, EStG, § 23 Rn. 2. 566 Vgl. Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach EStG § 23 Rn. 41; Crezelius in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG § 23 Rn. A 2; Waclawik DStR 2003, 447, 451. 567 Vgl. BFH BStBl. II 2000, 437. 564
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
Diese sind nicht nur im Rahmen des Squeeze-out,568 sondern auch im Rahmen des § 23 EStG dem Anteilseigentum gleichgestellt.569 2. Rechtspolitische Erwägungen Diesem Ergebnis stehen allerdings rechtspolitische Erwägungen entgegen. Anerkannt ist, dass der „Aktientausch“ im Rahmen der Eingliederung keine Veräußerung im Sinne des § 23 EStG darstellt, da insoweit eine wirtschaftliche Identität zwischen dem Anteilseigentum an Mutter- und Tochtergesellschaft besteht.570 Ein vergleichbarer Fall liegt beim Squeeze-out zwar nicht vor. Anders als bei dem „Aktientausch“ bei der Eingliederung handelt es sich bei dem Verlust des Anteilseigentums gegen eine Barabfindung nicht um einen Fall der zwangsweisen Ersatzbeschaffung.571 Im Ergebnis kann es jedoch nicht überzeugen, dass der zwangsweise Eigentumsverlust bei der Eingliederung steuerfrei und der zwangsweise Eigentumsverlust beim Squeeze-out, der gesellschaftsrechtlich der Eingliederung nachempfunden ist, steuerpflichtig ist. Es besteht vorliegend daher dringend Handlungsbedarf für den Gesetzgeber.572 IV. Ergebnis Die Übertragung der Anteile des Minderheits- auf den Hauptaktionär im Rahmen des Squeeze-out stellt derzeit ein steuerpflichtiges „privates Veräußerungsgeschäft“ im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AktG dar.573 Dies erscheint im Ergebnis unbillig, da ein Minderheitsaktionär den Zeitpunkt der Veräußerung nicht frei wählen konnte. Bei freier Entscheidungsmöglichkeit hätte er den Veräußerungszeitpunkt gegebenenfalls so gewählt, 568
Dazu ausführlich oben Kapitel III § 3 A. Vgl. Blümich/Glenk, EStG, § 23 Rn. 118; Crezelius in Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 23 Rn. B 110 f. 570 Blümich/Glenk, EStG § 23 Rn. 114; Crezelius in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rn. B 11; Schmidt/Heinicke, EStG, § 23 Rn. 33. 571 So auch Schumacher DB 2002, 1626, 1628; Strunk/Jehn NWB Fach 3 S. 12157, 12159. 572 So auch Strunk/Bös FB 2003, 601, 605, die vorschlagen, neben dem Anspruch des Minderheitsgesellschafters auf Abfindungszahlung auch einen Anspruch auf Ersatz des entstandenen Steuerschadens gesetzlich zu verankern. 573 So im Ergebnis auch Kirchhof/Fischer, EStG Kompakt, § 23 Rn. 16; Schmidt/Heinicke EStG § 23 Rn. 55; Strunk/Jehn NWB Fach 3, S. 12157, 12159; a. A. jedoch Jansen in Herrmann/Heuer/Raupach EStG § 23 Rn. 146 a. E.; Schumacher DB 2002, 1626, 1628; Waclawik DStR 2003, 447, 453 f., die den Squeeze-out als „wirtschaftliche Enteignung“ sehen. 569
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dass steuerliche Nachteile durch zwischenzeitlich abgelaufene Fristen nicht mehr hätten entstehen oder andere steuerliche Vorteile hätten erlangt werden können. Es ist daher zu wünschen, dass der Gesetzgeber hier eine entsprechende Regelung zum Schutz der Minderheitsaktionäre schafft.
G. Besonderheiten beim Ausschluss von Minderheitsaktionären in der KGaA Die §§ 327a ff. AktG gelten für die Kommanditgesellschaft auf Aktien in gleichem Umfang wie für die Aktiengesellschaft. Besonders geregelt ist dabei in § 327a Abs. 1 Satz 2 AktG lediglich die Nichtanwendbarkeit des § 285 Abs. 2 Satz 1 AktG. Dieser betrifft die Zustimmung der persönlich haftenden Gesellschafter zu Hauptversammlungsbeschlüssen in den Fällen, in denen bei einer Kommanditgesellschaft das Einverständnis der persönlich haftenden Gesellschafter und der Kommanditisten erforderlich ist. Ob es sich bei dieser Regelung um eine Klarstellung,574 oder eine Ausnahme vom Zustimmungserfordernis handelt575 ist umstritten. Die Einordnung hängt im Wesentlichen davon ab, ob man die Durchführung des Squeeze-out als zustimmungspflichtiges Grundlagengeschäft sieht. Gegen die Annahme eines Grundlagengeschäfts spricht jedoch, dass es sich bei dem Squeeze-out grundsätzlich nicht – wie bei anderen Ausschlusstechniken – um eine strukturverändernde Maßnahme handelt.576 Ein Zustimmungserfordernis besteht nach § 285 Abs. 2 Satz 1 AktG damit ohnehin nicht. Bei der Regelung des § 327a Abs. 1 Satz 2 AktG handelt es sich damit lediglich um eine Klarstellung. An dem Ergebnis ändert sich auch nichts, wenn man wie Hüffer 577 von dem Zustimmungserfordernis auch außergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen im Sinne der §§ 116 Abs. 2, 164 HGB erfasst sieht. Denn auch eine solche liegt hier nicht vor.578 Sämtliche Regelungen der §§ 327a ff. AktG, die sich auf den „Vorstand“ der Gesellschaft beziehen, gelten, soweit sich nicht aus dem Sinn der Regelung etwas anderes ergibt, für den oder die gesetzlichen Vertreter der KGaA.579 574 So die Gesetzesbegründung, vgl. BT-Drs. 14/7034 S. 72; so auch Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG Art. 7 § 327a Rn. 54. 575 So Hasselbach in Kölner Komm zum WpÜG § 327a Rn. 60. 576 Vgl. dazu schon oben Kapitel III § 2 B.I. 577 Hüffer AktG § 285 Rn. 2; so auch Semler/Perlitt in MüKo AktG § 285 Rn. 42; a. A. Mertens in Kölner Komm zum AktG § 285 Rn. 19. 578 So auch Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG Art. 7 § 327a Rn. 54; vgl. zur Definition des außergewöhnlichen Geschäfts Baumbach/Hopt HGB § 116 Rn. 2.
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Kap. III: Minderheitenschutz beim deutschen Squeeze-out
H. Zwischenergebnis zum Ausschluss von Minderheitsaktionären im deutschen Recht Die Einführung der §§ 327a ff. in das deutsche Aktiengesetz hat eine Vielzahl von Fragen aufgeworfen. Anders als die bisher schon vorhandenen Möglichkeiten zum Ausschluss von Minderheitsaktionären ist der Squeezeout nicht an eine grundlegende Strukturveränderung gebunden und stellt so ein schnelles, kostengünstiges und unkompliziertes Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären aus der Aktiengesellschaft dar. Durch diese Vereinfachung des Ausschlusses von Minderheitsaktionären wird die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandortes Deutschland gefördert. Anders als von einigen Seiten kritisiert, bleibt der in Deutschland grundsätzlich hochgehaltene Minderheitenschutz dabei aber ausreichend gewahrt. Zwar wären einige Ergänzungen durch den Gesetzgeber durchaus wünschenswert, doch können die bestehenden Unklarheiten auch mit allgemeinen zivil- und gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen gelöst werden. Das Fehlen der Regelung einer Ausübungsfrist ist nicht zu beanstanden. Im Einzelfall kann einer treuwidrigen und verspäteten Durchführung eines Squeeze-out durch die Anwendung der Grundsätze der Verwirkung begegnet werden. Ein gesetzlich bisher leider nicht normiertes, mit dem aktienrechtlichen Ausschlussrecht des Hauptaktionärs korrespondierendes Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs kann zumindest im Einzelfall aus dem Grundsatz des allgemeinen Lösungsrechts abgeleitet werden. Die fehlende gesetzliche Beschränkung der §§ 327a ff. AktG auf börsennotierte Gesellschaften ist ebenfalls nicht zu bemängeln. Die Nachteile einer Minderheitsbeteiligung können eine nicht börsennotierte wie eine börsennotierte Aktiengesellschaft treffen. Die konsequente Verfolgung des mit dem Squeeze-out verfolgten Ziels erfordert daher einen weiten Anwendungsbereich. Dagegen sprechen auch nicht zwingende Gesichtspunkte des aktienrechtlichen Minderheitenschutzes. Auch die weiteren, sich im Rahmen des Squeeze-outs stellenden Fragen können anhand allgemeiner Grundsätze beantwortet werden. Die Existenz bedingter Aktienbezugsrechte egal in welcher Höhe steht der Zulässigkeit des Squeeze-out nicht entgegen. Die Vorschriften über den Ausschluss von Minderheitsaktionären sind auf die Inhaber von Optionsrechten entsprechend anwendbar, soweit sie 5% des Grundkapitals nicht überschreiten. Die Regelung eines Hauptversammlungsbeschlusses als Voraussetzung für einen aktienrechtlichen Squeeze-out war nicht zwingend erforderlich. 579
Grzimek in Geibel/Süßmann WpÜG Art. 7 § 327a Rn. 55.
§ 3 Einzelfragen
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Vielmehr kann diese sogar aus rechtssystematischer Sicht als Fremdkörper im deutschen Aktienrecht bezeichnet werden. Hier wird eine Gestaltungsmöglichkeit des Hauptaktionärs in die Form eines körperschaftlichen Rechtsaktes gekleidet, der an sich Strukturentscheidungen vorbehalten ist. Der Hauptversammlungsbeschluss bedarf keiner sachlichen Rechtfertigung. Im Einzelfall kann die Stimmrechtsausübung durch den Hauptaktionär jedoch als rechtsmissbräuchlich angesehen werden, wenn seine Vorgehensweise nicht mehr von dem von dem Gesetzgeber verfolgten Sinn und Zweck der §§ 327a ff. AktG gedeckt ist. Dies ist z. B. dort der Fall, wo sich Aktionäre allein zum Ausschluss weiterer Mitaktionäre zusammenschließen. Die Bemessung der Abfindung richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Auch die Verweisung von Streitigkeiten über abfindungswertbezogene Informationsmängel in das Spruchverfahren widerspricht nicht dem Minderheitenschutz. Eine andere Einordnung würde dem Minderheitsaktionär nicht mehr nützen, dem mit dem Squeeze-out verfolgten Zweck, der zügigen Möglichkeit zur freien Entfaltung der unternehmerischen Initiative, aber schaden. Eine Besteuerung des Anteilsgewinns innerhalb der Spekulationsfrist findet nach derzeitiger Gesetzeslage statt. Hier besteht dringender Handlungsbedarf für den Gesetzgeber. Wünschenswert wäre eine Regelung zum Ersatz des Steuerschadens des ausgeschlossenen Minderheitsaktionärs durch den Hauptaktionär.
Kapitel IV
Ausschluss von Minderheitsaktionären in den USA § 1 Einleitung Das Gesellschaftsrecht in den USA ist – anders als in Deutschland – vorwiegend auf Landesebene geregelt. Zum Zwecke der Rechtsvereinheitlichung hat das committee on corporate laws der American Bar Association schon in den 50er Jahren ein Modellgesetz, den so genannten Model Business Corporation Act (MBCA)580 veröffentlicht. Der MBCA ist heute nach vielen Erweiterungen und Veränderungen Grundlage des Gesellschaftsrechts in vielen amerikanischen Bundesstaaten. Eine Mehrzahl der Bundesstaaten (38 im Jahre 2002) hat ihr Gesellschaftsrecht auf Basis des 1984 reformierten MBCA verabschiedet.581 Die prominentesten Bundesstaaten im Bereich des amerikanischen Gesellschaftsrechts – Delaware, Kalifornien und New York – haben jedoch ihre eigenen gesellschaftsrechtlichen Normen kreiert. Das Delaware General Corporation Law (Del. GCL)582 ist dabei von besonderer Bedeutung, da die meisten großen amerikanischen Publikumsgesellschaften in Delaware inkorporiert sind.583 Dies liegt vor allem an der Führungsrolle der Legislative des Staates bei der Verabschiedung von gesellschaftsrechtlichen Reformen, der Qualität der dortigen Anwaltschaft und der Expertise und dem enormen Einfluss der Richterschaft in Delaware.584 Neben den gesetzlichen Grundlagen spielt in den USA das Richterrecht eine viel weit reichendere Rolle als in Deutschland. Die Gerichte interpretieren nicht nur die Gesetze, sondern schaffen daneben wichtige rechtliche Grundsätze.585 580 Im Volltext im Internet abrufbar unter http//www.abanet.org/buslaw/library/ onlinepublications/mbca2002.pdf. 581 Palmiter, Corporations, § 1.2.2. 582 Im Volltext im Internet abrufbar unter http://www.delcode.delaware.gov/ title8/c001/index.shtml. 583 Heute sind über 50% der größten amerikanischen Unternehmen, der so genannten „Fortune 500“ und über 40% der an der New Yorker Börse gehandelten Unternehmen in Delaware inkorporiert. Vgl. Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 1.08[A]. 584 Zu den Gründen und auch zu den daraus folgenden Problemen: Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 1.08[A].
§ 2 Ausschluss von Minderheitsaktionären nach Übernahmerecht
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Anders als das deutsche Aktienrecht bietet das amerikanische Recht kein speziell für den Ausschluss von Minderheitsaktionären vorgesehenes gesellschaftsrechtliches Verfahren. Vielmehr kann ein Ausschluss nur indirekt durch eine entsprechende Transaktionsgestaltung erreicht werden. Dies jedoch auch schon in Fällen, in denen der Mehrheitsaktionär nur über eine Mehrheit in Höhe von 50% plus einer Aktie verfügt. Die einzelnen Gestaltungsmöglichkeiten, die heute zu einem Ausschluss der Minderheitsaktionäre herangezogen werden, sollen hier erläutert werden.586 Bezug genommen wird dabei auf die einschlägigen Bestimmungen des Del. GCL und des MBCA, als den Regelungen, die für die meisten US-amerikanischen Ausschlussverfahren von Bedeutung sind.
§ 2 Ausschluss von Minderheitsaktionären nach Übernahmerecht A. Statutory Merger In einem statutory merger geht die erworbene Gesellschaft in der Erwerbergesellschaft auf. Die erworbene Gesellschaft verliert ihre Existenz und die Erwerbergesellschaft geht als überlebende Gesellschaft („surviving corporation“) aus der Verschmelzung hervor.587 Neben dieser Verschmelzung durch Aufnahme gibt es wie in Deutschland auch in den USA die Möglichkeit einer Verschmelzung durch Neugründung, bei der zwei oder mehr Gesellschaften auf eine neu gegründete weitere Gesellschaft verschmolzen werden. Auf diese so genannte consolidation sind die Regeln über den statutory merger anwendbar; der MBCA und andere einzelstaatliche Gesetze differenzieren bei der rechtlichen Bewertung der beiden Verfahren nicht.588 585 Einen kurzen Überblick über die Rechtsquellen des amerikanischen Gesellschaftsrechts bieten Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 1.02. 586 Von der Darstellung der dissolution (Auflösung) als Mittel des squeeze-outs wird hier abgesehen, da diese Transaktionsgestaltung heute nur noch von historischer Bedeutung ist. Im Rahmen eines Abwicklungsplans wurde hier vorgesehen, dass die Vermögenswerte der Gesellschaft im Zuge der Auflösung an den Mehrheitsgesellschafter übertragen wurden, während die Minderheitsaktionäre allein eine Barauszahlung erhielten. Zahlreiche Gerichte haben die Verfassungswidrigkeit einer solchen Transaktionsgestaltung festgestellt, da sie gegen das Gleichbehandlungsgebot verstoße. Vgl. z. B. In re San Joaquin Light & Power Corp., 52 Cal.App.2d 814, 127 P.2d 29 (1942). 587 Grundlegend Eisenberg, Corporations, S. 1088 ff.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 929–933. 588 Vgl. MBCA § 11.02(a), Del. GCL § 251(a).
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Kap. IV: Ausschluss von Minderheitsaktionären in den USA
In einem statutory merger übernimmt die neu entstandene Gesellschaft die Rechte und Pflichten der erloschenen Gesellschaft(en) zu dem Zeitpunkt, in dem die Transaktion bei der zuständigen staatlichen Stelle, meist dem Secretary of State, registriert wird.589 Traditionell wurden zu diesem Zeitpunkt auch die Anteile der Gesellschafter der erloschenen Gesellschaft durch Anteile an der Erwerbergesellschaft ersetzt. Heute erlauben es die meisten Bundesstaaten jedoch, dass die Abfindung der Alt-Gesellschafter in anderer Form, wie Wertpapieren anderer Gesellschaften, einer Barabfindung, Sachwerten oder einer Kombination derselben erfolgen kann.590 Die Verschmelzung wird daher in einer Squeeze-out-Transaktion so gestaltet, dass die Minderheitsaktionäre statt entsprechender Anteile der aufnehmenden bzw. neuen Gesellschaft Schuldverschreibungen oder eine Barzahlung erhalten. Möglich ist es sogar, einen Teil der Aktionäre in Aktien an der aufnehmenden Gesellschaft, einen anderen Teil (nämlich die unliebsamen Minderheitsaktionäre) in Bargeld abzufinden. Minderheitenschutz erfolgt beim statutory merger auf drei Ebenen591: Zunächst muss das board of directors beider Gesellschaften einen entsprechenden Vorstandsbeschluss fassen.592 Bei dieser Entscheidung treffen die directors bestimmte Sorgfalts- und Offenlegungspflichten. Daneben ist immer die Zustimmung der Mehrheit der Aktionäre der übernommenen Gesellschaft, unter bestimmten Umständen auch die Zustimmung einer Mehrheit der Aktionäre der Erwerbergesellschaft erforderlich.593 Schließlich haben die stimmberechtigten Gesellschafter der übernommenen Gesellschaft ein Abfindungsrecht (appraisal right), wenn sie der Übernahme widersprechen.594 Dies gilt jedoch in der Regel nicht für die Aktionäre der Erwerbergesellschaft.595
B. Short-form Merger (Parent-subsidiary Merger) Hält eine Muttergesellschaft mindestens 90% der Anteile an einer Tochtergesellschaft, so erlauben MBCA und Del. GCL eine Eingliederung der 589
MBCA § 11.06; Del. GCL § 251(c). MBCA § 11.02(c)(3); Del. GCL § 251(b); NY BCL § 902(a)(3); Cal. GCL § 1101(d). Diese Entwicklung begann in den 60er Jahren und führte dazu, dass squeeze-out merger fortan viel häufiger als früher durchgeführt wurden. Vgl. Pinto/ Branson, Understanding Corporate Law, § 10.03[B]. 591 Hier soll nur ein kurzer Überblick gegeben werden. Zum Thema Minderheitenschutz im US-amerikanischen Recht ausführlich siehe unten Kapitel V. 592 MBCA § 11.04(a); Del. GCL § 251(b). 593 MBCA § 11.04(b); Del. GCL § 251(c). 594 MBCA § 13.02(a)(1); Del. GCL § 262. 595 Vgl. MBCA § 13.02(a)(1). 590
§ 2 Ausschluss von Minderheitsaktionären nach Übernahmerecht
153
Tochter- in die Muttergesellschaft, ohne dass die Zustimmung der Aktionäre erforderlich wäre.596 Allein das board of directors der Muttergesellschaft muss einen entsprechenden Eingliederungsbeschluss fassen,597 daher auch die häufige Bezeichnung als short-form merger. Dieses minimale gesetzliche Zustimmungserfordernis beruht auf der Idee, dass in einem parentsubsidiary merger, der Verschmelzung einer Tochter- auf ihre Muttergesellschaft, die Zustimmung der Aktionäre der Tochtergesellschaft und deren boards quasi sicher sind. Eine Zustimmung der Aktionäre der Muttergesellschaft ist nicht notwendig, da diese durch die Eingliederung in ihrer mitgliedschaftlichen Stellung nicht wesentlich beeinträchtigt sind: Die Mutter hielt schließlich bereits vor der Eingliederung mindestens 90% der Anteile an der Tochter. Wie beim statutory merger kann die Transaktion auch hier so gestaltet werden, dass die Minderheitsaktionäre keine Anteile der aufnehmenden Gesellschaft erhalten. Durch Ausgleich in Bargeld verlieren sie dauerhaft ihre Beteiligungsrechte an dem Unternehmen.598 Die Minderheitsaktionäre der Tochter werden bei der Eingliederung auf zweierlei Weise geschützt: Zum einen durch die Sorgfaltspflichten, die der Mutter als beherrschender Gesellschafterin auferlegt sind,599 zum anderen durch das Abfindungsrecht, das den Minderheitsgesellschaftern in einem short-form merger kraft Gesetzes zukommt.600
C. Triangular Merger and Compulsory Stock Exchange Häufig wird das vollständige Aufgehen der Tochter in der Mutter jedoch nicht gewünscht sein. Für den Fall, dass ein Erwerber die neu erworbene Gesellschaft als selbständige 100%-ige Tochtergesellschaft fortführen möchte, wurde in den USA die Möglichkeit des so genannten „triangular merger“ kreiert. Eine solche Gestaltung kann aus regulatorischen Gesichtspunkten im Bank- und Versicherungsbereich notwendig sein oder gewünscht 596 Neben Delaware verlangen auch New York (§§ 905, 913 (g) NY BCL) und Kalifornien (§ 1110 Cal. GCL) eine mindestens 90%-ige Beteiligung; es existieren jedoch auch andere Gestaltungen – so liegt die Grenze in Alabama bei 80%, Montana, Nebraska, Vermont und Washington bei 95% und im District of Columbia bei 100%. 597 MBCA § 11.05; Del. GCL § 253. 598 Dass der Ausschluss der Minderheitsaktionäre gegen eine Barabfindung hier gerade auch vom Gesetz bezweckt ist, hat z. B. das Gericht in Beloff v. Consolidated Edison Co., 300 N.Y. 11, 87 N.E.2d 561 (1949) festgestellt. Dazu Eisenberg, Corporations, S. 757. 599 Dazu ausführlich unten Kapitel V § 4. 600 MBCA § 13.02(a)(1)(ii). Dazu ebenfalls ausführlich unten Kapitel V § 6.
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Kap. IV: Ausschluss von Minderheitsaktionären in den USA
werden, weil der Erwerber sich von Verbindlichkeiten der Tochter abschirmen kann oder weil er die Gesellschaft in näherer Zukunft weiterveräußern möchte. Ein triangular merger läuft in der Regel wie folgt ab: Der Erwerber gründet eine 100%-ige Tochtergesellschaft und stattet sie mit Aktiva aus, entweder eigenen Aktien oder anderen Mitteln, zum Beispiel Barvermögen. Im Gegenzug überträgt die neu gegründete Tochter alle ihre Anteile an die Mutter. Die neu gegründete Tochter schließt sodann einen Verschmelzungsvertrag mit der Zielgesellschaft, aus der die Tochter als surviving corporation hervorgehen soll. Die Zielgesellschaft verschmilzt daraufhin mit der Tochter, wobei die Aktionäre der Zielgesellschaft als Gegenleistung die Mittel der Tochter, also entweder Aktien der Mutter oder Bargeld, erhalten, mit denen die Mutter die Tochter zuvor ausgestattet hatte. Nach der Verschmelzung bleibt die Mutter alleinige Gesellschafterin der Tochter. Der MBCA sieht daneben eine Möglichkeit vor, dasselbe Ergebnis wie beim triangular merger auf direktere Art und Weise zu erhalten. In einem so genannten „compulsory stock exchange“ kann die Erwerbergesellschaft die Aktionäre der Zielgesellschaft zwingen, ihre Anteile an der Zielgesellschaft an die Erwerbergesellschaft für eine von der Erwerbergesellschaft angebotene Gegenleistung zu veräußern.601 Die Aktionäre der Zielgesellschaft genießen hier denselben Schutz wie in einem triangular merger: Der Vorstand der Zielgesellschaft muss die Transaktion zunächst beschließen, eine Mehrheit der Aktionäre der Zielgesellschaft muss dem sodann zustimmen, und den der Transaktion widersprechenden Aktionären steht ein Abfindungsrecht zu.
D. Zwischenergebnis: Besonderheiten beim Squeeze-out Merger Anders als in Deutschland ist es im US-amerikanischen Verschmelzungsrecht in vielerlei Konstellationen möglich, die Minderheitsaktionäre der Zielgesellschaft mit Bargeld „auszuzahlen“, anstatt ihnen Aktien der Erwerbergesellschaft anbieten zu müssen. So ist in den USA auch ohne speziell normiertes Squeeze-out-Verfahren der Ausschluss von Minderheitsaktionären aus der Zielgesellschaft möglich, und das zum Teil schon bei einer Anteilsquote des Erwerbers von 50% plus einer Aktie. Eine Transaktion, in der ein beherrschender Gesellschafter die Minderheit aus der Zielgesellschaft ausschließt, nennen die Amerikaner „squeeze-out merger“. Squeezeout merger sind häufig der zweite Schritt in einer feindlichen Übernahme, 601
MBCA § 11.03. Dazu Eisenberg, Corporations, S. 777.
§ 3 Sale of Assets
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nachdem der Erwerber erfolgreich eine Mehrheitsbeteiligung im Rahmen eines Übernahmeangebots erworben hat. Squeeze-out merger unterliegen demselben eben dargestellten dreistufigen Schutzmechanismus wie alle merger, sowie zusätzlich den so genannten „self-dealing rules“, die auf gesellschaftsrechtliche Transaktionen mit beherrschenden Gesellschaftern anwendbar sind. In Delaware zum Beispiel unterliegen squeeze-out merger einer materiellen Beschlusskontrolle im Rahmen des so genannten „entire fairness tests“, der ein faires Verfahren und einen fairen Preis verlangt.602
§ 3 Sale of Assets Wie bei der übertragenden Auflösung in Deutschland besteht auch in den USA die Möglichkeit, sämtliche Vermögenswerte der Zielgesellschaft auf eine neu gegründete Gesellschaft zu übertragen, und sodann die Zielgesellschaft aufzulösen. Wie in Deutschland verläuft die Auflösung auch hier jedoch nicht automatisch. Nach dem Verkauf aller oder „im Wesentlichen aller“ Vermögenswerte wird die Zielgesellschaft zu einer Hülle, deren einziges Vermögen aus dem Verkaufserlös besteht. Die Gesellschaft kann dann im Rahmen eines regulären Verfahrens („dissolution“) aufgelöst und schließlich gelöscht werden, nachdem die ausstehenden Verbindlichkeiten bezahlt und der verbliebene Verkaufserlös an die Gesellschafter pro rata ausgezahlt wurde. Die meisten amerikanischen Bundesstaaten behandeln dieses Äquivalent zur deutschen übertragenden Auflösung als fundamentale Umstrukturierungsmaßnahme, so dass dieselben Maßnahmen des Minderheitenschutzes greifen wie im Umwandlungsrecht. Auf Seite der Zielgesellschaft sind die Zustimmung des board of directors sowie die Zustimmung der Mehrheit der Aktionäre erforderlich. Häufig haben der Transaktion widersprechende Aktionäre ein Abfindungsrecht.603 Die Aktionäre der Erwerbergesellschaft haben in vielen Staaten weder ein Stimm- noch ein Abfindungsrecht. Die Reform des MBCA von 1999 hat dies jedoch geändert: Schüttet die Erwerbergesellschaft als Teil der Transaktion neue Anteile aus, die Stimmrechte in Höhe von 20% oder mehr der Gesellschaft nach der Erhöhung ausmachen, so haben die Aktionäre der Erwerbergesellschaft ein Stimmrecht.604 602 Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701 (Del. 1983). Dazu ausführlich unten Kapitel V § 4 B.I. 603 MBCA § 12.02. Nicht jedoch in Delaware, vgl. Del. GCL § 271(a). 604 MBCA § 11.04(g)(4), 6.21(f); Del. GCL § 51(f).
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Kap. IV: Ausschluss von Minderheitsaktionären in den USA
Wann ein „sale“ oder ein „sale of substantially all assets“ vorliegt, regelt ebenfalls das Gesetz. Weder eine Belastung des gesamten Betriebsvermögens noch die Gründung eines Treuhandfonds fallen in diese Kategorie.605 Auch die Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens auf eine 100%-ige Tochtergesellschaft ist von den Vorschriften zum sale of assets ausgenommen.606 Ob ein Verkauf von „substantially all assets“ vorliegt und damit ob die Vorschriften zum Minderheitenschutz greifen, richtet sich im MBCA danach, ob der Gesellschaft nach der Veräußerung ein signifikanter Geschäftsbereich („significant continuing business activity“) verbleibt.607 Stimm- oder Abfindungsrechte der Aktionäre entstehen dann nicht, wenn der Gesellschaft ein Geschäftsbereich verbleibt, der mindestens 25% des gesamten Betriebsvermögens oder mindestens 25% des Netto-Einkommens oder mindestens 25% der Erträge repräsentiert.608 In Delaware haben die Gerichte einen „Qualitativ-Quantitativ-Test“ entwickelt. Danach ist die Zustimmung der Aktionäre zur Veräußerung von Betriebsvermögen erforderlich, wenn der Verkauf entweder Vermögen beinhaltet, dass für die Fortführung des Unternehmens quantitativ überlebensnotwendig oder qualitativ wesentlich für die Existenz und den Gesellschaftszweck der veräußernden Gesellschaft ist. So entschied das Delaware Chancery Court in Gimbel v. The Signal Companies, Inc.609, dass die Veräußerung einer Tochter, die 41% des Nettowerts, 26% der Aktiva in der Bilanz und 15% der Erträge der Muttergesellschaft ausmachte, weder quantitativ noch qualitativ wesentlich das Geschäft der Mutter beeinträchtige. Eine Zustimmung der Aktionäre der Mutter zum Verkauf war daher nicht erforderlich. Auf der anderen Seite entschied das Gericht in Katz v. Bergman610, dass in diesem Fall ein Zustimmungserfordernis bestand, da die veräußerte Tochter 45% des Nettoerlöses und 51% des Betriebsvermögens der Mutter ausmachte.
§ 4 Reverse Stock Split Schließlich kann eine Gesellschaft ihre Minderheitsaktionäre im Wege eines reverse stock split ausschließen. Nach dem Recht der meisten Bundesstaaten kann die Gesellschaft beschließen, dass eine Vielzahl alter Anteile in einen neuen Anteil umgewandelt wird („reverse stock split“). Dabei ist es möglich, dass Inhaber ganzer Anteile nach dem Umtausch nur noch In605 606 607 608 609 610
MBCA § MBCA § MBCA § MBCA § 316 A.2d 431 A.2d
12.01(2); Del. GCL § 272. 12.01(3). 12.02(a). 12.02(a), gemessen am Ende des Geschäftsjahres. 599 (Del. Ch. 1974). 1274 (Del. Ch. 1981).
§ 5 Zwischenergebnis
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haber einer Bruchteilsbeteiligung („fractional share“) sind. Um den mit der Ausgabe und Verwaltung solcher Bruchteilsbeteiligungen verbundenen Aufwand zu begrenzen, erlauben zahlreiche Bundesstaaten, dass an die betroffenen Aktionäre anstatt der Ausgabe eines Aktienbruchteils eine Barabfindung ausgezahlt wird.611 In der Rechtsprechung umstritten ist allerdings, ob der reverse stock split zulässig ist, wenn alleiniger Zweck die Eliminierung einer Minderheitsbeteiligung, also ein Squeeze-out, ist.612
§ 5 Zwischenergebnis Anders als in Deutschland mit den §§ 327a ff. AktG existiert in den USA kein allgemeines gesellschaftsrechtliches Institut, das einem Mehrheitsaktionär den Ausschluss der Minderheit aus der Gesellschaft ermöglicht. Vielmehr muss ein Mehrheitsaktionär in einer US-amerikanischen corporation immer den Weg über das Transaktionsrecht wählen, um zu diesem Ziel zu gelangen. Häufig wird er sich hierzu des Übernahmerechts bedienen. Wenn ihm dies aufgrund der Mehrheitsverhältnisse oder – bei entsprechender Interessenlage – durch Bildung eines Stimmenpools mit Gleichgesinnten möglich ist, wird er hier den short-form merger wählen, der mit dem Verzicht auf einen Hauptversammlungsbeschluss ein besonders einfaches Verfahren bietet.613 Anders als im deutschen Übernahmerecht, in dem bei Verschmelzungen immer auch ein Ausgleich in Aktien der aufnehmenden bzw. neuen Gesellschaft angeboten werden muss,614 kann in den USA die Gesellschaft entscheiden, ob sie den Minderheitsaktionären einen Ausgleich für ihre alten Anteile in Aktien oder Bargeld zahlt. Das US-amerikanische Übernahmerecht bietet einem Mehrheitsaktionär also die Möglichkeit, die Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft auszuschließen. Dies ist in Deutschland aufgrund der Pflicht zum Ausgleich in Aktien nicht der Fall. Ähnlich wie bei der deutschen Eingliederung nach §§ 319 ff. AktG bietet die Konstruktion des triangular merger die Möglichkeit, Minderheitsaktionäre unter Beibehaltung der rechtlichen Selbstständigkeit der Gesellschaft auszuschließen. Während die Aktionäre der einzugliedernden Gesellschaft 611
MBCA § 6.04(a)(1); Del. GCL § 155; NY BCL § 509(b); Cal. GCL § 407(b). Für die Zulässigkeit Teschner v. Chicago Title & Trust Co., 322 N.E.2d 54 (Ill. 1974), ähnlich Leader v. Hycor, Inc., 479 N.E.2d 173 (Mass. 1985); dagegen Clark v. Pattern Analysis Recognition Corp., 384 N.Y.S. 2d 660 (1976). 613 Aufgrund der Unsicherheiten in der Bewertung durch die Gerichte wird eine Gesellschaft selten den sale of assets oder den reverse stock split als Methode zum Ausschluss der Minderheit wählen. 614 Vgl. § 2 UmwG. 612
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Kap. IV: Ausschluss von Minderheitsaktionären in den USA
in Deutschland wie bei der Verschmelzung jedoch Anspruch auf Anteile an der Hauptgesellschaft haben, gilt im US-amerikanischen Recht das für das Übernahmerecht bereits Gesagte: Die Minderheitsaktionäre können durch die Zahlung einer Barabfindung von jeglicher weiteren Beteiligung ausgeschlossen werden. Damit ist im amerikanischen Recht der Ausschluss von Minderheitsaktionären zwar nur über das teils zeit-, arbeits- und kostenaufwändige Transaktionsrecht möglich, dies jedoch schon bei einer Beteiligung des Mehrheitsaktionärs von 50% plus einer Aktie.
Kapitel V
Minderheitenschutz in den USA § 1 Einleitung Der Schutz der Minderheitsaktionäre bei einem squeeze-out merger erfolgt als Bestandteil des Gesellschaftsrechts, welches in die Gesetzgebungskompetenz der Einzelstaaten fällt, schwerpunktmäßig auf einzelstaatlicher Ebene. Wesentliche Elemente sind dabei das Erfordernis eines ordnungsgemäßen Beschlusses des board of directors, insbesondere unter Berücksichtigung der Sorgfaltspflichten („fiduciary duties“) der directors bei der Beschlussfassung, in allen und das Erfordernis eines ordnungsgemäßen Hauptversammlungsbeschlusses und das Bestehen eines Abfindungsrechts („appraisal right“) in bestimmten Fällen. Im Mittelpunkt stehen jedoch die Grundsätze über Insichgeschäfte („selfdealing transactions“), denn in nahezu allen Squeeze-out-Fällen tauchen dieselben Parteien auf beiden Seiten der Transaktion auf. So ist es in aller Regel der Mehrheitsaktionär, der das board of directors kontrolliert und hinter dem Ausschlussbegehren steht, über welches wiederum zunächst das board beschließt. Der Mehrheitsaktionär ist aber zugleich auch derjenige, der von dem Ausschluss der Minderheit am meisten profitiert. Schwerpunktmäßig sind es also die relativ strengen Grundsätze des self-dealing, die den Maßstab für die gerichtliche Prüfung des Squeeze-outs liefern. Die Gerichte haben hier im Laufe der Jahre eine Vielzahl von Fairness-Tests entwickelt, anhand derer über die Wirksamkeit der Transaktion befunden werden soll. Auch wenn eine Vielzahl der maßgeblichen Vorschriften zum Schutz der Minderheitsaktionäre beim Squeeze-out dem einzelstaatlichen Recht entstammt, spielt das Bundesrecht über die Wertpapierkontrolle („federal securities laws“) eine nicht unerhebliche Rolle. Von besonderer Bedeutung sind hier die Offenlegungspflichten nach SEC Rule 10b-5, die das Management börsennotierter Gesellschaften treffen. Nach einem kurzen Überblick über die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Ausschlusses von Minderheitsaktionären in den USA soll hier im Detail auf die eben genannten Mechanismen des einzelstaatlichen und Bundesrechts zum Schutz der Minderheitsaktionäre im Rahmen von Squeezeout-Transaktionen eingegangen werden.
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Kap. V: Minderheitenschutz in den USA
§ 2 Verfassungsrechtliche Grundlagen Die verfassungsrechtliche Diskussion um den Schutz des Anteilseigentums in den USA nimmt ihren Ausgangspunkt mit der im Jahre 1819 getroffenen Grundsatzentscheidung des US Supreme Court im „Dartmouth College Case“.615 In dieser Entscheidung wurde die Gewährung der Charter an eine corporation als Vertrag zwischen dem Staat und der Gesellschaft eingestuft.616
A. Vertragstheorie („Contract Theory“) Aufbauend auf dieser Entscheidung wurde die Vertragstheorie („contract theory“) entwickelt, die bis heute Gültigkeit beansprucht. Danach wird die Mitgliedschaft in einer corporation durch drei Verträge begründet: es bestehen vertragliche Beziehungen zwischen dem Inkorporationsstaat und der Gesellschaft, der Gesellschaft und ihren Gesellschaftern, sowie zwischen den Gesellschaftern untereinander.617 Die berechtigte Kritik an diesem Verständnis der corporation, das sich im modernen Gesellschaftsrecht als überflüssige und hinderliche Fiktion erweist, vermochte sich nicht durchzusetzen.618 Die besondere verfassungsrechtliche Bedeutung der „Dartmouth College“Entscheidung und der daraus entwickelten Vertragstheorie liegt darin, dass die Beteiligung an einer corporation aufgrund ihrer vertraglichen Natur durch die „Contract Clause“ der amerikanischen Bundesverfassung619 geschützt wird.620 Daneben fällt die Mitgliedschaft in einer Kapitalgesellschaft auch in den Schutzbereich der „Due Process Clause“,621 die für den Vermögensschutz von großer Bedeutung ist und den Schutzbereich der „Contract Clause“ überlagert. Wesentliche Aussage der contract theory ist, dass die Gesellschafter bei Gründung einer Gesellschaft im Rahmen des Abschlusses des Vertrages mit 615
Trustees of Dartmouth College v. Woodward, 4 Wheat. 463 (1819). Zur Zeit der Entscheidung erforderte die Inkorporierung eine staatliche Konzessionierung durch Sondergesetz. Vgl. dazu Dodd, Dissenting Shareholders, 75 U.Pa.L.Rev. 585, 594 f. (1927). 617 Fletcher, Cyclopedia of Corporations, § 3657 mit weiteren Nachweisen; Henn/Alexander, Corporations, § 340. 618 Vgl. Seiler, Freezeout von Minderheitsaktionären, S. 75 mit weiteren Nachweisen. 619 US Constitution Art. 1 § 10: „No state shall [. . .] pass any [. . .] law impairing the obligation of contracts.“ 620 Fletcher, Cyclopedia of Corporations, § 3658. 621 US Constitution Amendment XIV: „[. . .] nor shall any State deprive any person of life, liberty, or property, without due process of law.“ Dieses amendment wurde 50 Jahre nach der Entscheidung im „Dartmouth College Case“ erlassen. 616
§ 2 Verfassungsrechtliche Grundlagen
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dem Inkorporationsstaat die Anwendung des geltenden Rechts, einfachen wie Verfassungsrechts, gebilligt haben.622 Lässt das einzelstaatliche Gesellschaftsrecht im Zeitpunkt der Gründung der Gesellschaft einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre unter bestimmten Voraussetzungen zu, so haben die Aktionäre damit der Möglichkeit eines Entzugs ihrer Beteiligung zugestimmt. Sie können sich im Rahmen einer Squeeze-out-Transaktion nicht mehr auf den verfassungsrechtlichen Schutz ihrer Beteiligung berufen. Im Laufe der Jahre wurden zudem dogmatische Lösungsmodelle entwickelt, die es erlauben, auch nach Gründung der Gesellschaft erfolgte Gesetzesänderungen in diese „Verzichtserklärung“ der Aktionäre mit einzubeziehen.623 Die Beteiligung an einer corporation genießt damit keinen verfassungsrechtlichen Bestandsschutz.
B. Willkürverbot Auch wenn das Anteilseigentum in den USA verfassungsrechtlich nicht als unentziehbares Recht geschützt wird, so enthalten die „Contract“ und die „Due Process Clause“ doch das verfassungsrechtliche Willkürverbot, das bei einer verfassungskonformen Auslegung des einfachgesetzlichen Gesellschaftsrechts zu beachten ist. Hieraus ergibt sich für die Minderheitsaktionäre, die im Rahmen einer Squeeze-out-Transaktion aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, ein Anspruch auf ein faires Verfahren und eine willkürfreie Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen. Mit dieser Beschränkung des verfassungsrechtlichen Schutzes auf das Fairnessgebot lässt sich auch die fehlende Bedeutung des Verfassungsrechts in der einschlägigen Rechtsprechung zum Thema Squeeze-out-Transaktionen erklären. Denn das Gebot der Fairness gegenüber Minderheitsaktionären ergibt sich bereits umfassend aus dem einfachen Gesellschaftsrecht. Die Grundlage dieses Fairnessgebots bieten insbesondere die allgemein anerkannten Sorgfalts- und Treuepflichten („fiduciary duties“) von Management und beherrschenden Gesellschaftern, die im Weiteren noch ausführlich erörtert werden.624
C. Zwischenergebnis Wie das deutsche Verfassungsrecht gewährt das US-amerikanische Verfassungsrecht einem Aktionär keinen Bestandsschutz, auch wenn die Herlei622
Vgl. Bauman/Weiss/Palmiter, Corporations Law and Policy, S. 813. Vgl. Zur Darstellung der historischen Entwicklung ausführlich: Seiler, Freezeout von Minderheitsaktionären, S. 77 ff. 624 Dazu unten § 3 B. 623
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Kap. V: Minderheitenschutz in den USA
tung dieses Ergebnisses in beiden Ländern auf sehr unterschiedliche Weise erfolgt. Von verfassungsrechtlicher Seite bestehen in den USA wie in Deutschland grundsätzlich keine Bedenken gegen die Möglichkeit des Entzugs des Anteilseigentums unter Beachtung des Willkürverbots. Fragen des Minderheitenschutzes und Diskussionen um seinen Umfang spielen sich heute dort wie hier weitgehend auf einfachgesetzlicher Ebene ab. Hierauf soll im Folgenden im Detail eingegangen werden.
§ 3 Erfordernis eines Beschlusses des boards und Sorgfaltspflichten der directors Jeder Squeeze-out-Transaktion liegt zunächst ein entsprechender Transaktionsbeschluss des board of directors zugrunde. Im Rahmen eines squeeze-out merger wird dies bereits vom Gesetz so gefordert.625 Im Rahmen von sale of asset Transaktionen oder reverse stock splits ergibt sich die Notwendigkeit jedenfalls aus der Wesentlichkeit der Entscheidung für die Gesellschaft. Das Erfordernis eines solchen Beschlusses soll eine informierte, wohl durchdachte und im besten Interesse der Gesellschaft liegende Entscheidung gewährleisten. Geschützt werden die Minderheitsaktionäre insbesondere durch die den board-Mitgliedern auferlegte Sorgfaltspflicht, eine informierte und im besten Interesse der Gesellschaft liegende Entscheidung zu treffen, die so genannte „duty of care“. Probleme können sich jedoch insbesondere in Squeeze-out-Transaktionen dadurch ergeben, dass die zur Entscheidung berufenen board-Mitglieder vom Mehrheitsaktionär in ihr Amt gewählt und auch in der nächsten Hauptversammlung wieder abgewählt werden können. Sie werden sich also von der Vermutung einer gewissen Beeinflussung durch den Mehrheitsgesellschafter, dem an dem Ausschluss der Minderheit gelegen ist, nie ganz freisprechen können. Häufig wird es sogar so sein, dass der Mehrheitsgesellschafter eigene Mitarbeiter in das board of directors „entsendet“. Hier kann in jedem Fall von einem eigenen Interesse des entsprechenden directors an der Transaktion gesprochen werden. Er steht hier zum einen auf der Seite der Gesellschaft, zum anderen aber auch auf der Seite des Mehrheitsgesellschafters, der von der Eliminierung der Minderheit am meisten profitiert. Der Schutz der Minderheit soll hier durch die auf diesen Fall anwendbaren Regeln über Insichgeschäfte (das so genannte „self-dealing“) gewährleistet werden. 625 MBCA § 11.04(a), Del. GCL § 251(b) zum Beschlusserfordernis beim statutory merger; MBCA § 11.05, Del. GCL § 553 zum short-form merger.
§ 3 Beschluss des boards und Sorgfaltspflichten der directors
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A. Beschluss des board of directors („Plan of merger“) Die Struktur von Vorstand und Aufsichtsrat als Organen der Aktiengesellschaft ist dem amerikanischen Recht fremd. In der amerikanischen corporation hat das board of directors die umfassende Zuständigkeit für die Leitung und Überwachung der Geschäfte der Gesellschaft.626 Die directors werden durch die Hauptversammlung gewählt.627 Sie handeln nicht einzeln für die Gesellschaft, sondern lediglich durch Handlungen des gesamten boards. Das board kann jedoch aus seinen Reihen einen Ausschuss bilden und auf diesen einzelne Kompetenzen übertragen. Das board trifft alle wesentlichen Unternehmensentscheidungen, so über die Ausgabe oder den Rückkauf von Aktien, die Neuaufnahme oder Aufgabe bestehender geschäftlicher Betätigungen, die Aufnahme von Darlehen durch die Gesellschaft, die Durchführung von Grundstücksgeschäften und Strukturmaßnahmen. Die Vorstandsmitglieder und leitenden Angestellten („officers“) sind allein für den täglichen Geschäftsablauf verantwortlich und unterstehen dem board, welches sie ernennt. Einen squeeze-out merger leitet das board of directors jeder beteiligten Gesellschaft durch einen entsprechenden Beschluss,628 den so genannten „plan of merger“, ein. Der Beschluss skizziert die Bedingungen der Übernahme und die Art und Höhe der Gegenleistung, welche die Aktionäre der erworbenen Gesellschaft erhalten sollen.629 In einigen Bundesstaaten muss durch den Beschluss außerdem die Satzung der aufnehmenden Gesellschaft entsprechend modifiziert werden.630 Treuepflichten („fiduciary duties“) ergänzen diese erste Stufe des Aktionärsschutzes. Im Rahmen des Beschlusses zur Unternehmensübernahme sind die directors an ihre Pflichten zu Sorgfalt und Loyalität, die so genannten „fiduciary duties of care and loyalty“, gebunden.631 Erfolgt die Übernahme durch einen Mehrheitsgesellschafter oder enthält sie einen anderweitigen Interessenkonflikt, so unterliegt die Übernahmeentscheidung einer materiellen Beschlusskontrolle, dem so genannten „review as self-dealing transaction“.632 626
Ausführlich zur Grundstruktur und Aufgabenverteilung in der corporation: Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 482 ff.; Buxbaum, The Internal Division of Powers in Corporate Governance, 73 Cal.L.Rev. 1671–1734 (1985). 627 MBCA § 8.03(d). 628 Eine Ausnahme gilt jedoch für den short-form merger: Hier ist ein Beschluss des boards der Tochter nicht erforderlich, da an seinem Zustandekommen aufgrund der Mehrheitsverhältnisse kaum Zweifel bestehen. 629 MBCA § 11.04(c); Del. GCL § 251(b). 630 MBCA § 11.04(c)(4); Del. GCL § 251(b). 631 Siehe sogleich ausführlich unter B. 632 Dazu ausführlich unter § 3 B II und § 4.
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B. Sorgfaltspflichten („Fiduciary duties“) Directors, Management und Mehrheitsgesellschafter sind verpflichtet, im besten Interesse der Gesellschaft – und damit ist in der Regel das beste Interesse der Gesellschafter gemeint – zu handeln.633 Diese fiduziarischen Pflichten wurden hauptsächlich von den Gerichten, und nicht so sehr von den Landesgesetzgebern, ausgestaltet. Gesetzliche Vorgaben wurden in den USA in der Vergangenheit oft als zu vage und unflexibel angesehen, um einen ausgewogenen Ausgleich zwischen unternehmerischer Freiheit und Verantwortung zu schaffen.634 Das American Law Institute hat zu der Diskussion um die fiduziarischen Pflichten die Principles of Corporate Governance beigesteuert, die eigene Richtlinien zur Ausgestaltung der Pflichten und der gerichtlichen Überprüfbarkeit ihrer Einhaltung enthalten.635 I. Duty of Care Das board of directors leitet die Geschäfte der Gesellschaft. Maßstab gerichtlicher Kontrolle des Erfolges im Rahmen von board-Entscheidungen und Aufsichtsfunktionen ist die duty of care,636 welche im Gegenzug durch die Business Judgment Rule definiert wird. In diesem Abschnitt sollen zunächst verschiedene Sorgfaltsmaßstäbe und deren Anwendung in der Praxis im Rahmen der Business Judgment Rule aufgezeigt werden. Sodann soll gezeigt werden, unter welchen Umständen die Vermutung, dass die directors im Rahmen ihrer Pflichten gehandelt haben, widerlegt werden kann. Schließlich soll kurz darauf eingegangen werden, inwieweit die directors Schutz durch Exkulpationsvorschriften in Satzungen und kraft Gesetzes genießen. 633
Umfassend zu den Pflichten der directors und officers auch Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 666 ff., Knepper/Bailey, Liability of Corporate Officers and Directors, §§ 1.01–4.17. 634 Vgl. Palmiter, Corporations § 11. So beschreibt auch das Delaware Supreme Court die fiduziarischen Pflichten als gleitenden Maßstab („sliding scale“), der einzelfallspezifisch angesetzt werden müsse. Vgl. Guth v. Loft, 5 A.2d 503 (Del. 1961); McMullin v. Beran, 765 A.2d 910 (2000). 635 Nach fünfzehnjähriger Debatte 1993 verabschiedet, sind die ALI Principles of Corporate Governance jedoch nicht mit gleicher Akzeptanz begrüßt worden, wie andere ALI Veröffentlichungen, so z. B. den Restatements. Während einige Gerichte Teile der ALI Principles als sinnvolle Stellungnahme zum Gesellschaftsrecht gelobt haben, haben andere Gerichte ihnen wenig Aufmerksamkeit geschenkt oder sie gar offen abgelehnt. Dazu Palmiter, Corporations § 1.2.4. 636 Umfassend Eisenberg, The Duty of Care of Corporate Directors and Officers, 51 U.Pitt.L.Rev. 945–972 (1990).
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1. Standards of Care Bei der Durchführung ihrer Aufgaben unterliegen die directors sowohl gesetzlich normierten, als auch ungeschriebenen Common Law standards of care. Viele einzelstaatliche Gesetze normieren Sorgfaltspflichten für directors. Typisch ist MBCA § 8.30, wonach jeder director seine Pflichten in guten Glauben und in einer Art und Weise ausführen muss, von der er vernünftigerweise glaubt, dass sie im besten Interesse der Gesellschaft sei.637 In seiner Gesamtheit ist das board verpflichtet, sich vor der Entscheidungsfindung oder Ausübung von Aufsichtsfunktionen gut zu informieren, und zwar mit „der Sorgfalt, die eine Person in vergleichbarer Position unter ähnlichem Umständen vernünftigerweise für angebracht halten würde“.638 Ausformulierte Common Law standards folgen im Wesentlichen demselben Muster wie die gesetzlich normierten Sorgfaltspflichten. So hat das Delaware Supreme Court festgestellt, dass eine Partei, die eine Geschäftsleitungsentscheidung gerichtlich in Frage stellt, zeigen muss, dass die directors es unterlassen haben – • in gutem Glauben („in good faith“), • in der ehrlichen Überzeugung, dass die Maßnahme im besten Interesse der Gesellschaft vorgenommen wurde („with reasonable belief“) und • auf informierter Grundlage („on an informed basis“) zu handeln.639 Die ALI Principles formulieren einen „ordinarily prudent person standard“.640 2. Ausgestaltung der Duty of Care Der „good faith“-Standard wird allgemein dahingehend verstanden, dass directors (1) ehrlich sein müssen, (2) nicht in einem Interessenkonflikt stehen und (3) illegale Aktivitäten nicht befürworten dürfen.641 Interessenkonflikte oder betrügerisches Verhalten unterliegen einer materiellen Beschlusskontrolle am Maßstab der duty of loyalty.642 637 MBCA § 8.30(a) im Original: „each individual director must discharge his duties in good faith and act in a manner he reasonably believes to be in the best interest of the corporation.“ 638 MBCA § 8.30(b) im Original: „the care that a person in like position would reasonably believe appropriate under similar circumstances.“ 639 Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805, 812 (Del. 1984). 640 ALI Principles § 4.01(a). 641 Palmiter Corporations § 12.1.2. 642 Dazu sogleich ausführlich unter II.
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Das „reasonable belief“-Element stellt die Substanz der Entscheidungsfindung dar. Ein director muss vernünftigerweise annehmen dürfen, dass seine Entscheidung die Interessen der Gesellschaft fördert.643 In diesem Grundsatz enthalten ist auch das „waste“-Prinzip, wonach solche Vorstandsentscheidungen unwirksam sind, denen jeder rationale Geschäftszweck fehlt.644 Die „informed basis“- und „ordinary care“-Maßstäbe behandeln das Verfahren der Entscheidungsfindung. Directors sind verpflichtet, sich vor jeder Entscheidungsfindung gut zu informieren.645 Sie müssen bei ihrer Entscheidung alle Informationen berücksichtigen, die sie in zumutbarer Weise erlangen können.646 In beiden Funktionen muss ein director zumindest mit grundlegenden entsprechenden Fähigkeiten und Kenntnissen ausgestattet sein. Die Formulierung „in vergleichbarer Position“ dient dazu, einen objektiven Maßstab herzustellen, der anerkennt, dass risikoträchtige Entscheidungen Bestandteil jeder Unternehmensführung sind.647 Die Formulierung „unter ähnlichen Umständen“ erlaubt es dem Gericht, die Komplexität und Dringlichkeit betrieblicher Entscheidungsfindung in seine Prüfung der Entscheidung einzubeziehen. 3. Business Judgment Rule Obwohl die duty of care klar ausformuliert und etabliert zu sein scheint, gab es in den letzten 150 Jahren, seitdem die Gerichte eine entsprechende Sorgfaltspflicht des Vorstandes anerkennen, kaum Fälle, in denen directors für ihr Missmanagement (in Abwesenheit von Illegalität, Betrug oder Interessenkonflikten) gerichtlich belangt worden sind. Dies ist Folge der in der Rechtsprechung anerkannten Idee des weiten Ermessensspielraums, oder konkreter, der so genannten Business Judgment Rule.648 643
Panter v. Marshall Field & Co., 646 F.2d 271, 293 (7th Cir. 1981); Sinclair Oil Corp. v. Levien, 280 A.2d 717, 720 (Del.S.Ct. 1971); Meyers v. Moody, 693 F.2d 1196, 1211 (5th Cir. 1982); McDonell v. American Leduc Petroleum, Ltd., 491 F.2d 380, 384. 644 Palmiter, Corporations § 12.1.2. 645 Casey v. Woodruff, 49 N.Y.S. 2d 625, 643 (S.Ct. 1944); Joy v. North, 692 F.2d 880, 886, 896 (2d Cir. 1982), certiorari denied, 460 U.S. 1051 (1983). 646 Aronson v. Lewis, 473 A.2d 805 (Del. 1984). 647 Official Comment, MBCA § 8.30. 648 Grundlegend Block/Barton/Radin, The Business Judgment Rule – Fiduciary Duties of Corporate Directors and Officers (1988); Eisenberg, Corporations, S. 390 ff.; Knepper/Bailey, Liablity of Corporate Officers and Directors (1988) §§ 6.01–6.17.; vgl. auch Block/Radin/Rosenzweig, The Role of the Business Judgment Rule in Shareholder Litigation, 45 Bus.Lawyer 469–510 (1990).
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a) Inhalt und Funktion der Business Judgment Rule Die Business Judgment Rule stellt eine widerlegbare Vermutung auf, dass directors ihre Pflichten ehrlich, mit gutem Willen, informiert und vernünftig erfüllen. Kurz gefasst, die Business Judgment Rule nimmt an, dass directors ihre duty of care in der Regel nicht verletzen. Obwohl die Business Judgment Rule nicht kodifiziert ist, haben die Gerichte sie auch in Bundesstaaten mit normierten Sorgfaltsmaßstäben angewandt. Wie der offizielle Kommentar zu MBCA § 8.30 erklärt, modifizieren die gesetzlich normierten Sorgfaltsmaßstäbe die Business Judgment Rule nicht, die auch in Zukunft von den Gerichten weiterentwickelt werden wird.649 Die Business Judgment Rule arbeitet auf zweierlei Ebene: Zum einen schirmt sie directors von persönlicher Haftung ab, zum anderen isoliert sie board-Entscheidungen von gerichtlicher Kontrolle. b) Begründung für die Business Judgment Vermutung Begründungen für die „Business Judgment“-Vermutung sind auf unterschiedlicher Ebene erfolgt.650 Zum einen ermutige sie das board dazu, risikoträchtige Entscheidungen zu treffen. Aktionäre erwarteten von der Unternehmensführung in einem gewissen Maße, Risiken einzugehen, getreu der Maxime „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Ohne die Business Judgment Rule wäre zu befürchten, dass directors aus Angst vor persönlicher Haftung nur übervorsichtige Entscheidungen träfen. Richter sind in aller Regel keine Wirtschaftsexperten.651 Die Business Judgment Rule vermeidet daher allzu großen Einfluss der Judikative auf Geschäftsführungsmaßnahmen der Unternehmensleitung. Daneben haben häufig auch Aktionärsklagen im Namen der Gesellschaft anderes als das Interesse der Gesellschaft oder der Mehrheit der Aktionäre im Sinn. Die Business Judgment Rule stellt hier noch einmal klar, dass die Unternehmensführung in den Händen des boards, und nicht direkt in denen der Aktionäre, liegt. Die Business Judgment Rule ermutigt außerdem qualifiziertes Personal, die Rolle als director überhaupt erst zu übernehmen, indem sie das Risiko persönlicher Haftung eingrenzt.
649
Official Comment, MBCA § 8.30. Einen umfassenden Überblick bietet Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 683. 651 Vgl. Joy v. North, 692 F.2d 880 (2d Cir. 1982). 650
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4. Widerlegung der Business Judgment Vermutung Wird eine board-Entscheidung dem Gericht zur Kontrolle vorgelegt, so trägt der Kläger die Beweislast für das Vorliegen einer Pflichtverletzung. Nach gefestigter Rechtsprechung kann er die „Business Judgment“-Vermutung auf dreierlei Weise widerlegen. Zum einen kann er Betrug, Illegalität oder einen Interessenkonflikt nachweisen; zum anderen kann er das gänzliche Fehlen eines rationalen Geschäftszwecks (Verschwendung – „waste“) darlegen. Schließlich kann die „Business Judgment“-Vermutung auch dadurch widerlegt werden, dass der Kläger grobe Fahrlässigkeit des boards bei der Informationsbeschaffung oder der Ausführung von Aufsichtspflichten nachweist.652 Auch der MBCA normiert Haftungstatbestände. So kann ein director verantwortlich sein für • Handlungen, die nicht in gutem Glauben vorgenommen wurden; • eine Entscheidung, die das board nicht für im besten Interesse der Gesellschaft hielt oder die es traf, ohne sich vorher ausreichend zu informieren; • Verhalten aufgrund fehlender Objektivität oder Unabhängigkeit; • ein anhaltendes Unterlassen, sich – unter Vernachlässigung seiner Aufsichtspflichten – zu informieren; • Erhalt eines unpassenden finanziellen Vorteils.653 a) Nicht in gutem Glauben – Betrug, Illegalität oder Interessenkonflikt Die gesetzliche Vermutung, dass ein director in gutem Glauben gehandelt hat, entfällt, wenn ein Kläger Betrug, illegales Verhalten oder einen Interessenkonflikt nachweisen kann. Ein director, der auf betrügerische Weise handelt, haftet persönlich für den entstandenen Schaden. Alle betrügerischen Handlungen können für unwirksam erklärt werden, unabhängig davon ob sie im Ergebnis trotz des Betruges angemessen sind. So kann sich zum Beispiel ein director, der die Aktionäre im Vorfeld eines Gesellschafterbeschlusses wissentlich falsch beraten oder informiert hat, nicht auf den Schutz der Business Judgment Rule 652 Kommt es hier bei Squeeze-out-Transaktionen zu Problemen, so wird dies in den drei erst genannten Bereichen der Fall sein. Auf die Darstellung der Verletzung von Aufsichtspflichten als Ausnahme zur Anwendbarkeit der Business Judgment Rule kann daher hier verzichtet werden. 653 MBCA § 8.31.
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berufen.654 Auch directors, die wissentlich irreführende Informationen in einem öffentlichen Markt verbreiten, verletzen ihre Aufklärungs- und damit ihre Sorgfaltspflichten.655 Schließlich kann auch jener director persönlich zur Verantwortung gezogen werden, der bewusst oder zumindest grob fahrlässig eine wesentliche Tatsache, auf die die übrigen directors zum Nachteil der Gesellschaft vertrauen, gegenüber dem restlichen Vorstand verfälscht vorträgt.656 Der Schutz der Business Judgment Rule entfällt auch dort, wo directors illegales Verhalten billigen oder bewusst ignorieren.657 Beide Fälle mögen bei board-Entscheidungen über Squeeze-out-Transaktionen, wie auch anderswo, zu finden sein. Besondere Bedeutung wird hier jedoch der Fallgruppe des Interessenkonflikts zukommen, wenn – wie dies häufig der Fall sein wird – Mitglieder des board of directors gleichzeitig Mitarbeiter eines Großaktionärs sind. Die Business Judgment Rule schützt nämlich weder einen director, der ein persönliches Interesse an einer Transaktion der Gesellschaft hat, weil er aus ihr einen persönlichen oder finanziellen Vorteil zieht, vor persönlicher Haftung, noch die der Transaktion zugrunde liegende board-Entscheidung vor einer gerichtlichen Überprüfung.658 Ebenso kann ein director persönlich haftbar sein, wenn ihm die erforderliche Objektivität im Rahmen einer Entscheidung fehlt, weil er familiäre, finanzielle oder geschäftliche Beziehungen mit der vorteilsziehenden Person hat.659 b) Irrationale Vorstandsentscheidung (Verschwendung) Die Vermutung der Business Judgment Rule kann ebenfalls widerlegt werden, wenn der in Frage gestellten board-Entscheidung jeglicher rationale Geschäftszweck fehlt („lack of rational business purpose“). Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf dem Ergebnis des board-Handelns oder seines Nicht-Tätigwerdens. Wenn der Transaktion jegliche Gegenleistung fehlt, wird häufig auch von „waste“, also Verschwendung gesellschaftlicher Mittel gesprochen.660 Die Abwesenheit eines rationalen Geschäftszwecks ist 654
Palmiter, Corporations § 10.3. Malone v. Brincat, 722 A.2d 5 (Del. 1998). 656 Palmiter, Corporations § 12.3.1. 657 Miller v. American Telephone and Telegraph Co., 507 F.2d 759 (3d Cir. 1974), dazu Eisenberg, Corporations, 549–555. 658 Die Haftung des Directors und die Wirksamkeit der entsprechenden Vorstandsentscheidung hängen letztendlich von einem Fairness Test ab, den ein Gericht in diesem Falle durchführen wird. Zum Testmaßstab siehe sogleich ausführlich unter II. 659 MBCA § 8.31(a)(2)(iii). 660 Michelsen v. Duncan, 407 A.2d 211, 224 (Del. 1979); vgl. zur Definition auch Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 8.01[B]. 655
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ein starkes Indiz für einen Mangel guten Glaubens, d.h. Betrug, Illegalität oder einen Interessenkonflikt.661 c) Grobe Fahrlässigkeit Um sich im Rahmen einer Entscheidungsfindung auf die Business Judgment Vermutung berufen zu können, muss das board nachweisen, dass er sich vor der Entscheidung hinreichend über den Sachverhalt und die Entscheidungsalternativen informiert hat. Das Augenmerk liegt hier auf Verfahrensgesichtspunkten: Die Gerichte gehen davon aus, dass sorgfältige Diskussionen innerhalb des boards sicherstellen, dass am Ende eine rationale Entscheidung getroffen wird. Haftungsmaßstab ist grobe Fahrlässigkeit („gross negligence“).662 Die berühmteste Entscheidung, in der ein Gericht zu der Frage Stellung genommen hat, wann directors nicht ausreichend informiert sind, ist Smith v. van Gorkom 663, besser bekannt als der „Trans Union Case“. Dem Fall liegt eine freundliche Unternehmensübernahme zugrunde, an deren Ende die Gesellschafter der übernommenen Gesellschaft eine Barabfindung für ihre Anteile erhielten und damit aus der neuen Gesellschaft ausgeschlossen wurden.664 Der Vorstandsvorsitzende von Trans Union, van Gorkom, hatte die Übernahme alleinig initiiert, verhandelt und den Übernahmevertrag entworfen, der den Erwerber übervorteilte. Die Aktionäre von Trans Union klagten und warfen dem board vor, unzureichend über die Übernahme informiert gewesen zu sein. Die Entscheidung des Gerichts führt eine Reihe von Fehlern auf, die dem board bei der Entscheidungsfindung unterlaufen sind. So hätten die directors • es versäumt, van Gorkoms Rolle bei der Festlegung der Bedingungen der Übernahme in Frage zu stellen, • es versäumt, die Übernahmedokumente durchzusehen und zu prüfen, • es versäumt, den Übernahmepreis von $ 55 pro Anteil und den Wert des Unternehmens in Frage zu stellen bzw. zu überprüfen, 661
Der rational purpose test setzt enge Maßstäbe. Schon ein geringes Maß an unternehmerischer Begründung kann ausreichend sein, um eine Vorstandsentscheidung dem Schutz der Business Judgment Rule zu unterstellen. 662 Aronson v. Lewis, 480 A.2d 805 (Del.S.Ct. 1984); umfassende Nachweise bei Cohn, Demises of the Director’s Duty of Care: Judicial Avoidance of Standards and Sanctions through Business Judgment Rule, 52 Tex.L.Rev. 591 (1983). Vgl. auch MBCA § 8.31(a)(2)(ii)(B). 663 488 A.2d 858 (Del. 1985). 664 So genannter cash-out merger. Zur Technik vgl. schon oben Kapitel IV § 2 D.
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• ohne jeglichen Zweifel die Stellungnahme des höchsten internen Beraters der Gesellschaft in Finanzfragen, Romans, akzeptiert, dass der Übernahmepreis von $ 55 pro Anteil angemessen sei, • keine Stellungnahme eines außenstehenden Investmentbankers bezüglich der Angemessenheit des Übernahmepreises von $ 55 pro Anteil eingeholt, und • in einem nur zweistündigen Treffen ohne vorherige Ankündigung und ohne das Vorliegen eines Notfalls entschieden. Im Gegenzug beriefen die directors sich darauf, dass sie sich zulässigerweise auf van Gorkoms mündliche Präsentation der Übernahmebedingungen und Romans Stellungnahme hätten verlassen können. Das Gericht begründete seine gegenläufige Entscheidung jedoch damit, dass van Gorkom selbst nicht ausreichend informiert gewesen sei. Er habe zum Beispiel selbst nicht die Übernahmedokumente vor der board-Sitzung gelesen. Auch habe van Gorkom nicht klargestellt, dass der Erwerber, und nicht er, den Übernahmepreis von $ 55 pro Anteil vorgeschlagen hatte. Daneben warf das Gericht den directors vor, dass sie die Grundlage für Romans Stellungsnahme nicht hinterfragt und auch nicht nach der Auffassung des Managements gefragt hätten, welches einigen Aspekten der Vereinbarung – einschließlich der Preisgestaltung – heftig widersprach. Das Gericht in der „Trans Union“-Entscheidung verwarf damit einige Argumente, die normalerweise ausgereicht hätten, damit die Business Judgment Rule ihre Wirkung entfaltet. Die übrigen directors, allesamt Geschäftsleute mit enormer Fachkenntnis und tief greifendem Hintergrundwissen bezüglich der Geschäfte von Trans Union, hatten keinerlei Grund, van Gorkoms Ausführungen zur Angemessenheit der Transaktion anzuzweifeln. Der Übernahmepreis lag mit $ 55 pro Anteil wesentlich über dem zur damaligen Zeit bestehenden Marktpreis von $ 38. Das board handelte unter dem Druck einer Frist des Erwerbers, und die juristischen Berater der Gesellschaft hatten den Vorstand darauf hingewiesen, dass sie eventuell verklagt werden könnten, wenn sie ein attraktives Angebot abwiesen. Unwahrscheinlich ist daher, dass die directors, selbst wenn sie ausreichend über die persönliche Verflechtung van Gorkoms in der Transaktion und das Zustandekommen des $ 55-Preises informiert gewesen wären, anders entschieden hätten. Die „Trans Union“Entscheidung ist daher bis heute heftiger Kritik ausgesetzt.665 665 Vgl. Fischel, The Business Judgment Rule and the Trans Union Case, 40 Bus.Lawyer 1437–1455 (1985); Herzel/Katz, Smith v. Van Gorkom, The Business of Judging Business Judgment, 41 Bus.Lawyer 1187–1193 (1986); Manning, Reflections and Practical Tips on Life in the Boardroom after Van Gorkom, 41 Bus.Lawyer 1–14 (1985); andererseits der Ansicht, die Entscheidung habe zu keiner nennenswerten Änderung des geltenden Rechts geführt: Moskin, Trans Union: A
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Ein Grund warum die Entscheidung dennoch so ausgefallen ist, wie sie es ist, könnte der sein, dass es sich hier um einen squeeze-out merger handelt, die Aktionäre der übernommenen Gesellschaft am Ende also nicht Mitglieder der neuen Gesellschaft, sondern gegen eine Barabfindung ausgeschlossen wurden. Diese Transaktionen unterliegen wie bereits erwähnt erhöhter gerichtlicher Kontrolle. Wird hier eine fehlerhafte Vorstandsentscheidung getroffen, so kann diese fehlerhafte Entscheidung – anders als Entscheidungen im operativen Geschäft – nicht durch die Absatz- oder Kapitalmärkte korrigiert werden.666 5. Rechtsfolgen bei Verletzung der Duty of Care Widerlegt ein Kläger die Business Judgment Vermutung und weist nach, dass die Vorstandsentscheidung uninformiert oder ohne rationale Grundlage getroffen wurde, so haftet jeder beteiligte director persönlich für die Verletzung seiner Sorgfaltspflicht, der duty of care. Jeder director, das für die Entscheidung gestimmt oder es unterlassen hat, ihr zu widersprechen, haftet gesamtschuldnerisch für alle Schäden, die der Gesellschaft durch die pflichtwidrige Entscheidung entstanden sind. In den meisten einzelstaatlichen Gesetzen wird angenommen, dass ein bei der Entscheidung anwesender director ihr zugestimmt hat, wenn das Sitzungsprotokoll kein gegenteiliges Stimmverhalten – Ablehnung oder Enthaltung – aufführt.667 Einige Bundesstaaten erlauben es einem director, der nicht für die Entscheidung gestimmt hat, auch noch im Nachhinein – unmittelbar nach der Sitzung – seine Ablehnung oder Enthaltung durch schriftliche Nachricht zu Protokoll zu geben.668 Nailed Board, 10 Del.J.Corp.L. 405–428 (1985); Prickett, An Explanation of Trans Union to „Henny Penny“ and Her Friends, 10 Del.J.Corp.L. 451–463 (1985); Radin, The Director’s Duty of Care Three Years after Smith v. Van Gorkom, 39 Hastings L. J. 707–757 (1988); Schwartz/Wiles, Neither „New“ Law nor „Bad“ Law, 10 Del.J.Corp.L. 429–449 (1985); Quillen, Trans Union, Business Judgment, and Neutral Principles, 10 Del.J.Corp.L. 465–503 (1985). 666 Vgl. Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 634 A.2d 345 (Del. 1995). Andere Kommentatoren gehen jedoch davon aus, dass das Gericht mit der „Trans Union“Entscheidung beabsichtigte, Vorständen in zukünftigen Übernahmeentscheidungen einen Entscheidungsspielraum zu bewahren. Nach dieser Entscheidung ist es Vorständen, die ein unaufgefordertes Übernahmeangebot erhalten, möglich, die Entscheidung über dieses weiter als zuvor hinauszuschieben, da die Rechtsprechung in Delaware nunmehr verlangt, dass sich ein Vorstand ausreichend Zeit nimmt, um sich über die Situation eingehend zu informieren. Vgl. Palmiter, Corporations, § 12.3.3. Eine eindeutige Erklärung für die „Trans Union“-Entscheidung gibt es jedoch bis heute nicht. 667 MBCA § 8.24(d). 668 MBCA § 8.24(d).
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Nicht in jedem Fall führt jedoch allein die sorgfaltswidrige Entscheidung zur Haftung. Einige Gerichte fordern den Nachweis von Kausalität zwischen sorgfaltswidriger Entscheidung und entstandenem Schaden.669 Der MBCA normiert ein Kausalitätserfordernis.670 Den Gerichten steht es daneben frei, sorgfaltspflichtwidrige Vorstandsentscheidungen aufzuheben.671 6. Exkulpation In Folge der „Trans Union“-Entscheidung verbreitete sich in der Praxis schnell die Auffassung, dass die Ausübung einer Position als director riskanter geworden sei. Während der späten 80er Jahre stiegen die Versicherungsprämien für directors.672 Es kursierten Berichte über qualifizierte Kandidaten, die eine Position als director aus Angst vor persönlicher Haftung ablehnten.673 Als Antwort hierauf verabschiedeten Delaware674 und weitere Bundesstaaten675 Exkulpationsvorschriften. Diese erlauben es einer Gesellschaft, ihre board-Mitglieder in der Satzung unter bestimmten Umständen von der persönlichen Haftung freizustellen.676 Delaware erlaubt danach die Freistellung von directors von persönlicher Haftung in der Satzung, so lange kein Fall einer Verletzung der Loyalitätspflicht („duty of loyalty“)677, Bösgläubigkeit, Illegalität oder das Ziehen eines persönlichen Vorteils (wie z. B. beim Insider Trading) vorliegt.678 Dem entspricht im Wesentlichen die Regelung des MBCA.679 In Squeezeout-Fällen wird jedoch – wie oben bereits angesprochen – häufig gerade die Loyalität eines directors oder seine persönliche Vorteilsziehung in Frage stehen, so dass etwaige Exkulpationsvorschriften in der Satzung im Ernstfall kaum greifen werden. 669
Barnes v. Andrews, 298 F. 614 (S.D.N.Y. 1924). MBCA § 8.31(b)(1). 671 Palmiter, Corporations § 12.4.2. 672 Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 8.05 über die Folgen der Entscheidung. 673 Palmiter, Corporations § 12.5.1. 674 Del. GCL § 102(b)(7). 675 Vgl. MBCA 2.02(b)(4); § 13.1–692.1. Va.Code; § 721–727 N. Y. BCL. 676 Dazu Wilson, Director and Officer Liability: State Legislative Reaction to Smith v. Van Gorkom, 22 Creighton L.Rev. 747–763 (1989). 677 Dazu sogleich unter II. 678 Del. GCL § 102(b)(7). Zu den damit aufgeworfenen rechtspolitischen Fragen: Lee, Limiting Corporate Directors’ Liability: Delaware’s Section 102(b)(7) and the Erosion of the Director’s Duty of Care, 136 U.Pa.L.Rev. 239–280 (1987). 679 Der jedoch die Loyalitätspflichtverletzung nicht ausdrücklich nennt. MBCA § 2.02(b)(4). Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 699 diskutiert die Regelungen in weiteren Einzelstaaten. 670
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II. Duty of Loyalty – Self-Dealing Insichgeschäfte, im Amerikanischen „self-dealing“ genannt, stellen die Loyalität eines directors in Frage. Sind sowohl ein director als auch die Gesellschaft an einer Transaktion beteiligt, so spielt das board-Mitglied immer zwei Rollen. Zum einen hat es als Partei ein persönliches Interesse an der Transaktion, zum anderen ist es in den gesellschaftlichen Prozess der Beschlussfassung über die Transaktion ein- und dabei an seine Sorgfaltspflichten gebunden. Der Interessenkonflikt ist dabei die wohl häufigste Form des self-dealing.680 Insichgeschäfte unter Beteiligung von board-Mitgliedern lassen sich in zwei Kategorien unterteilen.681 In beiden Fällen birgt ein Interessenkonflikt eines directors das Risiko in sich, dass eine Transaktion nicht im besten Interesse der Gesellschaft verläuft. In seiner klassischen Form liegt ein Insichgeschäft vor, wenn ein director selbst Partei in einem Geschäft mit der Gesellschaft ist.682 Dies kann dann der Fall sein, wenn ein Mehrheitsaktionär eine natürliche Person ist und sich selbst zum director gewählt hat, was durchaus möglich und in personalistischen Gesellschaften auch üblich ist. Ein Insichgeschäft liegt auch dann vor, wenn die Transaktion mit einer anderen natürlichen oder juristischen Person stattfindet, mit welcher der director ein starkes persönliches oder finanzielles Interesse verbindet. Diese Kategorie des so genannten indirekten Interesses erfasst zum Beispiel Geschäfte mit nahen Verwandten des directors 683 oder mit anderen Gesellschaften, an denen der director ebenfalls als solcher, oder als Gesellschafter oder als Arbeitnehmer ein finanzielles Interesse besitzt684. Insbesondere letzteres wird in Squeeze-out-Transaktionen aufgrund der Mehrheitsverhältnisse häufig der Fall sein.
680 Andere Unterformen stellen die Festlegung von Vorstandsgehältern, Geschäfte zwischen Mutter und Tochtergesellschaft, Geschäfte der Gründungsmitglieder mit der Vor-Gesellschaft und Management-Buyouts (MBO) sowie Abwehrmaßnahmen bei feindlichen Übernahmen dar. 681 Zur Definition vgl. auch Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 9.03. 682 MBCA § 8.60(1)(i). Beispiele hierfür sind z. B. der Kauf oder Verkauf von Eigentum, Darlehen von oder an die Gesellschaft oder Serviceleistungen durch den director. 683 Vgl. MBCA § 8.60(1)(i), (3), der nahe Verwandte als Ehepartner, Kind, Enkel, Geschwister, Eltern oder Familen-Treuhand definiert. 684 Vgl. MBCA § 8.60(1)(i), (ii).
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1. Beschlusskontrolle in „Self-Dealing“-Transaktionen Das moderne Gesellschaftsrecht erlaubt Insichgeschäfte, soweit ihre Bedingungen gegenüber der Gesellschaft fair sind.685 Die Gerichte haben dabei eine Vielzahl von materiellen und prozessualen Tests entwickelt, um die Fairness einer Transaktion festzustellen. Materielle Tests stützen sich dabei auf eine Prüfung der Bedingungen der Transaktion und messen, inwieweit der selbst interessierte director seine Interessen auf Kosten der Gesellschaft durchgesetzt hat. Prozessuale Fairness-Tests rücken dagegen den Entscheidungsprozess an sich in den Mittelpunkt. Sie prüfen die Unabhängigkeit der verbleibenden board-Mitglieder in ihrer Entscheidung.686 Die diversen Tests unterscheiden sich damit im Wesentlichen danach, wer entscheiden soll, ob eine „self-dealing“-Transaktion im besten Interesse der Gesellschaft liegt – das board, die Gesellschafter oder ein Gericht. Sobald ein Kläger das Vorliegen eines Interessenkonflikts bewiesen hat, geht die Beweislast bezüglich der Wirksamkeit der Transaktion auf den Beklagten über.687 Hat jedoch eine Mehrheit von unabhängigen directors oder 685 Nachdem zunächst davon ausgegangen worden war, dass eine von einem Interessenkonflikt beeinträchtigte Transaktion niemals auch der Gesellschaft zu Gute kommen könne, setzte sich Anfang des 20.Jahrhunderts die Auffassung durch, dass dies aufgrund der besonderen Geschäftskenntnis und -möglichkeiten von Insidern durchaus der Fall sein könne. Die „Rule of Voidability“, die der Gesellschaft bis dahin immer ein Anfechtungsrecht bei Vorliegen eines Interessenkonflikts zugebilligt hatte, wurde darauf von der Rechtsprechung aufgegeben und durch diverse Fairnesstests abgelöst. Zur historischen Entwicklung vgl. auch Klein/Coffee, Business Organization and Finance, 159 ff.; Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 703 f.; Marsh, Are Directors Trustees? – Conflicts of Interest and Corporate Morality, 22 Bus.Lawyer 35–76 (1966); Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 9.03. 686 Im Laufe der Zeit haben die Gerichte verschiedene Standards artikuliert. Zunächst erhielten die Gerichte nur solche „self-dealing“-Transaktionen aufrecht, die inhaltlich fair und gleichzeitig von einer Mehrheit der unabhängigen directors anerkannt worden waren. Vgl. Globe Woolen Co. v. Utica Gas & Electric Co., 121 N. E. 378 (1918). In den 50er Jahren ließen die Gerichte dann meist allein inhaltliche Fairness genügen. Eine Beschlussfassung von einer Mehrheit der unabhängigen directors wurde daneben nicht mehr für erforderlich gehalten. Anders in den 80er Jahren, als prozessuale Aspekte wieder in den Vordergrund rückten. Beschloss eine Mehrheit von unabhängigen directors die Transaktion, so wurde diese als Ausdruck von deren Business Judgment aufrecht erhalten – ob aus Sicht des Gerichts fair oder nicht. Vgl. z. B. Puma v. Marriott, 283 A.2d 693 (Del. Ch. 1971). Gerichte haben außerdem Transaktionen aufrecht erhalten, denen eine Mehrheit der unabhängigen Gesellschafter zugestimmt hatte, ohne dass sie einen Beschluss unabhängiger Directoren daneben für erforderlich hielten. Vgl. im Ganzen Palmiter, Corporations § 13.2.2. 687 Vgl. MBCA § 8.61(b)(3).
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Gesellschaftern der Transaktion zugestimmt, so fällt die Beweislast zurück an den Kläger.688 2. Moderne „Fairness“-Tests Viele moderne einzelstaatliche Gesetzestexte legen ausdrücklich fest, dass „self-dealing“-Transaktionen nicht per se unwirksam sind.689 Dabei handelt es sich um eine Abkehr von der alten Auffassung des Common Law, das „self-dealing“-Transaktionen für per se unwirksam hielt. Heute normiert Del. GCL § 144, dass eine Transaktion nicht allein deshalb unwirksam oder anfechtbar ist, weil ein director Partei einer Transaktion mit der Gesellschaft ist, solange (1) die wesentlichen Tatsachen gegenüber dem Vorstand offen gelegt werden und eine Mehrheit der unabhängigen board-Mitglieder die Transaktion genehmigt, oder (2) die wesentlichen Tatsachen gegenüber den Gesellschaftern offen gelegt werden und die Hauptversammlung der Transaktion zustimmt, oder (3) ein Gericht die Fairness der Transaktion feststellt. Umstritten ist jedoch die Reichweite dieser Regelung. Während einige Gerichte die Norm als reine Umkehr der historischen „Rule of Voidability“ (Unwirksamkeit per se) interpretiert haben, und eine weitere gerichtliche Fairness-Prüfung als zulässig ansehen,690 haben andere Gerichte eine weitergehende Wirkung der Norm angenommen und sie als „sicheren Hafen“ – und damit eine weitere gerichtliche Kontrolle nach wirksamer Genehmigung durch Vorstand oder Hauptversammlung also als unzulässig – angesehen.691 3. „Substantive Fairness“ Im Rahmen des ebenfalls weithin anerkannten substantive fairness tests geht das Gericht von der Fairness der „self-dealing“-Transaktion aus, wenn die Richter zu dem Ergebnis kommen, dass die Transaktion im besten Interesse der Gesellschaft liegt. Dabei enthält der substantive fairness test ein objektives und ein subjektives Element. Im Rahmen der objektiven Prüfung untersucht das Gericht die Bedingungen der Transaktion, insbesondere den 688
ALI Principles § 5.02(b); MBCA § 8.61(b). Ein guter Überblick über die verschiedenen einzelstaatlichen Modelle findet sich bei Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 9.03[B]. 690 Vgl. Fliegler v. Lawrence, 361 A.2d 218 (Del. 1976) und Cinerama, Inc. v. Technicolor, Inc., 663 A.2d 1134 (Del. Ch. 1994), welche Kahn v. Lynch Communication Systems, 638 A.2d 1110 (Del. 1994) zitiert. 691 So z. B. Marciano v. Nakash, 535 A.2d 400 (1987). 689
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vereinbarten Preis. Subjektiv muss die Transaktion für die Gesellschaft im Rahmen ihrer Bedürfnisse und ihres Gesellschaftszwecks werthaltig sein. Beide Aspekte erfordern ein hohes Maß an wirtschaftlichem Verständnis von den zur Entscheidung berufenen Richtern.692 4. „Procedural Fairness“ In Delaware wird daneben ein besonderer Blick auf den Prozess der – der Transaktion zustimmenden – board-Entscheidung geworfen. Wie in Weinberger v. UOP, Inc. erstmals durch die Rechtsprechung formuliert, verlangt der „entire fairness test“ sowohl einen fairen Preis als auch ein faires Verfahren.693 Untersucht werden soll mit der Frage nach einem ordnungsgemäßen Verfahren, ob das board of directors in seiner Entscheidung von dem involvierten director beeinflusst wurde, oder ob das board unabhängig und im besten Interesse der Gesellschaft entschieden hat. In diesem Zusammenhang wirft das Gericht einen besonderen Blick auf drei prozessuale Elemente: die Offenlegung der Einzelheiten der Transaktion vor dem board, die Besetzung des boards oder die Zusammensetzung des Ausschusses, welches/r der Transaktion zugestimmt hat und die Rolle des involvierten directors bei der Initiierung und Verhandlung der und Entscheidung über die Transaktion. a) Erforderliches Maß an Offenlegung Selbst in Fällen, in denen Gerichte die „self-dealing“-Transaktion im Ergebnis für fair befunden haben, haben sie diese für unwirksam erklärt, wenn offensichtlich Betrug bei der Entscheidungsfindung im Spiel war.694 In Fällen, in denen zwar kein betrügerisches Verhalten zu Tage trat, es jedoch Vorwürfe unzureichender Aufklärung und Offenlegung gab, haben die Gerichte verschiedene Ansätze entwickelt. Einige Gerichte sahen eine 692 Vgl. auch Official Comment to MBCA § 8.61 („Note on Fair Transactions“). Teilweise wird angenommen, dass es sich bei dem substantive fairness test um ein flexibles Instrument handelt, dessen Prüfintensität mit dem Grad des Eigeninteresses ab- bzw. zunimmt. Der MBCA reflektiert diese differenzierende Ansicht und behandelt Fälle, in denen directors, die in der auf der anderen Seite der Transaktion stehenden Gesellschaft ebenfalls als board-Mitglied oder officer aktiv sind, nur dann als „self-dealing“-Transaktionen, wenn die Transaktion so wesentlich ist, dass sie normalerweise einer board-Entscheidung bedarf. Vgl. MBCA§§ 8.60(1)(ii), 8.61(a). Dies ist bei Squeeze-out-Transaktionen allerdings immer der Fall, so dass es in diesem Fall auf die Differenzierung nicht ankommt. 693 Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701 (Del. 1983). 694 Dazu ausführlich Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 9.03; Palmiter, Corporations § 13.3.3, beide mit weiteren Nachweisen.
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umfassende Aufklärung als bloßen Anhaltspunkt für die Fairness der untersuchten Transaktion.695 Andere Gerichte haben hingegen den Hinweis auf und die Darlegung des Interessenkonflikts durch den involvierten director für notwendig erachtet, um die übrigen board-Mitglieder in erhöhte Alarmbereitschaft zu versetzen. Wieder andere Gerichte haben die umfassende Offenlegung aller wesentlichen Informationen – einschließlich des erwarteten Gewinns für den involvierten director – für erforderlich gehalten.696 Jeder Ansatz reflektiert hier unterschiedliche Auffassungen darüber, inwieweit die umfassende Aufklärung den verbleibenden directors tatsächlich die Möglichkeit eröffnet, die angekündigte Transaktion zu überprüfen und für die Gesellschaft vorteilhaftere Bedingungen auszuhandeln.697 b) Zustimmung durch unabhängiges Gremium Einige Gerichte haben „self-dealing“-Transaktionen bereits allein unter Anwendung der Business Judgment Rule (die weniger streng ist als der entire fairness standard) für wirksam erachtet, wenn unabhängige Mitglieder des board of directors der Transaktion zugestimmt haben.698 Andere Gerichte gehen von einer Fairness-Vermutung aus und haben es dem Kläger auferlegt, die fehlende Fairness der Transaktion darzulegen und zu beweisen, wenn eine Mehrheit von unabhängigen board-Mitgliedern der Transaktion zugestimmt hat.699 Die ALI Principles kombinieren die Beweislastumkehr und den modifizierten Fairness-Standard. Unterkapitel F des MBCA erklärt die unabhängige Zustimmung für endgültig. Nach der Definition der meisten Gerichte ist ein director dann unabhängig, wenn er weder direkt noch indirekt an der Transaktion beteiligt ist – sei es durch finanzielle oder familiäre Beziehungen, die seine Urteilsfähigkeit beeinflussen könnten – und er auch nicht von dem involvierten director beeinflusst wird. Der Terminus der Beeinflussung durch den involvierten director ist dabei eng auszulegen. Beeinflussung in diesem Sinne ist nur 695 So z. B. Globe Woolen Co. v. Utica Gas & Electric Co., 224 N. Y. 483, 121 N. E. 378 (1918). 696 Vgl. State ex. rel. Hayes Oyster Co. v. Keypoint Oyster Co., 391 P.2d 979 (Wash. 1964): Hier erklärte das Gericht eine im Ergebnis faire Transaktion allein deshalb für ungültig, weil das involvierte director es unterlassen hatte, seinen Interessenkonflikt offen zu legen. 697 Vgl. ALI Principles, comment to § 5.02(a)(1). 698 Vgl. z. B. Puma v. Marriott, 283 A.2d 693 (Del. Ch. 1971). Eine interessante Frage wirft hier Allen auf: Independent Directors in MBO Transactions: Are They Fact or Fantasy?, 45 Bus.Lawyer 2055–2058, 2060–2063 (1990). 699 Vgl. z. B. Cooke v. Ollie, 1997 WL 367034 (Del. Ch. 1997): Hier wurden Insider-Darlehen an eine dringend kapitalbedürftige Gesellschaft für wirksam erachtet.
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dann gegeben, wenn der director wie verlangt und ohne jede eigene Entscheidungsfindung handelt.700 Die ALI Principles definieren einen unabhängigen director als jemanden, der weder Partei der Transaktion ist, noch indirekt derart interessiert oder involviert ist, dass davon ausgegangen werden könnte, dass sein Urteilsvermögen für die Gesellschaft nachteilig beeinträchtigt ist.701 Unterkapitel F des MBCA verwendet einen objektiven Test, der einen „qualifizierten director“ als jemanden bezeichnet, der weder Partei der Transaktion ist, noch in einer familiären, finanziellen oder beruflichen Verbindung mit der Transaktion steht, die seine Abstimmung über die Transaktion beeinflussen würde.702 c) Rolle des involvierten directors Früher wurde davon ausgegangen, dass durch die Teilnahme des involvierten directors bei den Verhandlungen über die Transaktion oder im Rahmen des Entscheidungsprozesses durch das board die Transaktion selbst unweigerlich unwirksam wurde.703 Heute dagegen erlauben moderne Gesetzestexte und Gerichtsentscheidungen die Teilnahme und Stimmabgabe durch das involvierte board-Mitglied, ohne dass dies zwingend die Unwirksamkeit der Transaktion bedeuten muss.704 Die Teilnahme des involvierten directors an Verhandlungen und Entscheidungsfindungsprozessen kann jedoch weiterhin ein Anzeichen dafür sein, dass er/sie die weiteren boardMitglieder unredlich beeinflusst hat. Viele moderne einzelstaatliche Gesetzestexte vereinfachen das Erfordernis einer unabhängigen Entscheidung über die Transaktion, indem sie Mehrheitsentscheidungen zulassen. So erlaubt der MBCA die Entscheidung einer einfachen Mehrheit (jedoch mindestens zweier) unabhängiger board-Mitglieder.705 Diese Normierungen verdrängen dabei die alte Regel des Common Law, wonach board-Entscheidungen einstimmig zu treffen waren. Andere Bundesstaaten lassen es zu, dass involvierte board-Mitglieder im Rahmen der Mehrheitsfindung mitgezählt werden können, auch wenn sie an der Vorstandssitzung nicht teilnehmen.706 700 Vgl. Gries Sports Enterprises, Inc. v. Cleveland Browns Football Co., 496 N.E.2d 959 (Ohio 1986). 701 ALI Principles § 1.18. 702 MBCA § 8.60. 703 Vgl. Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 9.03. 704 Vgl. den alten MBCA § 8.31, der 1989 durch Unterkapitel F ersetzt wurde. 705 MBCA § 8.62(c), vormals MBCA § 8.31(c). 706 Palmiter, Corporations, § 13.3.3.
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5. Hauptversammlungsbeschluss In aller Regel haben die Gerichte daneben hohe Achtung vor „selfdealing“-Transaktionen, die durch eine Mehrheit von informierten und unabhängigen Gesellschaftern beschlossen oder nachträglich bestätigt wurden. Beschließt oder bestätigt eine informierte und unabhängige Mehrheit in der Hauptversammlung die Transaktion, so ist der Nachweis der Fairness durch den Beklagten vor Gericht nicht mehr erforderlich. Stattdessen untersucht das Gericht die Transaktion allein mit Blick auf die Business Judgment Rule und verlagert die Darlegungs- und Beweislast auf den Kläger. Dieser muss dann darlegen und beweisen, dass die Transaktion einen Fall von Verschwendung darstellt, d.h. kein ordentlicher Geschäftsmann die Gegenleistung für fair befinden würde.707 Delaware verfolgt diesen Ansatz auch dort, wo die „self-dealing“-Transaktion mit einem nicht beherrschenden Gesellschafter vorgenommen wird. In einem solchen Fall steht die Zustimmung einer Mehrheit informierter und unabhängiger Gesellschafter nicht nur dem Vorwurf der Sorgfaltspflichtverletzung an den Vorstand entgegen, sondern führt auch dazu, dass die Fairness der Transaktion allein im Rahmen der Business Judgment Rule betrachtet wird.708 Dagegen bewirkt die Zustimmung unabhängiger Gesellschafter zu einer Transaktion mit einem beherrschenden Gesellschafter allein, dass die Darlegungs- und Beweislast bezüglich der Fairness der Transaktion auf den Kläger übergeht.709 Die unterschiedlichen Maßstäbe reflektieren die Vermutung, dass es beherrschenden Gesellschaftern einfacher fallen wird, die Meinungsbildung und Abstimmung in der Hauptversammlung zu manipulieren oder zumindest zum Nachteil der Minderheitsaktionäre zu beeinflussen. Die Gerichte bleiben dagegen weiterhin vorsichtig bei der Betrachtung von „self-dealing“-Transaktionen, denen allein ein Hauptversammlungsbeschluss zugrunde liegt, in dem eine Mehrheit allein durch die Beteiligung des/r an der Transaktion beteiligten Gesellschafter/s zustande gekommen ist.710 Nach dem MBCA zählen die Stimmen involvierter Gesellschafter im Rahmen des Mehrheitserfordernisses nicht.711 Dennoch erlaubt der MBCA einen Mehrheitsbeschluss unabhängiger Gesellschafter.712 707
Vgl. Aronoff v. Albanese, 446 N.Y.S.2d 368 (App. Div. 1982). Vgl. In re Wheelabrator Technologies Litigation, 663 A.2d 1194 (Del. Ch. 1995), in dem die Verschmelzung mit einem Gesellschafter erfolgte, der 22% der Anteile an der Gesellschaft hielt. 709 Vgl. Kahn v. Lynch Communication Systems, 638 A.2d 1110 (Del. 1994). 710 Remillard Brick Co. v. Remillard-Dandini Co., 241 P.2d 66 (Cal. App. 1952); Fliegler v. Lawrence, 361 A.2d 218 (Del. 1976). 711 MBCA § 8.63(b); vormals § 8.31(d). 708
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Liegt ein einstimmiger Hauptversammlungsbeschluss aller Gesellschafter oder eines Alleingesellschafters vor, so besteht Einigkeit darüber, dass die beschlossene bzw. bestätigte Transaktion gerichtlich nicht – auch nicht bei Vorliegen von Verschwendung – aufgehoben werden kann, solange ein Schaden für die Gläubiger der Gesellschaft nicht vorliegt. Die Wirksamkeit des Hauptversammlungsbeschlusses hängt jedoch auch hier von der umfassenden Aufklärung der Gesellschafter ab. 6. Gesetzlich normierte „sichere Häfen“ Um der Unsicherheit der gerichtlichen Kontrolle durch ihre vielfältigen Prüfungsmaßstäbe entgegen zu treten, sehen sowohl der MBCA als auch die ALI Principles of Corporate Governance so genannte „sichere Häfen“ („safe harbors“) vor, um die Wirksamkeit einer Transaktion bei ordnungsgemäßer Zustimmung sicher zu stellen. a) MBCA Subchapter F MBCA § 8.61(b) erklärt eine „self-dealing“-Transaktion eines directors für wirksam, wenn • der Interessenkonflikt offen gelegt wurde und eine Mehrheit von informierten und unabhängigen board-Mitgliedern (jedoch mindestens zwei) der Transaktion zugestimmt hat, oder • der Interessenkonflikt offen gelegt wurde und eine Mehrheit informierter und unabhängiger Gesellschafter der Transaktion zugestimmt hat, oder • die Transaktion von einem Gericht für fair befunden wurde, unabhängig davon, ob der Interessenkonflikt offen gelegt wurde, oder nicht. Die gerichtliche Überprüfbarkeit einer Entscheidung informierter und unabhängiger board-Mitglieder wird reduziert auf die in MBCA § 8.30 normierten Kriterien der Sorgfalt, des besten Interesses und des guten Glaubens.713 Das Gericht hat also zu ermitteln, ob die Transaktion für die Gesellschaft mit schwerwiegenden Nachteilen verbunden ist. Dagegen wird die gerichtliche Überprüfbarkeit von Transaktionen, denen die Hauptversammlung zugestimmt hat, auf die Überprüfung des Entscheidungsprozesses beschränkt. Eine Mehrheit von unabhängigen Gesellschaftern muss hier der Transaktion nach rechtzeitiger Benachrichtigung und ausreichender Offenlegung des Interessenkonflikts zugestimmt oder diese 712 713
MBCA § 8.63(c); vormals § 8.31(d). Siehe Official Comment, MBCA § 8.61(b).
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bestätigt haben. Auch wenn einige Gesellschafter gegen die Transaktion gestimmt haben, verbietet der MBCA jede materielle Prüfung durch das Gericht, solange der Entscheidungsprozess den Vorgaben des Gesetzes entspricht. Diese Bestimmung des MBCA wurde vielfach dafür kritisiert, dass sie die materielle Überprüfung einer „self-dealing“-Transaktion aus der Hand der Gerichte nehme, und in die Hände von unabhängigen board-Mitgliedern oder von passiven Gesellschaftern lege. Die 1989 in den MBCA eingefügte Bestimmung wurde auch in den Bundesstaaten, die eine Version des MBCA verabschiedet haben, nicht gut angenommen. Im Jahre 2002 hatten gerade einmal 13 der 38 Bundesstaaten das Unterkapitel F in ihre Landesgesetze übernommen.714 b) ALI Principles of Corporate Governance Auch die ALI Principles of Corporate Governance sehen einen „sicheren Hafen“ vor. Danach ist die „self-dealing“-Transaktion eines directors wirksam, wenn eine umfassende Offenlegung des Interessenkonflikt erfolgt ist und • ein Gericht die Transaktion für fair erachtet, und zwar fair in dem Zeitpunkt, als sie eingegangen wurde, oder • eine Mehrheit unabhängiger board-Mitglieder (nicht jedoch weniger als zwei) der Transaktion zustimmt oder sie bestätigt, oder • eine Hauptversammlungsmehrheit unabhängiger Gesellschafter der Transaktion zustimmt oder diese bestätigt.715 Im Unterschied zum MBCA wird hier der Schwerpunkt auf die Offenlegung des Interessenkonflikts – die in jedem Fall verlangt wird – gelegt. Dies geschieht unabhängig davon, ob die Transaktion im Wesentlichen fair ist und/oder ein unabhängiges Gremium des board of directors oder die Hauptversammlung der Transaktion zugestimmt haben. Anders als im Rahmen des MBCA bleiben nach den ALI Principles „self-dealing“-Transaktionen auch nach ihrer Bestätigung durch die Hauptversammlung Gegenstand gerichtlicher Überprüfung im Rahmen einer Prüfung auf Verschwendung. Minderheitsgesellschafter, die gegen die Transaktion gestimmt haben, können also weiterhin gerichtlich geltend machen, dass kein „ordentlicher Geschäftsmann“ zu dem Ergebnis kommen würde, dass die Transaktion der Gesellschaft eine angemessene Gegenleistung einbrächte. 714 715
Palmiter, Corporations, § 13.4.1. ALI Principles § 5.02.
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7. Rechtsfolgen Grundsätzlich kann eine unwirksame „self-dealing“-Transaktion nach Wahl der Gesellschaft gerichtlich angefochten werden, entweder durch eine direkte Klage der Gesellschaft oder ein Klage der Aktionäre aus abgeleitetem Recht (so genannter „derivative suit“). Die Rechtsfolge einer erfolgreichen gerichtlichen Anfechtung der Transaktion ist in der Regel ihre Nichtigkeit ex tunc.716 Der Gesellschaft ist es dagegen nicht möglich, die Transaktion neu zu verhandeln und zu für sie günstigeren Konditionen aufrecht zu erhalten. Ist eine Rückabwicklung der „self-dealing“-Transaktion aufgrund ihrer Komplexität nicht mehr möglich, steht der Gesellschaft unter Umständen ein Schadensersatzanspruch statt der Rückabwicklung zu.
C. Zwischenergebnis Insbesondere die Rechtsprechung hat in den USA über Jahrzehnte hinweg ein ausgeklügeltes System von Sorgfaltspflichten von directors im Rahmen von board-Entscheidungen entwickelt. Dieses System bietet einem Minderheitsaktionär in einer Squeeze-out-Transaktion umfangreichen Schutz vor einem ungerechtfertigten Ausschluss aus der Gesellschaft. Boards of directors können nicht ohne betriebswirtschaftliche Gründe den Ausschluss der Minderheitsaktionäre beschließen. Zwar wird eine wirtschaftliche Begründung mit dem einzusparenden Kosten- und Formalaufwand im Zweifel einfach zu finden sein, doch geht der Schutz der Minderheit hier noch weiter. Directors dürfen sich nicht völlig uninformiert auf Vorgaben eines Mehrheitsgesellschafters verlassen. Sie müssen im Zweifel dem Ausschlussverlangen eines Großaktionärs widersprechen, wenn sie den Ausschluss der Minderheit im entsprechenden Zeitpunkt nicht für wirtschaftlich oder unternehmenspolitisch sinnvoll erachten. Directors haben also anders als der Vorstand in einem deutschen Squeeze-out weit reichenden Einfluss auf die Durchführung eines squeezeout mergers. Während der Vorstand bei einem deutschen Squeeze-out lediglich von der Empfehlung einer Zustimmung zum Squeeze-out in der Hauptversammlung absehen kann, jedoch selbst keine originäre Entscheidung über den Squeeze-out trifft, steht und fällt ein squeeze-out merger in den USA mit der Zustimmung oder Ablehnung der Maßnahme durch ein unabhängiges board of directors. Den Sorgfaltspflichten der directors kommt bei einem amerikanischen squeeze-out merger daher viel größere Bedeutung zu als den Sorgfaltspflich716
Palmiter, Corporations, § 13.5.1.
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ten des Vorstandes bei deutschen Squeeze-out-Transaktionen. Wer eine originäre Entscheidung über das Zustandekommen einer Transaktion trifft, trägt wesentlich mehr Verantwortung als derjenige, den im Rahmen einer Transaktion, auf deren Durchführung er kaum Einfluss hat, gewisse Mitwirkungspflichten treffen. Diese Differenzierung ist auch durchaus gerechtfertigt. Ist im deutschen Recht für einen Squeeze-out eine Beteiligungsschwelle von 95% erforderlich und handelt es sich bei einem Ausschluss der Minderheitsaktionäre nach den §§ 327a ff. AktG tatsächlich um den Ausschluss einer Minderheit, so kann in den USA ein squeeze-out merger bereits ab einer Beteiligungsschwelle von 50% plus einer Aktie durchgeführt werden. Die Beeinflussung des Schicksals einer Gesellschaft durch einen 50,1%-igen Mehrheitsaktionär darf aber naturgemäß nur geringer ausfallen als der Einfluss eines 95%-igen Mehrheitsaktionärs. Dieser vermeintliche Unterschied relativiert sich jedoch, wenn man einen Blick auf die Regelung beim short-form merger wirft, bei dem die Mehrheitsverhältnisse vergleichbar liegen wie bei einem deutschen Squeeze-out. Hat ein Mehrheitsaktionär die 90%-Beteiligungsschwelle erreicht, so ist ein board-Beschluss entbehrlich. In diesem Fall kann auch ein amerikanisches board ein Squeeze-out-Verfahren wie ein deutscher Vorstand nicht mehr kippen. Die oben diskutierten Sorgfaltspflichten treffen die directors hier mangels Beschlusserfordernisses nicht. Stimmt ein board of directors dem Ausschluss dem Grunde nach zu, so haben die directors eine wohl informierte und unabhängige Entscheidung über die Abfindungshöhe zu treffen. Handeln sie wie in der „Trans Union“-Entscheidung völlig uninformiert oder grob fahrlässig, so machen sie sich schadensersatzpflichtig und die Transaktion muss – soweit noch möglich – rückgängig gemacht werden. Vergleichbar ist dies in seinen Folgen einer Anfechtungsklage wegen Verfahrensmängeln im deutschen Squeeze-out-Recht.717
717 Dazu Kapitel III § 3 E.I.2. In Deutschland kann die fragliche Maßnahme jedoch schon aufgrund der eintretenden Registersperre nicht durchgeführt werden. Das Problem der Rückgängimachung entfällt also. Vgl. auch die Diskussion um die Anfechtbarkeit von abfindungswertbezogenen Informationsmängeln im deutschen Recht a. a. O. Zum Verhältnis von Anfechtungsklage und Spruchverfahren („appraisal proceeding“) im US-amerikanischen Recht noch unten Kapitel V § 6 C.
§ 4 Treuepflichten von beherrschenden Gesellschaftern
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§ 4 Treuepflichten von beherrschenden Gesellschaftern Gesellschaftsrechtliche Treue- und Sorgfaltspflichten treffen nicht nur das board of directors und leitende Angestellte, sondern auch diejenigen, welche die gesellschaftlichen Entscheidungsprozesse indirekt kontrollieren, also auch beherrschende Gesellschafter, welche die Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung besitzen. Durch Ausübung ihres Stimmrechts können diese die directors wählen und so indirekt Leitungsentscheidungen beeinflussen – dies auch zum Nachteil der Minderheitsgesellschafter. Aus diesem Grund obliegen beherrschenden Gesellschaftern im amerikanischen Recht im Wesentlichen dieselben Treue- und Sorgfaltspflichten wie boardMitgliedern.718
A. Definition des beherrschenden Gesellschafters Ein beherrschender Gesellschafter, sei es eine natürliche Person oder eine Muttergesellschaft, hält genügend stimmrechtsberechtigte Anteile an der Gesellschaft, um den Ausgang einer Abstimmung der Gesellschafter zu bestimmen. Directors werden in der Regel mit einer einfachen Mehrheit der Stimmen gewählt.719 Ein Gesellschafter, der hier eine einfache Mehrheit der Stimmen stellen kann, übt also effektiv die Kontrolle über die Gesellschaft aus. In personalistisch geprägten Gesellschaften mag es hierzu erforderlich sein, dass ein Gesellschafter mehr als 50% der stimmrechtsberechtigten Anteile hält, es sich also um einen Mehrheitsgesellschafter handelt. In einer börsennotierten Gesellschaft mit großem Anteil von Streubesitz kann es jedoch bereits ausreichen, wenn jemand 20% der Anteile hält und die Unterstützung des aktuellen Vorstandes besitzt.720
B. Treuepflicht Auf die Frage, inwieweit ein beherrschender Gesellschafter bei der Einflussnahme auf die beherrschte Gesellschaft Rücksicht auf deren Minderheitsaktionäre zu nehmen hat, geben weder das Del. GCL, noch der MBCA 718 Umfassend 19 Am. Jur. 2d, Corporations, §§ 762 ff., speziell in Bezug auf Strukturmaßnahmen a. a. O. § 2566. 719 MBCA § 8.03(d). 720 Vgl. ALI Principles § 1.10(b), die bei einem Umfang von 25% der stimmrechtsberechtigten Anteile die Kontrollmacht des entsprechenden Gesellschafters vermuten. Dazu Bauman/Weiss/Palmiter, Corporations Law and Policy, S. 804 ff.; Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 10.01; Siegel, The Erosion of the Law of Controlling Shareholders, 24 Del.J.Corp.L., 27, 34–36 (1999).
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eine befriedigende Antwort. Sowohl Del. GCL § 144 als auch MBCA § 8.60(1) als einschlägige Normen im Bereich von „self-dealing“-Transaktionen beschäftigen sich vorwiegend mit dem Fall, dass ein director in einem Verhältnis zu einer anderen an der Transaktion beteiligten Gesellschaft steht. Die offizielle Anmerkung zu MBCA § 8.60(1) erklärt sogar, dass die „sicheren Häfen“ für „self-dealing“-Transaktionen von board-Mitgliedern keinerlei Relevanz für Transaktionen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft besitzen.721 Die Gerichte haben dagegen ein abgestuftes System der materiellen gerichtlichen Kontrolle von Mutter- und Tochtertransaktionen – je nach Art der Transaktion – geschaffen. Ursprünglich ging die Rechtsprechung davon aus, dass ein beherrschender Gesellschafter sein Stimmrecht nach Belieben ausüben könne. Die heutige Rechtsprechung schränkt dieses Recht des beherrschenden Gesellschafters jedoch dann wesentlich ein, wenn er es dazu nutzt, Transaktionen derart zu strukturieren, dass Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden.722 Der Auskauf von Minderheitsaktionären ist insbesondere im Anschluss an Unternehmensübernahmen von besonderer Bedeutung. Hat ein Erwerber eine Stimmenmehrheit in der Gesellschaft erworben, so ist er häufig daran interessiert, seine Kontrollmacht zu festigen, um sie dazu zu nutzen, Vermögen der Gesellschaft zu veräußern und so seine Übernahmekosten zu decken. Häufigste Variante, um dies zu realisieren ist der so genannte „backend squeeze-out merger“.723 Derartige Transaktionen tragen einen klaren Interessenkonflikt in sich. Die Mutter wird ein Interesse daran haben, die Zahlungen an die Minderheitsgesellschafter möglichst gering zu halten. Die Minderheit ist dem Willen der Mutter in besonderem Maße ausgesetzt, da die Mutter sowohl das board der Tochter kontrolliert, als auch die Stimmenmehrheit in der Hauptversammlung hält und so die Transaktion auch gegen die Stimmen der Minderheitsaktionäre beschließen kann. Die Gerichte in vielen Bundesstaaten verlangen daher zweierlei: Zum einen muss bei dem Squeeze-out insgesamt eine im Wesentlichen faire Behandlung der ausscheidenden Aktionäre gewährleistet sein („entire fairness test“). Zum anderen muss mit dem Squeeze-out ein anerkennenswerter unternehmerischer Zweck verfolgt werden („business purpose test“). In einigen Bundesstaaten, insbesondere in Delaware, beschränken sich die Gerichte jedoch auf den entire fairness test. 721
Note on Parent Companies and Subsidiaries, MBCA § 8.60(1). Dazu Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 10.01. 723 Hier wird nach Erwerb der Kontrollmehrheit (erste Stufe) in einer zweiten Stufe ein squeeze-out merger durchgeführt, daher auch „back end squeeze-out merger“. 722
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I. „Entire Fairness Test“ Der entire fairness test legt seinen Schwerpunkt auf prozessuale Elemente des Ausschlussverfahrens, insbesondere einen fairen Preis und ein faires Verfahren. Der Test gliedert sich in drei Teile: Zunächst muss der Preis, den die ausscheidenden Aktionäre für ihre Beteiligung erhalten im Wesentlichen angemessen sein („fair price“). Daneben muss das Beschlussverfahren, in welchem das board of directors dem squeeze-out merger zugestimmt hat, den Anforderungen an ein faires Verfahren genügen („fair dealing“). Schließlich müssen die Einzelheiten des Squeeze-outs den außenstehenden Aktionären in angemessener Weise offen gelegt werden („fair disclosure“). Genügt der Squeeze-out dem Test in einem Punkt nicht, so verstößt er insgesamt gegen den entire fairness test. Das Gericht kann dann den Squeezeout entweder im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch eine Anordnung („injunction“) untersagen, oder den ausgeschlossenen Aktionären Schadensersatz zusprechen. Der Schadensersatz muss die Differenz zwischen gezahltem und angemessenem Preis abdecken. 1. Weinberger v. UOP, Inc. Den entire fairness test hat das Delaware Supreme Court im Jahre 1983 in der in Rechtsprechung und Literatur vieldiskutierten Entscheidung Weinberger v. UOP, Inc. entwickelt.724 Das Urteil hat weit über die Grenzen von Delaware hinaus Bedeutung erlangt und ist inzwischen auch in anderen Bundesstaaten als Präzedenzentscheidung anerkannt.725 In dem zugrunde liegenden Fall übernahm die Signal Corp. ihre Tochtergesellschaft UOP, Inc., an der sie 50,5% der Anteile hielt. Die verbleibenden Anteile befanden sich in Streubesitz. Vier board-Mitglieder von Signal saßen zugleich im board von UOP. Diesen board-Mitgliedern oblagen Treuepflichten in erster Linie gegenüber Signal. Im Vorfeld eines geplanten squeeze-out mergers 724 457 A.2d 701 (Del. 1983); aus der umfassenden Literatur zu dieser Entscheidung seien hier nur auszugsweise genannt Banks/Carnes, Share Valuation – A chance for financial literacy, 23 Cal.W.L.Rev. 192–218 (1987); Burgman/Cox, Reappraising the Role of the Shareholder in the Modern Public Corporation: Weinberger’s Approach to Fairness in Freezeouts, Wis.L.Rev. 593–665 (1984); Campell, Corporation Law – Weinberger v. UOP, Inc.: Delaware Reevaluates State-Law Limitations on Take Out Mergers, 62 N.C.L.Rev. 812–832 (1984); Deutsch, Weinberger v. UOP: Analysis of A Dissent, 6 Corp.L.Rev. 29–38 (1983); Herzel/Colling, Establishing Procedural Fairness in Squeeze-out Mergers after Weinberger v. UOP, 39 Bus.Lawyer 1525–1539 (1984); Hobart, Delaware Improves its Treatment of Freezeout Mergers, 25 B.C.L.Rev. 685–723 (1984); Phillips, Fine Tuning the Doctrine of Corporate Mergers, 11 Del.J.Corp.L. 839–859 (1986). 725 Vgl. etwa Zelman v. Cook, 616 F.Supp. 1121 (S.D.Fla. 1985).
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fertigten zwei dieser vier directors eine Studie an, die zu dem Ergebnis gelangte, dass ein Preis von $ 24 pro Anteil oder darüber für die übrigen 49,5% der Anteile an UOP angemessen wäre. Im anschließend folgenden Squeeze-out-Verfahren zahlte Signal den außenstehenden Aktionären jedoch nur $ 21 pro Anteil – einen Preis, den die Investmentbanker von UOP in einer fairness opinion für angemessen befunden hatten. Verhandlungen über die Konditionen der Transaktion und insbesondere den Preis fanden zwischen Signal und UOP nicht statt. Ebenso wenig wurde den ausgeschlossenen Aktionären die Studie vorgelegt, die einen Preis von mindestens $ 24 pro Anteil als angemessen benannt hatte. Sowohl die Hauptversammlung von Signal, als auch die Mehrheit der ausscheidenden Aktionäre von UOP stimmten dem merger zu einem Preis von $ 21 pro Anteil zu. Das Gericht stellte hier fest, dass die Transaktion den Anforderungen des entire fairness tests nicht entsprach. Gegen das Gebot des fair dealing war nach Auffassung des Gerichts gleich mehrfach und in schwerwiegender Weise verstoßen worden. Zunächst kritisierte das Gericht, dass Verhandlungen zwischen Signal und UOP über die Einzelheiten der Transaktion und den Preis nicht ansatzweise stattgefunden hatten. Daneben habe Signal die Studie, die einen Preis von $ 24 pro Anteil für angemessen befand, als vertraulich behandelt und diese gegenüber den Mitglieder im UOP-board, die nicht zugleich auch mit Signal verbunden waren, nicht offengelegt. Damit habe Signal seinen Informations- und Wissensvorsprung unerlaubterweise zum Nachteil der anderen Seite ausgenutzt. Schließlich sei die Erstellung der fairness opinion durch die Investmentbanker, die einen Preis von $ 21 pro Anteil für angemessen befand, übereilt und ohne die erforderliche Sorgfalt erfolgt. Gleiches gelte für die Beratungen im board von Signal. Auch habe der gezahlte Preis von $ 21 nicht dem „fair price“-Gebot entsprochen. Die geheim gehaltene Studie der beiden Mitglieder des boards von Signal habe ergeben, dass ein Preis von mindestens $ 24 angemessen gewesen wäre. Schließlich habe das board von Signal auch seine Offenlegungspflichten dadurch verletzt, dass es weder das gesamte UOP-board, noch die auszuschließenden UOP-Aktionäre von der Studie und deren Ergebnissen unterrichtet habe. Daneben hat das Gericht bezüglich des „fair price“-Elements in seiner Entscheidung die zulässigen Bewertungsmethoden neu definiert.726 So hat es die bis dahin übliche Delaware Block Method, die besonderen Wert auf den vergangenen Gewinn und den derzeitigen Marktpreis pro Anteil legte, nicht mehr für die einzige anzuerkennende Methode der Anteils726 Dazu Banks/Carnes, Share Valuation – A Chance for Financial Literacy, 23 Cal.W.L.Rev. 192–218 (1987); Cohen, Valuation in the Context of Share Appraisal, 34 Emory L. J. 117–155 (1985).
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bewertung gehalten. Vielmehr hat das Gericht sich dafür ausgesprochen, alle wesentlichen Elemente in die Anteilsbewertung mit einzubeziehen, so auch den discounted cash flow. Das Discounted-Cash-Flow-Verfahren richtet seinen besonderen Augenmerk auf den zukünftigen Kapitalfluss in der Gesellschaft.727 2. „Fair Dealing“-Rechtsprechung nach Weinberger Seit der „Weinberger“-Entscheidung im Jahre 1983 hat das Delaware Supreme Court einige Aspekte des „fair dealing“-Elements weiter spezifiziert. Wurden die Verhandlungen bezüglich der umstrittenen Transaktion durch unabhängige directors der Tochter geführt, so unterstützt dies eine Fairnessvermutung, insbesondere dann, wenn die directors gut informiert und die Verhandlungen streitig waren.728 Die Zustimmung durch einen Ausschuss von unabhängigen board-Mitgliedern führt zu einer Beweislastumkehr, so dass nunmehr der Kläger das Nichtvorliegen von Fairness darlegen und beweisen muss.729 Die Ausschussmitglieder müssen unabhängig, vollständig informiert und an den Beratungen beteiligt sein.730 Die Muttergesellschaft ist jedoch nicht verpflichtet, intern vorbereitete Bewertungen (über den von ihr höchstens zu bezahlenden Preis) offen zu legen, außer wenn diese durch board-Mitglieder oder Geschäftsführer der Tochter erstellt wurden.731 Die Zustimmung von Minderheitsgesellschaftern unterstützt die Vermutung der Fairness der Transaktion und führt zu einer Beweislastumkehr, so dass nunmehr der Kläger das Nichtvorliegen von Fairness darlegen und beweisen muss.732 Aus diesem Grund kann es für einen beherrschenden Gesellschafter ratsam sein, die Konditionen des squeeze-out merger so zu fassen, dass zumindest mit der Zustimmung eines Teils der Minderheitsaktionäre gerechnet werden kann. Ein squeeze-out merger darf, auch wenn die angebotene Abfindung ansonsten in einen fairen Rahmen fällt, nicht zeitlich so gelegt werden, dass eine zu einem anderen Zeitpunkt höher ausfallende Abfindung umgangen wird.733 Hält eine Mutter mindestens 90% der Anteile an einer Tochtergesellschaft und strukturiert sie die Übernahme derselben daher als short-form merger, so hat die Rechtsprechung die Rechtsschutzmöglichkeiten der Min727 Zur Anteilsbewertung in den USA ausführlich siehe unten § 6 B II 2. Zu den in Deutschland üblichen Bewertungsmethoden oben Kapitel III § 3 D.II. 728 Rosenblatt v. Getty Oil Co., 493 A.2d 929 (Del. 1985). 729 Kahn v. Lynch Communications Sys., Inc., 638 A.2d 1110 (Del. 1994) (Lynch I). 730 Kahn v. Tremont Corp., 694 A.2d 422 (Del. 1997). 731 Rosenblatt v. Getty Oil Co., 493 A.2d 929 (Del. 1985). 732 Kahn v. Lynch Communications Sys., Inc., 638 A.2d 1110 (Del. 1994) (Lynch I). 733 Rabkin v. Philip A. Hunt Chemical Corp., 498 A.2d 1099 (Del. 1985).
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Kap. V: Minderheitenschutz in den USA
derheitsaktionäre auf ihr Abfindungsrecht beschränkt.734 Hier würde es der Natur des vereinfachten Verfahrens des short-form mergers entgegenstehen, wenn die Mutter zunächst zu Verhandlungszwecken einen Ausschuss von unabhängigen board-Mitgliedern der Tochter bilden, unabhängige Finanzund Rechtsberater engagieren und umfangreiche Verhandlungen führen müsste. Jedoch steht Minderheitsaktionären, die zwischen den Konditionen der Übernahme und ihrem Abfindungsrecht wählen können, weiterhin ein Recht auf umfangreiche Aufklärung zu. 3. „Fair Price“-Rechtsprechung nach Weinberger Auch bezüglich des „fair price“-Elements gab es seit der „Weinberger“Entscheidung einige Klarstellung. So hat das Gericht in Rosenblatt v. Getty Oil Co.735 festgehalten, dass der Preis, der an die Minderheitsgesellschafter für ihre Anteile gezahlt wird, auch weiterhin nach der Delaware Block Method berechnet werden kann; die Anteilsbewertung nach dem discounted cash flow Verfahren sei insoweit nicht ausschließlich.736 Eine Preisentscheidung kann auch dann auf die Stellungnahme eines Investmentbankers der Mutter gestützt werden, wenn die von der Tochter eingeholten Gutachten einen höheren Preis ausweisen.737 Wenn die Mutter jedoch bezüglich der Fairness die Beweislast trägt, so muss sie glaubhaften und überzeugenden Beweis für den von ihr vorgetragenen Anteilswert nach anerkannten Bewertungsmethoden erbringen. Ein fairer Preis muss daneben alle wesentlichen Faktoren der Übernahme berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere auch die finanziellen, operativen und steuerlichen Vorteile, die aus der Übernahme erwartet werden.738 II. „Business Purpose Test“ In einigen Bundesstaaten, darunter New York und Massachusetts, verlangen die Gerichte, dass eine Squeeze-out-Transaktion nicht nur „fair“ ist, sondern auch, dass die Mutter eine „wirtschaftliche Begründung“ („business purpose“) für die Transaktion liefert, die über den Ausschluss der Minderheitsaktionäre hinausgeht.739 734 Glassman v. Unocal Exploration Corp., 777 A.2d 242 (Del. 2001). Dazu Bauman/Weiss/Palmiter, Corporations Law and Policy, S. 838 f. 735 493 A.2d 929 (Del. 1985). 736 Rosenblatt v. Getty Oil Co., 493 A.2d 929 (Del. 1985). 737 Zu den Sorgfaltspflichten des Investment Bankers: Steinberg/Lindahl, The Duty Owed to Minority Shareholders by An Investment Banker in Rendering A Fairness Opinion, 13 Sec.Reg.L.J. 80–89 (1985). 738 Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 684 A.2d 289 (Del. 1996).
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Die geforderte wirtschaftliche Begründung muss dabei über die bloße Eliminierung der Minderheit hinausgehen und einen eigenständigen, anerkennenswerten Zweck verfolgen. Unproblematisch wird dies bei einem im Anschluss an eine Unternehmensübernahme folgenden back-end squeezeout merger oder der Übernahme der Tochter- durch die Muttergesellschaft der Fall sein. In diesen Fällen lässt sich der squeeze-out merger häufig damit begründen, dass die vollständige Übernahme von Anfang an geplant war und dass diese wegen der damit verbundenen Einsparungen finanzielle Vorteile für beide Unternehmen mit sich bringt. Schwieriger ist es jedoch beim Ausschluss der Minderheitsaktionäre im Rahmen einer Going PrivateTransaktion. Hier wird die Eliminierung der Minderheit häufig der einzige Grund für die Durchführung der Transaktion sein. Steht also nicht die Steigerung des absoluten Gewinns der Gesellschaft, sondern ausschließlich die Vergrößerung des Anteils des beherrschenden Aktionärs an diesem Gewinn im Raum, so fehlt es an einem valid business purpose, und der squeeze-out merger ist unzulässig.740 Der Supreme Court in Delaware hat sich 1983 mit der Entscheidung in Weinberger von dem business purpose test abgewandt. Der Test berge wenig Schutz für die Minderheitsgesellschafter, da das Management häufig mit einer Vielzahl von Gründen aufwarten könne, wie zum Beispiel größerer Effizienz, Vereinfachung der Buchführung oder Steuervorteilen, so das Gericht.741 Der business purpose test gewähre daher keinen nennenswerten – über den entire fairness test und das Abfindungsrecht der Minderheitsaktionäre hinausgehenden – Schutz.742 739 Vgl. z. B. Alpert v. 28 Williams Street Corp., 473 N.E.2d 19 (N. Y. 1984); Bird v. Wirtz, 266 N.W.2d 166 (Minn. 1978); Coggins v. New England Patriots Football Club, Inc. 492 N.E.2d 1112 (Mass. 1986); Gabhart v. Gabhart, 370 N.E.2d 345 (Ind. 1977); People v. Concord Fabrics, Inc., 377 N.Y.S.2d 84 (App. Div. 1975, aff’g 371 N.Y.S.2d 550 (Sup. Ct. 1975). Dazu Bauman/Weiss/Palmiter, Corporations Law and Policy, S. 831 ff.; Weiss, The Law of Take Out Mergers: A Historical Perspective, 56 N.Y.U.L.Rev. 624, 671 f. (1981). 740 Vgl. Alpert v. 28 Williams St.Corp., 473 N.E.2d 19 (NY 1984); Schwartz v. Marien, 335 N.E.2d 334 (NY 1975); Klurfield v. Equity Enterprises, 436 N.Y.S.2d 303 (1981); Coggins v. New England Patriots Football Club, Inc., 492 N.E.2d 1112 (Mass. 1986). 741 Vgl. dazu auch Cox/Hazen, On Corporations, § 23.03; Carney, Fundamental Corporate Changes, Minority Shareholders and Business Purposes, 1980 AB.F.Res.J. 69 (1980): Terell/Ranney-Marinelli, What Constitutes a Valid Purpose for a Merger?, 51 Temp.L.Q. 852 (1978). 742 Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701 (Del. 1983), der damit Singer v. Magnavox Co., 380 A.2d 969 (Del. 1977) aufhob. Vgl. auch Lerner v. Lerner Corp., 750 A.2d 709 (Md. Ct. App. 2000), wo das Gericht auch im Zusammenhang mit einem reverse stock split die Anwendung des business purpose test ablehnte und stattdessen für den fairness test optierte.
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Auch nachdem Delaware sich von der Anwendung des business purpose tests verabschiedet hat, bleiben die Gründe für einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre jedoch weiterhin im Rahmen der börsenrechtlichen Offenlegungspflichten („SEC disclosure rules“)743 relevant. SEC Rule 13e-3 verlangt im Rahmen von Going Private-Transaktionen die Offenlegung des Zwecks der Transaktion. Wer eine Going Private-Transaktion in die Wege leitet ist verpflichtet, dies bei der Securities and Exchange Commission zu melden und den Aktionären ein Formblatt auszuhändigen (den so genannten „Schedule 13E“), der die Gründe und die Fairness des Ausschlusses erörtert. Konkret ist hier kurz zu erläutern, welche Alternativen der beherrschende Gesellschafter zur Erreichung des von ihm verfolgten Zweckes bedacht hat, warum er sich aber gegen diese Alternativen entschieden hat und warum im Ergebnis die Struktur eines squeeze-out merger gewählt wurde.
C. Rechtsschutz Die traditionelle Rechtsfolge einer unfairen „self-dealing“-Transaktion – Nichtigkeit ex tunc und Rückabwicklung der Transaktion – ist bei einem squeeze-out aufgrund der komplexen Veränderungen in der Gesellschaft häufig nicht möglich. Selbst wenn Minderheitsgesellschafter nachweisen, dass ihr Ausschluss unfair war, bedeutet das jedoch nicht zwangsläufig, dass ihnen Schadensersatzansprüche zustehen. So hat das Delaware Supreme Court in der „Weinberger“-Entscheidung festgehalten, dass das Abfindungsrecht eines der Transaktion widersprechenden Gesellschafters („appraisal right“) grundsätzlich abschließenden Schutz bietet, soweit die Übernahme allein aufgrund des angebotenen Preises für die Anteile angegriffen wird. Anders verhält es sich jedoch, wenn es weitere Gründe für die gerichtliche Kontrolle der Übernahme gibt, so z. B. Betrug, Fehlinformation, Interessenkonflikte oder vorsätzliche Verschwendung.744 Das gesetzlich normierte Abfindungsrecht ist damit dort nicht abschließend, wo ein unfaires Verfahren oder der Umfang der Offenlegung von wesentlichen Informationen gerügt wird. Erfahren Minderheitsgesellschafter erst nach Beginn eines Abfindungsverfahrens von Unregelmäßigkeiten im Entscheidungsprozess über die Transaktion, so können sie auch noch zu diesem Zeitpunkt ein eigenständiges, alternatives, gerichtliches Verfahren anhängig machen und dort die verfahrenstechnischen Mängel rügen.745 Beide Verfahren können nebeneinander 743 744 745
Vgl. dazu auch unten § 7 C. Official Comment, MBCA § 13.02. Vgl. Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 542 A.2d 1182 (Del. 1988).
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laufen, im Ergebnis ist der Antragsteller/Kläger jedoch auf eine Form des Ersatzes (Abfindung oder Schadensersatz) beschränkt.746
D. Zwischenergebnis Der materiellen Beschlusskontrolle bei Squeeze-out-Transaktionen kommt in den USA eine wesentlich größere Bedeutung zu als in Deutschland. Der Gesetzgeber hat in Deutschland mit der Schaffung der 95%-Hürde für den Squeeze-out eine abschließende Abwägung zugunsten der Interessen des Hauptaktionärs getroffen, die im Regelfall nicht mit der Argumentation eines Treuepflichtverstoßes unterlaufen werden kann.747 Seine sachliche Rechtfertigung trägt der Squeeze-out-Beschluss nach deutschem Recht bereits in sich. Dagegen wird in vielen amerikanischen Bundesstaaten eine solche sachliche Rechtfertigung für die Squeeze-out-Transaktion im Einzelfall verlangt. Anhand des business purpose test wird in vielen Bundesstaaten eine Abwägung zwischen einem legitimen Interesse des beherrschenden Gesellschafters an dem Ausschluss der Minderheit und den Interessen der Minderheitsaktionäre durchgeführt. Der Grund für dieses scheinbare Auseinanderfallen der Regelungsgefüge liegt jedoch auf der Hand. In Deutschland hat der Gesetzgeber durch Festlegung der hohen Beteiligungsschwelle zur Durchführung eines Squeeze-out bereits eine Abwägung zugunsten der Interessen des Mehrheitsaktionärs getroffen. Eine solche Abwägung haben die einzelstaatlichen Gesetzgeber in den USA jedoch gerade nicht getroffen. Hier ist aufgrund der andersartigen Gestaltungsmöglichkeiten in den USA ein Ausschluss der Minderheit schon ab einer Mehrheitsbeteiligung von knapp über 50% möglich. Die Abwägung zwischen einem legitimen Interesse des Mehrheitsaktionärs am Ausschluss der Minderheitsaktionäre und dem Interesse der Minderheitsaktionäre am Erhalt ihrer Beteiligung fällt daher in vielen US-amerikanischen Bundesstaaten in den Aufgabenbereich der Gerichte. Der entire fairness test entspricht daneben im Ergebnis der auch in Deutschland durchgeführten Prüfung. Die Ordnungsgemäßheit des Verfahrens kann in Deutschland ebenso gerichtlich überprüft werden, wie die Angemessenheit der Abfindung.
746 747
Palmiter, Corporations, § 17.3.4. Vgl. dazu die ausführlichen Ausführungen in Kapitel III § 3 C.II. und III.
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§ 5 Zustimmungserfordernis der Aktionäre Zweite Stufe des Minderheitenschutzes in einer Squeeze-out-Transaktion ist unter Umständen das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses. Ob ein solcher erforderlich ist, hängt von der Gestaltung der Transaktion ab. Dieser Schutzmechanismus wird ergänzt durch die so genannten „proxy rules“, die Vertretungsregeln für Abstimmungen in Publikumsgesellschaften.748
A. Statutory Merger Nach einem entsprechenden Vorstandsbeschluss auf beiden Seiten wird der Verschmelzungsvertrag bei einem statutory merger der Hauptversammlung der zu erwerbenden Gesellschaft und unter Umständen auch der Hauptversammlung der Erwerbergesellschaft zur Beschlussfassung vorgelegt.749 Nach dem alten Common Law musste der Hauptversammlungsbeschluss über den Verschmelzungsvertrag einstimmig erfolgen. Die modernen einzelstaatlichen Normierungen haben sich jedoch von diesem Einstimmigkeitserfordernis fortbewegt. Widersprechende Gesellschafter sind nunmehr an den Willen der Mehrheit gebunden. Heute fordern die meisten Bundesstaaten eine absolute Mehrheit der nicht im Gesellschaftsbesitz befindlichen stimmberechtigten Anteile.750 Die überarbeitete Version des MBCA von 1999 lockerte die Anforderungen sogar noch weiter auf. Danach reicht es aus, dass ein Beschluss mit der Mehrheit der anwesenden stimmberechtigten Anteile gefasst wird, also einer einfachen Mehrheit.751 Gibt es in der Gesellschaft mehrere Klassen von stimmberechtigten Anteilen, so fordern viele einzelstaatliche Gesellschaftsstatuten die separate Abstimmung in den Klassen.752 Ein merger gilt dann als nicht beschlossen, wenn auch nur eine der Klassen gegen ihn stimmt. In vielen Bundesstaaten haben außerdem auch nicht stimmberechtigte Anteile eine Stimme in dem Beschluss über den merger, soweit ihre Anteile im Rahmen der Verschmelzung umgewandelt oder negativ beeinträchtigt werden.753 In Delaware besteht ein solches „außerordentliches“ Stimmrecht der ansonsten nicht stimmberechtigten Anteile nicht.754 Hier ging der Gesetzgeber davon aus, 748 749 750 751 752 753 754
Dazu unten Kapitel V § 7 A. MBCA § 11.04(b); Del. GCL § 251(c). Fassung des MBCA § 11.03(e) vor 1999; Del. GCL § 251(c). MBCA § 7.25(c), 11.04(e). MBCA § 11.04(e). MBCA § 11.04(f)(1). Del. GCL § 251(c).
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dass die Anteilseigner der nicht stimmberechtigten Aktien durch die Sorgfalts- und Loyalitätspflichten der directors und ihr Abfindungsrecht ausreichend geschützt seien. Ein zustimmender Hauptversammlungsbeschluss der Gesellschafter der erworbenen Gesellschaft ist immer erforderlich, da ihre Interessen in einem solchen Fall immer wesentlich beeinträchtigt sind.755 Anders sieht es jedoch für die Gesellschafter der Erwerbergesellschaft aus. Erwirbt eine große Gesellschaft eine wesentlich kleinere Gesellschaft, so sind die Auswirkungen auf die Erwerbergesellschaft minimal und die Kosten und der Aufwand eines Hauptversammlungsbeschlusses daher nicht gerechtfertigt. Dementsprechend haben die Aktionäre nach dem MBCA in einem solchen Fall kein Stimmrecht. Eine Ausnahme gilt in den Fällen, in denen die Erwerbergesellschaft im Zuge der Transaktion ebenfalls ihre Existenz verliert, die Satzung geändert wird oder ihre Gesellschafter am Ende der Transaktion eine andere Anzahl von Anteilen als zuvor halten.756 Zusätzlich erhalten die Aktionäre der Erwerbergesellschaft ein Stimmrecht, wenn die Erwerbergesellschaft im Rahmen der Transaktion neue Aktien ausgibt, die 20% oder mehr der bisher stimmrechtsberechtigten Anteile ausmachen.757
B. Short-form Merger Hält eine Muttergesellschaft mindestens 90% der Anteile an einer Tochtergesellschaft, so erlauben MBCA und Del. GCL eine Eingliederung der Tochter- in die Muttergesellschaft ohne dass die Zustimmung der Aktionäre erforderlich wäre.758 Allein das board of directors der Muttergesellschaft muss einen entsprechenden Eingliederungsbeschluss fassen.759 Daher stammt auch die häufige Bezeichnung als short-form merger. Dieses minimale gesetzliche Zustimmungserfordernis beruht auf der Idee, dass in einem parentsubsidiary merger, der Verschmelzung einer Tochter auf ihre Muttergesellschaft, die Zustimmung der Aktionäre der Tochtergesellschaft und deren boards quasi vorgegeben sind. Eine Zustimmung der Aktionäre der Muttergesellschaft ist nicht notwendig, da diese durch die Eingliederung in ihrer 755
MBCA § 11.04(b). MBCA § 11.04(g). 757 MBCA §§ 11.04(g)(4), 6.21(f). Gleiches gilt in Delaware, vgl. Del. GCL § 251(f). 758 Neben Delaware verlangen auch New York (§§ 905, 913 (g) NY BCL) und Kalifornien (§ 1110 Cal. GCL)eine mindestens 90%-ige Beteiligung; es existieren jedoch auch andere Gestaltungen – so liegt die Grenze in Alabama bei 80%, Montana, Nebraska, Vermont und Washington bei 95% und im District of Columbia bei 100%. 759 MBCA § 11.05; Del. GCL § 253. 756
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mitgliedschaftlichen Stellung nicht wesentlich beeinträchtigt sind, denn die Mutter hielt auch vor der Eingliederung bereits mindestens 90% der Anteile an der Tochter.
C. Sale of Assets Die meisten amerikanischen Bundesstaaten behandeln dieses Äquivalent zur deutschen übertragenden Auflösung als fundamentale Umstrukturierungsmaßnahme, so dass dieselben Maßnahmen des Minderheitenschutzes greifen wie im Umwandlungsrecht. Auf Seite der Veräußerergesellschaft ist neben der Zustimmung des board of directors die Zustimmung der Mehrheit der Aktionäre erforderlich.760 Die Aktionäre der Erwerbergesellschaft haben in vielen Staaten jedoch weder ein Stimm- noch ein Abfindungsrecht. Die Reform des MBCA von 1999 hat dies jedoch geändert: Schüttet die Erwerbergesellschaft als Teil der Transaktion neue Anteile aus, die Stimmrechte in Höhe von 20% oder mehr der Gesellschaft nach der Erhöhung ausmachen, so haben die Aktionäre der Erwerbergesellschaft ein Stimmrecht.761
D. Zwischenergebnis Ähnlich wie die meisten europäischen Länder in ihren Squeeze-out-Regelungenen verzichtet auch das US-amerikanische Recht dort auf einen Hauptversammlungsbeschluss, wo der beherrschende Gesellschafter eine überwältigende Mehrheit der Anteile (in den meisten Bundesstaaten mindestens 90%) hält und auf dieser Grundlage eine Transaktionsgestaltung als shortform merger wählt. Liegt ein solcher Fall des short-form mergers jedoch nicht vor, so ist ein Hauptversammlungsbeschluss der Gesellschaft, aus der letztendlich die Minderheitsaktionäre ausgeschlossen werden, sei dies im Rahmen eines statutory merger oder eines sale of assets, immer erforderlich. Damit wird u. a. auch der Tatsache Rechnung getragen, dass ein Ausschluss der Minderheit in diesen Konstellationen schon bei einer Stimmenmehrheit des Mehrheitsgesellschafters von knapp über 50% möglich ist. Deutlich hervor tritt der Unterschied zum deutschen Recht bei dem fehlenden Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses bei einem shortform merger. Die hier in den USA von den einzelstaatlichen Gesetzgebern vertretene Auffassung, ein Hauptversammlungsbeschluss sei dort entbehrlich, wo ein beherrschender Gesellschafter eine überwiegende Mehrheit der Anteile hält (in den meisten Bundesstaaten 90% wie auch im MBCA) wird vom deutschen Gesetzgeber nicht geteilt. Während der deutsche Gesetz760 761
MBCA § 12.01, 12.02; Del. GCL § 271. MBCA § 11.04(g)(4), 6.21(f); Del. GCL § 251(f).
§ 6 Abfindungsrecht („Appraisal Right“)
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geber argumentiert, ein Beschlusserfordernis garantiere am erfolgreichsten einen geordneten Verfahrensablauf und die gerichtliche Überprüfbarkeit des Ausschlusses,762 vertraut das amerikanische Recht auf die Kompetenz der Gerichte. Dies mag auch mit der traditionell größeren Bedeutung der Gerichte in den USA zu erklären sein.
§ 6 Abfindungsrecht („Appraisal Right“) Als dritte Stufe des Aktionärsschutzes im Rahmen von Squeeze-outTransaktionen enthält das amerikanische Gesellschaftsrecht unter bestimmten Umständen ein Abfindungsrecht für die der Transaktion widersprechenden Aktionäre („dissenting shareholders“). Die allgemein übliche Übersetzung des Terminus „appraisal right“ als Abfindungsrecht mag im Kontext einer deutschen Squeeze-out-Transaktion missverständlich sein. Schließlich handelt es sich bei dem appraisal right um ein Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs, der mit einer wesentlichen Strukturentscheidung der Mehrheit nicht einverstanden ist, gegen Abfindung.763 Mit dem appraisal right764 (auch: appraisal remedy)765 wird dem einzelnen Aktionär, der mit dem Beschluss der Aktionärsmehrheit nicht einverstanden ist, eine Möglichkeit gegeben, seine Investition zu einem angemessenen Kurs rückgängig zu machen (zu desinvestieren).766 Dies gilt grundsätzlich für alle grundlegenden Änderungen der Gesellschaft mit strukturveränderndem Charakter, die mit einfacher oder qualifizierter Mehrheit der Stimmen beschlossen werden können. Speziell für merger und sale gilt, dass der widersprechende Gesellschafter dank des appraisal right 762 Vgl. zur Diskussion um das Erfordernis eines Hauptversammlungsbeschlusses in Deutschland schon ausführlich oben Kapitel III § 3 B. 763 Dies entspricht jedoch im Wesentlichen der Konzeption der Abfindungsrechte im Konzernrecht in Deutschland, vgl. §§ 305, 320b AktG. Dazu schon oben Kapitel III § 2 B.I.1. 764 Wörtlich übersetzt bedeutet appraisal Schätzung, Taxierung oder Bewertung. Bewertet wird der Anteil, den der widersprechende Aktionär erhält. Auf diese Weise ermittelt man die Höhe der Abfindung, die der Aktionär beim Ausscheiden aus der Gesellschaft erhält; das appraisal beinhaltet also einen Anspruch auf (gerichtliche) Schätzung, verbunden mit dem Anspruch auf Auszahlung der so ermittelten Abfindung. Vgl. Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 552. 765 Die Wendung appraisal remedy macht deutlich, dass es sich bei dem appraisal right um einen Rechtsbehelf handelt; zum Rechtsbehelf wird das appraisal remedy dann, wenn sich die Gesellschaft und der der Transaktion widersprechende Aktionär über die Höhe der Abfindung, die dem Aktionär für seine Beteiligung zu zahlen ist, vgl. Henn/Alexander, Laws of Corporations, S. 997. 766 Vgl. Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 6.06.
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weder zum Tausch seiner Anteile gegen Anteile der übernehmenden Gesellschaft noch zum Verkauf seiner Anteile zu einem womöglich willkürlich von der Aktionärsmehrheit festgesetzten Kurs gezwungen werden kann. Denn der Kurs, zu welchem der Minderheitsaktionär bei Ausübung des appraisal right seine Anteile abgibt, unterliegt gerichtlicher Kontrolle.
A. Appraisal Right in Squeeze-out-Transaktionen I. Statutory Merger Ein appraisal right steht stimmrechtsberechtigten Aktionären der erworbenen Gesellschaft im Falle ihrer fehlenden Zustimmung zu einem merger immer,767 Aktionären der Erwerbergesellschaft jedoch grundsätzlich nicht zu.768 Im Rahmen einer Übernahme („merger“) oder Verschmelzung („consolidation“) gewährt der Model Business Corporation Act allein den stimmrechtsberechtigten Aktionären der erworbenen Gesellschaft ein Abfindungsrecht.769 Den Aktionären der Erwerbergesellschaft steht ein Abfindungsrecht in dieser Situation in keinem Falle zu.770 In Delaware geht der Schutz weiter: Hier steht im Rahmen einer Übernahme oder Verschmelzung allen Aktionären der erworbenen Gesellschaft ein Abfindungsrecht zu, ob stimmberechtigt oder nicht.771 Auch die Aktionäre der Erwerbergesellschaft haben in Delaware grundsätzlich ein Recht auf Abfindung. Dies gilt jedoch nicht, wenn die Aktionäre die Möglichkeit haben, ihre Anteile zu fairen Bedingungen am Markt zu verkaufen („market out“).772 Ein Abfindungsrecht steht den Aktionären der Erwerbergesellschaft in Delaware auch dann nicht zu, wenn ein so genannter „whale-minnow“ merger vorliegt, d.h. die Erwerbergesellschaft im Rahmen der Übernahme/Verschmelzung neue Anteile maximal im Wert von 20% ihrer alten Anteilsziffer ausgibt. Ein solcher merger stellt aus Sicht der Aktionäre der Erwerbergesellschaft keine außergewöhnliche Transaktion dar. Ein Abfindungsrecht ist daher im Sinne des Aktionärsschutzes nicht erforderlich. 767
MBCA § 13.02(a)(1); Del. GCL § 262. Vgl. MBCA § 13.02(a)(1). 769 MBCA § 13.02(a)(1), (a)(2). 770 Vgl. MBCA § 13.02(a)(1). Anders war dies noch in der Fassung des MBCA vor 1999: Hier hatten sowohl Aktionäre der erworbenen als auch der Erwerbergesellschaft ein Abfindungsrecht, sofern sie nur im Rahmen der Beschlussfassung stimmberechtigt waren. Vgl. MBCA § 13.02(a)(1), (a)(2) a. F. 771 Del. GCL § 262(a), (b). 772 Del. GCL §§ 251(g), 262(a), (b). Näheres zum „market out“ sogleich unter IV. 768
§ 6 Abfindungsrecht („Appraisal Right“)
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II. Short-form Merger Die Aktionäre, die im Rahmen eines short-form merger aus ihrer Gesellschaft ausgeschlossen werden, haben dagegen sowohl nach dem MBCA als auch dem Del. GCL immer ein Abfindungsrecht.773 Da der merger ohne ihre Zustimmung vollzogen werden kann,774 sind sie in besonderer Weise schutzbedürftig. Aus diesem Grund sind bei einem short-form merger auch die nicht-stimmberechtigten Aktionäre mit einem appraisal right ausgestattet. Die Gesellschafter der Muttergesellschaft, die durch den Zusammenschluss allein ihre ohnehin schon bestehende Kontrolle über ihre Tochtergesellschaft ausübt, haben hingegen mangels wesentlicher Beeinträchtigung ihrer Mitgliedschaft kein Abfindungsrecht. III. Sale of Assets Hinsichtlich des Bestehens eines Abfindungsrechts im Rahmen eines sale of assets unterscheiden sich die einzelstaatlichen Regelungen – anders als im Übernahmerecht – sehr. Die 1999 überarbeitete Fassung des MBCA sieht ein Abfindungsrecht der stimmrechtsberechtigten Aktionäre der veräußernden Gesellschaft vor.775 Dieses Recht war vor 1999 in den Fällen ausgeschlossen, in denen die Veräußerung gegen Bargeld erfolgte oder der Nettogewinn aus der Veräußerung innerhalb eines Jahres nach der Veräußerung ausgeschüttet wurde.776 Hinter dieser Regelung stand der Gedanke, dass kein sachliches Bedürfnis für ein appraisal right bestehe, wenn der Gewinn den Aktionären zeitnah nach der Veräußerung unmittelbar zufließt. In Delaware besteht ein Abfindungsrecht im Rahmen eines sale of assets dagegen nur, wenn es in der Satzung der Gesellschaft so vorgesehen ist.777 IV. „Market exception“ in Publikums-Gesellschaften Können Aktionäre ihre Anteile an einem öffentlichen Markt verkaufen, so ist ein Abfindungsrecht ausgeschlossen. Die überarbeitete Fassung des MBCA folgt hier dem Recht von Delaware. Dahinter steht die Idee, dass ein Abfindungsrecht unnötig ist, wenn ein liquider und verlässlicher Markt einen fairen Preis für die Anteile gewährleistet. 773
MBCA § 13.02(a)(1)(i); Del. GCL § 262(b). Zum fehlenden Beschlusserfordernis beim short-form merger siehe schon oben Kapitel V § 5 B. 775 MBCA § 13.02(a)(3). 776 Vgl. MBCA § 13.02(a)(3) a. F. 777 Del. GCL § 262(c). 774
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Nach dem MBCA müssen die einzutauschenden Anteile entweder am New York Stock Exchange, American Stock Exchange oder NASDAQ gehandelt werden oder von mindestens 2000 Anteilseignern gehalten werden, während der Wert der von Nicht-Insidern gehaltenen Anteile („public float“) mindestens $ 20 Millionen betragen muss.778 Die Liquidität muss nicht nur vor der Akquisition sichergestellt sein. Auch müssen die Aktionäre im Rahmen der Transaktion als Gegenleistung Bargeld oder öffentlich gehandelte Aktien erhalten, damit die „market exception“ greift.779 Auch wenn ein liquider Markt besteht, darf der im Rahmen der Transaktion angebotene Preis nicht von einem Interessenkonflikt beeinflusst sein.780 Die „market exception“ greift damit dort nicht, wo ein beherrschender Gesellschafter – das ist nach der einschlägigen Definition des MBCA ein Gesellschafter, der mehr als 20% der Stimmrechte hält oder die Macht hat, ein Viertel des Vorstandes zu benennen – die Minderheitsaktionäre aus der Gesellschaft ausschließt. Auch erfasst die „market exception“ keine Management Buyouts, in denen directors oder Management besondere finanzielle Vorteile erhalten, die den anderen Gesellschaftern nicht zukommen. Mit dieser Ausnahme von der Ausnahme soll dem besonderen Schutzbedürfnis der Aktionäre in dieser Situation gerecht werden, indem ihnen auf jeden Fall ein appraisal right gewährt wird. In Delaware greift die „market exception“ auch dann, wenn die betroffenen Anteile in einer Aktientausch-Übernahme vor oder nach der Übernahme an einer nationalen Börse gehandelt oder von mehr als 2000 Aktionären gehalten werden.781 Anders als unter dem MBCA besteht ein Abfindungsrecht jedoch in einer Aktien-für-Bargeld-Transaktion, wenn öffentlich gehandelte Anteile ganz oder zum Teil durch Bargeld erworben werden.782 Die Idee hinter Delawares „market-out exception“ ist die, dass ein unzufriedener Gesellschafter in einer Aktientausch-Übernahme, der eine Barauszahlung bevorzugt, seine Anteile einfach an der Börse zu einem – vom Markt als angemessen empfundenen – Preis veräußern kann, anstatt die neue Gesellschaft unnötig mit dem Aufwand und den Kosten eines Abfindungsverfahrens belasten zu müssen.783
778 779 780 781 782 783
MBCA 13.02(b)(1). MBCA § 13.02(b)(3). MBCA § 13.02(b)(4). Del. GCL § 262(b)(1), (b)(2). Del. GCL § 262(b)(2). Vgl. Palmiter, Corporations § 37.1.3.
§ 6 Abfindungsrecht („Appraisal Right“)
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B. Abfindungsverfahren I. Ablauf des Verfahrens In Delaware besteht ein dreistufiges Abfindungsverfahren. Zunächst muss ein Aktionär, der mit der Übernahme oder ihren Bedingungen nicht einverstanden ist, schon im Vorfeld der Hauptversammlung einiges beachten, um sein Recht auf Abfindung zu bewahren. Im Vorfeld der Hauptversammlung, in der über fundamentale gesellschaftliche Veränderungen abgestimmt werden soll, muss die Gesellschaft ihre Aktionäre schriftlich über ihr Abfindungsrecht, soweit ihnen ein solches zusteht, informieren („notice of appraisal right“).784 Die schriftliche Mitteilung muss Informationen derart enthalten, dass der einzelne Aktionär eine wohl informierte Entscheidung darüber treffen kann, ob er sein Abfindungsrecht in Anspruch nehmen oder die im Rahmen der Transaktion angebotene Gegenleistung akzeptieren will.785 Aktionäre, die mit der Transaktion oder ihren Bedingungen nicht einverstanden sind, müssen dies der Gesellschaft schriftlich bereits im Vorfeld der Hauptversammlung mitteilen.786 Während der Hauptversammlung müssen sie zudem gegen – oder zumindest dürfen sie nicht für – die geplante Transaktion stimmen. Mit dieser Regelung soll dem Aktionär die Möglichkeit des Taktierens genommen werden: Er muss sich frühzeitig für oder gegen die geplante Maßnahme entscheiden. Entscheidet er sich für die Maßnahme, so soll er nicht nachträglich seine frühere Entscheidung rückgängig machen und sein appraisal right ausüben können.787 Dem Unternehmen wird so auch ein Stück Rechtssicherheit gegeben. Nachdem die Transaktion wirksam geworden ist, muss die Gesellschaft ihre Aktionäre noch einmal über das Bestehen ihres Abfindungsrechts informieren.788 Innerhalb einer vorgegebenen Anzahl von Tagen kann der widersprechende Gesellschafter entweder noch die Bedingungen der Transaktion anerkennen oder muss er sein Abfindungsrecht ausüben, indem er seine Anteile zurück an die Gesellschaft überträgt und seine Auszahlung verlangt. 784
Del. GCL § 262(d)(1). Nagy v. Bistricer, 770 A.2d 43 (Del. Ch. 2000). 786 Del. GCL § 262(d)(1). 787 Clark, Corporate Law, S. 451. 788 Del. GCL § 262(d)(1) und (2). Ist ein Hauptversammlungsbeschluss hinsichtlich der Strukturmaßnahme nicht erforderlich, wie z. B. beim short-form merger, so stellt diese Benachrichtigung durch die Gesellschaft nach Wirksamwerden des mergers die erste zwingende Information der Aktionäre über ihr Abfindungsrecht dar. 785
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Kap. V: Minderheitenschutz in den USA
Ein Gesellschafter, der sein Abfindungsrecht ausgeübt hat, muss sodann ein entsprechendes Verfahren vor Gericht anstrengen.789 Zunächst trägt er alle Kosten des Verfahrens. Eine Auszahlung erhält er erst, wenn das Gericht so entschieden hat.790 Die Kosten des Verfahrens – wie zum Beispiel Anwaltskosten – können allenfalls mit dem Wert der betroffenen Anteile verrechnet, jedoch nicht von der Gesellschaft wiedererlangt werden.791 Ein solches gerichtliches Abfindungsverfahren ist in Delaware mit vielen Nachteilen für den sein Abfindungsrecht geltend machenden Aktionär verbunden. Das Verfahren kann sich hinziehen und den Aktionär für einige Zeit quasi in der Luft hängen lassen. Nachdem der Aktionär im vorangegangen Schritt bereits seine Anteile an die Gesellschaft zurück übertragen hat, verliert er seinen Status als Gesellschafter. Infolge dessen erhält er weder eine etwaige Dividende noch nimmt er an Wertsteigerungen während des Verfahrens teil.792 Die Auszahlung des von dem Gericht als fair befundenem Anteilswert lässt jedoch bis zum Abschluss des Verfahrens auf sich warten. Zudem muss der Aktionär alle Kosten des Verfahrens tragen, wenn das Gericht nicht ausnahmsweise die Kosten mit dem Abfindungswert verrechnet. Der MBCA versucht das Abfindungsverfahren realistischer zu gestalten. Wenn der der Transaktion widersprechende Gesellschafter sein Abfindungsrecht bewahrt, Auszahlung verlangt und seine Anteile an die Gesellschaft zurück übertragen hat, ist die Gesellschaft verpflichtet, ihm unverzüglich den – nach ihrer Meinung – fairen Anteilswert auszuzahlen.793 Dann ist es an der Gesellschaft über ein gegebenenfalls geltend gemachtes Defizit zu verhandeln.794 Ein Gerichtsverfahren ist erst der letzte Schritt, wenn ein Aktionär die Zahlung der Gesellschaft für unangemessen hält und Verhandlungen mit der Gesellschaft scheitern. Bleiben entsprechende Verhandlungen für 60 Tage ohne Ergebnis, so muss die Gesellschaft ein gerichtliches Verfahren initiieren und zunächst die Gerichts- und Sachverständigenkosten übernehmen. Das Gericht kann der Gesellschaft außerdem die Anwaltskosten des widersprechenden Aktionärs auferlegen, wenn die Gesellschaft nicht in gutem Glauben gehandelt oder das Abfindungsverfahren nicht eingehalten hat.795 789 790 791 792 793 794 795
Del. GCL § 262(e). Del. GCL § 262(i). Vgl. Del. GCL § 262(j). Vgl. Del. GCL § 262(k). MBCA § 13.24. MBCA §§ 13.26, 13.30(a). Vgl. Palmiter, Corporations, § 37.2.1.
§ 6 Abfindungsrecht („Appraisal Right“)
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II. Anteilsbewertung – „Fair Value“ Schwerpunkt des appraisal-Verfahrens ist die gerichtliche Bewertung der abzufindenden Beteiligung. Nach dem Recht der meisten Bundesstaaten hat das Gericht hier den „fair value“, also den angemessenen Wert der Beteiligung zu ermitteln. Im Laufe der Zeit haben die Gerichte hier unterschiedliche Bewertungsmethoden entwickelt. Grundsätzlich orientiert sich die Anteilsbewertung am going-concernWert der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit, gefolgt von einer proportionalen Umrechnung auf den einzelnen Anteil. Die Bewertung soll dabei nicht die Auswirkungen der Transaktion selbst berücksichtigen. Der Bewertungsstichtag wird daher in der Regel auf einen Zeitpunkt unmittelbar vor bekannt werden der Transaktion gelegt.796 Der widersprechende Aktionär soll also durch die fragliche Maßnahme weder bevorteilt noch benachteiligt werden. 1. Traditionelle „Delaware Block Method“ In der Vergangenheit spielte insbesondere die Delaware block method eine wesentliche Rolle bei der Anteilsbewertung durch die Gerichte.797 Bei der Delaware block method handelt es sich um die Kombination dreier unterschiedlicher Bewertungsmethoden, der earnings valuation method, der market price method und der net asset value method.798 a) Earnings Valuation Method Die earnings valuation method versucht, den zukünftigen Nettogewinn der Gesellschaft aufgrund vergangener Gewinne zu ermitteln. Hierzu wird zunächst der durchschnittliche Nettojahresgewinn für die – üblicherweise fünf – Geschäftsjahre ermittelt, die der Transaktion unmittelbar vorausgegangen sind. Den ermittelten Durchschnittsnettojahresgewinn multipliziert das Gericht mit einem Multiplikator, der die zu erwartende Geschäftsentwicklung zum Ausdruck bringt.799 Der Multiplikator richtet sich dabei unter anderem nach dem Ertragsrisiko und geschätzten Wachstum, und orientiert 796
Vgl. MBCA § 13.01(4)(i); Del. GCL § 262(h). Vgl. z. B. Leader v. Hycor, Inc., 479 N.E.2d 173 (Mass. 1985); Piemonte v. New Boston Garden Corp., 387 N.E.2d 1145 (Mass. 1979); Hernando Bank v. Huff, 609 F.Supp. 1124 (N.D.Miss. 1985). 798 Ein guter Überblick über die einzelnen Methoden findet sich bei Merkt, USamerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 998 ff. 799 Dazu Brudney/Bratton, Corporate Finance, S. 51 ff.; Klein/Coffee, Business Organisation and Finance, S. 306 ff.; Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 4.05[C]. 797
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Kap. V: Minderheitenschutz in den USA
sich dabei teilweise auch an der Geschäftsentwicklung bei vergleichbaren Unternehmen.800 b) Market Value Method Grundlage der market value method ist der Kurswert („market value“) der Beteiligung unmittelbar vor bekannt werden der fraglichen Maßnahme.801 Dies setzt allerdings voraus, dass ein effizienter Markt für die gehandelten Anteile besteht. Die market value method kann daher z. B. bei close corporations kaum Aussagekraft besitzen. Dasselbe gilt dort, wo der Börsenkurs erkennbar durch Insider Trading manipuliert oder durch das Durchsickern von Gerüchten über die Transaktion wesentlich beeinflusst ist.802 Auch besitzt die market value method dort kaum Aussagekraft, wo das Management zur Verringerung der Abfindungsbelastung mit der Transaktion absichtlich einen Zeitpunkt abgewartet hat, zu dem der Kurs einen Tiefststand erreicht hat.803 c) Net Asset Value Method Die net asset value method geht schließlich vom Wert des Anlagevermögens der Gesellschaft aus. Hier haben die Gerichte teilweise den Liquidationswert,804 teilweise den Buchwert der Gesellschaft805 zugrunde gelegt. Diese Methode findet üblicherweise dort Anwendung, wo das Gericht den Eindruck gewinnt, dass der Unternehmensübernahme die Zerschlagung des Unternehmens folgen soll.806 Daneben wird die net asset value method in Fällen angewendet, in denen die Gesellschaft über Vermögenswerte verfügt, die zur Zeit nicht realisiert werden können, wie etwa Bodenschatzvorkommen. Wird das Unternehmen jedoch fortgeführt, so spielt die net asset value method in der Regel keine Rolle, da der going concern value hier über dem net asset value liegt. d) Kombination Bei der Delaware block method ermittelt das Gericht nun zunächst den Wert der abzufindenden Beteiligung nach den drei eben dargestellten 800
Beerly v. Dept. Of Treasury, 768 F.2d 942 (7th Cir. 1985); Zkoych v. Spalding, 463 N.E.2d 943 (Ill.App. 1984). 801 Armstrong v. Marathon Oil Company, 513 N.E.2d 776 (Ohio 1987). 802 Clark, Corporate Law, S. 453. 803 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 999. 804 Perlman v. Permonite Manufacturing Co., 568 F.Supp. 222 (N.D.Ind. 1983); Piemonte v. New Boston Garden Corp., 387 N.E.2d 1145 (Mass. 1979). 805 Meadows v. Bicrodyne Corporation, 785 F.2d 670 (9th Cir. 1986). 806 Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, Rn. 1000.
§ 6 Abfindungsrecht („Appraisal Right“)
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Methoden. Dabei sind deutliche Diskrepanzen zwischen den einzelnen Werten keine Ausnahme. Im Anschluss werden die drei Werte kombiniert, wobei das Gericht im eigenen Ermessen eine Gewichtung der Werte vornimmt.807 Die Gewichtung hängt dabei in der Regel davon ab, welche Bedeutung und Aussagekraft der jeweilige Wert im Einzelfall hat. So wird der market value bei einer nicht börsennotierten Gesellschaft nur geringe Aussagekraft haben; ebenso wird dem net asset value nur geringe Bedeutung zukommen, wenn von einer Fortführung der Gesellschaft ausgegangen werden kann. Die Rechtsprechung in Delaware selbst hat die Delaware block method vor einigen Jahren aufgegeben.808 Auch infolge vielfacher Kritik an der Delaware block method in der Literatur,809 entschied das Delaware Supreme Court in seiner viel beachteten Entscheidung Weinberger v. UOP, Inc.810 im Jahre 1983, dass die Gerichte neben den drei traditionellen Methoden auch jede andere vernünftige und anerkannte („rational and recognized“) Bewertungsmethode wählen können. Die Nachteile der Delaware block method liegen auf der Hand. Die market value method setzt wie bereits erörtert voraus, dass ein effizienter Markt für die zu bewertende Beteiligung besteht. Dies wird jedoch bei nicht börsennotierten Gesellschaften kaum der Fall sein. Auch kann der market value im Vorfeld einer Transaktion durch durchsickernde Gerüchte oder Insider Trading negativ beeinflusst worden sein. Der net asset value vernachlässigt den Firmenwert des Unternehmens (good will); auch berücksichtigt er keinerlei Synergieeffekte. Dem past earnings value schließlich fehlt der Blick in die Zukunft. Eine Prognose von zukünftigen Gewinnen allein aufgrund der Gewinne der Vergangenheit lässt aktuelle Entwicklungen der Gesellschaft wie auch gesamtwirtschaftliche Entwicklungen außer Betracht. Die Gewichtung der einzelnen Werte im Ermessen des Gerichts bringt zusätzliche Unsicherheiten. 2. Moderne Bewertung – „Discounted Cash Flow“ Als moderne und heute häufig von den Gerichten verwendete Bewertungsmethode ist insbesondere das in der modernen Betriebswirtschaftslehre anerkannte Discounted-Cash-Flow-Verfahren zu nennen. Zentrales Element 807 Tri-Continental Corp. v. Battye, 74 A.2d 71 (Del. 1970); Tannetics, Inc. v. A. I. Industries Inc., 5 Del. J.Corp.L. 337 (Del. Ch. 1979). 808 Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701 (Del. 1983). 809 Vgl. z. B. Fischel, The Appraisal Remedy in Corporate Law, Am.B. Found.Res.J. 875, 890 ff. (1983); Seligman, Reappraising the Appraisal Remedy, 52 Geo.Wash.L.Rev. 829, 841 ff. (1984). 810 457 A.2d 701 (Del. 1983).
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der Bewertung ist hier der Synergieeffekt, der sich nach der Unternehmensübernahme positiv auf den Wert der Beteiligung auswirkt. Hier werden die künftigen Ertragsüberschüsse des Unternehmens prognostiziert und auf den Bewertungsstichtag mit Hilfe eines Kapitalisierungszinssatzes abgezinst. In einer neueren Entscheidung hat das Delaware Supreme Court explizit festgestellt, dass einem ausgeschlossenen Minderheitsaktionär auch ein verhältnismäßiger Anteil an den Gewinnen aus einem Unternehmensplan zusteht, der gerade als Folge des Ausschlusses geplant war.811 3. Minderheitsabschlag („Minority Discount“) Bei der Bewertung von Anteilen von Minderheitsaktionären häufig diskutiert wurde ein Minderheitsabschlag („minority discount“), der den geringen Einfluss der Minderheitsaktionäre auf die Unternehmenspolitik reflektieren soll. Berücksichtigt werden könnte so auch die Tatsache, dass für Anteile, die mit Kontrollrechten verbunden sind, häufig Zuschläge gezahlt werden („control premiums“). Dem sind die meisten Gerichte jedoch mit der Begründung entgegen getreten, dass der angemessene Anteilswert immer die anteilige Beteiligung am going-concern-Wert des Unternehmens darstellt.812 Diesem Ansatz hat sich der MBCA angeschlossen.813
C. Exklusivität des Appraisal Right Einem Gesellschafter, der mit einer Strukturveränderung der Gesellschaft nicht einverstanden ist, stehen grundsätzlich zwei Rechtsmittel zu. Zum einen kann er ein gerichtliches Verfahren anstreben, in dem er auf Schadensersatz oder Aufhebung der Transaktion klagt. Zum anderen kann er ein Abfindungsverfahren initiieren und eine faire Abfindung verlangen. Ob das Bestehen eines Abfindungsrechts jedoch den Weg zu einer Schadensersatzoder Aufhebungsklage versperrt, wird in den einzelnen Bundesstaaten unterschiedlich gehandhabt. Ob ein Abfindungsrecht ausschließlich sein soll richtet sich danach, ob es Minderheitsgesellschaftern möglich sein soll, den Willen der Mehrheit zu unterlaufen. Auf der einen Seite schützt ein Abfindungsrecht die finanziellen Interessen eines Minderheitsgesellschafters, der die Transaktion für unvernünftig hält, vollkommen. In den meisten Bundesstaaten ist daher 811 Vgl. Cede & Co. v. Technicolor, Inc., 684 A.2d 289 (Del. 1996); dazu Finkelstein/Silberglied, Technicolor IV: Appraisal Valuation in a two-step merger, 52 Bus.Lawyer 801 (1997). 812 Vgl. Tri-Continental Corp. v. Battye, 74 A.2d 796 (Del. 1992). 813 MBCA § 13.01(4)(iii).
§ 6 Abfindungsrecht („Appraisal Right“)
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ausdrücklich gesetzlich geregelt, dass das appraisal remedy der einzige Rechtsbehelf ist, der dem widersprechenden Gesellschafter zur Verfügung steht.814 Wenn es jedoch im Rahmen der Beschlussfassung über die Transaktion zu formellen Mängeln oder missbräuchlichem Verhalten – wie zum Beispiel Fehlinformation der Gesellschafter – gekommen ist, kann ein Abfindungsverfahren diese Fehler nicht korrigieren. Die meisten Bundesstaaten sehen daher Ausnahmen vom Grundsatz der Exklusivität vor.815 In Delaware kann ein Aktionär eine Transaktion trotz Bestehens eines Abfindungsrechts gerichtlich angreifen, wenn • die Zustimmung zur Transaktion auf betrügerische Art und Weise erlangt wurde, • Träger von Sorgfaltspflichten ihre Pflicht bezüglich eines fairen Verfahrens verletzt haben, oder • die Transaktion nicht vollständig mit formellen Zustimmungserfordernissen im Einklang stand.816 Die 1999 überarbeitete Fassung des MBCA folgt diesem Ansatz, auch wenn sie die Verletzung von Sorgfaltspflichten nicht erwähnt.817 Unklar ist, welche Rechtsfolgen ein alternatives gerichtliches Verfahren nach sich ziehen kann. Auch wenn ein fehlerhafter Entscheidungsprozess theoretisch die Rückgängigmachung der Transaktion nach sich ziehen kann, so wird dies praktisch aufgrund Zeitablaufs und der Komplexität der Transaktion häufig unmöglich sein. Gewährt ein Gericht einem Aktionär hingegen Schadensersatz, so werden dadurch die speziellen Voraussetzungen des Abfindungsverfahrens unterlaufen. Dennoch haben Gerichte – im Angesicht der häufigen Unmöglichkeit der Rückgängigmachung einer Transaktion – die Möglichkeit so genannter „rescission damages“ akzeptiert, die 814 So z. B. in Kalifornien (§ 1312 Cal. GCL), New York (§ 623(k) NY BCL), Pennsylvania (§ 1515(K) Pa.BCL) und Connecticut (§ 33–871 Conn.Gen.St.) Einen umfassenden Überblick bietet Fletcher, Cyclopedia of Corporations § 5906.30. 815 Vgl. z. B. Sturgeon Petroleum Ltd. v. Merchants Petroleum Co., 147 Cal. App.3d 134 (hier standen zwei Parteien eines mergers in einem Abhängigkeitsverhältnis, so dass die Gefahr eines Interessenkonflikts bestand); In re Jones & Laughlin Steel Corp., 488 Pa. 524, 412 A.2d 1099, 1102–03 (1980) (das Gericht sah hier eine Ausnahme von der Exklusivitätsvorschrift des Pennsylvania Code bei Vorliegen von Betrug oder fundamentaler Ungerechtigkeit). In einigen Bundesstaaten sind diese Ausnahmen sogar gesetzlich geregelt, vgl. Maine Bus. Corp. Act § 909(13); South Carolina Corporations, Partnerships and Associations § 33-11-270(k). 816 Weinberger v. UOP, Inc., 457 A.2d 701 (Del. 1983). 817 MBCA § 13.02(d). Einen guten Überblick über die unterschiedlichen Regelungen bietet auch Bauman/Weiss/Palmiter, Corporations Law and Policy, S. 833 ff.
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einem Aktionär Ausgleich für den durch den fehlerhaften Entscheidungsprozess veranlassten Wertverlust seiner Anteile gewähren.818 Ebenfalls unklar ist, ob ein Aktionär gleichzeitig ein Abfindungsverfahren initiieren und daneben gerichtlich das Zustandekommen der Transaktion angreifen kann. Das Delaware Supreme Court hat es in einem Fall Gesellschaftern, die sich bereits in einem Abfindungsverfahren befanden, erlaubt, parallel Klage zu erheben, als diese nachträglich prozessuale Mängel in der Beschlussfassung entdeckten.819 Andere Gerichte haben es ausdrücklich abgelehnt, dass ein Aktionär sich für ein Verfahren entscheiden müsse.820 In jedem Fall ist der Aktionär jedoch nur einmal zum Ausgleich – Abfindung oder Schadensersatz – berechtigt.
D. Zwischenergebnis Wie bereits erwähnt mag die allgemein übliche Übersetzung des Terminus appraisal right als Abfindungsrecht im Kontext einer deutschen Squeeze-out-Transaktion missverständlich sein. Schließlich handelt es sich bei dem appraisal right um ein Austrittsrecht des Minderheitsaktionärs, der mit einer wesentlichen Strukturentscheidung der Mehrheit nicht einverstanden ist, gegen Abfindung. Im Rahmen einer amerikanischen Squeeze-out-Transaktion kann ein solches Recht immer dort geltend gemacht werden, wo ein Minderheitsaktionär durch eine Strukturmaßnahme der Gesellschaft wesentliche Nachteile in seiner Beteiligung erfährt. Eine im Rahmen des appraisal-Verfahrens gerichtlich bestimmte Abfindung kann hier gegebenenfalls eine höhere Abfindung ergeben, als die von der Gesellschaft angebotene Abfindung. Auch kann ein appraisal-Verfahren dort eine Barabfindung gewährleisten, wo die Gesellschaft nur eine Abfindung in Aktien gewährt. Eine Entsprechung hierzu gibt es im deutschen Squeeze-out-Recht nicht. Zwar existieren ähnliche Austrittsrechte im deutschen Umwandlungs- und Konzernrecht, wenn ein Aktionär mit Verschmelzung oder Unternehmensvertrag nicht einverstanden ist und gegen Barabfindung aus der Gesellschaft ausscheiden möchte.821 Im Rahmen der §§ 327a ff. AktG hat der deutsche Gesetzgeber jedoch von einer entsprechenden Regelung abgesehen. Dies mag damit zusammenhängen, dass ein Minderheitsaktionär in einem deut818
Weinberger v. UOP, Inc. 457 A.2d 701 (Del. 1983). Cede & Co. v. Technicolor, Inc. (Technicolor I), 542 A.2d 1182 (Del. 1988). 820 Popp Telcom v. American Sharecom, Inc. (8th Cir. 2000) – entschieden nach dem Recht von Minnesota. 821 Vgl. §§ 29 Abs. 1 Satz 1; 125 Satz 1 i. V. m. § 29 Abs. 1 Satz 1; § 207 Abs. 1 Satz 1 UmwG; §§ 320b Abs. 1 Satz 3, 305 AktG. 819
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schen Squeeze-out zwingend eine Barabfindung erhält und der deutsche Gesetzgeber die gerichtliche Überprüfbarkeit dieser Barabfindung im Spruchstellenverfahren gewährleistet. Dabei ist das deutsche Spruchstellenverfahren vergleichbar dem amerikanischen appraisal-Verfahren ausgestaltet. So wie der Rechtsschutz eines ausgeschlossenen Minderheitsaktionärs auf das Spruchstellenverfahren begrenzt ist, wenn er sich allein gegen die Höhe der Barabfindung wendet, so ist der amerikanische Minderheitsaktionär ebenfalls auf sein appraisal right und das appraisal-Verfahren beschränkt, wenn er seine Abfindung für nicht angemessen hält. Beide Regelungen haben dabei die zügige Durchführung der Transaktion selbst im Auge.
§ 7 Federal Securities Laws Die Ausgabe von Aktien im Rahmen eines merger gilt als „sale“ im Sinne des Bundeswertpapierrechts.822 Aktionäre, die öffentlich gehandelte Wertpapiere als Gegenleistung für ihre Anteile erhalten, haben ein Recht auf Prospekt-Aufklärungspflichten und erhalten zusätzlichen Schutz im Rahmen der federal securities laws (Bundeswertpapierrecht). Dabei sind neben den proxy rules die SEC Rules 10b-5 und 13e-3 von besonderer Bedeutung.
A. Proxy Rules Mit Ausnahme des short-form mergers können die boards of directors eine Verschmelzung nicht ohne die Zustimmung der Hauptversammlung durchführen.823 An dieser Abstimmung beteiligt sich ein Kleinaktionär in einer Publikums-Gesellschaft typischerweise nicht im Wege der persönlichen Stimmabgabe auf der Aktionärsversammlung, sondern durch Bevollmächtigung der Verwaltung oder eines Dritten („proxy“).824 Die von der Securities and Exchange Commission (SEC) erlassenen proxy rules enthalten hier Bestimmungen, die Missbrauch bei der Werbung um Stimmrechtsvollmachten verhindern sollen.825 Diese Vorschriften greifen bei einem squeeze-out merger immer dann zugunsten der Minderheitsaktionäre ein, wenn die Gesellschaft bei der SEC registriert ist. Dies sind in der Regel 822
Siehe Rule 145, Securities Act of 1933. Dazu schon oben Kapitel IV und Kapitel V § 5. 824 Grundlegend Eisenberg, Proxy Machinery, 83 Harv.L.Rev. 1489 (1970); Merkt, US-amerikanisches Gesellschaftsrecht, S. 372–388; Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, §§ 7.04 – 7.06. 825 Zur Entstehung der proxy-Regulierung vgl. Conrad, The Laws of Corporations, 71 Mich.L.Rev. 623, 662 (1973); Comment, Proxy System, 60 N.C.L.Rev. 145, 146 (1981). 823
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alle Gesellschaften, die Aktiva im Wert von mehr als fünf Millionen US Dollar und mehr als 500 Anteilseigner haben oder deren Anteile an der Börse gehandelt werden.826 Die proxy rules begründen für die Gesellschaft umfangreiche Informationspflichten im Vorfeld des mergers. Daneben untersagen sie falsche, irreführende und unvollständige Angaben über wesentliche Tatsachen. Die Gesellschaft muss die Aktionäre insbesondere über die Gründe für den merger informieren, sowie seine Gestaltung und die Auswirkungen auf die Rechte der Aktionäre erläutern.827 Daneben werden umfassende Informationen über die verschmelzenden Gesellschaften gefordert.828 Auch müssen die Aktionäre über die Einzelheiten der bevorstehenden Abstimmung und über ihr Abfindungsrecht aufgeklärt werden. Bevor das Informationsmaterial entsprechenden Inhalts an die Aktionäre verteilt wird, muss es bei der SEC eingereicht werden, die es zumindest stichprobenartig prüft.829 Hat die SEC einzelne Aspekte des Informationsmaterials zu beanstanden, so teilt sie dies dem Informationspflichtigen mit. Diese publizierten „Anregungen“ üben in der Regel auf den Informationspflichtigen einen so wirksamen Druck aus, dass sich eine gerichtliche Auseinandersetzung erübrigt.830
B. SEC Rule 10b-5 Section 10 (b) des Securities Exchange Act von 1934 und die dazu erlassene SEC-Rule 10b-5 sind die wichtigsten und umfassendsten bundesrechtlichen Normen, auf die Minderheitsaktionäre eine Klage gegen einen squeeze-out merger stützen können. Klagebefugt ist, wer als Käufer oder Verkäufer von Wertpapieren auf wesentliche Tatsachen vertraut hat, welche die Mehrheit vorsätzlich oder grob fahrlässig unvollständig, irreführend oder falsch dargestellt hat.831 Zwar verkauft der Minderheitsaktionär seine Aktien nicht an die Mehrheit. Dennoch betrachten die Gerichte diese Aktionäre als Verkäufer, da bei 826
15 U.S.C.A. § 78 l(g). Schedule 14, Item 14(a). 828 Schedule 14, Item 14(b). Zu diesen Informationen gehören zum Beispiel eine Beschreibung des Geschäftsgegenstandes, der angebotenen Produkte oder Dienstleistungen, Märkte und Vertriebsmethoden, aber auch Informationen im Finanzbereich, wie zum Beispiel über die Kapitalisierung oder über Dividendenzahlungen. 829 Rule 14a-6. 830 Sobering, Shareholder Democracy: A Description and Critical Analysis of the Proxy System, 60 N.C.L.Rev. 145, 149 (1981). 831 Eine ausführliche Darstellung der SEC Rule 10b-5 findet sich bei Pinto/ Branson, Understanding Corporate Law, § 13.02. 827
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wirtschaftlicher Betrachtung die Hingabe der Aktien gegen die Zahlung von Geld erzwungen wird.832 Bei der Frage, ob über eine wesentliche Tatsache getäuscht wurde, kommt es darauf an, ob ein vernünftiger Aktionär der Tatsache bei seiner Entscheidungsfindung eine nicht unerhebliche Bedeutung beimessen würde. Erhebliche Bedeutung kommt im Rahmen der Anspruchsprüfung der Frage der erforderlichen Kausalität zwischen Handlung und Schaden zu. Rule 10b-5 verbietet irreführendes („deceptive“) und manipulierendes („manipulative“) Verhalten, nicht jedoch unfaires oder treuwidriges Verhalten von Insidern. Nicht schon die bloße Schädigung, sondern nur die arglistige Schädigung der Gesellschafter verstößt gegen Rule 10b-5. Dies hat das US Supreme Court in seiner vieldiskutierten Leitentscheidung Santa Fe Industries, Inc. v. Green klargestellt.833 Ob ein squeeze-out merger gegen die Insider-Trading-Regelung in SEC Rule 10b-5 verstößt, hängt damit im Ergebnis davon ab, ob das board seinen Offenlegungspflichten in vollem Umfang nachgekommen ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob die ausscheidenden Aktionäre einen angemessenen Preis für ihre Beteiligung erhalten haben, oder ob das board seine ihm gegenüber den Aktionären obliegenden Sorgfaltspflichten eingehalten hat.
C. SEC Rule 13e-3 SEC Rule 13e-3 stellt umfassende Offenlegungspflichten speziell für den Fall des Going Private auf. Erfasst werden von Rule 13e-3 zunächst alle Transaktionen, die dazu führen, dass die Anteile einer Gesellschaft von den Registrierungspflichten nach dem Securities Exchange Act von 1934 befreit werden. Außerdem ist die Regelung auf alle Transaktionen anwendbar, die dazu führen, dass Anteile einer corporation nicht mehr an einer nationalen Börse oder im NASDAQ notiert werden. Darüber hinaus gilt Rule 13e-3 aber auch für Übernahmen einer Tochter- durch die Muttergesellschaft, und zwar bereits dann, wenn einer der genannten Tatbestände lediglich hinsichtlich der Tochtergesellschaft erfüllt wird. Inhaltlich verlangt Rule 13e-3 unter anderem, dass sowohl der mit dem Going Private verfolgte Zweck als auch der Grund für die Wahl der Squeeze-out-Technik offen gelegt wird. Daneben hat die Gesellschaft die Vor- und Nachteile des Squeeze-outs aus der Sicht der außenstehenden Aktionäre detailliert darzustellen.834 832
Seiler, Freezeout von Minderheitsaktionären, S. 97. 430 U.S. 462 (1977). Eine Diskussion der Entscheidung findet sich auch bei Seiler, Freezeout von Minderheitsaktionären, S. 103–110. Dazu auch Ferrara/ Steinberg, A Reappraisal of Santa Fe: Rule 10b-5 and the New Federalism, 129 U.Pa.L.Rev. 263–301 (1980). 834 Vgl. Schedule 13E-3, Item 7(d)(2). 833
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Schließlich muss die Gesellschaft eine Versicherung abgeben, dass der Squeeze-out die außenstehenden Aktionäre nicht unangemessen benachteiligt.835 Rule 13e-3 konzentriert sich also auf extensive Offenlegungspflichten in Going Private- und Squeeze-out-Transaktionen unter Einbeziehung der Beurteilung der Fairness der Transaktion durch den Emittenten und der wesentlichen Tatsachen, auf denen die Entscheidung zur Durchführung der Transaktion beruht.836 Daher bietet Rule 13e-3, auch wenn es sich um eine reine Publizitätsvorschrift handelt, einen Angriffspunkt für börsenrechtliche Haftung für unfaire Transaktionen, wenn diese von mangelnder Publizität begleitet werden.837
D. Zusammenfassung: Bedeutung des Bundesrechts für den Aktionärsschutz Die bundesrechtlichen Wertpapiergesetze gewährleisten bei Transaktionen börsennotierter Unternehmen umfangreiche Publizität und leisten so einen wesentlichen Beitrag zum Aktionärsschutz. Ein squeeze-out merger steht nur dann im Einklang mit dem Bundesrecht, wenn er für die betroffenen Aktionäre mittels umfassender Informationen transparent gestaltet wird. Die Einhaltung der gesetzlichen Offenlegungspflichten wird zum einen durch die Securities and Exchange Commission überwacht. Zum anderen steht den Aktionären der Klageweg offen. Eine solche Klage können betroffene Aktionäre insbesondere auf Rule 10b-5, unter bestimmten Umständen aber auch auf Rule 13e-3 stützen. Die Publizität ermöglicht es Aktionären, die Konditionen der Transaktion umfassend zu prüfen und eine fundierte Entscheidung über ihr weiteres Vorgehen zu treffen. Daneben kann sich die Veröffentlichung wesentlicher Daten der Transaktion auch positiv auf die Planung und Gestaltung der Transaktion auswirken. Hier besteht ein gewisser Druck auf Kontrollmehrheit und Management, die Minderheitsaktionäre angemessen zu behandeln und abzufinden, da unfaires Verhalten meist nur ungern im Lichte der Öffentlichkeit praktiziert wird. Gewährleistet werden kann eine faire Behandlung der Minderheitsaktionäre durch das Bundesrecht jedoch nicht. Diese Aufgabe müssen im Wesentlichen die einzelstaatlichen Gerichte im Rahmen des Landesrechts wahrnehmen. In Deutschland existiert eine ähnliche Ausdehnung von börsenrechtlichen Publizitätspflichten auf Squeeze-outs nicht. 835
Vgl. Schedule 13E-3, Item 8(a). Vgl. dazu Guidelines on Going Private, 37 Bus.Lawyer 313 (1981). 837 Hazen, The Law of Securities Regulation, § 11.8; Pinto/Branson, Understanding Corporate Law, § 10.03[D][1]. 836
§ 8 Zwischenergebnis: Minderheitenschutz im amerikanischen Recht
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§ 8 Zwischenergebnis: Minderheitenschutz im amerikanischen Recht Das US-amerikanische Recht zum Schutz von Minderheitsaktionären im Rahmen einer Squeeze-out-Transaktion unterscheidet sich in wesentlichen Bereichen vom Minderheitenschutz im Rahmen der deutschen Squeeze-outBestimmungen. Diese teils wesentlichen Unterschiede lassen sich jedoch in den meisten Fällen mit der andersartigen Konstruktion von Squeeze-outTransaktionen in den USA erklären. Aus der Tatsache, dass in den USA ein Ausschluss von Minderheitsaktionären nach dem allgemeinen Umwandlungsrecht bewirkt werden kann, ergibt sich, dass ein solcher Ausschluss schon mit einer einfachen Mehrheit der stimmberechtigten Anteile an der Gesellschaft möglich ist. Gerade aus dieser im Gegensatz zum deutschen Recht andersartigen Konstruktion und damit auch wesentlich niedrigeren erforderlichen Beteiligungsschwelle lassen sich die wesentlichen Unterschiede im Schutz der Minderheitsaktionäre in den USA gegenüber dem Minderheitenschutz in Deutschland erklären. Dem board of directors kommen im Rahmen eines squeeze-out mergers wesentlich weit reichendere Aufgaben zu als dem Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft im Rahmen eines Squeeze-out. Dieser weite Aufgabenbereich und der damit verbundene Entscheidungsspielraum bietet in den USA eine weitaus größere Angriffsfläche für auf Sorgfaltspflichtverletzungen gestützte Anfechtungsklagen als in Deutschland. Mögliche Pflichtverletzungen von board-Mitgliedern wurden daher hier schwerpunktmäßig erörtert. Die materielle Beschlusskontrolle fällt in den USA ebenfalls wesentlich strenger und detaillierter aus, als dies in Deutschland der Fall ist. Auch dies lässt sich mit dem größeren Gewicht der Minderheitsaktionäre bei einer 49%-igen Beteiligung in den USA als bei einer weniger als 5%-igen Beteiligung an der Gesellschaft in Deutschland erklären. Eine Abwägung der widerstreitenden Interesse ist in den USA eben nicht bereits durch den Gesetzgeber vorgenommen worden, sondern muss in jedem Einzelfall durchgeführt werden. Anders als in Deutschland ist ein Hauptversammlungsbeschluss bei einer mehr als 90%-igen Mehrheit des Mehrheitsgesellschafters nicht erforderlich. Hier liegt ein im Ergebnis wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht, wo der deutsche Gesetzgeber bisher trotz vielfacher Kritik am Beschlusserfordernis festgehalten hat. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zum deutschen Recht liegt in der Existenz der appraisal rights in den USA. Hier steht den der Squeeze-outTransaktion widersprechenden Aktionären ein Austrittsrecht gegen Abfin-
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Kap. V: Minderheitenschutz in den USA
dung zu. Eine angemessene Abfindung wird dann im appraisal-Verfahren durch ein Gericht bestimmt. Vergleichbare Austrittsrechte existieren zwar im deutschen Umwandlungs- und Konzernrecht, nicht jedoch im Rahmen der §§ 327a ff. AktG. Schließlich bieten in den USA, anders als in Deutschland, auch die Bundeswertpapiergesetze einen gewissen Schutz in Squeeze-out-Transaktionen. Anders als in Deutschland wird der zwangsweise Ausschluss aus der Gesellschaft als Verkauf im Sinne der Bundeswertpapiergesetze gewertet, mit der Folge, dass bei börsennotierten Unternehmen entsprechende Publizitätspflichten greifen. Der Schwerpunkt des Minderheitenschutzes liegt jedoch beim Landesrecht. Im Ergebnis bleibt Folgendes festzuhalten: In Deutschland hat der Gesetzgeber dahingehend eine Grundsatzentscheidung getroffen, dass die Interessen des Mehrheitsaktionärs am Ausschluss der Minderheitsgesellschafter die Interessen der Minderheitsgesellschafter am Erhalt ihrer Mitgliedschaft erst ab, dann aber in der Regel, einer Beteiligungsquote des Hauptaktionärs von 95% überwiegen. Nur in einer solchen Situation soll ein Ausschluss von Minderheitsaktionären überhaupt möglich sein. Dagegen bleibt in den USA eine solche Abwägung der widerstreitenden Interessen weitgehend den Gerichten überlassen. Hier ist ein Ausschluss technisch zwar schon bei einer wesentlich geringeren Beteiligungshöhe möglich. Dieser Möglichkeit stehen jedoch weit reichende Schutzmechanismen gegenüber, angefangen von einer strengen gerichtlichen Kontrolle der Einhaltung der Sorgfaltspflichten durch die board-Mitglieder und den Mehrheitsaktionär, über eine Fairness-Prüfung der gesamten Transaktion, hin zu einem Austrittsrecht des der Transaktion widersprechenden Aktionärs und gegebenenfalls bundeswertpapierrechtlichen Offenlegungspflichten.
Kapitel VI
Squeeze-out im EU-Recht Auf europäischer Ebene ist im Mai 2004 nach langjährigen Verhandlungen eine EU-Übernahmerichtlinie838 in Kraft getreten, die mit Art. 15 auch eine Regelung zum Ausschluss von Minderheitsaktionären enthält. Dieses Ereignis ist auch im Hinblick darauf interessant, als dass es in den letzten Jahrzehnten trotz zahlreicher Versuche nicht gelungen ist, eine europäische Regelung zum Ausschluss von Minderheitsaktionären, sei es im Rahmen einer Konzernrechtsrichtlinie, sei es im Rahmen einer Übernahmerichtlinie, zu verabschieden. Im Rahmen der Umsetzung der Richtlinie sind mit Gesetz vom 8. Juli 2006839 die §§ 39a–c in das WpÜG eingefügt worden, die nun in Deutschland neben dem aktienrechtlichen einen übernahmerechtlichen Squeeze-out, sowie ein Andienungsrecht der Minderheitsaktionäre regeln. Die vorangegangenen Entwürfe einer europäischen Squeeze-out-Regelung sowie die aktuelle Richtlinie sollen hier kurz dargestellt werden. Im Anschluss daran sollen die Auswirkungen der neuen Richtlinie auf die bisherige Squeeze-out-Regelung in Deutschland sowie ihre Umsetzung erörtert werden.
§ 1 Historische Entwicklung A. Vorentwurf einer neunten Richtlinie von 1974/75 Aufbauend auf umfangreichen Arbeiten von Sachverständigen hat die Kommission 1974 (I. Teil) und 1975 (II. Teil) interessierten Kreisen einen Vorentwurf einer neunten Richtlinie – der Konzernrechtslinie840 – zur Verfügung gestellt. Dieser Vorentwurf enthielt in Art. 44 von Teil II. eine Regelung über den Ausschluss von Minderheitsaktionären. Danach konnte ein herrschendes Konzernunternehmen, das mittelbar oder unmittelbar mindes838 Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote. ABlEG v. 30.4.2004 Nr. L 142, S. 12. 839 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 8.7.2006, BGBl. I 2006, 1426 ff. 840 Abgedruckt in Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, ZGR Sonderheft 1, 2. Aufl. 1984, S. 187 ff., im Folgenden als „Vorentwurf 1974/75“ bezeichnet.
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Kap. VI: Squeeze-out im EU-Recht
tens 90% des Kapitals der abhängigen Konzerngesellschaft erworben hatte, unter den in Art. 36 des Vorentwurfs erwähnten Bedingungen die Abfindung der verbleibenden freien Aktionäre in bar oder den Umtausch ihrer Aktien verlangen.841 Ob die Beteiligungsschwelle in Höhe von 90% dabei im Rahmen eines Übernahmeangebots erreicht wurde, oder innerhalb des Konzerns vorlag, war unerheblich.842 Das herrschende Unternehmen hatte die abhängige Gesellschaft unverzüglich über das Erreichen dieser Beteiligungsschwelle zu benachrichtigen. Die abhängige Gesellschaft hatte diese Mitteilung offen zu legen.843 Anstatt einer Barabfindung konnte ein herrschendes Unternehmen nicht nur einen Umtausch in Aktien, sondern auch in Wandelschuldverschreibungen oder Schuldverschreibungen der herrschenden Konzerngesellschaft anbieten.844 Über das Angebot der herrschenden Konzerngesellschaft sollte die Hauptversammlung der abhängigen Gesellschaft entscheiden.845 Die Angemessenheit des Angebots war durch unabhängige Sachverständige zu prüfen.846 Lehnte die Hauptversammlung das Angebot mit der erforderlichen Dreiviertelmehrheit ab, so sollte ein Gericht über die Höhe des abgelehnten Angebots entscheiden.847 Stimmte die Hauptversammlung dem Angebot zu, so konnte dieser Beschluss innerhalb eines Monats wegen Unangemessenheit der Barabfindung oder des Umtauschverhältnisses angefochten werden.848 Hielt das Gericht die Barabfindung oder das Umtauschverhältnis für unangemessen, so bestimmte es in letzter Instanz die Abfindung.849 Schließlich hatte das Leitungsorgan der abhängigen Gesellschaft innerhalb von zwei Monaten nach der Beschlussfassung der Hauptversammlung bzw. innerhalb eines Monats nach der Entscheidung des Gerichts die Höhe der Barabfindung oder das Umtauschverhältnis offen zu legen.850 Mit der Offenlegung des Abfindungsangebots sollten die Aktien der freien Aktionäre kraft Gesetzes auf das herrschende Konzernunternehmen übergehen.851 Mit dem Erwerbsrecht des herrschenden Unternehmens korrespondierte gemäß Art. 44 Abs. 3 Vorentwurf 1974/75 ein Austrittsrecht der freien Ak841
Art. 44 Abs. 1 Vorentwurf 1974/75. Than in FS Claussen, S. 405, 416. Vgl. auch Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, ZGR Sonderheft 1, 2. Aufl. 1984, S. 48 ff. 843 Art. 44 Abs. 2 Vorentwurf 1974/75. 844 Than in FS Claussen, S. 405, 416. 845 Art. 40 Vorentwurf 1974/75. 846 Art. 38 Abs. 1 Vorentwurf 1974/75. 847 Art. 42 Abs. 1 Vorentwurf 1974/75. 848 Art. 42 Abs. 2 Vorentwurf 1974/75. 849 Than in FS Claussen, S. 405, 417. 850 Art. 43 Vorentwurf 1974/75. 851 Art. 44 Abs. 1 Vorentwurf 1974/75. 842
§ 1 Historische Entwicklung
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tionäre. Danach hatte jeder freie Aktionär nach Offenlegung der 90%-Beteiligungsschwelle das Recht, abgefunden zu werden. Dieses Recht stand den freien Aktionären nicht nur dann zu, wenn die Beteiligungsschwelle durch ein Übernahmeangebot erreicht wurde, sondern auch dann, wenn der Tatbestand der Konzernabhängigkeit nach Art. 33 Vorentwurf 1974/75 erfüllt war.852 Anders als das deutsche Aktienrecht ging der Vorentwurf 1974/75 von einer organischen Verfassung des Konzerns aus, die einheitliche Pflichten zur Abfindung außenstehender Aktionäre eines Konzernunternehmens unabhängig davon vorsieht, ob der Konzern auf einem Vertrag oder auf sonstigen Umständen beruht.853 Nach dem Konzept der organischen Konzernverfassung ist für das Vorliegen eines Konzerns allein der Tatbestand der einheitlichen Leitung entscheidend.854 Es wird damit auf die tatsächlichen Machtverhältnisse innerhalb eines Konzerns Bezug genommen und nicht etwa wie in Deutschland eine Trennlinie zwischen Vertragskonzern einerseits und faktischem Konzern bzw. Abhängigkeitsverhältnis andererseits gezogen.855 Aufgrund heftiger Kritik am Vorentwurf 1974/75 kam es in den 70er Jahren jedoch nicht mehr zu einem endgültigen Vorschlag der Kommission für eine Konzernrechtsrichtlinie. Vielmehr erarbeitete die Kommission einen neuen Entwurf, der 1984 beschlossen, und dem Rat zur Verabschiedung vorgelegt werden sollte.856
B. Vorentwurf einer neunten Richtlinie von 1984 Anders als der Vorentwurf 1974/75 folgte der Vorentwurf von 1984857 nicht mehr dem Konzept der organischen Konzernverfassung, sondern schloss sich der (im deutschen Aktiengesetz von 1965 verankerten) systematischen Zweiteilung in Vertragskonzern und faktischen Konzern bzw. reines Abhängigkeitsverhältnis an.858 Die Möglichkeit des Ausschlusses von Minderheitsaktionären war jedoch weiterhin gegeben. 852
Art. 36 Abs. 1 Vorentwurf 1974/75. Than in FS Claussen, S. 405, 417. 854 Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, ZGR Sonderheft 1, 4. Aufl. 1996, S. 239. 855 Hamann, Squeeze-out, S. 29 f. 856 Than in FS Claussen, S. 405, 418. 857 Abgedruckt bei Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, ZGR Sonderheft 1, 4. Aufl. 1996, S. 244 ff., im Folgenden als „Vorentwurf 1984“ zitiert. 858 Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, ZGR Sonderheft 1, 4. Aufl. 1996, S. 240; Than in FS Claussen, S. 405, 418. 853
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Kap. VI: Squeeze-out im EU-Recht
Nach Art. 36 Vorentwurf 1984 konnte ein herrschendes Unternehmen bei Erreichen einer 90%-Beteiligungsschwelle und auf Grundlage des Beherrschungsvertrages die Übernahme der Aktien der außenstehenden Aktionäre verlangen. Die Übernahme der Aktien sollte dann zu den Bedingungen des gesetzlich vorgeschriebenen Abfindungsangebots ggf. in der vom Gericht festgesetzten Höhe erfolgen.859 Mit der Erklärung des herrschenden Unternehmens, dass es von seinem Übernahmerecht Gebrauch gemacht habe, vollzog sich der Erwerb der Aktien der freien Aktionäre kraft Gesetzes.860 Mit dem Ausschlussrecht des herrschenden Unternehmens korrespondierte auch hier ein Austrittsrecht der freien Aktionäre, nämlich für den Fall, dass das herrschende Unternehmen von seinem Übernahmerecht trotz Erreichens der 90%-Schwelle keinen Gebrauch machte. Der freie Aktionär konnte in diesem Rahmen die Übernahme seiner Aktien verlangen.861 Für den Fall, dass kein Beherrschungsvertrag bestand, ein Unternehmen aber mittelbar oder unmittelbar mindestens 90% des Kapitals einer Gesellschaft erworben hatte, konnte dieses Unternehmen gegenüber dem Leitungsorgan der Gesellschaft eine einseitige Erklärung abgeben, die ein Konzernverhältnis begründete.862 Diese Erklärung sah die zwangsweise Übernahme der Aktien eventueller freier Aktionäre vor und enthielt die entsprechenden Bedingungen.863 Mit der Veröffentlichung dieser Erklärung durch die abhängige Gesellschaft gingen die Aktien der freien Aktionäre kraft Gesetzes auf das Unternehmen über.864 Wie auch schon im Vorentwurf 1974/75 hatte die abhängige Gesellschaft einen Sachverständigen mit der Prüfung der Angemessenheit des Abfindungsangebots zu beauftragen.865 Auch hatte der freie Aktionär nach Art. 22 Vorentwurf 1984 das Recht, die Angemessenheit des Angebots gerichtlich überprüfen zu lassen. Damit hatte der Bieter eines Übernahmeangebots sowohl nach dem Vorentwurf einer neunten Richtlinie von 1974/75, als auch nach dem neu erarbeiteten Vorentwurf von 1984 das Recht, bei Erreichen der 90%-Beteiligungsschwelle die freien Aktionäre der Zielgesellschaft gegen eine Abfindung aus dieser auszuschließen. Auch stand dem freien Aktionär nach beiden Entwürfen ein mit dem Ausschlussrecht korrespondierendes Austrittsrecht zu. Die Angemessenheit der Abfindung war nach beiden Entwürfen von Sachverständigen zu prüfen und konnte ggf. von den freien Aktio859 860 861 862 863 864 865
Art. Art. Art. Art. Art. Art. Art.
15, 22 Vorentwurf 1984. 36 Abs. 1 und 2 i. V. m. Art. 33, 34 Abs. 2 Vorentwurf 1984. 36 Abs. 3 Vorentwurf 1984. 33 Abs. 1 Vorentwurf 1984. 33 Abs. 1 Satz 2 Vorentwurf 1984. 34 Abs. 2 Vorentwurf 1984. 17, 18 Vorentwurf 1984.
§ 1 Historische Entwicklung
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nären im gerichtlichen Verfahren überprüft werden lassen. Zusammenfassend bleibt aber auch festzuhalten, dass sowohl der Vorentwurf 1974/75, als auch der Vorentwurf 1984 das Recht zum Auskauf der Minderheitsaktionäre einem „Unternehmen“ gewährten.866 Dabei bleibt offen, ob es sich hierbei auch um eine natürliche Person handeln konnte.867 Für den Vorentwurf 1984 fand sich in der Kommission letztlich keine Mehrheit, so dass es nicht mehr zu einem förmlichen Richtlinienvorschlag kam.868 In den darauf folgenden Jahren hätte dieser Entwurf durchaus als Diskussionsgrundlage für einen späteren Richtlinienentwurf dienen können, doch bestand in den gesetzgebenden Gremien der Mitgliedstaaten für eine solche Diskussion lange Zeit kein Interesse.869
C. Vorschlag der SLIM-Arbeitsgruppe zur Vereinfachung der zweiten Gesellschaftsrichtlinie Ende der 90er Jahre wurde von der SLIM-Arbeitsgruppe erneut ein Ausschlussrecht des Mehrheitsaktionärs bei Erreichen einer 90%-Beteiligungsschwelle vorgeschlagen.870 Diese Arbeitsgruppe bestehend aus Praktikern aus diversen europäischen Staaten und einem Vertreter der Kommission war im Rahmen des normativen Vereinfachungsprogramms der EG-Kommission (Simpler Legislation for the Internal Market – SLIM) eingesetzt worden, um Vorschläge zu Vereinfachungsmöglichkeiten in den Texten der Ersten Richtlinie zur Publizität und der Zweiten Richtlinie zum Kapital der Aktiengesellschaft (so genannte „Kapitalrichtlinie“)871 zu erarbeiten.872 866
Zum Begriff des Unternehmens im Konzernrecht: K. Schmidt, GesR § 31 II 1. Diese Frage stellt sich auch schon Hamann in: Hamann, Squeeze-out, S. 31. Auf eine nähere Ergründung der Frage kann hier aber – ebenso wie bei Hamann – aufgrund mangelnder Relevanz für die aktuelle Rechtslage verzichtet werden. 868 Than in FS Claussen, S. 405, 418. 869 Lutter, Europäisches Gesellschaftsrecht, ZGR Sonderheft 1, 4. Aufl. 1996, S. 240. 870 Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des Gesellschaftsrechts bezüglich der Vereinfachung der Vereinfachung der Ersten und Zweiten Gesellschaftsrichtlinie, ZIP 1999, 1944, 1947 (Vorschlag 3: Zwangseinziehung von Aktien – Art. 36), vgl. hierzu auch Drygala AG 2001, 291, 293; Kallmeyer AG 2001, 406, 408. 871 Richtlinie 77/91/EWG des Rates vom 13.12.1976 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, die in den Mitgliedstaaten den Gesellschaften im Sinne des Art. 58 Abs. 2 des Vertrages im Interesse der Gesellschafter sowie Dritter für die Gründung der Aktiengesellschaft sowie für die Erhaltung und die Änderung des Kapitals vorgeschrieben sind, um diese Bestimmungen gleichwertig zu gestalten, Abl. Nr. L 26/1, abgedruckt bei Lutter, Europäisches Unternehmensrecht, NZG Sonderheft 1, 4. Aufl. 1996, S. 114. 867
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Kap. VI: Squeeze-out im EU-Recht
Vorgeschlagen wurde unter anderem eine Änderung des Art. 36 der Kapitalrichtlinie, um eine Zwangseinziehung von Aktien außenstehender Minderheitsaktionäre zum Zwecke der Zusammenführung des Kapitals in einer Hand zu ermöglichen. In der bisherigen Fassung entsprach dies weitgehend Art. 237 Abs. 1 Satz 2 AktG. Eine Zwangseinziehung war danach nur möglich, wenn sie in der ursprünglichen Satzung oder durch eine Satzungsänderung vor Übernahme oder Zeichnung der Aktien angeordnet oder gestattet war.873 Entsprechend dem Vorschlag der SLIM-Arbeitsgruppe sollte die Zwangseinziehung nunmehr darüber hinaus möglich sein, wenn der (einzelne) einziehende Aktionär mehr als 90% der Aktien hielt und die jeweiligen Mitgliedstaaten noch kein Institut zum Auskauf von Sperrminoritäten kannten.874 Zusammenfassend sah der Vorschlag damit ein erweitertes Zwangseinziehungsrecht des Mehrheitsaktionärs bei Erreichen der 90%-Beteiligungsschwelle vor.
D. Vorschlag einer dreizehnten Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote Auch im Rahmen der Diskussionen um eine EU-Übernahmerichtlinie kam es, wenn auch erst in jüngerer Zeit, zu einem Vorschlag über eine Regelung zum Ausschluss von Minderheitsaktionären. Erstmalig sah die Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zum Gemeinsamen Standpunkt von 13. Dezember 2000 eine Regelung zum Squeeze-out in der Übernahmerichtlinie vor.875 Dem waren jahrelange Vorarbeiten der Kommission und mehrere Richtlinienvorschläge betreffend Übernahmeangebote vorausgegangen, die jedoch hier nicht näher erörtert werden sollen.876 872 Zur Zusammensetzung und Vorgehensweise der SLIM-Arbeitsgruppe vgl. auch Kallmeyer AG 2001, 406, 407. 873 Hamann, Squeeze-out, S. 32. 874 Empfehlungen der Arbeitsgruppe zur Vereinfachung des Gesellschaftsrechts bezüglich der Vereinfachung der Vereinfachung der Ersten und Zweiten Gesellschaftsrichtlinie, ZIP 1999, 1944, 1947 (Vorschlag 3: Zwangseinziehung von Aktien – Art. 36). 875 „Legislative Entschließung des Europäischen Parlaments zum Gemeinsamen Standpunkt der Übernahmerichtlinie vom 13. Dezember 2000“ (Dok.-Nr. A5-0368/ 2000); vgl. dazu auch den Vorschlag des Forum Europaeum Konzernrecht für eine Richtlinie der EU zum Ausschluss von Minderheitsaktionären in NZG 1998, 674, 732 ff. 876 Bei der hier erwähnten Übernahmerichtlinie handelt es sich um die 13. Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote. Zur Geschichte der diesbezüglichen Vorschläge vgl. Assmann/Bozenhardt in: Assmann/Basaldua/Bozenhardt/Peltzer, Übernahmeangebote, ZGR Sonderheft Nr. 9, 1990, S. 1, 32 ff.; Basaldua, ebenda, S. 157, 158 f.; Peltzer, ebenda, S. 179 ff.; Zinser EuZW 2003, 10.
§ 1 Historische Entwicklung
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Der im Rahmen der Legislativen Entscheidung neu eingefügte Art. 5a berechtigte einen Bieter, der im Zuge des Übernahmeangebots eine Beteiligungsschwelle von 95% überschritten hatte, die übrigen Wertpapiere mit Stimmrecht zu dem im Übernahmeangebot festgelegten Angebotspreis gegen eine Barabfindung zu übernehmen. Dieses Recht sollte zeitlich auf sechs Monate ab Schließung des Angebots begrenzt sein. Entsprechend dem Anwendungsbereich der Richtlinie erfasste diese Regelung nur Gesellschaften, deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt zugelassen waren.877 Nachdem sich der Ministerrat nicht mit den Änderungsanträgen der Legislativen Entschließung anfreunden konnte,878 kam es zu einem Vermittlungsverfahren, das am 06. Juni 2001 mit einem vom Vermittlungsausschuss gemäß Art. 251 Abs. 4 EG-Vertrag verfassten Gemeinsamen Text abgeschlossen wurde.879 Dieser Kompromiss des Vermittlungsausschusses und mit ihm die gesamte Richtlinie scheiterten jedoch in einer spektakulären Abstimmung im Europäischen Parlament am 04. Juli 2001 mit dem denkbar knappsten Ergebnis.880
E. Vorschlag einer EU-Übernahmerichtlinie von 2002 Nach dem spektakulären Scheitern der EU-Übernahmerichtlinie am 07. April 2001 im Europäischen Parlament legte die Kommission am 02. Oktober 2002 einen überarbeiteten Richtlinienvorschlag881 vor. Dieser Vorschlag basierte auf dem Text, auf den sich der Vermittlungsausschuss bestehend aus Vertretern der Kommission, des Europäischen Parlaments und des Rates nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens am 06. Juni 2001 geeinigt hatten.882 Daneben übernahm der überarbeitete Richtlinienvorschlag 877 Vgl. Art. 1 (Anwendungsbereich) der 13. Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über Übernahmeangebote. 878 Hauptsächlich stießen die Regelungen der Verhaltenspflichten des Vorstandes bei der Abwehr feindlicher Übernahmeversuche auf Ablehnung, vgl. hierzu: Hamann, Squeeze-out, S. 34. 879 Gemeinsamer Text einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote, Dok.-Nr. C5-0221/2001; abgedruckt bei Pötzsch, Das neue Übernahmerecht, 2002, S. 342 ff.; vgl. dazu auch Neye ZIP 2001, 1120, 1121 f. 880 Die Abstimmung ergab 273 Ja-Stimmen, 273 Nein-Stimmen und 22 Enthaltungen. 881 „Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote“ vom 4.10.2002, COM (2002) 534, abgedruckt in ZIP 2002, 1863 ff. Im Folgenden bezeichnet als Entwurf 2002.
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Kap. VI: Squeeze-out im EU-Recht
mehrere (aber nicht alle) Empfehlungen einer hochrangigen Expertengruppe, welche die Kommission eingesetzt hatte.883 Der Richtlinienvorschlag sah sowohl ein Recht des Bieters, Minderheitsaktionäre bei Vorliegen oder Erwerb einer 90%-igen Beteiligung am Grundkapital gegen eine angemessene Abfindung aus der Gesellschaft auszuschließen, als auch ein damit korrespondierendes Austrittsrecht der Minderheitsaktionäre vor.884 Der Richtlinienvorschlag formulierte zwei Fälle, in denen der Bieter einen Ausschluss der Minderheitsaktionäre durchführen können sollte: zum einen, wenn er am Grundkapital der Gesellschaft zu mindestens 90% beteiligt ist (die Mitgliedstaaten können diesen Wert auf bis zu 95% anheben), und zum anderen, wenn er durch Annahme des öffentlichen Angebots 90% des Grundkapitals, das Gegenstand des Angebots war, erworben hat.885 Die Abfindung musste nicht in Geld bestehen. Gemäß Art. 14 Abs. 3 Entwurf 2002 reichte es vielmehr aus, wenn sie angemessen war und dieselbe Form aufwies wie die Gegenleistung des vorausgegangenen Übernahme- bzw. Pflichtangebots. Die Höhe der Abfindung musste grundsätzlich von einem unabhängigen Sachverständigen festgelegt werden.886 Allerdings nannte der Richtlinienvorschlag in Art. 14 Abs. 3 zwei Fälle, in denen eine Abfindung als angemessen gelten und die Bestimmung durch einen Sachverständigen demnach entbehrlich sein sollte: Zum einen sollte die Abfindung bei einem freiwilligen Angebot als angemessen gelten, wenn sie der Gegenleistung des Angebots entsprach und der Bieter durch die Annahme des Angebots Wertpapiere erworben hat, die mindestens 90% des Grundkapitals entsprachen, das Gegenstand des Angebots war. Zum anderen sollte die Gegenleistung des Angebots bei einem Pflichtangebot als angemessen gelten. Anders als die derzeitige aktiengesetzliche Regelung beschränkte der Richtlinienvorschlag den Squeeze-out auf börsennotierte Unternehmen und 882 Gemeinsamer Text einer Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts betreffend Übernahmeangebote, Dok.-Nr. C5-0221/2001; abgedruckt bei Pötzsch, Das neue Übernahmerecht, 2002, S. 342 ff. 883 Bericht der hochrangigen Gruppe von Experten auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts über die Abwicklung von Übernahmeangeboten vom 10.01.2002. Der Bericht ist abrufbar unter: http://europa.eu.int. Dazu auch: Hopt ZHR 166 (2002), 383, 387. 884 Art. 14 (Ausschluss von Minderheitsaktionären) und Art. 15 (Andienungsrecht) der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend Übernahmeangebote. 885 Art. 14 Abs. 1 Entwurf 2002. 886 Art. 14 Abs. 4 Satz 2 Entwurf 2002.
§ 2 EU-Übernahmerichtlinie von 2004
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sah ihn nur im Anschluss an ein Übernahme- und Pflichtangebot vor.887 Beide Regelungen standen sich jedoch nicht entgegen, da die Richtlinie lediglich einen Mindeststandard vorgeben sollte, über dessen Vorgaben eine nationale Regelung durchaus hinausgehen können sollte.888 Geht die derzeitige aktiengesetzliche Regelung über die Mindestvoraussetzungen der Richtlinie bezüglich einer Squeeze-out-Regelungen hinaus, so hinkt sie jedoch im Bereich einer Sell-out-Regelung hinterher. Eine Regelung, die es dem Minderheitsaktionär im Anschluss an ein Übernahme- und Pflichtangebot ermöglicht, dem Bieter ihre Aktien zu einem angemessenen Preis anzudienen, existierte im deutschen Recht bis dahin nicht.889 Ob die Übernahmerichtlinie in der hier dargestellten Form die Zustimmung des Europäischen Parlaments finden würde, war lange Zeit zweifelhaft. Lange fand sich keine Mehrheit für die Richtlinie im Ministerrat, wo insbesondere um die Frage der Mehrfachstimmrechte, unabhängiger Aufsichtsratbeschlüsse und Vorratsbeschlüsse heftig gestritten wurde.890
§ 2 EU-Übernahmerichtlinie von 2004 Die nach langem Ringen am 21. April 2004 beschlossene EU-Übernahmerichtlinie ist am 20. Mai 2004 in Kraft getreten und war von den Mitgliedstaaten bis zum 20. Mai 2006 umzusetzen.891 Der Ausschluss von Minderheitsaktionären ist nunmehr in Artikel 15, das Andienungsrecht in Artikel 16 geregelt. Im Wesentlichen entsprechen diese Regelungen dem Entwurf von 2002, wobei Artikel 15 um einen Abschnitt ergänzt wurde, welcher der Ausübung des Ausschlussrechts eine Frist von drei Monaten nach Ablauf der Frist für die Annahme des Übernahmeangebots setzt. Im Zuge der Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie892 hat der Bundesgesetzgeber neben dem bisher in §§ 327a ff. AktG existierenden Aus887
Wie bereits dargestellt ist der sachliche Anwendungsbereich des Squeeze-out im Aktiengesetz wesentlich weiter: Hier ist der Squeeze-out grundsätzlich bei allen, also auch bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften, und auch ohne vorangegangenes Übernahme- oder Pflichtangebot möglich (§ 327a Abs. 1 AktG). 888 Krause, BB 2002, 2341, 2344 mit weiteren Nachweisen. 889 Vgl. dazu auch oben Kapitel III § 2 B. Austrittsrecht der Restminderheit. 890 Vgl. „Liberalisierung von Übernahmen gescheitert“ in der Süddeutschen Zeitung vom 20. Mai 2003, S. 19. 891 Siehe Art. 22 und 21 der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote. ABlEG v. 30.4.2004 Nr. L 142, S. 12. 892 Vgl. das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2004/25/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.4.2004 betreffend Übernahmeangebote (Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetz) vom 8.7.2006, BGBl. I 2006, 1426 ff.
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Kap. VI: Squeeze-out im EU-Recht
schluss von Minderheitsaktionären mit den §§ 39a–c WpÜG speziell übernahmerechtliche Regelungen geschaffen. Anhand der Vorgaben und Spielräume der Richtlinie soll hier kurz dargestellt werden, welche Möglichkeiten der Ausgestaltung entsprechender Regelungen bestanden893 und wie der deutsche Gesetzgeber seine Wahlrechte mit der Schaffung der §§ 39a–c WpÜG letztlich ausgeübt hat.
A. Vorgaben der Übernahmerichtlinie Die Vorgaben der Richtlinie beziehen sich allein auf die Fälle, in denen dem Ausschluss der Minderheitsaktionäre ein an alle Aktionäre der Zielgesellschaft gerichtetes Angebot zum Erwerb sämtlicher Aktien vorangeht (Art. 15 Abs. 1). Der europäische Gesetzgeber definiert den Squeeze-out damit als eindeutig übernahmerechtliches Instrument, nämlich als flankierende Maßnahme eines Bieters, dem, obwohl er sämtliche Aktien aufgrund seines Angebots erwerben möchte, nicht alle Aktien der Zielgesellschaft angeboten werden.894 Auch den Sell-out charakterisiert das EU-Recht als übernahmerechtlich: Es gewährt denjenigen Aktionären, die zunächst das Angebot nicht angenommen haben, eine weitere Möglichkeit zur Veräußerung ihrer Aktien und ergänzt insoweit die in § 16 Abs. 2 WpÜG bereits vorgesehene Zaunkönigregelung. Im Gegensatz hierzu sind die bisherigen deutschen Regelungen zum Squeeze-out (§§ 327a ff. AktG) nicht übernahmerechtlicher, sondern gesellschaftsrechtlicher Natur. Zwar sind die Vorschriften Anfang 2002 zusammen mit dem WpÜG in Kraft getreten und sollten nach dem Willen des Gesetzgebers die damit geschaffene Übernahmepflicht durchaus ergänzen,895 doch erfassen die §§ 327a ff. AktG nicht nur Übernahmesituationen. Für die derzeitigen aktienrechtlichen Regelungen ist es – bis auf Fälle rechtsmissbräuchlichen Verhaltens – irrelevant, wie und wann der Hauptaktionär in den Besitz der Aktien gekommen ist.896 Daneben erstreckt sich die bisherige Regelung auch auf nicht börsennotierte Gesellschaften.897 Auf 893 Ausführliche Gedanken zur Gestaltung kohärenten Rechts zum übernahmerechtlichen Squeeze-out und Sell-out haben sich Austmann/Mennicke in NZG 2004, 846 ff. gemacht. 894 So auch Austmann/Mennicke NZG 2004, 846; DAV, NZG 2006, 217, 219. 895 Begr. RegE-WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 32. 896 Die Frage, wann ausnahmsweise ein rechtsmissbräuchliches Erreichen der für den Ausschluss erforderlichen Beteiligungsschwelle vorliegt, ist bereits oben ausführlich diskutiert worden. Vgl. Kapitel III § 3 C.III.3. 897 Zu dem diesbezüglich geführten Streit – rechtspolitischer Natur – vgl. ausführlich oben Kapitel III § 2 C.
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Grund des viel weiteren Anwendungsbereichs war es daher konsequent, die deutschen Ausschlussregelungen seinerzeit in das Aktiengesetz und nicht etwa in das WpÜG einzufügen.898
B. Ausgestaltung des übernahmerechtlichen Squeeze-out I. Voraussetzungen 1. Anwendungsbereich Wie sich aus Art. 15 Abs. 1 der Richtlinie ergibt, ist ihr Anwendungsbereich eng gefasst. Zum einen müssen alle Wertpapiere der betroffenen Gesellschaft, der „Zielgesellschaft“, an deren Aktionäre sich das Kaufangebot des Bieters richtet, oder zumindest ein Teil hiervon, zum Handel an einem geregelten Markt im Sinne der Wertpapierdienstleistungsrichtlinie899 zugelassen sein. Dabei handelt es sich in Deutschland um den amtlichen Markt (§§ 30 ff. BörsG) und den geregelten Markt (§§ 49 ff. BörsG).900 Nicht erfasst ist dagegen der Freiverkehr, da dieser nach § 57 BörsG nicht staatlich, sondern privatrechtlich geregelt ist.901 Zum anderen ist der Anwendungsbereich des übernahmerechtlichen Squeeze-out zeitlich begrenzt. Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie gibt insoweit vor, dass das Ausschlussrecht durch den Bieter innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der – in Art. 7 geregelten – Annahmefrist für sein Angebot auszuüben ist. Das Angebot muss öffentlich sein.902 In der Terminologie des WpÜG sind damit drei Fallgruppen erfasst: freiwillige Übernahmeangebote, d.h. Angebote, die auf den Erwerb der Kontrolle ausgerichtet sind (§§ 29 Abs. 1, 32 WpÜG), Pflichtangebote nach erfolgtem Kontrollerwerb (§ 35 WpÜG) und freiwillige Angebote zur Aufstockung einer Kontrollmehrheit, die bereits bei In-Kraft-Treten des WpÜG bestand,903 oder die unter einer Befreiung von der Verpflichtung zur Abgabe eines Pflichtangebots (§§ 36, 37 WpÜG) erlangt wurde. Voraussetzung ist immer, dass sich ein solches Angebot auf alle Aktien erstreckt und sich an alle Aktionäre der Zielgesellschaft richtet. 898
So auch Austmann/Mennicke, NZG 2004, 846. Richtlinie 93/22/EWG des Rates, ABlEG v. 11.6.1993, Nr. L 41, S. 27, zuletzt geändert durch Richtlinie 2000/64/EG des Europäischen Parlaments und Rates, ABlEG v. 17.11.2000, Nr. L 290, S. 27. 900 Vgl. § 2 Abs. 7 WpÜG. 901 Kümpel, Bank- und Kapitalmarktrecht, Rn. 17.124 ff. 902 Vgl. Art. 1 Abs. 1 Übernahmerichtlinie. 903 Begr. RegE-WpÜG, BT-Drs. 14/7034, S. 59. 899
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Bei dem in der Richtlinie geregelten Squeeze-out handelt es sich aufgrund des Erfordernisses eines vorangehenden öffentlichen Angebots um ein rein übernahmerechtliches Institut. Sein Anwendungsbereich ist damit ein anderer als derjenige des aktienrechtlichen Squeeze-outs der §§ 327a ff. AktG, der nicht einmal eine Börsennotierung voraussetzt.904 Aus europäischer Sicht konnte der aktienrechtliche Minderheitsausschluss daher neben dem übernahmerechtlichen Squeeze-out beibehalten werden.905 Aus Sicht des deutschen Rechts war es richtig, den in den §§ 327a ff. AktG geregelten Ausschluss von Minderheitsaktionären für die nicht in der Übernahmerichtlinie geregelten Fälle unverändert beizubehalten. Der aktienrechtliche Squeeze-out greift nun jedenfalls immer dann, wenn die Gesellschaft entweder nicht börsennotiert ist oder die Frist für den übernahmerechtlichen Squeeze-out abgelaufen ist.906 Die Begründung, der aktienrechtliche Squeeze-out diene als Korrelat für das Pflichtangebot, greift nun zwar nicht mehr – diese Funktion wird durch den übernahmerechtlichen Squeezeout vollständig übernommen –, doch das Hauptargument für die Einführung der §§ 327a ff. AktG, die einfachere Verwaltung der Gesellschaft, besteht auch neben dem übernahmerechtlichen Ausschlussverfahren fort. Letztgenanntes Argument allein reicht aus, um die Fortgeltung der aktienrechtlichen Ausschlussbestimmungen zu rechtfertigen.907 Bei gleichzeitigem Vorliegen der Voraussetzungen der aktienrechtlichen und der übernahmerechtlichen Squeeze-out-Bestimmungen steht dem Bieter und dem Hauptaktionär nunmehr ein Wahlrecht zwischen beiden Ausschlussverfahren zu.908 Aus europäischer Sicht ist dies unbedenklich. Ausgeschlossen ist nach § 39a Abs. 6 WpÜG nur die gleichzeitige Durchführung des aktien- und des übernahmerechtlichen Verfahrens.
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Zur diesbezüglichen Kritik vgl. schon oben Kapitel III § 2 C. Vgl. Erwägungsgrund 24 der Übernahmerichtlinie. So auch Austmann/ Mennicke NZG 2004, 846, 847; DAV NZG 2006, 217, 219. Vgl. dazu auch Merkt/ Binder BB 2006, 1285, 1289, die langfristig die „formal-regelungstechnische wie inhaltliche Konvergenz“ der beiden Regelungsbereiche fordern. 906 Vgl. auch Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 847; Krause BB 2004, 113, 117 f.; Maul NZG 2005, 151, 157; Maul/Muffat-Jeandet AG 2004, 306, 317; Seibt/ Heiser ZGR 2005, 200, 240. 907 Zu den weiteren Argumenten, die ursprünglich für die Einführung des Squeeze-out vorgebracht wurden, vgl. ausführlich oben Kapitel I. 908 Wovon der Gesetzgeber in § 39a Abs. 6 WpÜG nun erkennbar ausgeht. Vgl. auch Entwurf einer Begründung im Zusammenhang mit dem Referentenentwurf eines Übernahmerichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 19.12.2005, S. 6; Holzborn/ Peschke BKR 2007, 101, 105; Seibt/Heiser AG 2006, 301, 317, van Kann/Just DStR 2006, 328, 331. 905
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2. Beteiligungsschwelle a) Mindestbeteiligung Die Übernahmerichtlinie nennt in Art. 15 Abs. 2 Satz 2 lit. a) und lit. b) zwei Schwellenwerte, deren Erreichen den Bieter zur Durchführung eines Squeeze-out berechtigen soll: (1) der Bieter hält entweder Wertpapiere, die mindestens 90% des stimmberechtigten Kapitals und 90% der Stimmrechte der Zielgesellschaft entsprechen, oder (2) der Bieter hat durch Annahme des Angebots Wertpapiere erworben oder sich fest dazu verpflichtet, solche Wertpapiere zu erwerben, die mindestens 90% des stimmberechtigten Kapitals der Zielgesellschaft und 90% der vom Angebot betroffenen Stimmrechte entsprechen. Anders als noch bei der unklaren Formulierung im Kommissionsvorschlag vom Oktober 2002,909 stellt der aktuelle Wortlaut des Art. 15 Abs. 2 Satz 2 hinreichend deutlich klar, dass den Mitgliedstaaten ein Wahlrecht eingeräumt werden soll, welche der in der Richtlinie vorgeschlagenen Alternativen für den Schwellenwert sie ihrer übernahmerechtlichen Squeeze-out-Regelung zugrunde legen möchten. Mit diesen Alternativen kann die Richtlinie den unterschiedlichen Squeeze-out-Regelungen in den Mitgliedstaaten gerecht werden910: Während in vielen Rechtsordnungen, und auch in Deutschland, eine bestimmte Mindestbeteiligung des Bieters bzw. Hauptaktionärs am Kapital maßgeblich ist, stellt das englische Recht auf einen Mindesterwerb im Rahmen einer vorangegangen takeover offer ab, indem es einen Bieter zum Erwerb der verbleibenden Aktien ermächtigt, wenn mindestens 90% der Anteilsinhaber oder Inhaber der jeweiligen Gattung von Aktien der Zielgesellschaft, die Gegenstand des Angebots waren, das öffentliche Angebot angenommen haben.911 Wie zu erwarten war912, hat sich der deutsche Gesetzgeber für Art. 15 Abs. 2 Satz 2 lit. a) der Richtlinie entschieden. Der deutsche Gesetzgeber hat in § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG als Voraussetzung für die Durchführung des aktienrechtlichen Minderheitsausschlusses eine Beteiligung des Hauptaktionärs in Höhe von mindestens 95% des Grundkapitals vorgesehen. Da diese Entscheidung erst nach reiflicher Überlegung erfolgt ist, war anzuneh909 „Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass ein Bieter . . . in folgenden zwei Fällen . . . verlangen kann . . . a) . . . oder b) . . .“ (Art. 14 Abs. 1), ABlEG v. 25.2.2003, Nr. C 45 E, S. 1, abgedruckt in ZIP 2002, 1863 ff. Vgl. dazu auch Krause BB 2002, 2341, 2345. 910 So schon Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 847. 911 Sec. 429 (1) Companies Act 1985. 912 Diese Vermutung äußerten schon Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 847 f.; Krause BB 2004, 113, 118, Maul/Muffat-Jeandet AG 2004, 306, 316, Seibt/Heiser ZGR 2005, 200, 241. Der Wahl zustimmend: DAV, NZG 2006, 217, 219; Merkt/Binder, BB 2006, 1285, 1290.
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men, dass die Entscheidung bei Umsetzung der Richtlinie nicht anders ausfallen würde. Der deutsche Gesetzgeber entschied sich für Art. 15 Abs. 2 Satz 2 lit. a) der Richtlinie, weil die Übernahmerichtlinie nur bei dieser Alternative eine Erhöhung des Schwellenwerts auf bis zu 95% erlaubt. Das WpÜG sieht denn nun auch die höchst mögliche Beteiligungsschwelle für die Ausübung des Ausschlussrechts vor. Nach dem neuen § 39a Abs. 1 WpÜG müssen dem Bieter Aktien der Zielgesellschaft in Höhe von mindestens 95% des stimmberechtigten Grundkapitals913 gehören, damit er einen Antrag auf Übertragung der übrigen stimmberechtigten Aktien an sich stellen kann. b) Berechnungsgrundlage In wesentlichem Unterschied zu § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG setzt Art. 15 Abs. 2 Satz 2 der Richtlinie nicht eine Mindestbeteiligung am Grundkapital der Gesellschaft voraus, sondern eine Mindestbeteiligung sowohl am stimmberechtigten Kapital als auch an den Stimmrechten. Anders als bei § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG914 sind damit stimmrechtslose Vorzugsaktien für das Erreichen der Beteiligungsschwelle nicht zu berücksichtigen. Sind stimmrechtslose Vorzugsaktien ausgegeben, reichte damit grundsätzlich, bezogen auf das gesamte Grundkapital, eine geringere Beteiligung als 95% aus, um den vorgeschriebenen Schwellenwert zu erreichen. Die folgenschwere Bedeutung dieses Unterschieds veranschaulicht folgendes Rechenbeispiel von Austmann/Mennicke915: Man nehme an, jeweils 50% des Grundkapitals sind als Stamm- und Vorzugsaktien ausgegeben. Hält der Bieter 95% der Stammaktien und keine Vorzugsaktien, also nur 47,5% des Grundkapitals, ist er gleichwohl zum Ausschluss der restlichen 52,5% der 913 Der Gesetzgeber folgt hier einem Formulierungsvorschlag des DAV, vgl. DAV, NZG 2006, 217, 219. Diese kürzere Formulierung beruht auf dem Gedanken, dass es in Deutschland keine Höchststimmrechte gebe und der Anteil am Grundkapital stets dem Anteil an Stimmrechten entspreche. Vgl. auch Merkt/Binder, BB 2006, 1285, 1289. Verkannt wird dabei jedoch, dass es auch in Deutschland in Einzelfällen Gesellschaften mit Mehrstimmrechten gibt. Dazu Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 848, Holzborn/Peschke, BKR 2007, 101, 106. Siehe insbesondere auch das VW-Gesetz, das in § 3 Abs. 5 das Stimmrecht jedes Aktionärs auf maximal 20% des Grundkapitals begrenzt; Gesetz über die Überführung der Anteilsrechte an der Volkswagen Gesellschaft mit beschränkter Haftung in private Hand v. 21.7.1960, BGBl. I, S. 585, zuletzt geändert durch das 2. ÄnderungsG v. 31.7.1970, BGBl. I, S. 1149. Vgl. auch die anders lautende Begründung zum ursprünglichen Gesetzesentwurf, BR-Drs. 154/06, S. 40 und BT-Drs. 16/1003, S. 21. 914 Vgl. zur Einbeziehung stimmrechtsloser Vorzugsaktien in die Berechnung der Beteiligungsschwelle bei § 327a AktG: Hasselbach in KölnerKomm zum WpÜG, § 327a Rn. 33; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 327a Rn. 23; Fuhrmann/Simon WM 2002, 1211, 1212. 915 Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 848.
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Aktionäre berechtigt.916 Diese Konsequenz konnte der deutsche Gesetzgeber nicht dadurch vermeiden, dass er auf eine Mindestbeteiligung am Grundkapital anstelle des stimmberechtigten Kapitals abstellte. Denn die Richtlinie untersagt es den Mitgliedstaaten ausdrücklich, einen Schwellenwert festzulegen, der 95% des stimmberechtigten Kapitals oder 95% der Stimmrechte überschreitet.917 Der Gesetzgeber konnte jedoch von der durch die Richtlinie eingeräumten Möglichkeit Gebrauch machen, den Squeezeout auf die jeweilige Gattung zu beschränken.918 c) Zurechnung Nach Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie haben die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass Vorschriften in Kraft sind, nach denen sich berechnen lässt, wann der Schwellenwert erreicht ist. Für den aktienrechtlichen Squeeze-out enthält § 327a Abs. 2 i. V. m. § 16 Abs. 2 und 4 AktG eine Regelung, wonach dem Hauptaktionär für die Berechnung der erforderlichen Beteiligung auch solche Aktien zuzurechnen sind, die er nicht im eigenen Vermögen hält, etwa solche Aktien, die einem von ihm abhängigen Unternehmen gehören. Dem entsprechend hat der Gesetzgeber auch für den übernahmerechtlichen Squeeze-out in § 39a Abs. 2 WpÜG die entsprechende Anwendung des § 16 Abs. 2 und 4 AktG angeordnet.919 d) Gattungsbezogener Squeeze-out Die Mitgliedstaaten können nach Art. 15 Abs. 3 Satz 2 der Richtlinie vorsehen, dass das Ausschlussrecht nur in derjenigen Aktiengattung ausgeübt werden kann, in welcher der für den Squeeze-out erforderliche Schwellenwert erreicht worden ist. Diese Methode ist in England üblich.920 916 Austmann/Mennike a. a. O., gehen davon aus, dass diese Folge durch den europäischen Gesetzgeber nicht gesehen wurde. Dies zeigten Äußerungen aus dem Umfeld der Kommission wie z. B. Maul/Muffat-Jeandet AG 2004, 306, 316. Dass der deutsche Gesetzgeber das Problem gesehen hat zeigt die Gesetzesbegründung, BRDrs. 154/06, S. 41 und BT-Drs. 16/1003, S. 21. 917 Art. 15 Abs. 2 Satz 3 der Übernahmerichtlinie. 918 Dazu sogleich unter 2.d). 919 Alternativ wäre auch eine entsprechende Anwendung der übernahmerechtlichen Zurechnungsvorschriften des § 30 WpÜG in Betracht gekommen. So etwa der Vorschlag von Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 848; a. A. die Gesetzesbegründung, BR-Drs. 154/06, S. 42 und BT-Drs. 16/1003, S. 22, sowie DAV NZG 2006, 217, 219 die – insoweit überzeugend – § 16 Abs. 2, 4 AktG für sachnäher halten, da es um die Berechnung von Kapitalmehrheiten geht, die Stimmrechte vermitteln. 920 Maul/Muffat-Jeandet AG 2004, 306, 316.
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Anders als noch im Kommissionsvorschlag vom 2. Oktober 2002 vorgesehen,921 ist dies jedoch nicht mehr zwingend. In Deutschland ist der gattungsbezogene Squeeze-out für Stamm- und Vorzugsaktien von Bedeutung, die unterschiedliche Aktiengattungen im Sinne des § 11 AktG sind.922 II. Verfahren 1. Entbehrlichkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses Zum Verfahren enthält die Richtlinie keine Vorgaben. Ein Squeeze-out kann daher auch ohne einen Hauptversammlungsbeschluss erfolgen. Dies steht im Einklang mit allen Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten, die einen Squeeze-out kennen.923 Mit der Regelung eines Beschlusserfordernisses in § 327a Abs. 1 Satz 1 AktG stand Deutschland schon bisher allein.924 Grundsätzlich stand dem deutschen Gesetzgeber offen, auch für den übernahmerechtlichen Squeeze-out zu bestimmen, dass dieser wie der aktienrechtliche Minderheitsausschluss einen Hauptversammlungsbeschluss der Zielgesellschaft erfordert. Zwar ist der Wortlaut der Richtlinie nicht eindeutig – Art. 15 Abs. 2 der Richtlinie spricht von einem „Verkauf“ der Anteile an den Bieter. Dies scheint zunächst damit im Widerspruch zu stehen, dass die Aktien durch Eintragung eines Übertragungsbeschlusses der Hauptversammlung in das Handelsregister kraft Gesetzes auf den Bieter übergehen. Andererseits bezeichnet die deutsche Fassung von Art. 15 Abs. 5 der Richtlinie die Gegenleistung für die Aktien als „Abfindung“ und nicht als „Preis“, wie dies bei einem Verkauf zu erwarten gewesen wäre. In der englischen Fassung heißt es jedoch wiederum „price“ und nicht „compensation“. Angesichts dieser terminologischen Divergenz wird man der Wortlautauslegung daher wohl keine große Bedeutung zumessen dürfen. Es ist 921
Art. 14 Abs. 2 Unterabs. 2 (Kommissionsvorschlag). Dazu Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 848 f. Das Gesetz sieht nunmehr auch eine solche getrennte Ermittlung der Annahmequote für stimmberechtigte und stimmrechtslose Aktien in § 39a Abs. 3 Satz 3, Abs. 1 Satz 2 WpÜG vor. Vgl. auch die Gesetzesbegründung, BR-Drs. 154/06, S. 40. 923 Vgl. z. B. Sec. 429 (1), 430 (2) des englischen Companies Act 1985 und Art. 5-6-3, 5-6-6, 5-6-7 des französischen Règlement Général CMF. 924 Den Kritikern des Beschlusserfordernisses beim aktienrechtlichen Squeeze-out bot sich hier nunmehr nach den Diskussionen im Vorfeld der Einführung der §§ 327a ff. AktG vor fünf Jahren ein erneuter Anknüpfungspunkt für Kritik rechtspolitischer Art. So wurden auch unmittelbar im Anschluss an den Erlass der Richtlinie Stimmen laut, die forderten, dass verfehlte Beschlusserfordernis beim übernahmerechtlichen Squeeze-out nicht zu wiederholen. Vgl. Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 852; Krause BB 2004, 113, 118, Seibt/Heiser ZGR 2005, 200, 247 f. Dazu auch schon ausführlich oben Kapitel III § 3 B. 922
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vielmehr anzunehmen, dass die Regelung des Verfahrens, dass in Art. 15 der Richtlinie nur sehr rudimentär geregelt ist, im Ergebnis der Regelungskompetenz der Mitgliedstaaten unterliegt.925 Dem deutschen Gesetzgeber stand damit die Möglichkeit offen, auch für den übernahmerechtlichen Squeeze-out einen Hauptversammlungsbeschluss der Zielgesellschaft vorzuschreiben. Bei den Zweckmäßigkeitserwägungen zeigen sich jedoch bei der Umsetzung des übernahmerechtlichen Squeeze-outs einige Besonderheiten. Hauptargumente für die Regelung eines Beschlusserfordernisses beim aktienrechtlichen Squeeze-out waren die Bewährtheit eines bekannten Verfahrens und die Sicherstellung der ausreichenden Information der Minderheitsaktionäre, insbesondere die Diskussionsmöglichkeit über die Angemessenheit der Abfindung.926 Beim übernahmerechtlichen Squeeze-out ergibt sich die Angemessenheit der Abfindung jedoch in vielen Fällen, nämlich dort wo die Angemessenheitsvermutung greift, schon unmittelbar aus dem Preis des vorangegangen öffentlichen Angebots. Die Angemessenheit der Abfindung wäre dann in der Hauptversammlung nicht mehr zu diskutieren, so dass das wesentliche Thema einer solchen Hauptversammlung entfiele. Um der Furcht vor einem neuen, unbekannten Verfahren entgegenzuwirken, konnte an die Erfahrungen anderer Mitgliedstaaten angeknüpft werden, die schon bisher für ihre Squeeze-out-Regelungen kein Beschlusserfordernis vorsahen.927 Möglich war es auch in Deutschland, den Übergang der Aktien in Anlehnung an das englische928 und italienische929 Recht allein an das Ausschlussverlangen des Bieters anzuknüpfen. 2. §§ 39a, b WpÜG: Übertragung durch gerichtliche Entscheidung Der Gesetzgeber hat nun mit den §§ 39a, b WpÜG eine innovative Regelung für das Ausschlussverfahren gewagt. Nach einem neuen § 39a Abs. 1 WpÜG werden dem Bieter, der infolge eines Übernahme- und Pflichtangebots über die dort näher bestimmten erforderlichen Mehrheiten verfügt, „auf seinen Antrag“ die übrigen stimmberechtigten Aktien gegen Gewährung einer angemessenen Abfindung „durch Gerichtsbeschluss“ übertragen. Über den Antrag entscheidet gem. § 39a Abs. 5 WpÜG ausschließlich das 925
So auch Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 851; DAV NZG 2006, 217, 220. Hierzu ausführlich schon oben Kapitel III § 3 B. 927 Zu den Squeeze-out-Regelungen in anderen europäischen Staaten ausführlich Hamann, Squeeze-out, S. 40 ff.; Austmann/Mennike NZG 2004, 846, 852 f.; Sieger/ Hasselbach NZG 2001, 926 ff. 928 Sec. 429–430F Companies Act 1985. 929 Art. 111 Testo Unico della Finanza. 926
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für den Sitz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Frankfurt am Main zuständige Landgericht. Auf das Verfahren ist gem. § 39b Abs. 1 WpÜG das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden, soweit in den Abs. 2 bis 5 nichts anderes bestimmt ist. Mit rechtskräftiger Entscheidung gehen gem. § 39b Abs. 5 Satz 3 WpÜG alle Aktien der übrigen Aktionäre auf den zum Ausschluss berechtigten Aktionär über. Der Beschluss – und damit grundsätzlich auch die Angemessenheit der Gegenleistung – kann mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, die aufschiebende Wirkung entfaltet. Über sie entscheidet das OLG Frankfurt am Main. Eine weitere Beschwerde ist ausgeschlossen, § 39 Abs. 3 Sätze 3–6 WpÜG. 3. Weitere mögliche Gestaltung des übernahmerechtlichen Squeeze-out-Verfahrens Zur Sicherung der Minderheitsaktionäre hätten, ähnlich wie in Frankreich930, auch die aufsichtsrechtlichen Verfahren genutzt werden können, die das WpÜG für öffentliche Angebote bereits vorsieht. Einen entsprechenden Vorschlag haben Austmann/Mennicke931 veröffentlicht. Entsprechend den Bestimmungen in §§ 14 und 15 WpÜG für die Angebotsunterlage könnte der Bieter sein Verlangen danach der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) übermitteln. Dies müsste innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist für das öffentliche Angebot geschehen (Art. 15 Abs. 4 der Richtlinie). Die BaFin hätte dann die Ordnungsgemäßheit des Ausschlussverlangens zu prüfen, insbesondere das Vorliegen der erforderlichen Mindestbeteiligung, die Ordnungsgemäßheit der Abfindung und das Vorliegen der Bankgarantie. Ein für ordnungsgemäß befundenes Ausschlussverlangen würde die BaFin zur Veröffentlichung zulassen. Nach Ablauf einer zuvor gesetzten Frist ab dem Datum der Veröffentlichung würden die Aktien kraft Gesetzes auf den Bieter übergehen.932 Eine ausreichende Information der Minderheitsaktionäre könnte durch entsprechende inhaltliche Anforderungen an die Angebotsunterlage und das Ausschlussverlangen gewährleistet werden.933 930 Art. 5-7-1 bis 5-7-3 des Règlement Général des CMF. In Frankreich läuft das Verfahren über die französische Börsenaufsichtsbehörde Autorité des Marchés Financiers (AMF). 931 Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 853. Zu dieser Gestaltungsmöglichkeit auch DAV NZG 2006, 217, 220. 932 Zu den möglichen Einzelheiten eines solchen Verfahrens vgl. den detaillierten Vorschlag von Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 853. 933 Dazu ebenfalls ausführlich Austmann/Mennicke a. a. O.
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Rechtsschutz könnte durch die Möglichkeit des Angriffs der Verfügung des BaFin mit Widerspruch bei der BaFin (vgl. § 41 WpÜG) und Beschwerde zum Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat des OLG Frankfurt am Main (vgl. §§ 48, 67 WpÜG) gewährt werden.934 Entsprechend § 327f Abs. 1 AktG dürften Widerspruch und Beschwerde jedoch nicht darauf gestützt werden, dass das Ausschlussverlangen eine der Art nach falsche oder eine zu niedrige Abfindung enthalte. Stattdessen wäre den Minderheitsaktionären insoweit ein Spruchverfahren zu eröffnen, in dem Art und Höhe der Abfindung überprüft werden könnten.935 III. Abfindung Art und Höhe der Abfindung müssen angemessen sein. Im Gegensatz zu den §§ 327a ff. AktG schreibt die Übernahmerichtlinie nicht vor, dass die Abfindung in Bargeld erfolgen muss. Die Abfindung muss dieselbe Form aufweisen wie die Gegenleistung des vorangegangen Übernahme- bzw. Pflichtangebots (Art. 15 Abs. 5 Satz 1 der Richtlinie). War dieses Angebot ein Tauschangebot, so müsste sie demnach auch in den zuvor angebotenen Wertpapieren bestehen können. Die Mitgliedstaaten können allerdings vorsehen, dass zumindest wahlweise eine Geldleistung angeboten werden muss (Art. 15 Abs. 5 Satz 3 der Richtlinie). Dies sieht nun auch § 39a Abs. 3 Satz 2 WpÜG vor. Die Richtlinie hat die im Kommissionsvorschlag von Oktober 2002 noch vorgesehene Festlegung der Höhe der Abfindung durch einen Sachverständigen936 aufgegeben. Stattdessen vermutet sie die Angemessenheit der Abfindung in zwei Fällen: Nach einem freiwilligen Angebot gilt die Gegenleistung des Angebots als angemessen, wenn der Bieter durch die Annahme des Angebots Wertpapiere erworben hat, die mindestens 90% des Grundkapitals entsprechen, das Gegenstand des Angebots war.937 Nach einem 934 Vgl. auch hierzu den detaillierten Vorschlag von Austmann/Mennicke, NZG 2004, 846, 854. 935 Ebenso Austmann/Mennicke a. a. O. Da auch diese Gestaltungsmöglichkeit nicht ohne gerichtlichen Rechtsschutz auskommt, scheint es am ökonomischsten, die Übertragungsentscheidung – wie geschehen – sogleich den Gerichten zu überlassen. So schon DAV, NZG 2006, 217, 220; vgl. auch Merkt/Binder, BB 2006, 1285, 1291. 936 Art. 14 Abs. 4 Satz 2 des Kommissionsvorschlages vom 02.10.2002. 937 Art. 15 Abs. 5 Satz 4 der Richtlinie. Vgl. insoweit auch den Streit um eine ähnliche Lösung in § 327b Abs. 1 Satz 2 AktG im Regierungsentwurf zum WpÜG, der dann aber gestrichen wurde. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken, die gegen diese Regelung eingewendet wurden, siehe Ehricke/Roth DStR 2001, 1127; Rühland NZG 2001, 448, 455; Vetter AG 2002, 176, 188. Auch die Verfassungsmäßigkeit einer nach der Übernahmerichtlinie umzusetzenden Vorschrift ist mittlerweile Ge-
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Pflichtangebot gilt die Gegenleistung des Angebots als angemessen, ohne dass weitere Voraussetzungen erfüllt sein müssen.938 Der deutsche Gesetzgeber hat von der zweiten Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht. § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG sieht vielmehr sowohl für Übernahme- als auch für Pflichtangebote vor, dass die Gegenleistung dann als angemessene Abfindung anzusehen ist, wenn der Bieter auf Grund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90% des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat.939 Die Übernahmerichtlinie enthält keine Vorgaben zu einer etwaigen Sicherung des Abfindungsanspruchs. So hat der deutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung der Richtlinie von einer entsprechenden Regelung im WpÜG abgesehen. Für eine Sicherung des Abfindungsanspruchs im übernahmerechtlichen Squeeze-out-Verfahren sprechen jedoch dieselben Erwägungen, die zur Besicherung der Abfindung in § 327b Abs. 3 AktG geführt haben. Bei dem Bieter im übernahmerechtlichen Squeeze-out-Verfahren kann es sich um einen in- oder ausländischen Aktionär beliebiger Rechtsform handeln. Ohne Besicherung des Abfindungsanspruchs trägt aber der ausgeschlossene Aktionär das Insolvenzrisiko des Bieters.940 IV. Stellungnahme Die Umsetzung der Richtlinie in den §§ 39a–c WpÜG ist mit Blick darauf zu begrüßen, dass sie auf einen Hauptversammlungsbeschluss als Voraussetzung für den Ausschluss der verbliebenen Minderheitsaktionäre vergenstand einer Diskussion. Vgl. Heidel/Lochner DB 2005, 2564 ff.; Rühland NZG 2006, 401 ff. Ausdrücklich für die Verfassungsmäßigkeit der nun in § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG normierten Regelung mit überzeugenden Argumenten jedoch DAV NZG 2006, 217, 219 f.; Hasselbach ZGR 2005, 387, 406 ff.; Hopt/Mülbert/Kumpan AG 2005, 109, 114; Krause BB 2004, 113, 117; Mülbert NZG 2004, 633, 634; Maul NZG 2005, 151, 157; van Kann/Just DStR 2006, 328, 331. 938 Art. 15 Abs. 5 Satz 5 der Richtlinie. Dass die Richtlinie bei der Angemessenheitsvermutung insofern differenziert, als sie eine Mindestannahmeschwelle und damit einen Markttest des angebotenen Preises nur bei einem vorangehenden freiwilligen, nicht aber auch bei einem Pflichtangebot verlangt, ist angesichts der Preisvorschriften der Richtlinie konsequent. Vgl. auch Austmann/Mennicke, NZG 2004, 846, 849. Die Richtlinie macht nämlich allein für die Gegenleistung des Pflichtangebots konkrete Vorgaben (Art. 5 Abs. 4), während der Bieter in der Preisgestaltung beim freiwilligen Angebot frei ist. 939 Da das WpÜG dieselben verbindlichen Preisregeln beim Übernahme- und beim Pflichtangebot vorsieht, war die Vermutungsregel auch auf Pflichtangebote anzuwenden. Vgl. dazu die Gesetzesbegründung, BR-Drs. 154/06, S. 42 und BT-Drs. 16/1003, S. 22; DAV, NZG 2006, 217, 219 f. 940 Dazu schon ausführlich oben Kapitel I. Obwohl dies wünschenswert wäre, sehen §§ 39a–c WpÜG keine derartige Besicherung des Abfindungsanspruchs vor.
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zichtet. Dies kann eine erhebliche Erleichterung und damit einhergehend auch eine Beschleunigung des Verfahrens bedeuten. Übersehen werden darf jedoch nicht, dass die Angemessenheit der Gegenleistung grundsätzlich in dem Antrag auf Übertragung der Aktien der Minderheitsaktionäre an das Landgericht Frankfurt am Main darzulegen ist.941 Der Beschluss und damit auch die Angemessenheit der Gegenleistung können mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden, die keine aufschiebende Wirkung entfaltet. Wie die bisherige Erfahrung mit den Spruchverfahren zeigt, kann solch eine gerichtliche Überprüfung der Angemessenheit der Gegenleistung mehrere Jahre in Anspruch nehmen. Im Ergebnis stellt das neue übernahmerechtliche Squeeze-out-Verfahren damit grundsätzlich keine Verbesserung gegenüber der bisherigen aktienrechtlichen Regelung dar.942 Kann dort die Angemessenheit der Barabfindung in einem Spruchverfahren überprüft werden, dass die Durchführung des Squeeze-outs zeitlich nicht beeinträchtigt, so kann sich ein übernahmerechtliches Squeeze-out-Verfahren aufgrund der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde jahrelang hinziehen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Vermutung der Angemessenheit der Gegenleistung des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG greift, der Bieter also auf Grund des Angebots Aktien in Höhe von mindestens 90% des vom Angebot betroffenen Grundkapitals der Gesellschaft erworben hat. Die Angemessenheit der Gegenleistung kann dann nicht mehr in einem zeitintensiven Beschwerdeverfahren überprüft werden. Im Sinne einer wirklichen Verfahrensbeschleunigung wäre hier wünschenswert gewesen, dass der Gesetzgeber sich diesbezüglich näher an den aktienrechtlichen Regelungen orientiert hätte. Entsprechend der Regelung in § 327f Abs. 1 AktG zum aktienrechtlichen Squeeze-out hätte den Minderheitsaktionären ein Spruchverfahren eröffnet werden können, in dem die Angemessenheit der Abfindung in Bezug auf Art und Höhe überprüft werden könnte. Das im Spruchverfahrensgesetz geregelte Verfahren943 könnte insoweit auf den übernahmerechtlichen Squeeze-out erstreckt werden.944 Daneben stellt die fehlende Besicherung der Gegenleistung ein Manko der neuen Regelung dar. 941
So schon Diekmann NJW 2007, 17, 20. So auch Diekmann NJW 2007, 17, 20. 943 Zum Spruchverfahren schon ausführlich oben Kapitel III § 3 E.II. 944 So auch Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 851. Das Gesetz sieht hingegen zurzeit als einziges Rechtsmittel die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vor, die zudem auch noch aufschiebende Wirkung entfaltet. Inwieweit damit das für alle Seiten bestmögliche Verfahren gewählt wurde, ist fraglich. 942
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Kap. VI: Squeeze-out im EU-Recht
C. Andienungsrecht der Minderheitsaktionäre (Sell-out) Spiegelbildlich zum Squeeze-out räumt die Richtlinie Minderheitsaktionären in Art. 16 die Möglichkeit ein, im Anschluss an ein Übernahme- und Pflichtangebot vom Bieter verlangen zu können, ihnen ihre verbliebenen Anteile zu einem angemessenen Preis abzukaufen. Dieses Verfahren war bisher insbesondere in Skandinavien verbreitet.945 Im Übrigen wird auf die Regelungen über den Squeeze-out verwiesen. Der deutsche Gesetzgeber hat diese Regelung in § 39c WpÜG umgesetzt. Ebenso wie beim Squeeze-out ist die Durchführung eines Sell-out-Verfahrens daran gebunden, dass der Bieter zuvor ein Angebot an alle Wertpapierinhaber für sämtliche Wertpapiere abgegeben hat (Art. 16 Abs. 1 der Richtlinie). Auch ist notwendig, dass die erforderliche Beteiligungsschwelle vorliegt, der Bieter also entsprechend § 39a Abs. 1 WpÜG mindestens 95% des stimmberechtigten Grundkapitals hält. Unproblematisch ist auch, dass das Andienungsrecht innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist ausgeübt werden muss. Da die Annahmefrist auch eine Verlängerung nach der in § 16 Abs. 2 WpÜG geregelten so genannten Zaunkönigregelung umfasst, bieten sich für Aktionäre, die das ursprüngliche Angebot nicht angenommen haben, nunmehr zwei Möglichkeiten, ihre Anteile doch noch an den Bieter zu verkaufen: Zum einen können sie nach § 16 Abs. 2 WpÜG noch innerhalb von zwei Wochen, nachdem der Bieter die Annahmequote veröffentlicht hat, das Angebot des Bieters annehmen. Zum anderen muss den Aktionären, wenn spätestens dann die Squeeze-out-Schwelle erreicht ist, für weitere drei Monate die Gelegenheit gegeben werden, ihre Aktien dem Bieter anzudienen.946 Die Zaunkönigregelung und der Sell-out stehen dabei sachlich – und nicht etwa zeitlich – nebeneinander und können nicht in der Weise zusammengefasst werden, dass die weitere Annahmefrist des § 16 Abs. 2 WpÜG einfach auf drei Monate ausgedehnt wird.947 Im Gegensatz zum Sell-out ist für die Zaunkönigregelung das Erreichen der Squeeze-outBeteiligungsschwelle keine Voraussetzung. Es wäre daher nicht sachgerecht, die weitere Annahmefrist des § 16 Abs. 2 WpÜG in jedem Fall, also auch ohne Vorliegen der Mindestbeteiligung, auf drei Monate zu verlängern. 945 Maul NZG 2005, 151, 157; Maul/Muffat-Jeandet AG 2004, 306, 317. Hasselbach stellt zu Recht fest, dass das gesetzliche Andienungsrecht für den deutschen Gesetzgeber noch weitgehend „terra incognita“ darstellt. Vgl. Hasselbach ZGR 2005, 387, 388. 946 Das Andienungsrecht wird daher auch häufig als bloße Verlängerung der Annahmefrist bezeichnet. Vgl. DAV NZG 2006, 217, 222; Holzborn/Peschke BKR 2007, 101, 106; Schüppen BB 165, 169; van Kann/Just DStR 2006, 328, 332. 947 So schon Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 855; Seibt/Heiser ZIP 2002, 2193, 2203.
§ 2 EU-Übernahmerichtlinie von 2004
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Preisregeln und Angemessenheitsvermutungen sind beim übernahmerechtlichen Sell-Out entbehrlich. Die Aktionäre, die von ihrem Andienungsrecht Gebrauch machen, erhalten genau die Gegenleistung des öffentlichen Angebots.948 Dies dürfte verfassungsrechtlich unbedenklich sein, da die Minderheitsaktionäre anders als beim Squeeze-out ihre Aktien nicht zwangsweise verlieren, sondern mit der Andienung eine eigene Desinvestitionsentscheidung treffen.949
D. Ausblick Dass nunmehr nach jahrzehntelangem Ringen endlich eine europäische Squeeze-out-Regelung geschaffen wurde, ist im Sinne der Rechtsvereinheitlichung zu begrüßen. Wie die Praxis den in den §§ 39a–c WpÜG neu geregelten übernahmerechtlichen Squeeze-out annehmen wird, bleibt abzuwarten. Greift die Angemessenheitsvermutung des § 39a Abs. 3 Satz 3 WpÜG und ist die Angemessenheit der Gegenleistung daher nicht gerichtlich anfechtbar, so stellt der übernahmerechtliche Squeeze-out durch seinen Verzicht auf einen Hauptversammlungsbeschluss eine einfachere und schnellere Alternative zum aktienrechtlichen Squeeze-out dar. Gilt die Angemessenheitsvermutung mangels einer entsprechend hohen Annahmequote des ursprünglichen Angebots hingegen nicht, so wird bei bestehender Gefahr einer sofortigen Beschwerde kaum ein Unternehmen die übernahmerechtlichen Vorschriften zur Durchführung eines Squeeze-outs wählen. Hier stellen die §§ 327a–f AktG die vorzugswürdigere Alternative dar, da ein drohendes Spruchverfahren die Durchführung des Squeeze-outs unberührt lässt. Die §§ 327a ff. AktG werden daneben weiterhin bei nicht börsennotierten Aktiengesellschaften und nach Ablauf der Ausübungsfrist von großer Bedeutung bleiben.
948 Vgl. § 39c WpÜG, dessen Wortlaut insoweit von dem der Richtlinie abweicht und der statt eines „Abkaufens der Aktien zu einem angemessenen Preis“ von einer Verlängerung der Annahmefrist spricht. Alternativ wäre auch die Übernahme des Wortlauts der Richtlinie und eine anschließende Bündelung möglicher Verfahren denkbar gewesen, um kostspielige Unternehmensbewertungen in jedem Einzelfall zu vermeiden. Vgl. dazu Krause BB 2004, 113, 119; Maul NZG 2005, 151, 157; Maul/ Muffat-Jeandet AG 2004, 306, 317. 949 Ebenso Austmann/Mennicke NZG 2004, 846, 855, DAV NZG 2006, 217, 222; kritisch hierzu Schüppen BB 165, 168 f.
Kapitel VII
Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse Der deutsche Squeeze-out ist als aktienrechtliches Institut konzipiert und geht als solches in seinem Anwendungsbereich viel weiter als vergleichbare Regelungen in anderen europäischen Ländern. Dies spiegelt sich auch in der im vorletzten Jahr verabschiedeten EU-Übernahmerichtlinie wieder. Die dort enthaltene Squeeze-out-Regelung zeichnet den gemeinsamen Nenner der europäischen Regelungen ab: Einen Squeeze-out im übernahmerechtlichen Kontext, der nur zeitlich begrenzt in Folge eines Übernahmeangebots ausgeübt werden kann. Wenn auch in der Konzipierung ganz anders, so sind die amerikanischen Möglichkeiten zum Ausschluss von Minderheitsaktionären der deutschen im Ergebnis doch sehr ähnlich. Zwar besteht eine den europäischen Regelungen vergleichbare Squeeze-out-Regelung dort nicht. Doch kann der Ausschluss der Minderheitsaktionäre aus einer Aktiengesellschaft auf andere Art erreicht werden. Ähnlich wie in Deutschland sind diese Möglichkeiten zum Ausschluss von Minderheitsaktionären nicht auf einen übernahmerechtlichen Kontext beschränkt. Auch findet eine zeitliche Begrenzung der Ausübungsmöglichkeit nicht statt.
§ 1 Möglichkeiten der Strukturierung Der Gesetzgeber hat mit den §§ 327a–f AktG in Deutschland ein effektives, kostengünstiges und schnelles Verfahren zum Ausschluss von Minderheitsaktionären aus einer Aktiengesellschaft geschaffen. Ein vergleichbares gesellschaftsrechtliches Gestaltungsmittel existiert in den USA nicht. Dort ist der Ausschluss von Minderheitsaktionären nur in Folge von Strukturmaßnahmen möglich. Dann allerdings auch schon in Fällen, in denen der Mehrheitsaktionär knapp über 50% der Anteile hält. Dieses in Deutschland kaum vorstellbare Ergebnis erklärt sich aus einer Besonderheit des amerikanischen Umwandlungsrechts. Danach muss ein angemessener Ausgleich für die verlorenen Anteile im Rahmen einer Verschmelzung nicht in Anteilen der neuen Gesellschaft gewährt werden, sondern kann gleichwohl in bar erfolgen. Amerikanische Unternehmen nutzen daher vorwiegend dieses
§ 3 Materielle Rechtmäßigkeitskontrolle
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Modell, den so genannten squeeze-out merger, zum Ausschluss von unliebsamen Minderheitsaktionären. Daneben stehen ihnen aber mit dem sale of assets ein der deutschen „übertragenden Auflösung“ vergleichbares Modell, sowie der parent-subsidiary merger, der mit der deutschen Eingliederung vergleichbar ist, zur Verfügung.
§ 2 Beschlusserfordernis Der amerikanische squeeze-out merger ebenso wie die §§ 327a ff. AktG setzen für die Wirksamkeit des Ausschlusses von Minderheitsaktionären einen zuvor entsprechend gefassten Hauptversammlungsbeschluss voraus. Für den squeeze-out merger erklärt sich dies daraus, dass es sich hier bei der beschlossenen Verschmelzung um eine wesentliche Strukturentscheidung handelt, die der Zustimmung der Hauptversammlung bedarf. Im deutschen Recht kann eine solche Begründung für das gesetzlich normierte Beschlusserfordernis jedoch nicht gleichsam herangezogen werden. Hier wird ein Squeeze-out gerade losgelöst von anderweitigen Strukturmaßnahmen durchgeführt. Die Struktur der Gesellschaft wird durch den deutschen Squeeze-out gerade nicht verändert. Vielmehr handelt es sich bei dem deutschen Squeeze-out um ein Gestaltungsrecht des Hauptaktionärs, das nur aus pragmatischen Gründen in die Form eines korporativen Rechtsaktes gekleidet wurde. Erforderlich war dies jedoch keinesfalls. Dies zeigt sich umso mehr bei einem Vergleich mit dem amerikanischen Konzept des short-form mergers. Hält der Mehrheitsaktionär bei Durchführung einer Verschmelzung mehr als 90% der Anteile der zu verschmelzenden Gesellschaft, so ist ein Hauptversammlungsbeschluss entbehrlich. Begründung hier: Eine Zustimmung zur Verschmelzung gilt bei diesen Mehrheitsverhältnissen als sicher, der Schutz der auszuschließenden Minderheit kann auch auf andere Weise gewährleistet werden. Gleiches kann jedoch auch in Deutschland gelten.
§ 3 Materielle Rechtmäßigkeitskontrolle Ein deutscher Squeeze-out-Beschluss trägt seine sachliche Rechtfertigung bereits in sich. Die Abwägung der widerstreitenden Interessen von Hauptaktionär und auszuschließenden Minderheitsaktionären hat der Gesetzgeber bereits selbst vorgenommen. Die für den Squeeze-out erforderliche Beteiligungsquote von 95% schafft eine Hürde, bei deren Erreichen der Gesetzgeber von einem Überwiegen des Interesses des Hauptaktionärs an einer
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Kap. VII: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
uneingeschränkten Unternehmensführung ausgeht. Diese gesetzgeberische Wertung kann im Regelfall nicht mit der Argumentation unterlaufen werden, dass der Hauptaktionär bei der Durchführung eines Squeeze-out treuwidrig handele. In den USA hat dagegen kein Gesetzgeber eine abschließende Abwägung zwischen den Interessen des Mehrheitsaktionärs und der auszuschließenden Minderheitsaktionäre vorgenommen. Hier ist aufgrund der andersartigen Gestaltungsmöglichkeiten ein Ausschluss der Minderheitsaktionäre als „Nebeneffekt“ einer Strukturveränderung schon bei einer Mehrheitsbeteiligung von knapp über 50% möglich. Eine Abwägung der widerstreitenden Interessen findet erst durch die Gerichte statt, die in vielen Bundesstaaten im Einzelfall anhand des business purpose test die Legitimität des Interesses des Mehrheitsaktionärs am Ausschluss der Minderheit untersuchen. Daneben ist in den USA anders als in Deutschland auch eine Prüfung der Einhaltung der Sorgfaltspflichten der Mitglieder der Unternehmensleitung bei Durchführung der Squeeze-out-Transaktion von besonderer Bedeutung. Anders als in Deutschland wird das gesamte Verfahren hier von den boardMitgliedern durchgeführt. Sie entscheiden über die Durchführung der Transaktion und sind dabei in besonderem Maße an ihre Sorgfalts- und Treuepflichten gebunden. In Deutschland wird der Vorstand dagegen nur für den Hauptaktionär tätig, den er bei der Durchführung des Squeeze-outs, insbesondere durch Ausrichtung der Hauptversammlung, unterstützt. Eine Entscheidung über das „Ob“ des Squeeze-out trifft der deutsche Vorstand nicht. Hier bietet sich daher weniger Angriffsfläche für eine auf eine Sorgfaltspflichtverletzung gestützte Anfechtungsklage.
§ 4 Andienungsrecht Anders als nach dem deutschen Aktienrecht steht den der Squeeze-outTransaktion widersprechenden Minderheitsaktionären in den USA mit dem appraisal remedy ein Austrittsrecht gegen Abfindung zu. Ein solches Andienungsrecht findet sich auch in der EU-Übernahmerichtlinie. Dass ein solches Andienungsrecht im deutschen Aktienrecht bisher fehlt, stellt ein absolutes Manko der §§ 327a ff. AktG dar. Zwar ist der deutsche Gesetzgeber aus der EU-Übernahmerichtlinie verpflichtet, ein solches Andienungsrecht im deutschen Recht zu kodifizieren. Dies erfasst aber allein einen übernahmerechtlichen Kontext und wurde daher bedauerlicherweise auch nur im Bereich des WpÜG umgesetzt.
§ 6 Wertende Betrachtung und Ausblick
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§ 5 Rechtsschutz Sowohl das deutsche, als auch das amerikanische Recht unterscheiden zwischen der Anfechtung des Übertragungsbeschlusses und der Geltendmachung der Unangemessenheit einer Barabfindung im Spruchverfahren. Wo allein die Angemessenheit des finanziellen Ausgleichs des Minderheitsaktionärs für den Verlust seiner Beteiligung in Frage steht, soll ein gerichtliches Verfahren nicht die Durchführung der Maßnahme als solcher verzögern oder gar verhindern können. Entsprechende Begehren werden daher im deutschen Aktienrecht in das Spruchverfahren, in den USA in die appraisal proceedings verwiesen.
§ 6 Wertende Betrachtung und Ausblick Der tiefere Blick in die Lösungsmodelle zum Ausschluss von Minderheitsaktionären in Deutschland und den USA zeigt, dass beide Rechtsordnungen sehr unterschiedliche Wege zum Schutz der Minderheitsaktionäre bei Squeeze-out-Transaktionen gefunden haben. Während der deutsche Gesetzgeber die Minderheitsaktionäre vor einem unberechtigten Ausschluss aus der Gesellschaft schwerpunktmäßig dadurch schützt, dass er den Squeeze-out nur im Rahmen eines besonders geregelten Verfahrens zulässt und eine besonders hohe Beteiligungsquote des Hauptaktionärs für die Durchführung eines Squeeze-out verlangt, verzichtet das US-amerikanische Recht auf die Normierung einer besonders hohen Beteiligungsschwelle und legt den Schutz der Minderheitsaktionäre im Rahmen einer materiellen Beschlusskontrolle in die Hände der Gerichte. Im Ergebnis gewährleisten beide Rechtsordnungen so – wenn auch auf sehr unterschiedliche Weise – einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Mehrheitsgesellschafters an einer unbeeinflussten Unternehmensführung und den Interessen der Minderheitsaktionäre am Erhalt ihrer Mitgliedschaft. Während der deutsche Gesetzgeber ein Überwiegen des Interesses an der hohen Beteiligungsquote festmacht, erlaubt das amerikanische Recht sich mehr Flexibilität und führt eine Interessenabwägung im Einzelfall durch. Aus der Vergleichung der beiden unterschiedlichen Herangehensweisen an den Schutz der Minderheitsaktionäre in Deutschland und den USA lassen sich zwei wesentliche Ergebnisse ziehen: Zum einen ist ein Hauptversammlungsbeschluss zur Durchführung eines Squeeze-outs nicht zwingend erforderlich. Wie die Erfahrungen mit dem amerikanischen short-form merger zeigen, der aufgrund der besonderen Mehrheitsverhältnisse auf ein
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Kap. VII: Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse
Beschlusserfordernis verzichtet, können die Interessen der Minderheitsaktionäre auch anderweitig ausreichend gewahrt werden. Zum anderen zeigt die Gegenüberstellung der verschiedenen Rechtsordnungen, dass ein Andienungsrecht Minderheitsaktionären zusätzlichen Schutz bietet. Der Schutz der Minderheitsaktionäre geht in den USA an dieser Stelle weiter als in Deutschland. Gewährt das deutsche Recht dem Minderheitsaktionär mit Ausnahme speziell übernahmerechtlicher Situationen bisher kein mit dem Ausschlussrecht des Hauptaktionärs korrespondierendes Austrittsrecht, so steht dem betroffenen Minderheitsaktionär in den USA ein solches zu. Zwar erklärt sich dies auch daraus, dass dieses appraisal right wie die Austrittsrechte im deutschen Umwandlungs- und Konzernrecht an das Vorliegen einer Strukturveränderung der Gesellschaft anknüpft. Eine solche liegt beim deutschen Squeeze-out gerade nicht vor. Unabhängig von der Konstruktion des Ausschlusses der Minderheitsaktionäre sind die Maßnahmen jedoch in beiden Fällen jedenfalls in ihrem Ergebnis identisch. Es kann daher mit guten Gründen für die Normierung eines Andienungsrechts als Spiegelbild des Ausschlussrechts des Mehrheitsaktionärs plädiert werden. Ein Andienungsrecht auch im deutschen Aktienrecht würde hier einen wesentlichen weiteren Beitrag zum Minderheitenschutz leisten, indem es den Minderheitsaktionären ein starkes Gegenwicht zum Ausschlussrecht des Mehrheitsaktionärs an die Hand gibt. Es ist daher zu wünschen, dass der deutsche Gesetzgeber die Umsetzung der EU-Übernahmerichtlinie zum Anlass nimmt, auch im aktienrechtlichen Squeeze-out ein Andienungsrecht der Minderheitsaktionäre einzufügen. Damit wäre ein wesentlicher weiterer Beitrag zum Schutz der Minderheitsaktionäre geleistet.
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Sachverzeichnis Abfindungsbemessung – Buchwertverfahren 127 – DAT/Altana-Beschluss 128 f. – Delaware Block Method 203 ff. – Discounted-Cash-Flow-Verfahren 127, 205 f. – Ertragswertverfahren 126 f. – Stuttgarter Verfahren 127 f. Abfindungswertbezogene Informationsmängel 132 ff. Alternative Ausschlusstechniken – Eingliederung 39 ff. – Übertragende Auflösung 35 ff. – Umwandlungsrecht 34 ff. Anfechtungsklage 131 ff. Appraisal – Anteilsbewertung 203 ff. – Appraisal Right 197 ff. – Appraisal Verfahren 201 f. Austrittsrecht – außerordentliches Austrittsrecht 76 ff. – ordentliches Austrittsrecht 74 ff. Ausübungsfrist 55 f. Bedingte Aktienbezugsrechte 96 ff. Board of Directors 163 Business Judgment Rule 166 ff. Business Purpose Test 190 ff. Compulsory Stock Exchange 154 Consolidation 151 Contract Theory 160 f. Dartmouth College Case 160 Delaware General Corporation Law (Del. GCL) 150
Duty of Care 164 ff. Duty of Loyalty 174 ff. Eingliederung siehe Alternative Ausschlusstechniken Entire Fairness Test 177, 187 ff. EU-Übernahmerichtlinie 215, 221 ff. Fair Dealing 189 f. Fair Price 190 Feldmühle-Urteil 48 f. Fiduciary Duties 164 ff. Freeze-out 29 Gattungsbezogener Squeeze-out 229 f. Going Private – Bedeutung des Squeeze-out 46 – Gründe 43 – Techniken 43 ff. Greenmailing 20 Hauptversammlungsbeschluss – Erfordernis 105 ff. – Erläuterungspflicht des Vorstandes 112 f. – Materielle Beschlusskontrolle 109 f., 115 ff. – Sorgfaltspflichten des Vorstandes 110 ff. – Treuepflichten des Hauptaktionärs 113 ff. Independent Director 178 f. Kapitalerhöhung mit Bezugsrechtsausschluss 122 f. Kommanditgesellschaft auf Aktien 147
Sachverzeichnis Market Exception 199 f. Model Business Corporation Act (MBCA) 150 MotoMeter-Beschluss 50, 52 Personalistische Aktiengesellschaft 58 ff., 94 f. Plan of Merger 163 Proxy Rules 209 f. Qualitativ-Quantitativ-Test 156 Rechtsvergleichung 20 Reverse Stock Split 156 f. Safe Harbors 181 f. Sale of Assets 155 f. SEC Rule 13e-3 211 f. SEC Rule 10b-5 210 f. Sell-out 236 f. Short-form Merger 152 f. Spruchverfahren 140 ff.
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Squeeze-out – Begriff 28 ff. – Entstehungsgeschichte 27 f. – praktische Relevanz 23 – Überblick 30 f. – Vorteile 32 Squeeze-out Merger 154 f. Statutory Merger 151 f. Steuerrecht 143 ff. Substantive Fairness Test 176 f. Trans Union Case 170 ff. Triangular Merger 153 f. Verfassungsrechtliche Grundlagen – in den USA 160 ff. – in Deutschland 48 ff. Verwirkung 56 ff. Weinberger v. UOP, Inc. 177, 187 ff.