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German Pages 276 Year 2006
Beiträge zum Sportrecht Band 25
Ausländerklauseln im organisierten Freizeitsport Von Marc Seymer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
MARC SEYMER
Ausländerklauseln im organisierten Freizeitsport
Beiträge zum Sportrecht Herausgegeben von Kristian Kühl, Udo Steiner und Klaus Vieweg
Band 25
Ausländerklauseln im organisierten Freizeitsport
Von Marc Seymer
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Chemnitz hat diese Arbeit im Jahre 2005 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2006 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1435-7925 ISBN 3-428-12167-8 978-3-428-12167-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im April 2005 von der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Chemnitz als Dissertation angenommen. Nachfolgende Literatur konnte bis einschließlich April 2006 berücksichtigt werden. Quellennachweise aus dem Internet beziehen sich auf den Stand vom 30.04.2006. Aufrichtig danken möchte ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Ludwig Gramlich, der die Betreuung der Arbeit trotz vielfältiger anderer Aufgaben übernommen hat. Die jederzeitige Bereitschaft zur inhaltlichen Auseinandersetzung und die mir entgegengebrachte menschliche Wärme werden mir immer in Erinnerung bleiben. Die Erstattung des Zweit- und Drittgutachtens haben freundlicherweise Herr Prof. Dr. Werner Geppert und Herr Prof. Dr. Matthias Niedobitek übernommen, bei denen ich mich hierfür bedanke. Für die Aufnahme der Arbeit in die Schriftenreihe „Beiträge zum Sportrecht“ bin ich Herrn Prof. Dr. Dr. Kristian Kühl, Herrn Richter des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Udo Steiner sowie Herrn Prof. Dr. Klaus Vieweg zu Dank verpflichtet. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei Herrn Rechtsanwalt Hans Peter Gartner für die thematische Anregung und die notwendigen Freiräume, ohne die das Entstehen der Dissertation neben der Tätigkeit als Rechtsanwalt unmöglich gewesen wäre. Nicht zuletzt schulde ich meinen Eltern Dank, die mich in jeder Phase meines Lebens gefördert und unterstützt haben. Ihnen gebührt ein erheblicher Anteil am Gelingen dieser Arbeit. Dies gilt gleichermaßen für meine Geschwister Dominik, Alexander, Martin und Franziska, deren Rückhalt ich mir zu jeder Zeit sicher sein konnte. Von ganzem Herzen danken möchte ich auch meiner lieben Freundin Conny Birner, die mir immer Hilfe und Unterstützung war und mit der ich einen Teil des Weges gemeinsam gehen durfte.
Wiesbaden, im April 2006
Marc Seymer
Inhaltsverzeichnis Einleitung ...................................................................................................................... 21 I. Grundlagen ............................................................................................................. 23 1. Begriffsbestimmungen und Gegenstand der Untersuchung ............................... 23 a) Zur Abgrenzung des Berufs- vom Freizeitsport........................................... 23 b) Rechtstatsächliche Probleme einer Abgrenzung .......................................... 24 c) Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Gang der Darstellung ... 26 2. Zur sozial-integrativen Funktion des Sports....................................................... 28 3. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Verein .................................................. 31 a) Der Erwerb der Mitgliedschaft im Verein.................................................... 32 b) Rechte und Pflichten des Spielers als aktives Vereinsmitglied .................... 32 c) Regelungsebenen bei vereinsautonomer Normsetzung................................ 35 aa) Vereinssatzung und Verfassung............................................................. 35 bb) Vereinsordnung und Geschäftsordnung................................................. 36 d) Die Bindung des Mitgliedes an vereinseigene Regelwerke ......................... 37 aa) Normtheorie und Vertragstheorie .......................................................... 38 bb) Stellungnahme ....................................................................................... 38 4. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Sportverband........................................ 40 a) Der Begriff des Sportverbandes................................................................... 40 b) Die Organisation als Vereinsverband........................................................... 41 c) Aufbau und Organisation des deutschen Sportverbandswesens................... 41 d) Der Begriff der „mittelbaren“ Mitgliedschaft .............................................. 42 e) Die Bindung des Sportlers an Regelwerke des Dachverbandes auf Grundlage unmittelbarer Rechtsbeziehung .................................................. 43
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Inhaltsverzeichnis aa) Die Bindung des Sportlers durch Meldung zum Wettkampf ................. 43 bb) Anerkennung des Regelwerkes durch Beantragung eines Spielerpasses bzw. einer Lizenz............................................................................. 45 cc) Die faktische Anerkennung durch Integration in Verbandsabläufe ....... 46 dd) Das „mitgliedschaftsähnliche“ Verhältnis des Sportlers zum Verband, begründet durch gemeinsame Zweckverfolgung.......................... 47 f) Die Bindung des Sportlers an Regelwerke des Dachverbandes auf satzungsrechtlicher Grundlage.........................................................................48 aa) Allgemeines........................................................................................... 48 bb) Einseitige Geltungsanordnung durch die Satzung des Verbandes ......... 49 cc) Geltungsvorrang der Verbandssatzung als höherrangige Rechtsquelle...49 dd) Die Einbeziehung fremder Regelwerke durch den Verein mit Bindungswirkung für das Vereinsmitglied durch Doppelverankerung........ 51 (1) Begriff der Doppelverankerung....................................................... 51 (2) Inhaltliche Anforderungen an die Bestimmtheit der Verweisung auf fremde Regelwerke.................................................................... 52 (3) Die Unzulässigkeit dynamischer Verweisungen ............................. 52 ee) Die Übernahme von Vereinsordnungen................................................. 54 ff) Ausländerklauseln als zwingende Bestandteile der Verbandssatzung ... 54 (1) Problemstellung............................................................................... 55 (2) Notwendigkeit und Grenzen der Statuierung verbandsautonomer Regelungen...................................................................................... 55 (a) Der weite Verfassungsbegriff der Rechtsprechung.................... 56 (b) Auffassung und Kritik der Literatur........................................... 56 (c) Stellungnahme ........................................................................... 58 (3) Satzungszwang auch gegenüber mittelbaren Mitgliedern................ 60 (4) Ergebnis........................................................................................... 61 g) Schwierigkeiten der Praxis bei Umsetzung der rechtlichen Vorgaben......... 62 5. Sportler, Verein und Verband – Verfassungsrechtliche Eckpunkte ................... 63 a) Ausgangspunkt ............................................................................................ 63
Inhaltsverzeichnis
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b) Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte .............................................. 64 c) Gerichtliche Kontrolle und Kontrolldichte verbandsautonom gesetzten Rechts .......................................................................................................... 66 aa) Die richterliche Inhaltskontrolle im Spannungsfeld zwischen Vereinsautonomie und Mitgliederschutz ..................................................... 66 bb) Monopolstellung der Sportverbände – das sog. Ein-Platz-Prinzip......... 67 cc) Die Inhaltskontrolle verbandsautonomer Regelwerke anhand der §§ 307 ff. BGB ...................................................................................... 68 dd) Die Inhaltskontrolle verbandsautonomer Regelwerke anhand des § 242 BGB............................................................................................. 70 d) Rechtstatsächliche Ursachen bestehender Kollisionslagen .......................... 70 e) Verfassungsrechtliche Grundprinzipien im Sport und Freiheitsrechte des Einzelnen ..................................................................................................... 73 II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung .............................. 77 1. Vorgaben des Grundgesetzes ............................................................................... 77 a) Das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG...................................... 77 aa) Die Staatsangehörigkeit als Differenzierungsmerkmal im Sinne von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG?........................................................................... 78 bb) Die Staatsangehörigkeit als immanenter Bestandteil der Differenzierungskriterien des Art. 3 Abs. 3 GG?................................................ 79 cc) Der Staatsangehörigkeitsbegriff der Sportverbände – teilweise Überschneidung mit unzulässigen Anknüpfungskriterien des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG....................................................................................... 82 b) Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG und Einordnung im System einer abgestuften Rechtfertigungsprüfung ................................................... 86 c) Die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG........................... 88 aa) Die sportliche Betätigung als Form der Persönlichkeitsentfaltung ........ 88 bb) Die verfassungsmäßige Ordnung als Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit .................................................................................. 92 2. Europarechtliche Vorgaben................................................................................ 93 a) Vorbemerkung ............................................................................................. 93
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Inhaltsverzeichnis b) Diskriminierungsverbot und Grundfreiheiten innerhalb der Europäischen Union ........................................................................................................... 93 aa) Anwendungsbereich des EGV ............................................................... 94 (1) Die primär wirtschaftliche Zielsetzung des Gemeinschaftsrechts nach Art. 2 EGV.............................................................................. 94 (2) Freizeitsport als Annex der Personenverkehrsfreiheiten.................. 95 (a) Art. 2 EGV als besondere Tatbestandsvoraussetzung der Personenfreizügigkeit? ................................................................... 96 (b) Stellungnahme unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH .................................................................................. 98 (3) Generelle Bereichsausnahme „Sport“............................................ 101 (4) Ausländische Freizeitsportler ohne entgeltliches Beschäftigungsverhältnis ....................................................................................... 108 (a) Freizeitsport im Anwendungsbereich des EGV – zu den Auffassungen des Gerichtshofes und der Europäischen Kommission.......................................................................................... 109 (b) Die Gemeinschaftskompetenzen auf sozialem Gebiet unter Berücksichtigung der Integrationsfunktion des Freizeitsportes ............................................................................................ 110 (c) Freizeitsport als Bestandteil gemeinschaftlicher Kompetenzen auf kulturellem Gebiet ...................................................... 115 bb) Reichweite und Grenzen des Schutzbereiches der Grundfreiheiten in Bezug auf außerhalb des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses liegende Freizeitaktivitäten ................................................................................ 117 (1) Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten ...................... 118 (2) Freizeitbetätigung im Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EGV .............................................................................................. 121 (a) Primär- und sekundärrechtliche Ausgangslage ....................... 121 (b) Reichweitenbestimmung unter Heranziehung sekundärrechtlicher Vorschriften insbesondere der VO 1612/68 .................. 123 (c) Auslegungsgrundsätze und Begriffsverständnis des EuGH .... 124 (d) Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereiches von Art. 39 Abs. 2 EGV unter Rückgriff auf allgemeine Auslegungsmethoden ....................................................................... 126
Inhaltsverzeichnis
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(e) Freizeitsport als „Arbeitsbedingung“ – Kompetenzerweiterung auf Grundlage von „effet utile“ und „implied powers“ ... 133 (f) Zur grundsätzlichen Reichweite des allgemeinen Diskriminierungsverbotes nach Art. 12 EGV........................................ 134 (g) Freizeitsport im Anwendungsbereich von Art. 12 EGV.......... 138 (3) Zur Bereichsausnahme für Beschäftigungen in der öffentlichen Verwaltung nach Art. 39 Abs. 4 EGV........................................... 140 cc) Die Mobilitätsgewährleistungen des Art. 18 Abs. 1 EGV – Instrument zur Vollintegration des Unionsbürgers im Aufnahmeland? ........ 142 (1) Die Bedeutung des Aufenthaltsrechts nach Art. 18 Abs. 1 EGV für den persönlichen Anwendungsbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbotes ................................................................... 143 (2) Zu den Grenzen des Aufenthaltsrechtes nach Art. 18 Abs. 1 EGV im Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 1 EGV ................ 144 dd) Die Grenzen wirtschaftlicher Freizügigkeit auf europäischer Ebene... 148 (1) Der ordre-public-Vorbehalt ........................................................... 148 (a) Zur Geltendmachung durch Privatrechtssubjekte.................... 149 (b) Zur Beschränkung des ordre-public-Vorbehaltes im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf die in Art. 39 Abs. 3 EGV genannten Rechte .................................................................... 151 (c) Zum Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ........... 153 (2) Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe ........................................ 156 (a) Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe im Schrankensystem der Grundfreiheiten ................................................................. 157 (b) Rechtfertigung direkt diskriminierender Regelungen außerhalb vertraglich normierter Gründe .........................................157 (c) Berücksichtigung besonderer Wettkampfmodi ....................... 159 (3) Gemeinschaftsgrundrechte als immanente Schranken der Grundfreiheiten?...................................................................................... 161 (a) Zur europäischen Grundrechtssituation................................... 162 (b) Inhalt und Umfang der Vereinigungsfreiheit auf europäischer Ebene ...................................................................................... 163
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Inhaltsverzeichnis (c) Zum Abwägungsmaßstab zwischen Grundfreiheit und Gemeinschaftsgrundrecht ............................................................ 166 ee) Ausblick auf Änderungen im Rahmen einer europäischen Verfassung................................................................................................. 168 3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten........................................................... 170 a) Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit für Freizeitsportler aus Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) ................................................................................................ 171 aa) Die Reichweite der Freizügigkeit im Europäischen Wirtschaftsraum . 171 bb) Das EWR-Abkommen als unmittelbar anwendbare Rechtsquelle ....... 174 b) Das sektorielle Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz........................ 177 aa) Rechtsnatur und Inhalt des Abkommens über die Freizügigkeit.......... 177 bb) Die unmittelbare Anwendbarkeit des sektoriellen Freizügigkeitsabkommens ............................................................................................. 181 cc) Zur Drittwirkung der Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens.. 183 c) Das Assoziierungsabkommen mit der Türkei ............................................ 185 aa) Der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 vom 19.09.1980 .................... 186 (1) Zur Rechtsnatur der Assoziationsratsbeschlüsse ........................... 186 (2) Reichweitenbestimmung des Diskriminierungsverbotes in Art. 10 Abs.1 ARB 1/80 unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Assoziationsrecht mit der Türkei................................... 188 (3) Zur unmittelbaren Anwendung von Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 im Privatrechtsverhältnis .................................................................... 191 bb) Zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit türkischer Staatsangehöriger.......................................................................................... 196 d) Die sog. Europa-Abkommen mit den ehemaligen Ostblockstaaten ........... 196 aa) Unmittelbare Anwendung und Drittwirkung ....................................... 197 bb) Zur inhaltlichen Reichweite des Diskriminierungsverbotes ................ 202 cc) Die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Mazedonien und Kroatien ........................................................................................ 204 dd) Übergangsregelungen für die zum 01.05.2004 der EU beigetretenen Staaten ................................................................................................. 205
Inhaltsverzeichnis
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e) Das AKP-EG-Partnerschaftsabkommen vom 23.06.2000 ......................... 207 aa) Unmittelbare Anwendbarkeit und Drittwirkung .................................. 208 bb) Zum Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbotes.................... 211 f) Die Abkommen mit Tunesien, Algerien und Marokko (sog. MaghrebStaaten) ...................................................................................................... 213 g) Die Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit (APZ) mit den Staaten der ehemaligen UdSSR ................................................................. 215 h) Die Rechtsstellung der Staatsangehörigen anderer Drittstaaten .................. 219 III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln .......................................................... 220 1. Vorbemerkung ................................................................................................... 220 2. Ermittlung des „deutschen Meisters“ und Repräsentationsfunktion .................. 223 3. Drohender Verlust des Zuschauerinteresses....................................................... 226 4. Schutz des sportlichen Wettbewerbs.................................................................. 230 5. Das Nationalmannschaftsargument.................................................................... 233 6. Das Argument der Nachwuchsförderung ........................................................... 236 7. Das Problem des sog. „Sporttourismus“ ............................................................ 249 Zusammenfassung ...................................................................................................... 253 Literaturverzeichnis ................................................................................................... 257 Sachverzeichnis........................................................................................................... 272
Abkürzungsverzeichnis a. A. aaO. AAV ABl. Abs. a. E. AG AKP-Staaten AöR APZ ARB ArGV Art. AS AufenthG Az. BAG BAGE BATTV BayVBl. BB BbgVerf Bd. BGB BGBl. BGH BGHZ BRD BSC bspw. BT-Drucks BTTV BV BVerfG BVerfGE
andere Ansicht am angegebenen Ort Arbeitsaufenthalteverordnung Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften, ab 01.02.2003 Amtsblatt der Europäischen Union Absatz am Ende Aktiengesellschaft Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifiks Archiv des öffentlichen Rechts Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit Assoziationsratsbeschluss Arbeitsgenehmigungsverordnung Artikel Association Sportive Aufenthaltsgesetz Aktenzeichen Bundesarbeitsgericht Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Badischer Tischtennis Verband Bayerische Verwaltungsblätter Der Betriebs-Berater Verfassung des Landes Brandenburg Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesrepublik Deutschland Berliner Sport-Club beispielsweise Drucksachen des Deutschen Bundestages Badischer Tischtennis Verband Ballspiel-Verein Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts
Abkürzungsverzeichnis BVerwG BVerwGE bzw. ca. C. F. DB DBB DDR DEB ders. DFB d. h. DHB DHockeyB dies. DOSB DöV DRB DSB DTTB DZWiR ebd. EFTA EG EGV Einl. EL EMRK EU EuG EuGH EuGRZ EUR EuR EUV EuZW e. V. EWG EWiR EWR EWS f.
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Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts beziehungsweise circa Club de Fútbol Der Betrieb Deutscher Basketball Bund Deutsche Demokratische Republik Deutscher Eishockey Bund Derselbe Deutscher Fußball Bund das heißt Deutscher Handball Bund Deutscher Hockey Bund dieselbe(n) Deutscher Olympischer Sportbund Die Öffentliche Verwaltung Deutscher Ringer-Bund Deutscher Sport Bund Deutscher Tischtennis Bund Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht ebenda European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einleitung Ergänzungslieferung Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten Europäische Union Gericht erster Instanz Europäischer Gerichtshof Europäische Grundrechte-Zeitschrift EURO Europarecht Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Entscheidungen zum Wirtschaftsrecht Europäischer Wirtschaftsraum Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht folgend(e)
16 FamRZ FAZ FC ff. FIFA FINA FISB Fn. FrAbk FreizügG/EU FS GATS GG GmbH GR Hdb. HHV HK h. L. h.M. i.E. ISLJ IWO JA JöR n. F. JuS JZ Kap. KG Lfg. LG lit. MDR MecklVVerf Mio. MüKo mwN. NJW NJW-RR NOK Nr. NVwZ
Abkürzungsverzeichnis Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Fußball Club bzw. Football Club folgende Fédération Internationale de Football Association Fédération Internationale de Natation Fédération Internationale de Skibob Fußnote Abkommen über die Freizügigkeit Freizügigkeitsgesetz/EU Festschrift General Agreement on Trade in Services Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Grundrechte Handbuch Hessischer Handball Verband Handkommentar herrschende Lehre herrschende Meinung im Ergebnis The International Sports Law Journal internationale Wettkampfordnung für Skibob Juristische Arbeitsblätter Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart (neue Folge) Juristische Schulung Juristenzeitung Kapitel Kommanditgesellschaft Lieferung Landgericht litera Monatsschrift für Deutsches Recht Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern Million Münchener Kommentar zum BGB mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht Nationales Olympisches Komitee für Deutschland Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht
Abkürzungsverzeichnis NZA NZG OLG OLGZ PBefG PHB RdA RFEF RGRK
RIW Rn. Rs. Rspr. RuStAG S. SAA SachsAnhVerf SächsVerf SGB Slg. SNCF sog. SpielO SpuRt StAG StAngR STTV SWHV ThürVerf u. a. UEFA v. VersR VfB VfL VG VGH vgl.
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Neue Zeitschrift für Arbeits- und Sozialrecht Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Entscheidungen der Oberlandesgerichte in Zivilsachen einschließlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit Personenbeförderungsgesetz Praxishandbuch Recht der Arbeit Real Federación Española de Fútbol Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Reichsgerichtsräten und Bundesrichtern (jetzt: Kommentar, herausgegeben von den Mitgliedern Bundesgerichtshofes, ab 1974) Recht der internationalen Wirtschaft Randnummer Rechtssache(n) Rechtsprechung Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz Seite Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt Verfassung des Freistaates Sachsen Sozialgesetzbuch Sammlung der Rechtsprechung des EuGH und des Gerichts erster Instanz Société Nationale de Chemins de Fer Français so genannte Spielordnung Zeitschrift für Sport und Recht Staatsangehörigkeitsgesetz Staatsangehörigkeitsrecht Süddeutscher Tischtennis Verband Südwestdeutscher Handball Verband Verfassung des Freistaates Thüringen je nach Zusammenhang: unter anderem; und andere Union des Associations Européennes de Football von Versicherungsrecht Verein für Bewegungsspiele Verein für Leibesübungen Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof vergleiche
18 VO Vorbem. VVDStRL WM WO WRP ZaöRV ZAR z. B. ZEuP ZEuS ZfA ZHR Ziff. ZPO
Abkürzungsverzeichnis Verordnung Vorbemerkung Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Wertpapier-Mitteilungen Wettspielordnung Wettbewerb in Recht und Praxis Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik zum Beispiel Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Europarechtliche Studien Zeitschrift für Arbeitsrecht Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht Ziffer Zivilprozessordnung
Verzeichnis zitierter Vereinssatzungen und -ordnungen BATTV
Satzung (Stand: Juni 2002) http://www.battv.de/battv/cms/upload/pdf/satzungen/bttvsatzung.pdf
DBB
Spielordnung (Stand: 27.06.2004) www.wbv-online.de/verband/dok/DBB-SO%20i.d.F.27.06.04.pdf
DEB
Satzung (Stand: 17.07.2004) http://www.deb-online.de/neu/impressum/satzung/5Satz2004.pdf
DFB
Satzung (Stand: 30.09.2000) http://www.dfb.de/dfb-info/interna/statuten/satzuzng.pdf Spielordnung (Stand: 01.01.2002) http://www.dfb.de/dfb-info/interna/statuten/spielordnung.pdf
DHB
Satzung (Stand: Januar 2004) www.deutscherhandballbund.de/content/pdf/A-DHB-Satzung%20.pdf Spielordnung (Stand: November 2004) http://www.deutscherhandballbund.de/content/pdf/B-DHBSPIELO_20112004.pdf
DHockeyB
Satzung (Stand: Juli 2005) http://www.deutscher-hockey-bund.de/Ordnungen/Daten/ SATZUNG.pdf Spielordnung (Stand: Juni 2005) http://www.deutscher-hockey-bund.de/Ordnungen/Daten/ SPO-DHB.PDF
DOSB
Satzung (Stand: 12.12.2005) http://www.dsb.de/fileadmin/fm-dsb/downloads/dosb/Endfassung_Satzung_121205_12.pdf
DSB
Satzung (Stand: 07.12.2002) http://www.dsb.de/fileadmin/fm-dsb/downloads/Satzung_2002_01.pdf
20 DTTB
Verzeichnis zitierter Vereinssatzungen und -ordnungen Satzung (Stand: 14.06.2003) www.tischtennis.de/downloads/satzung/2004_2005/satzung. pdf Wettspielordnung (Stand: 12.06.2004) www.tischtennis.de/downloads/satzung/2004_2005/wso.pdf
HHV
Satzung (Stand: 26.06.2004) http://www.hessen-handball.de/upload/satzung_ordnung/ satz00.pdf
STTV
Satzung (Stand: Juni 2003) http://www.bttv.de/index.php?menu=0404&GSAG=11ea1cf 4f9ed1fd9e94f451963c90365
SWHV
Spielordnung (Stand: 02.12.2005) http://www.suedwesthandball.de/Spielordnung-051202.pdf
Einleitung Am 06.04.2001 bestritt erstmals in der zu diesem Zeitpunkt nahezu vierzigjährigen Geschichte der Fußball-Bundesliga eine Mannschaft eine Begegnung der höchsten deutschen Spielklasse ohne einen einzigen deutschen Spieler in ihren Reihen. Die Mannschaft des FC Energie Cottbus begann ihr Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg mit elf ausländischen Akteuren im Anfangsaufgebot. Nicht allein, dass keinem deutschen Spieler der Sprung in die Startformation gelang, der Cottbuser Trainer wechselte zudem drei ausländische Profis während der Partie aus und ersetzte diese ebenfalls durch ausländische Akteure. Während der gesamten Begegnung kam damit auf Seiten der Cottbuser kein einziger deutscher Spieler zum Einsatz. Möglich wurde dies, nachdem der Deutsche Fußball-Bund (DFB) wenige Jahre zuvor seine bis dahin bestehenden Restriktionen für ausländische Sportler gelockert hatte und nunmehr den Einsatz von mehr als drei ausländischen Profispielern pro Mannschaft gestattete. Allerdings war dies nicht das Ergebnis einer freiwilligen Selbstkontrolle, sondern vielmehr Folge der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Bosman aus dem Jahr 1995, die bei weitem nicht ungeteilte Zustimmung unter Sportlern, Funktionären und Zuschauern findet. Vielmehr erfolgt seit Jahren eine kontroverse Diskussion, die sich nahezu durch alle Sportarten zieht. So sprachen sich in einer Umfrage der Fachzeitschrift Schach im Jahr 2003 immerhin 55 % der befragten Personen für eine Reglementierung des Einsatzes ausländischer Spieler in der Schach-Bundesliga aus.1 Die Gründe hierfür mögen unterschiedlicher Natur sein und häufig auch vom subjektiven Empfinden des Einzelnen abhängen, wobei sich jedoch auch die Sportverbände schwer taten, die notwendigen Konsequenzen aus dem Urteil zu ziehen und ihre Regelwerke entsprechend abzuändern. Die Verbände haben hierbei durchaus den ihnen verbleibenden Regelungsspielraum erkannt und bei Umsetzung der richterlichen Vorgaben zumeist auch ausgeschöpft, denn die Entscheidung des EuGH bezieht sich lediglich auf Berufssportler2 aus den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. So ergab eine frühere Umfrage aus dem Jahr 2001, dass zwar 88,5 % der befragten Sportverbände Ausländerbeschränkungen im Profisport für Staatsangehörige aus EU-Staaten aufgegeben haben, jedoch 44,2 % weiter-
1
Vgl. Schach, Ausgabe 6/2003, S. 3 f. Soweit im Folgenden der Begriff des Sportlers verwendet wird, sind damit selbstverständlich auch Sportlerinnen gemeint. 2
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Einleitung
hin an Restriktionen für Drittstaatenangehörige festhalten.3 Ähnlich verhält es sich im nicht-kommerziellen Bereich des Freizeit- bzw. Amateursports, auf den die Aussagen des Bosman-Urteils zunächst ebenfalls keine Anwendung finden. Nahezu die Hälfte der Sportverbände sieht auch hier Zugangsbeschränkungen für Ausländer vor, selbst wenn diese aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union stammen.4
3 4
Vgl. Niese, in: Sport im Schnittfeld, S. 53 (55 und 57 f.). AaO., S. 56 und 59.
I. Grundlagen Die vorliegende Darstellung hat es sich zum Ziel gesetzt, Ausländerklauseln gerade in einem Bereich näher zu untersuchen, in dem die BosmanEntscheidung nicht unmittelbar Platz greift – dem unentgeltlich ausgeübten Amateur- bzw. Freizeitsport.
1. Begriffsbestimmungen und Gegenstand der Untersuchung Die Untersuchung beschränkt sich dabei nicht auf die Rechtslage, wie sie vom Gemeinschaftsrecht vorgegeben wird, sondern betrachtet Ausländerklauseln ebenso vor dem Hintergrund der geltenden nationalen Rechtsordnung. Über den engeren sachlichen Anwendungsbereich des EGV hinaus erfolgt ferner eine Bewertung auf Grundlage der bilateralen Beziehungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten zu Drittländern.
a) Zur Abgrenzung des Berufs- vom Freizeitsport Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, bedarf es zunächst einer Abgrenzung des Berufssports von der freizeitsportlichen Betätigung. Die Sportverbände nehmen sich dieser Frage in ihren Statuten häufig selbst an. Die Regelungen sind dabei häufig sehr detailliert, wie das Beispiel des § 8 der SpielO des DFB zeigt. Der Verband unterscheidet hier zwischen Amateuren, Nicht-Amateuren ohne Lizenz und Nicht-Amateuren mit Lizenz. Als Amateur gilt nach Nr. 1, „…wer aufgrund seines Mitgliedschaftsverhältnisses Fußball spielt und als Entschädigung kein Entgelt bezieht, sondern seine nachgewiesenen Auslagen und allenfalls einen pauschalierten Aufwendungsersatz bis zu € 149,99 im Monat erstattet erhält.“
Allerdings kann die von den Sportverbänden vorgenommene Einordnung – mag sie auch für diese eine sinnvolle Lösung darstellen – nicht der Gradmesser für eine Abgrenzung sein.1 Dies schon deshalb nicht, weil andernfalls jeder Sportverband in sein Regelwerk eine eigene Definition des Berufssports – zu-
1
So auch Wassmer, S. 3.
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I. Grundlagen
geschnitten auf seine Bedürfnisse – aufnehmen könnte, sich die Rechtslage jedoch nach den gesetzlichen Vorschriften und hiernach einheitlich für alle Sportler, unabhängig von der ausgeübten Sportart, bestimmt. Die Unterscheidung zwischen Berufs- und Freizeitsport ist dabei grundsätzlich von Bedeutung für die Anwendung verschiedener gesetzlicher Rechtsnormen, deren Anwendungsbereich etwa davon abhängt, ob der Sportler als Arbeitnehmer und damit als Berufssportler zu qualifizieren ist. Es steht den Sportverbänden insoweit nicht zu, vom Gesetzgeber verwendete Rechtsbegriffe nach ihren Vorstellungen auszufüllen. Maßgebend hierfür kann allein die Intention des Normgebers sein. Hängt eine Abgrenzung daher eher von der Frage ab, ob der Sportler die vom nationalen und europäischen Recht vorgegebenen Voraussetzungen einer beruflichen Tätigkeit, sei es im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses oder etwa als Erbringer einer selbstständigen Dienstleistung, erfüllt, so ist übereinstimmendes Charakteristikum eines jeden Berufes, dass erbrachte Dienste vergütet werden, damit also eine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit gegeben ist. So erstreckt sich der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG – allerdings nur für Deutsche – allein auf entgeltlich erbrachte Dienste. Ohne Bedeutung ist hierbei, ob es sich um eine selbstständige Dienstleistung handelt oder die Arbeitsleistung weisungsgebunden erbracht wird. Auch im Gemeinschaftsrecht hängt die Anwendung berufsbezogener Vorschriften vom Kriterium der Entgeltlichkeit ab. So sind als Arbeitnehmer im Sinne des Art. 39 Abs. 2 EGV nur diejenigen Personen zu qualifizieren, die ihre Arbeitsleistung gegen Entgelt anbieten. Nicht anders verhält es sich im Bereich der selbstständig Tätigen. Dienstleistungen im Sinne des EGV sind auch hier nur solche Leistungen, die in der Regel gegen Entgelt erbracht werden, Art. 50 Abs. 1 S. 1 EGV. Die Trennung des Berufs- vom Freizeitsport erfolgt daher auf der Ebene der Entgeltlichkeit. Unbedenklich dem Freizeitsport zugeordnet werden können daher diejenigen Sportler, die für ihre sportliche Darbietung kein Entgelt erhalten. Diesem Verständnis folgt die weitere Darstellung. Sofern nachfolgend der Begriff Freizeitsport verwendet wird, bezieht sich dieser auf die sportliche Betätigung ohne jedes erwerbswirtschaftliche Interesse.
b) Rechtstatsächliche Probleme einer Abgrenzung Formaljuristisch erscheint diese Abgrenzung zunächst eindeutig, eine Betrachtung der praktischen Gegebenheiten offenbart jedoch erhebliche Unsicherheiten. Diese beruhen zum einen darauf, dass die Höhe der Vergütung den Arbeitnehmerstatus grundsätzlich nicht berührt, soweit diese nicht lediglich symbolischen Charakter annimmt. Nach der Rechtsprechung etwa des EuGH muss der Verdienst daneben weder einem tariflichen oder gesetzlichen Mindestlohn
1. Begriffsbestimmungen und Gegenstand der Untersuchung
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entsprechen noch zur Deckung des Lebensbedarfes ausreichen.2 Unterstellt man fiktiv, was allerdings keineswegs illusorisch sein dürfte, dass die Spieler einer sechstklassigen Fußballmannschaft pro Partie eine Auflaufprämie von EUR 50,00 erhalten und hierzu noch weitere Zugaben in Form von Tor-, Punktund Platzierungsprämien verdient werden können, so ergibt sich ein nicht unerhebliches Zubrot zum Einkommen aus der eigentlichen beruflichen Tätigkeit. Von einer symbolischen Zahlung wird dabei kaum mehr die Rede sein können.3 Häufig ist die gewährte Vergütung zudem nicht transparent und erschwert damit eine Einordnung der Rechtsbeziehung als Arbeitsverhältnis. Dies beruht zunächst etwa auf dem Umstand, dass eine Arbeitnehmereigenschaft nicht voraussetzt, dass die geleisteten Dienste durch Geldzahlungen vergütet werden. Ebenso möglich ist eine Vergütung in Form von Sachleistungen. Stellt man sich vor, dass der Besitzer eines Autohauses den lokalen Sportverein dadurch unterstützt, dass er jedem Spieler unentgeltlich einen Pkw zur privaten Nutzung zur Verfügung stellt, so wird man kaum daran zweifeln können, dass es sich hierbei um einen geldwerten Vorteil handelt, der eine Vergütung darstellen kann. Dieses Beispiel bietet zugleich einen Einblick in die nicht unübliche Praxis, in der Leistungen häufig nicht von Vereins-, sondern vielmehr von dritter Seite im Rahmen von Sponsoringmaßnahmen erbracht werden. Damit stellt sich die Frage, ob die geleisteten Zahlungen oder Sachmittel noch als unmittelbare Gegenleistung für die sportliche Darbietung angesehen werden können und damit die erforderliche synallagmatische Beziehung zwischen Dienstleistung und Vergütung gegeben ist, denn die sportliche Leistung wird in erster Linie für den Verein erbracht.4 Nur bei Vorliegen dieses Gegenseitigkeitsverhältnisses kann aber grundsätzlich von einem entgeltlichen Arbeitsverhältnis ausgegangen werden.5 Geradezu unlösbare Probleme stellen sich, wenn Freizeitsport und sportfremde Berufsausübung miteinander vermengt werden. Ebenfalls aus der Praxis bekannt ist hier die Situation, dass Sportler bei einem privaten Arbeitgeber eine Anstellung, möglicherweise in ihrem erlernten Beruf, erhalten und für sportliche Belange entgeltlich von der Arbeit freigestellt werden.6 Zweifelsohne erwächst dem Sportler auch hier in Bezug auf seine sportliche Darbietung ein finanzieller Vorteil. Eine Abgrenzung der Bezüge für sportliche und hauptberufliche Tätigkeit lässt sich jedoch kaum mehr vornehmen. 2
Vgl. Urteil vom 03.06.1986 (Rs. 139/85), Slg. 1986, 1741 (1750 f.). Auf die zunehmende Kommerzialisierung in den unteren Spielklassen weist auch Zinger, S. 129 hin. 4 Siehe hierzu etwa Schimke, S. 13 ff. 5 Siehe zur europäischen Rechtslage Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 27 f. und im nationalen Recht Schaub, in: Arbeitsrechtshandbuch, § 29, Rn. 3. 6 Vgl. auch Pfister, in: FS für Lorenz, S. 171 (175, Fn. 24). 3
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I. Grundlagen
Einen nicht unerheblichen Anteil an dieser Entwicklung dürften die Vereine haben, die häufig kaum an einem Arbeitsverhältnis mit dem Sportler – schon wegen der sich hieraus ergebenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Pflichten – interessiert, aber gleichwohl bereit sind, finanzielle Zuwendungen für die besten Spieler entweder selbst oder aber über die Akquise von Sponsoren zu erbringen. Dies führt zu einer Verschleierung der als Gegenleistung für die sportliche Darbietung erbrachten Entgelte und letztlich zu verdeckten Zuwendungen, aus der sich ein erhebliches Maß an Rechtsunsicherheit im Hinblick auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ergibt. Diese Bewertung wird erschwert durch die verschiedenen, teilweise aufgezeigten Entgeltformen. In welchem Umfang Sport bereits in den unteren Spielklassen als Beruf betrieben wird, lässt sich daher kaum verlässlich beurteilen.
c) Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes und Gang der Darstellung Die nachfolgenden Ausführungen stellen – wie bereits angedeutet – die mit Ausländerklauseln im Freizeitsport verbundenen Probleme auf nationaler und europäischer Ebene in den Mittelpunkt. Die Betrachtung erfolgt auf Grundlage der oben vorgenommenen Abgrenzung zwischen Berufs- und Freizeitsport7 und erstreckt sich damit nicht auf die der Bosman-Entscheidung des EuGH zugrunde liegende Fallkonstellation des Profisports. Unter Ausländerklausel wird grundsätzlich jede verbandsseitig aufgestellte Regelung mit dem Inhalt einer Zugangsbeschränkung verstanden, die Sportler ohne deutsche Staatsangehörigkeit von der Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen ausschließt. Bezogen auf den hier vorrangig betrachteten Mannschaftssport bedeutet dies in der Regel die Pflicht der Vereine zur Aufstellung einer Mindestanzahl an deutschen Spielern pro Mannschaft und damit zugleich den nur beschränkten Zugang für Ausländer. Im Hinblick auf den Status der betroffenen Ausländer wird eine Erwerbstätigkeit im Inland angenommen, wobei aufenthaltsrechtliche Fragen unberücksichtigt bleiben und ein existentes Aufenthaltsrecht unterstellt wird. Abgesehen von der Staatsangehörigkeit liegen der Untersuchung im Übrigen keine signifikanten Unterschiede gegenüber deutschen Sportlern zugrunde, insbesondere erfolgt eine Integration in die Verbandsstrukturen über die Mitgliedschaft in einem deutschen Sportverein als Idealverein im Sinne des § 21 BGB. Dementsprechend bleiben die Besonderheiten reiner Ausländervereine unberücksichtigt.
7
Siehe a).
1. Begriffsbestimmungen und Gegenstand der Untersuchung
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Innerhalb des so umrissenen Untersuchungsgegenstandes werden im Verlauf der Darstellung – nach einer einleitenden Vorbemerkung zur integrativen Funktion des Sports – zunächst die Rechtsbeziehungen des Sportlers zum eigenen Verein und zum übergeordneten Verband näher betrachtet. Dabei steht neben dem strukturellen Aufbau und der Organisation des deutschen Sportverbandswesens insbesondere die Frage der Normbindung an verbandseigene Regelwerke im Mittelpunkt. Im Anschluss daran werden die nationalen verfassungsrechtlichen Grundlagen des überwiegend staatsfrei organisierten Sports – vornehmlich mit Blick auf die grundgesetzliche Legitimation der Verbände zur Normsetzung und den verfassungsrechtlich garantierten Status des Einzelnen – aufgezeigt. Hieran knüpft die Darstellung im zweiten Teil der Arbeit an, in dem die vorab lediglich skizzierten Grundrechtspositionen des Sportlers konkretisiert und Ausländerklauseln vor dem Hintergrund dieser Rechtsstellung einer genaueren Prüfung unterzogen werden. Das Hauptaugenmerk liegt hierbei auf der nahe liegenden Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, wobei das Differenzierungskriterium der Staatsangehörigkeit – wie zu zeigen sein wird – im Sprachgebrauch der Sportverbände Besonderheiten aufweist, die auch eine Anwendung des in Art. 3 Abs. 3 GG enthaltenen speziellen Differenzierungsverbotes als möglich erscheinen lassen. Ferner gilt es, das Unterscheidungsmerkmal der Staatsangehörigkeit in das vom Bundesverfassungsgericht entwickelte System der abgestuften Rechtfertigungsprüfung einzuordnen und hierdurch den konkreten Prüfungsmaßstab zu ermitteln. Im zweiten Kapitel wird sodann die Rechtslage auf europäischer Ebene, zunächst bezogen auf Bürger aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union, untersucht. Die Darstellung konzentriert sich hier im Wesentlichen auf die Fragen der Anwendbarkeit und Reichweite der Personenverkehrsfreiheiten bei Vorliegen eines nicht-wirtschaftlichen Sachverhaltes. Zur Kontrolle des gefundenen Ergebnisses wird der Schutzbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbotes aus Art. 12 Abs. 1 EGV herangezogen sowie weitergehend das aus dem Unionsbürgerstatus erwachsende Recht auf Freizügigkeit nach Art. 18 Abs. 1 EGV analysiert. Dem folgen Ausführungen zur Systematik und Anwendbarkeit der Rechtfertigungsgründe des EGV auf den vorgegebenen Untersuchungsgegenstand. Der Abschnitt schließt mit einem Ausblick auf die zu erwartenden Änderungen nach Ratifikation der am 29.10.2004 unterzeichneten EU-Verfassung durch die Mitgliedstaaten. Auf Grundlage dieser Überlegungen erfolgt anschließend ein Vergleich mit Abkommen der Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten zu Drittländern, soweit diese den Personenverkehrsfreiheiten vergleichbare Bestimmungen enthalten. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob die vorab gewonnenen Ergebnisse auf diese Assoziierungsabkommen mit Drittstaaten übertragen werden können.
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I. Grundlagen
Der dritte und abschließende Teil der Arbeit befasst sich schließlich mit den sachlichen Gründen für eine Ungleichbehandlung von deutschen und ausländischen Sportlern, wie sie überwiegend von Seiten der Sportverbände angeführt werden.
2. Zur sozial-integrativen Funktion des Sports Ende des Jahres 2003 lebten in Deutschland ca. 7,335 Millionen Ausländer, was einem Gesamtbevölkerungsanteil von 8,9 % entspricht.8 Die Integration dieser ausländischen Mitbürger in die nationale Gemeinschaft stellt eine wichtige gesellschaftspolitische Aufgabe dar, der sich auch die Sportverbände verschrieben haben. Bereits seit den siebziger Jahren wirbt der Deutsche Sportbund (DSB) mit Slogan „Sport spricht alle Sprachen“ und weist damit auf die Integrationskraft des Sports hin. Seine Eignung gewinnt der Sport dabei aus der Tatsache, dass er weltweit den gleichen, zumindest Spiel-, Regeln folgt und für eine gemeinsame Ausübung grundsätzlich weder die Herkunft des Einzelnen noch dessen Sprache von maßgeblicher Bedeutung sind.9 Das Interesse an einer bestimmten Sportart bildet eine Gemeinsamkeit von Deutschen und Immigranten und ist damit zugleich Schnittstelle für das Zusammentreffen verschiedener Bevölkerungsgruppen und -schichten. Die weite Verbreitung des Sports und die dadurch gegebenen vielfältigen Möglichkeiten, über den Sport zwischenmenschliche Kontakte zu knüpfen, verdeutlicht etwa die Sportart Fußball. Allein in Deutschland sind ca. 6,3 Millionen Spieler organisiert.10 Weltweit wird von rund 22 Millionen Aktiven unter der Schirmherrschaft des Weltfußballverbandes FIFA ausgegangen.11 Gegenüber anderen Freizeitaktivitäten – etwa der Vorliebe für Kunst und Theater – zieht der Sport einen wichtigen Vorteil daraus, dass er aktiv und zumindest in Mannschaftssportarten gemeinsam betrieben wird, ja werden muss. Aber auch viele Einzelsportarten, so etwa der Tennissport, sind von der Teilnahme eines Gegenspielers, der wiederum zugleich Mitspieler ist, abhängig. Sport fördert damit die zwischenmenschliche Verständigung und stiftet – insbesondere in Mannschaftssportarten – durch das gemeinsame Streben nach dem 8
Vgl. die Strukturdaten der ausländischen Bevölkerung, herausgegeben von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration unter www.integrationsbeauftragte.de/gra/daten/daten.php. 9 So auch Klose, S. 55. 10 Siehe die Bestandserhebung des DSB zur Mitgliederstruktur der einzelnen Sportverbände im Jahr 2005. Das Dokument ist im Internet unter www.dsb.de/fileadmin/fmdsb/downloads/Bestandserhebung_2005.pdf abrufbar. 11 Vgl. www.fifa.com/de/history/history/0,1283,1,00.html.
2. Zur sozial-integrativen Funktion des Sports
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sportlichen Sieg ein Zusammengehörigkeitsgefühl, ohne dass es hierfür weiterer Voraussetzungen bedarf. Praktisch sind diese Facetten des Sports Bestandteil des in Deutschland traditionell stark verwurzelten Vereinslebens. Bundesweit geht der DSB von mehr als 27 Millionen Sportlern aus, die in ca. 90.000 Vereinen organisiert sind.12 Damit gehört jeder dritte Bundesbürger einem Sportverein an, die hierdurch zum Träger der nationalen Sportbewegung avancieren.13 Die Integrationskraft des Sports wird auch von politischer bzw. administrativer Seite immer wieder betont und erfährt durch die Bereitstellung finanzieller Mittel und die Durchführung verschiedener Initiativen – häufig in Zusammenarbeit mit dem DSB – eine vielfache Förderung. Anstatt vieler sei an dieser Stelle auf die aktuelle Gesellschaftskampagne des DSB und verschiedener Bundesministerien unter dem Motto „Sport tut Deutschland gut“ verwiesen, mit dem u. a. für die Integration von Ausländern geworben wird. Die gesellschaftspolitische Bedeutung des Sports wird auch in den Sportberichten der Bundesregierung regelmäßig hervorgehoben. So erbringe der Sport bedeutsame Integrationsleistungen für Ausländer und Migranten und biete gute Möglichkeiten der sozialen Einbindung. Generell gelinge Integration „in Sportvereinen offenbar problemfreier als in anderen Handlungsbereichen.“14
Dem entspricht ersichtlich auch die vorherrschende Meinung auf europäischer Ebene. In ihrer gemeinsamen Erklärung zum Sport in der Schlussakte zum Amsterdamer Vertrag aus dem Jahr 1997 betonen die Vertreter der einzelnen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft die besondere Rolle, „die dem Sport bei der Identitätsfindung und der Begegnung von Menschen zukommt.“15
Trotz der weiten Verbreitung dieser Auffassung darf eine Reihe kritischer Stimmen nicht übersehen werden. Die Meinungsverschiedenheiten entzünden sich dabei zum einen am Integrationsbegriff und zum anderen an der Frage, ob die empirisch wenig untermauerten Behauptungen zur sozialen Funktion des Sports auch tatsächlich eine Entsprechung im täglichen Leben finden.16 Begründet werden die hieran angemeldeten Zweifel vor allem mit den bestehen12 Vgl. www.dsb.de/index.php?id=351. Siehe auch die Bestandserhebung des DSB für das Jahr 2005 unter www.dsb.de/fileadmin/fm-dsb/downloads/Bestandserhebung_2005.pdf. 13 Siehe etwa Kothy, in: Soziale Funktionen des Sports, S. 87 (89). 14 Vgl. den 10. Sportbericht der Bundesregierung, BT-Drucks. 14/9517, S. 13. 15 Vgl. ABl. 1997, Nr. C 340, 136. 16 Einen Überblick über den wissenschaftlichen Diskussionsstand gibt Kothy, in: Soziale Funktionen des Sports, S. 87 (90 f.).
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I. Grundlagen
den Vereinsstrukturen bzw. der Organisation in Vereinen, die typisch deutsche Verhaltensmuster darstellen und sich auf die Bedürfnisse und Gewohnheiten der deutschen Bevölkerung beziehen.17 Darüber hinaus verkörpere das hiesige Sportverständnis häufig traditionelle bürgerliche Wertevorstellungen, was bereits Deutsche dazu veranlasst, dem Vereinssport fernzubleiben.18 Auf eine ähnliche Haltung unter Migranten lässt die vermehrte Gründung reiner Ausländervereine schließen.19 Angesichts der bestehenden kulturellen Eigenarten sei daher fraglich, ob der „deutsche“ Sport tatsächlich in der Lage ist, einen wirksamen Beitrag zur Integration von Ausländern zu leisten.20 Dabei ist freilich noch nichts darüber gesagt, was sich hinter dem Begriff der Integration verbirgt. Vom genauen inhaltlichen Verständnis kann dabei schon abhängen, ob der Sport in den skizzierten Strukturen überhaupt von Ausländern angenommen wird. Integration verstanden als bedingungslose Anpassung an das traditionell deutsche Sportverständnis mag sich für Migranten als weniger attraktives Modell zur Eingliederung in die Gesellschaft darstellen. Angelegt auf ein gemeinsames, möglichst konfliktarmes Miteinander unter Achtung der kulturellen, religiösen und nationalen Eigenarten des jeweils Anderen, eröffnen sich hingegen möglicherweise Perspektiven. Gerade in letzterem Sinne bietet der Sport infolge seiner grundsätzlichen Unabhängigkeit von Weltanschauung und Kulturkreis durchaus Potential, um Ausländern Wege in unsere Gesellschaft zu eröffnen. Dabei sollte allerdings nicht übersehen werden, dass der Sport nicht „Wunderwaffe“ zur Überwindung der gesellschaftlichen Integrationsprobleme ist, sondern hierfür lediglich eine Plattform bietet. Inwieweit diese Chancen genutzt werden, hängt stark davon ab, in welchem Umfang Ausländer und Deutsche bereit sind, sich aufeinander einzulassen. Dies erfordert hier wie dort ein Mindestmaß an Toleranz und auf Seiten des Ausländers zudem die Bereitschaft, sich in eine (noch) fremde Gesellschaft einzugliedern. Sofern dieses grundsätzliche Verständnis vorhanden ist, kann dem Sport eine sozial-integrative Funktion nicht abgesprochen werden.21 Die sportliche Betätigung im Verein bietet ein Gemeinschaftserlebnis und fördert damit die zwischenmenschliche Kommunikation. Das gemeinsame sportliche Interesse erleichtert die soziale Kontaktaufnahme und hilft Berührungsängste abzubauen. Einer Vielzahl von Sportarten wohnt zudem ein Spielelement inne, das eine 17
So etwa Lichtenauer, in: Ausländer im Sport, S. 4 (4 f.). Ebd. 19 Vgl. zu diesem Trend Kothy, in: Soziale Funktionen des Sports, S. 87 (92). 20 Vgl. Lichtenauer, in: Ausländer im Sport, S. 4 (4 f.). 21 So auch Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (85); Lichtenauer, in: Ausländer im Sport, S. 4 (13). 18
3. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Verein
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unverkrampfte Begegnung, frei von übertriebenem Ehrgeiz, ermöglicht. Gerade in den Bereichen des Freizeit- und unterklassigen Wettkampfsports, in dem weniger wirtschaftliche Interessen als vielmehr die Spielfreude im Vordergrund steht, erfüllt der Sport daher eine sozial-integrative Funktion und bietet Ausländern die Chance, gesellschaftlich in Deutschland Fuß zu fassen.22 Nach der eingangs angesprochenen statistischen Erhebung aus dem Jahre 2001 enthielt nur noch das Regelwerk jedes zehnten Verbandes eine Ausländerklausel für Berufssportler aus Staaten der Europäischen Gemeinschaft.23 Im Freizeitsport hingegen lag der Anteil noch bei nahezu 50 %.24 Dieser Umstand verwundert angesichts der soeben aufgezeigten und insbesondere von den Verbänden hervorgehobenen Integrationsfunktion des Sports und stellt zugleich einen offenen Widerspruch zu den Integrationsbemühungen der Verbände dar.
3. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Verein Im Bereich der Mannschaftssportarten drängt sich die Organisation zur Mannschaft gehörender Einzelspieler in einer Vereinigung geradezu auf. Während sich Individualsportarten auch ohne vereinsrechtlichen Hintergrund der teilnehmenden Sportler durchführen lassen, erzwingt das nach außen einheitliche Auftreten als Mannschaft einen gewissen Organisationsgrad. So bedarf es etwa im Außenverhältnis der Bestimmung eines Mannschaftsleiters, der als Ansprechpartner der gesamten Mannschaft fungiert. Im Innenverhältnis setzt dies zugleich die Bereitschaft eines Mannschaftsmitgliedes voraus, diese – häufig mit einem nicht zu unterschätzenden Arbeits- und Zeitaufwand verbundene – Aufgabe zu übernehmen. Der Individualsportler hingegen organisiert sich selbst. Dennoch kann sich auch für diesen das Bedürfnis nach einem Zusammenschluss mit anderen Sportlern ergeben, da sich Einzelsportarten auch in Mannschaftswertungen durchführen lassen. Zu denken ist etwa an typische Einzelsportarten wie Boxen, Schach oder Sportschiessen. Der interessierte, aber noch nicht organisierte Sportler wird sich dabei überwiegend einer bereits gegründeten Interessenvereinigung anschließen und damit bestehende Strukturen antreffen, deren rechtliche Grundlagen nachfolgend dargestellt werden sollen.
22
Vgl. Klose, S. 107. Vgl. Niese, in: Sport im Schnittfeld, S. 53 (55). 24 AaO., S. 59. 23
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I. Grundlagen
a) Der Erwerb der Mitgliedschaft im Verein Die Mitgliedschaft im Sportverein wird – abgesehen von der Gründungsbeteiligung – durch Beitritt erworben. In der Praxis ergeben sich im Bereich des Breitensports bei der Aufnahme in den Verein zumeist keine Schwierigkeiten, obgleich der Verein die Aufnahme des Bewerbers von Bedingungen abhängig machen kann, die, mangels gesetzlicher Regelung, vom Verein autonom festgelegt werden dürfen. Es steht dem Verein frei, die Entrichtung einer Aufnahmegebühr25 oder die Verwendung eines vorgeschriebenen, vom Verein entworfenen Antragsformulars zu fordern26. Das Recht des Vereins, dem Bewerber die Mitgliedschaft nur in Abhängigkeit von bestimmten Modalitäten einzuräumen, folgt der autonomen Regelungsbefugnis für vereinseigene Angelegenheiten, als wesentlichem Bestandteil der von Art. 9 Abs. 1 GG garantierten Vereinsautonomie.27 Unter formalen Gesichtspunkten zwingt § 58 BGB zur satzungsmäßigen Verankerung von Ein- und Austritt betreffenden Bestimmungen, um den zwingenden Erfordernissen des registergerichtlichen Verfahrens zu genügen. Die materiellen Grenzen zulässiger Aufnahmebedingungen werden durch die die private Rechtsausübung beschränkenden Regelungen der §§ 242, 134, 138, 826 BGB gezogen.28 Der eine Mitgliedschaft auslösende Beitritt zum Verein stellt sich als zivilrechtlicher Vertrag zwischen Verein und Bewerber dar29, dessen Zustandekommen und Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre – unter Berücksichtigung vereinsrechtlicher Besonderheiten30 – richtet.31 Erfüllt der Anwärter die entsprechenden Beitrittsvoraussetzungen und wird seinem Antrag vom zuständigen Vereinsgremium oder -organ stattgegeben, so erlangt er die Rechtsstellung eines Vereinsmitgliedes.
b) Rechte und Pflichten des Spielers als aktives Vereinsmitglied Der Begriff der Mitgliedschaft bezeichnet die Rechtsstellung, die eine natürliche oder juristische Person infolge ihrer organisatorischen Eingliederung in 25
Vgl. Sauter/Schweyer/Waldner, Rn. 74. Vgl. Reichert, Rn. 953. 27 Vgl. Reichert, Rn. 949. 28 Vgl. ebd.; BVerfG, FamRZ 1989, 1047. 29 Vgl. BGHZ 101, 193 (196). 30 So tritt die Wirkung einer Anfechtung der Beitrittserklärung nach überwiegender Ansicht, entgegen § 142 Abs. 1 BGB, ex nunc mit Abgabe der Erklärung ein; so MüKo/Reuter, § 38, Rn. 58; Staudinger/Weick, § 35, Rn. 26; Stöber, Rn. 149; Sauter/Schweyer/Waldner, Rn. 75. 31 Vgl. insoweit Reichert, Rn. 935 ff. 26
3. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Verein
33
den Verein erwirbt.32 Ihrem Rechtscharakter nach ist die Mitgliedschaft Dauerschuldverhältnis mit personenrechtlichen und vermögensrechtlichen Zügen.33 Der sich inhaltlich aus der Mitgliedschaft ergebende Status beruht, neben gesetzlich normierten Rechten und Pflichten, überwiegend auf vereinsautonomen Regelungen in Satzung und Nebenordnungen und erfährt zudem eine starke gewohnheits- und richterrechtliche Prägung.34 Mitgliederrechte bestehen dabei als Mitverwaltungs-, Wert- und Schutzrechte.35 Mitverwaltungsrechte geben dem Mitglied das Recht, aktiv an der Willensbildung innerhalb des Vereins teilzuhaben und die Geschicke des Vereins mitzulenken. Hierzu zählen – gesetzlich normiert – das Recht auf Teilnahme an der Mitgliederversammlung, das aktive und passive Wahlrecht, aber auch Rede-, Auskunfts- und Antragsrechte, ferner das Stimmrecht in der Mitgliederversammlung, § 32 Abs. 1 BGB. Wesentlich für Mitglieder eines Sportvereines sind die sog. Wertrechte – auch als Vorteils- und Vermögensrechte bezeichnet –, die meist keine gesetzliche Verankerung erfahren haben. Sie beziehen sich vornehmlich auf Vorteile, die sich gerade aus der gemeinsamen Verfolgung des Vereinszweckes ergeben.36 Das Vereinsmitglied kann hieraus Ansprüche auf die Nutzung vereinseigener Sporteinrichtungen ableiten. Der Einrichtungsbegriff bezieht sich dabei nicht allein auf die Nutzung sächlicher Mittel, sondern erfasst auch das Teilnahmerecht an vereinseigenen Veranstaltungen, etwa am Clubturnier. Der üblicherweise zu entrichtende Mitgliedsbeitrag stellt dabei kein Entgelt für die Inanspruchnahme vereinseigener Institutionen dar, weil dem Aufnahmevertrag nicht der Charakter eines Austauschvertrages im Sinne der §§ 320 ff. BGB innewohnt, dieser vielmehr ein auf gemeinsame Zweckverfolgung gerichtetes Dauerschuldverhältnis begründet.37 Schließlich bestehen zugunsten des Mitglieds Schutzrechte – eine Vielzahl elementarer Einzelrechte –, die einen unabänderlichen Standard an Mitgliedsrechten garantieren. So steht das Austrittsrecht nach § 39 Abs. 1 BGB ebenso wenig zur Disposition38 wie die Minderheitsrechte nach § 37 BGB.39 Nichts anderes gilt für das Recht auf gleichmäßige
32
Vgl. Palandt/Heinrichs, § 38, Rn. 1. Vgl. Staudinger/Weick, § 35, Rn. 25. 34 Vgl. Reichert, Rn. 652 f. 35 Die Terminologie ist insoweit uneinheitlich. Wertrechte werden auch als Genuß-, Vorteils- oder Benutzungsrechte bezeichnet, Mitverwaltungsrechte auch als Organschafts- oder Teilhaberechte. 36 Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 122. 37 Vgl. Soergel/Hadding, § 38, Rn. 10; MüKo/Reuter, § 38, Rn. 34; a. A. PHBSportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 147. 38 Vgl. Sauter/Schweyer/Waldner, Rn. 81. 39 Vgl. Reichert, Rn. 754. 33
34
I. Grundlagen
Behandlung durch den Verein und die Notwendigkeit rechtlichen Gehörs im Disziplinarverfahren.40 Den Rechten des Vereinsmitgliedes korrespondieren zugleich Pflichten gegenüber dem Verein. Wesentlich sind die regelmäßig anzutreffende und satzungsmäßig zu verankernde Beitragspflicht, § 58 Nr. 2 BGB, sowie die unmittelbar dem Mitgliedschaftsverhältnis entspringende gegenseitige vereinsrechtliche Treuepflicht.41 Letztere, oft auch deklaratorisch in der Satzung festgeschrieben, enthält die Verpflichtung des Mitgliedes, den Vereinszweck entsprechend den satzungsrechtlichen Vorgaben zu fördern und alles zu unterlassen, was dem Vereinszweck schadet.42 Mit dem Beitritt zum Verein erkennt das Mitglied den in der Satzung verankerten Vereinszweck an.43 Die in seiner Treuepflicht wurzelnde Loyalität zum Verein gebietet es, sowohl vereinsinterne als auch vom Verein anerkannte externe Regelwerke zu beachten und sich nicht widersprüchlich zu Vereinsinteressen zu verhalten. Dies gilt grundsätzlich auch für vom Fachverband erlassene Ausländerregelungen, an die der Verein als Mitglied des übergeordneten Dachverbandes gebunden ist. Der Verstoß gegen Ausländerregelungen führt bei Mannschaftssportarten zunächst allein zur Sanktionierung des Vereins in Form sportlicher Disqualifikation und weitergehender Ahndung durch Verhängung von Ordnungsmitteln.44 Das einzelne Vereinsmitglied ist daher zur Vermeidung vereinsschädigender Folgen angehalten, die von seinem Verein anerkannten Ausländerregelungen gleichfalls zu akzeptieren und sich entsprechend regelkonform zu verhalten, auch wenn zunächst nur eine unmittelbare Bindung des Vereines besteht. Es wird daher auf die Frage einzugehen sein, inwieweit Rechts40
Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 122 . Vgl. Stöber, Rn. 128. 42 Vgl. BGH, WM 1977, 1166 (1168); Reichert, Rn. 891. 43 Ebd. 44 Ein besonders unglückliches Beispiel lieferte der frühere Stuttgarter Fußballtrainer Christoph Daum im Rückspiel zur Champions-League-Qualifikation der Saison 1992/1993. Nachdem der VfB Stuttgart bereits das Hinspiel auf eigenem Platz gegen den englischen Vertreter Leeds United mit 3:0 für sich entscheiden konnte, wurde das Rückspiel, aufgrund der Einwechslung des vierten ausländischen Spielers Simanic durch den Stuttgarter Trainer, nachträglich durch die Kontroll- und Disziplinar-Kommission der UEFA mit 0:3 für Leeds United gewertet und der VfB Stuttgart mit einer Geldstrafe von 10.000 Schweizer Franken belegt. Nach regulärer Spielzeit hatte es 4:1 für Leeds United gestanden, was dem VfB Stuttgart aufgrund des mehr geschossenen Auswärtstores die Teilnahme an der Champions-League-Hauptrunde gesichert hätte. Im erforderlichen Entscheidungsspiel unterlag der VfB Stuttgart auf neutralem Platz mit 1:2 und schied aus dem internationalen Wettbewerb aus. Dass es sich hierbei keineswegs um einen Einzelfall handelt, belegen die weiteren Beispiele der Trainer Horst Heese, Otto Rehhagel, Winfried Schäfer und Giovanni Trapattoni, denen das gleiche Missgeschick widerfuhr. 41
3. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Verein
35
beziehungen zwischen Sportler und Dachverband bestehen, die zur unmittelbaren Bindung des Sportlers an Regelwerke des Verbandes führen und eine Verbandsstrafgewalt auch gegenüber dem Sportler rechtfertigen.45 Schließlich stellt die Mitgliedschaft nach ständiger Rechtsprechung des BGH ein subjektives, von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Recht dar, dessen Verletzung zum Ersatz des hieraus entstandenen Schadens verpflichtet.46
c) Regelungsebenen bei vereinsautonomer Normsetzung Die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren der Willensbildung und die Führung eigener Geschäfte werden dem Verein und seinen Mitgliedern durch Art. 9 Abs. 1 GG gewährleistet.47 Der grundsätzliche Rahmen dieser privatautonomen Organisationshoheit wird dabei für beide vom einfachen Gesetzgeber in den §§ 25 ff. BGB vorgegeben.
aa) Vereinssatzung und Verfassung Mit der Satzung schafft der Verein autonom seine Grundordnung, deren Mindestinhalt sich aus den §§ 57 Abs. 1, 58 BGB ergibt und die zugleich zwingende Voraussetzung zur Erlangung der Rechtsfähigkeit ist, §§ 57 Abs. 2 Nr. 1, 60 BGB. Zudem bestimmt die Satzung als ranghöchste Regelungsform die Verfassung des rechtsfähigen Vereins, § 25 BGB. Verfehlt wäre es allerdings, hieraus auf die Kongruenz der Begriffe ‚Satzung‘ und ‚Verfassung‘ zu schließen. Zur Verfassung des Vereins gehören allein das Vereinsleben betreffende Grundentscheidungen, die kraft zwingender Vorschriften (§§ 25, 71 Abs. 1 S. 1 BGB) in die Satzung aufzunehmen sind, sofern sich ihre Geltung nicht bereits aus dem Gesetz selbst ergibt.48 Bei derartigen Grundlagenentscheidungen handelt es sich durchgängig um materielles Satzungsrecht im engeren Sinne, über das in der Satzungsurkunde durch die Aufnahme weiterer, nicht grundlegender Regelungen hinausgegangen werden kann.49 Nach bisheriger Judikatur zählt etwa das Zuchtprogramm eines Pferdezüchterverbandes als fundamentales Regelwerk zu den das Vereinsleben bestimmenden Grundentscheidungen.50 Eben45
Siehe hierzu näher unten, 4. e) und f). Vgl. BGHZ 110, 323 (327). 47 Vgl. BVerfGE 80, 244 (253); BVerfGE 50, 290 (354). 48 Vgl. BGHZ 47, 172 (177); Reuter, ZHR 148 (1984), 523 (528). 49 Vgl. Soergel/Hadding, § 25, Rn. 4, 10a. 50 Vgl. BGH, WM 1984, 552 (553). 46
36
I. Grundlagen
so ist die Schiedsklausel eines Vereins nur dann verbindlich, wenn die wesentlichen Punkte des Verfahrens, insbesondere Regelungen zur Zusammensetzung des Schiedsgerichts, der Auswahl und Bestellung der Schiedsrichter, unmittelbar der Satzung selbst entnommen werden können.51 Zur Vereinsverfassung gehören weiterhin die §§ 26 ff. BGB, von denen nur nach Maßgabe des § 40 BGB abgewichen werden darf und deren Aufnahme in die Satzungsurkunde kraft gesetzlicher Anordnung entbehrlich ist, § 25 BGB.
bb) Vereinsordnung und Geschäftsordnung Dem Verein steht jedoch nicht allein das Instrument der Satzung zur Regelung vereinsinterner Angelegenheiten zur Verfügung. Vielmehr können Vereine Regelungen, deren Inhalt nicht zu den wesentlichen Leitprinzipien des Vereinslebens gehört, auch in einer der Satzung untergeordneten Vereinsordnung festhalten. Typische Vereinsordnungen im Sportverbandswesen sind etwa die Schiedsrichter-, Spiel- oder Rechtsordnung. Vereinsordnungen können – sofern die Satzung eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage enthält – auch von einem nicht zur Satzungsänderung befugten Vereinsorgan erlassen werden.52 Die Ermächtigungsgrundlage hat dabei den Inhalt, Umfang und Zweck der Vereinsordnung festzulegen. Das ermächtigte Vereinsorgan ist darüber hinaus bei der Normierung an den Bestimmtheitsgrundsatz gebunden.53 Die Übertragung von Normsetzungsbefugnissen auf einzelne Vereinsorgane bietet dem Verband die Möglichkeit, zügig auf sich wechselnde Anforderungen außerhalb der meist nur im jährlichen Turnus stattfindenden Mitgliederversammlung zu reagieren. Doch auch wenn der Verein Regelungen treffen will, deren satzungsmäßige Verankerung zwingend vorgeschrieben ist, bleibt es ihm unbenommen, diese in einer räumlich von der Hauptsatzung getrennten Nebenordnung festzuhalten und sie in der Satzung zu deren Bestandteil zu erklären.54 Es muss sich jedoch zwingend aus der Satzung ergeben, welche Vereinsordnung Satzungsbestandteil ist. Nicht ausreichend ist die Deklaration der Satzungsbestandteile in der Nebenordnung55, was eine Nichtigkeit der Vereinsordnung zur Folge hätte56.
51
Vgl. BGHZ 88, 314 (316). Vgl. Reichert, Rn. 420 ff., 554. 53 Vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1993, 1535 (1536); OLG München, SpuRt 1994, 89 (91). 54 Vgl. Reichert, Rn. 410. 55 Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 149; Reichert, Rn. 412. 56 Vgl. Grunewald, ZHR 152 (1988), 242 (243). 52
3. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Verein
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Häufig werden in den Satzungen der Sportverbände nahezu alle Nebenordnungen zu verbindlichen Satzungsbestandteilen erklärt.57 Als vorteilhaft erweist sich dabei, dass die im Einzelfall schwierige Abgrenzung der einzelnen Regelungsgegenstände hinsichtlich ihrer Verfassungsqualität im Sinne des § 25 BGB bedeutungslos wird. Ferner bleibt die Übersichtlichkeit der Satzungsurkunde erhalten. Jedoch bedingt ein solches Vorgehen zugleich – und hierin besteht ein wesentlicher Nachteil –, dass jede Änderung einer Nebenordnung nach § 71 Abs. 1 S. 1 BGB zur Eintragung ins Vereinsregister angemeldet werden muss, da es sich hierbei zugleich um eine Satzungsänderung handelt. Soweit der Regelungsgegenstand nicht zur Vereinsverfassung gehört, bietet die Normierung in der Vereinsordnung ohne Satzungsqualität dem Verband hingegen die Möglichkeit einer schnellen Anpassung eigener Regelwerke an die übergeordneter nationaler oder internationaler Sportverbände, da eine Eintragung der geänderten Vorschriften in das Vereinsregister gerade nicht erforderlich ist. Eine Sonderform der Vereinsordnung stellt die Geschäftsordnung dar. In ihr sind üblicherweise das Verfahren und die Willensbildung der zur Geschäftsführung bestimmten Vereinsorgane geregelt.58 Geschäftsordnungen sind für den hier zu untersuchenden Gegenstand von eher untergeordneter Bedeutung, so dass auf sie an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll.
d) Die Bindung des Mitgliedes an vereinseigene Regelwerke Seit jeher umstritten ist die Frage, wie eine Bindung der Vereinsmitglieder an Satzungsbestimmungen dogmatisch zu begründen ist. Eine Antwort hängt maßgeblich vom Verständnis des Rechtscharakters der Vereinssatzung ab. Die am häufigsten vertretenen Begründungsansätze sehen die Rechtsnatur der Satzung entweder in einem reinen Vertragsverhältnis59 oder messen den Satzungsbestimmungen Normcharakter60 bei. Entgegen der früher vertretenen strengen Normtheorie kann heute als gesichert angesehen werden, dass die von den Gründungsmitgliedern aufgestellte Satzung unter diesen zunächst nur eine Bindung auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erzeugt, da die Anerkennung originärer privater Normsetzungsbefugnisse zur Aushöhlung staatlicher Souveräni-
57 Vgl. etwa § 1 Nr. 5.1 der Satzung des DEB mit der Aufzählung von 10 verbindlichen Nebenordnungen. 58 Vgl. Reichert, Rn. 431. 59 Vgl. Soergel/Hadding, § 25, Rn. 17 mwN. 60 Vgl. u. a. MüKo/Reuter, § 25, Rn. 17; Reichert, Rn. 83; BGHZ 21, 370 (374 f.); Baecker, S. 32; Kirschenhofer, S. 22; Edenfeld, S. 40.
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I. Grundlagen
tät führt und das Grundgesetz Privaten lediglich die Wahrnehmung vom Staat abgeleiteter Normsetzungsbefugnisse erlaubt.61
aa) Normtheorie und Vertragstheorie Die Vertreter der Vertragstheorie sehen in der Satzung ein von den Gründern des Vereins geschlossenes mehrseitiges Rechtsgeschäft.62 Die hieraus abgeleitete Befugnis des Vereins zur Schaffung eigener Regelwerke mit Wirkung gegenüber den Mitgliedern beruht auf dem eingeräumten Recht der einseitig vertragsgestaltenden Einflussnahme im Sinne der §§ 315 ff. BGB.63 Bei der Verhängung von Vereinsstrafen ausgeübte Vereinsgewalt stellt sich insoweit als rechtsgeschäftlich vereinbarte Vertragsstrafe (§§ 339 ff. BGB) dar.64 In Übereinstimmung mit den für Nichtmitglieder geltenden Grundsätzen ergibt sich damit eine Bindung an vereinseigene Regelwerke aus einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung. Mit der modifizierten Normentheorie65 vollzieht der Rechtscharakter der Satzung im Zeitpunkt der Entstehung des Vereins eine Wandlung vom Vertrag zur abstrakten Rechtsnorm. Mit seiner erstmaligen rechtlichen Existenz löst sich der Verein als nunmehr eigenständige Rechtspersönlichkeit von der Person seiner Gründer ab und lässt eine selbständige Rechtsordnung im Rahmen verfassungsrechtlicher und einfachgesetzlicher Vorgaben entstehen. Im Unterschied zur Vertragstheorie unterwerfen sich die Mitglieder den vereinseigenen Regelwerken bereits durch ihren Beitritt zum Verein. Von der Mitgliederversammlung beschlossene Regelwerke bedürfen zu ihrer Allgemeinverbindlichkeit nicht der Zustimmung aller Vereinsmitglieder; ihre generelle Geltung ergibt sich vielmehr aus dem Charakter als Norm. Gebunden sind daher auch diejenigen Mitglieder, die bei Beschlussfassung überstimmt worden sind.
bb) Stellungnahme Beide Lösungsansätze sind nicht frei von berechtigter Kritik. Ein geordnetes Vereinsleben auf Grundlage der Vertragstheorie ließe sich nur erreichen, wenn 61
Vgl. Vieweg, Normsetzung, S. 319 Fn. 9, S. 320; Steinbeck, S. 181. Vgl. Soergel/Hadding, § 25, Rn. 17. 63 Vgl. Lukes, in: FS für Westermann, S. 330 (335 f.). 64 Vgl. Bötticher, ZfA 1970, S. 3 (44 ff.); Flume, Die juristische Person, § 9 IV; Soergel/Hadding, § 25, Rn. 39 mwN. 65 Die strenge Normentheorie dürfte nicht mehr zu vertreten sein, vgl. oben, vor aa). Zu den Vertretern der modifizierten Normentheorie siehe oben, Fn. 60. 62
3. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Verein
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das Vereinsmitglied bereits im Zeitpunkt des Beitritts seine Zustimmung zu künftigen Regeländerungen erklärt. Da eine ausdrückliche Erklärung praktisch kaum der Fall sein dürfte und die Annahme einer entsprechenden Vorstellung des Beitretenden letztlich Fiktion wäre66, sieht sich die Vertragstheorie ernsthaften praktischen Schwierigkeiten ausgesetzt. Daneben müsste eine allgemeinverbindliche Satzungsänderung – als Modifikation des ursprünglichen Vertrages – nach den Grundsätzen der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre von den Mitgliedern einstimmig angenommen werden. Dies entspricht jedoch nicht dem vereinsrechtlichen Grundsatz der Maßgeblichkeit des Mehrheitswillens, wie er in § 33 Abs. 1 BGB Ausdruck gefunden hat. Geht man andererseits davon aus, dass sich jedes Mitglied nach § 317 BGB der Mehrheit der Mitgliederversammlung unterwerfen und damit auf die Einstimmigkeit einer Entscheidung verzichten will, so leuchtet nicht ein, weshalb das von § 33 Abs. 1 S. 1 BGB klar angesprochene Mehrheitsprinzip einer näheren Erläuterung durch § 317 BGB bedürfen soll.67 Im Gegenzug sind die Vertreter der Normtheorie nicht in der Lage, eine überzeugende Begründung für die Wandlung vom Vertrag zur Norm zu geben.68 Auch lässt sich aus systematischen Gründen nur schwer erklären, weshalb die Regelung interner Angelegenheiten beim Verein – als Grundmodell körperschaftlich organisierter Gesellschaften – nicht auf rechtsgeschäftlicher Grundlage erfolgen soll, wie dies für die speziellen Erscheinungsformen der AG, GmbH und Publikums-KG einhellig angenommen wird.69 Im Ergebnis sprechen jedoch die überzeugenderen Argumente gegen die Vertragstheorie. Die Satzung eines Vereines ist nicht das Ergebnis von Verhandlungen, die aus Gründen einer notwendigen Einigung geführt werden. Sie ist vielmehr der Versuch, dem Vereinsleben eine Ordnung zu geben, die für heutige und zukünftige Mitglieder gleichermaßen Geltung beanspruchen soll. Hiermit lässt sich insbesondere das freie Aushandeln von besonderen Mitgliedschaftsrechten und -pflichten, wie sie bei einer rein rechtsgeschäftlichen Ausgestaltung zwischen Vorstand und Beitretenden möglich sein müsste, nicht in Einklang bringen.70 Die Normtheorie zeigt sich, trotz aufgezeigter dogmatischer Schwächen in Bezug auf die Gründungsphase, am ehesten in der Lage, den Anforderungen der Praxis gerecht zu werden – gerade im Hinblick auf die notwendige Anwendung eines allgemeinverbindlichen Regelwerkes im Sport –
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Vgl. RGRK/Steffen, Vor § 21, Rn. 32, § 25, Rn. 5. Vgl. Baecker, S. 31 f. 68 Vgl. Steinbeck, S. 184. 69 Vgl. van Look, S. 71; Soergel/Hadding, Vor § 21, Rn. 50. 70 Vgl. hierzu MüKo/Reuter, § 25 Rn. 20, 17. 67
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und dürfte damit auch den Vorstellungen der überwiegenden Zahl der Betroffenen entsprechen.71
4. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Sportverband Für die rechtliche Bewertung von Ausländerbeschränkungen spielt das Verhältnis des Sportlers zum „eigenen“ Verein eine eher nachrangige Rolle. In den Vordergrund tritt vielmehr die Beziehung des Sportlers zum Dachverband. Die Aufstellung der Spielordnung mit Festlegungen zu den Wettkampfbedingungen fällt in aller Regel in den Kompetenzbereich des Sportverbandes, in dessen Verbandsgebiet der Wettbewerb ausgetragen wird. Teilnehmende Vereine, respektive die Spieler, werden vom Anwendungsbereich erfasst und ermöglichen erst durch ihre Akzeptanz die Durchführung sportlich fairer Wettkämpfe. Das Verhältnis von Verband als Normgeber und Spieler als Normadressat ist damit von erheblichem Einfluss auf die organisierte Sportausübung und bildet zugleich einen wesentlichen Teil seiner Grundlagen. Die inhaltliche Ausgestaltung dieser Beziehung und deren Besonderheiten werden nachfolgend näher dargestellt.
a) Der Begriff des Sportverbandes Dem Verbandsbegriff liegt im natürlichen Sprachgebrauch das Verständnis eines organisatorischen Zusammenschlusses mehrerer kleiner Vereinigungen zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen zugrunde.72 Aus rechtstatsächlicher Sicht ist dies zunächst zutreffend. Darüber hinaus suggeriert dieses Begriffsverständnis jedoch die Existenz einer eigenständigen Rechtsform „Verband“, die aus rechtlicher Sicht nicht gegeben ist.73 Sportverbände sind in aller Regel rechtsfähige Vereine, deren Zweckbestimmung in der Förderung der jeweiligen Sportart liegt.74 Als Vereine im Sinne der §§ 21 ff. BGB unterliegen sie den dargestellten vereinsrechtlichen Grundsätzen.75 Dennoch soll im Nachfolgenden der Begriff des Sportverbandes verwendet werden, um Verwechslungen mit 71 So auch Edenfeld, S. 40 f.; Baecker, S. 32. Nach Vieweg, Normsetzung, S. 323 und Kirschenhofer, S. 21, findet sich das grundsätzliche Interesse des Verbandes und seiner Mitglieder an einer Normwirkung in der Bezeichnung des Regelwerkes als „Satzung“ bzw. „Ordnung“ wieder. 72 Vgl. Duden, Deutsches Universalwörterbuch, Stichwort: Verband. 73 Vgl. Reichert, Rn. 14. 74 Vgl. bspw. § 2 S. 1 Satzung DHB. 75 Vgl. oben, 3.
4. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Sportverband
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dem Sportverein, als kleinster organisatorischer Einheit im Verbandsgefüge, zu vermeiden.
b) Die Organisation als Vereinsverband Sportverbände bestehen gewöhnlich als Vereinsverband. Diese zeichnen sich durch eine korporative Mitgliederstruktur aus, die lediglich Vereinen eine Mitgliedschaft ermöglicht.76 Soweit im Einzelfall natürliche Personen aufgenommen werden, so handelt es sich häufig um eine Ehrenmitgliedschaft.77 Diese Verfahrensweise begegnet im Grundsatz keinen rechtlichen Bedenken und rechtfertigt sich zudem aus einem ansonsten kaum zu bewältigenden Verwaltungsaufwand bei Aufnahme des gesamten organisierten Mitgliederbestandes.78 Hält man sich vor Augen, dass unter der Schirmherrschaft des Deutschen Sportbundes im Jahr 2005 ca. 27,2 Millionen Menschen in Deutschland dem organisierten Sport nachgingen79, so lässt sich dieser Organisationsaufwand erahnen und führt zur Nachvollziehbarkeit der Praxis.
c) Aufbau und Organisation des deutschen Sportverbandswesens Das deutsche Sportverbandswesen zeichnet sich durch ein abgestuftes, flächendeckendes System der Inkorporation aller Sportvereine aus. An der Spitze dieses Organisationsnetzes steht der Deutsche Sportbund als Spitzenorganisation aller Sportverbände und -institutionen80, mit der Aufgabe, die Interessen seiner Mitgliedsorganisationen in überverbandlichen und überfachlichen Angelegenheiten sowohl im In- als auch im Ausland zu vertreten81. Mitglieder des DSB sind neben den 16 Landessportbünden auch die Spitzenfachverbände der
76 Vgl. § 6 Abs. 2 Satzung DTTB; § 8 Abs. 1 S. 1 Satzung DHockeyB; § 6 Satzung DHB; § 7 Nr. 2 Satzung DFB. 77 Vgl. § 7 Nr. 1 b) iVm. § 11 Satzung DFB; § 6 Abs. 3 iVm. § 10 Satzung DHB; § 8 Abs. 3 Satzung DHockeyB. 78 Vgl. Reichert/van Look, Rn. 512; Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146 (2146). 79 Vgl. die Statistik des DSB für das Jahr 2005 unter www.dsb.de/fileadmin/fmdsb/downloads/Bestandserhebung_2005.pdf. Dabei ist zu beachten, dass der DSB keine Verwaltungsaufgaben bzgl. der einzelnen Sportler wahrnimmt; diese bleiben vielmehr den Verbänden und Vereinen überlassen. 80 Einen sehr guten graphischen Überblick über den Aufbau des DSB gibt Niese, Sport im Wandel, S. 14 ff. Siehe auch die Erläuterungen, aaO., S. 77 ff. 81 Vgl. § 2 lit. c) Satzung DSB. Nachdem das NOK und der DSB zum DOSB fusioniert sind, findet sich die Reglung in § 2 Abs. 1 Satzung DOSB.
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I. Grundlagen
einzelnen Sportarten82, wobei jede Sportart nur durch einen Spitzenfachverband im DSB repräsentiert werden kann (sog. Ein-Platz-Prinzip83). Mitglieder der Spitzenfachverbände sind die entsprechenden Regionalfachverbände, denen wiederum die Landesfachverbände angehören. In letzteren sind schließlich die Sportvereine selbst organisiert. Unterschiede zwischen den einzelnen Sportarten ergeben sich aus der möglichen Zwischenschaltung eines weiteren Kreisbzw. Bezirksfachverbandes oder der Mitgliedschaft des Landesverbandes – neben dem Regionalverband – im Spitzenfachverband.84. Die Aufnahme eines Regionalverbandes in den Spitzenfachverband steht häufig unter der Bedingung gleichzeitiger Mitgliedschaft im Landessportbund.85 Gleiches gilt zuweilen auch für die Mitgliedschaft des Vereines im Landesverband.86 Überwiegend besteht jedoch auf Verbandsebene ohnehin die Mitgliedschaft im entsprechenden Landes- oder Kreissportbund. Die Organisationsform des Sportverbandswesens wird wegen ihrer Struktur vielfach auch als Verbandspyramide bezeichnet.87
d) Der Begriff der „mittelbaren“ Mitgliedschaft Wie bereits dargestellt88, sehen die überwiegend als Vereinsverbände konzipierten Sportverbände keine Mitgliedschaft des im Basisverein organisierten Sportlers vor. Eine unmittelbare Rechtsbeziehung zwischen Verband und Sportler besteht daher nicht. Der Verein – als Bindeglied zwischen Verband und Spieler – vermittelt allerdings eine Rechtsbeziehung, die auch als mittelbare Mitgliedschaft bezeichnet wird.89 Rechtlich handelt es sich hierbei jedoch nicht um eine echte Mitgliedschaft im Sinne des § 38 BGB, da eine solche weder vom Dachverband gewollt noch vom Sportler beantragt wird. Im Verhältnis zum Verband bleibt es für den Spieler damit beim Status eines Nichtmitgliedes und damit der grundsätzlichen Unanwendbarkeit verbandsrechtlicher Regelwerke auf den Spieler. Gleichwohl besteht für den Verband die Notwendigkeit, den Geltungsbereich seines Regelwerkes – über seine Mitglieder hinaus – auch 82
Vgl. bspw. die Präambel zur Satzung des DHB sowie § 4 Satzung DHockeyB. Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 108, Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146 (Fn. 21); Vieweg, SpuRt 1995, 97 (98); ders., in: Teilnahme am Sport, S. 23 (25); Nolte/Polzin, NZG 2001, 838 (839). 84 Vgl. etwa § 6 Abs. 2 Satzung DHB. 85 Vgl. etwa § 6 Abs. 2 Satzung DTTB. 86 Vgl. bspw. §§ 1, 7 Satzung HHV. 87 Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2.Teil, Rn. 22; Vieweg, SpuRt 1995, 97 (98). 88 Vgl. oben, b). 89 Vgl. Steinbeck, S. 149; Reichert, Rn. 709; PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 106. 83
4. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Sportverband
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auf den einzelnen Spieler auszudehnen, um Regelverstöße durch Spieler mit entsprechenden Ordnungsmaßnahmen ahnden zu können. Der Begriff der mittelbaren Mitgliedschaft versucht letztlich nichts anderes zu beschreiben als die Verbindlichkeit vereinseigener Regelwerke außerhalb einer echten Mitgliedschaft. Das erhebliche Interesse der Fachverbände an der Durchführung des Spielbetriebes nach einheitlichen Regeln ist damit aufgezeigt. Die rechtswirksame Umsetzung dieses Zieles bereitet der Praxis jedoch einige Schwierigkeiten. Im Ausgangspunkt stehen zwei Wege offen, die grundsätzlich geeignet sind, eine Bindung des Sportlers herbeizuführen: Zum einen besteht die Möglichkeit einer direkten Unterwerfung durch Erklärung des Spielers gegenüber dem Verband. Andererseits lässt sich eine Bindung auch über die Satzung bzw. Nebenordnung des Vereins erreichen, der entsprechende Regelwerke des Dachverbandes in seine eigene Satzung inkorporiert und damit seine Mitglieder an fremde Regelwerke bindet.
e) Die Bindung des Sportlers an Regelwerke des Dachverbandes auf Grundlage unmittelbarer Rechtsbeziehung Im Rahmen der Regelbindung auf individualrechtlicher Grundlage haben sich in der Praxis verschiedene Gestaltungsformen herausgebildet, die sich insbesondere hinsichtlich ihres Bindungsumfanges unterscheiden. Der in der Praxis seltene, weil nur im absoluten Spitzensport anzutreffende Einzelvertrag zwischen Verband und Sportler90 kann mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand an dieser Stelle außer Betracht bleiben. Er führt in der Regel zu Sonderkonditionen für absolute Ausnahmeathleten und spielt daher im Breitensport keine Rolle.91
aa) Die Bindung des Sportlers durch Meldung zum Wettkampf Eine bei Individualsportarten gebräuchliche und vom BGH anerkannte92 Form der Unterwerfung besteht in der Meldung des Sportlers zu einem konkreten Wettbewerb, der vom Sportverband ausdrücklich auf Grundlage der eigenen Wettkampf- und Disziplinarordnung ausgeschrieben und durchgeführt wird. Der Sportler erkennt in diesem Fall die geltenden Regeln des Verbandes an und erklärt sein Einverständnis mit der Sanktionierung eigenen, nicht regel90
Vgl. Fenn, SpuRt 1997, 77 (78); Haas/Prokop, SpuRt 1996, 109 (110); Kirschenhofer, S. 25. 91 Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 157. 92 Vgl. BGH, NJW 1995, 583 (586) = BGHZ 128, 93 (104).
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konformen Verhaltens durch den Verband. Seiner Rechtsnatur nach handelt es sich um ein vertragliches Konstrukt mit beiderseitigen Rechten und Pflichten, dessen genauer Inhalt durch Vertragsauslegung in Anwendung der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln ist93 und der als Erstreckungs-94 oder Regelanerkennungsvertrag95 bezeichnet wird.96 Aus Sicht der Verbände bietet sich diese Form der Regelbindung nicht unbedingt an, weil die Unterwerfung grundsätzlich auf einen sachlich-gegenständlichen Bereich beschränkt bleibt.97 Andernfalls würde das Nichtmitglied in eine dem Vollmitglied vergleichbare Pflichtenstellung einrücken, ohne allerdings über die entsprechenden Mitwirkungsrechte verfügen zu können.98 Dies beinhaltet die Gefahr, dass – unter Umgehung einer echten Mitgliedschaft – lediglich Pflichten übertragen werden99, denn der Anerkennungsvertrag ist gemeinhin nicht das ausgewogene Ergebnis der Verhandlungen zweier gleichberechtigter Parteien. Es dürfte sich im Massensport eher um eine verbandsseitig vorformulierte Anerkennungserklärung handeln, deren individuelle Ausgestaltung nicht zur Disposition steht.100 Endlich verträgt sich die vollumfängliche Anerkennung durch ein Nichtmitglied nicht mit der grundlegenden Wertung des Vereinsrechts, nach der eine umfassende Regelbindung allein im Rahmen körperschaftlicher Beziehung, unter Wahrung eines unabänderlichen Rechtsstatus, möglich ist.101 Der konkrete Erstreckungs- bzw. Regelanerkennungsvertrag im Sport bezieht sich daher lediglich auf die unmittelbare Wettkampfsituation. Eine Übernahme dieser Bindung auf das Geschehen außerhalb des Wettkampfes kommt nicht in Betracht. Entsprechend enden die Möglichkeiten des Verbandes zur Ahndung so genannter Vorfeldverstöße102, etwa der unerlaubten Einnahme leistungsfördernder Substanzen in der Trainingsphase.103 Das Verbandsinteresse an einer umfassenden Bindung des
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Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2.Teil, Rn. 157. So Lukes, in: FS für Westermann, S. 325 (335). 95 So Pfister, in: FS für Lorenz, S. 171 (185). 96 Die heute absolut h.M. hält eine vertragliche Unterwerfung für grundsätzlich zulässig; vgl. Edenfeld, S. 186 mwN. 97 Vgl. OLG Düsseldorf, SpuRt 1995, 171 ff.; Lukes, in: FS für Westermann, S. 325 (343 f.); Steinbeck, S. 153; a. A. Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146 (2147). 98 Vgl. Steinbeck, S. 153. 99 Vgl. Lukes, in: FS für Westermann, S. 325 (342). 100 In diesem Sinne auch Stern, in: Sport und Recht, S. 142 (151), der zu Recht schon bei Begründung der Mitgliedschaft im Verband bzw. Verein nicht von einer grundsätzlichen Gleichberechtigung der Vertragsparteien im Sinne des Privatrechts ausgeht und – den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechend – eine Subordination des Sportlers annimmt. 101 Vgl. Steinbeck, S. 153. 102 Vgl. Fenn, SpuRt 1997, 77 (79). 103 Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 158. 94
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Einzelsportlers deckt sich insoweit nicht mit den zulässigen Grenzen einer Regelanerkennung.
bb) Anerkennung des Regelwerkes durch Beantragung eines Spielerpasses bzw. einer Lizenz Häufiger wird die erstrebte Bindung durch eine vom Verband erteilte generelle Start- und Spielerlaubnis in Form einer Lizenz oder eines Spielerpasses erreicht. Derartige Spielgenehmigungen finden sich in einer Reihe von Spielund Wettkampfordnungen.104 Nach dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen dokumentiert der Spielerpass in erster Linie eine erteilte Spielgenehmigung. Dieser Nachweisfunktion entsprechend ist der Spielerpass daher häufig nur in Verbindung mit einem amtlichen Ausweisdokument gültig. Im Unterschied zur Einzelmeldung führen diese generellen Start- und Spielgenehmigungen zur umfassenden Unterwerfung des einzelnen Spielers und binden den Sportler auch außerhalb der konkreten Wettkampfteilnahme z. B. an die geltenden Dopingbestimmungen.105 Durch Verweis auf die jeweils gültige Fassung seines Regelwerkes sichert der Verband die Bindung des Nichtmitgliedes auch an Regeländerungen, die nach Erteilung des Spielerpasses vorgenommen werden. Die Vereinbarung einer solchen dynamischen Verweisung erfolgt auf der Grundlage zulässiger privatautonomer Rechtsgestaltung. Diese ermöglicht es dem Verband, sich entsprechend der §§ 315, 317 BGB ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht vorzubehalten.106 Die Regelbindung durch Erteilung eines Spielerpasses steht jedoch unter dem Postulat der Möglichkeit zumutbarer Kenntnisnahme der einschlägigen Regelwerke durch den Sportler.107 In Anbetracht des erheblichen Aufwandes bei Aushändigung jeweils eines Exemplars an jeden Sportler108 dürfte mit der wohl überwiegenden Meinung die Übermittlung auf entsprechende Anforderung des Sportlers bzw. die jederzeitige Möglichkeit zur Einsichtnahme des Regelwerkes im Rahmen eines Wettkampfes ausreichen.109 Ob der Verband diesen Vorgaben letztlich ausreichend Rechnung trägt, dürfte Frage des Einzelfalls sein. 104 Vgl. u. a. §§ 11 Abs. 1 und 12 Abs. 1 SpielO DHB; Abschnitt B Nr. 1.1 WO DTTB; §§ 19, 20 Abs. 1 SpielO DBB; § 10 Nr. 2 SpielO DFB. 105 Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 158; Vieweg, SpuRt 1995, 97 (99); OLG München, SpuRt 1996, 133 (134); Kirschenhofer, S. 27. 106 Vgl. Pfister, in: FS für Lorenz, S. 171 (185 f.); Edenfeld, S. 62; Bergermann, S. 46 mwN. 107 Vgl. BGH, NJW 1995, 583 (586) = BGHZ 128, 93 (105 f.). 108 Vgl. Vieweg, SpuRt 1995, 97 (99). 109 Vgl. Haas/Prokop, SpuRt 1998, 15 (17); Bergermann, S. 49; Fenn, SpuRt 1997, 77 (79).
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cc) Die faktische Anerkennung durch Integration in Verbandsabläufe Neue Anhänger scheint die früher häufiger vertretene Auffassung gefunden zu haben, eine Bindung des Spielers ergebe sich bereits aus seiner faktischen Eingliederung in Verbandsabläufe.110 Demnach begründe die konkrete Inanspruchnahme von Verbandseinrichtungen ein Verhältnis quasimitgliedschaftlicher Unterwerfung111, das die Ahndung von Regelverstößen entsprechend den für Mitglieder geltenden Bestimmungen rechtfertigt. Sofern eine Unterwerfung durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung hinzutritt, führe dies lediglich zur Modifikation des mitgliedschaftsähnlichen Verhältnisses, stelle es jedoch nicht zugleich auf eine rechtsgeschäftliche Grundlage.112 Neuere Begründungsansätze sehen die dogmatischen Grundlagen im Prinzip der Drittbegünstigung nach § 328 BGB bzw. der Lehre vom faktischen Vertrag.113 Die Teilnahme des Nichtmitgliedes an Sportveranstaltungen des Verbandes stellt sich als Inanspruchnahme einer vom Verband auch gegenüber Nichtmitgliedern gewährten Leistung dar. Hiermit verbundene Belastungen sind lediglich als Einschränkung der Begünstigung anzusehen. Folglich kann die Verbandssatzung nicht als Vertrag zu Lasten Dritter verstanden werden; vielmehr umschreibt sie das gewährte Recht und enthält zugleich die hiermit untrennbar verbundenen Bestimmungen zur Sanktionierung rechtswidrigen Verhaltens.114 Eine Drittbegünstigung soll dann eintreten, wenn die Ebene rein privater sportlicher Betätigung verlassen wird, da der Sportler hiermit zu erkennen gibt, das vom Verband angebotene „Produkt Sport“115 nutzen und sich zugleich an dessen Regelwerk binden zu wollen. Nicht erfasst werden soll hingegen die sportliche Betätigung im rein privaten Rahmen, da hier gerade kein Interesse an einer Einbindung in Verbandsstrukturen besteht. Die Abgrenzung privater von leistungsorientierter sportlicher Betätigung erweist sich jedoch – wie deren Vertreter selbst einräumen – als nicht unproblematisch. Eine klare Trennung soll jedenfalls dort möglich sein, wo für die Teilnahme am Wettkampf eine Lizenz erteilt wird.116 Es stellt sich dann allerdings die Frage, weshalb zur Begründung der Regelbindung von Nichtmitgliedern auf den Sondertatbestand der faktischen Integration zurückgegriffen werden soll, wenn sich das identische Ergebnis auf rechtsgeschäftlicher Grundlage nach den Regeln der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre 110 Vgl. Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146 (2147 f.); Bruder, MDR 1973, 897 (898); Samstag, S. 13; wohl auch OLG Düsseldorf, SpuRt 1995, S. 171 (172), mit allerdings etwas unklarer Abgrenzung zur individuellen Vereinbarung. 111 So ausdrücklich RGRK/Steffen, § 25, Rn. 18. 112 Vgl. Bruder, MDR 1973, 897 (898). 113 Vgl. Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146 (2147). 114 Vgl. Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146 (2148). 115 So ausdrücklich Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146 (2148). 116 Vgl. Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146 (2148).
4. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Sportverband
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– eben durch Vergabe einer Lizenz – herbeiführen lässt.117 Auch innerhalb der leistungsorientierten Sportausübung lässt sich nicht ohne weiteres feststellen, wann von einer Integration in Verbandsabläufe auszugehen ist. Soll hierfür bereits die regelmäßige Teilnahme am Trainingsbetrieb eines verbandsangehörigen Vereines genügen? Ist der einmalige Einsatz eines Spielers im Spielbetrieb einer höherklassigen Mannschaft ausreichend?118 In diesen Abgrenzungsfragen erweist sich der Begriff der Integration als letztlich konturenlos. Eine klar rechtsgeschäftliche Lösung umgeht derartige Probleme. Hinzu kommt, dass für die Herbeiführung der Bindungswirkung durch sportliche Integration kein Bedürfnis besteht.119 Die zur Verfügung stehenden Mittel der allgemeinen Rechtsgeschäftslehre sind völlig ausreichend, um auch die Anerkennung verbandsseitig aufgestellter Regelwerke durch Sportler zu erfassen.120 Aus den gleichen Gründen kann die Annahme eines faktischen Vertragsverhältnisses nicht überzeugen – das Vertragsmodell des BGB zeigt sich auch den Anforderungen des Massenverkehrs gewachsen.121
dd) Das „mitgliedschaftsähnliche“ Verhältnis des Sportlers zum Verband, begründet durch gemeinsame Zweckverfolgung Mangels Anerkennung einer „Quasimitgliedschaft“ durch Einbindung in bestehende Verbandsstrukturen bleibt es für den Sportler beim Status eines Nichtmitgliedes, der ohne entsprechende rechtsgeschäftliche Vereinbarung nicht der Verbandsgewalt unterworfen ist. Gleichwohl wurde in der Vergangenheit von Teilen der Rechtsprechung ein „mitgliedschaftsähnliches“ Verhältnis des Sportlers zum Dachverband – in allerdings unklaren Umrissen – angenommen.122 Durch seinen Beitritt zum Verband bringe der Verein seine Mitglieder in eine „gewisse unmittelbare“ Beziehung zum Verband, die ihren Ursprung im satzungsmäßigen Zweck des Verbandes findet, der vom einzelnen Verein durch seinen Beitritt zum Dachverband anerkannt wird. Die Verwirklichung dieses Zweckes gebiete es, eine Rechtsbeziehung auch zwischen Dachverband und Vereinsmitglied anzunehmen. Diese Auffassung muss jedoch als überholt angesehen werden und wird – soweit ersichtlich – heute nicht mehr 117
So auch Mogk, S. 179. In diesem Sinne Edenfeld, S. 193. 119 Nach Daigfuß, S. 96, beruht auch die Benutzung von Verbandseinrichtungen letztlich auf einem Rechtsgeschäft, da die erforderlichen Willenserklärungen in diesem Fall konkludent abgegeben werden. 120 So auch Pfister, JZ 1995, 464 ff. 121 Vgl. MüKo/Kramer, Vor § 145, Rn. 32. 122 Vgl. OLG Karlsruhe, OLGZ 1970, 300 (303). 118
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vertreten. Sie verkennt insbesondere, dass streng zwischen Verein und Vereinsmitglied als verschiedenen Rechtspersonen zu trennen ist. Lediglich der Verein unterwirft sich durch seinen Beitritt den Regelwerken des übergeordneten Verbandes. Hieraus zugleich eine Bindung auch des Vereinsmitgliedes ableiten zu wollen, würde einen unzulässigen Vertrag zu Lasten Dritter darstellen.123
f) Die Bindung des Sportlers an Regelwerke des Dachverbandes auf satzungsrechtlicher Grundlage Abgesehen von der vertraglichen Grundlage, besteht grundsätzlich auch die Möglichkeit, den Sportler über die Satzung seines Vereines zu binden.
aa) Allgemeines In den meisten Dachverbandssatzungen finden sich mehr oder minder klare Regelungen, die auf einen Willen zur Inkorporation der Regelwerke in die Satzungen der Mitgliedsvereine hindeuten. So bestimmt etwa § 4 Abs. 5 der Satzung des DHB: „Spielordnung, Rechtsordnung, Jugendordnung,…etwaige künftige weitere Ordnungen und Richtlinien sowie die Entscheidungen der DHB-Organe, die diese im Rahmen ihrer Zuständigkeitsbereiche treffen, sind für die Mitgliedsverbände, für die den Verbänden angeschlossenen Vereine und deren Mitglieder unmittelbar verbindlich.“
Die Regelungen der einzelnen Dachverbände weisen dabei hinsichtlich Reichweite und Intensität der Geltungsanordnung nicht unerhebliche Unterschiede auf, die eine generelle Bewertung unmöglich machen. Eine allgemeingültige Aussage wird zudem durch den keineswegs immer eindeutigen Wortlaut erschwert, der zumeist einen weiten Auslegungsspielraum eröffnet. Die folgende Darstellung orientiert sich daher an geläufigen Gestaltungsformen und deren möglicher Auslegung.124
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Vgl. Steinbeck, S. 162; Edenfeld, S. 50; i.E. auch Baecker, S. 121. Eingehender Steinbeck, S. 154 ff.
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bb) Einseitige Geltungsanordnung durch die Satzung des Verbandes Nicht selten findet sich in der Satzung des Dachverbandes eine Bestimmung, nach der eigene Regelwerke im Mitgliedsverein unmittelbare Geltung beanspruchen. Soweit die Satzung des Mitgliedsvereines keine korrespondierende Regelung enthält, spricht man von self-executing Normen, die allein aufgrund der einseitigen Anordnung zur Inkorporation der Regelwerke in die Satzung des Vereins führen sollen. Die darauf gestützte Annahme, Regelwerke würden damit auch für die Mitglieder des im Dachverband organisierten Vereines verbindlich, erweist sich jedoch als rechtlich nicht haltbar. Andernfalls würden self-executing Normen bei Änderung des Regelwerkes durch den Dachverband automatisch eine Satzungsänderung des Mitgliedsvereines auslösen, die aber außerhalb der Voraussetzungen der §§ 33 Abs. 1, 71 Abs. 1 S. 1 BGB nicht rechtswirksam vollzogen werden kann. Es dürfte sowohl am Beschluss der Mitgliederversammlung zur Satzungsänderung als auch an der Anmeldung zum Vereinsregister fehlen.125 Ein „Durchgriff“ des Dachverbandes auf mittelbare Mitglieder zum Zwecke der Erweiterung seiner Regelungsbefugnisse ist außerhalb der Vermittlung durch den Mitgliedsverein oder der Unterwerfung durch den Spieler nicht anzuerkennen.126 Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der autonomen Regelungen eigener Angelegenheiten durch den Verband wird begrenzt durch das ebenfalls in Art. 9 Abs. 1 GG verbürgte Recht des Sportlers, einem bestimmten Verband fernzubleiben und sich dessen Regelungsbefugnis zu entziehen. Die einseitige Anordnung der Verbindlichkeit selbst geschaffener Normen für Dritte wäre letztlich eine Überschreitung verfassungsrechtlich garantierter Freiheiten unter Zurückdrängung gleichwertiger Freiheitsbereiche grundsätzlich verbandsunabhängiger Sportler. Die „angeordnete“ Bindungswirkung bleibt daher ohne das Äquivalent der Anerkennung des Regelwerkes durch den Sportler oder der Übernahme durch den Mitgliedsverein wirkungslos.127
cc) Geltungsvorrang der Verbandssatzung als höherrangige Rechtsquelle Gelegentlich finden sich in der Verbandssatzung Bestimmungen, die das Konkurrenzverhältnis zwischen Regelungen des Verbandes und des Vereines dadurch aufzulösen versuchen, indem sie dem Verein eine Regelungsbefugnis nur solange einräumen, bis der Verband von „seiner“ Kompetenz selbst Gebrauch macht. Beispielhaft lautet etwa § 5 S. 1 der Satzung des DTTB: 125
Vgl. Steinbeck, S. 161. Vgl. MüKo/Reuter, Vor § 21, Rn. 121. 127 Vgl. Pfister, SpuRt 1996, 48 (49). 126
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I. Grundlagen „Soweit der DTTB auf den in § 4 genannten Gebieten128 Vorschriften erlässt, treten diese an die Stelle der etwa von den Mitglieds- und Regionalverbänden erlassenen Vorschriften.“
Soweit man die Normqualität der Satzung anerkennt129 und hieraus ein Subordinationsverhältnis zwischen Verein und Mitglied ableitet130, liegt es zunächst nahe, in Parallele zum grundgesetzlichen Modell der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz, Art. 72 Abs. 1 GG, den Vorrang verbandseigener Bestimmungen anzunehmen. Eine solche Betrachtung erweist sich jedoch als nicht unproblematisch. Ohne entsprechende Anerkennung durch den Verein – damit letztlich wiederum aufgrund einseitiger Anordnung des Verbandes – dürfte sich ein Vorrang der Verbandsregelung nicht begründen lassen, da Verband und Verein bei Wahrnehmung ihrer Regelungskompetenzen als autonome und grundsätzlich gleichberechtigte Privatrechtssubjekte handeln.131 Der Verband kann nicht einseitig – gleichsam im Vorgriff auf die zur Beantwortung stehende Frage – das Spannungsverhältnis zwischen gleichartigen Vereins- und Verbandsregelungen dadurch auflösen, dass er eine Entscheidung hierüber eigenmächtig an sich zieht. Ein einseitig erklärter Geltungsvorrang ließe sich allenfalls annehmen, wenn der Verbandsnorm im Regelwerk des Mitgliedsvereines der Vorrang eingeräumt wird.132 Dies dürfte allerdings auch nur dann gelten, wenn sich der Geltungsvorrang auf Bestimmungen bezieht, die in der Satzung nachrangigen Vereinsordnungen verankert sind. Würde der Dachverband – nachdem der identische Gegenstand bereits vom Verein selbst durch entsprechende Satzungsnorm geregelt wurde – von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch machen und damit die Regelung auf Vereinsebene verdrängen, so käme dies einer Änderung der Vereinssatzung gleich, die den bereits aufgezeigten Anforderungen133 zu genügen hat. Eine wirksame Satzungsänderung würde neben einem Mitgliederbeschluss (§ 33 Abs. 1 S. 1 BGB) die Eintragung der Änderung in das Vereinsregister (§ 71 Abs. 1 S. 1 BGB) erfordern. Hieran wird es regelmäßig fehlen.
128
§ 4 enthält den umfangreichen Aufgabenkatalog des DTTB. Vgl. oben, 3. d). 130 Vgl. BGHZ 87, 337 (344). 131 Vgl. Pfister, SpuRt 1996, 48 (49). 132 Ebd. 133 Siehe oben, 3. c). 129
4. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Sportverband
51
dd) Die Einbeziehung fremder Regelwerke durch den Verein mit Bindungswirkung für das Vereinsmitglied durch Doppelverankerung Allgemein anerkanntes Instrument zur Bindung auch des Nichtmitgliedes an Regelwerke des Dachverbandes ist die so genannte Doppelverankerung.134
(1) Begriff der Doppelverankerung Hierbei wird vom Dachverband satzungsmäßig die Geltung der eigenen Regelwerke für Mitglieder der ihm angehörenden Vereine bestimmt. In der Satzung des Mitgliedsvereines werden entsprechend die Regelwerke des Verbandes zu Satzungsbestandteilen erklärt. Sind zwischen Dachverband und Basisverein – wie in der Praxis üblich – weitere Verbände geschaltet, so bedarf es zur Wirksamkeit der Doppelverankerung eines lückenlosen Systems korrespondierender Satzungsbestimmungen vom Dachverband bis hin zum Basisverein.135 Von der Doppelverankerung streng zu unterscheiden ist die Doppelmitgliedschaft. In diesem Fall ist der Spieler sowohl Vereins- als auch Verbandsmitglied. Die Frage der unmittelbaren Geltung beantwortet sich insoweit aus der Stellung als Mitglied des Dachverbandes und der hieraus folgenden satzungsmäßigen Bindung.136 Im Bereich der Sportverbände ist die Form der Doppelmitgliedschaft praktisch bedeutungslos, da Regionalverbände und Bundesverbände in der Regel korporativ organisiert sind137 und als solche die Aufnahme natürlicher Personen nicht zulassen.138 Auch wenn die Bindung des Nichtmitgliedes auf Grundlage einer satzungsmäßigen Doppelverankerung überwiegend anerkannt wird, bestehen hinsichtlich der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung Unklarheiten.
134 Vgl. Steinbeck, S. 162; Reichert, Rn. 447; Vieweg, Normsetzung, S. 340; BGH, NJW 1995, 583 (585) = BGHZ 128, 93 (100); Edenfeld, S. 51; Daigfuß, S. 65. 135 Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 106. 136 Vgl. Staudinger/Weick, § 25, Rn. 9; Soergel/Hadding, § 25, Rn. 34; vgl. ferner oben, 3. d) aa). 137 Vgl. § 6 Abs. 2 Satzung DTTB; § 3 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 1 Satzung STTV; § 4 Abs. 1 Satzung BATTV; § 1 Satzung HHV. 138 Auch wenn nicht immer ausdrücklich erklärt, so ergibt sich dies jedenfalls aus der in aller Regel abschließenden Aufzählung der Mitglieder; vgl. etwa § 3 Abs. 1 iVm. § 1 Abs. 1 Satzung STTV; § 6 Abs. 2 Satzung DHB.
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I. Grundlagen
(2) Inhaltliche Anforderungen an die Bestimmtheit der Verweisung auf fremde Regelwerke Unproblematisch zulässig ist die Inkorporation der fremden Satzung im Wortlaut. Eine einheitliche Geltung im gesamten Verbandsgebiet ergibt sich nach einer Regeländerung durch den Dachverband allerdings erst dann, wenn diese durch entsprechende Satzungsänderungen der Mitgliedsvereine umgesetzt worden ist. Die Frage, wie konkret Verweisungen außerhalb der wörtlichen Übernahme zu fassen sind139, ist indes nicht vollends geklärt. Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, für eine wirksame Übernahme einer Fremdsatzung genüge bereits die Erklärung, sich der Satzung des Dachverbandes zu unterwerfen.140 Die wohl überwiegende Meinung sieht sich auf einer Linie mit den vom OLG Hamm entwickelten Grundsätzen. Demnach muss die Verweisung widerspruchsfrei und verständlich gefasst sein und sich zudem auf bestimmte einzelne Vorschriften der inkorporierten Satzung beziehen.141 Mit Blick auf die Übersichtlichkeit und Transparenz maßgeblicher Regelwerke für das Mitglied erscheint diese Ansicht vorzugswürdig. Infolge individueller Normgestaltung durch die einzelnen Verbände verbietet sich ebenfalls eine generelle Aussage zur praktischen Umsetzung dieser Vorgaben; diese muss daher einer Beurteilung im Einzelfall überlassen bleiben. Ausgehend von der grundsätzlich zulässigen Inkorporation fremder Satzungen stellt sich weiterhin die Frage der Verbindlichkeit von Regeländerungen durch den Dachverband nach Beitritt des Mitgliedsvereines.
(3) Die Unzulässigkeit dynamischer Verweisungen Dem Interesse der Verbände und Vereine an einer zügigen Transformation der verbandsseitig geänderten Bestimmungen in das Regelwerk des Mitgliedsvereins ließe sich am ehesten durch eine dynamische Ausgestaltung der Verweisung Rechnung tragen. Im Unterschied zur statischen Verweisung, die auf die jeweils im Zeitpunkt des Beitritts geltende Satzung des Dachverbandes verweist, ermöglicht die dynamische Verweisung als flexibles Instrument die Inbezugnahme der jeweils gültigen Fassung des Regelwerkes und erübrigt eine satzungsmäßige Anpassung an die geänderten Regelwerke des übergeordneten Verbandes. Die Vorzüge einer derart praktikablen Handhabung lassen sich in139 Stöber hält eine Verweisung außerhalb der wörtlichen Übernahme generell für unzulässig, vgl. Rn. 34. 140 Vgl. LG Heilbronn, NZG 1998, 783; Pfister, SpuRt 1996, 48 (50). 141 Vgl. OLG Hamm, NJW-RR 1988, 183 ff.; Sauter/Schweyer/Waldner, Rn. 329a; Bergermann, S. 31; Steinbeck, S. 168; Reichert, Rn. 447; PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 151.
4. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Sportverband
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des nach h. M. nicht mit den Grundsätzen des Vereinsrechts zur Satzungsänderung in Einklang bringen.142 Die Bedenken knüpfen vor allem an das konstitutive Erfordernis einer Eintragung der Satzungsänderung in das Vereinsregister nach § 71 Abs. 1 S. 1 BGB an. Durch statutarische Inbezugnahme der Satzung des Dachverbandes bedeutet jede Regeländerung der Dachverbandssatzung zugleich eine Änderung der Satzung seiner Mitglieder, die zur Wirksamkeit den Erfordernissen des § 71 Abs. 1 S. 1 BGB zu genügen hat. Der Einwand, die inhaltliche Änderung erfordere keine Änderung des Wortlautes der Mitgliedersatzung, ändert nichts an einer qualitativen Satzungsänderung und stellt einen formaljuristischen Einwand dar, der nicht überzeugen kann.143 Ferner setzt die Satzungsänderung nach § 33 BGB einen wirksamen Mitgliederbeschluss voraus, an dem es bei der Übernahme fremder Satzungsbestimmungen im Wege der dynamischen Verweisung fehlt. Geht man davon aus, dass § 33 BGB bei der Doppelverankerung von Verband und Verein zulässig nach § 40 BGB abbedungen worden ist144, heilt dies zwar den fehlenden Vereinsmitgliederbeschluss, verlagert das Problem jedoch lediglich auf die Ebene der Grenzen zulässiger Einflussnahme Dritter bei der Satzungsänderung. Gegen die Übertragung derart weit reichender Kompetenzen auf den Dachverband ergeben sich Bedenken im Hinblick auf das Verbot der Selbstentmündigung.145 Dem Dachverband würde insoweit das Alleinentscheidungsrecht über Änderungen der Satzung seiner Mitglieder zukommen. Die überwiegende Auffassung sieht in einem solchen Fall die Vereinssouveränität gefährdet und erkennt eine alleinige Befugnis Dritter zur Satzungsänderung nicht an.146 Endlich ergeben sich Bedenken aus der fehlenden Möglichkeit, auf die inhaltliche Ausgewogenheit vom Dachverband beschlossener Regelungen Einfluss zu nehmen. Dem Status eines Nichtmitgliedes entsprechend stehen dem Basisverein keine verbandsdemokratischen Mitwirkungsrechte im Dachverband zu.147 Dennoch unterwirft ihn der Automatismus einer dynamischen Verweisung – vergleichbar insoweit 142 Vgl. Reichert, Rn. 447; BGH, NJW 1995, 583 (585) (obiter dictum) = BGHZ 128, 93 (100); Steinbeck, S. 176; PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 153; Edenfeld, S. 51; Fikentscher, S. 100, Niese, Sport im Wandel, S. 29. 143 Vgl. Summerer, S. 156. 144 Vgl. zur restriktiven Anwendung des § 40 BGB BGH, NJW 1987, 1811 ff. 145 Vgl. Soergel/Hadding, § 33, Rn. 7 mwN. 146 Vgl. Sauter/Schweyer/Waldner, Rn. 136; Haas/Prokop, SpuRt 1998, 15 (18); Reuter, DZWiR 1996, 1 (7); Soergel/Hadding, § 33, Rn. 7; Steinbeck, S. 111; Reuter, in: Einbindung des Sportrechts, S. 53 (67 f.); Flume, in: FS für Coing, Band II, S. 97 (102); OLG Frankfurt, NJW 1983, 2576; anders wohl Vieweg, Normsetzung, S. 347, nach dem ein Sportverband nicht als Dritter angesehen werden kann, da seine Interessen an einer zügigen Regelvereinheitlichung mit denen seiner Mitglieder grundsätzlich konform gehen – eine Grenze müsse anhand von § 242 BGB gezogen werden. 147 Die mittelbare Einflussnahmemöglichkeit über den Regionalverband dürfte zu vernachlässigen sein; so auch Pfister, in: FS für Lorenz, S. 171 (176, Fn. 31).
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I. Grundlagen
einem Mitglied – der Normsetzung des Dachverbandes. Im System dynamischer Verweisungen werden damit Normbindung und Mitwirkungsrechte einseitig zugunsten verbandsseitiger Interessen miteinander kombiniert. Bei der statischen Verweisung bedingt die Regelbindung zumindest eine autonome Entscheidung der Mitgliederversammlung über die Aufnahme in die eigene Vereinssatzung.
ee) Die Übernahme von Vereinsordnungen Soweit sich vorstehende Ausführungen auf die Übernahme von Fremdsatzungen beziehen, ergeben sich hierzu bei Übernahme fremder Vereinsordnungen erhebliche Unterschiede. Eine dynamische Verweisung auf die jeweils gültige Fassung – etwa der Spielordnung – begegnet insoweit keinen Bedenken, als im Gegensatz zur Satzung für die Änderung der Vereinsordnung – sofern sie nicht selbst Bestandteil der Satzung ist148 – eine Meldepflicht zum Registergericht nicht besteht. Darüber hinaus ist – eine Ermächtigungsgrundlage in der Satzung vorausgesetzt – der Erlass von Vereinsordnungen durch Dritte zulässig, weil die statutarisch zu regelnden, das Vereinsleben betreffenden Grundsatzentscheidungen weiterhin in den Kompetenzbereich der Mitgliederversammlung fallen, eine Selbstentmündigung damit ausscheidet.149 Soweit Sportverbände allerdings Nebenordnungen trotz räumlicher Trennung von der Satzung zulässig in diese integriert haben150, ist eine dynamische Verweisung, unabhängig davon, ob der Regelungsgehalt der Nebenordnung Verfassungsqualität besitzt oder nicht, per se ausgeschlossen, denn die Inkorporation der geänderten Vereinsordnung stellt in diesem Fall eine Satzungsänderung dar, die aus den aufgezeigten Gründen nicht mittels einer dynamischen Verweisung herbeigeführt werden kann.151
ff) Ausländerklauseln als zwingende Bestandteile der Verbandssatzung Im Hinblick darauf stellt sich nunmehr die Frage, ob der Regelungsgehalt von Ausländerklauseln dem Verband überhaupt die Wahl der Regelungsebene überlässt.
148
So etwa ausdrücklich für die SpielO des DEB in § 1 Nr. 5.1. lit. b) Satzung DEB. Vgl. Steinbeck, S. 118. 150 Siehe zu dieser Möglichkeit oben, 3. c) bb). 151 Vgl. oben, dd) (3). 149
4. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Sportverband
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(1) Problemstellung Eine Festlegung zugunsten einer notwendigen satzungsmäßigen Verankerung könnte dadurch erfolgen, dass durch Aufstellung dieser Regelungen die Verfassung des Vereins bzw. Verbandes berührt wird. Dabei ist es zunächst unumgänglich, sich nochmals die Wirkungsweise von Ausländerklauseln innerhalb der bestehenden Verbandsstrukturen zu verdeutlichen. Rechtstatsächlich kommen Ausländerklauseln – soweit ersichtlich – nur im verbandsseitig organisierten Spielbetrieb vor. Auf Vereinsebene dürfte ihnen mit Blick auf die Pflicht zur gleichmäßigen Behandlung aller Vereinsmitglieder grundsätzlich die Wirksamkeit versagt sein. Sofern einzelne Vereine überhaupt eigene Spieloder Wettkampfordnungen erlassen – gewöhnlich werden Fremdordnungen übernommen152 –, spielen diese lediglich eine untergeordnete Rolle, da der sportliche Wettkampf bei Mannschaftssportarten vornehmlich zwischen Mannschaften verschiedener Vereine ausgetragen wird und die Anwendung eines allgemeinverbindlichen übergeordneten Regelwerkes voraussetzt. Um dies zu gewährleisten, steht die regeltechnische Durchführung des Spielbetriebes – und damit auch die Einführung und Anwendung von Ausländerklauseln – dem übergeordneten Fachverband zu. Die Frage der Notwendigkeit statutarischer Verankerung betrifft daher zunächst das Verhältnis von Verein und Verband, nicht die Beziehung des Spielers zu seinem Verein.
(2) Notwendigkeit und Grenzen der Statuierung verbandsautonomer Regelungen Ausländerklauseln bedürften der Aufnahme in die Satzung, wenn es sich um das Vereinsleben bestimmende Leitprinzipien und Grundsatzentscheidungen handelt153, wobei sich eine exakte Definition dieser Begriffe als schwierig erweist. Dies insbesondere deshalb, weil sich bei genauer Betrachtung kaum allgemeingültige Kriterien zur Abgrenzung der „wesentlichen“ Regelungsmaterien herausarbeiten lassen. Ausgangspunkt für die Stellung einer Regelung im Normgefüge des Vereinslebens ist zunächst die Frage nach Sinn und Zweck der Zuordnung autonom getroffener Regelungen zur Verfassung. Hiervon ausgehend erfolgt die Grenzziehung im Hinblick auf die Reichweite notwendig in die Satzung aufzunehmender Bestimmungen.
152 So entspricht bspw. die SpielO des SWHV – ergänzt um Zusatzvorschriften – der des DHB. 153 Vgl. oben, 3. c) aa).
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I. Grundlagen
(a) Der weite Verfassungsbegriff der Rechtsprechung Nach Ansicht der Rechtsprechung wird der Verfassungsbegriff des Vereinsrechts maßgeblich vom Schutzbedürfnis der Vereinsmitglieder bestimmt.154 Das Mehrheitsprinzip des § 33 Abs. 1 S. 1 BGB ziele auf eine erschwerte Abänderbarkeit grundlegender Satzungsbestandteile ab, um einen ausreichenden Minderheitenschutz zu gewährleisten.155 Ausschlaggebend für die zwingende Zugehörigkeit einer Regelung zur Verfassung des Vereins ist die mit ihr verbundene belastende Wirkung für das Mitglied.156 Maßnahmen mit Strafcharakter bedürften daher zwingend der Aufnahme in die Satzung157, auch unter dem Gesichtspunkt der Vorhersehbarkeit dem Regelverstoß folgender Sanktionen158. Zur Verfassung des Vereins sind daher im Grundsatz die Regelungen zu zählen, die auf die Rechtsstellung des Mitgliedes – seine Rechte und Pflichten – Einfluss nehmen.159
(b) Auffassung und Kritik der Literatur In der Literatur ist die Auffassung der Rechtsprechung auf erhebliche Kritik gestoßen160. Soweit die Rechtsprechung auf die Vorhersehbarkeit belastender Regelungen abstellt, gehe dies an den praktischen Gegebenheiten vorbei. Es sei unerheblich, ob eine Regelung in der Satzung oder in Nebenordnungen verankert sei, da beide Regelwerke gleichermaßen publik gemacht werden könnten.161 Zudem beruhe die Vorstellung, der Sportler nehme vor seinem Vereinsbeitritt zunächst die Satzung in Augenschein, auf einer reinen Vermutung, die kaum mit der Realität übereinstimmen dürfte.162 Auch wird sich der Beitrittswillige – etwa aus Gründen gesellschaftlichen „Zwangs“ oder der ausschließlich lokalen Präsenz eines Vereins – in aller Regel nicht durch eine belastende Regelung vom Bei-
154
Zustimmend Niese, Sport im Wandel, S. 41. Vgl. BGH, WM 1989, 184 (186). 156 Vgl. BGH, WM 1984, S. 552 (553). 157 Vgl. BGH, NJW 1956, 1793 (1793). 158 Vgl. BGHZ 47, 172 (178). 159 Vgl. BGHZ 47, 172 (177); auch: Staudinger/Coing, § 25, Rn. 3; Soergel/Hadding, § 25, Rn. 1. 160 Vgl. insbesondere die Beiträge von Grunewald, ZHR 152 (1988), 242; Lukes, NJW 1972, 121 und Reuter, ZHR 148 (1984), 523. 161 Vgl. Grunewald, ZHR 152 (1988), 242 (248). 162 Vgl. Lukes, NJW 1972, 121 (128). 155
4. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Sportverband
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tritt abhalten lassen, so dass der Schutzgedanke faktisch unterlaufen wird.163 Der Verfassungsbegriff der Rechtsprechung führt ferner zur Unbeweglichkeit des Vereins bei Regeländerungen.164 Nicht zuletzt lässt sich der Mitgliederschutz infolge der Abänderbarkeit des § 33 BGB umgehen, § 40 BGB.165 Nach Ansicht Reuters kann den Mitgliederinteressen ohnehin keine Aussage zur Verfassungsqualität einer Regelung entnommen werden. Vereine sind per definitionem von der Person ihrer Mitglieder unabhängig. Hieraus ergibt sich, dass der Verein kein gemeinsames Interesse seiner Mitglieder wahrnimmt, sondern ein eigenes, überindividuelles Interesse verfolgt.166 Die Funktion der Verfassung besteht letztlich darin, die Mitglieder bei Verwirklichung des Vereinszweckes zu integrieren.167 Als Maßstab für die Beurteilung der Verfassungsqualität verbandseigener Regelungen kommt daher nur das Vereinsinteresse selbst in Betracht.168 Entsprechend sei von einem engen Verfassungsbegriff – orientiert allein am Vereinsinteresse – auszugehen, der die Integration der Mitglieder durch weniger detailreiche Satzungen fördert.169 Einen anderen Lösungsansatz verfolgt Vieweg.170 Die Frage der Zugehörigkeit einer Regelung zur Vereinsverfassung ist an den verfassungsrechtlichen Grenzen der Verbandsautonomie auszurichten, die nicht lediglich die inhaltliche Ausgestaltung eigener Regelwerke garantiert, sondern dem Verein zugleich die Wahl der Regelungsebene einräumt. Vor diesem Hintergrund sind die grundrechtlichen Interessen des Verbandes gegenüber denen der Mitglieder abzuwägen. Ob der Verband letztlich eine Regelung in der Nebenordnung verankern durfte, ermittelt sich unter Berücksichtigung rechtsstaatlicher Grundsätze, insbesondere des Verhältnismäßigkeitsprinzips. Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung sind dem Interesse des Verbandes an der Verankerung in der Nebenordnung aus Gründen einer flexiblen Handhabung gegenläufige, aber gleichfalls grundrechtlich geschützte Interessen des Mitgliedes an der Aufnahme dieser Regelung in die Satzung gegenüberzustellen. Gegen die Aufnahme einer Regelung in die Satzung sprechen aus Sicht des Verbandes häufig Gründe der Kostenersparnis, etwa wegen der bei Satzungsänderungen zum Registergericht anfallenden Gebühren. Zudem erlaubt die Aufnahme in die Nebenordnung eine schnelle Vereinheitlichung des Regelwerkes auf allen Ver163
Vgl. Grunewald, ZHR 152 (1988), 242 (248). Vgl. Lukes, NJW 1972, 121 (125). 165 Vgl. Grunewald, ZHR 152 (1988), 242 (249). 166 Vgl. MüKo/Reuter, § 25, Rn. 1; Reuter, ZHR 148 (1984), 523 (528). 167 Vgl. Reuter, ZHR 148 (1984), 523 (527). 168 Vgl. Reuter, in: Einbindung des Sportrechts, S. 53 (66). 169 Vgl. Reuter, ZHR 148 (1984), 523 (527). 170 Vgl. Vieweg, Normsetzung, S. 200 ff. 164
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I. Grundlagen
bandsebenen. Auf Seiten des Mitgliedes gewinnt im Rahmen der Interessenabwägung der vom BGH betonte Mitgliederschutz an Bedeutung, dem mit zunehmender Belastung der Vorrang vor gegenläufigen Interessen des Verbandes einzuräumen ist. Die Aufnahme belastender Regelungen in die Satzung sichert den Mitgliedern die direkte Einflussnahme auf die Satzungsregelung und erzeugt zudem zwingend die Bindung der Vereinsorgane. Fragen des Mitgliederschutzes, der notwendigen Regelvereinheitlichung oder der Kostenersparnis sind bei der zur Auflösung der Grundrechtskollision vorzunehmenden Interessenabwägung zu berücksichtigende Zwecke, deren Überwiegen im konkreten Einzelfall für oder gegen die Aufnahme einer Regelung in die Satzung spricht.
(c) Stellungnahme Die Kritik der Literatur erscheint durchaus berechtigt. Die Rechtsprechung betont zunächst – allerdings ohne hinreichende dogmatische Begründung171 – die grundsätzliche Bedeutung der Mitgliederstellung für das Vereinsleben, um im Anschluss dem nunmehr ausgefüllten Verfassungsbegriff den Gedanken des Mitgliederschutzes wieder zu entnehmen.172 Sie versucht aus Wirkung und Tragweite einer Regelung den Charakter der Bestimmung abzulesen173 und vermittelt damit den Eindruck einer eher ergebnisorientierten Problemlösung. Nicht zu überzeugen vermag allerdings auch die Auffassung Reuters174, da sie den Verbandsinteressen einen übergroßen Stellenwert beimisst und der Stellung des Mitgliedes nicht gerecht wird. Der Verein besteht nicht als Selbstzweck, sondern wird in seiner Zweckverfolgung vom gemeinsamen Willen seiner Mitglieder getragen. Er ist als solcher grundsätzlich mitgliederabhängig, da er als Personenvereinigung ohne Mitglieder undenkbar ist.175 Zwar steht ein gemeinschaftlich verfolgter Zweck im Vordergrund, dessen konkrete Ausrichtung jedoch nach gesetzgeberischer Vorstellung der Mitgliederversammlung als Forum vereinsinterner Willensbildung zukommt. Das geltende Vereinsrecht geht im Grundsatz von einer direkten Einflussmöglichkeit der Mitglieder auf den Vereinszweck aus. Das von Reuter angenommene „überindividuelle“ Vereinsinteresse wird folglich von den Mitgliedern gelenkt und erst durch diese ausgefüllt. Diese Einflussmöglichkeit als Mitgliedschaftsrecht kann infolge ihrer Bedeutung für den Vereinszweck nicht von völlig untergeordneter Bedeu171
Vgl. Vieweg, Normsetzung, S. 200. Vgl. Lukes, NJW 1972, 121 (126). 173 Ebd. 174 Vgl. oben, Fn. 166 und 168. 175 Vgl. BAG, DB 1986, 2686 (2687); BGHZ 19, 51 (61). 172
4. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Sportverband
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tung sein.176 Hieran kann auch der Umstand nichts ändern, dass die Entscheidung über den zu verfolgenden Zweck einem Vereinsorgan übertragen werden kann, §§ 33 Abs. 1, 40 BGB, denn diese Entscheidung ist im Ursprung der Mitgliederversammlung vorbehalten und erfordert zumindest die aktuelle Wahrnehmung der Mitwirkungsrechte des Vereinsmitgliedes. Sie bedarf zudem nach § 25 BGB als Abweichung vom Regelfall der satzungsmäßigen Verankerung und stützt damit die Ansicht Säckers von der den Vereinszweck tragenden Stellung der Mitglieder.177 Wenn sich die Mitglieder ihrer Stimmrechte bei Satzungsänderungen begeben wollen, steht dem grundsätzlich nichts entgegen, solange die Entscheidung hierüber bei den Mitgliedern selbst liegt. Im Übrigen bleibt es auch in diesem Fall dabei, dass ein zuständiges Vereinsorgan allein von der Mitgliederversammlung abgeleitete Kompetenzen wahrnimmt, die ihm jederzeit mit der Gesamtheit aller Mitgliederstimmen wieder entzogen werden können.178 Den Mitgliedern verbleibt daher jedenfalls ein Mindestmaß an Einfluss auf die Geschicke des Vereins. Unter diesen Gegebenheiten kann die Rechtsstellung des einzelnen Vereinsmitgliedes nicht völlig hinter den zweifellos bestehenden gemeinsam verfolgten Vereinszweck zurücktreten, denn es ergibt sich ein untrennbarer Zusammenhang zwischen der Rechtsstellung des Mitgliedes und dem verfolgten Vereinszweck.179 Die Berücksichtigung von Mitgliedsrechten darf allerdings nicht zu der Annahme verleiten, jede Berührung der Rechtsstellung des Mitgliedes sei Grundentscheidung des Vereinslebens. Eine solche Betrachtung führt lediglich zu einer Verwässerung des Begriffes der Grundentscheidung. Vielmehr muss eine Begrenzung durch das gleichfalls schützenswürdige Interesse des Sportverbandes an einer flexiblen Regelgestaltung anerkannt und berücksichtigt werden. Mit Blick auf die Ausgangsfrage nach dem Zweck statutarischer Verankerung vereinsrechtlicher Bestimmungen zeigt sich somit, dass eine befriedigende Antwort nicht allein im Mitgliederschutz gefunden werden kann. Isoliert betrachtet können weder der Mitgliederschutz noch die Praktikabilität aus Vereinssicht ausschlaggebendes Kriterium sein, an dem sich die Verfassungszugehörigkeit einer Regelung messen lässt. Im Kontext kommt jedem dieser Gesichtspunkte erhebliche Bedeutung zu. Diesem Spannungsverhältnis wird man am ehesten mit dem von Vieweg vertretenen Lösungsansatz gerecht, der es erlaubt, sämtliche fallbezogenen Kriterien zu berücksichtigen und im Rahmen der Interessenabwägung einer sachgerechten Lösung zuzuführen. Es soll allerdings nicht verkannt werden, dass sich hieraus weder für den Verein noch für den Sportler ein zufrieden stellendes Maß an Rechtssicherheit ergibt. Für den Ver176
Vgl. Säcker, S. 25 f. Vgl. ebd. 178 Vgl. MüKo/Reuter, § 25, Rn. 8. 179 Vgl. Säcker, S. 26 f. 177
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I. Grundlagen
ein insbesondere deshalb nicht, weil er sich nach wie vor genötigt sehen wird, Vereinsregelungen in die Satzung aufzunehmen, um Zweifelsfragen hinsichtlich ihrer Verfassungszugehörigkeit auszuschließen.
(3) Satzungszwang auch gegenüber mittelbaren Mitgliedern Ausgehend von einem grundsätzlichen Gleichlauf des verfolgten Zwecks fragt sich, inwieweit die Interessen der Mitgliedsvereine mit denen des Verbandes bei Verankerung von Regelungen in Nebenordnungen kollidieren. Mit Blick auf das Verhältnis des normsetzenden Verbandes zum letztlich betroffenen Sportler drängt sich jedoch eher die Frage auf, ob auch dann eine Grundentscheidung mit Verfassungsqualität vorliegt, wenn es allein zur Berührung grundrechtlich geschützter Positionen Dritter kommt. Im Ansatz muss sich eine Interessenabwägung auf die Lösung verbandsinterner Konflikte beschränken, da außerhalb des Geltungsbereiches der Satzung stehende Dritte grundsätzlich nichts mit dem Vereinsleben zu tun haben.180 Dieses Ergebnis wird auch durch eine nähere Betrachtung der rechtlichen Beziehung von Nichtmitglied und Verein gestützt. Mangels Normgeltung können dem Nichtmitglied auch keine Möglichkeiten zur Einflussnahme auf die Geschicke des Vereins im Sinne von Mitgliedschaftsrechten zustehen. Ein anerkennenswertes Interesse Dritter an der Aufnahme von Regelungen in die Vereinssatzung scheint damit nicht gegeben. Wie jedoch ein Blick auf die strukturellen Besonderheiten deutscher Sportverbände zeigt181, würde eine solche Betrachtungsweise den tatsächlichen Gegebenheiten nicht gerecht. Stellt man zunächst mit der Rechtsprechung auf den Kreis der Betroffenen ab, so tritt die absolute Wirkung von Ausländerklauseln in der Person des nicht spielberechtigten Ausländers ein. Die korporative Organisation des deutschen Sportverbandswesens sieht eine Mitgliedschaft natürlicher Personen im Dachverband grundsätzlich nicht vor.182 Gleichwohl wird der Einzelsportler – vermittelt durch seine Mitgliedschaft im Verein – faktisch von der Normgeltung erfasst183, ohne dass unmittelbar auf Gestaltung der Regelungen bezogene Rechte existieren. Es liegt damit – anders als beim „typischen“ Nichtmitglied – eine Regelbindung vor, der keine – dem Mitglied vergleichbare – Einflussmöglichkeit gegenübersteht. Diese Gegebenheiten rücken das mittelbare Mitglied näher an die Stellung eines Vollmitgliedes als eines Nichtmitgliedes und können ein zu berücksichtigendes Interesse des Einzelsportlers an der Aufnahme von Ausländerklauseln in die Verbandssatzung be180
Vgl. Vieweg, Normsetzung, S. 201, Fn. 17. Vgl. oben, d). 182 Vgl. die Nachweise oben, Fn. 76. 183 Vgl. hierzu oben, d). 181
4. Das Rechtsverhältnis des Spielers zum Sportverband
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gründen. Auch wenn der Spieler hierdurch keinen unmittelbaren Einfluss gewinnt, können seine Interessen an der inhaltlichen Ausgestaltung wenigstens mittelbar durch seinen Verein wahrgenommen werden.
(4) Ergebnis Für die Praxis der Sportverbände dürfte sich – bei Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze184 – eine Pflicht zur Aufnahme von Ausländerklauseln in die Verbandssatzung ergeben.185 Auch wenn eine obergerichtliche Entscheidung zur Einbeziehung mittelbarer Mitglieder in den Schutzgedanken des § 33 S. 1 BGB – soweit ersichtlich – (noch) nicht vorliegt, legen die besonderen Strukturen und die faktische Regelbindung die Einbeziehung auch der betroffenen Sportler – trotz fehlender tatsächlicher Mitgliedschaft im Sportverband – nahe. Aber auch die hier vertretene Auffassung weist in Richtung einer notwendigen satzungsmäßigen Verankerung. Dem Interesse des Sportverbandes an der Verankerung auf niedriger Regelungsebene, zum Zwecke einer flexiblen und praktikablen Normgestaltung, steht zunächst der Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Sportlers (Art. 2 Abs. 1 GG) gegenüber. Die Umsetzung von Ausländerklauseln führt im ungünstigsten Fall zum völligen Ausschluss des Sportlers vom Spielbetrieb und stellt in Bezug auf die Spielberechtigung den denkbar schwersten Eingriff in das Persönlichkeitsrecht dar. Bereits dieser Umstand erfordert die Verfolgung gewichtiger Interessen bei Wahl der Regelungsebene durch den Sportverband. Ob allein Gesichtspunkte der besseren Normhandhabung die Verankerung in der Nebenordnung rechtfertigen, erscheint zumindest fraglich. Neben der schwerwiegenden Betroffenheit grundrechtlich geschützter Positionen kommt auch dem Umstand Bedeutung zu, dass der Freizeitsportler auf den vom Dachverband organisierten Spielbetrieb angewiesen ist, er sich dem Regelwerk letztlich nicht entziehen kann. Die überwiegenden Gründe dürften damit für die Notwendigkeit statutarischer Verankerung von Ausländerklauseln, als das Vereinsleben bestimmender Grundentscheidungen, sprechen.186
184
Vgl. oben, (2) (a). Hierzu tendiert wohl auch Vieweg, Normsetzung, S. 204. 186 So auch das LG München I im Urteil vom 18.12.2002 (Az.: 33 O 10069/02 – unveröffentlicht). 185
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g) Schwierigkeiten der Praxis bei Umsetzung der rechtlichen Vorgaben Auch wenn die oben dargestellten Möglichkeiten einen vermeintlich einfachen Weg zur Herbeiführung einer Bindung des Individualsportlers an die Regelwerke des Dachverbandes aufzeigen, so begegnet deren Umsetzung nicht unerheblichen praktischen Schwierigkeiten. Diese resultieren zum einen aus den Besonderheiten des Mannschaftssportes, bei dem nach außen in der Regel allein der Verein in Erscheinung tritt, die Verbindlichkeit des Regelwerks aber gleichermaßen gegenüber den einzelnen Mannschaftsmitgliedern notwendig ist. Deutlich wird dies insbesondere bei Regelungen, die sich auf die Zusammensetzung der Mannschaft – genauer: die Spielberechtigung Einzelner – beziehen. Während bei Sportveranstaltungen in Individualsportarten die persönliche Meldung eines jeden Teilnehmers mit einer Unterwerfungserklärung gekoppelt werden kann, ergeben sich bei Mannschaftswettkämpfen durch Meldung mehrerer Spieler als einer Mannschaft gewisse Unsicherheiten. So dürfte kaum nachprüfbar sein, ob die bei Abgabe der Mannschaftsmeldung erklärte Anerkennung des Regelwerkes durch entsprechende Vollmachten aller Mannschaftsmitglieder gedeckt ist.187 Andererseits bedarf der Breitensport einer Einfachheit und Unkompliziertheit bei Ausführung von Organisations- und Verwaltungsaufgaben, da die Geschäftsführung der Vereine und Verbände zum ganz überwiegenden Teil in ehrenamtlicher Funktion wahrgenommen wird. Zeitlich und finanziell aufwendige Verfahren – etwa die Lizenzerteilung für jeden einzelnen Sportler188 – dürften einige Verbände an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führen. Besonders deutlich wird dies bei Mehrspartenvereinen, die sich innerorganisatorisch in verschiedene Vereinsabteilungen untergliedern, jedoch nach außen als einheitlicher Verein auftreten.189 Im System der Doppelverankerung ist der Verein zur Umsetzung der vom Dachverband der jeweiligen Abteilung geänderten Regelwerke gehalten, was den Mehrspartenverein infolge der Fülle vorzunehmender Satzungsänderungen vor nahezu unlösbare Probleme stellt.190 Neben organisatorischen Problemen besteht für den Dachverband keine Gewähr, dass nachgeordnete Verbände und Vereine – selbst bei korrespondierender Doppelverankerung bis in die Satzung des Basisvereins – die entsprechenden Änderungen in ihre Regelwerke umsetzen.191 Bei der Vielzahl an Vereinen 187 Vgl. Vieweg, in: Verbandsrecht und Zulassungssperren, S. 36 (37), der dies als generelles Problem ansieht. 188 Vgl. Haas/Adolphsen, NJW 1995, 2146 (2147, Fn. 17). 189 Vgl. Reichert, Rn. 39. 190 Vgl. Vieweg, in: Blut und, oder Urin, S. 89 (102); BGH, NJW 1995, 583 (585) = BGHZ 128, 93 (100); Niese, Sport im Wandel, S. 29. 191 Vgl. Fenn, SpuRt 1997, 77 (78); Fikentscher, S. 100.
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ist eine Überprüfung durch den Dachverband schlicht unmöglich.192 Schließlich geht die auf Vereinsebene vorzunehmende Regelvereinheitlichung zu Lasten einer flexiblen Normsetzung durch den Dachverband. Dieser hat Regeländerungen – deren Umsetzung durch alle Vereine erhebliche Zeit beansprucht – vorausschauend zu planen, um ein ausreichend großes Zeitfenster zur satzungsmäßigen Inkorporation vorzugeben. Diese Zwänge lassen dem Verband jedoch kaum Möglichkeiten, auf sich kurzfristig ändernde Umstände mit einer Änderung des Regelwerkes zu reagieren und dabei zugleich dessen Allgemeinverbindlichkeit zu gewährleisten.
5. Sportler, Verein und Verband – Verfassungsrechtliche Eckpunkte Die rechtliche Bewertung von Ausländerklauseln macht zunächst einen Blick auf die verfassungsrechtlichen Hintergründe des Sports in Deutschland unumgänglich.
a) Ausgangspunkt Trotz seiner ständig zunehmenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedeutung verwundert hierbei zunächst, dass der Sport bis heute keine ausdrückliche Verankerung im Grundgesetz erfahren hat. Im Gegensatz hierzu erklären sämtliche Verfassungen der neuen Bundesländer die Sportförderung zumindest zum Staatsziel.193 Die scheinbare Lückenhaftigkeit des Grundgesetzes bedeutet jedoch nicht, dass sich die Sportausübung außerhalb grundgesetzlich gewährleisteter Schutzbereiche vollzieht. Verfassungsrechtlich lebt der Sport allerdings aus „zweiter Hand“194, da einschlägige Grundrechtsverbürgungen auch – jedoch nicht ausschließlich – für den Sport gelten. Diesem Umstand lässt sich zugleich eine eindeutige Aussage des Grundgesetzes gegen die Sportorganisation als staatliche Aufgabe zugunsten einer freiheitlichen individuellen Selbstbestimmung entnehmen. Im grundsätzlich staatsfrei organisierten Sport besteht daher zwischen Sportler und Staat keinerlei Bindungsverhältnis.195 Dass sich das Verhältnis von Sportvereinen und -verbänden auf der einen und Sportlern auf der anderen Seite dennoch zu einem großen Teil in verfassungsrecht192 Allein der Regelungsgewalt des DFB unterstehen 25.922 Vereine, vgl. www.dfb.de/dfb-info/eigenprofil/index.html. 193 Vgl. Art. 16 Abs. 1 MecklVVerf; Art. 35 BbgVerf; Art. 36 Abs. 1, 3 SachsAnhVerf; Art. 11 Abs. 1, 2 SächsVerf; Art. 30 Abs. 3 ThürVerf. 194 So die Formulierung von Steiner, DöV 1983, 173 (174). 195 Vgl. Stern, in: Sport und Recht, S. 142 (153).
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lichen Dimensionen bewegt, verwundert angesichts der anzutreffenden Vorstellung bei Schaffung der einfachgesetzlichen Normen zum privaten Vereinsrecht kaum. Mit zunehmendem Organisationsgrad haben sich im nationalen und internationalen Sportverbandswesen Strukturen herausgebildet, deren charakteristische Problemfelder sich von denen eines kleinen lokalen und vorwiegend geselligen Vereines mit freiwilliger Mitgliedschaft grundlegend unterscheiden196 und für die keine einfachgesetzliche Norm zur Lösung bereitsteht. Die organisierte Sportausübung ist daher auf ihre verfassungsrechtlichen Wurzeln zurückzuführen, die im Hinblick auf die Betätigung der Vereine und Verbände bei Gründung und Selbstverwaltung in Art. 9 Abs. 1 GG liegen. Die Bedeutung der verfassungsrechtlichen Grundlagen wird deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, dass gewährte Freiheitsbereiche staatlich abgeleitet sind und maßgeblich auf dem Umstand beruhen, dass bei Verfassungsgebung zugunsten privatautonomer Rechtsetzung auf die Regulierung und Reglementierung der Sportausübung verzichtet wurde. Ohne grundgesetzliche Anerkennung kann im demokratischen Staat keine Normsetzung Privater bestehen.197 Verbandsautonomie kann daher nicht als originäre Rechtsetzungsbefugnis Privater verstanden werden, sondern stellt eine spezielle Ausprägung der Privatautonomie dar198, die sich innerhalb von der Verfassung vorgegebener Grenzen zu bewegen hat. Grundsätzlich kritisch müssen daher solche verbandsautonom aufgestellten Normen betrachtet werden, die sich bei Organisation des Sports von staatlicher Seite als unzulässige Einschränkung grundrechtlicher Gewährleistungen darstellen würden.199
b) Die mittelbare Drittwirkung der Grundrechte Der Streit um die Anwendung der Grundrechte im Privatrecht dürfte seit geraumer Zeit zugunsten einer mittelbaren Wirkung entschieden sein200 und braucht an dieser Stelle nicht neu belebt zu werden. Demnach beinhalten die Grundrechte auch eine objektive Werteordnung, die als verfassungsrechtliche Grundentscheidung für alle Bereiche des Rechts gilt und somit auch das Privat196 Vgl. Nicklisch, in: Verbandsautonomie und Verfassungsrecht, S. 4 (6); Baecker, S. 15 f. 197 Vgl. PHB-Sportrecht/Fritzweiler, 1. Teil, Rn. 9. 198 Vgl. Pfister, in: FS für Lorenz, S. 171 (180). 199 Vgl. Stern, in: Sport und Recht, S. 142 (151 ff.); Burmeister, DöV 1978, 1 (2). 200 Vgl. etwa BVerfGE 7, 198 (205); BverfG, NJW 1994, 36 (38); BGH, NJW 1999, 1326; BAGE 47, 363 (374); BAGE 48, 122 (138); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 1, Rn. 160; Palandt/Heinrichs, § 242, Rn. 7; MüKo/Mayer-Maly/Armbrüster, § 134, Rn. 34; Staudinger/Sack, § 134, Rn. 41; Vieweg, Normsetzung, S. 191; Krogmann, Grundrechte, S. 80; Baecker, S. 50; Bauer, S. 273 f., 290.
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recht nachhaltig beeinflusst. Die ihrer Konzeption nach als Abwehrrechte gegenüber staatlichen Eingriffen geschaffenen Grundrechte geben insoweit jedoch keine direkten Gegenrechte im Bereich privatrechtlichen Handelns. Den Grundrechten immanente Wertungen kommen vielmehr dort zum Tragen, wo unbestimmte Rechtsbegriffe eine Auslegung im Sinne dieses Wertsystems erfordern. Derartige „Einbruchstellen“ finden sich in den generalklauselartigen Vorschriften der §§ 138, 242, 307, 826 BGB. Folglich haben sich auch verbandsautonome Entscheidungen und Regelwerke an den Wertmaßstäben des Grundgesetzes zu orientieren und messen zu lassen. Dies gilt zunächst gleichermaßen für Freiheitsrechte und Gleichheitsgebote. Auch wenn Privatrechtssubjekte bei Regelung ihrer Beziehungen aufgrund des im Zivilrecht geltenden Grundsatzes der Privatautonomie keiner Pflicht zur Gleichbehandlung unterliegen201, so ist doch allgemein anerkannt, dass dieser Grundsatz Durchbrechungen erfährt202, wie dies etwa beim Kontrahierungszwang für staatlich konzessionierte Unternehmen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge der Fall ist203. Der Grund hierfür findet sich regelmäßig in einem ungleichen Kräfteverhältnis zwischen den Vertragspartnern, das auf einer einseitigen Monopolstellung oder aber auch auf einer sozialen Machtposition beruhen kann. Derartige Strukturen sind etwa im Arbeitsrecht oder aber auch im Sportverbandswesen anzutreffen, wobei letzteres infolge seines Aufbaus als monopolistisches System einzuordnen ist.204 Unterschiede zu den Freiheitsrechten ergeben sich allerdings im Hinblick auf die Wirkungsweise der Gleichheitsgebote im Privatrecht. Während die Auslegung einer einfachgesetzlichen Norm im Lichte der Wertungen des Freiheitsrechtes im Rahmen einer Abwägung erfolgt, lassen sich diese Grundsätze auf den Anwendungsbereich der Gleichheitsgebote im Privatrecht nicht ohne weiteres übertragen. Zunächst verhält sich insbesondere der allgemeine Gleichheitssatz in Art. 3 Abs. 1 GG wertungsoffen, denn er verbietet Ungleichbehandlungen bzw. Gleichbehandlungen nicht vor dem Hintergrund bestimmter Differenzierungskriterien, wie dies etwa noch bei Art. 3 Abs. 3 GG der Fall ist.205 Darüber hinaus ist der Gleichheitssatz selbst einer Abwägung kaum zugänglich, denn er zwingt den Normgeber lediglich dazu, die vorgenommene Gleich- oder Ungleichbehandlung sachlich zu begründen. Erst die Überprüfung dieses sachlichen Grundes – die schon nicht mehr Fragen des Schutzbereiches, sondern der
201
Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3, Rn. 266 mwN. Vgl. Heun, in: Dreier I, Art. 3, Rn. 69. 203 Siehe etwa § 22 PBefG. 204 Siehe hierzu oben, 4. c) und nachfolgend c) bb). 205 Vgl. Heun, in: Dreier I, Art. 3, Rn. 70. 202
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Rechtfertigung betrifft – erlaubt eine Berücksichtigung der und Abwägung mit den Interessen der Betroffenen.206
c) Gerichtliche Kontrolle und Kontrolldichte verbandsautonom gesetzten Rechts Wie das BVerfG in seiner Grundsatzentscheidung zur mittelbaren Drittwirkung der Grundrechte ausführt207, besteht eine verfassungsrechtliche Pflicht der Judikative aus Art. 1 Abs. 3 GG, bei Anwendung und Auslegung zivilrechtlicher Generalklauseln den grundrechtlichen Einfluss und die sich hieraus ergebende Modifikation des Privatrechts zu beachten.
aa) Die richterliche Inhaltskontrolle im Spannungsfeld zwischen Vereinsautonomie und Mitgliederschutz Neben diesem allgemeinen Maßstab fragt sich, in welchem Umfang und welcher Intensität eine gerichtliche Nachprüfung von Verbandsentscheidungen und -normen vorzunehmen ist. Angesprochen ist damit das Verhältnis von autonomer Selbstbestimmung zu richterlichen Kontrollbefugnissen. Gedanklicher Ausgangspunkt einer möglicherweise nur eingeschränkten Überprüfbarkeit verbandseigener Regelwerke ist die – in diesem Zusammenhang verständlicherweise von Sportverbänden herangezogene208 – Verbands- und Vereinsautonomie aus Art. 9 Abs. 1 GG. Der grundgesetzlich verliehenen Befugnis zur autonomen Rechtsetzung in eigenen Angelegenheiten würde durch eine weit reichende Nachprüfbarkeit und Korrektur von Seiten staatlicher Gerichte Grenzen gesetzt. Doch kann allein aus diesem Umstand noch nicht auf eine Pflicht zur zurückhaltenden Ausübung richterlicher Kontrollbefugnisse geschlossen werden, da auch die Autonomie der Vereine und Verbände nicht schrankenlos gewährt wird. Hinzu tritt allerdings die Frage nach der Notwendigkeit einer gerichtlichen Kontrolle, da es jedem Vereinsmitglied nach der gesetzlichen Ausgangslage frei steht, auf die Angemessenheit einer Regelung im Rahmen der Mitgliederversammlung Einfluss zu nehmen. Voraussetzung dafür bleibt, dass eine solche vereinsinterne „Kontrollinstanz“ tatsächlich vorhanden ist und das
206
Ebd. Vgl. BVerfGE 7, 198 (206). 208 So etwa im Fall Bosman. Der EuGH nahm auf diese Argumentation der Sportverbände ausdrücklich Bezug. Vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5065). 207
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notwendige Quorum erreicht wird.209 Allerdings bildet gerade die Autonomie des Vereins in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung der eigenen Satzung den Anknüpfungspunkt für die Forderung nach einer vollen inhaltlichen Kontrolle verbandsautonomer Regelungen. Die dem Verein durch Abdingbarkeit der gesetzlichen Vorschriften, §§ 25, 40 BGB, gegebene Gestaltungsfreiheit beinhaltet zugleich die Gefahr, dass gegen den Willen einzelner Mitglieder Regelungen beschlossen werden, die zur unangemessenen Benachteiligung dieser Minderheiten führen.210
bb) Monopolstellung der Sportverbände – das sog. Ein-Platz-Prinzip Von ausschlaggebender Bedeutung für die Zulässigkeit einer Inhaltskontrolle ist das im Sportverbandswesen anzutreffende und bereits angesprochene EinPlatz-Prinzip.211 Nach den Statuten des DSB und der Landessportbünde wird jede Sportart nur durch einen Fachverband im Dachsportbund repräsentiert. Die Aufnahme eines weiteren Sportverbandes derselben Fachrichtung kommt daneben nicht in Betracht. Folgeerscheinung dieser Praxis ist eine fachlichräumliche Monopolstellung des in den DSB aufgenommenen Fachverbandes.212 Die Berechtigung eines solchen Systems lässt sich verständlich darlegen. Es ermöglicht die Homogenität des Sportbetriebes, erleichtert die Organisation von Sportveranstaltungen und vermeidet konkurrenzbedingte Kompetenzprobleme, etwa bei der Ermittlung des deutschen Meisters.213 Als Kehrseite ergeben sich zugleich Probleme für die wenigen außenstehenden Verbände, die etwa bei Verteilung staatlicher Sportförderungsmittel nicht partizipieren.214 Das Konfliktpotential erweist sich jedoch als wesentlich vielschichtiger und zeigt sich insbesondere dann, wenn der Sportler trotz Missbilligung des Regelwerkes auf den verbandsseitig organisierten Spielbetrieb angewiesen ist. Sport findet dann nicht mehr in einem System gleichlaufender Interessen aller Beteiligten statt, wenn sich der Sportler der allgegenwärtigen Normsetzung des Dachverbandes nicht entziehen kann. Die von Art. 9 Abs. 1 GG gewährte Vereinsautonomie basiert aber wesentlich auf dem Gedanken, dass einem ausufernden 209
Vgl. Grunewald, ZHR 152 (1988), 242 (256). Vgl. van Look, S. 181. 211 Vgl. grundlegend, auch zur historischen Entwicklung, Gießelmann-Goetze, in: Sport und Recht in Europa, S. 15 ff. Siehe auch oben, 4. c). 212 Nach Daigfuß, S. 26, indiziert bereits die Namensgebung die Monopolstellung der Sportverbände. 213 Vgl. Vieweg, Normsetzung, S. 292; ders., JuS 1983, 825 (826); ders., in: Teilnahme am Sport, S. 23 (33); Pfister, in: FS für Lorenz, S. 171 (180, Fn. 48). 214 Vgl. Vieweg, JuS 1983, S. 825 (826); Gießelmann-Goetze, in: Sport und Recht in Europa, S. 15 (19). 210
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Missbrauch der bestehenden Befugnisse durch die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft Grenzen gesetzt sind.215 Dieser Selbstregulierungsmechanismus wird konterkariert, wenn eine sportliche Betätigung außerhalb bestehender Verbandsstrukturen nicht mehr möglich ist. Daneben werden kleinere, werbende Vereine regelmäßig darum bemüht sein, belastende, weil ihren Mitgliederbestand gefährdende Regelungen zu vermeiden. Die fehlende Notwendigkeit zur Werbung in eigener Sache, infolge eines jederzeit gesicherten Mitgliederstammes, eröffnet sozialmächtigen Verbänden zumindest die Möglichkeit des Machtmissbrauches.216 Diese Umstände rechtfertigen es – in Übereinstimmung mit der h. L.217 und Rspr.218 –, zumindest die Regelwerke sozialmächtiger Verbände, zu denen ab Landesverbandsebene sämtliche Sportverbände zählen dürften219, auf ihre inhaltliche Billigkeit zu überprüfen220. Die Zulässigkeit der Inhaltskontrolle gilt dabei gleichermaßen für das Verhältnis des Verbandes zu Mitgliedern und Nichtmitgliedern.221
cc) Die Inhaltskontrolle verbandsautonomer Regelwerke anhand der §§ 307 ff. BGB Unberücksichtigt blieb bisher die Frage, auf welche Rechtsgrundlage die Inhaltskontrolle von Verbandsnormen zu stützen ist. Im Falle der rechtsgeschäftlichen Anerkennung der Verbandsregelwerke durch das Nichtmitglied könnte man die Anwendung der §§ 307 ff. BGB in Betracht ziehen, da – ähnlich wie bei den Allgemeinen Geschäftsbedingungen – eine inhaltliche Einflussnahme des Sportlers in aller Regel ausgeschlossen ist, die anzuerkennenden Wettkampfbestimmungen vielmehr einseitig vom Verband „vorformuliert“ sind. Der BGH hat sich dennoch ausdrücklich gegen eine Anwendung der Vorschriften über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausgesprochen.222 Diese Normen passten schon ihrem Typus nach nicht auf das Verhältnis von Sportler 215
Vgl. Nicklisch, in: Verbandsautonomie und Verfassungsrecht, S. 4 (7). Vgl. BGHZ 105, 306 (319). 217 Vgl. Palandt/Heinrichs, § 25, Rn. 9; Stöber, Rn. 35; Vieweg, JuS 1983, 825 (828); ders., JZ 1984, 167 (171); ders., Normsetzung, S. 234; Grunewald, ZHR 152 (1988), 242 (256 f.); van Look, S. 181; Edenfeld, S. 218; Heidersdorf, S. 12. 218 Vgl. BGH, NJW 1995, 583 (585) = BGHZ 128, 93 (101); BGHZ 105, 306 (316). 219 Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 355. 220 Weitergehend Vieweg, in: Minderheitenrechte im Sport, S 71 (82), der auf das Erfordernis der Sozialmächtigkeit des Verbandes verzichtet und eine generelle Inhaltskontrolle befürwortet. 221 Vgl. BGH, NJW 1995, 583 (585) = BGHZ 128, 93 (101). 222 Vgl. zuletzt ausdrücklich BGH, NJW 1995, S. 583 (585) = BGHZ 128, 93 (101 f.). 216
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und Verband. Während das vom Verbraucherschutzgedanken beherrschte Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen um einen Ausgleich der im Ansatz gegenläufigen Interessen der Vertragsparteien bemüht ist, verfolgen Verband und Sportler keine grundsätzlich konträren Zwecke. Im Vordergrund steht hier vielmehr das prinzipiell gleichlaufende Interesse an der Durchführung eines geordneten Spielbetriebes. Ihr Verhältnis ist zudem nicht auf einen Fall des Leistungsaustausches gerichtet, für den die Vorschriften der §§ 307 ff. BGB jedoch gerade konzipiert wurden. Besonders deutlich zeigt sich dies an den Klauselverboten der §§ 308, 309 BGB, die zum ganz überwiegenden Teil nicht auf die Regelwerke der Sportverbände passen. Dem ist mit der h. L.223 jedenfalls insoweit zuzustimmen, als der angegriffenen Entscheidung oder Regelung des Verbandes kein Austauschverhältnis zugrunde liegt. In diesem Fall unterliegt die Beziehung von Verband und Sportler der für das Gesellschaftsrecht von § 310 Abs. 4 S. 1 BGB angeordneten Bereichsausnahme224, die auch das Vereinsrecht umschließt.225 Ob die Anwendung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann ausgeschlossen ist, wenn das Verhältnis zwischen Verband und Sportler als Austauschvertrag zu charakterisieren ist – etwa bei zu regelnden Vermarktungsfragen –, bedarf an dieser Stelle allerdings keiner näheren Untersuchung226, da Ausländerklauseln jedenfalls nicht auf den Austausch von Leistungen abzielen. Im Ergebnis dürften sich zwischen einer Inhaltskontrolle anhand des § 242 BGB bzw. der – wegen der unpassenden Klauselverbote der §§ 308, 309 BGB – allein in Betracht kommenden Generalklausel des § 307 BGB ohnehin kaum Unterschiede ergeben, da § 307 BGB als Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) zu verstehen ist.227 Der BGH zieht daher die Berücksichtigung der Wertungsmaßstäbe der § 305 ff. BGB – sofern diese auf das Rechtsverhältnis von Sportler und Verband zutreffen – bei der Inhaltskontrolle nach § 242 BGB in Erwägung.228
223 Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 345; Edenfeld, S. 211; Vieweg, Normsetzung, S. 264; van Look, S. 182; MüKo/Reuter, Vor § 21, Rn. 125; Pfister, JZ 1995, 464 (466); Röhricht, in: Sportgerichtsbarkeit, S. 19 (34). 224 Vgl. Vieweg, Normsetzung, S. 257. 225 Vgl. Wolf/Horn/Lindacher, § 23, Rn. 77; Ulmer/Brandner/Hensen, § 23, Rn. 22. 226 Diese Frage wird etwa von Niese, Sport im Wandel, S. 43 bejaht. 227 Vgl. BGH, NJW 1995, 583 (585) = BGHZ 128, 93 (102); Vieweg, SpuRt 1995, 97 (100); van Look, S. 183. 228 Vgl. BGH, NJW 1995, 583 (585) = BGHZ 128, 93 (102 f.).
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dd) Die Inhaltskontrolle verbandsautonomer Regelwerke anhand des § 242 BGB Hiervon ausgehend ist der Kontrollmaßstab zur Bestimmung der inhaltlichen Ausgewogenheit einer verbandsseitigen Norm oder Entscheidung der Grundsatz von Treu und Glauben. In seinem Ausgangspunkt gebietet dieser Grundsatz ein verantwortungsvolles Abwägen zwischen den Interessen aller am Rechtsverhältnis Beteiligten229 und ist nicht auf die Prüfung willkürlicher oder grob unbilliger Verstöße beschränkt.230 Die einzelfallbezogene Interessenabwägung stellt sich als geeignetes Instrument zur Lösung bestehender Spannungsverhältnisse zwischen Verband und Sportler dar. Als Schnittstelle zur grundgesetzlichen Werteordnung ermöglicht sie die Berücksichtigung grundrechtlicher Freiheitsbereiche auf beiden Seiten und bietet die Möglichkeit, sämtliche fallrelevanten Umstände in eine Gesamtabwägung einzubeziehen.231 Da sich die Rechtsetzungsbefugnisse der Sportverbände auf das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG zurückführen lassen, hat sich die Grenze des zulässigen Norminhaltes an äquivalenten Garantien zugunsten der Sportler zu orientieren. Im Weiteren sollen die mit Ausländersperrklauseln verbundenen Kollisionslagen aus tatsächlicher und rechtlicher Sicht vorab kurz skizziert und anschließend einer näheren Untersuchung unterzogen werden.
d) Rechtstatsächliche Ursachen bestehender Kollisionslagen Bereits vor 25 Jahren – gleichsam während der Frühzeit des Sportrechts232 – wies Burmeister deutlich auf bestehende Unzulänglichkeiten im staatsfrei organisierten Sportverbandswesen und das damit verbundene Konfliktpotential zwischen Verbänden und Sportlern hin.233 Als Ursache machte er die fehlende Fähigkeit der Sportverbände zur Selbstmäßigung im Umgang mit der aus dem Ein-Platz-Prinzip resultierenden Machtfülle aus.234 In Ausübung dieser Machtbefugnisse maßten sich Sportverbände Eingriffe in Freiheitsbereiche ihrer mittelbaren und unmittelbaren Mitglieder an, die bei Ausübung hoheitlicher Gewalt im Verhältnis zum Bürger kaum grundrechtlichen Standards genügen dürf229
Vgl. MüKo/Roth, § 242, Rn. 45 mwN. Vgl. Vieweg, SpuRt 1995, 97 (100). 231 Vgl. Vieweg, in: Teilnahme am Sport, S. 23 (44). 232 Der Begriff stammt von Westermann, DZWiR 1996, 82 (82, Fn. 3). 233 Vgl. Burmeister, DöV 1978, 1 ff.; zuvor bereits Stern, in: Sport und Recht, S. 142 ff. 234 Vgl. Burmeister, DöV 1978, 1 (3); Nolte/Polzin, NZG 2001, 838. 230
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ten.235 Hinzu komme das tradierte und überholte Verständnis, die Sportausübung könne sich einer gerichtlichen Kontrolle entziehen.236 Diese Zustände scheinen bis heute nicht vollends überwunden. Wurde früher der satzungsmäßige Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges in Vereins- bzw. Verbandsstreitigkeiten dadurch abgesichert, dass Rechtsschutz vor ordentlichen Gerichten sogar als verbandsschädigendes Verhalten sanktioniert werden konnte237, wird heute – nachdem sich diese Klauseln als nicht haltbar erwiesen238 – häufig vorschnell und vielfach in Verkennung des tatsächlichen Inhalts und der bestehenden Grenzen von Seiten der Sportverbände der Begriff der „Verbandsautonomie“ bemüht, um einer allzu weit reichenden gerichtlichen Kontrolle bei Überprüfung verbandsautonomer Entscheidungen Grenzen zu setzen.239 Nicht ohne jede Berechtigung mahnen die Verbände Verständnis für die besonderen Belange des Sports an und weisen auf die schwerwiegenden Folgen fortschreitender gerichtlicher Einflussnahme hin. Erinnert sei etwa an die Reaktionen im Zusammenhang mit dem Bosman-Verfahren vor dem EuGH. Bereits nach Veröffentlichung des Schlussantrages von Generalanwalt Carl Otto Lenz sahen sich die Präsidenten der 49 Nationalverbände der UEFA veranlasst, in einem offenen Brief ihre „…tiefe Besorgnis über die kürzlich gemachten Vorschläge, das Transfersystem und die….so genannte 3+2 Regel in der Europäischen Union abzubauen, zum Ausdruck zu bringen.“
235
Vgl. Stern, in: Sport und Recht, S. 142 (149). Vgl. Burmeister, DöV 1978, 1 (3 f.). 237 Vgl. Burmeister, DöV 1978, 1 (8). Ein weiteres Beispiel liefert Will, in: Einbindung des Sportrechts, S. 29 (44, Fn. 35). Demnach enthielt die internationale Wettkampfordnung für Skibob (IWO) der Fédération Internationale de Skibob (FISB) vom September 1976 in § 1 Nr. 9 folgende Klausel: „Ein ziviles oder strafrechtliches Einschreiten gegen die in der IWO aufgestellten Paragraphen, Zusatzbestimmungen oder Anordnungen ist nicht möglich und aus sportlichen Gründen untersagt.“ Weiter heißt es in § 1 Nr. 12 zur Auslegung: „Juristische Haarspaltereien, öffentliche Kritik oder nachträgliche unangebrachte Äußerungen über eine getroffene Entscheidung oder Maßnahme sind unsportlich, unangebracht und haben zu unterbleiben.“ 238 Der Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges ist nach h. M. unzulässig, es sei denn, das vorgeschaltene Verbandsgericht stellt ein echtes Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO dar, was regelmäßig nicht der Fall sein dürfte, vgl. PHBSportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 279 mwN., 292. 239 Dass hierbei nicht immer sachlich argumentiert wird, belegt etwa die Aussage des DFB-Vizepräsidenten Franz Beckenbauer, der die EG-Kommission als „Ansammlung gescheiterter Existenzen“ und „Nieten“ bezeichnete, nachdem diese erklärte, sie sehe in der gängigen Praxis, Profifußballspieler durch exorbitant hohe Geldzahlungen aus laufenden Verträgen „herauszukaufen“, einen Verstoß gegen das EG-Kartellrecht. Vgl. hierzu der Verweis bei Streinz, in: Sport im Schnittfeld, S. 27 (28, Fn. 5). 236
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I. Grundlagen
Weiter heißt es: „Wir bezweifeln, dass dem europäischen Bürger, den Regierungen und den Behörden Europas die schwerwiegenden Auswirkungen dieser Vorschläge für den bedeutendsten Sport Europas bewusst sind.“240
Neben der fortschreitenden Kommerzialisierung des sportlichen Wettbewerbes ist es aber auch die bereits angesprochene mangelnde Sensibilität der Verbände im Umgang mit der eigenen Verantwortung, die ein weiteres Vordringen der ordentlichen Gerichtsbarkeit in sportliche Belange forciert.241 An Beispielen mangelt es ebenfalls nicht: Als sich etwa der spanische ErstligaFußballverein FC Barcelona im Jahr 2003 gegen eine vom spanischen Fußballverband RFEF verhängte Sperre seines Stadions „Nou Camp“ vor einem ordentlichen Gericht zur Wehr setzte und dort die Aufhebung dieser Sperre erwirkte, drohte der internationale Fußball-Verband FIFA, keine Länderspiele mehr im Stadion „Nou Camp“ auszutragen und den FC Barcelona darüber hinaus vom internationalen Transfersystem auszuschließen.242 In diesem Verhalten kommt eine Anmaßung sowohl gegenüber dem Verein als auch der Gerichtsbarkeit zum Ausdruck, die in hohem Maße auf eine fehlerhafte Einschätzung der eigenen Befugnisse schließen lässt. Neben derartigen Erscheinungen ist innerhalb der Sportverbände ein nicht unerhebliches „Demokratie-Defizit“ zu verzeichnen.243 Der praktische Einfluss des einzelnen Sportlers auf Verbandsnormen ist geradezu verschwindend gering. Lange Wahlketten über Kreis-, Bezirks-, Landes- und Regionalverbände bis hin zum Bundesverband lassen einen Einfluss des einzelnen Vereinsmitgliedes auf das Wahlergebnis kaum noch erkennen.244 Dies führt im Weiteren dazu, dass zwischen Verbandsspitze und Basis selten tatsächliche Berührungspunkte bestehen, da beide Seiten über die vermittelnden Verbände verkehren. Andererseits werden die Regelwerke ganz überwiegend vom nationalen Verband aufgestellt und gleichzeitig für nachfol240 Der Brief findet sich vollständig abgedruckt bei Heidersdorf, S. 135 ff. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass der Profisport auch 8 Jahre nach dem Bosman-Urteil – entgegen der damaligen Prognose von Sportfunktionären – funktionstüchtig existiert. Die wohl wesentlichste Veränderung dürfte sich für die Berufssportler ergeben haben, die infolge des Urteils in deutlich größerem Umfang bei Verteilung der vorhandenen finanziellen Mittel partizipieren und nunmehr ein größeres Gegengewicht zu den Vereinen darstellen. Ob die Gehaltssteigerungen bei Berufssportlern allerdings tatsächlich eine Auswirkung des Bosman-Urteils ist, wird teilweise in Frage gestellt, da sich im gleichen Zeitraum auch andere Einflussfaktoren, etwa die Höhe der Fernsehgelder, verändert haben. So etwa Feess, ZEuP 2005, 365 (365 und 372). 241 Zur häufigeren Inanspruchnahme ordentlicher Gerichte infolge fortschreitender Professionalisierung vgl. Vieweg, JuS 1983, 825 (827). 242 Vgl. die Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 17./18.04.2003, S. 33; siehe auch die weiteren von Stern, in: Sport und Recht, S. 142 (149) aufgezählten Beispiele. 243 Vgl. Pfister, in: FS für Lorenz, S. 171 (176). 244 Vgl. Pfister, in: FS für Lorenz, S. 171 (176, Fn. 31).
5. Sportler, Verein und Verband – Verfassungsrechtliche Eckpunkte
73
gende Verbände verbindlich erklärt.245 Die gelegentlich anzutreffenden Öffnungsklauseln erlauben nachrangigen Verbänden nur ein begrenztes Abweichen von vorgegebenen Standards.246 Die Willensbildung erfolgt damit zum ganz überwiegenden Teil nicht von der breiten Basis zur Spitze, sondern in umgekehrter Richtung. Die angesprochenen Verhältnisse innerhalb des Sportverbandswesens dürften zumindest eine Ursache für die große Anzahl sportgerichtlicher Verfahren sein. Während die Zahl der von Sportverbänden verhängten Disziplinarstrafen für das Jahr 1971 auf 150.000 geschätzt wurde, ging man für das Jahr 1987 bereits von 450.000 Sanktionen aus.247 Im Jahr 1985 wurden die Verfahren allein im Bereich des Fußballsports auf 340.000 geschätzt – Tendenz steigend.248 Es dürfte wohl der nahezu einhelligen Ansicht entsprechen, der im Übrigen beizupflichten ist, dass ein beständig weiteres Vordringen der Jurisprudenz in den Sport diesem eher schadet denn nützt. Eben so wenig verkannt werden darf allerdings, dass die Ursachen bestehender Konflikte zwischen Verband und Mitgliedern allein auf der Entwicklung der Sportverbände selbst beruhen249 und bei kritischer Selbstüberprüfung auch von diesen – außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit – gelöst werden könnten. Autonomie kann hier nicht allein das Recht zur Regelung eigener Angelegenheiten bedeuten, sondern muss zugleich als Pflicht zum verantwortungsbewussten Umgang mit diesem Recht verstanden werden.
e) Verfassungsrechtliche Grundprinzipien im Sport und Freiheitsrechte des Einzelnen Das Verhältnis zwischen Staat und Sportverbandswesen wird wesentlich bestimmt durch die Prinzipien der Subsidiarität staatlichen Handelns und der Autonomie der Vereine und Verbände.250 Staatliche Zurückhaltung auf dem Ge245 Vgl. § 1 Abs. 1 S. 2 SpielO DBB; vor § 1 SpielO DFB; § 1 Abs. 1 SpielO DHockeyB. 246 Vgl. § 88 Abs. 2 SpielO DHB; Abschnitt D Nr. 1.2 WO DTTB. 247 Vgl. Deutsch, VersR 1990, 2 (2). 248 Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 2. Teil, Rn. 278. Eine Hochrechnung der im Jahr 1985 im Saarland anhängigen Sportgerichtsverfahren auf das gesamte Bundesgebiet ergibt die erstaunliche Zahl von ca. 420.000 Verfahren. Damit überstieg die Zahl der Verfahren vor den Sportgerichten die der gesamten Arbeitsgerichtsbarkeit und war zugleich dreimal höher als die bei der gesamten Verwaltungsgerichtsbarkeit eingegangenen Verfahren. Vgl. Hilpert, BayVBl 1988, 161 (161). Zum Teil belaufen sich die Schätzungen sogar auf 850.00 mögliche Sportgerichtsfälle pro Jahr, vgl. FAZ Nr. 268 vom 17.11.2000, S. 39. 249 So auch Steiner, DöV 1983, 173 (180). 250 Vgl. Steiner, DöV 1983, 173 (175 f.); Häberle, in: FS für Thieme, S. 24 (44). Siehe auch oben, a).
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I. Grundlagen
biet des Sportwesens einerseits und Abwehrrechte der Sportverbände gegenüber staatlicher Einmischung andererseits legen die Verantwortung für ein funktionierendes Sportwesen in die Hände Privater. Infolge der verfassungsrechtlich angelegten Zurückhaltung des Staates251 finden die Freiheitsrechte des Sportlers ihre maßgebliche Bedeutung daher im Verhältnis zum Sportverband. Ausgangspunkt einer näheren inhaltlichen Ausgestaltung dieses Verhältnisses durch den Sportverband ist die Befugnis zur Normsetzung nach Art. 9 Abs. 1 GG, dem nach überwiegender Ansicht der Charakter eines Doppelgrundrechts zukommt252. Diesem Verständnis entsprechend enthält die im Grundsatz individuell ausgerichtete Vereinigungsfreiheit eine kollektive Ausprägung und gewährt neben dem individuellen positiven und negativen Grundrechtsschutz die kollektive Betätigungsfreiheit des Vereins. Für den Verband ist damit „die Selbstbestimmung über die eigene Organisation, das Verfahren (seiner) Willensbildung und die Führung (seiner) Geschäfte“ gewährleistet.253 Es gilt dabei jedoch stets zu beachten, dass die Autonomie den Vereinen und Verbänden nicht im eigenen Interesse eingeräumt wird, sondern im Interesse der Gesamtheit der Sportler254, denn das Tätigwerden des Vereins basiert auf dem Grundrecht des Einzelnen, Organisationen zu gründen und sich in diesen zu verwirklichen.255 Dementsprechend reicht die kollektive Freiheitsbetätigung auch nicht weiter als die gleiche Betätigung einer Einzelperson.256 Inhaltlich ergibt sich damit für den Verein bzw. Verband das unbestrittene Recht, eigene Regelwerke aufzustellen und näher auszugestalten.257 Diesem Recht zur Regulierung eigener Angelegenheiten korreliert zugleich das Recht des einzelnen Sportlers, einem bestehenden Verein fernzubleiben, da kollektive Selbstbestimmung ganz wesentlich auf dem Umstand der Freiwilligkeit einer Mitgliedschaft beruht.258 Die Regelungsbefugnis des Verbandes ist nur in dem Umfang gewährleistet, wie sie vom Willen seiner Mitglieder getra251
Vgl. Steiner, DöV 1983, 173 (176). Vgl. BVerfGE 50, 290 (354); 84, 372 (378); Jarass/Pieroth, Art. 9, Rn. 8; Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 9, Rn. 6; Löwer, in: v. Münch/Kunig, Art. 9, Rn. 15; Farthmann/Coen, in: Benda/Maihofer/Vogel, II, § 19, Rn. 22; a. A. Sachs/Höfling, Art. 9, Rn. 26; Isensee, in: Hdb. Staatsrecht V, § 118, Rn. 65 f; Kemper, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 9, Rn. 137; kritisch MD/Scholz, Art. 9, Rn. 23 ff. (Stand: EL 35, Februar 1999). 253 Vgl. BVerfGE 50, 290 (354). 254 Vgl. Pfister, in: FS für Lorenz, S. 171 (181). 255 Vgl. MD/Scholz, Art. 9, Rn. 22 (Stand: EL 35, Februar 1999). 256 Vgl. BVerfGE 50, 290 (353); 54, 237 (251); 88, 9 (11); BVerfG, NJW 1996, 1203. 257 Vgl. PHB-Sportrecht/Fritzweiler, 1. Teil, Rn. 9; Steiner, Amateurfußball, S. 7 (14); Tettinger, in: Sport im Schnittfeld, S. 9 (13). Vgl. auch BGH, NJW 1995, 583 (584). 258 Vgl. Nicklisch, in: Verbandsautonomie und Verfassungsrecht, S. 4 (7). 252
5. Sportler, Verein und Verband – Verfassungsrechtliche Eckpunkte
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gen wird. Für ausländische Sportler ergibt sich dies nicht unmittelbar aus Art. 9 Abs. 1 GG, da sich dessen Anwendungsbereich lediglich auf Deutsche im Sinne von Art. 116 Abs. 1 GG bezieht, wohl aber aus Art. 2 Abs. 1 GG.259 Die tatsächliche Gewährleistung dieser Freiheit stellt sich im Verhältnis Verband – Sportler jedoch als äußerst problematisch dar. Schwierigkeiten bereitet weniger die praktisch nicht vorgesehene Mitgliedschaft des Sportlers im Dachverband infolge deren vornehmlich korporativer Struktur, denn die fehlende Mitgliedschaft steht weder einer Teilnahme des Sportlers am Wettkampf noch einer Beteiligung an der Willensbildung im Dachverband entgegen, die zumindest mittelbar – wenn auch mit sehr geringem Einfluss260 – über zwischengeschaltete Verbände gewährleistet wird. Das wesentliche Problem in Bezug auf die Rechte des ausländischen Sportlers aus Art. 2 Abs. 1 GG dürfte darin zu sehen sein, dass die bestehenden Strukturen zwar theoretisch die Gründung eines eigenen Vereins bzw. Verbandes außerhalb bereits bestehender Verbände zulassen, solche Verbände aber infolge des Ein-Platz-Prinzips keine Anerkennung des jeweiligen Landes- bzw. Deutschen Sportbunds erfahren würden.261 Es besteht damit für den Sportler im Grundsatz zwar die Möglichkeit, sich dem Regelwerk eines Verbandes zu entziehen, faktisch geht hiermit jedoch der vollständige Ausschluss vom aktiven Wettkampfsport einher. Im Ergebnis wird der ambitionierte Freizeitsportler mit dem Willen zur Wettkampfteilnahme in die Regelwerke bereits existierender Sportverbände „gedrängt“. Dem ausländischen Sportler zufallende Gewährleistungen der Vereinigungsfreiheit, als Ausprägung seiner allgemeinen Handlungsfreiheit, erweisen sich damit als faktisch nicht werthaltig. Gleichwohl dürfte dieser Umstand nicht das Kernproblem des ausländischen Sportlers in Bezug auf Sperrklauseln charakterisieren. Denn letztlich ist diesem ohnehin kaum am Aufbau einer eigenen Verbandsstruktur gelegen, vielmehr steht die unbeschränkte Teilhabe am bestehenden System – entsprechend den Möglichkeiten deutscher Sportler – im Vordergrund. Dennoch, die aus dem Ein-Platz-Prinzip resultierende Machtfülle der Sportverbände und der hierzu in Abhängigkeit stehende Sportler sind Phänomene des gesamten Sportverbandswesens, die es stets im Blick zu halten und zu berücksichtigen gilt.
259 So die h.M, vgl. BVerfGE 50, 166 (175); 38, 52 (57); 35, 382 (399); Mertens, in: Hdb. Staatsrecht VI, § 144, Rn. 30; Kemper, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 9, Rn. 142; Bauer, in: Dreier I, Art. 9, Rn. 31; Löwer, in: v. Münch/Kunig, Art. 9, Rn. 6; Sachs/Höfling, Art. 9, Rn. 32; a. A. MD/Scholz, Art. 9, Rn. 47 (Stand: EL 35, Februar 1999). Umstritten ist, ob sich EU-Bürger direkt auf Art. 9 Abs. 1 GG berufen können, sofern das EG-Recht eine Diskriminierung untersagt, oder ob qualifizierter Grundrechtsschutz über Art. 2 Abs. 1 GG zu gewähren ist. Vgl. insoweit Jarass/Pieroth, Art. 9, Rn. 10 und Kemper, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 9, Rn. 142, jeweils mwN. 260 Vgl. oben, d). 261 Vgl. Baecker, S. 77 mit weiteren Gründen.
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I. Grundlagen
Unmittelbare Bedeutung für den ausländischen Sportler erlangt Art. 2 Abs. 1 GG ferner gerade dann, wenn dieser als überzähliger Ausländer infolge des bereits ausgeschöpften Kontingents an der Wettkampfteilnahme gehindert ist, damit nicht aktiv in das Spielgeschehen eingreifen kann. Daneben treten die typischerweise mit Ausländerklauseln verbundenen Fragen zur Zulässigkeit einer Ungleichbehandlung gegenüber deutschen Staatsangehörigen in den Vordergrund. Aus europarechtlicher Sicht erscheint unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Zielsetzung internationaler Abkommen, hier insbesondere des EGV, zunächst die Frage der Anwendbarkeit vertraglicher Personenfreizügigkeitsrechte und Diskriminierungsverbote auf rein nichtwirtschaftliche Sachverhalte klärungsbedürftig. Infolge der erheblichen Anzahl europarechtlicher Abkommen hat dabei notwendigerweise eine Differenzierung nach Staatsangehörigkeiten zu erfolgen, da unterschiedliche Vertragswerke mit verschiedenartiger inhaltlicher Ausgestaltung zum Tragen kommen.
II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung Die Darstellung konzentriert sich im Folgenden auf den konkreten Inhalt und die Reichweite der zuvor nur angedeuteten Freiheits- und Gleichheitsrechte des Sportlers auf nationaler sowie der Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote auf internationaler Ebene. Den mit der Rechtfertigung von Ausländerklauseln im Zusammenhang stehenden Fragen soll dann im dritten Teil der Arbeit nachgegangen werden.
1. Vorgaben des Grundgesetzes Als Ausgangspunkt einer Untersuchung der Ungleichhandlung von Deutschen und Ausländern hinsichtlich ihrer Einsatzberechtigung bei sportlichen Wettkämpfen drängt sich Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG auf.
a) Das Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 GG Der besondere Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 3 GG beinhaltet das Verbot von Diskriminierungen, deren Anknüpfungspunkt unter anderem die Merkmale der Abstammung, Heimat und Herkunft einer Person sind. In seiner Zielsetzung gerichtet auf die Beseitigung historisch wiederkehrender Diskriminierungen, beinhaltet er mit der Aufzählung typischer menschlicher Ungleichheiten1 eine spezielle Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes und stellt zugleich ein allgemeines Menschenrecht dar2. Auf die umstrittene, im Ergebnis wohl zu bejahende Frage, ob es sich bei den Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG um eine abschließende Aufzählung3 handelt, kommt es letztlich nicht an, da außerhalb des Schutzbereiches besonderer Gleichheitsgarantien jedenfalls auf Art. 3
1
Vgl. MD/Dürig, Art. 3 Abs. 3, Rn.31. Vgl. Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 238. 3 Dafür MD/Dürig, Art. 3 Abs. 3, Rn. 27, 28; BAGE 61, 151 (161); a. A. Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 3, Rn. 57. 2
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
Abs. 1 GG zurückgegriffen werden kann4, der einen vergleichbaren Grundrechtsschutz vermittelt.
aa) Die Staatsangehörigkeit als Differenzierungsmerkmal im Sinne von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG? Als Differenzierungsmerkmal von besonderem Interesse ist die Staatsangehörigkeit des ausländischen Sportlers. Die Wettkampfordnungen der Sportverbände knüpfen für die Frage der Spielberechtigung eines Ausländers in aller Regel an dieses Merkmal an. Ausgehend vom Wortlaut lässt sich Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG keine eigenständige Bedeutung der Staatsangehörigkeit in Bezug auf ein Diskriminierungsverbot entnehmen. Betrachtet man die Aufzählung in Abs. 3 S. 1 – wie hier vertreten – als abschließend, bleibt die Frage, ob sich die Staatsangehörigkeit unter eines der Merkmale Abstammung, Heimat bzw. Herkunft subsumieren lässt. Die ganz überwiegende Meinung geht davon aus, dass Abs. 3 einer Differenzierung aufgrund der Staatsangehörigkeit nicht entgegensteht.5 Bemerkenswert ist allerdings, dass diese Einordnung meist ohne nähere Begründung erfolgt6 oder sich mit der Feststellung begnügt, die Staatsangehörigkeit gehöre nicht zu den explizit in Abs. 3 aufgezählten Merkmalen und sei daher nicht erfasst7. Möglicherweise beruht dieser lapidare Hinweis auf dem Umstand, dass an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Ungleichbehandlungen jedenfalls am Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG zu messen sind. Allerdings würde dabei übersehen, dass sich durchaus unterschiedliche Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs ergeben können, sofern man in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts den besonderen Gleichheitssatz des Abs. 3 als grundsätzliches Anknüpfungsverbot begreift8. Vereinzelt findet sich der Hinweis – allerdings ebenfalls ohne nähere Begründung –, die Staatsangehörigkeit werde im Übrigen auch nicht von einem der Merkmale des Abs. 3 GG erfasst.9 Soweit die Staatsangehörigkeit im Wortlaut 4 So auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3, Rn. 339; MD/Dürig, Art. 3 Abs. 1, Rn. 255 ff. 5 Vgl. BVerfGE 51, 1 (30); BVerwGE 22, 66 (70); Sachs, in: Hdb. Staatsrecht V, § 126, Rn. 51; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3, Rn. 366; Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 297; Gramlich/Niese, SpuRt 1998, 61 (62); Kirschenhofer, S. 112; Fabis, S. 150; a. A. Zuleeg, DöV 1973, 361 (363); Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 3, Rn. 5, 99. 6 Auf das Begründungsdefizit wurde bereits von Zuleeg, DöV 1973, 361 (363) hingewiesen. 7 So etwa BVerfGE 51, 1 (30). 8 Vgl. BVerfGE 85, 191 (206). 9 Vgl. Sachs, in: Hdb. Staatsrecht V, § 146, Rn. 51, allerdings mit dem Hinweis, dass die Staatsangehörigkeit einen unübersehbaren Bezug zu verschiedenen Kriterien auf-
1. Vorgaben des Grundgesetzes
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des Art. 3 Abs. 3 GG keine Berücksichtigung findet, spricht dies zunächst dafür, dass es sich insoweit um ein grundsätzlich nicht erfasstes spezielles Differenzierungsmerkmal handelt. Eine nähere Untersuchung scheint allerdings zu der Frage angebracht, ob die Staatsangehörigkeit nicht in einem oder mehreren Kriterien des Abs. 3 enthalten ist. bb) Die Staatsangehörigkeit als immanenter Bestandteil der Differenzierungskriterien des Art. 3 Abs. 3 GG? Die Subsumtion des Begriffes der Staatsangehörigkeit unter eines der in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Merkmale – in Betracht kommen dürften vordringlich die Kriterien Heimat und Herkunft sowie die Abstammung – erfordert zunächst die begriffliche Überschneidung mit zumindest einem dieser Merkmale und setzt vorab eine kurze nähere Bestimmung des Begriffs und Wesens der Staatsangehörigkeit voraus. Mangels Legaldefinition bleibt das terminologische Verständnis der Staatsangehörigkeit der wissenschaftlichen Diskussion überlassen, die sich weitestgehend am historisch überkommenen Begriffsverständnis orientiert.10 Die wohl herrschende Meinung sieht in der Staatsangehörigkeit die Eigenschaft, Mitglied der Gebietskörperschaft Staat zu sein.11 In diesem Sinne ist die Staatsangehörigkeit nicht als Rechts-12, sondern als Statusverhältnis zu verstehen. Abgesehen von dieser Einordnung begründet die Staatsangehörigkeit nach einhelliger Auffassung Rechte und Pflichten des Einzelnen in Bezug auf seine Zugehörigkeit zum Staatsvolk und damit zum Staat.13 An der Unmittelbarkeit dieser Rechtsbeziehung tritt zugleich die Gegensätzlichkeit der zum Begriffsverständnis vertretenen Positionen hervor. Während vom Standpunkt der Mindermeinung die Staatsangehörigkeit selbst das Rechtsverhältnis darstellt, bildet diese, verstanden als Status, die tatbestandliche Voraussetzung für das Vorliegen einer Rechtsbeziehung und begründet daher erst mittelbar Rechte und Pflichten.14 Ungeachtet dieser Diskussion und mit Blick auf die Fragestellung ist festzuhal-
weist, der ein erhöhtes Maß an Aufmerksamkeit bei Ungleichbehandlungen auf Grundlage der Staatsangehörigkeit nahe legt. 10 Vgl. Marx, Staatsangehörigkeitsrecht, Vorbem. zu § 1 RuStAG, Rn. 95; Renner, in: StAngR, Einl. Teil I. C, Rn. 2. 11 Vgl. Renner, in: StAngR, Einl. Teil I. C, Rn. 2 mwN., 5. 12 Für ein solches Verständnis etwa Sachs/Kokott, Art. 16, Rn. 10 mwN. 13 Vgl. BVerfGE 83, 37 (51). 14 Vgl. Marx, Staatsangehörigkeitsrecht, Vorbem. zu § 1 RuStAG, Rn. 97.
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
ten, dass die Staatsangehörigkeit jedenfalls das Bindeglied für die Rechtsbeziehung zwischen Staat und Angehörigem darstellt.15 Die sachlichen Verschränkungen der Staatsangehörigkeit mit verschiedenen Merkmalen des Abs. 3 kommen etwa darin zum Ausdruck, dass der Erwerb der Staatsangehörigkeit häufig eng mit der Heimat, Herkunft bzw. Abstammung einer Person verknüpft ist. Nach § 3 Nr. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 1 S. 1 StAG wird die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt erworben, sofern ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt. Der Bezug zum Kriterium der Abstammung nach Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG – als natürliche biologische Beziehung eines Menschen zu seinen Vorfahren16 – ist unübersehbar. Jungen Ausländern kann durch längeren Inlandsaufenthalt ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG entstehen. Der Erwerb der Staatsbürgerschaft knüpft auch hier erkennbar an das Merkmal der Heimat – der örtlichen Herkunft kraft Geburt bzw. Ansässigkeit17 – an.18 Sofern sich Berührungspunkte ergeben, kann auch der Begründungsversuch nicht überzeugen, die Staatsangehörigkeit falle bereits deshalb nicht unter Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, weil diese prinzipiell veränderbar sei.19 Es dürfte unbestritten sein, dass die Heimat eines Menschen im Sinne von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG – etwa durch einen Umzug – verlegt werden kann, sofern der neuen örtlichen Umgebung persönlichkeitsprägende Kraft zukommt.20 Gegen vorgenannte Auffassung spricht zudem, dass auch die übrigen in Abs. 3 S. 1 aufgezählten Merkmale nicht zwingend der Unveränderbarkeit unterliegen. So ist der Gläubige auch nach einem Konfessionswechsel durch Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG vor Diskriminierungen seiner Person wegen dieses neuen Glaubens geschützt. Anhand dieser Ausführungen und dem Begriffsverständnis der Staatsangehörigkeit wird aber zugleich deutlich, dass eine vollständige Identität zwischen der Staatsangehörigkeit und den verschiedenen Merkmalen des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG nicht gegeben ist, vielmehr lediglich partielle Überschneidungen vorliegen. Die jahrelange Ansässigkeit in der Bundesrepublik begründet nicht zugleich die Staatsangehörigkeit, auch wenn der betreffende Ausländer als hier 15
Vgl. Schleser, Staatsangehörigkeit, S. 32. Vgl. BVerfGE 9, 124 (128); Heun, in: Dreier I, Art. 3, Rn. 127. 17 Vgl. BVerfGE 5, 17 (22); 23, 258 (262); BVerwGE 22, 66 (69 f.). 18 Der Begriff der Heimat im Sinne von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG bezieht sich nach ganz h. M. nicht auf den Wohnsitz des Betroffenen. Vgl. etwa Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art 3, Rn. 99. 19 Vgl. Heun, in: Dreier I, Art. 3, Rn. 130. 20 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3, Rn. 365; MD/Dürig, Art. 3 Abs. 3, Rn. 75 ff. Zutreffend dürfte davon auszugehen sein, dass ein persönlichkeitsprägender Ortswechsel nur bis zu einem gewissen Alter in Betracht kommt. Vgl. Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 295. 16
1. Vorgaben des Grundgesetzes
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beheimatet anzusehen ist. Staatsangehörigkeit und Heimat können auseinander fallen mit der Folge, dass an die Staatsangehörigkeit anknüpfende Ungleichbehandlungen nicht unter Rückgriff auf das Merkmal Heimat in den Schutzbereich des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG einbezogen werden können. Dies folgt letztlich auch daraus, dass die Begriffe der Heimat, Herkunft und Abstammung an tatsächliche Gegebenheiten anknüpfen, während sich die Staatsangehörigkeit als rechtliche Zuordnung zu einem Staatswesen darstellt21 und für die Verknüpfung von Heimat und Zugehörigkeit zu einem bestimmten Staatsvolk sorgen kann, jedoch nicht mit dieser gleichzusetzen ist. Die Staatsangehörigkeit bezieht sich daher nicht auf Heimat, Herkunft oder Abstammung eines Menschen, sondern findet hierin häufig ihre Ursache. Dies ist jedoch wiederum keinesfalls zwingend, da die Staatsangehörigkeit eben nicht notwendig an die Heimat, Herkunft oder Abstammung anknüpft, wodurch letztlich deutlich wird, dass es sich bei der Staatsangehörigkeit um ein eigenständiges Merkmal handelt.22 Gegen ein weites Begriffsverständnis der Merkmale des Abs. 3 S. 1 spricht zudem die Tatsache, dass bei der bisher einzigen inhaltlichen Änderung von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG im Rahmen des 42. GG-Änderungsgesetzes vom 27.10.199423 auf die Aufnahme der Staatsangehörigkeit in den Katalog unzulässiger Anknüpfungspunkte verzichtet wurde. Dieser Umstand legt die Vermutung nahe, dass sich der Gesetzgeber – in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts – bewusst einer Neuregelung enthalten hat und die Frage in seinem Sinne als zutreffend beantwortet ansieht.24 Im Übrigen hat der Verfassungsgeber, wie die Unterscheidung zwischen Jedermann- und Deutschen-Grundrechten zeigt, eine Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit offensichtlich für grundsätzlich zulässig gehalten.25 Die Analyse kann sich jedoch nicht mit der Feststellung begnügen, Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG sei infolge der vorstehenden Ausführungen auf Ausländerklauseln per se nicht anwendbar, soweit aus tatsächlicher Sicht noch ungeklärt ist, ob die Ausländerklauseln der Sportverbände – trotz ihres meist eindeutigen Wortlautes – nicht doch an Abstammung, Herkunft oder Heimat anknüpfen.
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Vgl. Sachs, NJW 1981, 1133. Vgl. Isensee, VVDStRL 32 (1974), 49 (75). 23 Vgl. BGBl. I, 3146. 24 In diesem Sinne wohl auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3, Rn. 344. 25 Vgl. Heun, in: Dreier I, Art. 3, Rn. 43. 22
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
cc) Der Staatsangehörigkeitsbegriff der Sportverbände – teilweise Überschneidung mit unzulässigen Anknüpfungskriterien des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG Sofern sich Ausländerklauseln in tatsächlicher Hinsicht auf diese Differenzierungsmerkmale zurückführen lassen, sind diese ohne weiteres am Maßstab des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zu messen. Der von den Sportverbänden gewählte Wortlaut bleibt zunächst unberücksichtigt, da nicht das vorgegebene, sondern das tatsächliche Unterscheidungskriterium zu ermitteln und auf seine sachliche Berechtigung hin zu überprüfen ist.26 Für die Eröffnung des Schutzbereiches kommt es entscheidend darauf an, ob der Ausschluss ausländischer Spieler vom Wettkampf auf deren Heimat, Herkunft oder Abstammung beruht, da Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG die Benachteiligung oder Bevorzugung wegen zumindest eines der aufgezählten Merkmale verbietet. Der Formulierung „wegen“ ist dabei nach Ansicht der herrschenden Meinung ein Anknüpfungsverbot zu entnehmen, das jede Ungleichbehandlung bei Vorliegen eines kausalen Zusammenhanges mit einem der Merkmale des Abs. 3 verbietet.27 Rechtsprechung und Teile der Literatur fordern darüber hinaus eine Finalität des Handelns, die darauf abhebt, dass eine Unterscheidung gerade wegen eines der verbotenen Merkmale eintritt, die Bevorzugung oder Benachteiligung gerade bezweckt war.28 Die Ermittlung des von Seiten der Sportverbände mit Ausländerklauseln vorrangig verfolgten Zwecks ist mit Blick auf eine Vielzahl in Betracht kommender Motive nicht unproblematisch. So ließe sich anführen, Ausländerklauseln vermieden Wettbewerbsvorteile grenznaher Vereine, die zur Verstärkung ihrer Mannschaften auf Spieler des benachbarten Auslandes zurückgreifen könnten, ohne dass diese Spieler ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland hätten oder sonst am Vereinsleben teilnehmen würden. In diesem Fall wäre die Klausel als Begrenzung des Verbandsspielgebietes auf die Staatsgrenzen zu verstehen und würde damit nicht an die Staatsangehörigkeit, sondern an die örtliche Herkunft im Sinne der Ansässigkeit und damit an der Heimat des Ausländers anknüpfen. Bei diesem Verständnis spielt die rechtliche Sonderbeziehung des Ausländers zu seinem Heimatstaat sachlich keine Rolle, so dass auch bei Verwendung des Begriffes der Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal eine unzuläs-
26
Vgl. Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 256. Vgl. BVerfGE 2, 266 (286); 5, 17 (22); 59, 128 (157); 75, 40 (70); 85, 191 (206 f.); 89, 276 (288); auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3, Rn. 350; Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 118; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art 3, Rn. 104. 28 Vgl. BVerfGE 2, 266 (286); 75, 40 (70); Bleckmann, § 24, Rn. 200; Fuss, JZ 1959, 329 (336). 27
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sige Ungleichbehandlung wegen der Heimat anzunehmen ist.29 Die Ausländerklausel müsste zudem in einem solchen Fall – trotz ihres Wortlautes – auch auf den im Ausland beheimateten deutschen Staatsangehörigen Anwendung finden. Demgegenüber wird mit Ausländerklauseln häufig das Argument der Nachwuchsförderung in Verbindung gebracht. Durch einen nur begrenzt zulässigen Einsatz ausländischer Spieler soll dem auszubildenden Nachwuchs – vor dem Hintergrund künftig zu bildender Nationalmannschaften – ein Platz innerhalb der Vereinsmannschaft und damit ausreichend Spielpraxis gesichert werden.30 Im Gegensatz zur Vermeidung von Wettbewerbsvorteilen einzelner grenznaher Vereine lässt sich dem Argument der Nachwuchsförderung nicht entnehmen, ob dieser Zweck unter Anknüpfung an die Heimat oder nicht doch an die Staatsangehörigkeit des Ausländers erreicht werden soll. Allein letzteres wäre aus dem Blickwinkel von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG unproblematisch. Es zeigt sich, dass ein Abstellen auf subjektive Beweggründe bei Vorliegen verschiedener Motive zu Problemen führt und leicht die Möglichkeit einer Umgehung des Schutzzweckes von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG eröffnet, indem die Ungleichbehandlung auf ein nicht von Abs. 3 S. 1 erfasstes Kriterium gestützt wird.31 Das Bundesverfassungsgericht hat seine Rechtsprechung zwischenzeitlich geändert und stellt nicht mehr auf den mutmaßlich primär verfolgten Zweck ab.32 Nunmehr geht das Gericht bereits dann von einer unzulässigen Anknüpfung aus, wenn „in dem Motivbündel“, das die Entscheidung beeinflusst hat, eines der verbotenen Kriterien enthalten ist.33 Es bestehen daneben durchaus weitere Anhaltspunkte für die Vermutung, dass sich Sportverbände bei der Aufstellung von Ausländerklauseln von den Differenzierungskriterien des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG zumindest leiten lassen.34 Dafür spricht der Umstand, dass nach den Klauseln der meisten Sportverbände diejenigen Ausländer keiner Zugangsbeschränkung unterliegen, die trotz fremder Staatsangehörigkeit noch nie für einen ausländischen Verband gespielt haben35 und damit offensichtlich eine starke örtliche Verbundenheit zur Bundesrepublik aufweisen. Hieran wird letztlich deutlich, dass es den Sportverbänden 29
Vgl. Sachs, NJW 1981, 1133. Vgl. Heidersdorf, S. 61. 31 Vgl. Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 3, Rn. 104; Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 252. 32 Vgl. BVerfGE 85, 191 (206); 89, 276 (288); 97, 35 (43); 97, 186 (197). 33 Vgl. BVerfGE 89, 276 (289). 34 Arens, SpuRt 1996, 39 (43) möchte auf das Kriterium der Herkunft abstellen, was angesichts des Begriffsverständnisses als „ständisch-soziale Abstammung und Verwurzelung“ (vgl. BVerfGE 5, 17 (22); 48, 281 (287 f.) nicht ganz korrekt erscheint. Einschlägig dürfte, wenn überhaupt, das Merkmal der Heimat sein. 35 Vgl. etwa Abschnitt B Nr. 9.2.1 der WO des DTTB. 30
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nicht um die Staatsangehörigkeit im Rechtssinne geht, sondern den Statuten ein eigener sportrechtlicher Begriff der Staatsangehörigkeit zugrunde liegt36, der darüber hinaus einen starken Bezug zum Begriff der Heimat im Sinne von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG aufweist. Nicht ausgeschlossen werden kann zudem das Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung.37 Geht man davon aus, dass sich die Heimat einer Person im Sinne von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG überwiegend nach der persönlichkeitsprägenden örtlichen Umgebung während der Kindheit und Jugend bestimmt38 und sich dieser Begriff nicht mit dem aktuellen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt deckt39, so dürfte die Heimat der maßgeblich von Ausländerklauseln betroffenen Sportler außerhalb deutscher Grenzen liegen. Der Grund hierfür findet sich in den Regelwerken der Verbände selbst, weil nach vorstehenden Ausführungen Ausländer mit fremder Staatsangehörigkeit, aber starkem örtlichem Bezug zur Bundesrepublik – manifestiert durch eine Organisation von jeher allein im deutschen Sportverband – nicht als solche anzusehen sind. In Deutschland geborene und damit grundsätzlich hier beheimatete Jugendliche mit fremder Staatsangehörigkeit unterliegen häufig keinen oder weniger weit reichenden Ausländerbeschränkungen. So lautet etwa Abschnitt B 9.2 der WO des DTTB: „… Diese Beschränkungen40 gelten nicht für Ausländer, die 9.2.1 … 9.2.2 a) am 01.07. einer Spielzeit das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet, b) ihren ständigen Wohnsitz in Deutschland haben und c) keine Spielberechtigung für einen ausländischen Verein/ Verband besitzen. Dies gilt auch für zukünftige Spielzeiten, sofern die Voraussetzungen b) und c) weiter bestehen.“
36
Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 7. Teil, Rn. 32. Dass auch eine mittelbare Diskriminierung von Art. 3 Abs. 3 GG erfasst wird, dürfte heute herrschende Meinung sein. Vgl. BVerfGE 97, 35 (43) mit Verweis auf Entscheidungen des EuGH; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 3, Rn. 86; Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 108; Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 256; a. A. Sachs, in: Hdb. Staatsrecht V, § 126, Rn. 88. 38 Vgl. Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 295; Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 111; Sachs, in: Hdb. Staatsrecht V, § 126, Rn. 46. 39 Vgl. BVerfGE 38, 128 (135); 92, 26 (50); 102, 41 (53); BVerwG, NVwZ 1983, 223 (224). 40 Hinsichtlich der Teilnahme von Ausländern an sog. Ranglistenturnieren für Einzelspieler. 37
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Im Ergebnis verbleiben daher als Normadressaten und tatsächlich Betroffene nur diejenigen Sportler, die ihre Kindheit bzw. Jugend im Ausland verbracht haben und obigem Begriffsverständnis entsprechend als dort beheimatet anzusehen sind. Eine nach dem Wortlaut der Ausländerklauseln vorgenommene Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit wirkt sich damit im Ergebnis allein auf eine Personengruppe mit fremdländischer Heimat aus. Das Fehlen verlässlichen Zahlenmaterials zum Ausländeranteil und die inhaltlich divergierenden Klauseln der einzelnen Sportverbände verbieten zwar eine allgemeingültige Aussage zum Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung, verlangen aber jedenfalls eine genaue Einzelfallprüfung. In der bisher zu Ausländerklauseln geführten Diskussion werden diese Problemkreise eher vernachlässigt, möglicherweise auch wegen der im Ergebnis schwer lösbaren Detailfragen. Aufschlüsse zum Vorliegen einer mittelbaren Diskriminierung dürften häufig bereits an fehlenden statistischen Erhebungen etwa zur Herkunft ausländischer Sportler scheitern. Nicht alle Sportverbände führen Statistiken zum Anteil ausländischer Sportler in ihren Spielligen.41 Zudem lässt ein möglicher Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 GG mit einem Abs. 3 vergleichbaren Grundrechtsschutz das Problem einer mittelbaren Ausländerdiskriminierung in den Hintergrund treten.42 Denn hier ergibt sich nach dem System einer abgestuften Prüfung in Abhängigkeit vom Differenzierungsgrund43 ein relativ strenger Prüfungsmaßstab44 für Ausländerklauseln, da deren Anwendung die Ungleichbehandlung verschiedener Personengruppen nach sich zieht. Letztlich ergeben sich damit kaum Unterschiede im Schutzniveau zwischen beiden Gleichheitssätzen.45 Ob Ausländerklauseln nicht doch verdeckt an eines der von Art. 3 Abs. 3 GG untersagten Unterscheidungsmerkmale anknüpfen, lässt sich allerdings ohne umfassendes statistisches Zahlenmaterial zur Herkunft, Abstammung und Heimat der in Deutschland lebenden und in Sportvereinen aktiven Ausländer nicht beantworten.
41 Im Rahmen einer Anfrage an 20 Regionalverbände derselben Sportart im Jahr 2001 konnten lediglich 3 Verbände konkret Auskunft über den Anteil ausländischer Sportler in ihrem Verbandsgebiet geben. 6 Verbände gaben an, nicht über statistisches Zahlenmaterial zu verfügen, ein Verband sah sich zu einer kurzfristigen Antwort außerstande. Die übrigen Anfragen blieben unbeantwortet. 42 Zum Rückgriff auf Art. 3 Abs. 1 GG vgl. bereits die Nachweise in Fn. 4. 43 Hierzu sogleich unter b). 44 Vgl. Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 108; Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 297; Sachs, in: Hdb. Staatsrecht V, § 126, Rn. 51. 45 Vgl. Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 297.
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b) Ungleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG und Einordnung im System einer abgestuften Rechtfertigungsprüfung Liegt eine Diskriminierung im Sinne von Art. 3 Abs. 3 GG mangels Eröffnung des Schutzbereiches nicht vor, so richtet sich der Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs. 1 GG. Im Unterschied zu Abs. 3 S. 1 ist der allgemeine Gleichheitssatz nicht bereits bei Anknüpfung einer Gleich- oder Ungleichbehandlung an bestimmte Kriterien verletzt. Erforderlich ist vielmehr, dass „eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten.“46
Mit dieser Formel hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts im Jahre 1980 eine langjährige Rechtsprechung aufgegeben und ermöglicht nunmehr die Anlegung eines differenzierenden Prüfungsmaßstabes. Im Unterschied zur vorher vertretenen so genannten Willkürformel, nach der Art. 3 Abs. 1 GG erst dann verletzt war, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt.“47
– es letztlich auf das Vorliegen einer evidenten Unsachlichkeit ankam –, gestattet die neue Formel, in Anlehnung an den verfassungsgerichtlichen Freiheitsschutz, eine Berücksichtigung des Übermaßverbotes. Dieser neuen Formel ist in einzelnen Entscheidungen auch der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts gefolgt.48 Mit Änderung der Rechtsprechung ist allerdings nicht die vollständige Aufgabe der Willkürformel, infolge einer nunmehr regelmäßig vorzunehmenden Interessenabwägung, verbunden. Es ergibt sich vielmehr aufgrund der neuen Formel eine Bandbreite im Prüfungsmaßstab, die in Abhängigkeit von Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen vom bloßen Willkürverbot bis hin zur strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reicht.49 Das Gericht entnimmt diesen abgestuften Prüfungsmaßstab dem Wortlaut und Sinn des Art. 3 Abs. 1 GG und stellt auf den Zusammenhang mit anderen Verfassungsnormen ab. Im Ergebnis ist von einer besonders strengen Bindung des Normgebers an das Übermaßverbot auszugehen, wenn die Un46 Ständige Rechtsprechung des Ersten Senats des BVerfG seit E 55, 72 (88); vgl. u. a. E 60, 123 (133 f.); 64, 229 (239); 65, 104 (122 f.); 67, 231 (236); 71, 146 (154 f.). 47 Vgl. BVerfGE 1, 14 (52). 48 Vgl. BVerfGE 65, 377 (384); 92, 277 (318). 49 Vgl. BVerfGE 88, 87 (96); 93, 99 (111); 97, 271 (290).
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gleichbehandlung aufgrund personenbezogener Merkmale erfolgt. Im Gegensatz hierzu ist eine weniger weit reichende Prüfung bei einer Differenzierung allein nach sachverhaltsbezogenen Kriterien geboten, was eine Verringerung der Kontrolldichte bis auf das Maß einer bloßen Willkürprüfung herab zur Folge haben kann. Dies ergebe sich aus der Zielsetzung des allgemeinen Gleichheitssatzes, der – ausgehend vom Grundsatz der Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz – in erster Linie eine ungerechtfertigte Verschiedenbehandlung von Personen verhindern soll.50 Die engere Bindung ist dabei nicht auf eine Unterscheidung anhand personenbezogener Merkmale beschränkt, sondern erstreckt sich auch auf solche Ungleichbehandlungen, die an sachverhaltsbezogene Kriterien anknüpfen, jedoch mittelbar zugleich eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirken.51 Der gleiche Prüfungsmaßstab gilt für personenbezogene Ungleichbehandlungen, bei denen das Differenzierungsmerkmal eine besondere Nähe zu den Kriterien des Abs. 3 S. 1 aufweist.52 In Bezug auf Ausländerklauseln ist unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze ein strenger Prüfungsmaßstab bzw. eine enge Bindung an das Übermaßverbot anzunehmen.53 Die Anknüpfung an personenbezogene Merkmale, jedenfalls die Staatsangehörigkeit, ist unübersehbar. Erhebliche Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass es dem ausländischen Sportler nicht ohne weiteres möglich ist, die deutsche Staatsangehörigkeit zu erwerben. Während sich der Betroffene einer Ungleichbehandlung, die an ein ebenfalls in der Person liegendes, aber verhaltensbedingtes Merkmal anknüpft, entziehen kann, ist dies bei stärker personengebundenen Differenzierungskriterien teilweise überhaupt nicht oder jedenfalls nur eingeschränkt möglich. Diesen Gegebenheiten misst das Bundesverfassungsgericht Bedeutung bei, indem es die Intensität des Prüfungsmaßstabes u. a. davon abhängig macht, inwieweit der Betroffene durch sein Verhalten in der Lage ist, die Merkmale, nach denen unterschieden wird, zu beeinflussen.54 Ins Gewicht fällt daneben der von den Sportverbänden konzipierte Staatsangehörigkeitsbegriff mit seiner sachlichen Nähe zur Heimat und damit zu einem Merkmal im Sinne des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG.55 Beachtung verdient auch, dass der um eine aktive Wettkampfteilnahme bemühte ausländische Sportler auf den Spielbetrieb der bereits etablierten Sportverbände an50
Vgl. BVerfGE 88, 87 (96); 99, 367 (388 f.). Vgl. BVerfGE 89, 15 (22); 92, 53 (69); 95, 267 (316); 99, 367 (388). 52 Vgl. BVerfGE 92, 26 (51 f.); 97, 169 (180 f.); 99, 367 (388); BVerwGE 100, 287 (295). 53 Ebenfalls für einen strengen Maßstab in Bezug auf die Diskriminierung von Ausländern: Bryde/Kleindiek, Jura 1999, 36 (43); Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 108; Sachs/Osterloh, Art. 3, Rn. 297; Sachs, in: Hdb. Staatsrecht V, § 126, Rn. 51. 54 Vgl. BVerfGE 55, 72 (89); 60, 329 (346); 88, 5 (12). 55 Siehe oben, a) cc). 51
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gewiesen ist, Ausweichmöglichkeiten auf andere Organisationen praktisch nicht bestehen.56 Auch dieser, dem Sportverbandswesen eigene Umstand legt die Anwendung eines strengen Prüfungsmaßstabes nahe. Inhaltlich ist von einem Verstoß gegen das Übermaßverbot auszugehen, „wenn sich für eine Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt.“57
Die Prüfung ähnelt hiernach stark einer beim Eingriff in Freiheitsrechte vorzunehmenden Verhältnismäßigkeitsprüfung58 und orientiert sich insoweit an den Kriterien der Geeignetheit, Erforderlichkeit59 und Angemessenheit60 der Differenzierung. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Grundrechte im Privatrecht nur mittelbar als Ausdruck einer objektiven Werteordnung Anwendung finden und vorstehende Grundsätze in Bezug auf staatliches Handeln entwickelt wurden, erscheint die vollständige Übertragung dieser Maßstäbe auf die Beziehung von Verband und Spieler zwar nicht unproblematisch, unbestritten jedenfalls aber ist die Bindung der Sportverbände an das Verhältnismäßigkeitsprinzip.61
c) Die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG Neben den grundsätzlichen Verboten einer Ungleichbehandlung aus Art. 3 GG gewährt Art. 2 Abs. 1 GG positiv die Freiheit auf Entfaltung der eigenen Persönlichkeit.
aa) Die sportliche Betätigung als Form der Persönlichkeitsentfaltung Als Jedermann-Grundrecht konzipiert, schützt Art. 2 Abs. 1 GG auch die sportliche Betätigung des Ausländers im Sportverein außerhalb der Berufsausübung. Die Einwände gegen eine Einbeziehung jeder menschlichen Betätigungsform in den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG haben sich nicht durch-
56
Vgl. hierzu oben, I. 5. c) bb). Vgl. BVerfGE 102, 68 (87). 58 In diesem Sinne auch Jarass, NJW 1997, 2545 (2549); Jarass/Pieroth, Art. 3, Rn. 27; Pieroth/Schlink, Rn. 440; Kirschenhofer, S. 113; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 3, Rn. 14. 59 Vgl. BVerfGE 91, 389 (403 f.). 60 Vgl. BVerfGE 82, 126 (146) mwN. 61 Vgl. Steiner, Amateurfußball, S. 7 (16 f.). 57
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gesetzt und geben keine endgültig überzeugende Begründung für eine restriktive Interpretation des Grundrechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Ein dogmatischer Ausgangspunkt für die kritische Auseinandersetzung mit der vom Bundesverfassungsgericht seit dem „Elfes-Urteil“62 aus dem Jahre 1957 vertretenen Auffassung, die Freiheit der Persönlichkeitsentfaltung gewährleiste die allgemeine Handlungsfreiheit im weitesten Sinne, findet sich in einem thematischen Verständnis der Freiheitsrechte.63 Die im Grundrechtskatalog dem Art. 2 GG nachfolgenden Freiheitsrechte bieten Grundrechtsschutz für inhaltlich näher ausgestaltete Erscheinungsformen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Eine solche thematische Begrenzung lässt sich Art. 2 Abs. 1 GG zwar nicht explizit entnehmen, daraus folge jedoch nicht zugleich, dass jeder Bereich menschlichen Handelns grundrechtlichen Schutz genieße. Wie bereits an den Schutzbereichen der übrigen Grundrechte erkennbar sei, ist der Grundrechtsschutz nur auf persönlichkeitsrelevante Verhaltensweisen angelegt.64 Diesen Umstand gelte es auch bei der Grenzbestimmung des Schutzbereiches von Art. 2 Abs. 1 GG zu beachten. Dementsprechend werden auch von Art. 2 Abs. 1 GG nur solche Verhaltensweisen erfasst, die einen vergleichbar spezifischen Bezug zur Persönlichkeit des Handelnden aufweisen. Hiervon könne allerdings nicht für jede menschliche Betätigungsform ausgegangen werden. Entgegen der Auffassung des Bundesverfassungsgerichts berühren daher Tätigkeiten wie die Fütterung von Tauben im Park65 oder das Reiten im Wald66 nicht den Schutzbereich von Art. 2 Abs. 1 GG, da diese Verhaltensweisen für die Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen bedeutungslos sind. Die Annahme der Notwendigkeit eines erforderlichen Mindestmaßes an Persönlichkeitsentfaltung in vermeintlicher Parallele zur persönlichkeitsrelevanten Bedeutung der übrigen Freiheitsrechte ist jedoch keineswegs zwingend. Es mag zwar zutreffend sein, dass die Handlungsfreiheiten der speziellen Freiheitsgrundrechte typischerweise von wesentlicher Bedeutung für die freie Persönlichkeitsentfaltung sind, jedoch entfällt der Grundrechtsschutz im Einzelfall nicht deshalb, weil ein grundsätzlich geschütztes Verhalten einen weniger persönlichkeitsrelevanten Bezug aufweist.67 Die Tatbestände der einzelnen Grundrechte differenzieren nicht nach dem Grad der Relevanz einer Tätigkeit für die Persönlichkeitsentfaltung des Handelnden; Grundrechtsschutz wird vielmehr 62
Vgl. BVerfGE 6, 32 (36 f.). Vgl. hierzu das Sondervotum des Bundesverfassungsrichters Grimm zu BVerfGE 80, 137 (164 ff.). 64 In diesem Sinne Grimm in seinem Sondervotum zu BVerfGE 80, 137 (169); ähnlich Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 428. 65 Vgl. BVerfGE 54, 143 (146). 66 Vgl. BVerfGE 80, 137 (152 f.) 67 Vgl. Degenhart, JuS 1990, 161 (163). 63
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unabhängig hiervon gewährt.68 Art. 9 Abs. 1 GG etwa schützt grundsätzlich jede Vereinigung unabhängig vom verfolgten Vereinszweck und damit den Taubenzüchterverein in gleichem Umfang wie die Kapitalgesellschaft, trotz evident unterschiedlicher Bedeutungen für die Persönlichkeitsentfaltung der Mitglieder. Es kann daher nicht unter Hinweis auf die essentielle Bedeutung der Persönlichkeitsentfaltung im Grundrechtssystem davon ausgegangen werden, dass der Grundrechtsschutz nach Art. 2 Abs. 1 GG in Abhängigkeit einer besonderen Relevanz der in Rede stehenden Tätigkeit für die Persönlichkeitsentfaltung „vergeben“ wird, denn auch die speziellen Freiheitsrechte stellen kein solches Erfordernis auf. Nicht überzeugend ist auch der Hinweis, die Einbeziehung jeder menschlichen Betätigungsform in den Schutzbereich der freien Persönlichkeitsentfaltung dehne die Verfassungsbeschwerde zu einer allgemeinen Normenkontrolle aus, da nunmehr jede belastende Norm auf ihre Vereinbarkeit mit der verfassungsmäßigen Ordnung – und damit in Bezug auf jede verfassungsmäßige Rechtsnorm – überprüfbar sei.69 Zum einen können die Fragen zur tatbestandlichen Reichweite individuellen Grundrechtsschutzes nicht vom verfassungsprozessualen Standpunkt aus beantwortet werden; vielmehr ergeben sich gerade umgekehrt Bedeutung und Tragweite der Verfassungsbeschwerde aus dem Schutzbereich der Grundrechte.70 Zum anderen ist eine Prüfung am Maßstab der gesamten Verfassung bereits von der ebenfalls dem Schutz individueller Rechte dienenden konkreten Normenkontrolle her bekannt, so dass eine Erweiterung der Verfassungsbeschwerde nichts wesentlich Neues bringt.71 Des Weiteren werden zur Begründung der Reichweite der allgemeinen Handlungsfreiheit auch entstehungsgeschichtliche Gesichtspunkte herangezogen.72 Die ursprünglich im Herrenchiemseer Entwurf vorgesehene Formulierung garantierte die Freiheit des Einzelnen, „innerhalb der Schranken der Rechtsordnung und der guten Sitten alles zu tun, was anderen nicht schadet.“73 Dass diese Formulierung letztlich keinen Eingang in die endgültige Fassung des Grundgesetzes gefunden hat, mag darauf beruhen, dass sie als sprachlich zu vulgär empfunden wurde.74 Ob deshalb unter Rückschluss auf die ursprüngliche Fassung von einem weiten Verständnis der Persönlichkeitsentfaltung aus68
Vgl. ebd. Vgl. das Sondervotum des Richters Grimm, BVerfGE 80, 137 (168), auch Duttge, NJW 1997, 3353 (3355). 70 Vgl. Degenhart, JuS 1990, 161 (163). 71 Vgl. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2, Rn. 25. 72 Vgl. BVerfGE 6, 32 (36 f.); 80, 137 (154); Degenhart, JuS 1990, 161 (164); Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2, Rn. 8; Sachs/Murswiek, Art. 2, Rn. 2. 73 Vgl. JöR n. F. 1 (1951), 54 (54). 74 So v. Mangoldt, JöR n. F. 1 (1951), 54 (61). 69
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zugehen ist75 oder sich diese ursprüngliche Absicht mangels weiterer Dokumentation als spekulativ darstellt76, mag dahinstehen und dürfte ohnehin kaum mehr zu klären sein; jedenfalls lässt sich hieraus kein Argument für eine restriktive Interpretation des Schutzbereiches ableiten.77 Daneben trifft diese Ansicht auf erhebliche Schwierigkeiten bei der Beantwortung der Frage, wann menschliches Handeln die Schwelle zur erhöhten Persönlichkeitsrelevanz überschreitet und damit Grundrechtsschutz genießt.78 Differenzierungskriterien sind hier kaum vorstellbar, zumal die Bedeutung menschlichen Verhaltens für die Persönlichkeitsentfaltung nicht anhand objektiver Maßstäbe zu ermitteln ist, diese sich vielmehr nur anhand der subjektiven Bedürfnisse eines jeden Einzelnen bestimmen lässt. Über die Bedeutung einer Tätigkeit für die eigene Persönlichkeitsentfaltung entscheidet jeder Grundrechtsträger selbst.79 Diese Abgrenzungsprobleme und der Grundsatz größtmöglicher Grundrechtseffektivität80, nach dem diejenige Auslegung den Vorzug verdient, welche die juristische Wirkungskraft der Grundrechtsnorm am stärksten entfaltet81, sprechen für ein Verständnis im Sinne der ganz überwiegenden Meinung.82
75
BVerfGE 6, 32 (36 ff.); Scholz, AöR 100 (1975), 80 (87 f). So Duttge, NJW 1997, 3353 (3354), der darauf hinweist, dass ausgenommen von einer Bemerkung des Vorsitzenden des Grundsatzausschusses v. Mangoldt keine Dokumentation zu der angeblich allein aus sprachlichen Gründen motivierten Textänderung existiert. 77 Im Übrigen kommt in den Beratungen zum Herrenchiemseer Entwurf der gewünschte Bezug zur Handlungsfreiheit an einigen Stellen deutlich zur Sprache [vgl. etwa JöR n. F. 1 (1951), 54 (57) und (62)], was eher für das Verständnis im Sinne einer allgemeinen Handlungsfreiheit spricht. In diesem Sinne auch Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 13. 78 Zu diesem Problem BVerfGE 80, 137 (154). 79 Vgl. MD/Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 13 (Stand: EL 39, Juli 2001). In diesem Sinne auch Schnapp, NJW 1998, 960, der zu Recht darauf hinweist, dass der jeweilige Interpret sein Grundrechtsverständnis als dasjenige des Grundgesetzes ausgeben würde. 80 Vgl. zu diesem Grundsatz Stern, Staatsrecht Bd. III/2, S. 1652. 81 Vgl. BVerfGE 6, 32 (42); 43, 154 (167); 103, 142 (153). Aufgrund des Wortlautes späterer Entscheidungen dürfte wohl nicht davon auszugehen sein, dass sich das BVerfG in E 6, 32 (42) trotz seiner Formulierung „…trägt also der grundsätzlichen Freiheitsvermutung des Art. 2 Abs. 1 GG Rechnung“ für einen allgemeinen Auslegungsgrundsatz „in dubio pro libertate“ aussprechen wollte. Zu diesem sehr umstrittenen Grundsatz vgl. Stern, Staatsrecht Bd. III/2, S. 1652 ff. 82 So BVerfGE 6, 32 (36 ff.); 90, 145 (171); 91, 335 (338); 97, 332 (340); ); MD/Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 13 (Stand: EL 39, Juli 2001); Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 12; Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 3; Sachs/Murswiek, Art. 2, Rn. 42, 51; Erichsen, in: Hdb. Staatsrecht VI, § 152, Rn. 12 ff.; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 2, Rn. 8 f.; Dreier, in: Dreier I, Art. 2, Rn. 27 f.; Kannengießer, in: SchmidtBleibtreu/Klein, Art. 2, Rn. 1, 3; Degenhart, JuS 1990, 161 (164); Scholz, AöR 100 (1975), 80 (86 f.). 76
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bb) Die verfassungsmäßige Ordnung als Schranke der allgemeinen Handlungsfreiheit Die hiernach auf Tatbestandsebene umfassend eingeräumte Freiheit bedarf jedoch weit reichender Einschränkungsmöglichkeiten, andernfalls ergibt sich ein grundrechtssystematischer Widerspruch zu den speziellen Freiheitsrechten. Dies bedeutet insbesondere, dass eine begriffliche Kongruenz der „verfassungsmäßigen Ordnung“ im Sinne des Art. 2 Abs. 1 GG zu diesem auch an anderer Stelle des Grundgesetzes verwendeten Begriff – insbesondere in Art. 9 Abs. 2 GG – nicht gegeben sein kann. Ein ebenso enges Verständnis wie dort, bezogen allein auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung, würde dazu führen, dass Art. 2 Abs. 1 GG eine geradezu überragende, die übrigen Freiheitsrechte in ihrer Bedeutung verdrängende Stellung zukäme. Das Auffanggrundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG83 würde wesentlich weitergehende Freiheiten vermitteln, als die übrigen Freiheitsrechte zu leisten im Stande sind. Letztere sind bereits ihrem Schutzbereich nach auf bestimmte Verhaltensweisen begrenzt und stehen zum großen Teil unter Gesetzesvorbehalt, der eine sehr viel stärkere Einschränkung ermöglicht.84 Es leuchtet zudem ein, dass nicht jede menschliche Betätigung schon deshalb vorbehaltlos garantiert werden kann, weil sie den Bestand der freiheitlich-demokratischen Grundordnung unberührt lässt.85 Nach zutreffendem Verständnis steht die allgemeine Handlungsfreiheit daher unter dem Schrankenvorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung, „zu der alle formell und materiell verfassungsmäßigen Gesetze gehören.“86 Daneben erlaubt die Schrankentrias des Art. 2 Abs. 1 GG eine Beschränkung der allgemeinen Handlungsfreiheit auch für den Fall der Verletzung von Rechten Dritter bei der Grundrechtsbetätigung. „Rechte anderer“ stellen dabei auch die Grundrechte und grundrechtsgleichen Rechte anderer Grundrechtsträger dar87, soweit diese mittelbar über die Generalklauseln des Privatrechts in der Lage sind, auf das Rechtsverhältnis zwischen Privaten Einfluss zu nehmen. Der Ausgleich des hinter Ausländerklauseln stehenden Spannungsverhältnisses 83
So die ganz überwiegende Meinung, vgl. BVerfGE 6, 32 (37); 21, 227 (234); 67, 157 (171); 77, 84 (118); MD/Di Fabio, Art. 2 Abs. 1, Rn. 21 (Stand: EL 39, Juli 2001); Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 2, Rn. 1; Sachs/Murswiek, Art. 2, Rn. 10, 66; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 12; Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 3. 84 Vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 22; ähnlich Degenhart, JuS 1990, 161 (164). 85 Vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 22. 86 Vgl. BVerfGE 96, 10 (21); 90, 145 (172); 80, 137 (153); Dreier, in: Dreier, I, Art. 2, Rn. 55; Jarass/Pieroth, Art. 2, Rn. 17; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 22; Sachs/Murswiek, Art. 2, Rn. 42; Degenhart, JuS 1990, 161 (164). 87 Vgl. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 2, Rn. 20; Hillgruber, in: Umbach/Clemens, Art. 2, Rn. 207.
2. Europarechtliche Vorgaben
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zwischen den beiden grundrechtlich geschützten Positionen – autonome Rechtsetzungsbefugnis des Verbandes aus Art. 9 Abs. 1 GG einerseits und Handlungsfreiheit des Sportlers aus Art. 2 Abs. 1 GG andererseits – erfolgt dabei im Wege praktischer Konkordanz.
2. Europarechtliche Vorgaben Soweit hiernach die Schutzbereiche der Ausländergrundrechte im nationalen Recht abgesteckt sind, richtet sich der Blick auf bestehende supranationale Regelungen und deren Gewährleistungen in Bezug auf Grundfreiheiten und Diskriminierungsverbote.
a) Vorbemerkung Die Vielzahl bestehender internationaler Abkommen und deren unterschiedliche Zielsetzung und Ausgestaltung verlangt eine differenzierte Darstellung des jeweiligen Regelungsgehaltes und Anwendungsbereiches. Infolge dieser inhaltlichen Vielfalt ergibt sich auf europäischer Ebene ein unterschiedliches Niveau persönlicher Freiheiten in Abhängigkeit von der jeweiligen Staatsangehörigkeit des ausländischen Sportlers. Die Gewährleistungen der einzelnen Abkommen in Bezug auf die von Ausländerklauseln betroffenen Sportler gilt es nachfolgend aufzuzeigen.
b) Diskriminierungsverbot und Grundfreiheiten innerhalb der Europäischen Union Mit Unterzeichnung der Römischen Verträge im Jahre 1957 legten die beteiligten Gründungsmitglieder der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande – den Grundstein für die wirtschaftliche Einheit Europas. Die Zielsetzung eines ökonomisch motivierten Einigungsprozesses findet bereits in der Präambel zum Gründungsvertrag der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft deutlichen Ausdruck.88 In der Erkenntnis, dass die Gewährleistung einer „beständigen Wirtschaftsausweitung, eines ausgewogenen Handelsverkehrs und eines redlichen Wettbewerbes“ die einverständliche Beseitigung bestehender Hindernisse erfordert, kamen die Gründungsmitglieder darin überein, stufen88
Vgl. BGBl. 1957 II, 766 (770).
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weise die Beseitigung bestehender zwischenstaatlicher Handelshemmnisse voranzutreiben. Dieser Intention entsprechend findet sich in Art. 2 EGV die eindeutig von wirtschaftlichen Erwägungen dominierte Definition der Gemeinschaftsaufgaben, an der auch nach der letzten Vertragsrevision von Nizza im Jahre 200189 – die vorwiegend institutionelle Veränderungen betraf90 und den Vertrag auf den nunmehr aktuellen Stand bringt – unverändert festgehalten wird.91
aa) Anwendungsbereich des EGV Vor diesem Hintergrund stellt sich zunächst die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit EG-rechtlicher Vorschriften auf Sachverhalte, die – was zweifellos auch für den reinen Freizeitsport zutrifft – keine ökonomische Relevanz aufweisen.
(1) Die primär wirtschaftliche Zielsetzung des Gemeinschaftsrechts nach Art. 2 EGV In der Zielsetzung gemeinschaftlicher Aufgaben nennt Art. 2 EGV an erster Stelle die harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft. Die herausgehobene Stellung verdeutlicht sogleich die Wichtigkeit dieses Vertragszieles und legt – wie von der ganz überwiegenden Meinung zu Recht angenommen wird92 – ein weites Begriffsverständnis des Wirtschaftslebens nahe. In konsequenter Fortsetzung seiner Rechtsprechung aus dem Bereich des Sportrechts in den Fällen Walrave93, Donà94, Bosman95 und Deliège96 ging der EuGH daher auch im Fall Lehtonen97 davon aus, dass die 89
Vgl. BGBl. 2001 II, 1667, ABl. 2001 Nr. C 80, 1. Die konsolidierte Fassung von EUV und EGV in der Form von Nizza findet sich abgedruckt in ABl. 2002, Nr. C 325, 1. 90 Vgl. hierzu Bieber, in: EU – Europarecht und Politik, § 1, Rn. 27; Borchardt, S. 12. 91 Vgl. Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 2, Rn. 1, 30. 92 Vgl. v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 2, Rn. 19 (Stand: EL 15, Januar 2000); Ukrow, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 2, Rn. 13 mwN.; Zuleeg, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 2, Rn. 9 mwN. 93 Vgl. EuGH, Urteil vom 12.12.1974 (Rs. 36/74), Slg. 1974, 1405 (1418). 94 Vgl. EuGH, Urteil vom 14.07.1976 (Rs. 13/76), Slg. 1976, 1333 (1340). 95 Vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5063).
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„Ausübung von Sport insoweit unter das Gemeinschaftsrecht fällt, als sie zum Wirtschaftsleben im Sinne von Art. 2 EG-Vertrag gehört.“
Vordergründig legt diese Formulierung die Annahme nahe, der Bereich des Freizeitsportes werde nicht vom Gemeinschaftsrecht erfasst, denn es kann mit Blick auf die Abgrenzung des Untersuchungsgegenstandes kein Zweifel daran bestehen, dass eine wirtschaftliche Bedeutung in diesem Bereich nicht gegeben ist. Bei isolierter Betrachtung fällt der Freizeitsport – in Anbetracht der primären wirtschaftlichen Zielsetzung des EG-Vertrages auch folgerichtig – aus dem Anwendungsbereich des EGV heraus. Sich mit diesem Ergebnis zu begnügen und die Diskussion an dieser Stelle zu beenden, erscheint jedoch voreilig: Zum einen deshalb, weil sich die sportliche Freizeitbetätigung als ebenfalls vom Gemeinschaftsrecht erfasster Annex zur Arbeitnehmer- bzw. Dienstleistungsfreizügigkeit darstellen könnte und zum anderen mit Blick auf die Frage, ob die Formulierung des EuGH in den vorab bezeichneten Entscheidungen zwingend einen Umkehrschluss dergestalt zulässt, dass Regelungen im Bereich des Sports jedenfalls dann nicht an gemeinschaftsrechtlichen Maßstäben zu messen sind, wenn sie keinen Teil des Wirtschaftsleben ausmachen. Allerdings wird man bereits vorab konstatieren müssen, dass sich der bisherigen Rechtsprechung aus dem Bereich des Sports kaum eine endgültige Aussage des EuGH zur Anwendbarkeit des EG-Vertrages auf den Freizeitsport entnehmen lässt, da bisher sämtliche an Verfahren vor dem EuGH beteiligten Sportler zumindest aus Sponsoringverträgen finanzielle Zuwendungen erhielten98, die es ihnen ermöglichten, sich ganz auf die Erbringung sportlicher Höchstleistungen zu konzentrieren. In den vom Gerichtshof entschiedenen Fällen wurde Sport daher zumindest halbprofessionell, nie jedoch als reine Freizeitbeschäftigung betrieben.
(2) Freizeitsport als Annex der Personenverkehrsfreiheiten Sofern Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Inland weisungsgebundene Tätigkeiten gegen Entgelt verrichten oder selbständige Dienstleistungen zu Erwerbszwecken erbringen, unterliegen sie hierbei – grundsätzlich unabhängig vom jeweiligen Berufsbild – dem besonderen Schutz vor Diskriminierungen nach Art.39 und 49 EGV. Sind diese Tätigkeiten demnach wirtschaftlich ausgerichtet und folglich in den Aufgabenbereich der Gemeinschaft 96 Vgl. EuGH, Urteil vom 11.04.2000 (Rs. C-51/96 und C-191/97), Slg. 2000, I-2549 (2612). 97 Vgl. EuGH, Urteil vom 13.04.2000 (Rs. C-176/96), Slg. 2000, I-2681 (2728). 98 So im Fall Deliège (Rs. C-51/96 und C-191/97), Slg. 2000, I-2549). Bei den übrigen Betroffenen handelte es sich ausnahmslos um Berufssportler.
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nach Art. 2 EGV einzubeziehen, so liegt die maßgebliche Bedeutung der Frage, ob die im Kern auf eine ungehinderte Berufausübung abzielenden Diskriminierungsverbote auch die Gleichberechtigung innerhalb der privaten Freizeitgestaltung fordern, nicht auf der Ebene des sachlichen Anwendungsbereiches des EGV, sondern stellt sich erst im Rahmen der Bestimmung von Reichweite und Grenzen der jeweils einschlägigen Grundfreiheit.
(a) Art. 2 EGV als besondere Tatbestandsvoraussetzung der Personenfreizügigkeit? Ob allerdings bereits aufgrund des entgeltlichen Charakters einer Tätigkeit zwingend auf deren Zugehörigkeit zum Wirtschaftsleben im Sinne des Art. 2 EGV geschlossen werden kann, erscheint vor dem Hintergrund zweier Entscheidungen der nationalen Rechtsprechung – deren Gegenstand allerdings keine Sachverhalte mit sportlichem Bezug waren – fraglich. Bereits im Jahre 1980 hatte das Bundesverwaltungsgericht über den Fall einer französischen Staatsangehörigen zu entscheiden, die im Inland der „Erwerbsunzucht“ nachging.99 Trotz entgeltlich ausgeübter Beschäftigung verweigerte das Gericht der Klägerin die begehrte Aufenthaltserlaubnis unter anderem mit der Begründung, die Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften komme deshalb nicht in Betracht, weil die „Erwerbsunzucht“ nicht Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Art. 2 EGV sei. In den Entscheidungsgründen stützt sich das Gericht ausdrücklich auf die Formulierung des EuGH in der Rechtssache Walrave100, nach der die Freizügigkeitsrechte nur für Betätigungen gelten, die „einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne des Art. 2 des Vertrages ausmachen.“101 Mag sich die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vor dem Hintergrund der damals ganz vorherrschenden Auffassung zur Sittenwidrigkeit der Prostitution als im Ergebnis nachvollziehbar darstellen, so wird der VGH Mannheim – ebenfalls unter Rückgriff auf die genannte Entscheidung des EuGH – in seiner Entscheidung vom 29.09.1981 schon deutlicher.102 Die Klägerin, eine britische Staatsangehörige, begehrte nach Ablegung der universitären Abschlussprüfung für das Lehramt an Gymnasien in den Hauptfächern Russisch und Englisch die Zulassung zum Vorbereitungsdienst. Das Gericht bestätigte die ablehnende Entscheidung der Verwaltungsbehörde und führte zur Begründung aus:
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Vgl. BVerwG, NJW 1981, 1168 ff. Vgl. EuGH, Urteil vom 12.12.1974 (Rs. 36/74), Slg. 1974, 1405 (1418). 101 Vgl. BVerwG, NJW 1981, 1168 (1169). 102 Vgl. NJW 1982, 543 ff. 100
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„Sie103 wird nicht allein deshalb vom Gemeinschaftsrecht erfasst, weil sie sich als entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung kennzeichnen lässt.“104
Im Übrigen – so das Gericht – sei die Frage der Zulassung ausländischer Mitbürger zum Vorbereitungsdienst für das Lehramt an deutschen Gymnasien maßgeblich von bildungspolitischen Erwägungen geleitet. Dieser Bereich gehöre nicht zum Marktgeschehen, wie von Art. 48 Abs. 4 EWGV (jetzt Art. 39 Abs. 4 EGV) belegt werde, der die Anwendung der Vorschriften zur Arbeitnehmerfreizügigkeit im Bereich der öffentlichen Verwaltung ausschließt. Ob dies zutrifft, mag damals noch umstritten gewesen sein und ist heute geklärt105, jedenfalls schloss das Gericht die Anwendung des EGV schon deshalb aus, weil es einen Bezug des Vorbereitungsdienstes zum Wirtschaftsleben im Sinne des Art. 2 EGV nicht für gegeben erachtete. Als Ergebnis einer genaueren Betrachtung dieser Entscheidungen lässt sich festhalten, dass beide Gerichte offensichtlich davon ausgingen, dass die entgeltliche Ausübung einer Tätigkeit nicht das allein ausschlaggebende Kriterium für die Anwendbarkeit gemeinschaftsrechtlicher Freizügigkeitsvorschriften bietet, sich die Tätigkeit darüber hinaus als vom Wirtschaftsleben nach Art. 2 EGV erfasster Teilbereich darzustellen habe. Letztlich bleiben aber beide Gerichte eine genaue Definition des „Wirtschaftslebens“ schuldig, stellen vielmehr auf allgemeine Erwägungen zur Intention bei Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ab. Ob sich der zitierten Rechtsprechung des EuGH die Aussage entnehmen lässt, die Anwendung der Mobilitätsgewährleistungen des EGV verlange ein „Mehr“ als das bloße Vorliegen einer entgeltlichen Beschäftigung, darf bezweifelt werden. Dem ebenfalls im Zeitpunkt beider Entscheidungen vorliegenden Urteil des EuGH im Fall Donà106 ließe sich ebenso gut auch das Gegenteil entnehmen.107 Der Gerichtshof führt dort aus: „…unterfallen sportliche Betätigungen insoweit dem Gemeinschaftsrecht, als sie einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Art. 2 des Vertrages ausmachen. Dies gilt für die Tätigkeit von Fußballprofis oder -halbprofis, da diese Tätigkeit eine entgeltliche Arbeits- oder Dienstleistung darstellt. Haben solche Spieler die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaates, so gelten für sie also in allen Mitgliedstaaten die ge-
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Gemeint ist die ausgeübte Beschäftigung. Vgl. NJW 1982, 543 (544). 105 Nach heute wohl einhelliger Auffassung unterliegt die Tätigkeit von Lehramtsreferendaren, aber auch von Lehrern nicht der Bereichsausnahme des Art. 39 Abs. 4 EGV, vgl. nur Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 39, Rn. 163. Kritisch gegenüber der hier angesprochenen Rechtsprechung des BVerwG und des VGH Mannheim bereits damals Steindorff, NJW 1982, 1902 (1903 f.). 106 Vgl. Fn. 94. 107 So auch Steindorff, NJW 1982, 1902 (1903). 104
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meinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Freizügigkeit und den freien Dienstleistungsverkehr108.“
Wendet man jedoch die Auffassung beider nationalen Gerichte auf die hier zu untersuchende Fallgestaltung an, so bedarf es neben den tatbestandlichen Voraussetzungen der Art. 39 bzw. 49 EGV auch einer genauen Einzelfallprüfung anhand des Art. 2 EGV, um festzustellen, ob auf das jeweilige Arbeitsbzw. Dienstverhältnis Gemeinschaftsrecht anwendbar ist. Eine Antwort auf die Frage, ob sich die Personenfreizügigkeit auch auf die bloße Freizeitaktivität erstreckt, hinge damit davon ab, ob sich die gegen Entgelt erbrachte hauptberufliche Tätigkeit als wesentlicher Teil des Wirtschaftslebens darstellt.
(b) Stellungnahme unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH Wie gezeigt, begegnet die von beiden nationalen Gerichten vertretene Auffassung – insbesondere unter Berücksichtigung der Formulierung des EuGH im Fall Donà – nicht unerheblichen Bedenken. Zusätzliche Zweifel ergeben sich bei näherer Betrachtung der Rechtsprechung des EuGH, soweit diese Sachverhalte betrifft, die bei Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses Betätigungen ohne wirtschaftlichen Bezug zum Gegenstand haben. So wurde der EuGH bereits im Jahre 1975 im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens vom VG Köln ersucht, über die Frage zu befinden, ob die Ausweisung eines Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates der EG durch die staatlichen Behörden eines anderen Mitgliedstaates aus Gründen der Abschreckung anderer Ausländer vor der Begehung ähnlicher Straftaten durch Art. 3 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 64/221109 ausgeschlossen wird.110 Der Kläger im Verfahren vor dem VG Köln, ein angestellter Chemiefacharbeiter italienischer Abstammung, hatte durch den fahrlässigen Umgang mit einer Schusswaffe seinen jüngeren Bruder getötet und sollte aus generalpräventiven Gründen aus dem Gebiet der BRD ausgewiesen werden. Obwohl die Frage der Zulässigkeit einer Ausweisung im Hinblick auf die angeführte Richtlinie keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Hintergrund erkennen lässt, hat der EuGH – unter Heran-
108 EuGH, Urteil vom 14.07.1976 (Rs. 13/76), Slg. 1976, 1333 (1340). Die Hervorhebung erfolgte durch den Verfasser. 109 Richtlinie des Rates (64/221/EWG) vom 25.02.1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind, ABl. 1964, Nr. 850, 64. 110 Vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.1975 (Rs. 67/74), Slg. 1975, 297 ff.
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ziehung des fundamentalen Grundsatzes der Freizügigkeit in der Gemeinschaft – eine Ausweisung aus generalpräventiven Gründen für unzulässig erachtet.111 Der EuGH machte seine Entscheidung weder von der Frage abhängig, ob sich die berufliche Tätigkeit des Klägers als wirtschaftlich besonders wesentlich darstellt, noch maß er dem Umstand Bedeutung bei, dass der der Vorlagefrage zugrunde liegende Sachverhalt letztlich keinen wirtschaftlichen Bezug aufweist.112 Allein das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses erscheint dem Gerichtshof offensichtlich ausreichend, um die vorgelegte Frage unter Hinweis auf die besondere Bedeutung der Freizügigkeit zu beantworten. Weiter ging der EuGH im Urteil vom 30.09.1975 in der Rechtssache Christini ./. SNCF113. Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob eine Ermäßigungskarte, die von der französischen Staatsbahn (SNCF) an kinderreiche Familien ausgegeben wird, eine soziale Vergünstigung im Sinne des Art. 7 der Verordnung Nr. 1612/68 des Rates vom 15.10.1968114 darstellt. Eine seit 9 Jahren in Frankreich lebende italienische Staatsangehörige beantragte für sich und ihre vier Kinder bei der französischen Staatsbahn eine solche Karte. Eine Arbeitnehmertätigkeit übte die Antragstellerin nicht aus. Ihr Mann – ebenfalls italienischer Staatsangehöriger – war 3 Jahre zuvor an den Folgen eines Arbeitsunfalls verstorben. Die französische Staatsbahn lehnte den Antrag auf Erteilung einer Ermäßigungskarte mit der Begründung ab, die Antragstellerin sei keine französische Staatsangehörige und erfülle damit nicht die Voraussetzungen nach Art. 44 des im Übrigen einschlägigen Gesetzes vom 22.03.1924. Obwohl die Klägerin keinem entgeltlichen Beschäftigungsverhältnis in Frankreich nachging, legte der Gerichtshof die auf Grundlage der Freizügigkeitsrechte des EGV erlassene Verordnung Nr. 1612/68 dahingehend aus, dass soziale Vergünstigungen in Form einer Ermäßigungskarte auch dann zu gewähren sind, „wenn diese Vergünstigung erst nach dem Tode des Arbeitnehmers zugunsten seiner im selben Mitgliedstaat verbliebenen Familie in Anspruch genommen wird.“115 Gemessen an den vom BVerwG und dem VGH Mannheim aufgestellten Grundsätzen zur Anwendung des Gemeinschaftsrechts käme eine solche Auslegung wohl nicht in Betracht. Ungeachtet des fehlenden Arbeitsverhältnisses stellt sich die Frage der Berechtigung zur Inanspruchnahme einer Ermäßigung für die französische Staatsbahn kaum als wesentlicher Teil des europäischen Wirtschaftslebens dar.
111
AaO., 297 (306 f.). So auch Klose, S. 104. 113 Vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.1975 (Rs. 32/75), Slg. 1975, 1085 ff. 114 Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15.10.1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. 1968, Nr. L 257, 2). 115 Vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.1975 (Rs. 32/75), Slg. 1975, 1085 (1096). 112
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Klarstellende Ausführungen in Bezug auf die hier angesprochene Problemlage enthält auch die Entscheidung des EuGH in der Sache Lawrie Blum.116 Die britische Staatsangehörige Deborah Lawrie Blum beabsichtigte nach Ablegung der universitären Abschlussprüfung für das Lehramt an Gymnasien an der Universität Freiburg in den Vorbereitungsdienst des Bundeslandes BadenWürttemberg einzutreten, um die Befähigung für die Laufbahn des höheren Schuldienstes an Gymnasien zu erwerben. Das Land Baden Württemberg verweigerte ihr die Zulassung unter Hinweis auf die für eine Beamtenlaufbahn erforderliche deutsche Staatsangehörigkeit. Dem Einwand, die Beschäftigung im Vorbereitungsdienst unterliege nicht dem Gemeinschaftsrecht, da sie nicht wirtschaftlicher Natur sei, trat der EuGH unter Hinweis auf seine Entscheidung in Sachen Walrave entgegen: „Es lässt sich auch nicht einwenden, die im Rahmen des Schulwesens erbrachten Leistungen fielen nicht in den Geltungsbereich des EWG-Vertrages, da sie nicht wirtschaftlicher Natur seien. Für die Anwendung des Artikels 48 ist nämlich nur erforderlich, dass die Tätigkeit den Charakter einer entgeltlichen Arbeitsleistung hat, unabhängig davon, in welchem Bereich sie erbracht wird…“117
Der EuGH macht hiermit deutlich, dass ihm bei Formulierung der Entscheidungsgründe in Sachen Walrave nicht daran gelegen war, die Anwendung der Freizügigkeitsrechte von einer besonderen Bedeutung der entgeltlich erbrachten Tätigkeit für die von Art. 2 EGV formulierten Vertragsziele abhängig zu machen.118 Zugleich wird klar, dass die Auffassung des VGH Mannheim119 auf einem Missverständnis der Gerichtshofentscheidung in Sachen Walrave beruht, denn beiden Entscheidungen lag der gleiche Verfahrensgegenstand zugrunde. Die Entscheidung des EuGH in Sachen Lawrie Blum stellt lediglich die Fortsetzung des vor dem VGH Mannheim geführten Rechtsstreites dar, da die Klägerin ihr Begehren vor dem Bundesverwaltungsgericht weiterverfolgte und sich dieses veranlasst sah, die Sache dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen. Sprechen die beispielhaft angeführten Entscheidungen des EuGH demnach deutlich dafür, dass auch wirtschaftlich völlig untergeordnete Sachverhalte an den Maßstäben gemeinschaftsrechtlicher Freizügigkeitsstandards zu messen sind, so kann der wiederkehrende Hinweis des EuGH auf Art. 2 EGV nur so verstanden werden, dass sich jedes Arbeits- oder Dienstverhältnis bereits aufgrund seines entgeltlichen Charakters als Teil des Wirtschaftslebens darstellt.120 116
Vgl. EuGH, Urteil vom 03.07.1986 (Rs. 66/85), Slg. 1986, 2121 ff. Vgl. EuGH, Urteil vom 03.07.1986 (Rs. 66/85), Slg. 1986, 2121 (2145). Die Hervorhebung erfolgte durch den Verfasser. 118 So auch Schroeder, S. 39. 119 Siehe oben, (a), Fn. 102. 120 So auch Steindorff, NJW 1982, 1902 (1903); Schroeder, S. 39. 117
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Art. 2 EGV erfüllt nicht die Aufgabe eines Korrektivs, um ökonomisch weniger relevante Sachverhalte aus dem Gemeinschaftsrecht auszuscheiden. Sind die Mobilitätsgewährleistungen des EGV daher grundsätzlich auf jedes entgeltliche Beschäftigungsverhältnis anwendbar, so bestimmen zunächst allein die tatbestandlichen Grenzen der Grundfreiheit selbst, ob die außerhalb des unmittelbaren Beschäftigungsverhältnisses ausgeübte Tätigkeit von deren Anwendungsbereich erfasst wird. Für den berufstätigen Freizeitsportler ergibt sich daraus, dass die sportliche Freizeitbetätigung dem Diskriminierungsverbot der Art. 39 und 49 EGV unterliegt, sofern der Schutzbereich der Grundfreiheit auch die ungehinderte Freizeitbeschäftigung im jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat gewährleistet.
(3) Generelle Bereichsausnahme „Sport“ Kommt daher die Anwendung gemeinschaftsrechtlicher Personenfreizügigkeiten auch auf sportliche Sachverhalte ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Bezug zumindest in Betracht, fragt sich ferner, ob die Besonderheiten des Sports dessen Einordnung in das Gemeinschaftsrecht überhaupt gestatten. Die Berechtigung dieser Frage wird klar, wenn man sich die unterschiedlichen Bedeutungen des Sports vor Augen führt und sie einer vergleichenden Betrachtung mit den Gemeinschaftsaufgaben unterzieht. Sport ist Zeitvertreib und Erwerbschance zugleich, Gemeinschaftserlebnis und Völkerverständigung, Körperertüchtigung und Unterhaltung.121 Sind bereits hiernach die Beweggründe des Einzelnen für eine sportliche Betätigung verschieden, so kommt häufig hinzu, dass mehrere dieser Motive kumulativ vorliegen. Der Berufsfußballspieler etwa hat nicht als solcher mit dem Fußballspielen begonnen und wird auch, nachdem sein Hobby zum Beruf geworden ist, den Sport als Spiel begreifen, selbst wenn dessen Umfeld nunmehr stark von wirtschaftlichen Erwägungen geprägt ist. Diese Umstände führen zu ganz erheblichen Problemen bei Beantwortung der Frage nach dem eigentlichen Wesen des Sports und erschweren die Greifbarkeit sportrechtlicher Fallgestaltungen für das Gemeinschaftsrecht. Es kann daher nicht verwundern, dass diese Abgrenzungsschwierigkeiten vielfach eine Grundlage für die Überlegung bilden, jede Form sportlicher Betätigung vom Anwendungsbereich des EG-Vertrages auszunehmen.122 Häufig basiert diese Auffassung auf der Annahme, dass Sport – unabhängig davon, ob er als Beruf oder lediglich in der Freizeit betrieben wird – am ehesten dem kulturellen 121
Vgl. Klose, S. 38 ff. mwN. Vgl. etwa Palme, JZ 1996, 238 (240); Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, 44 (44); Renz, in: Sportrecht in Europa, S. 191 (201); Kahlenberg, EWS 1994, 423 (426); für eine begrenzte Bereichsausnahme Schroeder, S. 40 f. 122
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Bereich zuzuordnen ist, die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf diesem Gebiet aber eher rudimentär ausgebildet sind.123 Diese erlauben der Gemeinschaft lediglich unterstützende Maßnahmen in kulturellen Angelegenheiten.124 Rechtsgestaltende Befugnisse verbleiben bei den Mitgliedstaaten und werden dort in der Regel von privatrechtlich organisierten Sportverbänden wahrgenommen. Darüber hinaus werde der Sport wesentlich durch das Wettkampfelement bestimmt, innerhalb dessen die Zielsetzung eines jeden Sportlers – unabhängig von materiellen Gesichtspunkten – der sportliche Sieg sei.125 Bereits der Versuch einer alleinigen Einordnung des Sports unter den Kulturbegriff im weiteren Sinne stößt auf Bedenken. Sport ist gerade nicht allein Kultur und Spiel, sondern erlangt eine wirtschaftliche Dimension, wenn er etwa den Lebensunterhalt des Sportlers sichert. Sich aus den vielfältigen Bedeutungen des Sports allein den kulturellen Aspekt herauszugreifen und diesen zum allein maßgeblichen Gesichtspunkt zu erheben, wird dem sportlichen Wesen nicht gerecht und geht an dessen wirtschaftlicher Entwicklung der letzten Jahrzehnte vorbei. Im Übrigen ließe sich ebenso stichhaltig umgekehrt argumentieren. Gerade weil sich die Stellung des Sports nicht allgemein fassen lässt und das Wesen des Sports nicht in allen Einzelheiten erklärbar und definierbar ist, kann er nicht einem herkömmlichen Gattungsbegriff zugeordnet werden, sondern ist in seiner jeweiligen konkreten Ausprägung zu erfassen und einzuordnen. Dies macht eine Bewertung im Einzelfall unumgänglich, die auch dazu führen kann, dass im Vordergrund der sportlichen Betätigung nicht kulturelle, sondern wirtschaftliche Aspekte stehen. Für eine solche Feststellung bietet jedoch die dogmatische Einordnung als Bereichsausnahme nicht die geeignete Plattform. Grundlage für die Anwendung des Gemeinschaftsrechts auf eine bestimmte sportliche Betätigung bilden allein die Tatbestandsmerkmale in Frage kommender Freizügigkeitsrechte und Diskriminierungsverbote.126 Weist die sportliche Darbietung im konkreten Einzelfall einen wirtschaftlichen Bezug auf, der eine Subsumtion unter den Arbeitnehmer- bzw. Dienstleistungsbegriff der Art. 39, 49 EGV erlaubt, so unterliegt auch der Sport dem Gemeinschaftsrecht. Die sportliche Motivation einer Regelung und deren Notwendigkeit können auf der Rechtfertigungsebene in ausreichendem Maß berücksichtigt werden. Diese Auffassung findet durchaus ihre Stütze in der Rechtsprechung des EuGH. Ordnet dieser gegen Entgelt erbrachte sportliche Leistungen dem Wirtschaftsleben im Sinne des Art. 2 EGV zu und begründet damit die Anwendbar123
Vgl. Palme, JZ 1996, 238 (239). Siehe hierzu näher unten, (4) (c). 125 Vgl. Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, 44 (44). 126 Zutreffend Krogmann, Grundrechte, S. 192; ders., Sport und Europarecht, S. 9. 124
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keit des Gemeinschaftsrechts, so wiederholt er letztlich nur, was sich bereits aus den Tatbestandsmerkmalen der Grundfreiheiten selbst ergibt, denn die Entgeltlichkeit der ausgeübten Tätigkeit ist Merkmal der Arbeits- und Dienstleistung im Sinne der Art. 39 und 49 EGV.127 Dass der EuGH seine Ausführungen auch so verstanden wissen will, machen die bereits zitierten Ausführungen in der Rechtssache Lawrie Blum128 deutlich, nach denen allein die Entgeltlichkeit der Tätigkeit und damit ein Tatbestandsmerkmal über die Anwendung des EGVertrages entscheidet. Auch weitere, vom Gerichtshof wiederkehrend verwendete Formulierungen zwingen nicht zu der Annahme, der EuGH habe sich für eine zumindest begrenzte Bereichsausnahme ausgesprochen. Stehen, wie etwa seit dem Donà-Urteil vom Gerichtshof immer wieder ausgeführt wird, die Freizügigkeitsvorschriften des EGV „einer Regelung oder Praxis nicht entgegen, welche die ausländischen Spieler von der Mitwirkung bei bestimmten Begegnungen aus nichtwirtschaftlichen Gründen ausschließt, die mit dem besonderen Rahmen dieser Begegnungen zusammenhängen und deshalb ausschließlich den Sport als solchen betreffen, wie dies zum Beispiel bei Begegnungen zwischen Nationalmannschaften verschiedener Länder der Fall“129
ist, so begründet dies keine – auch nicht eine auf Nationalmannschaften begrenzte – Bereichsausnahme. Letzteres ergibt sich schon daraus, dass der Gerichtshof die Bildung von Nationalmannschaften lediglich beispielhaft für eine zulässige Diskriminierung aus rein sportlichen Motiven anführt.130 Formuliert der EuGH im Anschluss weiter, dass eine „Beschränkung des Geltungsbereiches der fraglichen Vertragsartikel indessen nicht weiter gehen darf, als ihr Zweck dies erfordert“131,
so könnte man daraus zwar schließen, dass in Fällen sportlich motivierter Regelungen die Anwendung vertraglicher Diskriminierungsverbote von vornherein nicht in Betracht kommt132; im zeitlich nachfolgenden Bosman-Urteil
127
Vgl. Krogmann, Grundrechte, S. 193, Fn. 749; Röthel, EuZW 2000, 379 (379). Vgl. oben, Fn. 117. 129 Vgl. EuGH, Urteil vom 14.07.1976 (Rs. 13/76), Slg. 1976, 1333 (1340). 130 Ebd. Nach den Ausführungen des EuGH in der Sache Deliège erfolgt auch die von Sportverbänden vorgenommene Mitgliederauswahl für die Teilnahme an hochrangigen internationalen Wettkämpfen aus sportlichen Gründen und verstößt nicht gegen Art. 49 EGV. Vgl. EuGH, Urteil vom 11.04.2000 (Rs. C-51/96 und C-191/97), Slg. 2000, I-2549 (2618). Allein sportlich motiviert sind nach Auffassung des Gerichts erster Instanz auch die reinen Spielregeln, d. h. diejenigen Bestimmungen, die den konkreten Spielablauf, etwa die Dauer des Spiels, regeln. Vgl. Urteil vom 30.09.2004 (Rs. T-313/02), SpuRt 2005, 20 (21). 131 Ebd. Hervorhebung durch Verfasser. 132 Diese Auslegungsmöglichkeit zeigt Heidersdorf, S. 57 auf. 128
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stellt der EuGH indes heraus, dass diese Beschränkung des Geltungsbereiches jedenfalls „nicht herangezogen werden kann, um eine sportliche Tätigkeit im ganzen vom Geltungsbereich des Vertrages auszuschließen133.“
Damit wird deutlich, dass eine Diskriminierung nicht schon dann vom Anwendungsbereich des EGV ausgenommen ist, wenn sie auch auf sportlichen Erwägungen beruht.134 Dass der EuGH, zumindest in diesem Fall, eher gegen die Annahme einer Bereichsausnahme tendiert, lässt zudem ein Blick auf den systematischen Aufbau und die Prüfungsreihenfolge in der Rechtssache Bosman vermuten. Sportliche Motive werden von ihm nicht im Rahmen des Anwendungsbereiches von Art. 39 EGV geprüft, sondern nachfolgend unter der Überschrift „Zum Vorliegen von Rechtfertigungsgründen“.135 Insgesamt bleiben derartige Wortlautdeutungen sicherlich spekulativ und geben nicht mit letzter Sicherheit Aufschluss über die Auffassung des Gerichtshofes. Eine Klärung dieser Frage wäre sicherlich wünschenswert, zumal sich in der Entscheidung Donà nachfolgenden Urteilen mehrfach die Gelegenheit zur Stellungnahme bot136, für das Gericht erster Instanz etwa zuletzt im Urteil vom 30.09.2004 in der Rechtssache T-313/02137. Gegenstand dieses Verfahrens waren die vom internationalen Schwimmverband FINA gegen die beiden Langstreckenschwimmer David Meca-Medina und Igor Majcen verhängten Sperren infolge eines Dopingverstoßes dieser Athleten bei den Weltmeisterschaften. Hiergegen beschwerten sich beide Sportler zunächst bei der Europäischen Kommission und erhoben nach Zurückweisung der Beschwerde Nichtigkeitsklage zum EuG. Das Gericht führte aus, dass Dopingverbote als besonderer Ausdruck des Fairplay-Gebotes zur obersten Regel des sportlichen Spiels zählen und sich daraus ergibt, dass derartige Regelungen nicht in „in den Geltungsbereich der Bestimmungen des Vertrages über die wirtschaftlichen Freiheiten, insbesondere der Artikel 49 EG, 81 EG und 82 EG, fallen.“138
Zudem hätten die Kläger in keiner Weise vorgetragen, dass die streitige Anti-Doping-Regelung einen diskriminierenden Zweck verfolge. „Im Falle einer derartigen Diskriminierung entfiele (allerdings) offenkundig für die betreffende Regelung die vom Gerichtshof bei rein sportlichen Regelwerken (Urteil 133
Vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5064). So zutreffend Hobe/Tietje, JuS 1996, 486 (488). 135 Vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5074). 136 So auch Heidersdorf, S. 59, Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (93). 137 Vgl. SpuRt 2005, 20 ff. 138 AaO., 20 (21). 134
2. Europarechtliche Vorgaben
105
Walrave, RandNr. 9) anerkannte Beschränkung des Geltungsbereichs der Vertragsbestimmungen über die wirtschaftlichen Freiheiten. … Eine solche Regelung fiele also nicht aus dem Geltungsbereich der Vertragsbestimmungen heraus, und diese könnten verletzt sein ...“139
Dieses Argumentationsmuster stützt wohl eher die Annahme einer Bereichsausnahme für rein sportliche Regelungen. Demnach wäre die streitige Regelung im Rahmen einer Vorprüfung zu den Grundfreiheiten auf ihre ausschließliche sportliche Zielrichtung zu untersuchen. Die Bedenken hiergegen liegen auf der Hand. Die Ausführungen des EuG selbst liefern hierfür die Grundlage. So ist die Annahme des Gerichts, die Regelungen zur Dopingbekämpfung unterfielen nicht den Grundfreiheiten, da das Dopingverbot auf rein sportlichen Gründen beruhe und nichts mit wirtschaftlichen Erwägungen zu tun habe, höchst zweifelhaft. Dies mag bei abstrakter Betrachtung für das Verbot der Einnahme leistungssteigernder Substanzen zutreffen, gilt jedoch offenkundig nicht mehr für die sich aus einem Verstoß hiergegen ergebenden Konsequenzen. Es besteht kein Zweifel daran, dass eine mehrjährige Wettkampfsperre die wirtschaftliche Freiheit des Berufssportlers berührt. Dieser ist schlicht daran gehindert, seine sportliche Leistung während dieses Zeitraumes gegen Entgelt anzubieten.140 Das Gericht erster Instanz qualifiziert die Dopingbestimmungen jedoch pauschal als rein sportlich motivierte Regelungen, was angesichts der Bedeutung einer Sperre für den Sportler nicht überzeugen kann. So hätte mit einem Hinweis hierauf unkompliziert festgestellt werden können, dass die verhängte Dopingsperre die Dienstleistungsfreiheit der betroffenen Sportler beschränkt.141 Im Rahmen der danach vorzunehmenden Rechtfertigungsprüfung wäre es ebenso unproblematisch möglich gewesen, einen verhältnismäßigen Eingriff in 139 AaO., 20 (22). Hervorhebungen durch den Verfasser. Beide Sportler haben gegen die Entscheidung des Gerichtes erster Instanz Rechtsmittel zum EuGH eingelegt (Rs. C519/04 P). Die Klage und der Schlussantrag des Generalanwaltes Philippe Léger vom 23.03.2006 sind abrufbar unter http://curia.eu.int/jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de. 140 So völlig zutreffend Schroeder, SpuRt 2005, 23 (23 f.), Weatherill, ISLJ 2005, 3 (5). 141 Der Hinweis auf die fehlende diskriminierende Wirkung der Dopingregelungen greift zu kurz, da nach dem eigenen Verständnis des Gerichtshofes die Grundfreiheiten nicht lediglich als Diskriminierungsverbote zu verstehen sind, sondern zugleich Beschränkungsverbote beinhalten und damit auch Regelungen entgegenstehen, die zwar für Inländer und Unionsbürger gleichermaßen gelten, jedoch die Freizügigkeit einschränken. Vgl. für die Dienstleistungsfreiheit die Urteile vom 25.07.1991 (Rs. C76/90), Slg. 1991, I-4221 (4243) und vom 29.11.2001 (Rs. C-17/00), Slg. 2001, I-9445 (9499) sowie für die Arbeitnehmerfreizügigkeit die Urteile vom 15.12.1995 (Rs. C415/93), Slg. 1995, I-4921 (5069) und vom 27.01.2000 (Rs. C-190/98), Slg. 2000, I-493 (523).
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
die betroffene Grundfreiheit festzustellen. Das Gericht scheut allerdings die Fragen der Rechtfertigung, sondern behilft sich mit einer misslungenen, weil in dieser Allgemeinheit unzutreffenden Abgrenzung von sportlichen und wirtschaftlichen Motiven der streitigen Regelungen. Der Versuch des EuG macht die mit einer Bereichsausnahme verbundenen Schwierigkeiten deutlich. Die Regelungen der Sportverbände mögen auf sportlichen Gründen beruhen, wirken sich jedoch zumeist auch wirtschaftlich aus.142 Eine klare und stringente Einordnung einer Norm als ausschließlich sportliche wird daher, wie das vorstehende Beispiel zeigt, überwiegend nicht gelingen. Nicht zuletzt deshalb sprechen die besseren Argumente gegen die Annahme einer Bereichsausnahme für Regelungen aus dem Bereich des Sports. Den sportlichen bzw. wirtschaftlichen Erwägungen kann auf der Rechtfertigungsebene in hinreichendem Umfang Rechnung getragen werden, ohne dass es darauf ankommt, ob eine Regelung ausschließlich sportlich motiviert ist. Auch das Vorliegen eines wirtschaftlichen Bezuges steht einer Rechtfertigung nicht zwingend entgegen. So stellt es auch nur vordergründig einen Widerspruch dar, wenn der EuGH Ausländerbeschränkungen in Nationalmannschaften für zulässig erachtet und hierzu ausführt, dass wirtschaftliche Gründe bei der Berufung auf Ausnahmen keine Rolle spielen dürften, für den Sportler jedoch auch bei der Teilnahme an Nationalmannschaftsspielen erhebliche Verdienstmöglichkeiten bestehen, von denen EU-Ausländer ausgeschlossen werden.143 Die Zielsetzung bei der Austragung von Nationalmannschaftswettkämpfen beruht nicht auf der Überlegung, etwa den französischen Fußballspieler von den Verdienstmöglichkeiten in der deutschen Nationalmannschaft auszuschließen, sondern ist evident sportlicher Natur. Wirtschaftliche Aspekte sind insoweit lediglich Begleiterscheinungen. Es liegt klar auf der Hand, dass die Ermittlung des Europameisters der Nationalmannschaften bedingt, dass nur diejenigen Sportler für ein teilnehmendes Land startberechtigt sind, die auch über die entsprechende Staatsangehörigkeit verfügen.144 Es ist allerdings theoretisch ebenso möglich, einen europäischen Mannschaftsmeister unter anderen Gesichtspunkten zu ermitteln. Nichts anderes geschieht auf nationaler Ebene. Nach dem bisherigen Austragungsmodus des DFB für die 1. Fußball-Bundesliga setzt die Ermittlung des Deutschen Fußballmeisters nicht voraus, dass die Spieler der teilnehmenden Mannschaften die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und etwa zusätzlich ausschließlich für einen Verein ihres Geburtsortes spielberechtigt wären. Die Austragung einer Deutschen Meisterschaft nach diesem Muster wäre eben142
So auch Weatherill, ISLJ 2005, 3 (4). Vgl. zu diesem Argument Palme, JZ 1996, 238 (239); Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (93, Fn. 36). 144 Auf den besonderen Reiz von Nationalmannschafswettkämpfen weist Marticke, in: Sport und Recht in Europa, S. 53 (59) hin. 143
2. Europarechtliche Vorgaben
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so denkbar und würde neben dem Ausschluss von Ausländern gleichermaßen eine zulässige Inländerdiskriminierung beinhalten.145 Entscheidend kommt es darauf an, nach welchen Kriterien eine Meisterschaft ausgerichtet und das sportlich beste Team ermittelt werden soll. Ist nach diesem System denknotwendig eine Beteiligung von Ausländern ausgeschlossen, weil sich deren Teilnahme gegenläufig zum gewählten Austragungsmodus verhalten würde, liegt ein rein sportlich motivierter Ausschluss vor. An der Zulässigkeit einer hiermit verbundenen Diskriminierung dürften keine Zweifel bestehen, da die sportliche Zielsetzung gerade den Ausschluss bestimmter Personengruppen notwendig macht. Ähnliche Austragungsmodi existieren bereits und sind hinlänglich bekannt. Zu denken ist etwa an die seit Jahren im Tennissport anzutreffende Unterscheidung zwischen nationaler und internationaler deutscher Meisterschaft. Die nationale Deutsche Meisterschaft dient ausschließlich der Ermittlung des besten Spielers mit deutscher Staatsangehörigkeit und lässt daher nur die Teilnahme deutscher Spieler zu. Vergleichbares gilt im unterklassigen Freizeitsport. Bei Austragung von Kreismeisterschaften sind allein Spieler kreisangehöriger Vereine spielberechtigt. Das Problem der Sportverbände liegt letztlich darin, dass sie sich in ihren Meisterschaftsmodi für eine grundsätzliche Zulässigkeit des Einsatzes von Ausländern entschieden haben, eine zahlenmäßige Begrenzung allerdings keine klare sportliche Notwendigkeit mehr erkennen lässt. Beruhen die Regelungen der Verbände damit auch, aber nicht ausschließlich auf sportlichen Gründen, so besteht kein Anlass, wirtschaftliche und andere Auswirkungen per se unberücksichtigt zu lassen. Eine Bereichsausnahme ist letztlich nicht notwendig, da der Anwendungsbereich des EGV durch die Tatbestandsmerkmale der Freizügigkeitsrechte und Diskriminierungsverbote hinreichend abgesteckt ist und auf Rechtfertigungsebene sportlich motivierten Regelungen im Einzelfall, trotz Vorliegen eines wirtschaftlichen Aspektes, Geltung verschafft werden kann. So wäre den rein sportlichen Gründen einer Regelung, nach vorstehend aufgezeigtem Muster, auch bei Abwägung mit dem Interesse des Ausländers an einer Wettkampfteilnahme uneingeschränkt der Vorzug zu geben. Mit der Annahme einer generellen Bereichsausnahme werden allerdings einseitig die sportlichen Teilaspekte einer Regelung in den Vordergrund gestellt, da diesen per se der Vorrang eingeräumt wird. Im Bereich des Gemeinschaftsrechts würde damit allein die Verfolgung eines irgendwie gearteten sportlichen Zweckes das zur Verwirklichung ergriffene Mittel rechtfertigen. Nicht zuletzt sind Bereichsausnahmen als Ausnahmen von den Grundfreiheiten eng auszulegen und nur dort anzunehmen, wo es ihrer tatsächlich bedarf.146 Ei145 146
So zutreffend Karpenstein, in: Sportrecht in Europa, S. 171 (181 f.). Vgl. Streinz, SpuRt 1998, 1 (3).
108
II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
ne generelle Bereichsausnahme für den Lebensbereich Sport ist aus vorgenannten Gründen allerdings abzulehnen.147
(4) Ausländische Freizeitsportler ohne entgeltliches Beschäftigungsverhältnis Deutlich einfacher scheint eine Antwort auf die Frage, ob vom Anwendungsbereich des EGV auch diejenigen ausländischen Mitbürger erfasst werden, die sich in Deutschland aufhalten, aber keiner selbständigen oder weisungsgebundenen entgeltlichen Tätigkeit nachgehen und sich zudem nicht auf Arbeitssuche befinden. Zu denken ist etwa an Studenten, Auszubildende, Rentner oder beschäftigungslose Familienangehörige. Diesen Personengruppen fehlt bereits ein entgeltlich ausgeübtes Beschäftigungsverhältnis, so dass der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten aus Art. 39 bzw. 49 EGV mangels Vorliegens dieser essentiellen Tatbestandsvoraussetzung in Frage steht.148 Gleichwohl ist damit im Ergebnis noch keine endgültige Aussage zur Anwendbarkeit anderer Vorschriften des EGV – etwa des allgemeinen Diskriminierungsverbots nach Art. 12 Abs. 1 – auf rein nichtwirtschaftliche Sachverhalte aus dem Bereich des Sports getroffen. Aufgeworfen ist zugleich die grundsätzliche Frage, ob sich die Regelungsbefugnisse der Gemeinschaft auch auf Fallgestaltungen jenseits jeder ökonomischen Bedeutung erstrecken.
147 So auch Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 39-55, Rn. 46 f. (Stand: EL 18, Mai 2001); Streinz, SpuRt 1998, 1 (5 f.); ders, in: Sport im Schnittfeld, S. 27 (36 ff.); Hilf, NJW 1984, 517 (520); Plath, S. 76; Fischer, SpuRt 1996, 34 (34); Röthel, EuZW 2000, 379 (379); Zinger, S. 128; Schroeder, S. 35 ff.; Schweitzer, in: Einbindung des Sportrechts, S. 71 (75); Krogmann, Grundrechte, S. 192; ders., Sport und Europarecht, S. 9; Marticke, in: Sport und Recht in Europa, S. 53 (59); a. A. Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, 44 (44); Palme, JZ 1996, 238 (239 f.). 148 Es ist zu berücksichtigen, dass zugunsten dieser Personengruppen eine Reihe von sekundärrechtlichen Vorschriften existieren, aus denen sich Mobilitätsgewährleistungen ergeben. So können beschäftigungslose Familienangehörige eines Wanderarbeitnehmers Rechte aus der VO 1612/68 herleiten und befinden sich insoweit im Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Vgl. etwa auch die Richtlinien des Rates vom 28.06.1990 (90/364/EWG) über das Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen (ABl. 1990, Nr. L 180, 26), (90/365/EWG) über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbstständig Erwerbstätigen (ABl. 1990, Nr. L 180, 28) und vom 29.10.1993 (93/96/EWG) über das Aufenthaltsrecht von Studenten (ABl. 1993, Nr. L 317, 59). Diese Richtlinien werden zum 30.04.2006 durch die Richtlinie 2004/38/EG, ABl. 2004, Nr. L 157, 77, ersetzt, die zugleich die VO 1612/68 modifiziert. Eine genauere Untersuchung dieser Vorschriften ist an dieser Stelle jedoch nicht möglich. Insoweit sei etwa auf die Darstellung von Hailbronner, JuS 1991, 9 ff., verwiesen, der sich ausführlich mit Fragen der Freizügigkeit für Studenten und Auszubildende befasst.
2. Europarechtliche Vorgaben
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(a) Freizeitsport im Anwendungsbereich des EGV – zu den Auffassungen des Gerichtshofes und der Europäischen Kommission Der EuGH hat sich für den Bereich des Freizeitsports zu diesem Problemkreis noch nicht positioniert. Zwar lässt die Formulierung im Urteil zum Fall Walrave aus dem Jahre 1974 darauf schließen, dass der Gerichtshof Gemeinschaftsregeln in sportbezogenen Fallgestaltungen nur dann anwenden will, wenn die sportliche Betätigung zum Wirtschaftsleben im Sinne des Art. 2 EGV gehört, wofür zumindest die eindeutige Wortwahl in dieser Entscheidung spricht. Der EuGH formulierte damals: „….unterfallen sportliche Betätigungen nur insoweit dem Gemeinschaftsrecht, als sie einen Teil des Wirtschaftslebens im Sinne von Artikel 2 des Vertrages ausmachen.“149
Allerdings hat das Gericht in den nachfolgenden Entscheidungen Donà, Bosman, Deliège und Lehtonen die Verwendung des Wortes „nur“ aufgegeben, sich aber bis zuletzt zur Begründung seiner Auffassung auf die Entscheidung in Sachen Walrave bezogen.150 Ob diesem Umstand eine Aussage zur Anwendbarkeit des EGV auf reine Freizeitaktivitäten entnommen werden kann, erscheint jedoch eher fraglich. Sofern dem überhaupt Bedeutung beigemessen werden sollte, ließe sich wohl ebenso mutmaßen, das Gericht habe sich eine Entscheidung dieser Frage bewusst offen gehalten, zumal die Notwendigkeit einer Beantwortung mangels Entscheidungserheblichkeit bisher nicht gegeben war. Es ist daher durchaus möglich, dass sich der EuGH des Kriteriums des Wirtschaftslebens allein deshalb bedient hat, um hervorzuheben, dass es bei Vorliegen eines wirtschaftlichen Bezuges auf andere Motive des EGV nicht mehr ankommt, weil das Gemeinschaftsrecht bei der Darbietung sportlicher Leistungen gegen Entgelt jedenfalls im Hinblick auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit bzw. Dienstleistungsfreiheit tangiert ist.151 In diesem Kontext versteht sich der wirtschaftliche Hintergrund einer sportlichen Tätigkeit nicht als Abgrenzungskriterium zur sozialen Komponente des Sports, sondern dient lediglich der Differenzierung zwischen Berufs- und Freizeitsport.152 Für die An149 Vgl. EuGH, Urteil vom 12.12.1974 (Rs. 36/74), Slg. 1974, 1405 (1418). Die Hervorhebung erfolgte durch den Verfasser. 150 Diesen Umstand verschweigen Plath, S. 72, und Zuleeg, in: Sportrecht in Europa, S. 1 (1), wenn sie ausführen, der EuGH habe im Fall Donà gerade nicht erklärt, dass eine sportliche Betätigung „nur insoweit“ dem Gemeinschaftsrecht unterliege, als diese Teil des Wirtschaftslebens sei. In seiner Entscheidung vom 12.12.1974 (Rs. 36/74), Slg. 1974, 1405 (1418), hat der EuGH noch genau diese Formulierung gebraucht. 151 So Plath, S. 72. 152 Ebd.
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
wendbarkeit des EGV auf Freizeitaktivitäten beschäftigungsloser Personen ergibt sich hieraus jedoch nichts. Die Europäische Kommission sah sich bislang gehindert, der Diskriminierung von Amateursportlern aus Mitgliedstaaten durch nationale Sportverbände entgegen zu treten. Auf die Anfrage von Herrn Marc Galle, der auf Regelungen in den Statuten des Königlich-Belgischen Tennisverbandes hinwies, nach denen an eine Anmeldung zu den belgischen Clubwettkämpfen für Spieler aus anderen Vertragsstaaten höhere Anforderungen als an belgische Teilnehmer gestellt wurden, erwiderte die Kommission, dass ihr Diskriminierungen auf dem Gebiet des Amateursports innerhalb der EU bekannt, ein Einschreiten aufgrund der bestehenden Rechtslage jedoch nicht möglich sei. Man habe dieses Problem zwar mit den innerhalb der Gemeinschaft für den Sportsektor zuständigen Instanzen erörtert, Maßnahmen könnten jedoch nur dann ergriffen werden, wenn „Diskriminierungen bei der Ausübung einer sportlichen Tätigkeit in beruflicher Eigenschaft festgestellt werden.“153 Mit dieser Antwort macht die Kommission klar deutlich, dass sie ihre Befugnisse ganz maßgeblich auf wirtschaftlichem Gebiet sieht.
(b) Die Gemeinschaftskompetenzen auf sozialem Gebiet unter Berücksichtigung der Integrationsfunktion des Freizeitsportes Spielen wirtschaftliche Erwägungen erkennbar keine Rolle, so bedingt das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 EUV, Art. 7 Abs. 1 EGV)154, dass sich der Europäischen Union übertragene Kompetenzen nicht allein auf die Rechtsetzung in ökonomisch relevanten Angelegenheiten beziehen, sondern eine Regelungsbefugnis gerade auch für nicht-wirtschaftliche Bereiche besteht. Zumindest für den Bereich des echten Amateursportes scheint die Europäische Kommission an einer solchen Ermächtigung zu zweifeln. Dies mag zunächst wegen der stark auf eine wirtschaftliche Motivation hindeutenden Formulierung des Art. 2 EGV auch nahe liegen, jedoch darf nicht übersehen werden, dass es sich keineswegs um das einzige explizit formulierte Vertragsziel handelt. So ergibt sich aus Art. 2 EGV auch die Gemeinschaftsaufgabe, „… die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt … zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern155.“
153
Vgl. ABl. 1991, Nr. C 63, 43. Vgl. hierzu Oppermann, Rn. 513 ff; Langguth, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 5, Rn. 4. 155 Die Hervorhebung erfolgte durch den Verfasser. 154
2. Europarechtliche Vorgaben
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Geht man – wie hier vertreten156 – davon aus, dass dem Freizeitsport eine erhebliche Bedeutung für die soziale Integration von Ausländern zukommt157 und sich dieser Umstand für ausländische Sportler als ganz wesentlich für die Entscheidung zum Eintritt in einen Sportverein darstellt, so ergibt sich hieraus ein jedenfalls ernstzunehmender Ansatzpunkt, um auf Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft in sozialen Angelegenheiten zu schließen und den Freizeitsport aufgrund seiner erheblichen Bedeutung in diesem Bereich in das europäische Recht einzubeziehen. Dass soziale Motive dem Gemeinschaftsrecht und insbesondere dem Sport nicht fremd sind, stellt auch der EuGH seit dem Bosman-Urteil im Jahre 1995 immer wieder heraus.158 Der Gerichtshof betont dabei stets auch die Bedeutung des Amateursports und bezieht sich auf die „Erklärung Nummer 29 zum Sport“159 aus dem Anhang zur Schlussakte der Konferenz von Amsterdam.160 Bei näherer Betrachtung trägt dieser Verweis jedoch nicht wesentlich zur Klärung der Frage bei, ob auch der Amateursport dem Gemeinschaftsrecht unterliegt. Die Erklärung enthält lediglich einen Appell der Regierungskonferenz an die Gremien der Europäischen Union, der vermuten lässt, dass die Mitgliedstaaten in Ansehung des Bosman-Urteils besorgt sind, der Gerichtshof könne weiter in die Bereiche des Sports vordringen. Die wiederholte Berücksichtigung dieses Appells in den Entscheidungsgründen verschiedener Urteile durch den EuGH kann daher wohl nur als Hinweis darauf verstanden werden, dass sich der Gerichtshof sehr wohl der besonderen gesellschaftlichen Bedeutung des Sports bewusst und durchaus bereit ist, bestehenden Besonderheiten des Sports Rechnung zu tragen. Allerdings kann man dem EuGH nicht per se unterstellen, er habe dies nicht bereits bei Erlass des Bosman-Urteils getan161, wofür die umfangreiche Auseinandersetzung mit den Argumenten der Verfechter von Transfer- und Ausländerklauseln in den Entscheidungsgründen spricht. Allerdings war der EuGH bisher nicht gezwungen, isoliert über die Bedeutung des Freizeitsports im Rahmen des Gemeinschaftsrechts und die Kompetenzen der Europäischen Gemeinschaft auf diesem Gebiet zu befinden.
156
Vgl. oben, I. 2. So auch Klose, S. 107; Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (95); Europäische Kommission, in: Freizügigkeit und soziale Sicherheit, S. 1. 158 Vgl. das Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5071) und später die Entscheidungen in den Rechtssachen Deliège (C-51/96 und C-191/95) vom 11.04.2000, Slg. 2000, I-2549 (2612 f.) und Lehtonen (C-176/96) vom 13.04.2000, Slg. 2000, I-2681 (2728 f.). 159 Vgl. ABl. 1997, Nr. C 340, 136. 160 Siehe die Urteile vom 11.04.2000 (Rs. C-51/96 und C-191/97), Slg. 2000, I-2549 (2612) und vom 13.04.2000 (Rs. C-176/96), Slg. 2000, I-2681 (2728 f.). 161 So auch Palme, JZ 1996, 238 (239). 157
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
Vor diesem Hintergrund und den beispielsweise an Art. 2 EGV ablesbaren Bestrebungen des Gemeinschaftsrechts, die Integration von Bürgern aus anderen Mitgliedstaaten der EU im jeweiligen Aufnahmeland zu forcieren, sind daher die konkreten Befugnisse und Kompetenzen der Gemeinschaft durch Auslegung der Gemeinschaftsverträge – insbesondere des EGV – zu ermitteln. Einen gedanklichen Ausgangspunkt liefert die Präambel zum EG-Vertrag, die in gleichem Maße die Sicherung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts aller Mitgliedstaaten zum Ziel erklärt. Über die allgemeinen Aufgabendefinitionen des Art. 2 EGV hinaus finden sich in Art. 136 Abs. 1 EGV die Zielbestimmungen einer gemeinsamen europäischen Sozialpolitik, gerichtet auf die „Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen…und die Bekämpfung von Ausgrenzungen“. Kommt man hiernach kaum umhin, dem Gemeinschaftsrecht auch in sozialen Angelegenheiten eine nicht unerhebliche Bedeutung zu attestieren, fragt sich nach dem Verhältnis zu anderen Vertragszielen, insbesondere der Verwirklichung eines (wirtschaftlichen) Binnenmarktes. Nur das Bestehen eigenständiger Befugnisse in sozialen Fragen – abgehoben von jedem wirtschaftlichen Bezug – erlaubt bei isolierter Betrachtung des nicht kommerziellen Freizeitsports dessen Einbeziehung in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts. Für eine gleichberechtigte Stellung sozialer und wirtschaftlicher Fragen im Gefüge des EGV scheinen zunächst systematische Erwägungen zu sprechen.162 Abgesehen vom bereits erwähnten Text der Präambel und der schwerpunktmäßigen Konkretisierung in Art. 3 Abs. 1 lit. k) EGV, existiert neben dem Abschnitt „Die Wirtschafts- und Währungspolitik“ (Art. 98-124) ein gleichrangiger und selbstständiger Abschnitt „Sozialpolitik, allgemeine und berufliche Bildung und Jugend“ (Art. 136-150).163 Allerdings können diese Umstände nicht den Blick darauf verstellen, dass auch den Vorschriften des XI. Titels überwiegend wirtschaftliche Motive zugrunde liegen. Der mit dem Vertrag von Nizza neu gefasste Katalog des Art. 137 Abs. 1 EGV stellt in lits. a) bis i) deutlich soziale Gesichtspunkte im Zusammenhang mit der Beschäftigung in den Vordergrund. Sämtliche hier genannten Gemeinschaftsaufgaben zielen auf die Verbesserung der sozialen Bedingungen im Arbeitsumfeld ab und gehen entweder von einem bestehenden Arbeitsverhältnis oder aber zumindest von einer beabsichtigten Eingliederung in das Arbeitsleben aus. Maßgebliche Bedeutung für die Integration von Ausländern im Aufnahmemitgliedstaat könnte Abs. 1, lit. j) zukommen, dessen Regelungsgehalt sich auf die Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung bezieht. Soweit Art. 137 Abs. 2 b) EGV dem Europäischen Rat eine Richtlinienkompetenz für den Erlass sozialer Mindestvorschriften einräumt, bezieht sich diese jedoch allein auf Abs. 1, lits. a) bis i) und nimmt den 162 163
So insbesondere Klose, S. 97. Ebd.
2. Europarechtliche Vorgaben
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Integrationsgedanken in lit. j) gerade aus. Daneben ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Eingangssatzes – Art. 137 Abs. 1 EGV spricht von der Unterstützung und Ergänzung der Mitgliedstaaten durch die Gemeinschaft bei der Verwirklichung sozialer Zielsetzungen –, dass die Kernbefugnisse auf sozialem Gebiet bei den Mitgliedstaaten verbleiben, die Gemeinschaft insoweit nur begleitend tätig wird. Gestützt wird dies zudem durch den ebenfalls neu gefassten Art. 144 EGV, der nach Anhörung des Europäischen Parlaments die Einsetzung eines Ausschusses für Sozialschutz durch den Rat vorsieht – allerdings mit lediglich beratender Funktion. Es entspricht demnach auch der herrschenden Meinung, dass sich auf dem Gebiet der Bildung und Sozialpolitik keine umfassenden Kompetenzen zugunsten der Gemeinschaft ergeben, diese Materien vielmehr in der Hauptverantwortung der Mitgliedstaaten verbleiben.164 Die Vorschriften der Art. 136 ff. EGV dienen vorrangig der Verwirklichung der in Art. 2 und 3 EGV festgelegten Vertragsziele, bei denen unbestritten die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes im Vordergrund steht. Die von Art. 137 Abs. 1 EGV abgesteckten Aufgabenfelder der Gemeinschaft weisen nahezu durchgängig einen Bezug zum Arbeitsmarkt auf und stehen daher in deutlichem Zusammenhang mit dieser Zielsetzung. Orientiert sich das Gemeinschaftsrecht demnach auch in sozialen Angelegenheiten an seinem wirtschaftlichen Grundverständnis, so besteht keine eigenständige Regelungsbefugnis der Europäischen Gemeinschaft in sozialen Fragen, diese ist vielmehr Teil der Kompetenzen auf wirtschaftlichem Gebiet im weitesten Sinne.165 Das systematische Argument der nebeneinander bestehenden Regelungsbereiche für Wirtschafts- und Sozialpolitik im EG-Vertrag hilft insofern nicht weiter166, als sich – wie gezeigt – bei eingehender Betrachtung der sozialpolitischen Zielsetzung ergibt, dass diese eben ganz wesentlich auf wirtschaftlichen Erwägungen fußt und diesen zur Wirksamkeit verhilft. Diesem Ergebnis kann auch nicht mit dem Wortlaut der Art. 2 und 3 EGV bzw. der Präambel des EG-Vertrages begegnet werden. Es darf hierbei nämlich nicht übersehen werden, dass auch Art. 3 Abs. 1 EGV lediglich die von Art. 2 EGV nur vage umschriebenen Tätigkeitsfelder der Gemeinschaft näher konkretisiert, jedoch keine eigenständige Kompetenznorm darstellt, wie sich bereits der Formulierung „... nach Maßgabe des Vertrages“ entnehmen lässt.167 Ähnliches gilt für Art. 2 EGV selbst, der keine Handlungsermächtigung enthält, son164 Vgl. EuGH, Urteil vom 09.07.1987 (Rs. 281, 283 bis 285 und 287/85), Slg. 1987, 3203 (3251 f.); Geiger, EUV/EGV, Art. 136, Rn. 12; Schulte, in: Groeben/Thiesing/ Ehlermann, EUV/EGV, Art. 118, Rn. 3 ff.; Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 137, Rn. 2. 165 Vgl. zu diesem Verständnis Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 10. 166 So aber offensichtlich Klose, S. 97. 167 Vgl. Ukrow, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 3, Rn. 1.
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
dern nur die Verbandskompetenz der Gemeinschaft allgemein umreißt und das politische Ermessen der Gemeinschaftsorgane im Rahmen ihrer Handlungskompetenzen festlegt.168 Beiden Vorschriften kommt daher nur ergänzender Charakter in Bezug auf die besonderen Bestimmungen des XI. Titels zu. Ihre wesentliche Bedeutung erschöpft sich – ebenso wie die der Präambel – darin, Anhaltspunkte für die Auslegung der besonderen Kompetenznormen des Gemeinschaftsrechts zu geben.169 Dies berücksichtigt, ist die Existenz eines Aufgabenfeldes der Gemeinschaft im sozialen Bereich sicher nicht zu leugnen. Es ergibt sich allerdings allein aus der Zielsetzung, „den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt“ der Mitgliedstaaten zu fördern (Art. 2 EGV), nicht zwingend der Schluss auf ein selbstständiges und gleichberechtigtes Nebeneinander dieser Tätigkeitsbereiche. Der Stellenwert einer Aufgabe erschließt sich nicht durch eine isolierte Betrachtung der allgemeinen Aufgabenformulierung, sondern bestimmt sich ganz maßgeblich nach Umfang und Reichweite der auf diesem Gebiet bestehenden Kompetenzen der Gemeinschaft. Verfügt die Gemeinschaft – wie dargestellt – nur über eingeschränkte Befugnisse in sozialpolitischen Fragen, ergibt sich bereits hieraus, dass es sich nicht um eine der vordringlichsten Zielsetzungen des Gemeinschaftsrechts handelt. Die inhaltliche Ausgestaltung der zentralen Kompetenznorm des Art. 137 EGV orientiert sich stark an arbeitsmarktpolitischen Zielen und ist vorrangig darauf bedacht, der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Marktes entgegenstehende Probleme auf sozialer Ebene zu beseitigen. Die Befugnisse der Gemeinschaft in sozialen Angelegenheiten sind daher stets im Zusammenhang mit der Verwirklichung des Binnenmarktes zu sehen. Auch Art. 308 EGV bietet keine hinreichende Handhabe, um der sozialintegrativen Wirkung des Freizeitsportes in den Mitgliedstaaten Geltung zu verschaffen. Zwar ist es dem Rat hiernach unter bestimmten weiteren Voraussetzungen gestattet, die von Art. 2, 3 EGV und der Präambel formulierten Zielvorstellungen auch ohne ausdrücklich im Vertrag festgeschriebene spezielle Befugnis in geeignete Vorschriften umzusetzen; dies erweitert allerdings nicht dessen Befugnisse auf außerhalb des Vertrages liegende Kompetenzen. Eine Kompetenz-Kompetenz gewährt Art. 308 EGV gerade nicht.170 Ergibt sich aus 168
Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 2, Rn. 11. Vgl. die Urteile des EuGH vom 05.02.1963 (Rs. 26/62), Slg. 1963, 1 (24); vom 08.04.1976 (Rs. 43/75), Slg. 1976, 455 (473) und vom 26.06.1980 (Rs. 136/79), Slg. 1980, 2033 (2057) sowie das Gutachten 1/94 des Gerichtshofes vom 15.11.1994, Slg. 1994, I-5267 (5402); ferner v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 2, Rn. 9,13; Art. 3, Rn. 3 (Stand: EL 15, Januar 2000); Lenz, in: Lenz/Borchardt, EU-/ EGV, Art. 2, Rn. 8; Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 3, Rn. 6; Zuleeg, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 2, Rn. 3; Geiger, EUV/EGV, Art. 2, Rn. 4; Ukrow, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 3, Rn. 2. 170 Vgl. Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 308, Rn. 2 mwN. 169
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vorgenannten Umständen, dass eine sozial motivierte Regelungsbefugnis der Gemeinschaft ohne wirtschaftlichen Hintergrund nicht besteht, so kann diese auch nicht über die Kompetenzergänzungsvorschrift des Art. 308 EGV eingeführt werden. Eine überzogen weite Auslegung des Art. 308 EGV verbietet sich zudem aus Gründen des Umgehungsschutzes. Ein Verständnis als generalklauselartige Befugnisnorm wäre nicht mit dem Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung vereinbar. Darf die Bedeutung des Freizeitsports für die soziale Integration ausländischer Mitbürger nicht unterschätzt werden, so ergeben sich doch – ungeachtet dieses Umstandes – aus dem EG-Vertrag letztlich nicht in ausreichendem Maße kompetenzrechtliche Anknüpfungspunkte auf sozialem Gebiet, die der Europäischen Gemeinschaft insoweit isolierte Befugnisse ohne Berücksichtigung wirtschaftlicher Aspekte zuweisen.171
(c) Freizeitsport als Bestandteil gemeinschaftlicher Kompetenzen auf kulturellem Gebiet Auch die Betrachtung der Gemeinschaftszuständigkeiten auf kulturellem Gebiet gibt nicht hinreichend Anlass zu der Annahme, die Gemeinschaft verfüge über eigenständige Regelungsbefugnisse im Bereich des Freizeitsports. Wie bereits kurz angedeutet172, legt das Gemeinschaftsrecht der EG für ein Tätigwerden auf kulturellem Sektor weitestgehend Zurückhaltung auf.173 Im Verteilungssystem der kulturellen Zuständigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und Gemeinschaft geht Art. 151 EGV klar von einem Übergewicht zugunsten der Mitgliedstaaten aus.174 Bereits der Wortlaut des Art. 151 Abs. 2 EGV macht dies mehr als deutlich. Demnach fördert und unterstützt die Gemeinschaft durch ihre Tätigkeit die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und ergänzt damit lediglich deren kulturpolitische Aktivitäten. Eine Einordnung des Freizeitsports in den Kulturbereich hätte demnach keine grundlegend eigenständigen Befugnisse der Gemeinschaft zur Folge. Ungeachtet dessen ist nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass der Freizeitsport überhaupt unter die Begriffsdefinition im Sinne des Art. 151 EGV fällt.175 Scheitert eine Einord171 So auch Steindorff, EG-Kompetenzen, S. 37; Hochbaum, BayVBl 1987, 481 (483 ff.). 172 Vgl. oben, (3). 173 Vgl. Oppermann, Rn. 1968. 174 So die ganz h.M. Vgl. etwa Geiger, EUV/EGV, Art. 151, Rn. 11; Fischer, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 151, Rn. 3; Ukrow, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 151, Rn. 1; Palme, JZ 1996, 238 (239 f.). 175 Auf die generellen Schwierigkeiten einer Begriffsdefinition hinweisend Ress, DöV 1992, 944 (949 f.).
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nung des Sports in die im EGV normierten Tätigkeitsfelder nicht bereits von vornherein, so kommt eine Subsumtion des Freizeitsportes unter den Kulturbegriff allenfalls unter Zugrundelegung eines äußerst weiten Begriffsverständnisses in Betracht176, da Art. 151 EGV im Kern auf die herkömmlichen Kulturbereiche wie etwa Musik, bildende und darstellende Kunst ausgerichtet ist177. Da Art. 151 EGV jedoch ohnehin nur zu Maßnahmen ermächtigt, die ausschließlich die in der Vorschrift beschriebenen kulturellen Ziele verwirklichen178, dürfte auch eine weit angelegte Begriffsdefinition kaum weiterhelfen, denn die Vielfältigkeit des Sports179 steht einer klaren Einordnung häufig entgegen. Kommt dem Freizeitsport hiernach nicht allein eine kulturelle Bedeutung zu, so dürften den Sport betreffende Maßnahmen der Gemeinschaft häufig auch außerhalb des Art. 151 EGV liegende Lebensbereiche mitregeln und damit dessen enge Grenzen überschreiten. Unklar bleibt auch, welchem abschließenden Bereichstatbestand des Art. 151 Abs. 2 EGV – und nur auf diese bezieht sich der Kulturbegriff des Abs. 1180 – Regelungen eines Gemeinschaftsorgans im Sportsektor unterliegen sollten. Ausgehend von seiner Konzeption und inhaltlichen Ausgestaltung erscheint Art. 151 EGV daher für den Sport insgesamt wenig passend. Gegen eine Einordnung des Sports ausschließlich in den kulturellen Bereich spricht wohl auch die Systematik der EU-Verfassung vom 29.10.2004. Die Kompetenzen der Gemeinschaft auf kulturellem Gebiet (Art. III-280) und in sportlichen Belangen (Art. III-282) werden hier in unterschiedlichen, gleichrangigen Abschnitten behandelt.181 Sieht man jedoch trotz dieser Überlegungen den Freizeitsport vom Kulturbegriff des Art. 151 EGV erfasst, so zieht dies nicht automatisch die Berechtigung zur Kompetenzausübung durch die Gemeinschaft nach sich. Die Entscheidung des zuständigen Gemeinschaftsorgans hat vielmehr das Subsidiaritätsprinzip des Art. 5 Abs. 2 EGV zu berücksichtigen. Räumt Art. 151 EGV der Gemeinschaft zwar eine eigene, neben die der Mitgliedstaaten tretende182, aber 176
So auch Oppermann, Rn. 1978. Für einen engen Kulturbegriff etwa Fischer, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 151, Rn. 4. 177 Vgl. Fischer, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 151, Rn. 4. 178 Vgl. Fischer, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 151, Rn. 10. 179 Siehe hierzu oben, (3) sowie den Nachweis in Fn. 121. 180 Vgl. Geiger, EUV/EGV, Art. 151, Rn. 3. 181 Nachdem sich allerdings die Mehrheit der französischen und niederländischen Bevölkerung in den nationalen Referenden gegen den Verfassungsentwurf vom 29.10.2004 ausgesprochen hat, ist der Ratifikationsprozess ins Stocken geraten und wurde – zumindest vorläufig – ausgesetzt. Vgl. http://europa.eu.int/constitution/referendum_de.htm. 182 Vgl. Fischer, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 151, Rn. 3.
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damit zugleich eine nicht ausschließliche183 Zuständigkeit ein, so erfordert das Tätigwerden eines Gemeinschaftsorgans, dass die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahme auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht befriedigend umgesetzt werden können. Andernfalls bestünde ein Zuständigkeitsvorrang zugunsten der Mitgliedstaaten. Zusammenfassend ist festzustellen, dass dem primären Gemeinschaftsrecht – unter Beachtung der Zielsetzung des EGV – keine Ermächtigung zu entnehmen ist, die den nicht kommerziellen Freizeitsport, mit seiner unbestritten sozialintegrativen, aber sicherlich auch kulturellen Bedeutung, isoliert und damit außerhalb jedes Zusammenhanges zur Herstellung eines wirtschaftlichen Binnenmarktes in den Kompetenzbereich der Gemeinschaft überführt.184 Inwieweit es allerdings zukünftig überhaupt noch auf diesen Problemkreis ankommt, bleibt vor dem Hintergrund des ungeklärten Fortgangs des Ratifizierungsprozesses zur neuen EU-Verfassung abzuwarten.185
bb) Reichweite und Grenzen des Schutzbereiches der Grundfreiheiten in Bezug auf außerhalb des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses liegende Freizeitaktivitäten Geht man mit der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass grundsätzlich auch Diskriminierungen im Freizeitsport in den Schutzbereich der Grundfreiheiten fallen können, sofern ein, wenn auch sportfremdes, entgeltliches Beschäftigungsverhältnis vorliegt, so gilt es die konkrete Reichweite der Grundfreiheiten im Hinblick auf außerhalb des Arbeits- oder Dienstverhältnisses liegende Tätigkeiten zu ermitteln. Notwendig vorab zu klären ist jedoch, inwieweit eine Bindung der Sportverbände an die Grundfreiheiten überhaupt in Betracht kommt.
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Vgl. Ress, DöV 1992, 944 (948). So im Ergebnis auch Palme/Hepp-Schwab/Wilske, JZ 1994, S. 343 (343, Fn. 7); Schweitzer, in: Einbindung des Sportrechts, S. 71 (75) mwN. 185 Die EU-Verfassung vom 29.10.2004 sieht im Übrigen eine Reihe weiterer Verbesserungen der Rechtsstellung von Unionsbürgern im Aufnahmemitgliedstaat vor. So soll künftig – entgegen der bisherigen Regelung in Art. 18 Abs. 3 EGV – der Erlass von Vorschriften durch die Union auf den Gebieten der sozialen Sicherheit und des sozialen Schutzes möglich sein, sofern hierdurch die Ausübung der Freizügigkeit für Unionsbürger erleichtert wird. Vgl. Art. III-125 Abs. 2 EU-Verfassung, abgedruckt in ABl. 2004, Nr. C 310, 1. 184
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(1) Die unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten Die Frage, ob auch Privatrechtssubjekte Normadressaten der Grundfreiheiten sind, hat eine umfangreiche wissenschaftliche Diskussion erfahren, in dessen Ergebnis mit der heute ganz überwiegenden Meinung von einer unmittelbaren Drittwirkung auszugehen ist.186 Der EuGH beantwortete diese Frage mit dem ebenso einfachen wie nachvollziehbaren Hinweis darauf, „dass die Beseitigung der Hindernisse für die Freizügigkeit gefährdet wäre, wenn die Abschaffung der Schranken staatlichen Ursprungs durch Hindernisse zunichte gemacht werden könnte, die sich daraus ergeben, dass nicht dem öffentlichen Recht unterliegende Vereinigungen und Einrichtungen von ihrer rechtlichen Autonomie Gebrauch machen.“187
Das hiergegen vorgebrachte Argument, die Bindung Privater an die Grundfreiheiten hätte für diese weitergehende Einschränkungen als für die Mitgliedstaaten selbst zur Folge188, überzeugt im Ergebnis nicht. Zwar erscheint es auf den ersten Blick einleuchtend, dass sich der ordre-public-Vorbehalt etwa des Art. 39 Abs. 3 EGV allein auf hoheitliche Maßnahmen bezieht, der EuGH führt hierzu jedoch zutreffend aus, dass die Rechtfertigungsgründe in Bezug auf die öffentliche Ordnung keinen bestimmten Regelungscharakter voraussetzen. Es sei daher ebenso möglich, dass diese Rechtfertigungsgründe von Privatrechts186 Vgl. EuGH, Urteil vom 11.04.2000 (Rs. C-51/96 und C-191/97), Slg. 2000, I2549 (2614); Urteil vom 13.04.2000 (Rs. C-176/96), Slg. 2000, I-2681 (2729); Scheuer, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 39, Rn. 35; Geiger, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 16; Brechmann, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 51; Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 39, Rn. 18; Plath, S. 83 f.; Klose, S. 169; Schweitzer/Streinz, JA 1986, 244 (248); Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 94 f.; Zuleeg, in: Sportrecht in Europa, S. 1 (2 f.); Fabis, S. 145; Schweitzer, in: Einbindung des Sportrechts, S. 71 (75 ff.); Paefgen, EWiR 1995, 988 mwN.; Nettesheim, NVwZ 1996, 342 (344 f.); Imping, EWS 1996, 193 (194 f.); Bleckmann, Europarecht, Rn. 1574; Wassmer, S. 82 f.; kritisch Weber, RdA 1996, 107 (108). Nach Kluth, AöR 122 (1997), 557 (569) kommt eine Drittwirkung allenfalls für Diskriminierungs-, nicht aber für Beschränkungsverbote in Betracht, da hier lediglich eine vom Gesetzgeber getroffene und in bindenden Normen konkretisierte Entscheidung auf einen weiter gefassten Adressatenkreis angewendet wird, die bereichsspezifische Interessenabwägung jedoch in der Hand des Gesetzgebers verbleibt. Im Übrigen wären für Privatrechtssubjekte die rechtlichen Folgen ihres Handelns vorhersehbar. Anders sei dies jedoch bei einer Bindung Privater an ein Beschränkungsverbot. Hier hänge die Rechtsfolge von der Einzelfallabwägung durch das Gericht ab. 187 Vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5066). Diese Begründung gab der Gerichtshof bereits in der Entscheidung Walrave vom 12.12.1974 (Rs. 36/74), Slg. 1974, 1405 (1419 f.) und hält bis heute unverändert an ihr fest. Siehe im Übrigen die Nachweise in Fn. 186. 188 Dieses Argument wurde etwa im Fall Bosman vom europäischen Fußballverband UEFA vorgebracht. Vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5066).
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subjekten geltend gemacht werden.189 Der Wortlaut des Art. 39 Abs. 3 EGV steht einem solchen Verständnis jedenfalls nicht entgegen. Auch übersieht der gezogene Schluss – die ordre-public Vorbehalte beziehen sich auf staatliche Handlungen, eine Bindung Privater sei daher offensichtlich nicht gewollt190 – die Schutzfunktion dieser Ausnahmetatbestände, die gerade darauf abzielen, direkt diskriminierende Maßnahmen in engen Grenzen zu halten. Lehnt man eine unmittelbare Drittwirkung mit diesem Begründungsmuster ab, gibt man derartigen Diskriminierungen erst Raum.191 Nicht zuletzt erscheint es auch wenig überzeugend, wenn den Mitgliedstaaten durch den EGV untersagte Beschränkungen dadurch wieder errichtet werden könnten, dass Private – in Ausnutzung ihrer Privatautonomie – die Schranken wieder aufbauen, die durch einen Rückzug des Staates gerade beseitigt wurden.192 Daneben wäre bei einer alleinigen Bindung der Mitgliedstaaten der Anwendungsbereich von Art. 39 Abs. 2 EGV – insbesondere in Anbetracht der ohnehin zugunsten der öffentlichen Verwaltung bestehenden Bereichsausnahme nach Abs. 4 – äußerst begrenzt und damit kaum in der Lage, den in Art. 3 Abs. 1 lit. c) EGV angesprochenen Beitrag zur Verwirklichung eines europäischen Binnenmarktes zu leisten. Für eine Bindung auch Privater spricht zudem die von Art. 7 Abs. 4 der Verordnung Nr. 1612/68 ausdrücklich angeordnete unmittelbare Drittwirkung des Gleichbehandlungsgebotes.193 Weshalb für die Primärrechtsnorm etwas grundlegend anderes gelten sollte, würde kaum einleuchten. Soweit mit der Anwendung der Grundfreiheiten im Privatrechtsverhältnis zugleich eine Einschränkung der Privatautonomie verbunden sein kann, so muss dies – vorbehaltlich deren Rechtfertigung – jedenfalls dann hingenommen werden, wenn private Verbände im sachlichen Anwendungsbereich der Grundfreiheiten an Stelle des Staates tätig werden bzw. in diesem Bereich auf autonome Rechtssetzungsbefugnisse zurückgreifen194, wie dies bei Sportverbänden unzweifelhaft der Fall ist. Andernfalls wäre die staatlich gewährte Autonomie einer individuellen freiheitlichen Betätigung per se vorrangig. Für ein solches Verständnis besteht allerdings weder ein Grund noch ein Bedürfnis. Nicht überzeugend ist auch der Hinweis, die Anwendung des zur Begründung herangezogenen Prinzips „effet utile“ sei deshalb fragwürdig, weil etwa die im 189 Ebd. A.A. etwa Groß, S. 378 f. (Fn. 1724), ders., in: Perspektiven des Sportrechts, S. 37 (44), der dennoch eine unmittelbare Drittwirkung der Grundfreiheiten befürwortet und das Problem der verkürzten Rechtfertigungsmöglichkeiten gegenüber Trägern hoheitlicher Gewalt auf der Ebene immanenter Schranken lösen will, vgl. S. 380 ff. 190 So etwa Michaelis, NJW 2001, 1841 (1842); Körber, EuR 2000, 932 (947). 191 So zutreffend Groß, in: Perspektiven des Sportrechts, S. 37 (44 f.). 192 Vgl. Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 107. 193 So Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (90); ferner Plath, S. 84; Schweitzer, in: Einbindung des Sportrechts, S. 71 (76) mwN. 194 Vgl. Hailbronner, in: HK-EUV/EGV, Art. 52, Rn. 15 (Stand: 5. Lfg., Juni 1996).
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Fall Bosman auf dem Prüfstand stehenden Regelungen weltweit und nicht nur in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union Gültigkeit besäßen, während die Grundfreiheiten nur für Unionsbürger Geltung beanspruchen. Wären die Regelungen im außereuropäischen Bereich durch staatliche Maßnahmen festgesetzt worden, so hätten diese vom Gerichtshof nicht zu Fall gebracht werden können. Es sei daher nicht einzusehen, weshalb de facto etwas anderes gelten soll, nur weil private Verbände tätig geworden sind.195 Es dürften sicherlich kaum Zweifel daran bestehen, dass der EuGH die fraglichen Regelungen innerhalb seines territorialen Kompetenzbereiches auch dann für unwirksam erklärt hätte, wenn es sich um staatliche Rechtsakte handeln würde. Für eine gegenteilige Annahme besteht keine Veranlassung. Dass hieraus nicht zugleich die Unwirksamkeit der Regelungen auch in außereuropäischen Staaten folgt, liegt auf der Hand und folgt der naturgemäß auf das Gebiet der Mitgliedstaaten begrenzten Kompetenz des Gerichtshofes. Diesen Bereich verlässt der EuGH jedoch auch dann nicht, wenn er Privatrechtssubjekte, deren Regelwerke die Grenzen der Europäischen Gemeinschaft überschreiten, in den Adressatenkreis der Grundfreiheiten einbezieht. Dass es dem privaten Verband gegebenenfalls nicht möglich ist, auch im außereuropäischen Bereich an einer Regelung festzuhalten, mag seine Ursache in einer Entscheidung des Gerichtshofes finden. Dieser Umstand ist jedoch nicht kompetenzrechtlicher, sondern rein faktischer Natur und würde gleichermaßen für staatliche Rechtsakte gelten. Die Auswirkungen einer Entscheidung des EuGH gehen daher nicht allein deshalb weiter, weil gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbote auch von Privatrechtssubjekten zu beachten sind. Nicht von der Hand zu weisen ist zwar der Einwand, dass einzelstaatliche Rechtsakte im außereuropäischen Bereich nicht am Maßstab des EGV zu messen sind und daher auch nicht vom EuGH zu Fall gebracht werden können.196 Bei diesem Vergleich mit Maßnahmen privater Sportverbände wird jedoch übersehen, dass sich der Tätigkeitsbereich Letzterer nicht auf einzelne Staaten beschränkt. Die Regelwerke privater Verbände sind nicht gleichzusetzen mit einzelstaatlichen Hoheitsakten, sondern betreffen Sportler einer Vielzahl von Ländern innerhalb und außerhalb der EU. Betrachtet man eine, im Umfang den europäischen Sportverbänden vergleichbar tätige, hoheitlich handelnde supranationale Organisation, so ist gleichfalls nicht ausgeschlossen, dass die Unvereinbarkeit einer Regelung mit dem Gemeinschaftsrecht auch Auswirkungen in einem außerhalb der Europäischen Union liegenden Land zeitigt. Im Ergebnis vermitteln die Grundfreiheiten daher dem Einzelnen gegenüber Maßnahmen privater Verbände keinen weitergehenden Schutz, als dies der Fall wäre, wenn sich die fraglichen Regelungen als hoheitliche Maßnahmen darstellen würden. 195 196
Vgl. Weber, RdA 1996, 107 (108). Ebd.
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Ungeachtet dessen muss es als grundsätzlich unerheblich angesehen werden, welche Bedeutung einer unmittelbaren Drittwirkung der Grundfreiheiten außerhalb des Anwendungsbereiches gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften zukommt. Ebenso wie die Grundfreiheiten ist das Prinzip „effet utile“ auf den Geltungsbereich des EGV beschränkt. Relevante Auswirkungen dieses Prinzips können per se nicht weiter gehen als die Grundfreiheiten selbst, deren umfassender Verwirklichung es dient. Letztere sind Instrument zur Umsetzung der in Art. 2 und 3 EGV formulierten Vertragsziele, namentlich der Herstellung eines europäischen Binnenmarktes, der seine Grenze im Gebiet der Mitgliedstaaten findet. Die teleologische Auslegungsmaxime des „effet utile“ versucht allein den Grundfreiheiten in diesem Hoheitsgebiet zu durchgreifender Wirksamkeit zu verhelfen. Wirkungen außerhalb dieses Kompetenzbereiches sind daher für den Anwendungsbereich der Grundfreiheiten bedeutungslos.
(2) Freizeitbetätigung im Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EGV Richten sich die Freizügigkeitsverbürgungen des EGV folglich auch an privatrechtlich organisierte Sportverbände, gilt es nun Reichweite und Grenzen des sachlichen Anwendungsbereiches dieser Gewährleistungen näher zu bestimmen.
(a) Primär- und sekundärrechtliche Ausgangslage Aufgrund der fehlenden eigenständigen Bedeutung des Freizeitsports im System gemeinschaftsrechtlicher Kompetenzen wäre der Schutzbereich des Art. 39 EGV grundsätzlich nur dann eröffnet, wenn sich der Begriff der „sonstigen Arbeitsbedingungen“ im Sinne des Art. 39 Abs. 2 EGV auch auf Freizeitaktivitäten des Wanderarbeitnehmers außerhalb des eigentlichen Beschäftigungsverhältnisses erstreckt. Dies erscheint in Anbetracht der Trennung von Freizeit und Beruf eher fern liegend. Grundsätzlich dürfte daher zunächst davon auszugehen sein, dass sich der Begriff, ganz im Sinne der wirtschaftlichen Intention des EGV, auf Arbeitsbedingungen im engeren Sinne, das heißt unmittelbar im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehende Bedingungen bezieht. Ein solches Verständnis legt bereits der Wortlaut des Art. 39 Abs. 2 EGV nahe, der unter anderem eine „unterschiedliche Behandlung der Arbeitnehmer der Mitgliedstaaten in Bezug auf Beschäftigung (und) Entlohnung“ verbietet und damit zunächst typische Regelungsfelder eines Beschäftigungsverhältnisses anspricht. Anhaltspunkte hierfür bieten ferner die Art. 7 bis 9 der Verordnung Nr. 1612/68, die Konkretisierungen des Gleichbehandlungsgebotes auf
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Grundlage von Art. 40 EGV enthalten.197 So verbietet Art. 7 Abs. 1 VO 1612/68 eine Ungleichbehandlung der Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Aufnahmeland „hinsichtlich der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, insbesondere im Hinblick auf Entlohnung, Kündigung….“. Kann dem Begriffspaar der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen zwar keine eigenständige, über den Begriff der Arbeitsbedingungen in Art. 39 Abs. 2 EGV hinausgehende Bedeutung entnommen werden198, so zeigen jedenfalls die weiteren beispielhaft aufgeführten, typisch arbeitsrechtlichen Modalitäten in Richtung eines funktionalen Zusammenhanges mit dem konkreten Arbeitsverhältnis. Wie allerdings ein Blick etwa auf Art. 9 Abs. 1 VO 1612/68 zeigt, scheint es keineswegs gesichert, dass eine derartig enge Verknüpfung zur Beschäftigung unverzichtbar ist. Genießen hiernach diejenigen Unionsbürger, die sich zum Zwecke der Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates begeben haben, bei der Wohnungssuche die gleichen Rechte und Vergünstigungen wie inländische Arbeitnehmer, so dürfte ein unmittelbar enger Bezug zum Arbeitsverhältnis nicht mehr gegeben sein. Noch deutlicher wird dies, wenn man sich vor Augen führt, dass nach Art. 10 Abs. 1 VO 1612/68 Familienangehörige des Arbeitnehmers, ohne Ansehung ihrer Staatsangehörigkeit, die Vergünstigung eines Wohnrechtes genießen. Diese Personen stehen erkennbar außerhalb des Arbeitsverhältnisses, so dass ein unmittelbarer Zusammenhang offenkundig nicht vorliegt. Die VO 1612/68 bietet damit offensichtlich auch Schutz vor Diskriminierungen, die deutlich abseits eines Arbeitsverhältnisses auftreten können und der sich darüber hinaus auf Personengruppen bezieht, die selbst bei Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses nicht in den Genuss der Freizügigkeitsvorschrift des Art. 39 EGV gelangen würden. Dass ein Arbeitsverhältnis zudem nicht zwingend Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Diskriminierungsverbotes ist, wird im Weiteren durch die Tatsache belegt, dass nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 VO 1612/68 ein Gleichbehandlungsanspruch auch in Bezug auf die nach Eintritt der Arbeitslosigkeit liegenden Versuche der beruflichen Wiedereingliederung und Wiedereinstellung besteht. Liegt aber zu diesem Zeitpunkt ein Arbeitsverhältnis noch gar nicht vor, so muss der Begriff der „sonstigen Arbeitsbedingungen“ über den Regelungsgehalt eines existenten Beschäftigungsverhältnisses hinausgehen und sich zumindest auch auf äußere Begleitumstände – etwa Zugangsregelungen – beziehen. Dieser Umstand deutet auf ein eher extensives Begriffsverständnis hin. Eine Stütze könnte diese Annahme in der Rechtsprechung des EuGH zum Begriff der sozialen Vergünstigung im Sinne des Art. 7 Abs. 2 VO 1612/68 finden. Konnte nach der anfänglichen Rechtsprechung des Gerichtshofes eine 197 198
Vgl. Scheuer, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 39, Rn. 42. Vgl. Klose, S. 116.
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Vergünstigung im Sinne dieses Artikels nur dann vorliegen, wenn sie mit einer Beschäftigung verbunden war199, so hat er sein Begriffsverständnis später wesentlich erweitert. Für das Vorliegen einer Vergünstigung ist nunmehr unerheblich, ob sie an einen Arbeitsvertrag anknüpft oder nicht, vielmehr erfasst der Begriff alle Vorteile, „die inländischen Arbeitnehmern hauptsächlich wegen ihrer objektiven Arbeitnehmereigenschaft oder einfach wegen ihres Wohnorts im Inland gewährt werden und deren Ausdehnung auf die Arbeitnehmer, die Staatsangehörige eines anderen Mitgliedstaates sind, deshalb als geeignet erscheint, deren Mobilität innerhalb der Gemeinschaft zu erleichtern.“200
Neben die Frage, ob die VO 1612/68 damit letztlich nicht mehr verbürgt, als Art. 39 EGV selbst zu leisten im Stande ist201, tritt allerdings das Problem, ob eine Verordnung im Sinne des Art. 249 Abs. 2 S. 1 EGV und damit eine sekundärrechtliche Rechtsquelle überhaupt zur Definition eines Begriffes der primärrechtlichen Norm herangezogen werden kann.
(b) Reichweitenbestimmung unter Heranziehung sekundärrechtlicher Vorschriften insbesondere der VO 1612/68 Bedenken hiergegen ergeben sich im konkreten Fall daraus, dass die VO 1612/68 – wie bereits aufgezeigt202 – lediglich ein die Arbeitnehmerfreizügigkeitsvorschriften des EGV konkretisierendes Normengefüge darstellt und damit auf den hier inhaltlich näher zu bestimmenden Vorschriften selbst beruht. Es widerspräche aber dem Gebot der Logik, die Grenzen der Ermächtigungsnorm durch Auslegung der hierauf basierenden Normen zu bestimmen. Eine solche Vorgehensweise wäre vielmehr ein Zirkelschluss mit der Folge einer beliebigen Ausdehnbarkeit des sachlichen Anwendungsbereiches der Grundnorm über den Erlass sekundärrechtlicher Vorschriften. Sie liefe darauf hinaus, in die Sekundärnorm Begriffsmerkmale hineinzulegen, die sodann für das gewollte Verständnis von Reichweite und Grenzen der Grundnorm wieder aus dieser entnommen werden. Deutlich folgen hieraus zwei Dinge: Erstens kann die sekundärrechtliche Vorschrift den Anwendungsbereich des EGV nicht erweitern203; der Anwendungsbereich des Sekundärrechtsaktes basiert vielmehr auf den 199
Vgl. EuGH, Urteil vom 11.04.1973 (Rs. 76/72), Slg. 1973, 457 (463). Ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. etwa das Urteil vom 12.05.1998 (Rs. C85/96), Slg. 1998, I-2691(2717). 201 Zweifelnd Klose, S. 117 f. 202 Vgl. Fn. 197. 203 Vgl. Klose, S. 122; Schroeder, S. 67 mwN. 200
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Vorgaben der Ermächtigungsnorm. Zweitens erfolgt die Bestimmung von Reichweite und Grenzen der Freizügigkeitsvorschriften nicht aus dem Blickwinkel der Konkretisierung. Im Gegenteil, diese ist vielmehr selbst im Licht der Vertragsvorschriften auszulegen204 und darauf zu untersuchen, ob sie sich im Rahmen der Vorgaben der Ermächtigungsnorm hält. Keinesfalls kann sie jedoch deren Reichweite bestimmen. In Konsequenz dieser Ausführungen ergibt sich, dass der VO 1612/68 keine Aussagekraft in Bezug auf das Begriffsverständnis der „sonstigen Arbeitsbedingungen“ zukommen kann, denn diese selbst könnte auf einer fehlerhaften Auslegung des Art. 39 Abs. 2 EGV beruhen. Die Aussagen der VO 1612/68 lassen daher im Ergebnis allein einen Rückschluss darauf zu, wie weit der Schutzbereich des Art. 39 EGV nach Auffassung des rechtsetzenden Gemeinschaftsorgans reicht.
(c) Auslegungsgrundsätze und Begriffsverständnis des EuGH Müssen Verordnungen auf Grundlage des Art. 40 EGV demnach unberücksichtigt bleiben, so muss der Versuch einer Begriffsbestimmung am Wortlaut des Art. 39 Abs. 2 EGV ansetzen, der den Ausgangspunkt einer Auslegung anhand anerkannter Auslegungsmethoden bildet.205 Übereinstimmung dürfte zunächst darin bestehen, dass die Aufzählung der Arbeitsbedingungen in Art. 39 Abs.2 EGV keinen abschließenden206, hinreichend bestimmten Charakter aufweist und einer erweiternden Auslegung damit generell zugänglich ist. Dies ergibt sich bereits auch aus der Formulierung „umfasst alle sonstigen Arbeitsbedingungen“, die deutlich für ein offenes Begriffsverständnis spricht. Der Rahmen einer Auslegung ist zudem – der allgemeinen Auffassung entsprechend207 – weit zu ziehen, da die Vorschriften über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer zu den grundlegenden Vertragsbestimmungen des Gemeinschaftsrechts zählen. Eine einschränkende Auslegung würde diesen ihre praktische Wirksamkeit nehmen.208 Diese vom EuGH in ständiger Rechtsprechung angewandten Grundsätze bilden immer wieder den Kern der Entscheidungen des Gerichtshofes zur Freizü204
Vgl. EuGH, Urteil vom 04.07.1990 (Rs. C-117/89), Slg. 1990, I-2781 (2799). Vgl. Oppermann, Rn. 680 ff. 206 Vgl. die Urteile des EuGH vom 23.03.1982 (Rs. 53/81), Slg. 1982, 1035 (1049); vom 13.07.1983 (Rs. 152/82), Slg. 1983, 2323 (2335); vom 03.06.1986 (Rs. 139/85), Slg. 1986, 1741 (1750) und vom 18.06.1987 (Rs. 316/85), Slg. 1987, 2811 (2838); ferner Klose, S. 116; Bleckmann, Europarecht, Rn. 1605. 207 Vgl. Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 39, Rn. 54; Klose, S. 116 mwN. Zum grundsätzlich weiten Verständnis der Grundfreiheiten vgl. EuGH, Urteil vom 13.07.1983 (Rs. 152/8), Slg. 1983, 2323 (2335). 208 Vgl. EuGH, Urteil vom 26.02.1991 (Rs. C-292/89), Slg. 1991, I-745 (777). 205
2. Europarechtliche Vorgaben
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gigkeit, auch in Bezug auf die Ausübung von Freizeitaktivitäten neben der hauptberuflich ausgeübten entgeltlichen Tätigkeit. So traf der Gerichtshof im Jahre 1996 in der Rechtssache C-334/94 (Kommission der Europäischen Gemeinschaft gegen Französische Republik) eine im Hinblick auf die Reichweite der Grundfreiheiten richtungweisende Entscheidung.209 Gegenstand des von der Kommission angestrengten Vertragsverletzungsverfahrens war eine Vorschrift des französischen Rechts, nach der das Führen der französischen Flagge durch Seeschiffe von der Registrierung im französischen Schiffsregister abhängig war. Eine solche Registrierung erfolgte allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sich das Schiff zumindest mehrheitlich im Eigentum französischer Staatsangehöriger oder aber einer Gesellschaft mit Sitz in Frankreich befand. Die Kommission trennte scharf zwischen kommerziell und nicht kommerziell genutzten Schiffen und sah in dieser Vorschrift im Hinblick auf die nicht zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit eingesetzten Schiffe einen Verstoß gegen die Art. 12, 39 und 43 EGV sowie gegen Art. 7 der Verordnung Nr. 1251/70210 und Art. 7 der Richtlinie 75/34/EWG211. Die Europäische Kommission begründet ihre Auffassung damit, dass die Registrierung eines Schiffes zu Vergnügungszwecken zwar streng genommen nicht die Arbeitsbedingungen betreffe, „doch sei die Möglichkeit von Freizeitbetätigungen in einem Mitgliedstaat eine Folgeerscheinung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer in diesem Staat. Niemand soll wegen seiner Staatsangehörigkeit in Bereichen, die mit der Ausübung einer Befugnis nach Gemeinschaftsrecht zusammenhingen, diskriminiert werden.“212
Der in diesem Verfahren zuständige Generalanwalt Fennelly teilte diese Auffassung in seinem Schlussantrag vom 16.09.1995 und führte weiter aus, dass es sich seiner Ansicht nach nicht um eine soziale Vergünstigung im Sinne der VO 1612/68 handele. Ungeachtet dessen erwüchsen aus dem Recht des Arbeitnehmers auf Freizügigkeit jedoch Folgerechte, die nicht durch den Erlass abgeleiteten Gemeinschaftsrechts ausgeschlossen würden. Diese ebenfalls auf Gleichbehandlung abzielenden Rechte entfalten ihre Wirkung gerade in Bereichen, die nicht von Verordnungen abgedeckt werden, und sind daher für das Recht auf Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV – auf das es im vorliegenden Fall ankam, das nicht durch eine starke Rechtsetzungstätigkeit geprägt ist – von besonderer Bedeutung. Ein solches Folgerecht sei auch, dass
209
Vgl. EuGH, Urteil vom 07.03.1996 (Rs. C-334/94), Slg. 1996, I-1307 ff. Vgl. ABl. 1970, Nr. L 142, 24. 211 Vgl. ABl. 1975, Nr. L 14, 10. 212 Vgl. die von Generalanwalt Nial Fennelly in seinem Schlußantrag vom 16.09.1995 (Rs. C-334/94) wiedergegebene Auffassung der Kommission, Slg. 1996, I1307 (1325). 210
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
„Unionsbürger, die sich wegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit in einen anderen Mitgliedstaat begeben, in der Lage sein sollten, sich in die Gesellschaft des betreffenden Mitgliedstaats einzugliedern, und nicht von der Ausübung ihrer wirtschaftlichen Rechte durch Diskriminierung in anderen, für ihr Wohlergehen wesentlichen Bereichen abgehalten werden. Der Zugang zu solchen Freizeitbeschäftigungen ist eine Folge der Freizügigkeit im Bereich wirtschaftlicher Betätigung und fällt damit in den Anwendungsbereich des EGV.“213
Der Gerichtshof selbst schließt sich in seinem Urteil dem Vortrag der Kommission an, gibt sich allerdings mit der ebenfalls knappen Begründung zufrieden, dass der Zugang zu den Freizeitbeschäftigungen im Aufnahmestaat eine Folgeerscheinung der Freizügigkeit darstellt und damit unter die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts fällt.214 Der EuGH hat diese Auffassung in mehreren nachfolgenden Entscheidungen, denen jeweils ein ähnlicher Sachverhalt zugrunde lag, bestätigt.215 Allerdings verpasste der Gerichtshof auch in diesen Urteilen die Gelegenheit, seine Ausführungen auf ein dogmatisches Fundament zu stellen. Dies hätte sich allerdings schon deshalb aufgedrängt, weil bereits der Wortlaut des Art. 39 Abs. 2 EGV nicht unbedingt die Annahme nahe legt, dass auch der ungehinderte Zugang zum bestehenden Freizeitangebot im Aufnahmestaat gewährleistet werden soll. Dieser deutet zunächst vielmehr, wie gezeigt216, auf die Notwendigkeit eines Zusammenhanges mit dem Beschäftigungsverhältnis hin. Unklar bleibt auch, an welcher Stelle sog. Folgeerscheinungen in den sachlichen Anwendungsbereich einzuordnen sind und wo diese ihre Grenze finden. Allein das vom Rechtsgefühl her nachvollziehbare und logische Ergebnis vermag insoweit eine Begründung nicht zu ersetzen.
(d) Bestimmung des sachlichen Anwendungsbereiches von Art. 39 Abs. 2 EGV unter Rückgriff auf allgemeine Auslegungsmethoden Zieht man den Begründungsversuch der Kommission heran, so wurde offensichtlich die nahe liegende Frage gestellt, ob sich Freizeitaktivitäten der Arbeitnehmer im Aufnahmestaat nicht als Arbeitsbedingungen im Sinne das Art. 39 Abs. 2 EGV darstellen könnten, denn die Kommission kommt in ihrer Prüfung zu dem Ergebnis, dass Freizeitbetätigungen streng genommen keine Arbeitsbe213
AaO., I-1307 (1328). Vgl. EuGH, Urteil vom 07.03.1996 (Rs. C-334/94), Slg. 1996, I-1307 (1341). 215 Vgl. die Urteile des EuGH vom 12.06.1997 (Rs. C-151/96), Slg. 1997, I-3327 (3339 f.) und vom 27.11.1997 (Rs. C-62/96), Slg. 1997, I-6725 (6745). 216 Siehe oben, (a). 214
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dingungen sind. Leider geht aus den Ausführungen des Generalanwaltes Fennelly nicht hervor, wie die Kommission den Begriff der Arbeitsbedingungen definierte. Auch der Kommentarliteratur lässt sich eine solche Begriffsbestimmung überwiegend nicht entnehmen. Die Ausführungen beschränken sich hier vielfach auf die Wiederholung des Vertragstextes oder die Aufzählung von Entscheidungen des Gerichtshofes aus diesem Bereich.217 Häufig wird zudem eher auf den Begriff der Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen eingegangen, wie er in die konkretisierende Vorschrift des Art. 7 der VO 1612/68 Eingang gefunden hat.218 Dass allerdings eine vollständige Kongruenz zum Begriff der sonstigen Arbeitsbedingungen im Sinne von Art. 39 nicht bestehen muss, wurde bereits dargelegt.219 Anhand der vorstehend aufgezeigten Grundsätze220 ist daher zu prüfen, ob Art. 39 Abs. 2 EGV – hier im speziellen der Begriff der Arbeitsbedingungen – auch Freizeitaktivitäten erfasst. Einen ersten tatsächlichen Anknüpfungspunkt liefert Art. 39 Abs. 3 EGV, mit ausdrücklich aufgezählten Gewährleistungen.221 Bei dessen Betrachtung fällt zunächst auf, dass sämtliche in lits. a) bis d) genannte Rechte einen direkten Bezug zum Beschäftigungsverhältnis aufweisen. Sie betreffen vorwiegend die Rechtsstellung des Unionsbürgers in Bezug auf die Begründung und Ausübung der entgeltlichen Tätigkeit und beziehen sich damit auf ein konkretes bzw. in Aussicht stehendes Arbeitsverhältnis. Die Ausübung von Freizeitaktivitäten vollzieht sich allerdings – abgesehen vom hier vernachlässigten Betriebssport – außerhalb dieses Beschäftigungsverhältnisses. Dennoch kann die freizeitsportliche Betätigung von Wanderarbeitnehmern nicht völlig abstrakt vom Erwerbsverhältnis betrachtet werden. Die gemeinsame Sportausübung – etwa im Verein – fördert die soziale Integration von Ausländern im Aufnahmestaat und ist wesentliches Element bei der Herstellung gleicher Lebensbedingungen. Das durch Freizeitaktivitäten maßgeblich geprägte soziale Umfeld des Wanderarbeitnehmers nimmt mittelbar auch Einfluss auf das Beschäftigungsverhältnis.222 Zugangshindernisse im Bereich der privaten Freizeitgestaltung wirken sich auf die Attraktivität von Beschäftigungsverhältnissen in anderen Mitgliedstaaten der Gemeinschaft aus und stehen damit der von den Personenverkehrs217 Vgl. etwa Geiger, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 13; Brechmann, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 56; Schneider/Wunderlich, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 39, Rn. 71. 218 Ebd. 219 Siehe oben, (a). 220 Vgl. oben (c). 221 So auch Bongen, S. 30. 222 Vgl. Schroeder, S. 46; PHB-Sportrecht/Summerer, 7. Teil, Rn. 58; Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (90).
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freiheiten bezweckten dauerhaften Integration in einen anderen Mitgliedstaat223 grundsätzlich entgegen. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes erscheint es gerechtfertigt, den Zugang zum Freizeitsport selbst als Arbeitsbedingung im weiteren Sinne anzusehen. Ob sich der Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EGV auch auf derart weit reichende, das Arbeitsverhältnis lediglich mittelbar beeinflussende Modalitäten erstreckt, ist mangels hinreichend konkreter Begriffsbestimmung durch Auslegung zu ermitteln. Die Auslegung hat dabei im Lichte der von Art. 2 und 3 EGV formulierten Vertragsziele zu erfolgen, die wichtige Auslegungshilfen zur Bestimmung der Grenzen zulässigen gemeinschaftsrechtlichen Handelns sind.224 Ins Blickfeld rückt dabei zunächst – in Anbetracht der erheblichen Integrationskraft des Sports225 – die von Art. 2 EGV formulierte Aufgabe des Gemeinschaftsrechts, die Lebenshaltung und Lebensqualität des Einzelnen anzuheben. Dieses Vertragsziel bezieht sich dabei nicht allein auf eine Verbesserung der Einkommenssituation der Unionsbürger und damit auf materielle Gesichtspunkte, sondern betrifft die Verbesserung aller Faktoren, die auf das Lebensniveau einwirken.226 Hierzu müssen diejenigen Umstände gezählt werden, die sich im Umfeld des Beschäftigungsverhältnisses abspielen, den Aufenthalt und damit letztlich auch die Beschäftigung selbst beeinflussen. In diesem Kontext steht auch die inhaltliche Ausgestaltung der Präambel zum EGV mit der Zielsetzung und Absicht, stetig die „Lebens- und Beschäftigungsbedingungen“ der Unionsbürger zu verbessern. Bereits aus der gewählten sprachlichen Formulierung, dem Nebeneinander der Begriffe Lebens- und Beschäftigungsbedingungen wird deutlich, dass sich beide Aufgabenkreise in starker Abhängigkeit voneinander bewegen und nicht isoliert betrachtet werden können. Den Begriff der Beschäftigung greift wiederum Art. 39 Abs. 2 EGV auf. Nun ließe sich einwenden, dieser habe durch die weitergehende Formulierung „…und sonstige Arbeitsbedingungen“ eine Einschränkung dahingehend erfahren, dass Diskriminierungen allein im Hinblick auf die Ausgestaltung des konkreten Arbeitsverhältnisses, nicht jedoch soweit diese lediglich die Beschäftigung im Allgemeinen betreffen, verboten sind. Allerdings lässt sich diese Auslegung mit Blick auf die englischsprachige Fassung des Art. 39 Abs. 2 EGV nicht ohne weiteres aufrechterhalten. Hierin heißt es: 223 Vgl. zu diesem Zweck der Personenverkehrsfreiheiten Groß, in: Perspektiven des Sportrechts, S. 37 (46 und 48). 224 Vgl. hierzu bereits oben, aa) (4) (b). Siehe im Übrigen die Nachweise in Fn. 169. 225 Vgl. PHB-Sportrecht/Summerer, 7. Teil, Rn. 58. 226 Vgl. v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 2, Rn. 31 (Stand: EL 15, Januar 2000).
2. Europarechtliche Vorgaben
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„Such freedom of movement shall entail the abolition of any discrimination based on nationality between workers of the Member States as regards employment, remuneration and other conditions of work and employment.“ 227
Im Gegensatz zum deutschen Vertragstext stellt diese Fassung nicht allein auf Arbeitsbedingungen, sondern zugleich auf Beschäftigungsbedingungen ab und schafft daher Raum für eine weite Auslegung. Dieser sprachliche Unterschied ist durchaus von Relevanz, denn nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann eine einzige Sprachfassung eines mehrsprachigen gemeinschaftsrechtlichen Textes nicht gegenüber allen anderen sprachlichen Fassungen den Ausschlag geben. Vielmehr gebietet die notwendig einheitliche Auslegung des Gemeinschaftsrechts eine Auslegung im Lichte der Fassungen sämtlicher Sprachen.228 Allerdings finden sich schon in der deutschen Fassung, etwa in Art. 136 EGV, weitere Anhaltspunkte, die den engen Zusammenhang zwischen Lebensund Arbeitsbedingungen dokumentieren. Auch hier wird die Verbesserung der „Lebens- und Arbeitsbedingungen“ zum Ziel der europäischen Sozialpolitik erklärt. Eine nachhaltige Beschäftigungspolitik im Bestreben nach der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes umfasst notwendig auch die Mitregelung anderer, ihrer Natur nach nicht wirtschaftlicher, für eine Integration ausländischer Unionsbürger jedoch essentieller Lebensbereiche. Eine strikte Trennung zwischen dem Lebensbereich Beschäftigungsverhältnis und dem hierüber hinausgehenden gesellschaftlichen Status des Wanderarbeitnehmers erscheint ohnehin kaum möglich und wäre der Herstellung wirtschaftlicher Freizügigkeit auch nicht dienlich. Der Zugang zum europäischen Arbeitsmarkt würde erheblich erschwert, wenn Wanderarbeitnehmer bei Ausübung der Beschäftigung Inländern vollumfänglich gleichgestellt wären, sich außerhalb dieses Rahmens aber auf ihre (fremde) Staatsangehörigkeit verweisen lassen müssten. Es stellt sich insoweit die berechtigte Frage, ob es nicht sogar vielmehr der Bereich der Freizeitaktivitäten ist, der ganz maßgeblich für eine Integration des Arbeitnehmers im Aufnahmeland sorgen kann. Auch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet bleibt offen, wie eine berufliche Integration erfolgen soll, wenn im sozialen, nicht-wirtschaftlichen Bereich Diskriminierungen möglich bleiben.229 Gerade die Vereinheitlichung auf wirtschaftlicher Ebene erfordert in zunehmendem Maße auch die gesellschaftliche Integration des Einzelnen. In diesem Bereich existierende diskriminierende Regelungen sind daher an den Grundfreiheiten zu messen, sofern sie die Ausübung des Rechtes auf Freizügigkeit
227
Hervorhebung durch den Verfasser. Vgl. Urteil vom 20.11.2001 (Rs. C-268/99), Slg. 2001, I-8615 (8678) mwN. 229 Vgl. Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (90). 228
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innerhalb des Gemeinschaftsgebietes erschweren und damit ein erkennbarer, zumindest mittelbarer Bezug zum Beschäftigungsverhältnis besteht.230 In Richtung einer zunehmend umfassenden Integration des Einzelnen im Aufnahmestaat weist auch die Entwicklung der Europäischen Union in den letzten Jahrzehnten. Standen zu Beginn des europäischen Entwicklungsprozesses wirtschaftliche Aspekte deutlich im Vordergrund, so treten diese zusehends zugunsten einer gesellschaftspolitischen Integration des Einzelnen zurück. Als Beispiel kann hier die Einführung der Unionsbürgerschaft durch die Vertragsrevision von Maastricht im Jahre 1992 dienen. So wurde erstmals ein eigenständiger Abschnitt im Vertrag verankert (Art. 17 bis 22 EGV), in dem der Unionsbürger als Rechtssubjekt förmlich anerkannt wird.231 Die in den Art. 1721 EGV enthaltenen Rechte ergänzen dabei nach überwiegender Ansicht nicht lediglich an anderer Stelle im Vertrag bereits enthaltene Freiheiten, sondern weisen einen unmittelbar eigenständigen Regelungsgehalt auf.232 Inhaltlich begründen diese Vorschriften einen politischen, gemeinschaftsunmittelbaren Status233 und lösen sich damit von der im Ursprung streng wirtschaftlichen Ausrichtung des EG-Vertrages234. Es zeigt sich die Tendenz zur Einräumung von verfassungsrechtlichen Positionen, die dem Individuum unabhängig von der Teilnahme am Wirtschaftsleben zuerkannt werden.235 Dabei macht die Evolutionsklausel in Art. 22 EGV deutlich, dass diese Entwicklung hin zu einem „Europa für die Bürger“236 ihren Abschluss noch nicht gefunden hat, es sich vielmehr um einen dynamisch fortschreitenden Prozess handelt, der eine weitere Ausgestaltung politischer Bürgerrechte ohne Vertragsänderung ermöglicht.
230 Einen solchen Bezug zur Tätigkeit verlangt wohl auch der EuGH. Vgl. die Urteile vom 11.07.1985 (Rs. 137/84), Slg. 1985, 2681 (2696); vom 17.04.1986 (Rs. 59/85), Slg. 1986, 1283 (1303); vom 29.02.1996 (Rs. C-193/94), Slg. 1996, I-929 (951 f.) und vom 01.06.1999 (Rs. C-301/97), Slg. 1999, I-3099 (3131). Siehe auch die Nachweise in den Fn. 209 und 215. 231 Vgl. Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 17, Rn. 4 (Stand: EL 17, Januar 2001); Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 17, Rn. 1. 232 Vgl. Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 17, Rn. 4 (Stand: EL 17, Januar 2001); Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 18, Rn. 5; Haag, in: Groeben/Schwarze, EU-/ EG-Vertrag, Art. 18, Rn. 7; a. A. Kaufmann-Bühler, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 17, Rn. 6. Umstritten ist, ob sich auch aus Art. 17 EGV unmittelbar Rechte ableiten lassen. Vgl. hierzu Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 17, Rn. 4 (Stand: EL 17, Januar 2001). 233 So Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 17, Rn. 2 (Stand: EL 17, Januar 2001). 234 Vgl. Haag, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 17, Rn. 5; Geiger, EUV/EGV, Art. 17, Rn. 1. 235 Vgl. Herdegen, Rn. 265. 236 Zur Entwicklung dieses Schlagwortes siehe Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 17, Rn. 21 f. (Stand: EL 17, Januar 2001).
2. Europarechtliche Vorgaben
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Diese Entwicklung geht unter anderem auf eine Entschließung des Europäischen Parlaments aus dem Jahre 1977 zurück, in der die Einführung eines allgemeinen Freizügigkeits- und Bleiberechts gefordert wurde.237 Kurze Zeit später, im Jahre 1979, schlug die Europäische Kommission den Erlass einer Richtlinie über ein allgemeines Aufenthaltsrecht vor, was sich jedoch im Rat nicht durchsetzen ließ und 1989 endgültig zurückgenommen wurde. Noch im selben Jahr brachte die Kommission allerdings drei neue Vorschläge ein, unter anderem für eine Richtlinie über das Aufenthaltsrecht von Studenten238, der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und der selbstständig Erwerbstätigen239. Diese Richtlinienentwürfe wurden vom Rat noch im Jahre 1990 angenommen240 und bildeten die Grundlage für die Einführung der Unionsbürgerschaft241 im Vertrag von Maastricht242. Wie die Vertragsrevision von Amsterdam im Jahre 1997243 gezeigt hat, bildete auch der Vertrag von Maastricht lediglich ein Etappenziel auf dem Weg zum „Europa der Bürger“. Zwar sah der Vertrag von Amsterdam keine grundlegenden Neuerungen vor, jedoch wurden die allgemein-politischen Bürgerrechte durch Einfügung eines Informationsrechtes in Art. 21 Abs. 3 EGV fortgeschrieben.244 Die Bestrebungen nach einer vertieften Integration der Bürger finden Ausdruck auch in der Erweiterung der Präambel, wonach die Gemeinschaft nunmehr „entschlossen ist, die höchstmögliche Hebung des Wissensstandes ihrer Völker durch umfassenden Zugang zur Bildung und ständige Fortbildung zu fördern.“
Auch Entwicklungen in neuerer Zeit deuten auf ein Voranschreiten dieses Prozesses hin. Die vorwiegend institutionellen Änderungen des Gemeinschaftsvertrages durch die Vertragsrevision von Nizza im Jahre 2001 ließen die Art. 17 ff. EGV zwar unberührt, während der Vertragsverhandlungen proklamierten jedoch das Europäische Parlament, der Rat und die Kommission am
237
Vgl. ABl. 1977, Nr. C 299, 26. Vgl. ABl. 1989, Nr. C 191, 2; geänderter Vorschlag, ABl. 1990, Nr. C 26, 15. 239 Vgl. ABl. 1989, Nr. C 191, 3; geänderter Vorschlag, ABl. 1990, Nr. C 26, 19. 240 Siehe die in Fn. 148 angegebenen Fundstellen. 241 Zum geschichtlichen Entwicklungsprozess der Unionsbürgerschaft siehe die überblicksartigen Darstellungen von Haag, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 18, Rn. 1 ff. und Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 18, Rn. 2 f. Eingehender Schulz, S. 53 ff.; Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 17, Rn. 19 ff. (Stand: EL 17, Januar 2001). 242 Vgl. ABl. 1992, Nr. C 191, 1. 243 Vgl. ABl. 1997, Nr. C 340, 1; BGBl. 1998 II, 387. 244 Zu den Änderungen der Art. 17 ff. EGV durch die Vertragsrevisionen von Amsterdam und Nizza vgl. Haag, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 17, Rn. 4. 238
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07.12.2000 eine eigenständige Grundrechtscharta245, die in Art. 45 Abs. 1 eine der allgemeinen Freizügigkeitsbestimmung des Art. 18 Abs. 1 EGV nahezu identische Entsprechung enthält. Bereits die Ausarbeitung eines selbstständigen Grundrechtskataloges veranschaulicht die neuere Entwicklung des Gemeinschaftsrechts, den Bürger als Rechtssubjekt stärker in den Vordergrund zu rücken.246 Ob und in welcher Form diese Entwicklung allerdings eine Fortsetzung findet, ist nach dem Scheitern des Ratifizierungsverfahrens zur EU-Verfassung unklar247. Der bisherige Entwurf jedenfalls sah vor, dass die unabhängig von einer wirtschaftlichen Betätigung bestehenden Mobilitätsgewährleistungen weiter ausgedehnt werden. Beispielhaft wurde bereits auf die beabsichtigte Verbesserung der Rechtsstellung im Rahmen der Unionsbürgerschaft hingewiesen.248 Die als eigenständige Rechtsperson auftretende Europäische Union – so Art. I-7 der EU-Verfassung249 – sollte zudem über weitergehende Kompetenzen bei der Umsetzung des Freizügigkeitsgedankens verfügen und bereits dann zur Rechtsetzung befugt sein, wenn die Ausübung der Freizügigkeit hierdurch erleichtert wird. Ungeachtet der neueren Entwicklung lässt sich jedoch feststellen, dass der Begriff der Freizügigkeit im Verständnis des Gemeinschaftsrechts einen Wandel erfahren hat, der nicht-wirtschaftliche Komponenten nicht mehr aus-, sondern vielmehr einschließt. Die Entwicklung hat einen Stand erreicht, der es rechtfertigt, die von Art. 39 Abs. 2 EGV gewährleistete Freizügigkeit nicht allein auf das konkrete Arbeitsverhältnis zu beziehen, sondern extensiv auszulegen und auch Diskriminierungen im gesellschaftlichen Bereich zu berücksichtigen, sofern diese die Aufnahme und Ausübung eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses erschweren. Ein enges Verständnis, begrenzt auf einen funktional unmittelbaren Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, würde den vorstehend dargelegten Entwicklungsprozess unberücksichtigt lassen und dem Stand der Bemühungen um ein „Europa der Bürger“ nicht gerecht werden.250
245
Vgl. ABl. 2000, Nr. C 364, 1. Vgl. Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 17, Rn. 19 ff. (Stand: EL 17, Januar 2001), der im Übrigen auf die systematische Stellung der Unionsbürgerschaft zu Beginn des EGV hinweist und hieraus – in Parallele zu den Erwägungen des deutschen Verfassungsgebers bei Einordnung der Grundrechte in das GG – auf ihre Wesentlichkeit schließt. 247 Siehe hierzu Fn. 181. 248 Vgl. oben, Fn. 185. Zur neueren Entwicklung siehe auch unten, ee). 249 Vgl. ABl. 2004, Nr. C 310, 1. 250 Nach Auffassung der Europäischen Kommission stehen Diskriminierungen auf dem Gebiet des Amateursports im Widerspruch zum Konzept eines „Europas der Bürger“. Siehe die Antwort der Kommission auf die schriftliche Anfrage Nr. 1868/90 von 246
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Anzumerken bleibt, dass diese Erwägungen entsprechend für das Verständnis der Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV und der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 49 EGV gelten müssen, denn es entspricht der zutreffenden und ganz überwiegenden Ansicht, dass sich die Grundfreiheiten in ihrer Reichweite nicht wesentlich unterscheiden251, sondern als Einheit zu verstehen sind, was sich bereits aus ihrer einheitlichen systematischen Struktur und Zielsetzung (Art. 3 Abs. 1 lit. c) und 14 Abs. 2 EGV) ergibt.252 Auch Restriktionen aus dem nicht wirtschaftlichen Umfeld des Selbstständigen, die sich auf das Recht der freien Niederlassung auswirken, stellen daher im Grundsatz unzulässige Diskriminierungen dar.
(e) Freizeitsport als „Arbeitsbedingung“ – Kompetenzerweiterung auf Grundlage von „effet utile“ und „implied powers“ Die soeben vorgenommene Bestimmung der Reichweite des Art. 39 Abs. 2 EGV erreicht allerdings die Grenze einer nach dem Wortlaut zulässigen Auslegung und setzt sich damit dem Vorwurf einer unzulässigen Kompetenzerweiterung aus.253 Das gewonnene Auslegungsergebnis löst sich weit vom Begriff der Arbeitsbedingungen und verzichtet auf einen funktionellen Zusammenhang zwischen Einfluss nehmender „Bedingung“ und dem konkreten Arbeitsverhältnis. In Bezug auf den Wortlaut des Art. 39 Abs. 2 EGV ist damit eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches nicht ohne weiteres zu bestreiten. Betrachtet man die vom und vor dem EuGH in der Rechtssache C-334/94 vorgetragene Argumentation, in der vom Gerichtshof der ungehinderte Zugang zu Freizeitbeschäftigungen als Folgeerscheinung der Freizügigkeit254 und von Herrn Marc Galle vom 02.10.1990, ABl. 1991, Nr. C 63, 43. Nach neueren Verlautbarungen sieht die Kommission in der Teilnahmemöglichkeit an Amateursportwettkämpfen eine „soziale Vergünstigung“, die Unionsbürgern nicht vorenthalten werden dürfe. So jedenfalls im Fall des deutschen Studenten Harmann, dem in Spanien der beantragte Spielerpass für eine Fußball-Amateurliga verwehrt wurde. Siehe Friedmann, SpuRt 2005, 18 (18). Im Ergebnis auch für die Anwendung der Freizügigkeitsvorschriften auf Freizeitsportler mit entgeltlichem Beschäftigungsverhältnis Fikentscher, in FS für Fikentscher, S. 635 (645); PHB-Sportrecht/Summerer, 7. Teil, Rn. 54 ff.; Schroeder, S. 57, 70; Zuleeg, in: Sportrecht in Europa, S. 1 (6); Gutmann, SpuRt 1997, 38 (40); Zinger, S. 130; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 136 (Stand: EL 18, Mai 2001); Bleckmann, Europarecht, Rn. 1583, 1605; wohl auch Schimke, S. 230; a. A. Klose, S. 123. 251 Vgl. etwa Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 1, 7; Schlag, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 43, Rn. 1; Oppermann, Rn. 1583; Groß, S. 443 f. 252 Vgl. Schroeder, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 28, Rn. 11. 253 So Klose, S. 116 ff. 254 Vgl. EuGH, Urteil vom 07.03.1996 (Rs. C-334/94), Slg. 1996, I-1307 (1341).
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Generalanwalt Fennelly sogar als Folgerecht bezeichnet wird255, so deutet in der Tat einiges darauf hin, dass es sich um eine über den Wortlaut der Grundfreiheiten hinausgehende Erweiterung gemeinschaftsrechtlicher Kompetenzen handelt. Fennelly begründet seine Auffassung denn auch mit einem Verweis auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Cowan256. Der Gerichtshof führte hierin aus, dass eine Diskriminierung von Unionsbürgern in anderen Mitgliedstaaten auch durch solche nationale Vorschriften verboten sei, deren Regelungsgegenstand in den Kompetenzbereich der einzelnen Mitgliedstaaten fällt.257 Einer Erweiterung gemeinschaftsrechtlicher Kompetenzen steht allerdings grundsätzlich das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung entgegen. Nur ausnahmsweise kommen Zuständigkeiten der Gemeinschaft außerhalb des übertragenen Kompetenzbereiches in Betracht. Namentlich kann dies auf die einer effizienten und wirksamen Umsetzung des Gemeinschaftsrechts dienenden Prinzipien „effet utile“ und „implied powers“ gestützt werden. Schon der Ausnahmecharakter dieser Kompetenzen zwingt allerdings zu einer engen Auslegung.258 Auch darf nicht übersehen werden, dass ein Rückgriff auf diese Kompetenzerweiterungen nur dann möglich und notwendig ist, wenn sich dem Vertrag selbst keine Zuständigkeit entnehmen lässt. Klammert man allerdings – entgegen der hier vertretenen Ansicht – das Arbeitsverhältnis lediglich mittelbar beeinflussende allgemeine Lebensbedingungen aus dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten aus, so fragt sich daher zunächst, ob das Gemeinschaftsrecht nicht an anderer Stelle Vorschriften enthält, die bestehenden Diskriminierungen im privaten Lebensbereichen entgegen stehen. In Betracht kommt hier insbesondere das allgemeine Diskriminierungsverbot des Art. 12 EGV.
(f) Zur grundsätzlichen Reichweite des allgemeinen Diskriminierungsverbotes nach Art. 12 EGV Art. 12 EGV verbietet im Anwendungsbereich des Vertrages grundsätzlich jede Diskriminierung von Unionsbürgern aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit und knüpft damit gerade nicht an ein bestehendes oder anvisiertes Arbeitsverhältnis an. Entscheidendes Gewicht kommt hier der Frage zu, ob sich Diskrimi255
AaO., I-1307 (1328). Vgl. EuGH, Urteil vom 02.02.1989 (Rs. 186/87), Slg. 1989, 195 ff. 257 AaO., 195 (221 f.). 258 So die ganz herrschende Meinung, vgl. etwa Bleckmann, Europarecht, Rn. 798 mwN. 256
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nierungen bei der privaten Freizeitgestaltung noch innerhalb des vertraglichen Anwendungsbereiches halten. Der EuGH hat den sachlichen Rahmen des Vertrages von jeher sehr weit gezogen und sieht hiervon alle Sachverhalte als erfasst an, die einen Bezug zum Gemeinschaftsrecht aufweisen.259 Nach Auffassung des Gerichtshofes soll hierfür bereits ausreichen, dass Berührungspunkte mit einer gemeinschaftsrechtlich geregelten Situation vorliegen, und sei es durch die mittelbaren Auswirkungen einer nationalen Vorschrift.260 Unerheblich soll hierbei auch sein, ob im betroffenen Bereich positive Zuständigkeiten der Gemeinschaft bestehen.261 Regelmäßig werden nach Auffassung des EuGH diskriminierende Bestimmungen bereits dann vom Anwendungsbereich des Vertrages erfasst, wenn sich ein Bezug zu einer Grundfreiheit herstellen lässt.262 In der Literatur wird überwiegend widerspruchslos auf die Ansicht des EuGH verwiesen.263 Ausdrückliche Übereinstimmung besteht allerdings darin, dass Art. 12 EGV die materiellen Regelungen und Kompetenzbestimmungen des Vertrages in den Bereichen abrundet, die für eine Verwirklichung der Grundfreiheiten von wesentlicher Bedeutung sind.264 Nach überwiegender Ansicht265 reicht jedoch allein die partielle Überschneidung des Regelungsgehaltes einer nationalen Vorschrift mit einer gemeinschaftsrechtlich geregelten Situation für die Anwendung von Art. 12 EGV nicht aus. Notwendig ist vielmehr das Vorliegen eines Zusammenhanges zwischen dem berührten Teilaspekt des Gemeinschaftsrechts und der von der nationalen Norm konkret geregelten Rechtsfrage. Eine exakte inhaltliche Bestimmung dieser Verbindung erweist sich allerdings als überaus schwierig. Das Spektrum der hierzu vertretenen Meinungen reicht von der Forderung nach einem unmittelbaren Zusammenhang266 bis hin zur Notwendigkeit eines spezifischen Bezuges 259
Vgl. EuGH, Urteil vom 02.02.1989 (Rs. 186/87), Slg. 1989, 195 (219 f.). Vgl. EuGH, Urteil vom 20.03.1997 (Rs. C-323/95), Slg. 1997, I-1711 (1723 f.). 261 So der EuGH im Urteil vom 13.02.1985 in der Rs. 293/83, in der er unter Hinweis auf die gemeinsame Bildungspolitik der Mitgliedstaaten nach Art. 150 EGV (= Art. 128 EGV aF.) Ungleichbehandlungen bei der Zahlung von Studiengebühren als Verstoß gegen Art. 12 EGV wertete. Vgl. Slg. 1985, 593 (613 f.). 262 Siehe die Entscheidungen des EuGH vom 26.09.1996 (Rs. C-43/95), Slg. 1996, I4661 (4675); vom 20.03.1997 (Rs. C-323/95), Slg. 1997, I-1711 (1723) und vom 24.11.1998 (Rs. C-274/96), Slg. 1998, I-7637 (7655 f.). 263 Vgl. etwa Holoubek, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 12, Rn. 28 ff.; Zuleeg, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 12, Rn. 11 ff.; Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 12, Rn. 18 ff. 264 Vgl. v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV (Maastricht), Art. 6, Rn. 44 (Stand: EL 7, September 1994); Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 12, Rn. 21. 265 Vgl. EuGH, Urteil vom 02.02.1989 (Rs. 186/87), Slg. 1989, 195 (221); Schulz, S. 256; Avenarius, NVwZ 1988, 385 (389); v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV (Maastricht), Art. 6, Rn. 44 (Stand: EL 7, September 1994). 266 So Avenarius, NVwZ 1988, 385 (389). 260
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der Regelungsmaterie zur Ausübung gemeinschaftsrechtlicher Positionen267. Freilich wird auch bei Verwendung dieser Begriffe nicht hinreichend deutlich, an welcher Stelle genau die Grenze zu den außerhalb des Gemeinschaftsrechts liegenden Sachverhalten verläuft. Vollends überzeugen können diese Auffassungen allerdings auch deshalb nicht, weil sie einen Zusammenhang ohne jede Differenzierung in Bezug auf Art, Ausmaß und inhaltliches Gewicht der Überlagerung annehmen. Nach der hier vertretenen Auffassung erscheint es vielmehr gerechtfertigt, den sachlichen Zusammenhang in Abhängigkeit von der Bedeutung der gemeinschaftsrechtlich geregelten Situation für die Verwirklichung der Vertragsziele zu bestimmen, die sich unter anderem darin widerspiegelt, ob im betroffenen Bereich eigene Zuständigkeiten der Gemeinschaft bestehen. Ein Zusammenhang zwischen dem Regelungsgehalt der nationalen Bestimmung und der gemeinschaftsrechtlich betroffenen Materie muss dann angenommen werden, wenn die nationale Regelung geeignet ist, spürbar und nachhaltig die Verwirklichung der Vertragsziele zu beeinflussen. Tangiert die nationale Vorschrift Bereiche des Gemeinschaftsrechts, in denen nur subsidiäre Zuständigkeiten der Gemeinschaft bestehen, etwa auf kulturellem Gebiet268, so macht der Mitgliedstaat in erster Linie von ihm zustehenden Kompetenzen Gebrauch. Agiert der Mitgliedstaat hingegen in Sachbereichen, die sich unmittelbar auf die Primärziele des Vertrages beziehen und in denen eigenständige Kompetenzen der EG bestehen, so muss sich die Zulässigkeit seines Handelns anhand anderer Maßstäbe bestimmen, denn er berührt unmittelbar den Rechtskreis der Gemeinschaft. Auch hinsichtlich der mittelbaren Auswirkungen nationaler Regelungen auf die Umsetzung der Vertragsziele bietet es sich an, den sachlichen Anwendungsbereich des Vertrages im Sinne des Art. 12 EGV danach zu bestimmen, inwieweit die fragliche Vorschrift Regelungsbereiche beeinflusst, die kompetenzrechtlich der Gemeinschaft zuzuordnen sind. Die Frage nach dem vertraglichen Anwendungsbereich beantwortet sich hiernach im Wesentlichen in zwei Schritten: Zunächst sind der konkret betroffene Aufgabenbereich des Gemeinschaftsrechts und dessen Bedeutung für die Umsetzung der Vertragsziele zu ermitteln. In einem zweiten Schritt ist festzustellen, inwiefern die Verwirklichung dieser Ziele durch die nationale Regelung beeinflusst wird. Je weiter diese Regelung objektiv in den der Gemeinschaft übertragenen Kompetenz- und Aufgabenbereich vordringt, desto eher ist ein gemeinschaftsrechtlich geregelter Sachverhalt gegeben und der Anwendungsbereich des Vertrages eröffnet. Die Anforderungen an die Feststellungen zum 267 Vgl. v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV (Maastricht), Art. 6, Rn. 45 (Stand: EL 7, September 1994). 268 Vgl. hierzu oben, aa) (4) (c).
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Einfluss der nationalen Regelung werden dabei in zunehmendem Maße geringer, je tiefer die nationale Bestimmung in einen Bereich hineinreicht, in dem eigene gemeinschaftsrechtliche Zuständigkeiten bestehen. Berührt die nationale Regelung danach wahrnehmbar den Aufgabenkreis der Gemeinschaft, so ist der vertragliche Anwendungsbereich eröffnet. Daraus wird deutlich, dass der hier vorgeschlagene Lösungsversuch keine Abgrenzung anhand allgemeingültiger Kriterien ermöglicht, sondern die gesonderte Betrachtung eines jeden Einzelfalles erfordert. Die Bestimmung des vertraglichen Anwendungsbereiches auf dieser Grundlage stellt sich jedoch zugleich als äußerst flexibles Instrument dar, da sie ohne Schwierigkeiten in der Lage ist, den Entwicklungsprozess des Gemeinschaftsrechts in jeder Phase ausreichend zu berücksichtigen.269 Auch begegnet die hier vertretene Auffassung der Gefahr, dass über Art. 12 EGV faktisch in Zuständigkeitsbereiche eingebrochen wird, die nicht auf die Gemeinschaft übertragen, sondern gerade bei den Mitgliedstaaten verblieben sind. Eine solche faktische Kompetenzerweiterung droht allerdings dann, wenn man davon ausgeht, dass eine gemeinschaftsrechtlich geregelte Situation bereits dann vorliegt, wenn „…Bezugspunkte mit irgendeinem der Sachverhalte, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt“270
bestehen. Erstreckt man den Anwendungsbereich des Vertrages im Sinne des Art. 12 EGV in jedem Fall auch auf mittelbar betroffene Bereiche, die im Vertrag lediglich angesprochen sind, in denen aber nur subsidiäre oder gegebenenfalls überhaupt keine Zuständigkeiten der Gemeinschaft bestehen, dann bedeutet dies unter formalen Gesichtspunkten betrachtet zwar keinen Eingriff in die gemeinschaftsrechtliche Kompetenzverteilung, da die Mitgliedstaaten durch Art. 12 EGV lediglich dazu angehalten werden, ihre Kompetenzen in einer bestimmten Art und Weise, nämlich nicht diskriminierend auszuüben271, führt 269 Für ein solches flexibles Verständnis auch Schulz, S. 256 f.; Schroeder, S. 48; Epiney, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 12, Rn. 22. 270 So Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 12, Rn. 18 unter Verweis auf das Urteil des EuGH vom 27.10.1982 (Rs. 35 und 36/82), Slg. 1982, 3723 Rn. 16. Der EuGH selbst formuliert allerdings negativ: „Daraus ergibt sich, dass die Vorschriften des EWG-Vertrages über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und die zu ihrer Durchführung erlassene Regelung nicht auf Sachverhalte angewandt werden können, die keinerlei Berührungspunkte mit irgendeinem der Sachverhalte aufweisen, auf die das Gemeinschaftsrecht abstellt.“ Ob hieraus allerdings der von Streinz gezogene Umkehrschluss folgt, erscheint zumindest nicht unproblematisch. Dennoch wird man aufgrund der bisherigen Rechtsprechung des EuGH davon ausgehen können, dass der Gerichtshof ein ähnlich weites Begriffsverständnis zugrunde legt. 271 So v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV (Maastricht), Art. 6, Rn. 36 (Stand: EL 7, September 1994).
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aber im Ergebnis für sie zu einem faktischen Harmonisierungszwang.272 Damit würden den Mitgliedstaaten verbliebene Kompetenzfelder vom Gemeinschaftsrecht gesteuert und die vom Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung (Art. 5 Abs. 1 EGV) gesicherte thematische Begrenzung der EG-Zuständigkeiten aufgeweicht.273 Nur in Bereichen, in denen das nationale Recht willentlich vom Gemeinschaftsrecht überlagert wird und eine nationale Regelung die Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben konterkarieren, die Umsetzung gemeinschaftlicher Aufgaben letztlich gefährden würde, ist es gerechtfertigt, die Grenzen des vertraglichen Anwendungsbereiches weit zu ziehen. Unter Berücksichtigung dieses Umstandes ist insbesondere nicht einzusehen, weshalb Art. 12 EGV „passiv“ die Regelung durch Mitgliedstaaten auch in solchen Bereichen verhindern sollte, in denen die Gemeinschaft selbst nicht ohne weiteres aktiv tätig werden dürfte.
(g) Freizeitsport im Anwendungsbereich von Art. 12 EGV In Anwendung vorstehend aufgestellter Grundsätze ist daher zu ermitteln, inwiefern eine Diskriminierung von Wanderarbeitnehmern im Bereich des Freizeitsports von der Gemeinschaft wahrzunehmende Aufgaben tangiert und welche Bedeutung dem betroffenen Aufgabenbereich bei der Umsetzung der vertraglichen Zielvorgaben zukommt. Unübersehbar sind zunächst bestehende Berührungspunkte mit den Personenverkehrsfreiheiten der Art. 39 und 43 EGV. Ebenso wie diese treffen Ausländerklauseln Regelungen für den grenzüberschreitenden Aufenthalt von Unionsbürgern. Eine Verknüpfung erfahren beide Regelungsbereiche dadurch, dass auch diejenigen Personen vom Anwendungsbereich der Ausländerklauseln erfasst werden, die sich zum Zwecke der Ausübung ihres Freizügigkeitsrechts in einen anderen Mitgliedstaat begeben. In diesem Fall betreffen Ausländerklauseln auch den wirtschaftlich motivierten Aufenthalt. Sind den Einsatz beschränkende Regelungen im Sport damit grundsätzlich geeignet, die gemeinschaftsrechtlich geregelten Personenfreizügigkeiten zu berühren, so ist weiterhin klärungsbedürftig, welche Bedeutung den Art. 39 und 43 EGV für die Umsetzung der Vertragsziele zukommt und inwiefern diese Zielsetzungen durch bestehende Ausländerklauseln auf der Ebene des Freizeitsportes gefährdet werden. Innerhalb der vertraglichen Zielsetzungen sind die Personenverkehrsfreiheiten, neben der Kapital-, Dienstleistungs- und Warenverkehrsfreiheit, von herausragender Bedeutung. Wie sich unmittelbar Art. 3 Abs. 1 lit. c) und Art. 14 272 273
Vgl. Bode, EuZW 2002, 637 (638). Vgl. Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 18, Rn. 5.
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Abs. 2 EGV entnehmen lässt, sind sie Instrument zur Verwirklichung des Binnenmarktes. In dieser Funktion konstituieren die Grundfreiheiten den gemeinsamen Markt (Art. 2) sowie den Binnenmarkt nach Art. 14 EGV und bilden fundamentale Grundsätze des Vertrages.274 Die Freizügigkeitsrechte sind Ausdruck wirtschaftlicher Mobilität innerhalb eines grenzenlosen europäischen Binnenmarktes und damit tragendes Element bei der Verwirklichung der wirtschaftlichen Hauptziele des Vertrages.275 Zu Recht hebt der EuGH dies wiederholt in seiner Rechtsprechung hervor und bezeichnet die Personenverkehrsfreiheiten als fundamentalen Grundsatz des Gemeinschaftsrechts.276 Die grundlegende Bedeutung nimmt der Gerichtshof denn auch zum Anlass für ein weites Verständnis der Freizügigkeitsrechte, da sich nur so die Vertragsziele effektiv umsetzen lassen.277 Ist der Bedeutungsgehalt der Art. 39 und 43 EGV für das wirtschaftliche Hauptziel der Gemeinschaft damit im Wesentlichen skizziert, bleibt letztlich festzustellen, inwiefern das Bestehen von Ausländerklauseln im Freizeitsport die Verwirklichung dieses Zieles beeinflusst und wie dieser Einfluss im Verhältnis zur Bedeutung der Personenfreizügigkeit für die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes zu gewichten ist. Der Wert des Sportes für die gesellschaftliche Integration von Ausländern wurde bereits mehrfach angesprochen.278 Die wirtschaftliche Integration des Wanderarbeitnehmers wird hiervon zwar grundsätzlich nicht berührt, allerdings bleibt offen, wie ein ökonomisch orientierter Binnenmarkt, der maßgeblich auf dem freien Personenverkehr basiert, ohne gleichwertige Integration im gesellschaftlichen Umfeld dauerhaften Bestand haben kann. So stellte Hilf bereits vor geraumer Zeit im Zusammenhang mit dem sachlichen Anwendungsbereich des Vertrages die Frage, ob „…nicht gerade der Amateursport wie die Teilnahme am sonstigen sozialen Leben mit existentiell für die Integration der ausländischen Arbeitnehmer“279
ist. Außerhalb der beruflichen Tätigkeit existierende Diskriminierungen können letztlich ausschlaggebend für die Entscheidung sein, nicht vom Freizügig274 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 39-55, Rn. 2 (Stand: EL 18, Mai 2001). 275 Vgl. etwa Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 1. 276 Vgl. EuGH, Urteile vom 07.07.1976 (Rs. 118/75), Slg. 1976, 1185 (1198); vom 15.10.1987 (Rs. 222/86), Slg. 1987, 4097 (4115); vom 07.07.1992 (Rs. C-370/90), Slg. 1992, I-4265 (4292 f.); vom 31.03.1993 (Rs. C-19/92), Slg. 1993, I-1663 (1696) und vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), 1995, I-4921 (5065, 5068). 277 Siehe oben, Fn. 208 sowie die Nachweise in Fn. 207. 278 Vgl. oben, I. 2. 279 Vgl. Hilf, NJW 1984, 517 (520).
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keitsrecht Gebrauch zu machen. Stellt sich die Eingliederung in ein neues Lebensumfeld erfahrungsgemäß bereits aufgrund der veränderten Umgebung und fehlender sozialer Kontakte als schwierig dar, so würde diese durch gemeinschaftsrechtlich möglicherweise zulässige Diskriminierungen im außerberuflichen Bereich zusätzlich erschwert. Bestehende Ungleichbehandlungen im Freizeitsport sind daher Mobilitätsbeschränkungen, die einer ungehinderten Ausübung des Rechts auf Freizügigkeit grundsätzlich entgegenstehen und die eine freie persönliche Entfaltung im Aufnahmeland behindern. Sind Ausländerklauseln damit jedenfalls geeignet, einen für die Schaffung des europäischen Binnenmarktes so eminent wichtigen Bereich wie die Freizügigkeit des Personenverkehrs zu berühren, so liegt nach vorstehenden Grundsätzen eine gemeinschaftsrechtlich geregelte Situation vor, die vom Anwendungsbereich des Vertrages und damit von Art. 12 EGV erfasst wird. Letztlich deckt sich dieses Ergebnis auch mit der Auffassung des EuGH, der im Fall der Betroffenheit einer Grundfreiheit den sachlichen Anwendungsbereich des Vertrages als eröffnet ansieht.280 Die eingangs gestellte Frage nach dem Vorliegen einer Kompetenzerweiterung ist also im Ergebnis zu verneinen, da Freizeitaktivitäten von Wanderarbeitnehmern Ausfluss der Mobilitätsgewährleistungen des EGV sind und damit in den Anwendungsbereich des Vertrages fallen. Bestehende Ungleichbehandlungen in diesem Bereich sind daher jedenfalls am Maßstab des Art. 12 EGV zu messen.
(3) Zur Bereichsausnahme für Beschäftigungen in der öffentlichen Verwaltung nach Art. 39 Abs. 4 EGV Geht man mit der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass Freizeitaktivitäten eines Wanderarbeitnehmers bereits vom Schutzbereich des Art. 39 Abs. 2 EGV erfasst werden, so gilt dies grundsätzlich nur für außerhalb der öffentlichen Verwaltung tätige Ausländer, da Abs. 4 das Beschäftigungsverhältnis im Verwaltungsapparat eines Mitgliedstaates vom Anwendungsbereich des Art. 39 EGV ausnimmt.281 Bedenken hiergegen könnten insbesondere daher rühren, dass die zu beurteilenden Ausländersperrklauseln allein das private Lebensumfeld des Arbeitnehmers außerhalb seiner hoheitlichen Tätigkeit betreffen und daher per se ungeeignet sind, mit dem Normzweck von Art. 39 Abs. 4 EGV zu kollidieren, der wohl maßgeblich darauf abzielt, den Mitgliedstaaten die Besetzung derjenigen Stellen im Staatsapparat mit eigenen Staatsangehörigen vorzu280
Vgl. EuGH, Urteil vom 20.09.2001 (Rs. C-184/92), Slg. 2001, I-6193 (6243). Ein ähnlicher Vorbehalt zugunsten der öffentlichen Verwaltung findet sich auch bei den übrigen Personenverkehrsfreiheiten, vgl. Art. 45 Abs. 1, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 55 EGV. 281
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behalten, die eine besondere Verbundenheit des Stelleninhabers zum Staat voraussetzen282. Die Anwendung des Art. 39 Abs. 4 EGV würde im Übrigen zu dem zweifelhaften Ergebnis führen, dass im überwiegend wertneutralen Bereich des Sports, in dem Menschen größtenteils frei von ihren politischen Überzeugungen und ihrem gesellschaftlichen Status zusammentreffen, das konkrete Beschäftigungsverhältnis für die Rechtsstellung des Sportlers maßgebend wird, obwohl dieser Umstand weder für den sportlichen Wettkampf von Bedeutung ist noch im Bewusstsein der Beteiligten eine Rolle spielt. Bei genauerer Betrachtung stellt dies allerdings ein Scheinproblem dar, denn der EuGH hat bereits zutreffend und mit überzeugender Begründung entschieden, dass trotz der Bereichsausnahme des Art. 39 Abs. 4 EGV in der Verwaltung beschäftigte Unionsbürger in Bezug auf Entlohnung oder sonstige Arbeitsbedingungen wie Inländer zu behandeln sind283: „Denn bereits die Tatsache der Aufnahme in den Dienst der Verwaltung zeigt, dass die Interessen, die die Ausnahmen vom Grundsatz der Nichtdiskriminierung gemäß Art. 48 Abs. 4284 rechtfertigen, nicht in Frage stehen.“285
Greift die Bereichsausnahme des Abs. 4 daher nicht ein, so bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme, auch den in der öffentlichen Verwaltung eines anderen Mitgliedstaates beschäftigten Unionsbürgern die Gewährleistungen des Art. 39 Abs. 2 EGV in gleichem Umfang zu Teil werden zu lassen, wie sie außerhalb der Verwaltung beschäftigten Unionsbürgern zukommen. Art. 39 Abs. 4 EGV wirkt sich im Ergebnis daher nur auf Gemeinschaftsangehörige aus, die Zugang zu einer Beschäftigung in der öffentlichen Verwaltung eines anderen Mitgliedstaates suchen.286 Ihr Status entspricht insoweit dem derjenigen Unionsbürger, die sich beschäftigungslos in einem anderen Mitgliedstaat aufhalten.287 Allerdings dürfte es sich bei der hier betroffenen Personengruppe praktisch um einen sehr kleinen Kreis handeln, da nach ganz 282 So zumindest der EuGH in ständiger Rechtsprechung seit seinem Urteil vom 17.12.1980 (Rs. 149/79), Slg. 1980, 3881 (3900). Vgl. zur nicht unumstrittenen Funktion des Art. 39 Abs. 4 EGV Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 39, Rn. 155. 283 Vgl. die Urteile des EuGH vom 12.02.1974 (Rs. 152/73), Slg. 1974, 153 (162 f.); vom 16.06.1987 (Rs. 225/85), Slg. 1987, 2625 (2639); vom 12.03.1998 (Rs. C-187/96), Slg. 1998, I-1095 (1116) und vom 30.11.2000 (Rs. C-195/98), Slg. 2000, I-10497 (10548). 284 Jetzt Art. 39 Abs. 4 EGV. 285 Vgl. EuGH, Urteil vom 12.02.1974 (Rs. 152/73), Slg. 1974, 153 (163). 286 So auch der EuGH, Urteil vom 12.02.1974 (Rs. 152/73), Slg. 1974, 153 (162 f.) und Urteil vom 30.11.2000 (Rs. C-195/98), Slg. 2000, I-10497 (10548). 287 Vgl. hierzu sogleich unter cc).
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überwiegender Meinung der Begriff der öffentlichen Verwaltung schon infolge des Ausnahmecharakters der Vorschrift eng auszulegen ist288 und Art. 39 Abs. 4 EGV damit nur in sehr begrenzten Fällen Anwendung findet. Lediglich diejenigen Stellen sind vom Anwendungsbereich der Freizügigkeitsvorschriften ausgenommen, „die eine unmittelbare oder mittelbare Teilnahme an der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und an der Wahrnehmung solcher Aufgaben mit sich bringen, die auf die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates oder anderer öffentlicher Körperschaften gerichtet sind.“289
Dies betrifft überwiegend die Bereiche der klassischen Eingriffsverwaltung, etwa die Polizei und Rechtspflege290, nicht jedoch die Tätigkeit von Lehrern291, Fachärzten im öffentlichen Dienst292 oder Angestellten in Bereichen des öffentlichen Post- und Fernmeldewesens293.
cc) Die Mobilitätsgewährleistungen des Art. 18 Abs. 1 EGV – Instrument zur Vollintegration des Unionsbürgers im Aufnahmeland? Ist damit zunächst der Anwendungsbereich gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften für Wanderarbeitnehmer und Selbstständige abgesteckt294, so drängt sich unmittelbar im Anschluss die Frage auf, ob Ausländerklauseln auch dann geeignet sind, den sachlichen Anwendungsbereich des Vertrages im Sinne von Art. 12 EGV zu berühren, wenn der betroffene Personenkreis ausschließlich aus Unionsbürgern besteht, die nicht am Wirtschaftsleben teilnehmen. Diese Fragestellung beruht im Wesentlichen auf der Einführung der Unionsbürgerschaft in den Art. 17 ff. EGV im Jahre 1993. Das nunmehr in Art. 18 Abs. 1 EGV verankerte allgemeine Aufenthaltsrecht verkörpert dabei einen ganz wesentlichen Teil der für den Einzelnen mit dieser Vertragsänderung verbundenen Erweiterungen seiner individuellen Rechte. Waren bis dato sämtliche primärrechtlichen Personenverkehrsfreiheiten notwendig an die Ausübung einer wirt288 Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 12.02.1974 (Rs. 152/73), Slg. 1974, 153 (162); Scheuer, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 39, Rn. 84 mwN.; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 216 mwN. (Stand: EL 18, Mai 2001). 289 So der EuGH seit seinem Urteil vom 17.12.1980 (Rs. 149/79), Slg. 1980, 3881 (3900). 290 Vgl. Brechmann, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 103 mwN. 291 Vgl. EuGH, Urteil vom 27.11.1991 (Rs. C-4/91), Slg. 1991, I-5627 (5641). 292 Vgl. EuGH, Urteil vom 15.01.1998 (Rs. C-15/96), Slg. 1998, I-47 (66). 293 Vgl. EuGH, Urteil vom 02.07.1996 (Rs. C-290/94), Slg. 1996, I-3285 (3327 f.). 294 Zum identischen Verständnis der Personenverkehrsfreiheiten siehe oben, bb) (2) (d) a. E. sowie die Nachweise in Fn. 251.
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schaftlichen Tätigkeit gekoppelt, so besteht ein Aufenthaltsrecht von nun an auch zugunsten der nichterwerbstätigen Gemeinschaftsangehörigen. Begibt sich der Unionsbürger hiernach in ein der europäischen Staatengemeinschaft angehörendes (anderes) Mitgliedsland, so macht er in jedem Fall von seinem Mobilitätsrecht aus Art. 18 Abs. 1 EGV Gebrauch. Abstrakt ergibt sich daher der im Folgenden zu erörternde Problemkreis: Liegt bereits deshalb eine Diskriminierung „im Anwendungsbereich des Vertrages“ vor, weil der Unionsbürger von seinem Freizügigkeitsrecht aus Art. 18 Abs. 1 EGV Gebrauch macht, und verbietet Art. 12 EGV bereits deshalb grundsätzlich jede Ungleichbehandlung im Aufnahmestaat auf sozialem, kulturellem, politischen und gesellschaftlichen Gebiet ohne Rücksicht darauf, ob im konkreten Fall Regelungskompetenzen der Gemeinschaft bestehen?
(1) Die Bedeutung des Aufenthaltsrechts nach Art. 18 Abs. 1 EGV für den persönlichen Anwendungsbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbotes Zwingt Art. 18 Abs. 1 EGV selbst nicht ausdrücklich zur Gleichbehandlung, so wird die Prüfung der vorab skizzierten Rechtsfrage im Ausgangspunkt von den Tatbestandsvoraussetzungen des Art. 12 Abs. 1 EGV bestimmt.295 Der EuGH formulierte insofern vielfach, dass diejenigen Angehörigen eines Mitgliedstaats, die sich rechtmäßig im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten, in den persönlichen Anwendungsbereich der Vertragsbestimmungen über die Unionsbürgerschaft fallen und sich in allen vom sachlichen Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts erfassten Fällen auf Art. 12 Abs. 1 EGV berufen können.296 Der Gerichtshof spricht damit zunächst die Notwendigkeit eines bereits existenten Aufenthaltsrechts an, das sich für wirtschaftlich tätige Unionsbürger in der Regel aus den Art. 39, 43 bzw. 49 EGV ergibt. Dies ist ohne weiteres nachvollziehbar, da allein der rechtmäßige Aufenthalt die Grundlage für weitergehende Rechte des Ausländers im Aufnahmemitgliedstaat bilden kann. Im Bereich der nichtwirtschaftlichen Betätigungen konstituiert Art. 18 Abs. 1 EGV ein grundlegendes Aufenthaltsrecht und schafft damit die persönlichen 295 Für eine Prüfung von Art. 18 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 12 Abs. 1 EGV auch Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 18, Rn. 7 (Stand: EL 18, Januar 2001); Kaufmann-Bühler, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 18, Rn. 1; Haag, in: Groeben/ Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 18, Rn. 8; Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 18, Rn. 5; Bode, EuZW 2002, 637 (638). Anders wohl Klein/Haratsch, JuS 1995, 7 (8). Unklar Magiera, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 18, Rn. 8, 15. Teilweise wird vertreten, Art. 18 EGV beinhalte ein Beschränkungsverbot. So Schulz, S. 95; Obwexer, EuZW 2002, 56 (57). 296 Vgl. etwa die Urteile des EuGH vom 12.05.1998 (Rs. C-85/96), Slg. 1998, I-2691 (2725 f.) und vom 20.09.2001 (Rs. C-184/92), Slg. 2001, I-6193 (6243).
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Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des allgemeinen Diskriminierungsverbotes, Art. 17 Abs. 2 EGV.
(2) Zu den Grenzen des Aufenthaltsrechtes nach Art. 18 Abs. 1 EGV im Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 1 EGV Hiervon ist der sachliche Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 1 EGV zu unterscheiden, der sich vorliegend konkret danach bestimmt, in welchem Umfang sich Ausländerklauseln auf freizeitsportlichem Gebiet mit dem Aufenthaltsrecht von Unionsbürgern nach Art. 18 Abs. 1 EGV überschneiden. Wie bereits oben dargelegt297, wirken sich Sperrklauseln indirekt auf den Aufenthalt aus, da sie Einfluss auf die äußeren Lebensumstände des Ausländers nehmen. Dies gilt im Grundsatz für alle Unionsbürger gleichermaßen, unabhängig davon, ob sich ihr Aufenthaltsrecht aus Art. 18 EGV oder etwa aus Art. 39 EGV herleitet. Fraglich bleibt allerdings, ob sich die von Art. 18 EGV gewährte Freizügigkeit mittelbar auch auf die allgemeinen Lebensbedingungen des Ausländers bezieht. Ist der sachliche Schutzbereich hingegen allein auf die Gewährleistung eines reinen Bleiberechtes begrenzt, so wird der von Art. 18 EGV gezogene Rechtsrahmen nicht zwingend von Ausländerklauseln berührt, denn letztere stehen der Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat nicht unmittelbar entgegen. Seinem Wortlaut nach verleiht Art. 18 Abs. 1 EGV zunächst nicht mehr als das Recht, an jedem beliebigen Ort im Gemeinschaftsgebiet verweilen zu dürfen und seinen Aufenthaltsort im Hoheitsgebiet frei zu wählen. Sein Anwendungsbereich ist etwa dem Schutzbereich von Art. 11 Abs. 1 GG vergleichbar.298 Anhaltspunkte, die für einen über das bloße Recht auf physische Präsenz hinausgehenden Rechtsstatus sprechen, sind dem Wortlaut des Art. 18 Abs. 1 EGV nicht zu entnehmen. Im Vergleich hierzu geht die speziellere Freizügigkeitsnorm des Art. 39 EGV schon deutlich weiter. Neben dem in Abs. 3 Abs. 1 lits. b) und c) verankerten zweckgebundenen Aufenthaltsrecht, dessen Fassung die ebenfalls in Art. 18 EGV verwendeten Begriffe enthält, werden positive, mit dem Aufenthaltsrecht verbundene Rechtspositionen formuliert. Der nach herrschender Meinung nicht abschließende Charakter der in Art. 39 Abs. 2 aufgezählten und mit dem Aufenthaltszweck in Verbindung stehenden Beschäftigungsbedingungen299 lässt keinen Zweifel daran, dass sich der Regelungsgehalt dieser Vorschrift nicht lediglich in einem wirtschaftlich motivierten Aufent297
Vgl. oben, bb) (2) (d). Vgl. Hatje, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 18, Rn. 1. 299 Vgl. Fn. 206. 298
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haltsrecht erschöpft, sondern auch auf Begleitumstände des Aufenthaltes, jedenfalls soweit sie mit dessen wirtschaftlichem Zweck in Verbindung stehen, Bezug nimmt. Im Gegensatz hierzu vermittelt Art. 18 Abs. 1 EGV zunächst allein das Recht, sich im Hoheitsgebiet aufzuhalten und frei zu bewegen, und deckt sich insoweit mit dem von Art. 39 Abs. 3 lit. b) und c) gezogenen Rahmen. Weitere Gewährleistungen enthält Art. 18 EGV im Unterschied zu Art. 39 EGV gerade nicht. In Anbetracht dieser vergleichenden Betrachtung erscheint zumindest fraglich, weshalb sich der Schutzbereich des Art. 18 Abs. 1 EGV auch auf Begleitumstände des Aufenthalts erstrecken sollte, wenn das Bestehen von Gewährleistungen in diesem Bereich schon im Rahmen von Art. 39 EGV mit seinem insofern weiteren Wortlaut keineswegs unumstritten ist300. Zieht man die Grenzen des sachlichen Anwendungsbereiches von Art. 12 EGV dennoch weit und hält diesen vorliegend schon deshalb für einschlägig, weil sich ein Zusammenhang mit dem Aufenthaltsrecht des Unionsbürgers aus Art. 18 EGV herstellen lässt, ohne dass es im Übrigen darauf ankäme, ob dieses Recht über ein bloßes Bleiberecht hinausgeht, so hätte dies eine Reihe weit reichender Auswirkungen: Art. 12 EGV würde nicht mehr auf den sachlichen Anwendungsbereich des Vertrages Bezug nehmen, wie er in anderen Bestimmungen, etwa Art. 18 EGV, seinen Niederschlag gefunden hat, sondern sich als Mittel für eine extensive Vertragsauslegung im Grenzbereich zur unzulässigen Vertragserweiterung erweisen. In Verbindung mit dem Aufenthaltsrecht vermittelt Art. 12 EGV Schutz in einem Bereich, auf den der Wortlaut des Art. 18 EGV selbst gar nicht abzielt. Bedenken ergeben sich jedoch auch aus folgender weiteren Überlegung: Ist allein durch das Bestehen eines Aufenthaltsrechts ein ausreichender Zusammenhang zum Anwendungsbereich des Vertrages im Sinne von Art. 12 EGV hergestellt, so wäre über diese Konstruktion grundsätzlich jede Ungleichbehandlung, auch im gesellschaftlichen, sozialen, kulturellen oder politischen Bereich, an Art. 12 Abs. 1 EGV zu messen301, ohne dass es darauf ankäme, ob die konkret diskriminierende Maßnahme selbst den Vertrag berührt. Art. 12 EGV würde damit den Charakter eines „Super-Grundrechtes auf Inländergleichbehandlung“ annehmen302, wobei fraglich erscheint, ob sich dies mit der tatsächlichen Intention des Normgebers deckt.303 Hiergegen dürfte vor allem 300
Vgl. oben, bb) (2) (a) und (d). Für einen solchen Anspruch auf vollständige Inländergleichbehandlung Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 18, Rn. 7 (Stand: EL 18, Januar 2001); Pechstein/Bunk, EuGRZ 1997, 547 (553). 302 Vgl. Hailbronner, Hdb. Ausländerrecht, Rn. 1002. 303 So auch Bode, EuZW 2002, 637 (639). 301
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sprechen, dass bei einem solchen Verständnis die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Herstellung umfassender Freizügigkeit – „mehr“ als volle Inländergleichbehandlung ist kaum denkbar – bereits seit geraumer Zeit existieren würden, sich aber die Mitgliedstaaten und insbesondere die Europäische Kommission – wie unter anderem der seit mehreren Jahren verhandelte Vorschlag für eine Richtlinie über das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger und deren Familienangehöriger zeigt304 – hier allerdings gerade noch nicht am Ziel sehen. Anlass für Zweifel gibt ferner der Wortlaut des Art. 18 Abs. 1 EGV, der nicht auf eine vollständige Inländergleichbehandlung angelegt ist.305 Im Hinblick auf den Normcharakter des Art. 12 Abs. 1 EGV würde sich ferner ein bemerkenswerter Wandel vom Abwehrrecht hin zum echten Recht auf Teilhabe und Leistung vollziehen. Im Unterschied zur nationalen Rechtslage, bei der es aus Gründen des Rechtsstaatsprinzips im Falle einer gleichheitswidrigen Begünstigung der Entscheidung des Gesetzgebers überlassen bleiben muss, ob er auch der bisher diskriminierten Personengruppe die vorenthaltene Leistung gewährt oder aber die Begünstigung insgesamt aufhebt306, hat auf europäischer Ebene ein Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 EGV zur Folge, dass allein das diskriminierende Element der Regelung entfällt, die Bestimmung im Übrigen jedoch anwendbar bleibt.307 Daraus ergibt sich ein erheblicher, kaum überschaubarer Bestand an Leistungsansprüchen für Unionsbürger im jeweiligen Aufnahmestaat, denn ihnen dürfte grundsätzlich keine Leistung mehr vorenthalten werden, die Inländern zusteht. Weitere Folge wäre, dass mittels Art.12 EGV in Sachbereiche vorgedrungen werden könnte, in denen (bewusst) keine Regelungsbefugnisse der Gemeinschaft bestehen. Ein anschauliches Beispiel liefert die hier vorliegende Situation der Ungleichbehandlung von ausländischen Freizeitsportlern, die im Aufnahmeland keiner entgeltlichen Beschäftigung nachgehen: Gelangen die bisherigen Ausführungen zu dem Ergebnis, dass der Vertragstext nicht in ausreichendem Umfang Anhaltspunkte aufweist, die für eigenständige Regelungs-
304 Der Vorschlag sieht unter anderem die Einführung eines Daueraufenthaltsrechtes nach 4-jähriger Anwesenheit im Mitgliedstaat sowie eine bessere Einbindung in soziale Sicherungssysteme für langjährig ansässige Personen vor und geht auf den Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie über das Aufenthaltsrecht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aus dem Jahr 2001 zurück. Vgl. COM 2001, Nr. 257 vom 23.05.2001 bzw. http://europa.eu.int/eur-lex/ de/com/pdf/2003/com2003_0199de01.pdf, siehe auch COM 2003, Nr. 199 vom 15.04.2003. 305 Vgl. Bode, EuZW 2002, 637 (638), Soria, JZ 2002, 643 (648). 306 Vgl. BVerfGE 93, 386 (396); ausführlich Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art 3, Rn. 47. 307 Vgl. Borchardt, NJW 2000, 2057 (2058); Heyer, S. 184.
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kompetenzen der Gemeinschaft auf dem Gebiet des Freizeitsports sprechen308, so würde das Gemeinschaftsrecht plötzlich über Art. 12 Abs. 1 EGV in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 EGV in diesem Bereich erheblich an Bedeutung gewinnen. Auch wenn der EuGH die Frage des vertraglichen Anwendungsbereiches nicht vom Bestehen gemeinschaftlicher Kompetenzen abhängig machen will309, werden doch über Art. 12 Abs. 1 EGV Anwendungsfelder erschlossen, in denen das Gemeinschaftsrecht ansonsten keine Wirkung entfalten könnte. Diesem Umstand kann auch nicht dadurch zu einer Rechtfertigung verholfen werden, dass jedenfalls über die Zielbestimmungen der Art. 2 und 3 EGV die unbestritten integrative Funktion des Freizeitsportes in den Anwendungsbereich des Vertrages eingebracht werden müsse. Diese Argumentation übersieht, dass Zielbestimmungen den Anwendungsbereich des Vertrages nicht konstituieren, sondern lediglich zu dessen Bestimmung heranzuziehen sind.310 Im Ergebnis besteht damit die Gefahr einer Umgehung des für die Zuständigkeitsverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten grundlegenden Prinzips der begrenzten Einzelermächtigung.311 In Anbetracht vorstehender Argumente reicht daher das bloße Bestehen eines Aufenthaltsrechtes nach Art. 18 Abs. 1 EGV nicht aus, um den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 12 Abs. 1 EGV zu eröffnen.312 Ein solches Verständnis würde im Widerspruch zum Wortlaut des Art. 12 EGV zu einer unbegrenzten, unkontrollierbaren Anwendung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes führen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Art. 18 EGV überhaupt nicht unter den Begriff des sachlichen Anwendungsbereiches im Sinne von Art. 12 EGV fällt. Ein Diskriminierungsverbot nach Art. 12 Abs. 1 EGV in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 EGV ist allerdings auf Bedingungen zu beschränken, die einen unmittelbaren Zusammenhang zum Aufenthalt, etwa bei Diskriminierungen hinsichtlich der Begründung eines Wohnsitzes, aufweisen.313 Einen solchen Bezug weisen Ausländerklauseln jedoch nicht auf, da sie sich lediglich auf die Moda308
Vgl. oben, aa) (4). Vgl. EuGH, Urteil vom 13.02.1985 (Rs. 293/83), Slg. 1985, 593 (612). 310 Vgl. v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV (Maastricht), Art. 6, Rn. 38 (Stand: EL 7, September 1994). 311 Vgl. Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 18, Rn. 5; siehe hierzu auch oben, bb) (2) (f). 312 Vgl. Kluth, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 18, Rn. 5; v. Bogdandy, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV (Maastricht), Art. 6, Rn. 48 (Stand: EL 7, September 1994); Magiera, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 18, Rn. 12; Bode, EuZW 2002, 637 (639); Schulz, S. 273; a. A. Borchardt, NJW 2000, 2057 (2060); Obwexer, EuZW 2002, 56 (57); Pechstein/Bunk, EuGRZ 1997, 547 (553); wohl auch Hilf, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 18, Rn. 7 (Stand: EL 18, Januar 2001). 313 Ebd. 309
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litäten des Aufenthaltes beziehen, nicht jedoch das Recht selbst betreffen, sich in einem anderen Staat der Gemeinschaft niederzulassen oder sich innerhalb des Gemeinschaftsgebietes örtlich zu bewegen.314 Art. 18 EGV wird bei einem solchen Verständnis keineswegs zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Er eröffnet allen nicht wirtschaftlich tätigen Unionsbürgern den persönlichen Schutzbereich des Art. 12 EGV. Für diese ist das Aufenthaltsrecht nach Art. 18 Abs. 1 EGV unverzichtbare Voraussetzung, um sich auf den Schutz von Art. 12 Abs. 1 EGV gegenüber Diskriminierungen in anderen Vertragsbereichen berufen zu können.
dd) Die Grenzen wirtschaftlicher Freizügigkeit auf europäischer Ebene Findet der EGV im Ergebnis der vorstehenden Betrachtungen lediglich auf Freizeitsportler mit entgeltlichem Beschäftigungsverhältnis im Aufnahmemitgliedstaat Anwendung, so schließt sich hieran die Frage nach den Grenzen eines zulässigen Eingriffs in den Schutzbereich der jeweiligen Grundfreiheit an.
(1) Der ordre-public-Vorbehalt Ungeachtet einzelner Bereichsausnahmen315 steht die Ausübung sämtlicher Personenverkehrsfreiheiten zunächst unter dem Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Für die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und selbstständig Niedergelassenen ordnen dies Art. 39 Abs. 3 und 46 Abs. 1 EGV ausdrücklich an, wobei letzterer in entsprechender Anwendung auch im Bereich der Dienstleistungsfreiheit Geltung beansprucht, Art. 55 EGV. Eine Anwendung dieses Rechtfertigungsgrundes im Verhältnis zwischen Sportler und Verband ruft in Anbetracht der rein privatrechtlichen Natur dieser Beziehung zunächst Zweifel hervor, da die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung grundsätzlich polizeirechtliche Aufgabe mit hoheitlichem Charakter ist.316
314 Gegen eine Anwendung des allgemeinen Diskriminierungsverbotes auf Freizeitsportler auch Schimke, S. 230. Ebenso Palme/Hepp-Schwab/Wilske, JZ 1994, 343 (343, Fn. 7), nach denen der Sport nicht zum „Anwendungsbereich des Vertrages“ gezählt werden kann. 315 Siehe hierzu oben, bb) (3). 316 So Palme, JZ 1996, 238 (239, Fn. 29).
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(a) Zur Geltendmachung durch Privatrechtssubjekte Sieht man den ordre-public-Vorbehalt bereits aus diesem Grund als ungeeignet an, zur Rechtfertigung der verbandsseitig aufgestellten Ausländerklauseln beizutragen, so ergäbe sich daraus gegenüber staatlichen Maßnahmen ein geringeres Rechtfertigungsniveau. Private wären zwar ebenso wie hoheitlich handelnde Personen an bestehende Grundfreiheiten gebunden, könnten jedoch nicht in gleichem Umfang Rechtfertigungsgründe für sich beanspruchen, so dass auf dieser Ebene ein auffallendes Ungleichgewicht bestünde.317 Allerdings sieht der EuGH in der Anwendung des ordre-public-Vorbehaltes auf die Rechtsetzung Privater keine wesentlichen Probleme. Im Bosman-Urteil führt der Gerichtshof insoweit lapidar aus: „Nichts spricht nämlich dagegen, dass die Rechtfertigungsgründe in Bezug auf die öffentliche Ordnung, Sicherheit und Gesundheit von Privatpersonen geltend gemacht werden. Der öffentliche oder private Charakter der betreffenden Regelung hat keinen Einfluss auf die Tragweite oder den Inhalt dieser Rechtfertigungsgründe.“318
In der Tat sprechen keine durchgreifenden Bedenken gegen eine solche Anwendung, insbesondere dann nicht, wenn Privatrechtssubjekte – wie hier die Sportverbände – über autonome Rechtsetzungsbefugnisse verfügen.319 Zwar lässt sich nicht von der Hand weisen, dass privatrechtlich organisierte Sportverbände zunächst eigene, grundsätzlich nichtöffentliche Interessen wahrnehmen320, Art. 39 Abs. 3 EGV hingegen allein Beschränkungen aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit rechtfertigt. Die Wahrnehmung autonomer Regelungsbefugnisse kann jedoch zugleich im öffentlichen Interesse liegen. Beispielhaft ist hier die unbestrittene gesellschaftlich-soziale Bedeutung des staatsfrei organisierten Sports ins Feld zu führen.321 Das Gemeinschaftserlebnis Sport bleibt dabei nicht einem bestimmten Personenkreis vorbehalten, denn das Angebot der Sportverbände und -vereine steht grundsätzlich jedermann offen. Die Aufrechterhaltung der sportverbandseigenen Ordnung sowie der Organisation sportlicher Wettkämpfe berührt daher auch das Interesse der Allgemeinheit. Allein die Vermengung von öffentlichen und privaten Interessen kann nicht dazu führen, den Sportverbänden die Geltendma317 Ein Argument, dessen sich häufig Sportverbände bedienen, so etwa im Fall Bosman. Siehe hierzu die Ausführungen des EuGH im Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C415/93), Slg. 1995, I-4921 (5066). 318 AaO., I-4921 (5066). 319 Vgl. hierzu bereits oben, bb) (1). 320 Diesen Einwand führen u. a. Streinz/Leible, EuZW 2000, 459 (463) an. 321 Siehe hierzu etwa die „Erklärung Nr. 29 zum Sport“ aus der Schlussakte zur Konferenz von Amsterdam, ABl. 1997, Nr. C 340, 136, sowie oben, I. 2.
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chung des ordre-public-Vorbehaltes zu versagen, denn auch private Interessen stehen nicht beziehungslos zur öffentlichen Sicherheit und Ordnung, sondern können – etwa nach nationalem Verständnis – Teil dieses Begriffspaares sein. Im Übrigen erscheint eine Anwendung des ordre-public-Vorbehaltes vorliegend auch deshalb gerechtfertigt, weil die Monopolstellung der Sportverbände zu einem dem Verhältnis Staat – Bürger vergleichbaren Subordinationsverhältnis zwischen Verband und Sportler führt322, in dem vom Verband gegenüber dem einzelnen Sportler, ähnlich wie vom Staat im hoheitlichen Verhältnis zum Bürger, grundsätzlich die Interessen der Allgemeinheit, das heißt der Gesamtheit aller übrigen Mitglieder wahrgenommen werden. Die autonome Regelungsgewalt der Sportverbände beruht zudem maßgeblich auf der von staatlicher Seite geübten Zurückhaltung, der die Entwicklung des Sports weitestgehend der privatrechtlichen Ausgestaltung durch Sportvereine und -verbände überlassen hat.323 Vor dem Hintergrund dieser Tatsache dürften bei hoheitlicher Organisation des Sportverbandswesens sicherlich keine Vorbehalte im Hinblick auf Beschränkungen der Freizügigkeit aus Gründen des ordre-public bestehen. Die staatliche Zurückhaltung führt allerdings nicht zu einem „weniger“ an öffentlichem bzw. allgemeinen Bedürfnis in Bezug auf die Organisation sportlicher Wettbewerbe; dieses besteht vielmehr unabhängig von der konkreten rechtlichen Gestaltung und dem Regelungscharakter der konkreten Verbandsnormen. Dies gilt umso mehr in Anbetracht der monopolistischen Strukturen des existierenden Verbandssystems, in dem für eine weitere Verbandsstruktur kein Platz besteht und ein einziger Verband gleichsam die Interessen aller organisierten Sportler wahrnimmt. Der privatrechtliche Charakter der Verbandsregelwerke schließt daher ein Handeln im öffentlichen Interesse nicht aus, sondern fordert vielmehr eine erhöhte Aufmerksamkeit für diejenigen Handlungen der Sportverbände, deren assoziative Kraft den besonderen Wert des Sports für die Gesellschaft ausmacht und die daher von allgemeinem Interesse sind. Jedenfalls in Bezug auf die Aufrechterhaltung der eigenen, autonom gesetzten, verbandsinternen Ordnung, einschließlich der Organisation des Spielbetriebes, muss den Sportverbänden daher zugestanden werden, sich auf den ordrepublic-Vorbehalt des Art. 39 Abs. 3 EGV zu berufen.324 322
Vgl. Heidersdorf, S. 50 So schon Burmeister, DöV 1978, 1 ff. 324 Im Ergebnis auch Schweitzer, in: Einbindung des Sportrechts, S. 71 (84 f.); Heidersdorf, S. 50 f.; Renz, in: Sportrecht in Europa, S. 191 (204); a. A. Streinz/Leible, EuZW 2000, 459 (463); Dinkelmeier, S. 106 f.; Imping, EWS 1996, 193 (196); Schroeder, S. 174 ff.; auch Groß, S. 378 f. (Fn. 1724); ders., in: Perspektiven des Sportrechts, S. 37 (44); der einwendet, dass die in den Art. 30 S. 1, 39 Abs. 3, 46 Abs. 1 iVm. 55 aufgeführten Gründe nichtwirtschaftlicher Art sind, Private aber typischerweise wirtschaftliche Interessen wahrnehmen, was allerdings auf Sportverbände – insbesondere soweit diese auf der Ebene des Breiten- und Freizeitsport tätig sind – nicht zwingend zutreffen muss. 323
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(b) Zur Beschränkung des ordre-public-Vorbehaltes im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit auf die in Art. 39 Abs. 3 EGV genannten Rechte Im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit könnte sich allerdings aus systematischen Gründen eine Besonderheit ergeben. Wurde oben aufgezeigt, dass sich bei weiter Auslegung des Begriffes der sonstigen Arbeitsbedingungen Restriktionen auch auf dem Gebiet der Freizeitbeschäftigung unter Art. 39 Abs. 2 EGV subsumieren lassen325, so fragt sich, ob der ordre-public-Vorbehalt überhaupt auf das Diskriminierungsverbot des Abs. 2 Anwendung findet oder ob dieses nicht vielmehr vorbehaltlos gewährleistet wird. Denn der Wortlaut des Art. 39 Abs. 3 EGV könnte so zu verstehen sein, dass allein die dort ausdrücklich aufgezählten Rechte dem Vorbehalt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung unterliegen. Begreift man die in Abs. 3 genannten Rechtspositionen als abschließende Aufzählung, wobei der Wortlaut einen solchen Schluss durchaus nahe legt326, so ist kein Grund ersichtlich, weshalb der Vorbehalt zugunsten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung über die erwähnten Ausprägungen der Freizügigkeit hinausgehen sollte. Auch konstituiert Abs. 3 die genannten Rechte nicht.327 Diese ergeben sich vielmehr bereits aus Abs. 1, so dass der eigenständige Regelungsgehalt der Vorschrift nur darin liegen kann, allein die aufgezählten Gewährleistungen unter die Schranke des ordre-public-Vorbehaltes zu stellen. Ein Vergleich zwischen den Gewährleistungen der Abs. 2 und 3 lässt zudem unterschiedliche Gewährleistungsbereiche erkennen.328 Während sich Art. 39 Abs. 3 EGV auf das Einreise- und Aufenthaltsrecht bezieht, betrifft Abs. 2 die wirtschaftlichen Aspekte der Entlohnung, Beschäftigung und sonstigen Arbeitsbedingungen in Bezug auf das Arbeitsverhältnis. Auch aufgrund dieser klaren Trennung zwischen unterschiedlichen Teilbereichen der Freizügigkeit ist nicht davon auszugehen, dass sich der Rechtfertigungsgrund des Abs. 3 allgemein auf alle Gewährleistungen des Art. 39 EGV bezieht. Wäre es im Übrigen die Absicht der Vertragsstaaten gewesen, ein allgemeingültiges Rechtfertigungserfordernis aufzustellen, so hätte es nahe gelegen, dies durch eine entsprechend klarstellende Formulierung – wie etwa in Art. 46 Abs. 1 EGV geschehen – zu verdeutlichen. Die besseren Argumente sprechen daher gegen eine Anwendung 325
Siehe oben, bb) (2) (d). Die Formulierung des Art. 39 Abs. 3 EGV ist bestimmt und beinhaltet nicht das üblicherweise im Rahmen beispielhafter Aufzählungen verwendete Wort „insbesondere“. 327 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 209 (Stand: EL 18, Mai 2001). 328 So auch Palme/Hepp-Schwab/Wilske, JZ 1994, 343 (344); Schneider, S. 31 f. 326
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des ordre-public-Vorbehaltes auf das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EGV.329 Nach neuerer Auffassung, die insbesondere auch vom EuGH vertreten wird, soll grundsätzlich zwischen unmittelbar und mittelbar diskriminierenden Maßnahmen zu unterscheiden sein: Während sich für direkte Ungleichbehandlungen ein vorbehaltloses Verbot aus Abs. 2 ergibt, wird im Falle mittelbarer Ungleichbehandlung und sonstiger Beschränkungen eine Anwendung der Rechtfertigungsgründe des Abs. 3 in Erwägung gezogen.330 Da Ausländerklauseln jedoch offen an das Merkmal der Staatsangehörigkeit anknüpfen und damit unzweifelhaft direkt diskriminierende Regelungen darstellen, bleibt es auch nach dieser Ansicht zunächst bei der vorbehaltlos gewährten Freizügigkeit nach Art. 39 Abs. 2 EGV. Unabhängig hiervon kommt die Anwendbarkeit des ordre-publicVorbehaltes jedenfalls in den Bereichen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in Betracht, da sich hier infolge des eindeutigen Wortlautes von Art. 46 Abs. 1 EGV kein vergleichbares systematisches Problem stellt. Bereits aus diesem Grund ist es geboten, den Inhalt des Terminus der öffentlichen Sicherheit und Ordnung näher herauszuarbeiten. Der enge Zusammenhang zwischen Art. 46 Abs. 1 und Art. 39 Abs. 3 EGV – der durch die überwiegend inhaltsgleichen sekundärrechtlichen Durchführungsvorschriften beider Normen dokumentiert wird331 – erlaubt dabei eine grundsätzlich einheitliche Betrachtung der Begriffe öffentliche Sicherheit, Ordnung und Gesundheit.
329 Ebenso Brechmann, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 89; Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 127; Hailbronner, in: Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, D. I., Rn. 48a; Palme/Hepp-Schwab/Wilske, JZ 1994, 343 (344); Oppermann, Rn. 1530; Schneider, S. 31 f.; Ganten, S. 168; Heyer, S. 57; Kahlenberg, EWS 1994, 423 (425); Wölker, in: Groeben/Thiesing/Ehlermann, EUV/EGV, Art. 48, Rn. 92 mit umfangreichen Nachweisen zum Streitstand; a. A. etwa Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 209 (Stand: EL 18, Mai 2001); Epiney, in: EU – Europarecht und Politik, § 14, Rn. 33, allerdings ohne nähere Begründung; wohl auch Imping, EWS 1996, 193 (196). 330 Vgl. die Urteile des EuGH vom 07.05.1998 (Rs. C-350/96), Slg. 1998, I-2521 (2549) und vom 23.05.1996 (Rs. C-237/94), Slg. 1996, I-2617 (2640); ferner Schneider/Wunderlich, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 39, Rn. 120; wohl auch Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 39, Rn. 122. 331 Vgl. Schlag, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 46, Rn. 2; 6; Scheuer, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 46, Rn. 2, 4; Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 46, Rn. 1.
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(c) Zum Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung Zunächst scheint es nahe liegend, den Inhalt der öffentlichen Sicherheit und Ordnung am gleich lautenden Begriff des nationalen Polizeirechtes auszurichten.332 Hiernach umfasst der Begriff der öffentlichen Sicherheit die Unverletzlichkeit der Rechtsordnung, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen sowie die Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt.333 Die Öffentliche Ordnung stellt den Inbegriff der Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit dar, deren Beobachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen als unerlässliche Voraussetzung für ein geordnetes staatsbürgerliches Gemeinschaftsleben betrachtet wird.334 Allerdings wird bei einem solchen Verständnis schnell klar, dass sich der ordre-public-Vorbehalt zu einem Rechtfertigungsgrund unüberschaubaren Ausmaßes entwickeln würde.335 Nahezu jedes rechtlich anerkannte Interesse könnte zur Rechtfertigung von die Personenverkehrsfreiheiten einschränkenden Maßnahmen herangezogen werden. Einem derart extensiven Verständnis steht allerdings sowohl der Ausnahmecharakter des Vorbehaltes als auch die herausragende Bedeutung der Freizügigkeit für die europäische Integration entgegen, deren Verwirklichung eine grundsätzlich enge Begriffsauslegung restriktiver Normen gebietet.336 Zutreffend nimmt der EuGH daher in ständiger Rechtsprechung einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung nur dann an, wenn eine innerstaatliche Rechtsvorschrift verletzt wird und darüber hinaus eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.337 Die Begriffe der „öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit“ sind hierbei – vorbehaltlich eines Beurteilungsspielraumes zugunsten der Mitgliedstaaten – autonom aus dem Gemeinschaftsrecht heraus zu 332
Für ein solches Begriffsverständnis etwa Tiedje/Troberg, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 46, Rn. 19. Zum Begriff der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im nationalen Polizeirecht siehe ausführlich Denninger, in: Handbuch des Polizeirechts, E 6 ff. 333 Vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, § 15, 1. 334 AaO., § 16, 1. 335 Mit Bedenken auch Bröhmer, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 46, Rn. 3. 336 So die ganz h. M. Vgl. statt vieler Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/EGVertrag, Art. 39, Rn. 125; Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 128; Schlag, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 46, Rn. 6; Hailbronner, in: Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, D. I., Rn. 48. 337 Vgl. EuGH vom 27.10.1977 (Rs. 30/77), Slg. 1977, 1999 (2013); vom 09.03.2000 (Rs. C-355/98); Slg. 2000, I-1221 (1246) mwN. und vom 26.11.2002 (Rs. C-100/01), Slg. 2002, I-10981 (11014). Dieses Verständnis gilt gleichermaßen für Art. 46 – gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 55 EGV, vgl. EuGH, Urteil vom 29.10.1998 (Rs. C114/97), Slg. 1998, I-6717 (6744).
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bestimmen.338 Überträgt man diese Grundsätze auf die Situation der Sportverbände und deren Interesse an der Einführung und Aufrechterhaltung von Ausländerklauseln, so können sich die Verbände zunächst grundsätzlich auf die von Art. 9 Abs. 1 GG gewährte Vereinsautonomie und damit auf eine innerstaatliche Rechtsnorm von Verfassungsrang berufen. Fraglich ist allerdings, welches elementare Interesse der Sportverbände ohne die Normierung von Ausländerklauseln nachhaltig gefährdet wäre. Auf die mit Ausländerklauseln verfolgten Ziele wird im Folgenden noch näher einzugehen sein339, festgehalten werden kann aber bereits hier, dass von Seiten der Sportverbände als wesentliches Argument zur Beschränkung des Ausländereinsatzes die Förderung des eigenen Nachwuchses durch Sicherstellung ausreichender Einsatzmöglichkeiten vorgebracht wird. Handelt es sich hierbei durchaus um ein legitimes Interesse der Sportverbände, so würde allein dieser Umstand nicht für eine Rechtfertigung von Ausländerklauseln aus Gründen der öffentlichen Ordnung ausreichen. Die Nachwuchsförderung müsste gerade fundamentaler Bestandteil der verbandseigenen Zielsetzungen sein, deren Umsetzung ohne Ausländerklauseln erheblich gefährdet wäre. Sportverbände gewährleisten den sportlichen Spielbetrieb für die Gesamtheit der Bevölkerung und damit für jede Altersgruppe. Innerhalb dieses Spektrums nimmt die Jugendarbeit der Verbände keine unwesentliche, jedoch auch nicht die alles dominierende Rolle ein. Sie ist vielmehr Ausschnitt aus einem an alle Bevölkerungsschichten gerichteten Angebot der Sportverbände, in dem etwa Junioren- und Seniorensport grundsätzlich gleichberechtigt nebeneinander stehen. Maßgeblich basiert die Argumentation der Nachwuchsförderung zudem darauf, nationale Nachwuchsspieler an den sportlichen Spitzenbereich heranzuführen und damit Spieler für den Einsatz in der Nationalmannschaft zu gewinnen. Der Bereich des Spitzen- und damit Hochleistungssports betrifft erfahrungsgemäß nur einen kleinen Personenkreis. Die ganz überwiegende Anzahl der Aktiven nimmt im Rahmen des Breitensports am Wettkampfgeschehen teil. Schon im Hinblick auf diese besondere Situation des Spitzensports erscheint es zweifelhaft, ob die hierauf ausgerichtete Nachwuchsförderung ein essentielles Interesse der Sportverbände darstellt. Dieses Ergebnis wird auch durch einzelne Zielbestimmungen in den Satzungen einiger Sportverbände unterstrichen. So verpflichtet sich etwa der Deutsche Handball-Bund in § 2 S. 1 seiner Satzung allgemein zur Förderung und Weiterentwicklung des Handballsports. Innerhalb des Aufgabenkreises stehen die Förderung und Durchführung von Veranstaltungen des Breiten- und Freizeitsports (§ 2 S. 2 lit. f), die Förderung und Weiterentwicklung des Handballsports im Kinder- und Jugendbereich (§ 2 S. 2 338 339
Vgl. EuGH, Urteil vom 04.12.1974 (Rs. 41/74), Slg. 1974, 1337 (1350). Siehe unten, III.
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lit. g) sowie die Anregung, Durchführung und Koordinierung von Maßnahmen, die den Spitzen- und Leistungssport fördern (§ 2 S. 2 lit. h), gleichberechtigt nebeneinander. Eine besondere Abstufung innerhalb dieser Aufgaben zugunsten einer vorrangigen Kinder- und Jugendförderung ist nicht erkennbar. Nimmt man trotz dieser Bedenken dennoch ein Grundinteresse an – etwa bei Sportverbänden, die sich ausdrücklich die Förderung des Spitzensports bzw. der Jugend zum Ziel gesetzt haben340 –, so erscheint fraglich, ob dieses Interesse ohne existierende Ausländerklauseln tatsächlich gefährdet wäre. Zu bedenken ist hier, dass Ausländerklauseln – deren Geeignetheit unterstellt – lediglich ein mögliches Mittel zur Nachwuchsförderung sind, ohne deren Existenz eine effektive Förderung der sportlichen Jugend nicht ausgeschlossen ist. Sportverbände würden insoweit lediglich auf die Wahl anderer Mittel verwiesen. Der Verzicht auf Ausländerklauseln stellt daher die eigene Zielsetzung der Sportverbände nicht zwingend in Frage. Darüber hinaus bezieht sich das Argument der Nachwuchsförderung unter dem Gesichtspunkt zukünftig zu bildender Nationalmannschaften auf den Einsatz junger Spieler in den Spitzenligen, in denen Sport überwiegend professionell oder zumindest semi-professionell betrieben wird und in denen wohl zahlenmäßig die höchste Ausländerquote bestehen dürfte.341 Hier in Rede stehende Ausländerklauseln betreffen allerdings den unterklassigen Freizeitsport, in denen das sportliche Niveau deutlich niedriger ist und die daher zur Ausbildung und Rekrutierung zukünftiger Nationalspieler kaum in Frage kommen dürften. Das Bedürfnis nach Ausländerklauseln zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf das Verbandsinteresse zur Förderung des Nachwuchses erscheint in diesen Spielklassen daher zweifelhaft. Im Ergebnis ist festzustellen, dass eine hinreichend starke Gefährdung eines Verbandsinteresses bei einem Verzicht auf Ausländerklauseln nicht vorliegt, da ein solcher weder die Wahrnehmung der Verbandsaufgaben beeinträchtigt, noch die Funktions- und Handlungsfähigkeit des Sportverbandes in Frage stellt 340 Vgl. etwa § 2 Abs. 1 der Satzung des DHockeyB, nach der von diesem der Hockeysport insbesondere zum Wohle der Jugend gefördert wird. Siehe auch § 4 Nr. 11. und 12. Satzung DTTB, in denen die Förderung des Leistungs-, Breiten- und Schulsports sowie die Förderung des Jugendsports, auch hinsichtlich der leistungssportlichen Entwicklung, zur Aufgabe erklärt wird. Allerdings wird grundsätzlich auch zu berücksichtigen sein, dass nicht jeder von Sportverbänden wahrgenommenen Aufgabe ein grundsätzliches Interesse zugrunde liegt. 341 Mangels statistischer Erhebungen der Verbände (siehe hierzu bereits oben, Fn. 41), kann insoweit allerdings nur spekuliert werden. Jedoch dürften die Ausländerquoten im Spitzensport kaum zu steigern sein. So betrug die Quote der spielberechtigten Ausländer in der Deutschen Eishockey Liga in der Saison 2003/2004 45 %. In der Fußball-Bundesliga betrug die Ausländerquote in der gleichen Spielzeit sogar fast 60 %. Vgl. hierzu DFB-News vom 24.08.2003 (abrufbar unter www.dfb.de/news/index.html).
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und damit nicht in den Kernbereich der Verbandsautonomie vordringt.342 Gänzlich unberührt von Ausländerklauseln bleiben zudem der Bestand oder die Existenz des Verbandes, deren Bedrohung ohne weiteres eine Gefahr für die öffentliche Ordnung begründen würde.
(2) Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe Neben dem vertraglich explizit verankerten ordre-public-Vorbehalt erkennt der Gerichtshof zwischenzeitlich weitere, allerdings ungeschriebene Rechtfertigungsgründe an und trägt damit unter anderem seinem extensiven Verständnis der Grundfreiheiten als Beschränkungsverbote Rechnung.343 Beeinträchtigungen können hiernach zulässig sein, wenn ein mit dem Vertrag zu vereinbarender berechtigter Zweck verfolgt wird und zwingende Gründe des Allgemeininteresses vorliegen.344 „In diesem Fall müsste aber außerdem die Anwendung dieser Regeln geeignet sein, die Verwirklichung des verfolgten Zweckes zu gewährleisten, und dürfte nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist.“345
Ganz ähnliche Schranken stellt der Gerichtshof bei Vorliegen einer ebenfalls vom Schutzbereich der Personenverkehrsfreiheiten erfassten indirekten Diskriminierung auf.346 Auch hier orientiert er sich am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz347 und hält mittelbare Ungleichbehandlungen dann für zulässig, wenn der verfolgte Zweck zur Erreichung des Zieles geeignet und erforderlich ist.348 Die Literatur hat sich dem ganz überwiegend angeschlossen349 und geht davon 342 Im Ergebnis auch Heidersdorf, S. 52 f.; Klose, S. 146. Für eine Rechtfertigung von Ausländerklauseln aus Gründen der öffentlichen Ordnung spricht sich Renz, in: Sportrecht in Europa, S. 191 (204 f.) aus, der sich allerdings nicht mit den vom EuGH aufgestellten strengen Anforderungen an den Vorbehalt auseinander setzt. 343 Vgl. hierzu Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 39, Rn. 150, 19 ff. Vereinzelt wird jeglicher Rechtfertigungsversuch außerhalb der geschriebenen Rechtfertigungsgründe abgelehnt. So Marticke, in: Sport und Recht in Europa, S. 53 (60). 344 Vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5071). 345 Ebd. 346 Dass auch mittelbare Diskriminierungen vom Schutzbereich der Personenverkehrsfreiheiten erfasst werden, entspricht der heute ganz herrschenden Meinung. Vgl. statt vieler Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 85 mwN. 347 So der EuGH ausdrücklich im Urteil vom 30.11.2000 (Rs. C-195/98), Slg. 2000, I-10497 (10551). 348 Vgl. EuGH, Urteil vom 27.11.1997 (Rs. C-57/96), Slg. 1997, I-6689 (6721). 349 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 211, sowie zum Streitstand vor Art. 39-55, Rn. 139 (Stand: EL 18, Mai 2001); Franzen, in: Streinz,
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aus, dass schon wegen der schwierigen Abgrenzung zwischen Beschränkung und mittelbarer Diskriminierung die Verwendung identischer Rechtfertigungsmaßstäbe angezeigt ist.350
(a) Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe im Schrankensystem der Grundfreiheiten Unklar ist allerdings, ob ungeschriebene Schrankenbestimmungen zur Rechtfertigung direkt diskriminierender Regelungen herangezogen werden können. Denn anders als im Bereich beschränkender oder mittelbar diskriminierender Regelungen hat der EuGH hier den sachlichen Anwendungsbereich der Freizügigkeitsrechte nicht extensiv ausgelegt – was in Anbetracht der unzweifelhaften Ausgestaltung als Verbot direkter Diskriminierungen auch nicht notwendig war –, so dass es im Gegenzug nicht notwendig weiterer Rechtfertigungsgründe bedarf. In Anbetracht der insoweit bestimmungsgemäßen Anwendung der Personenverkehrsfreiheiten könnten sich die normierten Rechtfertigungsgründe als abschließend darstellen. Soweit dennoch eine Anwendung ungeschriebener Rechtfertigungsgründe auf jegliche Form der Diskriminierung befürwortet wird, beziehen sich die Vertreter dieser Ansicht auf eine Analyse der bisher ergangenen Urteile und glauben einen Wandel innerhalb der Rechtsprechung hin zur unterschiedslosen Anwendung eines Rechtfertigungsgrundes aus Allgemeinwohlinteressen ausmachen zu können.351 Eine überzeugende, dogmatisch fundierte Begründung hierfür fehlt allerdings.352
(b) Rechtfertigung direkt diskriminierender Regelungen außerhalb vertraglich normierter Gründe Ein Blick auf die bisherige Rechtsprechung schafft indes für keine der beiden Seiten Klarheit. Zwar bezieht sich der ganz überwiegende Teil der ergangenen Entscheidungen, in denen vom Gerichtshof ungeschriebene Rechtfertigungs-
EUV/EGV, Art. 39, Rn. 89; Schneider/Wunderlich, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 39, Rn. 37, 43. 350 Vgl. Schneider/Wunderlich, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 39, Rn. 37; Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 89. 351 Vgl. Weiß, EuZW 1999, 493 (496 f.); Roth, WRP 2000, 979 (984); Novak, DB 1997, 2589 (2592). 352 Hierauf weist zu Recht Gundel, Jura 2001, 79 (82), hin.
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gründe angesprochen werden, auf mittelbar diskriminierende Regelungen353; jedoch verwendet der Gerichtshof auch in Fällen direkter Diskriminierung – wenn auch nur vereinzelt – Formulierungen, die auf eine Anwendung allgemeiner Verhältnismäßigkeitserwägungen hindeuten.354 Bisweilen deutlich führt der Gerichtshof im Fall direkter Diskriminierungen allerdings aus, dass eine Rechtfertigung allein aufgrund der vertraglich verankerten Gründe in Betracht kommt. So äußerte er sich in der Rechtssache Masgio aus dem Jahre 1991 wie folgt: „Außer in diesen im EWG-Vertrag ausdrücklich geregelten Fällen lässt sich daher eine Beeinträchtigung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nicht rechtfertigen.“355
Die Klarheit dieser Ausführungen wird jedoch durch Formulierungen des Gerichtshofes an anderer Stelle wieder in Zweifel gezogen356, so dass der Rechtsprechung des EuGH zur hier klärungsbedürftigen Frage kaum etwas zu entnehmen ist. Gegen die Annahme eines allgemeingültigen ungeschriebenen Rechtfertigungsgrundes spricht allerdings die Überlegung, dass in Fällen direkter Diskriminierung Art. 39 Abs. 2, 43 Abs. 1 und 49 Abs. 1 EGV die ihnen ursprünglich zugedachte Funktion eines Diskriminierungsverbotes erfüllen. Gerade die vorliegende Situation hatten die Vertragsstaaten bei Formulierung dieser Tatbestände vor Augen. Es muss folglich davon ausgegangen werden, dass es sich um eine bewusste Entscheidung der Vertragsparteien handelt, Eingriffe in den Schutzbereich der Grundfreiheiten nur unter den ausdrücklich normierten Voraussetzungen zuzulassen. Andernfalls hätte es nahe gelegen, weitere Rechtfertigungsgründe zu normieren.357
353 Vgl. etwa die Rechtsprechungsnachweise bei Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 86. 354 So etwa in den Urteilen vom 09.07.1992 (Rs. C-2/90), Slg. 1992, I-4431 (4479 f.) und vom 29.10.1998 (Rs. C-114/97), Slg. 1998, I-6717 (6743). 355 Vgl. Urteil vom 07.03.1991 (Rs. C-10/90), Slg. 1991, I-1119 (1141). Ähnlich formulierte der EuGH in den Bereichen der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit in den Entscheidungen vom 26.04.1988 (Rs. 352/85), Slg. 1988, 2085 (2134) und vom 29.04.1999 (Rs. C-311/97), Slg. 1999, I-2651 (2676). 356 Siehe die Nachweise in Fn. 354. 357 Vgl. Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 39-55, Rn. 140 (Stand: EL 18, Mai 2001); ebenso Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/EGVertrag, Art. 39, Rn. 154. a. A. vgl. Fn. 351; Leible, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 28, Rn. 20 (Stand: EL 15, Januar 2000).
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(c) Berücksichtigung besonderer Wettkampfmodi Speziell für den Bereich der Ausländerklauseln im Sport lässt der EuGH jedoch in ständiger Rechtsprechung Regelungen zu, „die ausländische Spieler von bestimmten Begegnungen aus nichtwirtschaftlichen Gründen ausschließen, die mit dem spezifischen Charakter und Rahmen dieser Begegnungen zusammenhängen und deshalb nur den Sport als solchen betreffen, wie es bei Spielen zwischen den Nationalmannschaften verschiedener Länder der Fall ist.“358
Auch hier stellt der Gerichtshof eine Verbindung zum Verhältnismäßigkeitsprinzip her, denn „diese Beschränkung des Geltungsbereiches der fraglichen Bestimmungen darf nicht weiter gehen, als ihr Zweck es erfordert.“359
Wiederum im Dunkeln bleibt jedoch die dogmatische Grundlage dieses besonderen Rechtfertigungsgrundes360, dessen Berechtigung allerdings einleuchtet, denn Sport folgt nicht zwingend den Regeln des Marktes und ist eben etwas anderes „als grenzüberschreitender Handel mit Drehbänken“361. Die Besonderheit liegt – wie bereits aufgezeigt362 – gerade darin, dass die Wahl eines bestimmten Austragungsmodus zwingend den Ausschluss verschiedener Personengruppen erfordern kann, da andernfalls der Zweck des Wettkampfes vereitelt würde. Ist beabsichtigt, den besten Schüler eines Schulbezirkes in einer bestimmten Altersklasse zu ermitteln, so ist es im Hinblick auf dieses Ziel, unabhängig von der Sportart, unerlässlich, dass weder Schüler aus anderen Schulbezirken noch Schüler einer höheren Altersklasse teilnehmen. Die Möglichkeiten, das Teilnehmerfeld einzugrenzen, um einen Sieger in Bezug auf bestimmte Auswahlkriterien zu ermitteln, sind nahezu unerschöpflich. Neben Altersklassen ist beispielsweise auch eine Einteilung der Sportler in Gewichtsklassen möglich, wie dies insbesondere aus physischen Sportarten bekannt ist. Ebenso kommt eine Unterscheidung nach dem Geschlecht in Betracht, die in nahezu jeder Sportart üblich ist, auch wenn diese überwiegend aus Gründen der Chan-
358 Vgl. die Urteile des EuGH vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5076) und vom 14.07.1976 (Rs. 13/76), Slg. 1976, 1333 (1340). 359 Ebd. 360 Zur Frage, ob es sich um eine Bereichsausnahme handelt, siehe oben, aa) (3). 361 So Palme, JZ 1996, 238 (238). Hierauf weist auch Weatherill, ISLJ 2005, 3 (3) hin: „Sport is an economic activity, as the Court has always insisted, but it is not simply an economic activity like all others.“ 362 Vgl. oben, aa) (3).
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cengleichheit erfolgt363. Aber auch die Staatsangehörigkeit kann sinnvolle Bezugsgröße für einen Austragungsmodus sein, nämlich dann, wenn es Ziel des Wettkampfes ist, den besten Sportler unter allen Staatsangehörigen einer Nation zu ermitteln. Gerade der Ausschluss von Ausländern bestimmt in diesem Fall das Wesen des Wettkampfes und verleiht den Charakter einer nationalen Meisterschaft. Dieser ginge verloren, wenn die maßgebliche Teilnahmevoraussetzung unter Berufung auf die Freizügigkeitsvorschriften des EGV nicht eingehalten werden müsste. Die Durchführung nationaler Meisterschaften sind aber ebenso wie die Wettkämpfe zwischen Nationalmannschaften Bestandteil des nationalen Identitätsbewusstseins, das nicht völlig hinter die Aufgabe der Errichtung eines Gemeinsamen Marktes zurücktritt, sondern dessen Erhaltung sich die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft zum Ziel gesetzt haben. Beispielhaft lässt sich dieses Bemühen bei Einführung der Unionsbürgerschaft ablesen, die gerade nicht die Staatsangehörigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten ersetzt, sondern diese lediglich ergänzt, Art. 17 Abs. 1 S. 2 EGV, und damit einen wesentlichen Aspekt der Verwurzelung eines jeden Einzelnen erhält. Ebenso wenig ist es das Anliegen der Europäischen Union, die in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehenden traditionellen, regionalen und kulturellen Besonderheiten zu vereinigen oder gar aufzuheben. Aus Art. 151 Abs. 1 EGV ergibt sich vielmehr das Gegenteil: Die Gemeinschaft leistet einen Beitrag zur Entfaltung der Kulturen unter Wahrung ihrer regionalen und nationalen Vielfalt. Schon diese Vertragsnormen machen deutlich, dass der europäische Einigungsprozess nicht darauf abzielt, die Mitgliedstaaten unter dem Dach der Europäischen Union umfassend zu vereinigen und ihnen damit jegliche Unterscheidungskraft zu nehmen. Die Mitgliedstaaten haben sich zwar einander zur weitgehenden wirtschaftlichen Liberalisierung verpflichtet, jedoch nicht um den Preis der Aufgabe ihrer eigenen nationalen Identitäten. Insoweit verlieren auch die nationalstaatlichen Grenzen nicht vollends an Bedeutung, sondern bilden nach wie vor die Grundlage für das Zusammengehörigkeitsgefühl der Angehörigen eines Mitgliedstaates als Nation. Eine Ausdrucksform dieser nationalen Verbundenheit sind sportliche Wettkämpfe zwischen Nationalmannschaften, deren kennzeichnendes Element darin besteht, dass alle Mannschaftsmitglieder die gleiche Staatsangehörigkeit besitzen und damit in aller Regel ihr Heimatland repräsentieren. Dieser Charakter und damit zugleich die Bindung zum jeweiligen Land gehen verloren, wenn ein Nationalteam nicht mehr ausschließlich aus Spielern mit der entsprechenden Staatsangehörigkeit zu bestehen hat. Der besondere nationale Bezug eines Wettbewerbes, der sich nur über den Ausschluss von auslän363 Zutreffend weist Vieweg, in: Minderheitenrechte im Sport, S. 71 (84 ff.) darauf hin, dass gerade unter dem Gesichtspunkt der Chancengleichheit eine Pflicht des Verbandes zur Ungleichbehandlung bestehen kann, denn der vereinsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet gerade auch die Gleichbehandlung im Wesentlichen ungleicher Sachverhalte.
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dischen Sportlern herstellen lässt, rechtfertigt daher Zugangsbeschränkungen für Ausländer. (3) Gemeinschaftsgrundrechte als immanente Schranken der Grundfreiheiten? Wird hier grundsätzlich die Auffassung vertreten, eine Anwendung ungeschriebener Rechtfertigungsgründe auf direkt diskriminierende Maßnahmen komme nicht in Betracht, so bedarf dies möglicherweise wegen bestehender Besonderheiten einer Einschränkung. Hatten die Vertragsstaaten bei Gründung der Gemeinschaft als Normadressaten der Grundfreiheiten vorrangig die Mitgliedstaaten vor Augen, so erweiterte der EuGH diesen Kreis im Rahmen seiner Rechtsprechung zur unmittelbaren Drittwirkung um Privatrechtssubjekte; jedenfalls soweit diese über eine gewisse Sozialmächtigkeit verfügen364. Anders als staatliche Hoheitsträger können Privatrechtssubjekte ohne weiteres selbst Träger von Grundrechten sein und folglich dem durch Grundfreiheiten geschützten Personenkreis eigene Freiheitsbereiche entgegenhalten. Das Vorliegen eigener Grundrechtspositionen zugunsten des Normadressaten findet jedoch in den geschriebenen Rechtfertigungsgründen der einzelnen Grundfreiheiten keine Entsprechung, was angesichts der ursprünglichen Ausrichtung auf hoheitliche Maßnahmen nicht verwundert. Es ist allerdings kein Grund ersichtlich, aus dem sich die unumstößliche Notwendigkeit ergibt, im Kollisionsfall zwischen Grundrecht und Grundfreiheit zwingend letzterer den uneingeschränkten Vorrang einzuräumen. Vielmehr erscheint es angemessen, der Erweiterung auf Tatbestandsseite durch Berücksichtigung grundrechtlich geschützter Positionen auf Rechtfertigungsebene Rechnung zu tragen.365 Die Existenz der angesprochenen Konfliktlage lässt sich vorliegend unschwer erkennen. Namentlich trifft das private, national zunächst von Art. 9 Abs. 1 GG geschützte verbandsseitige Interesse an einer autonomen Ausgestaltung der eigenen Regelwerke auf das Interesse des Spielers an der Teilnahme am Spielbetrieb. Im nationalen Recht werden derartige Interessenkonflikte üblicherweise durch eine Abwägung der miteinander streitenden Grundrechte gelöst.366 Ob dieser Maßstab ohne weiteres auf die – streng genommen – zwischen Grundfreiheit und Grundrecht bestehende Kollision übertragen werden 364
Siehe oben, bb) (1). Vgl. etwa Röthel, EuZW 2000, 379 (380); Streinz, SpuRt 2000, 221 (227); Schroeder, JZ 1996, 254 (265), Hobe/Tietje, JuS 1996, 486 (490), a. A. Heidersdorf, S. 68 f., der mangels hinreichender Klarstellung durch den EuGH nicht von der Existenz immanenter Schranken ausgeht. 366 Vgl. hierzu etwa Lerche, in: Hdb. Staatsrecht V, § 122, Rn. 3, 5; Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 72, 317 ff., ausführlich auch Stern, Staatsrecht Bd. III/2, S. 602 ff. 365
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kann und in welchem Umfang auf europäischer Ebene Grundrechte zugunsten der Sportverbände bestehen, ist im Weiteren herauszuarbeiten. Dabei ist vor allem zu beachten, dass Grundfreiheiten allein durch Gemeinschaftsgrundrechte eingeschränkt werden können, die normenhierarchisch auf gleicher Stufe stehen.367
(a) Zur europäischen Grundrechtssituation Bereits im Ausgangspunkt stellt sich das Problem, dass bis heute auf europäischer Ebene kein primärrechtlich verankerter Grundrechtskatalog existiert. Auch wenn sich die Vertragsstaaten am Rande der Vertragsrevision von Nizza auf eine Charta der Grundrechte der Europäischen Union verständigt haben368, so handelt es sich hierbei lediglich um eine politische Absichtserklärung ohne verbindlichen Charakter.369 Die Frage des Status der Charta blieb dabei bewusst außen vor und sollte im Zuge der Nizza nachfolgenden Vertragsreformen, spätestens mit der abschließenden Regierungskonferenz im Jahr 2004 neu entschieden werden.370 In die am 29.10.2004 in Rom unterzeichnete Europäischen Verfassung hat die Grundrechtscharta Eingang gefunden, gleichwohl hat sich an ihrem unverbindlichen Status bislang nichts geändert, denn das Ratifizierungsverfahren ist in einigen Ländern gescheitert.371 Wohl aufgrund der fehlenden Verbindlichkeit nahm der Europäische Gerichtshof bisher nur zurückhaltend auf diese Charta Bezug.372 Dennoch erkennt er Gemeinschaftsgrundrechte an, führt diese jedoch bisher überwiegend auf die Europäische Menschenrechtskonvention zurück. Der Gerichtshof verkennt hiernach nicht, dass sich Sportverbände im Hinblick auf die Einführung von Ausländerklauseln auf die in Art. 11 EMRK festgeschriebene Vereinigungsfreiheit berufen können. In dem insoweit richtungweisenden Bosman-Urteil wird dies ausdrücklich klargestellt: „In Bezug auf die aus der Vereinigungsfreiheit hergeleiteten Argumente ist anzuerkennen, dass dieser in Artikel 11 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten verankerte Grundsatz, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, zu den Grundrechten 367
Vgl. Gramlich, DöV 1996, 801 (805). Vgl. ABl. 2000, Nr. C 364, S. 1. 369 Vgl. Pernice/Mayer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, nach Art. 6 EUV, Rn. 24 (Stand: EL 20, August 2002). 370 Vgl. Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, Vorbem. GR-Charta, Rn. 4, 12. 371 Siehe oben, Fn. 181. 372 Vgl. Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, Vorbem. GR-Charta, Rn. 8. 368
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gehört, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofes, die im Übrigen durch die Präambel der Einheitlichen Europäischen Akte und durch Artikel F Absatz 2 des Vertrages über die Europäische Union373 erneut bekräftigt wurde, in der Gemeinschaftsrechtsordnung geschützt werden.“374
Allerdings versäumt es der EuGH im Folgenden, der Vereinigungsfreiheit auf europäischer Ebene genauere Konturen zu geben und darüber hinaus die Frage zu beantworten, wie Kollisionen zwischen Grundfreiheit und Gemeinschaftsgrundrecht zum Ausgleich zu bringen sind. Er begnügt sich vielmehr mit der Feststellung, dass nicht davon auszugehen ist, „…dass die von Sportverbänden aufgestellten Regeln, mit denen sich das vorliegende Gericht beschäftigt, erforderlich sind, um die Ausübung dieser Freiheit durch die genannten Verbände, die Vereine oder die Spieler zu gewährleisten, oder dass sie eine unausweichliche Folge dieser Freiheit darstellen.“375
(b) Inhalt und Umfang der Vereinigungsfreiheit auf europäischer Ebene Diese Aussage erscheint allerdings etwas vorschnell. Noch ehe der Gerichtshof den genauen Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit überhaupt aufgezeigt hat, räumt er der Arbeitnehmerfreizügigkeit bereits den Vorrang ein. Dabei liegt die konkrete inhaltliche Ausgestaltung keineswegs so klar auf der Hand, wie die Ausführungen des EuGH dies vermuten lassen. Zwar wird zutreffend darauf hingewiesen, dass sich die Reichweite des Grundrechts aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt376, jedoch können diese ganz erheblich divergieren, so dass nicht notwendig Kongruenz etwa zum deutschen Grundrechtstandard, wie er sich aus Art. 9 GG ergibt, vorliegen muss.377 Die genauen Umrisse einer europäischen Vereinigungsfreiheit lassen sich folglich nur im Wege einer rechtsvergleichenden Untersuchung aller auf nationaler Ebene existierenden Grundrechtsstandards ermitteln.378 Die Durchführung einer solchen Analyse kann die vorliegende Arbeit schon wegen des notwendigen Umfangs einer solchen Untersuchung nicht leisten. Im Folgenden 373
Jetzt Art. 6 Abs. 2 EUV. Vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5065). 375 Ebd. 376 So die ganz herrschende Lehre, vgl. etwa Oppermann, Rn. 491; Herdegen, Rn. 170; Rengeling, S. 179. 377 Vgl. Gramlich, DöV 1996, 801 (809). 378 Vgl. Rengeling, S. 224, 228 f. Zur Methode und zum Vorgehen siehe auch Notthoff, RIW 1995, 541 (542 f.). 374
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soll jedoch versucht werden, zumindest die auf europäischer Ebene für eine kollektive Betätigungsfreiheit der Verbände sprechenden Anhaltspunkte herauszuarbeiten. Enthalten die Verfassungen der Mitgliedstaaten ganz überwiegend ein Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit379, so liegt hierin lediglich der Grundstein für die weitere Betrachtung, denn die durchgängige Anerkennung eines Individualrechts auf Gründung einer Vereinigung zieht nicht notwendig auch einen grundrechtlichen Schutz der Vereinigung selbst nach sich.380 Aufschluss über die gemeinsame Überlieferung auch einer kollektiven Ausprägung der Vereinigungsfreiheit könnte über Art. 6 Abs. 2 EUV die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten geben, die zwar keine unmittelbare Bindungswirkung für die Europäische Gemeinschaft entfaltet381, jedoch in Art. 11 ein von allen Mitgliedstaaten anerkanntes Recht auf Vereinigungsfreiheit enthält.382 Wird hierüber auch ein Schutz des Personenzusammenschlusses vermittelt, so würde dies dafür sprechen, dass die Mitgliedstaaten übereinstimmend einen kollektiven Aspekt der Vereinigungsfreiheit anerkennen. Art. 11 EMRK lässt eine solche Ausprägung durchaus erkennen. Der im zweiten Halbsatz gewählten Formulierung ist zu entnehmen, dass auch ein Eintreten der Gewerkschaft – als spezifischer Vereinigung – für die Interessen ihrer Mitglieder geschützt wird und damit eine kollektive Betätigungsfreiheit existiert.383 Es erscheint daher – auch unter Beachtung eines effektiven Rechtsschutzes – zulässig, die freie Tätigkeit der Vereinigung in den Schutzbereich der Vereinigungsfreiheit einzubeziehen.384 Ist dieses Verständnis gemeinhin anerkannt, so gibt die Charta der Grundrechte der Europäischen Union vom 07.12.2000 eine zusätzliche Stütze für die Annahme eines kollektiven Gemeinschaftsgrundrechts auf Vereinigungsfrei379
Vgl. die umfangreichen Nachweise bei Tettinger, in: Doping – Realität und Recht, 89 (94), Rengeling, S. 59 f. und Meyer/Bernsdorff, Art. 12, Rn. 2. 380 Allerdings haben bereits frühere rechtsvergleichende Untersuchungen gezeigt, dass – vom Standard des Grundgesetzes aus betrachtet – in allen Mitgliedstaaten ein ähnliches Grundrechtsniveau, abgesehen vom Grundrecht der Berufsfreiheit, besteht. Dies gilt insbesondere auch für das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit. Vgl. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 732 f. 381 Vgl. Beutler, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 6 EUV, Rn. 62; auch Rengeling, S. 184, unter Verweis auf die Analyse der Rechtsprechung des EuGH. 382 Vgl. die Ratifikationstabelle im Anhang bei Frowein/Peukert, EMRK-Kommentar. 383 Vgl. Frowein, in: EMRK-Kommentar, Art. 11, Rn. 11, im Ergebnis auch MeyerLadewig, HK-EMRK, Art. 11, Rn. 8; Gramlich, DöV 1996, 801 (807), Kirschenhofer, S. 209. Für einen Schutz auch des Zusammenschlusses Pernice/Mayer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, nach Art. 6 EUV, Rn. 118 (Stand: EL 20, August 2002). 384 So Villiger, Rn. 637.
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heit, denn Art. 12 Abs. 1 der Charta beinhaltet eine nahezu wortlautidentische Wiederholung von Art. 11 Abs. 1 EMRK.385 Dass es sich dabei nicht lediglich um eine bloße Zufälligkeit, sondern vielmehr um eine bewusste Entscheidung handelt, belegen die Erläuterungen des Konventspräsidiums. Demnach haben die Bestimmungen des Abs. 1 die gleiche Bedeutung wie die Bestimmungen der EMRK.386 Dieser Hinweis kann nicht anders verstanden werden als ein Festhalten an einem Standard, wie ihn Art. 11 EMRK gewährt. In der Wortlautübernahme dürfte zugleich eine Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung des EuGH liegen387, der bereits frühzeitig – allerdings gestützt auf Art. 24 a des Beamtenstatuts388 – typische charakteristische Merkmale einer Vereinigung darin erkannte, dass sie über eine gewisse Autonomie verfügt und auch die Befugnis besitzt, die ihrer Zwecksetzung entsprechenden Interessen durchzusetzen. Trotz fehlender Verbindlichkeit verdeutlicht die Charta damit letztlich die Akzeptanz der Mitgliedstaaten gegenüber dem richterlichen Grundrechtsverständnis, zu dem spätestens mit der Entscheidung des Gerichtshofs in der Rechtssache Bosman389 auch eine kollektive Ausprägung der Vereinigungsfreiheit gehört. Die Existenz der Vereins- und Verbandsautonomie unterstellt stillschweigend auch der europäische Gesetzgeber in Art. 1 Nr. 2 des Entwurfs zum Statut eines Europäischen Vereins.390 Hiernach kann der „…Europäische Verein seine für die Verwirklichung seines Zwecks notwendigen Tätigkeiten frei bestimmen, sofern diese mit den Zielen der Gemeinschaft…vereinbar sind.“391
Die vorstehenden Umstände lassen die kollektive Komponente des Gemeinschaftsgrundrechts der Vereinigungsfreiheit deutlich werden. Hierbei kann davon ausgegangen werden, dass die Mitgliedstaaten den Vereinen und Verbänden übereinstimmend einen autonomen Handlungsspielraum zur Regelung ihrer eigenen Angelegenheiten einräumen, der es ermöglicht, Spiel- und Wettkampfordnungen grundsätzlich nach eigenen Vorstellungen auszugestalten.392
385 Nach h. M. wird von Art. 12 Abs. 1 der Grundrechtscharta auch die kollektive Vereinigungsfreiheit geschützt. Vgl. Meyer/Bernsdorff, Art. 12, Rn. 15 mwN. 386 Vgl. die Erläuterungen des Konventspräsidiums, abgedruckt bei Pernice/Mayer, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, nach Art. 6 EUV, Rn. 117 (Stand: EL 20, August 2002). 387 So Beutler, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 6 EUV, Rn. 98. 388 Vgl. EuGH, Urteil vom 08.10.1974 (Rs. 175/73), Slg. 1974, 917 (925). 389 Vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5040 ff.). 390 Hierauf machen zutreffend Vieweg und Röthel, ZHR 166 (2002), 6 (13), aufmerksam. 391 Die endgültige Fassung des Entwurfs eines Statuts des Europäischen Vereins findet sich im ABl. 1993, Nr. C 236, 1. 392 Vgl. Gramlich, DöV 1996, 801 (807).
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
(c) Zum Abwägungsmaßstab zwischen Grundfreiheit und Gemeinschaftsgrundrecht Existiert auf primärrechtlicher Ebene ein grundrechtlich geschützter Bereich zugunsten privater Vereine und Verbände, so stellt sich im Folgenden die Frage, auf welchem Weg eine mögliche Kollision mit Grundfreiheiten des Einzelnen zu lösen ist. Der EuGH umgeht dieses Problem in der Rechtssache Bosman – trotz ausdrücklicher Anerkennung einer zugunsten der Verbände bestehenden Vereinigungsfreiheit – mit dem Hinweis darauf, dass nicht davon auszugehen sei, dass Ausländerklauseln erforderlich sind, um die Vereinigungsfreiheit der Sportverbände zu gewährleisten.393 Unklar bleibt, ob der Gerichtshof dieses Ergebnis unter Anwendung der zum Übermaßverbot geltenden Grundsätze gewonnen hat, denn die – wie üblich – straff gehaltene Darstellung der Entscheidungsgründe gibt hierüber keinen Aufschluss. Systematisch spricht einiges dafür, einen Ausgleich zwischen Grundfreiheit und kollidierendem Grundrecht über eine Abwägung der betroffenen Positionen im Einzelfall zu suchen, denn im Gemeinschaftsrecht bestimmen sich Intensität und Umfang zulässiger Maßnahmen gegenüber Privaten grundsätzlich nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip des Art. 5 Abs. 3 EGV.394 Die herrschende Meinung befürwortet daher im Grundsatz zu Recht eine Abwägung anhand der Kriterien Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit.395 Dabei wird eine Lösung nicht im Wege der vollständigen Verdrängung einer der beiden Rechtspositionen, sondern vielmehr durch wechselseitige Optimierung im Sinne praktischer Konkordanz gesucht.396 Berechtigt erscheint allerdings der hiergegen vorgebrachte Einwand, das Konstrukt praktischer Konkordanz beruhe allein auf der deutschen Grundrechtsdogmatik und könne nicht ohne weiteres auf die Kollision von Grundfreiheit und Grundrecht übertragen werden.397 Denn anders als bei der Kollision zwischen grundsätzlich gleichartigen Grundrechten gilt es vorliegend die strukturellen Unterschiede zwischen Grundrecht und Grundfreiheit zu beachten. Verbürgen Grundrechte originär stets eine individuelle Rechtsposition, so dienen die Grundfreiheiten vorrangig dem Allgemeininteresse an einer mög393
Vgl. EuGH, Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5065). Vgl. Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6 (16). 395 Vgl. Schroeder, S. 198 ff.; ders., JZ 1996, 254 (256); Gramlich, DöV 1996, 801 (810); Imping, EWS 1996, 193 (197); Streinz, SpuRt 2000, 221 (226); Dinkelmeier, S. 104; Hobe/Tietje, JuS 1996, 486 (490); Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, 44 (45); Schäfer, in: Freizügigkeit im europäischen Sport, S. 81 (85), Kirschenhofer, S. 212. 396 Ebd. 397 Vgl. Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6 (27); Groß, S. 414 ff. 394
2. Europarechtliche Vorgaben
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lichst umfassenden Verwirklichung des Binnenmarktes398, aus dem sich individuelle Rechtsposition lediglich ableiten lassen.399 In Bezug auf die Ableitung individueller Rechtspositionen verhalten sich Grundfreiheit und Grundrecht geradezu diametral unterschiedlich. Während die von jeher als subjektive Abwehrrechte konzipierten Grundrechte in der verfassungsgeschichtlichen Entwicklung den Weg auch zur „objektiven Wertentscheidung“ vollzogen, liegt den Grundfreiheiten im Ausgangspunkt eine objektive Zielrichtung zugrunde, aus der lediglich eine weitere, subjektive Komponente erwächst.400 Die individuellen Gewährleistungen der Grundfreiheiten sind Mittel zur Herstellung der angestrebten Binnenmarktordnung401 und werden in erster Linie im Allgemeininteresse gewährt. Ist die Verbürgung grundfreiheitlichen Individualschutzes damit an erster Stelle „Funktionalisierung“ des Bürgers zur Erreichung dieses Zweckes402, so besteht innerhalb der Grundfreiheit ein sachlogischer Vorrang der objektiv-institutionellen vor der individuellen Gewährleistung.403 Im Ergebnis folgt daraus, dass vorliegend nicht – wie für Grundrechtskollisionen typisch – zwei Individualinteressen aufeinander treffen, sondern das hinter dem Individualschutz der Grundfreiheit stehende Allgemeininteresse an der möglichst umfassenden Verwirklichung des Binnenmarktes und das Individualinteresse der Sportverbände an der autonomen Regelung eigener Angelegenheiten. Die Abwägung im Sinne der praktischen Konkordanz bedingt jedoch neben der Gleichgewichtigkeit von Grundfreiheit und Grundrecht404 auch eine Gleichartigkeit in ihrer Zielrichtung, die infolge der funktionalen Verschiedenheit von Grundrecht und Grundfreiheit nicht anzunehmen ist.405 Wird durch ein grundrechtlich geschütztes privates Handeln in die institutionelle Gewährleistung einer Grundfreiheit und das hieraus abgeleitete subjektive Recht eingegriffen406, dann geht es nicht um die wechselseitige 398
Dies lässt sich unmittelbar den Art. 2, 3 Abs. 1 lit. c) EGV entnehmen. Vgl. Kluth, AöR 122 (1997), 557 (574 f.); Schindler, S. 149, 177 f. Dies übersieht etwa Dinkelmeier, S. 104, nach dem ein funktionaler Unterschied zwischen Grundfreiheit und Grundrecht nicht gegeben ist. 400 Vgl. Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6 (27); Kingreen, S. 25. 401 Siehe nur EuGH, Urteil vom 26.01.1999 (Rs. C-18/95), Slg. 1999, I-345 (388). 402 Vgl. Kingreen, S. 25. 403 Vgl. Kluth, AöR 122 (1997), 557 (574 f.). 404 Dies verkennen freilich auch die Vertreter einer Abwägung im Sinne praktischer Konkordanz nicht. Siehe etwa Gramlich, DöV 1996, 801 (808), Kirschenhofer, S. 212. 405 Vgl. Schindler, S. 106 ff., 148 ff. 406 Zutreffend weist Kluth daraufhin, dass infolge der funktionalen Ausrichtung der Grundfreiheiten ein Eingriff erst bei Beeinträchtigung der institutionellen Gewährleistung vorliegen kann, nicht jedoch schon bei Beeinträchtigung des hieraus abgeleiteten Individualrechts. Vgl. AöR 122 (1997), 557 (575 f.). Ebenso wie Schindler, S. 186, folgert er hieraus eine höhere Eingriffsschwelle für Grundfreiheiten, da nicht jedes beliebige private Handeln die Verwirklichung des Binnenmarktes gefährden könne. 399
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
Optimierung von grundfreiheitlich und grundrechtlich geschütztem Individualinteresse, sondern um die Abwägung zwischen Allgemein- und Verbandsinteresse und hierbei maßgeblich um den Schutz des Grundrechts vor einer unverhältnismäßigen Verdrängung.407
ee) Ausblick auf Änderungen im Rahmen einer europäischen Verfassung Trotz der späteren Aussetzung des Ratifizierungsverfahrens haben die Mitgliedstaaten mit Unterzeichnung der Europäischen Verfassung am 29.10.2004 in Rom einen wichtigen Schritt hin zu einer gemeinsamen Grundordnung auf europäischer Ebene vollzogen und Tendenzen für die zukünftige Entwicklung aufgezeigt. Der vom Europäischen Konvent erarbeitete Verfassungsentwurf steht bewusst im Lichte einer „Verfassung für die europäischen Bürger“ und setzt auf ein erhöhtes Maß an Transparenz und demokratischer Legitimation innerhalb der Union und ihrer Organe.408 Dies kommt insbesondere in der beabsichtigten Ausdehnung der Bürgerrechte zum Ausdruck. Die Verfassung sieht hier eine unmittelbare demokratische Einflussnahme des Bürgers durch die Einführung plebiszitärer Elemente in Form einer Bürgerinitiative, Art. I-47 Abs. 4 EU-Verfassung, vor.409 Neben der Weiterentwicklung des Unionsbürgerstatus verdient die Übernahme der Grundrechtscharta von Nizza in die Europäische Verfassung besondere Beachtung. Die Gemeinschaftsrechtsordnung könnte damit erstmals über einen verbindlichen Grundrechtskatalog, der neben den Grundfreiheiten wesentliche Freiheitsbereiche verbürgt, verfügen. In den Vordergrund treten hiernach unweigerlich Fragen des Umfanges und der Grenzen dieser Grundrechte. Eine Umsetzung vorausgesetzt, wird sich der Europäische Gerichtshof stärker als bisher mit inhaltlichen Fragen – auch im Hinblick auf die Rechtfertigung von Eingriffen – auseinanderzusetzen haben. Soweit neben diesen Grundrechten auch die Grundfreiheiten betroffen sind, mag eine Betrachtung der Grundrechtssituation gegebenenfalls wegen eines anzunehmenden Verstoßes gegen die Grundfreiheit dahin stehen können, jedoch wird sich die Bedeutung der Grundrechte in den Lebensbereichen zeigen, die nicht vom Anwendungsbereich der Grundfreiheiten erfasst werden. Der Gerichtshof könnte daher zunehmend auch mit rein nichtwirtschaftlichen Sachverhalten konfrontiert werden, die bisher nicht dem Gemeinschaftsrecht unterlagen. Von besonderer Bedeutung würden die Gemeinschaftsgrundrechte gerade für diejenigen 407
So auch Vieweg/Röthel, ZHR 166 (2002), 6 (26 ff.). Dies geht aus der Erklärung von Laeken hervor, mit der die Einrichtung des Konvents beschlossen wurde. Vgl. http://europa.eu.int/futurum/documents/offtext/doc151201_de.htm. 409 Vgl. ABl. 2004, Nr. C 310, 1. 408
2. Europarechtliche Vorgaben
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Unionsbürger, die nicht über den wirtschaftlichen Status einer der Grundfreiheiten verfügen. In diesem Zusammenhang wäre auch die Frage zu klären, inwieweit die Gemeinschaftsgrundrechte mittelbare bzw. unmittelbaren Drittwirkung410 entfalten.411 Interessant ist diese Entwicklung aber auch für die Rechtslage in Bezug auf Ausländerklauseln. Geht man entgegen der hier vertretenen Auffassung davon aus, dass sich etwa das in Art. 39 EGV verankerte Recht auf Arbeitnehmerfreizügigkeit nicht auch auf das soziale und gesellschaftliche Umfeld des Wanderarbeitnehmers bezieht, so wäre ein normierter Grundrechtskatalog in diesem Bereich von erheblicher Bedeutung. Dabei könnten sich durchaus beachtliche Unterschiede zur nationalen Grundrechtssituation ergeben. Denn anders als im nationalen Recht, in dem Art. 9 Abs. 1 GG als Deutschengrundrecht ausgestaltet ist, kann sich der Unionsbürger dann auch im Inland auf das Gemeinschaftsgrundrecht der Versammlungsund Vereinigungsfreiheit des Artikel II-72 EU-Verfassung berufen und ist damit im Bereich der Freiheitsrechte nicht mehr auf das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG beschränkt. Dies ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil in diesem Bereich ein Konfliktfeld zwischen der ebenfalls auf der Vereinigungsfreiheit basierenden Struktur des nationalen bzw. internationalen Sportverbandswesens und dem individuellen Recht der negativen Vereinigungsfreiheit besteht. Das mehrfach angesprochene Ein-PlatzPrinzip412 verhindert den Aufbau eines effektiven Verbandssystems neben den bereits bestehenden Strukturen. Dies nimmt dem Sportler zwar nicht die Möglichkeit, einem Verein oder Verband fernzubleiben, sofern ihm die dort vorgefundenen Regeln nicht akzeptabel erscheinen, jedoch findet er hierzu keine Alternative. Im Ergebnis zwingt das Ein-Platz-Prinzip den Einzelnen daher in die existenten Verbandsstrukturen und entwertet damit faktisch das Recht auf negative Vereinigungsfreiheit. Daneben besteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Recht des Verbandes an einer autonomen Regelgestaltung und dem Interesse des Sportlers an der Ausübung „seines“ Sports. Die Teilnahme am Wettkampf stellt sich – zumindest nach nationalem Grundrechtsverständnis – als eine vom Schutzbereich der
410
So Bieber, in: EU – Europarecht und Politik, § 2, Rn. 19. Eine Tendenz lässt möglicherweise die Rechtsprechung des EuGH zum besonderen Gleichbehandlungsgebot aus Art. 141 Abs. 1 EGV erkennen, in der sich der Gerichtshof für eine unmittelbare Drittwirkung ausspricht. Vgl. die Urteile vom 08.04.1976 (Rs. 43/75), Slg. 1976, 455 (476) und vom 17.09.2002 (Rs. C-320700), Slg. 2002, I7325 (7352). Der EuGH fasst Art. 141 EGV dabei als Gemeinschaftsgrundrecht auf. So auch Coen, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 141, Rn. 3 mwN. 412 Siehe hierzu oben, I. 4. c) und 5. c) bb). 411
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
Vereinigungsfreiheit erfasste Form der verbandsinternen Betätigung dar.413 Die Verwirklichung dieses Freiheitsbereiches wird durch Ausländerklauseln beeinträchtigt. Unabhängig von dieser konkreten Betrachtung ist nicht zu übersehen, dass die europäische Verfassung in der unterzeichneten Form die sich bereits seit Jahrzehnten innerhalb der Europäischen Union abzeichnende Entwicklung vorantreibt. In den Mittelpunkt der Gemeinschaftsrechtsordnung rückt mehr und mehr der einzelne Unionsbürger, dessen Status durch das erstmalige Festschreiben eines Grundrechtskataloges eine deutliche Verbesserung erfahren und damit zugleich die zunehmende Abkehr von einer streng an ökonomischen Bedürfnissen ausgerichteten Rechtsordnung verdeutlichen würde. Die inhaltlichen Konturen der einzelnen Grundrechte aufzuzeigen, dürfte dann zu einer der wesentlichen Aufgaben des Europäischen Gerichtshofes in den nächsten Jahren werden. Im Rahmen dieses Ausblicks verdient nicht zuletzt auch der Umstand Erwähnung, dass die Mitgliedstaaten in den Art. I-11 ff. der Verfassung eine exaktere Abgrenzung der Unionszuständigkeiten anstreben. Es bleibt zu hoffen, dass dieser Versuch gelingt und für mehr Klarheit in der seit jeher im Detail umstrittenen Kompetenzverteilung zwischen Union und Mitgliedstaaten sorgt.
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten Der persönliche Anwendungsbereich der Personenverkehrsfreiheiten des EGV ist auf die Staatsangehörigen der einzelnen EG-Mitgliedstaaten begrenzt.414 Dem Wortlaut des Art. 39 EGV ist dies zwar nicht unmittelbar zu entnehmen, jedoch treffen die Bestimmungen zur Niederlassungsfreiheit, Art. 43 EGV, und zur Dienstleistungsfreiheit, Art. 49, hierzu eindeutige Aussagen. Da grundsätzlich nicht davon auszugehen ist, dass der persönliche Anwendungsbereich des Art. 39 EGV über den der übrigen Personenverkehrsfreiheiten hinausgehen soll, ist auch für den Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit ein Schutz allein für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten anzunehmen. Einen dem Unionsbürger entsprechenden Status gewährt das Gemeinschaftsrecht An413
Da ohnehin nur diejenigen Spieler teilnahmeberechtigt sind, die einem Verein angehören, der wiederum im nationalen Sportbund organisiert ist, wird man den Wettkampf als verbandsinterne Betätigung auffassen müssen. Zum Schutz der internen Betätigungsfreiheit im nationalen Verfassungsrecht siehe etwa Bauer, in: Dreier I, Art. 9, Rn. 44. 414 So die zutreffende allgemeine Meinung. Vgl. etwa Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 39-55, Rn. 9 sowie Art. 39, Rn. 85 mwN. (Stand: EL 18, Mai 2001).
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
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gehörigen dritter Staaten nur in besonderen Fällen, so etwa bei einer Familienzugehörigkeit im Sinne der Art. 10-12 der VO Nr. 1612/68415. Außerhalb dieses Schutzbereiches bleiben Drittstaatenangehörige auf zwischen ihren Herkunftsländern und der Europäischen Gemeinschaft geschlossene Abkommen und die hierin enthaltenen Gewährleistungen beschränkt. Im Hinblick auf den freien Personenverkehr soll der Regelungsgehalt dieser Abkommen nachfolgend näher untersucht und auf seine Ähnlichkeit mit dem Standard der Grundfreiheiten des EGV hin überprüft werden.
a) Arbeitnehmerfreizügigkeit, Niederlassungsfreiheit und Dienstleistungsfreiheit für Freizeitsportler aus Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR) Im Verhältnis der Gemeinschaft zu den europäischen Staaten Island, Norwegen und Liechtenstein findet das am 01.01.1994 in Kraft getretene Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung.416 Für die ursprünglich weiteren Vertragsstaaten Schweden, Finnland und Österreich ist das Abkommen nach deren Beitritt zur Europäischen Union mit Vertrag vom 24.06.1994417 bedeutungslos geworden. Diese Staaten sind seit dem 01.01.1995 vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft und deren Staatsangehörige daher ohne weiteres berechtigt, die Gewährleistungen des EGV in Anspruch zu nehmen. Liechtenstein, als Nicht-Gründungsvertragsmitglied, wurde nach Art. 1 Abs. 2 des Anpassungsprotokolls418 in Verbindung mit dem Beschluss Nr. 1/95 des EWR-Rates vom 10.03.1995419 am 01.05.1995 in den Kreis der Vertragsstaaten aufgenommen.
aa) Die Reichweite der Freizügigkeit im Europäischen Wirtschaftsraum Im Kernbereich beziehen sich die Gewährleistungen des EWR-Abkommens, ganz im Sinne eines Wirtschaftsabkommens mit dem Ziel der Herstellung eines binnenmarktähnlichen Verhältnisses zur Europäischen Union420, auf die hierfür 415
Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 des Rates vom 15.10.1968 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft (ABl. 1968, Nr. L 257, 2). 416 Vgl. ABl. 1994, Nr. L 1, 3; BGBl. 1993 II, 267. 417 Vgl. ABl. 1994, Nr. C 241, 1 in Verbindung mit dem Anpassungsbeschluss vom 01.01.1995, ABl. 1995, Nr. L 1, 1. 418 Vgl. ABl. 1994, Nr. L 1, 572. 419 Vgl. ABl. 1995, Nr. L 86, 58. 420 Vgl. Welte, ZAR 1994, 80 (81).
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
bedeutsamen Bereiche des Waren-, Personen- und Kapitalverkehrs. Dabei umfasst insbesondere die unter Teil III, Freizügigkeit, freier Dienstleistungs- und Kapitalverkehr, in Art. 28 Abs. 2 niedergelegte Freizügigkeit für Arbeitnehmer und selbstständig Erwerbstätige die Abschaffung jeder auf der Staatsangehörigkeit beruhenden unterschiedlichen Behandlung der Arbeitnehmer der EGMitgliedstaaten und der EFTA-Staaten in Bezug auf Beschäftigung, Entlohnung und sonstige Arbeitsbedingungen. Ähnliche, als Beschränkungsverbot formulierte Bestimmungen enthalten Art. 31 Abs. 1 EWR-Abkommen für die Niederlassungsfreiheit und Art. 36 Abs. 1 EWR-Abkommen für den Bereich der Dienstleistungsfreiheit. Im Rahmen einer vergleichenden Betrachtung mit den Grundfreiheiten des EGV fällt im Bereich der nach Art. 28 Abs. 2 EWR-Abkommen gewährten Arbeitnehmerfreizügigkeit zunächst die Wortlautidentität mit Art. 39 Abs. 2 EGV auf. Gleiches gilt für die Abs. 3 und 4, deren Formulierung exakt denen des EGV entspricht. Infolge dieser Übereinstimmung liegt es nahe, auch auf eine inhaltliche Kongruenz zu schließen. Allerdings ergeben sich im Umfang der Gewährleistungen zwischen beiden Normen durchaus und überdies sogar ausdrücklich normierte Unterschiede. Denn Art. 28 Abs. 5 EWR-Abkommen erklärt die besonderen Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nur nach Maßgabe des Anhanges V zum EWR-Abkommen für anwendbar.421 Von den im Gemeinschaftsrecht auf sekundärrechtlicher Ebene existierenden, in einer Vielzahl von Richtlinien und Verordnungen verankerten besonderen Bestimmungen über die Arbeitnehmerfreizügigkeit ergeben sich damit im Anwendungsbereich des EWR-Abkommens eine Reihe von Ausnahmen. Allerdings belegt die Anwendbarkeit sekundären Gemeinschaftsrechts im Übrigen, dass sich die Vertragsstaaten weitestgehend am Standard der EGGrundfreiheiten anlehnen wollten. Abweichungen in Form des Anhanges V sind daher als geringfügige Modifikationen eines im Wesentlichen gleichen Freiheitsverständnisses zu werten. Unter systematischen Gesichtspunkten spricht hierfür auch, dass sich das EWR-Abkommen in Fragen des Aufbaus und der Abfolge freiheitlicher Gewährleistungen offenkundig am EGV orientiert und damit auf dessen Freizügigkeitskonzept Bezug nimmt. Eine möglichst vollumfängliche Gewährleistung der Freizügigkeit entspricht zudem der Intention der Vertragstaaten, denn die Gründung eines Europäischen Wirtschaftsraumes erfolgte „…in dem festen Willen, für die weitestmögliche Verwirklichung der Freizügigkeit und des freien Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs zu sorgen… .“422
421 422
Der Anhang V findet sich abgedruckt in BGBl. 1993 II, 519. Vgl. die Präambel zum EWR-Abkommen, BGBl. 1993 II, 267 (268).
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
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Die besondere Wichtigkeit der im EWR-Abkommen gewährten Freiheiten verdeutlicht auch deren Stellung im Vertragsgefüge. Wiederum in Parallelität zum EGV folgen diese den Ziel- und Grundsatzbestimmungen unmittelbar nach und bilden damit das Kernstück der Konzeption eines Europäischen Wirtschaftsraumes. Den Grundsatzbestimmungen ist mit Art. 6 zugleich die maßgebliche Vorschrift für das prinzipielle Verständnis des EWR-Abkommens zu entnehmen. Demnach sind diejenigen Bestimmungen des EWR-Abkommens, zu denen auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene eine Entsprechung existiert, im Einklang mit den einschlägigen Entscheidungen auszulegen, die der EuGH vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des EWR-Abkommens am 02.05.1992 erlassen hat. Diese Regelung unterstreicht den engen Bezug zu den Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts und gibt umfangreich Aufschluss zum Verständnis der Freizügigkeitsrechte nach dem EWR-Abkommen, insbesondere auch im Hinblick auf Fallkonstellationen aus dem Bereich des Sports. Denn hierzu vom EuGH aufgestellte Grundsätze gehen bis in das Jahr 1974 zurück und geben die bis heute unveränderte Auffassung des Gerichtshofes wieder. So vertritt der EuGH bereits seit seiner Entscheidung in Sachen Walrave die Ansicht, dass sich das von den Personverkehrsfreiheiten angeordnete Verbot der unterschiedlichen Behandlung auch an private Sportverbände richtet.423 Nach Maßgabe des Art. 6 EWR-Abkommen kommt dem Diskriminierungsverbot des Art. 28 Abs. 2 EWR-Abkommen damit ebenfalls Drittwirkung zu. Allerdings schließt Art. 6 EWR-Abkommen bei Auslegung der Abkommensbestimmungen auch eine Berücksichtigung der nach dem 02.05.1992 ergangenen Rechtsprechung des EuGH nicht aus, denn eine Begriffsauslegung anhand der zum Stichtag 02.05.1992 existierenden Entscheidungen des EuGH erfolgt „unbeschadet der künftigen Entwicklung der Rechtsprechung“. Im Übrigen ist gerade auch zukünftig eine homogene Entwicklung des Abkommens mit den gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen beabsichtigt. Zu diesem Zweck enthält das EWR-Abkommen in den Art. 105-107 Vorschriften zur Sicherung einer einheitlichen Auslegung des Abkommens und der wesensgleichen Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts. Der Gemeinsame EWRAusschuss verfolgt danach ständig die Entwicklung der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaft und der EFTA-Staaten und setzt sich dafür ein, dass eine homogene Auslegung des EWR-Abkommens gewahrt bleibt.424 Unter Berücksichtigung der vorstehend genannten Aspekte ist daher davon auszugehen, dass die Freiheitsrechte nach dem EWR-Abkommen im Wesent423 424
Vgl. EuGH, Urteil vom 12.12.1974 (Rs. 36/74), Slg. 1974, 1405 (1419 f.). Vgl. Art. 105 Abs. 2 S. 2 EWR-Abkommen.
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
lichen den gleichen Standard normieren, wie ihn die Grundfreiheiten für Unionsbürger gewährleisten.425 Die obigen Ausführungen zur Geltung der Grundfreiheiten im Bereich des Freizeitsports426 sind daher sinngemäß auf den Anwendungsbereich des EWR-Abkommens übertragbar.
bb) Das EWR-Abkommen als unmittelbar anwendbare Rechtsquelle Es stellt sich allerdings die Frage, ob der Vertragstext – insbesondere im Hinblick auf das Verbot einer Ungleichbehandlung aus Gründen der Staatsangehörigkeit – innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung unmittelbar geltendes Recht enthält. Dies bedingt aus Gründen der Normhandhabung zweierlei: Zum einen bedarf es eines inhaltlich hinreichend bestimmten Regelungsgegenstandes. Weiterhin muss die Bestimmung den Charakter einer Vollzugsnorm aufweisen. Nach zutreffender Rechtsprechung des EuGH setzt die unmittelbare Wirkung einer Vorschrift in einem (Assoziierungs-)Abkommen daher voraus, dass die jeweilige Regelung „unter Berücksichtigung ihres Wortlauts und im Hinblick auf Sinn und Zweck des Abkommens eine klare und eindeutige Verpflichtung enthält, deren Erfüllung oder deren Wirkungen nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängen.“427
Diesen Vorgaben genügen sämtliche Mobilitätsgewährleistungen des EWRAbkommens. Als Rechtsfolge wird hinreichend deutlich die Unzulässigkeit den Personenverkehr beschränkender Regelungen angeordnet. Die einzelnen Freizügigkeitsbestimmungen enthalten dabei inhaltliche Konkretisierungen, etwa Art. 37 EGV mit seiner beispielhaften Aufzählung erfasster Dienstleistungsfelder, die den jeweiligen Normanwendungsbereich deutlich umreißen. Der Normbefehl ergibt sich unmittelbar aus der jeweiligen Vorschrift und ist insbe-
425 So zutreffend die ganz h. M. Vgl. etwa Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 39-55, Rn. 36 (Stand: EL 18, Mai 2001); Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 51; Hailbronner, in: HK-EUV/EGV, Art. 48, Rn. 30a (Stand: 3. Lfg., August 1994); Brechmann, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 38; Weber, RdA 1996, 107 (109); Welte, ZAR 1994, 80 (82 f.); Kirschenhofer, S. 124, 231; Gramlich/Niese, SpuRt 1998, 61 (63 f.); De Kepper, in: Freizügigkeit im europäischen Sport, S. 43 (46); Streinz, SpuRt 1998, 45 (47); Holzke, SpuRt 2004, 1 (2); Breitenmoser, in: Freizügigkeit im europäischen Sport, S. 59 (64). 426 Siehe oben, 2. b) bb) (2) (d). 427 Ständige Rechtsprechung des EuGH, siehe etwa das Urteil vom 16.06.1998 (Rs. C-162/96), Slg. 1998, I-3655 (3701) mwN.
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
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sondere nicht vom Erlass eines weiteren Rechtsaktes – etwa infolge einer Bedingung – abhängig und daher umsetzungslos anwendbar.428 Im Grundsatz ergibt sich daher eine Bindung der Gemeinschaft und der Mitgliedstaaten an die Bestimmungen des EWR-Abkommens über Art. 300 Abs. 7 EGV. Der Vertrag wird „integrierender Bestandteil des Gemeinschaftsrechts“429, ohne dass es eines weiteren förmlichen Transformationsaktes bedarf.430 Dies kann freilich nur dann gelten, wenn der konkrete Vertragsgegenstand in den Kompetenzbereich der Gemeinschaft fällt, denn mangels Vertragsabschlußkompetenz auf Seiten der Gemeinschaft werden die Mitgliedstaaten an diejenigen Bestimmungen des Abkommens nicht gebunden, die im ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten verblieben und daher der Rechtsetzung durch die Gemeinschaft entzogen sind.431 Die häufig unklare Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten – gerade auch im Bereich des Ausländerrechts – birgt bei Abschluss eines Assoziierungsabkommens allein durch die Gemeinschaft daher immer auch die Gefahr eines Vordringens in Zuständigkeitsbereiche, die den Mitgliedstaaten vorbehalten sind und daher nicht der Bindungswirkung des Art. 300 Abs. 7 EGV unterliegen. Von Seiten der Gemeinschaft versucht man diesem Problem – so auch beim EWR-Vertrag – durch den Abschluss sog. gemischter Abkommen zu begegnen. Hierbei treten neben der Europäischen Gemeinschaft auch die einzelnen Mitgliedstaaten als Vertragspartner auf. Im Ergebnis folgt daraus jedenfalls eine Bindung der Mitgliedstaaten auf völkervertraglicher Grundlage. Das schwierige Problem einer trennscharfen Kompetenzverteilung zwischen Gemeinschaft und Mitgliedstaaten ist damit allerdings nur scheinbar gelöst und tritt bei der Frage der unmittelbaren Wirkung der Assoziierungsbestimmungen und deren Reichweite erneut hervor. Unproblematisch werden die in den Kompetenzbereich der Gemeinschaft fallenden Regelungsgegenstände des Abkommens in das Gemeinschaftsrecht über Art. 300 Abs. 7 EGV integriert und damit in jedem Mitgliedstaat verbindliches Recht. Als Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung gehen sie dem einfachen, aber auch dem Verfassungsrecht der Mitgliedstaaten vor.432 Anders stellt sich die Rechtslage jedoch in Bezug auf diejenigen Bestimmungen dar, die dem ausschließlichen Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten unterliegen. Diese Ver428 Für eine unmittelbare Anwendbarkeit des EWR-Abkommens etwa auch Hailbronner, in: HK-EUV/EGV, Art. 48, Rn. 30b (Stand: 3. Lfg., August 1994); Holzke, SpuRt 2004, 1 (4); Gramlich/Niese, SpuRt 1998, 61 (63 f.). 429 So die Formulierung des EuGH im Urteil vom 15.06.1999 (Rs. C-321/97). Vgl. Slg. 1999, I-3551 (3591) mwN. 430 Vgl. Herrnfeld, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 310, Rn. 16. 431 Ebd.; Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 300, Rn. 69 mwN. 432 Vgl. Arnold, in: Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, K.I., Rn. 63.
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
tragsteile haben allein völkervertraglichen Charakter und bedürfen – zumindest nach deutschem Rechtsverständnis – einer Aufnahme in die innerstaatliche Rechtsordnung, die im Wege der Vertragsgesetzgebung nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG erfolgt.433 Normenhierarchisch kommt ihnen der Rang eines einfachen Bundesgesetzes zu.434 Ob ohne jeden weiteren Umsetzungsakt allein aufgrund des Vertragsgesetzes die Bestimmungen des Abkommens innerstaatlich unmittelbar anwendbares Recht darstellen, bestimmt sich nach den hierfür geltenden nationalen Grundsätzen. Wie vom Bundesverwaltungsgericht für die deutsche Rechtslage mehrfach ausgeführt, „führt die Transformation eines völkerrechtlichen Vertrages durch ein Zustimmungsgesetz zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Vertragsnorm, wenn sie nach Wortlaut, Zweck und Inhalt geeignet und hinreichend bestimmt ist, wie eine innerstaatliche Vorschrift rechtliche Wirkung zu entfalten, also dafür keiner weiteren Ausfüllung bedarf.“435
Diese Rechtsprechung deckt sich im Wesentlichen mit den oben aufgezeigten Vorgaben des EuGH, so dass auch auf völkervertraglicher Grundlage von einer unmittelbaren innerstaatlichen Wirkung der Freizügigkeitsvorschriften des EWR-Abkommens auszugehen ist. Die Inkorporation der Vertragsbestimmungen in die Rechtsordnungen der übrigen Mitgliedstaaten erfolgt nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorgaben, so dass sich die Rechtsqualität der Assoziationsbestimmungen und der Rang in der Normenhierarchie in den einzelnen Mitgliedstaaten unterscheiden kann.436 Vorstellbar ist daher das unerwünschte Ergebnis, dass die Bestimmungen eines Assoziierungsabkommens in einzelnen Vertragsstaaten, mangels innerstaatlicher Umsetzung, teilweise keine Wirksamkeit entfalten. Ein zusätzliches Problem ergibt sich daraus, dass – bei fehlender Gemeinschaftsrechtszugehörigkeit – der zunächst einheitliche Standard des Abkommens von nationaler Seite durch die Möglichkeit zukünftig abweichender Regelung gefährdet werden könnte.437 Aus gesamteuropäischer Sicht bestehen daher im Hinblick auf Bindungsumfang und -wirkung sog. gemischter Abkommen erhebliche Rechtsunsicherheiten.
433
Vgl. Sachs/Streinz, Art. 59, Rn. 60. Vgl. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, § 32 II. 4. 435 Vgl. BVerwGE 87, 11 (13); 80, 233 (235). 436 Vgl. Vedder, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV (Maastricht), Art. 238, Rn. 34. 437 Ebd. 434
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
177
b) Das sektorielle Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz Besondere Vertragsbeziehungen der Europäischen Gemeinschaft bestehen ferner zur Schweizerischen Eidgenossenschaft. Trotz fortgeschrittener Verhandlungen und bereits unterzeichneter Beitrittserklärung zum EWRAbkommen konnten sich die Bestrebungen der schweizerischen Regierung im eigenen Land nicht durchsetzen und scheiterten am 06.12.1992 im Rahmen einer Volksabstimmung knapp mit einem Gegenstimmenanteil von 50,3 %.438 Um eine Isolation der Schweiz zu verhindern und die Konkurrenzfähigkeit der Schweizer Wirtschaft zu verbessern439, wurden in der Folgezeit weitere bilaterale Verhandlungen mit der Europäischen Gemeinschaft aufgenommen. Im Ergebnis wurden sieben sektorielle Abkommen ausgehandelt, u. a. auf dem Gebiet der Freizügigkeit440, die das Votum des Schweizer Volkes am 21.05.2000 mit deutlicher Mehrheit passierten441 und am 01.06.2002 in Kraft traten.442
aa) Rechtsnatur und Inhalt des Abkommens über die Freizügigkeit Die bestehende Kompetenzverteilung auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene im Bereich des Ausländerrechts machte es erforderlich, dass als Vertragspartner der Schweiz, neben der Europäischen Gemeinschaft, auch die einzelnen Mitgliedstaaten auftraten.443 Das auf völkerrechtlicher Grundlage geschlossene Freizügigkeitsabkommen444 erhielt damit auf europäischer Seite ebenfalls den Charakter eines sog. gemischten Abkommens445. Der Notwendigkeit einer innerstaatlichen Umsetzung durch die einzelnen Vertragsstaaten wurde mit Art. 25 Abs. 1 des Abkommens über die Freizügigkeit (FrAbk) Rechnung getragen. Das Abkommen konnte damit erst nach Hinterlegung aller Ratifikations- und Genehmigungsurkunden durch sämtliche Vertragsstaaten, und damit 438
Vgl. Drolshammer/Walter, EuZW 1994, 549 (549). AaO., 549 (550). 440 Die übrigen Abkommen betreffen die Bereiche Forschung, technische Handelshemmnisse, landwirtschaftliche Produkte, Land- und Luftverkehr und das öffentliche Auftragswesen und können im Internet unter www.europa.admin.ch/ba/off/abkommen/d/index.htm abgerufen werden. 441 Mit einem Stimmenanteil von 67,2 % entschieden sich die Schweizer für eine Ratifikation der 7 Abkommen. Vgl. Weber, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 310, Fn. 201. Siehe auch Kahil-Wolff, EuZW 2000, 387 (387). 442 Vgl. ABl. 2002, Nr. L 114, 6 ff. 443 Vgl. Fehrenbacher, NVwZ 2002, 1344 (1344). 444 Ebd.; Breitenmoser, in: Freizügigkeit im europäischen Sport, S. 59 (67). Innerhalb des Gemeinschaftsrechts handelt es sich um ein Abkommen auf Grundlage des Art. 310 EGV, vgl. Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 51. 445 Zum Begriff siehe Oppermann, Rn. 1711. 439
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
auch des nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG notwendigen Zustimmungsgesetzes der Bundesrepublik446, in Kraft treten. Art. 25 Abs. 1 FrAbk verknüpft die einzelnen Abkommen zugleich zu einem – wenn auch nicht inhaltlich – einheitlichen Vertragswerk, denn die fehlende Ratifizierung auch nur eines sektoriellen Abkommens hat zur Folge, dass keiner der sieben Verträge zur Wirksamkeit gelangt. Dieses „Alles-oder-nichts“Prinzip findet seinen Grund darin, dass die einzelnen Abkommen für die Vertragsparteien von unterschiedlich großem Interesse sind und nur das Inkrafttreten aller sieben multilateralen Abkommen einen für beide Seiten akzeptablen Kompromiss darstellt. So gestalteten sich die Verhandlungen zwischen der Gemeinschaft und der Schweiz gerade im Hinblick auf das Freizügigkeitsabkommen als schwierig. Die Vertreter der schweizerischen Regierung standen einer weit reichenden Freizügigkeit eher reserviert gegenüber, da sie am hierfür notwendigen Rückhalt innerhalb der Schweizer Bevölkerung zweifelten. Die Gemeinschaft drängte allerdings auf die Übernahme des zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Freizügigkeitsstandards, um ihre innere Entwicklung nicht zu behindern, und konnte sich hiermit letztlich durchsetzen, auch weil das Interesse am Abschluss der übrigen Abkommen auf Seiten des Schweizer Vertragspartners überwog.447 Die Bedenken der schweizerischen Regierung gegen eine Statuierung weit reichender Freiheiten im Personenverkehr erwiesen sich, in Anbetracht des deutlichen Abstimmungsergebnisses im Referendum, als letztlich unbegründet.448 Inhaltlich bietet das Abkommen schweizerischen Staatsangehörigen – mit geringen Abstrichen – einen den Grundfreiheiten des EGV vergleichbaren Schutz. Zunächst ganz allgemein statuiert Art. 2 FrAbk ein Diskriminierungsverbot für Staatsangehörige der Vertragsparteien nach Maßgabe der Anhänge I (Freizügigkeit), II (Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit) und III (Gegenseitige Anerkennung beruflicher Qualifikationen) zum Abkommen. Konkretisierungen für Arbeitnehmer, Selbstständige und Dienstleistungserbringer finden sich im Anhang I zum Abkommen.449 Hier werden außerdem detailliert die Gewährleistungen im Bereich des Personenverkehrs beschrieben, die sich deutlich an den primär- und sekundärrechtlich verankerten Rechtspositionen des Gemeinschaftsrechts orientieren. Unter dem Titel „Allgemeine Bestimmungen“ werden etwa die Rechte auf Einreise, Aufenthalt und Aufnahme einer Erwerbstätigkeit im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates einge446 447
Vgl. BGBl. 2001 II, 810 ff. Vgl. zur Entwicklung der Verhandlungen Kahil-Wolff/Mosters, EuZW 2001, 5
(5). 448 449
Siehe oben, Fn. 441. Vgl. Art. 9, 15, 19 Anhang I zum FrAbk.
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
179
räumt. Entsprechend Art. 39 Abs. 3 lit. d) EGV wird ein Aufenthaltsrecht auch für die Zeit nach Beendigung der Erwerbstätigkeit gewährt, Art. 4 Anhang I FrAbk. Ebenso wie im Gemeinschaftsrecht gilt dies jedoch nicht bedingungslos, sondern wird über die in Art. 4 Abs. 2 Anhang I FrAbk für anwendbar erklärten gemeinschaftsrechtlichen Durchführungsverordnungen inhaltlich näher konkretisiert, die auch im Rahmen des Art. 39 Abs. 3 lit. d) EGV Geltung beanspruchen. Ein Aufenthaltsrecht steht nach Art. 3 FrAbk ebenfalls den Familienangehörigen der im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragstaates erwerbstätigen Personen zu. Aufenthaltsrechte sind daher – wie auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene auch – nicht zwingend an die Ausübung einer entgeltlichen Beschäftigung geknüpft. Neben Familienangehörigen können etwa auch Studenten ein solches Recht für sich beanspruchen, Art. 6 FrAbk, Art. 25 Anhang I FrAbk. Die Bedingungen, denen ein solches Aufenthaltsrecht unterworfen ist, entsprechen im Wesentlichen denen des Gemeinschaftsrechts. Essentielles Erfordernis ist ein gesichertes finanzielles Auskommen, so dass während des Aufenthaltes die sozialen Sicherungssysteme des Aufnahmelandes nicht in Anspruch genommen werden müssen. Parallelen zu Art. 1 der Richtlinie 93/96/EWG über das Aufenthaltsrecht für Studenten vom 29.10.1993450 sind unverkennbar. Ebenfalls nach gemeinschaftsrechtlichem Vorbild wurden die Schranken der Freizügigkeit ausgestaltet. Art. 5 Anhang I FrAbk stellt sämtliche Rechte aus dem Freizügigkeitsabkommen unter den aus dem EGV bekannten Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit. Die Aufzählung weiterer Übereinstimmungen im Freizügigkeitsstandard ließe sich im Übrigen problemlos fortführen. Die klare Ausrichtung des Abkommens auf den Standard des Gemeinschaftsrechts macht insbesondere Art. 16 FrAbk deutlich. Soweit für die Anwendung des Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen wurden, ist für deren Auslegung nach Abs. 2 die bis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Abkommens hierzu entwickelte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes maßgebend. Dies bedeutet allerdings nicht, dass ein Entwicklungsprozess ausgeschlossen ist. Die Gemeinschaft war vielmehr zunächst darum bemüht, den auf gemeinschaftsrechtlicher Ebene existenten Integrationsstand auf das Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz zu übertragen. Die Auswirkungen der neueren Rechtsprechung auf das Abkommen werden im Übrigen vom Gemischten Ausschuss nach Art. 16 Abs. 2 S. 3 FrAbk festgestellt. Über das angestrebte Freizügigkeitsniveau des Abkommens gibt auch Art. 16 Abs. 1 FrAbk Aufschluss. Demnach treffen die Vertragsparteien alle erforderlichen Maßnahmen, damit in ihren Beziehungen gleichwertige Rechte und
450
Vgl. ABl. 1993, Nr. L 317, 59.
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
Pflichten wie in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, auf die Bezug genommen wird, Anwendung finden. Das Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz lehnt sich damit unverkennbar am Gemeinschaftsrecht an und nimmt in den Kernpunkten auf die Personenverkehrsfreiheiten des EGV Bezug. Besonderheiten ergeben sich allenfalls punktuell, etwa im Bereich der Dienstleistungsfreiheit, in dem die Erbringung von Leistungen im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates auf grundsätzlich 90 Arbeitstage pro Kalenderjahr begrenzt ist. Diese Abweichungen berühren aber nicht die in Art. 16 Abs. 1 FrAbk manifestierte Intention der Vertragspartner, einen Freizügigkeitsstandard nach dem Vorbild des Gemeinschaftsrechts zu setzen. Diese Nähe zum Gemeinschaftsrecht kommt schon in der Vertragspräambel deutlich zum Ausdruck. Hierin heißt es: Die Vertragsparteien haben sich „entschlossen, diese Freizügigkeit zwischen ihnen auf der Grundlage der in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Bestimmungen zu verwirklichen …“
Die Vertragspartner einigten sich im Ergebnis – insbesondere auf Drängen der Europäischen Gemeinschaft – auf die Übernahme des im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung am 21.06.1999 im Gemeinschaftsgebiet bestehenden Integrationsstandes.451 Für die in einem Mitgliedstaat der Union beschäftigen Freizeitsportler mit Schweizer Staatsangehörigkeit ergibt sich daraus, dass ihr Status im Wesentlichen dem eines Unionsbürgers entspricht. Dies folgt zum einen daraus, dass der EuGH seine Rechtsprechung zur Bedeutung von Freizeitaktivitäten für den freien Personenverkehr bereits im Jahre 1996 entwickelt hat452, diese folglich zum Integrationsstand bei Vertragsabschluss gehört. Untermauert wird dieses Verständnis zudem durch die Zielbestimmungen des Freizügigkeitsabkommens. Nach Art. 1 lit. d)453 ist es ausdrückliche Absicht der Beteiligten, den Staatsangehörigen des Vertragspartners im eigenen Land die gleichen Lebensbedingungen einzuräumen wie Inländern. Es erscheint daher gerechtfertigt, das grundfreiheitliche Schutzbereichsverständnis auf das Freizügigkeitsabkommen mit der Schweiz zu übertragen.454
451
Vgl. Kahil-Wolff/Mosters, EuZW 2001, 5 (5). Vgl. EuGH, Urteil vom 07.03.1996 (Rs. C-334/94), Slg. 1996, I-1307 (1341). Bestätigt durch die Urteile des EuGH vom 12.06.1997 (Rs. C-151/96), Slg. 1997, I-3327 (3339 f.) und vom 27.11.1997 (Rs. C-62/96), Slg. 1997, I-6725 (6745). Vgl. im Einzelnen oben, 2. b) bb) (2) (c). 453 Zum Vertragstext siehe Fn. 442. 454 Für einen im Wesentlichen identischen Schutz auch: Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 52 ff.; Kahil-Wolff/Mosters, EuZW 2001, 5 (7 ff.); Fehrenbacher, NVwZ 2002, 1344 (1344); Grolimund/Balmelli, SpuRt 2002, 171 (172, 174). 452
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
181
In der Praxis ist allerdings die umfangreiche Übergangsregelung in Art. 10 FrAbk zu beachten. Hiernach erfolgt eine sukzessive Umsetzung der vertraglichen Abreden über einen Zeitraum von insgesamt 12 Jahren. So ist die Schweiz nach Art. 10 Abs. 1 S. 1 FrAbk für eine Übergangszeit von 5 Jahren nach Inkrafttreten des Abkommens berechtigt, bestimmte Kontingentierungsklauseln hinsichtlich der Erteilung von Arbeitserlaubnissen weiterhin aufrechtzuerhalten. Über den gleichen Zeitraum hinweg ist die Schweiz lediglich dazu verpflichtet, einen bestimmten Teil ihres Jahresgesamtkontingentes an neu zu vergebenden Aufenthaltserlaubnissen für Angehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Gemeinschaft bereit zu halten. In vollem Umfang tritt das Abkommen daher erst nach Ablauf der einschlägigen Übergangsfristen in Kraft. Ob es hierzu kommt, ist allerdings noch ungewiss, denn die Vertragsstaaten haben sich zunächst auf eine Vertragslaufzeit von 7 Jahren geeinigt, Art. 25 Abs. 2 S. 1 FrAbk Allerdings verlängert sich das Abkommen auf unbestimmte Zeit, sofern sich weder die Gemeinschaft noch die Schweiz vor Ablauf dieser Zeit gegen eine Weitergeltung des Abkommens aussprechen, Art. 25 Abs. 2 S. 2 FrAbk. Für die Normsetzung der schweizerischen Sportverbände wird vertreten, dass sich diese nicht auf die Übergangsvorschrift des Art. 10 FrAbk berufen könnten, sondern bereits ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens in vollem Umfang an die Diskriminierungsverbote des Abkommens gebunden sind.455 Dies gebiete zum einen der Ausnahmecharakter des Art. 10 FrAbk, der eine enge Auslegung erfordere, und folge im Übrigen daraus, dass sich die Übergangsregelung inhaltlich an die mit der Bewilligung von Aufenthaltsgenehmigungen beschäftigten Behörden richtet.456 Ungeachtet dessen ist festzuhalten, dass sich im Abkommen Übergangsbestimmungen allein zugunsten des Schweizer Vertragspartners finden. Für die Zulässigkeit von Ausländerklauseln deutscher Sportverbände ergibt sich daraus, dass Ungleichbehandlungen zwischen deutschen und schweizerischen Freizeitsportlern seit Inkrafttreten des Abkommens am 01.06.2002 jedenfalls dann unzulässig sind, wenn der betroffene schweizerische Staatsangehörige in Deutschland den Status eines Erwerbstätigen innehat.
bb) Die unmittelbare Anwendbarkeit des sektoriellen Freizügigkeitsabkommens Gemessen an der Rechtsprechung des EuGH und des BVerwG zur Anwendbarkeit von Vertragsnormen multilateraler Abkommen im Gemeinschaftsgebiet bzw. der Bundesrepublik457, dürfte das Freizügigkeitsabkommen im Hoheits455 456
So Holzke, SpuRt 2004, 1 (2, Fn. 5), Grolimund/Balmelli, SpuRt 2002, 171 (173). Vgl. Grolimund/Balmelli, SpuRt 2002, 171 (173).
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
gebiet der Mitgliedstaaten einschließlich der BRD unmittelbare Geltung beanspruchen, so dass zunächst schweizerische Staatsangehörige hieraus subjektive Rechte ableiten können. Die Regelungen des Abkommens, insbesondere zur Gleichbehandlung mit den Staatsangehörigen des Aufnahmelandes, sind inhaltlich hinreichend klar und bestimmt. Sie ordnen als eindeutige Rechtsfolge – hier besonders eindrucksvoll Art. 9 Abs. 4 Anhang I FrAbk458 – die Unzulässigkeit einer unterschiedlichen Behandlung an. Ihre Anwendung hängt dabei insbesondere nicht von weiteren innerstaatlichen Umsetzungsakten ab. Die Klarheit der Vertragsbestimmungen wird auch nicht durch die teilweise Verwendung inhaltlich unbestimmter Rechtsbegriffe, etwa der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit in Art. 5 Anhang I FrAbk, in Zweifel gezogen, denn für die Auslegung dieser Begriffe ist nach dem bereits angesprochenen Art. 16 Abs. 2 S. 1 FrAbk die im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung einschlägige Rechtsprechung des EuGH maßgebend. Auch die unbestimmten Rechtsbegriffe des Abkommens sind daher inhaltlich hinreichend konkretisiert und stehen einer unmittelbaren Anwendung nicht entgegen. Nach einer von Kahil-Wolff/Mosters vertretenen Auffassung ergibt sich die unmittelbare Anwendbarkeit bereits aus dem Abkommen selbst. Denn Art. 11 FrAbk räumt dem betroffenen Personenkreis hinsichtlich der Anwendung der Bestimmungen des Abkommens ein Beschwerderecht – auch vor nationalen Gerichten – ein und zwingt die Vertragsparteien daher zur Beachtung. Schon aus diesem Grund könnten sich schweizerische Staatsangehörige im Aufnahmemitgliedstaat auf die Regelungen des Abkommens berufen.459 Aber auch im umgekehrten Fall – bei Aufenthalt eines Unionsbürgers im Hoheitsgebiet der Schweiz – dürfte das Abkommen unmittelbare Wirkung entfalten, denn das schweizerische Recht unterscheidet sich in der Frage der unmittelbaren Anwendung völkerrechtlicher Verträge im Inland nicht grundlegend von der Rechtsprechung des EuGH, sondern geht vielmehr ähnlich wie dieser davon aus, dass eine Regelung anwendbar ist, „wenn ihr Inhalt hinreichend klar und bestimmt ist, um als Grundlage für die Entscheidung eines konkreten Falles dienen zu können. Die Norm muss somit für eine gerichtliche Anwendung geeignet sein, bestimmte Rechte und Pflichten zum Gegenstand haben und sich an die mit der Rechtsanwendung betrauten Stellen richten.“460 457
Vgl. oben, a) bb) sowie Fn. 427 und 435. Art. 9 Abs. 4 Anhang I FrAbk lautet: „Alle Bestimmungen in Tarif- oder Einzelarbeitsverträgen oder sonstigen Kollektivvereinbarungen betreffend den Zugang zur Beschäftigung, die Beschäftigung, die Entlohnung und alle übrigen Arbeits- und Kündigungsbedingungen sind von Rechts wegen insoweit nichtig, als sie für ausländische Arbeitnehmer, die Staatsangehörige der Vertragsparteien sind, diskriminierende Bedingungen vorsehen oder zulassen.“ 459 Vgl. Kahil-Wolff/Mosters, EuZW 2001, 5 (7). 458
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
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Auch unter diesen Voraussetzungen ist von der unmittelbaren Wirkung des Freizügigkeitsabkommens in der Schweiz auszugehen.461
cc) Zur Drittwirkung der Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens Allein die unmittelbare Wirkung des Personenfreizügigkeitsabkommens im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik verpflichtet die Sportverbände allerdings noch nicht, ihre Regelwerke entsprechend auszurichten. Entscheidend kommt es darauf an, ob die Vorschriften des Abkommens auch Privatrechtssubjekte binden, letztlich Drittwirkung entfalten. Anders als der EWR-Vertrag in Art. 6 enthält das Personenfreizügigkeitsabkommen mit der Schweiz keine Regelung, nach der die Bestimmungen des Abkommens, sofern sie in ihrem wesentlichen Gehalt mit Vorschriften des EGV identisch sind, bei ihrer Durchführung und Anwendung im Lichte der Rechtsprechung des EuGH auszulegen sind. Art. 16 Abs. 2 S. 1 FrAbk bestimmt insofern lediglich, dass die im Abkommen verwendeten Begriffe des Gemeinschaftsrechts inhaltlich dem hierzu vom Gerichtshof entwickelten Verständnis entsprechen. Zwischen beiden Vorschriften besteht daher ein qualitativer Unterschied, der es verbietet, analog zu Art. 6 EWR-Abkommen462 schon auf Grundlage von Art. 16 Abs. 2 S. 1 FrAbk eine Drittwirkung der Vertragsbestimmungen anzunehmen. Gegen eine Drittwirkung des Freizügigkeitsabkommens könnte zudem sprechen, dass Art. 16 Abs. 1 FrAbk allein die Vertragsparteien verpflichtet, alle zur Erreichung der Ziele dieses Abkommens notwendigen Maßnahmen zu treffen. Gleichwohl verhalten sich die Wortlaute der einzelnen Diskriminierungsund Beschränkungsverbote im Anhang I zum Abkommen hinsichtlich des Normadressaten neutral, so dass eine Anwendung auf Privatrechtssubjekte nicht ausgeschlossen ist.463 Gleiches gilt für das allgemeine Diskriminierungsverbot in Art. 2 FrAbk. Das entscheidende Argument für eine Drittwirkung der Vertragsbestimmungen dürften allerdings die Konkretisierungen des Rechtes auf Freizügigkeit im Anhang zum Abkommen liefern. So lautet etwa Art. 9 Abs. 5 S. 1 Anhang I FrAbk: 460
Ebd. Für eine unmittelbare Anwendbarkeit des Freizügigkeitsabkommens auch: Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 52; Kahil-Wolff/Mosters, EuZW 2001, 5 (7); Holzke, SpuRt 2004, 1 (4); Breitenmoser, in: Freizügigkeit im europäischen Sport, S. 59 (70); Grolimund/Balmelli, SpuRt 2002, 171 (172). 462 Siehe hierzu oben, a) aa). 463 So auch Holzke, SpuRt 2004, 1 (5) im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot in Art. 9 Anhang I zum FrAbk. 461
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
„Ein Arbeitnehmer, der die Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei besitzt und im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei beschäftigt ist, hat Anspruch auf gleiche Behandlung hinsichtlich der Zugehörigkeit zu Gewerkschaften und der Ausübung gewerkschaftlicher Rechte, einschließlich des Wahlrechts und des Zugangs zu Verwaltungs- und Führungsämtern in einer Gewerkschaft; er kann von der Teilnahme an der Verwaltung von Körperschaften des öffentlichen Rechts und der Ausübung eines öffentlich-rechtlichen Amtes ausgeschlossen werden.“
Als besondere Ausprägung der verfassungsrechtlich von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Koalition sind Gewerkschaften in Deutschland per definitionem – aus historischen Gründen überwiegend in Form eines nichtrechtsfähigen Vereins464 – privatrechtlich organisiert.465 Dies trifft gleichermaßen auf diejenigen Gewerkschaften zu, deren Mitglieder im öffentlichen Dienst beschäftigt sind466 und ergibt sich im Übrigen aus der notwendigen Unabhängigkeit der Gewerkschaften. In öffentlich-rechtlicher Verbandsform unterlägen sie der staatlichen Aufsicht und wären nicht in der Lage, ihre satzungsmäßigen Aufgaben weisungsfrei und selbstbestimmt wahrzunehmen.467 Verbietet Art. 9 Abs. 5 S. 1 Anhang I FrAbk die Ungleichbehandlung von Angehörigen eines Vertragstaates im Aufnahmeland, etwa hinsichtlich des Zugangs zu Gewerkschaften, so richtet sich die Vorschrift daher unmittelbar an die Gewerkschaften selbst und damit an ein Privatrechtssubjekt. Zu ähnlichen Überlegungen gibt Art. 9 Abs. 4 Anhang I FrAbk468 Anlass, der Bestimmungen in Tarifverträgen, soweit diese eine Ungleichbehandlung in Bezug auf den Zugang zur Beschäftigung, die Beschäftigung, die Entlohnung und alle übrigen Arbeits- und Kündigungsbedingungen beinhalten, für nichtig erklärt. Tarifverträge sind nach deutschem Rechtsverständnis privatrechtliche Verträge mit teilweise schuldrechtlichem und teils normativem Charakter469, auch soweit auf Arbeitgeberseite eine öffentlich-rechtliche Körperschaft agiert470. Art. 9 Abs. 4 Anhang I FrAbk nimmt daher Einfluss auf die private Vertragsgestaltung von Tarifverträgen. Im Übrigen würde Art. 9 Abs. 4 Anhang I FrAbk in Deutschland weitgehend leer laufen und die Vertragsziele gefährden, wenn Normadressat dieser Bestimmungen nur die Vertragsparteien und damit allein staatliche Institutionen und Hoheits464
Vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 100 f. Vgl. MD/Scholz, Art. 9, Rn. 196 ff. (Stand: EL 35, Februar 1999). 466 So vereint die im Vereinsregister eingetragene Dienstleistungsgewerkschaft ver.di (siehe § 1 Nr. 1. der Satzung) seit dem 02.07.2001 auch die bis zu diesem Zeitpunkt in der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) organisierten und im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmer. 467 Vgl. Schaub, in: Arbeitsrechtshandbuch, § 187, Rn. 13, 16. 468 Siehe den Wortlaut in Fn. 458. 469 Vgl. Gamillscheg, Kollektives Arbeitsrecht, S. 538. 470 Dies trifft etwa auf den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst zu, der auf Arbeitgeberseite u. a. von der Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen wurde. 465
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
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träger wären. Die überwiegende Anzahl der geltenden Tarifverträge beziehen sich auf Beschäftigungsverhältnisse zwischen Privaten und werden zwischen Gewerkschaften und ebenfalls privatrechtlich organisierten Arbeitgeberverbänden bzw. dem Arbeitgeber selbst geschlossen.471 Auch in Anbetracht dieses Umstandes dürfte den Bestimmungen des FrAbk Drittwirkung zukommen.472
c) Das Assoziierungsabkommen mit der Türkei Ebenfalls auf Grundlage von Art. 310 EGV (bzw. Art. 238 EWGV) wurde bereits 1963 das Assoziierungsabkommen zwischen der EWG und der Türkei geschlossen.473 Nach Art. 2 ist es Ziel des Abkommens, eine beständige und ausgewogene Verstärkung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Vertragsparteien zu fördern. Die Verwirklichung dieser Ziele sollte dabei grundsätzlich in drei Phasen (Vorbereitungs-, Übergangs- und Endphase) erfolgen, wobei die hierfür ursprünglich vorgegebenen Zeitfenster allerdings nicht eingehalten werden konnten. Als weiterhin unverwirklichtes Fernziel steht seit nunmehr über 40 Jahren der schon in der Präambel genannte Beitritt der Türkei zur Europäischen Gemeinschaft aus, der allerdings eine Wiederbelebung erfahren hat, nachdem die Mitgliedstaaten auf dem EU-Gipfel am 16./17.12.2004 in Brüssel der Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zugestimmt haben.474 Im Abkommen selbst werden zwar die klassischen, der Erleichterung des Wirtschaftsverkehrs dienenden Bereiche, etwa die Errichtung einer Zollunion475 oder die Herstellung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer476, angesprochen, die Regelungen sind jedoch meist inhaltlich zu unbestimmt, um dem Einzelnen subjektive Rechte vermitteln zu können. Dies hat der EuGH ausdrücklich etwa für die Regelung in Art. 12 des Abkommens entschieden, nach der sich die Vertragsparteien bei Herstellung der Freizügigkeit der Arbeitnehmer von den Artikeln 48, 49 und 50 EWGV477 leiten lassen.478 Ähnliche und 471 Siehe hierzu die von Schaub, in: Arbeitsrechtshandbuch, § 189, Rn. 5, aufgestellte Übersicht zur Mitgliederstruktur der wichtigsten deutschen Gewerkschaften. 472 Für eine Drittwirkung auch Grolimund/Balmelli, SpuRt 2002, 171 (173); Holzke, SpuRt 2004, 1 (5). 473 Vgl. ABl. 1964, 3687; BGBl. 1964 II, 509, 1959. 474 Siehe http://archiv.bundesregierung.de/bpaexport/artikel/34/761734/multi.htm. 475 Siehe Art. 10. 476 Vgl. Art. 12. 477 Jetzt Art. 39, 40 und 41 EGV. 478 Vgl. EuGH vom 11.05.2000 (Rs. C-37/98), Slg. 2000, I-2927 (2961 f.) und vom 30.09.1987 (Rs. 12/86), Slg. 1987, 3719 (3752 ff.).
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damit wohl ebenfalls nicht unmittelbar anwendbare Regelungen enthalten die Art. 13 für die angestrebte Niederlassungs- und Art. 14 für die Dienstleistungsfreiheit. Nichts anderes dürfte auch für Art. 9 des Abkommens gelten479, in dem die Vertragsparteien anerkennen, „dass für den Anwendungsbereich des Abkommens unbeschadet der besonderen Bestimmungen, die möglicherweise auf Grund von Artikel 8 noch erlassen werden, dem in Artikel 7 des Vertrags zur Gründung der Gemeinschaft480 verankerten Grundsatz entsprechend jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist.“
Von wesentlich größerer Bedeutung, da inhaltlich konkreter, sind die auf Grundlage des Abkommens ergangenen Assoziationsratsbeschlüsse (ARB). Art. 22 Abs. 1 S. 1 des Abkommens ermächtigt den aus Mitgliedern der einzelnen Staatsregierungen, des Rates und der Kommission der Gemeinschaft bestehenden Assoziationsrat, Beschlüsse zu fassen, die einer Verwirklichung der Vertragsziele dienen. Den Vertragsparteien obliegt insofern nach Art. 22 Abs. 1 S. 2 die Pflicht, die zur Durchführung der Beschlüsse erforderlichen Maßnahmen zu treffen.
aa) Der Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 vom 19.09.1980 Der Assoziationsrat hat mehrfach von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht und eine Reihe von Beschlüssen erlassen, die insbesondere für die Rechtsstellung türkischer Arbeitnehmer in Mitgliedstaaten der Gemeinschaft von besonderer Relevanz sind. Hervorzuheben ist hier der ARB Nr. 1/80481, der, neben zahlreichen Regelungen betreffend die Stellung der Familienangehörigen türkischer Wanderarbeitnehmer, in Art. 10 Abs. 1 auch ein Diskriminierungsverbot im Hinblick auf das Arbeitsentgelt und die sonstigen Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer enthält.
(1) Zur Rechtsnatur der Assoziationsratsbeschlüsse Als Rechtsakte auf Grundlage des Assoziierungsabkommens sind Ratsbeschlüsse zunächst sekundäres Assoziationsrecht und entsprechen insofern dem 479
So Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 58. Jetzt Art. 12 EGV. 481 Der Beschluss ist u.a. bei Gutmann, Assoziationsfreizügigkeit, S. 158, auszugsweise auch bei Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 88 (Stand: EL 18, Mai 2001) abgedruckt. 480
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sekundären Gemeinschaftsrecht. Mangels eigener Rechtspersönlichkeit des Assoziationsrates sind dessen Entscheidungen die eines völkerrechtlichen Vertragsorgans. Die Willensbildung im Assoziationsrat unter Beteiligung aller Vertragsparteien erlaubt dabei eine Einordnung der Ratsbeschlüsse als völkerrechtliche Verträge, deren Abschluss in einem vereinfachten Verfahren erfolgt482 und die als solche – nach den für das Völkervertragsrecht geltenden Grundsätzen483 – unmittelbar anwendbares Recht enthalten können.484 Dies gilt sowohl für das Verhältnis der Vertragsstaaten untereinander, als auch in Bezug auf den Vertragsschluss mit der Europäischen Gemeinschaft. Zwar ist bei Abschluss völkerrechtlicher Verträge durch die Gemeinschaft das in Art. 300 EGV geregelte Verfahren zu beachten, jedoch kann aus einer hiervon abweichenden Praxis nicht zwingend auf deren Unzulässigkeit geschlossen werden. Denn zum einen haben die Vertragsparteien dieses Verfahren unter Einhaltung der in Art. 300 EGV vorgesehenen Formalien im Assoziierungsabkommen selbst festgelegt und sich der Entscheidung des Assoziationsrates damit unterworfen485, zum anderen entspricht auch das vereinfachte Verfahren in seinen Grundzügen – und hierauf kommt es zunächst an486 – den Anforderungen des Art. 300 EGV. So führt der Europäische Rat auch im Assoziationsrat den völkerrechtlich verbindlichen Vertragsabschluss herbei und im vorhergehenden Willensbildungsprozess wurden Kommission und Parlament beteiligt.487 Hinsichtlich ihrer Rechtsnatur und Wirkung unterscheiden sich die Bestimmungen des Assoziationsratsbeschlusses demnach nicht von denen eines Assoziierungsabkommens. Je nach Kompetenzverteilung zwischen der Europäischen Ge482 So die wohl mittlerweile überwiegende Meinung, vgl. Schmalenbach, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 310, Rn. 26 mwN.; Vedder, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV (Maastricht), Art. 238, Rn. 35; zweifelnd Weber, Assoziationsstatus, S. 57 f. Vgl. zum Ganzen Vedder, EuR 1994, 202 (210 f.); Gutmann, Assoziationsfreizügigkeit, S. 60. Nach anderer Ansicht handelt es sich um EG-Richtlinien vergleichbare Rechtsakte. So etwa Gutmann, SpuRt 1997, 38 (40); Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 112; Kirschenhofer, S. 236; Weber, Assoziationsstatus, S. 59. Zu den möglichen Konsequenzen einer Einordnung siehe unten, (3). 483 Siehe hierzu oben, a) bb). 484 Der EuGH hat sich zwar bisher nicht ausdrücklich zur Rechtsnatur positioniert, er bezeichnet jedoch auch die im Assoziationsrat gefassten Beschlüsse als „integrierenden Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung“ und übernimmt zur Bestimmung der unmittelbaren Anwendbarkeit einzelner Regelungen ausdrücklich die für Assoziationsabkommen entwickelten Grundsätze. Vgl. EuGH, Urteil vom 20.09.1990 (Rs. C-192/89), Slg. 1990, I-3461 (3501). 485 Vgl. Gilsdorf, EuZW 1991, 459 (461). 486 Vom EGV abweichende Vertragsregelungen sind nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann unzulässig, wenn sie die innere Verfassung oder die wesentlichen Strukturelemente der Gemeinschaft verändern. Vgl. EuGH, Gutachten 1/76 vom 26.04.1977, Slg. 1977, 741 (759); ähnlich EuGH, Gutachten 1/91 vom 14.12.1991, Slg. 1991, I-6079 (6111). 487 Vgl. Vedder, EuR 1994, 202 (210 f.).
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meinschaft und den Mitgliedstaaten sind die Regelungen integrierender Bestandteil der Gemeinschaftsrechtsordnung488, oder aber sie führen zu einer Bindung der Vertragsparteien auf Grundlage des Völkervertragsrechts.489
(2) Reichweitenbestimmung des Diskriminierungsverbotes in Art. 10 Abs.1 ARB 1/80 unter Berücksichtigung der Besonderheiten im Assoziationsrecht mit der Türkei Im Vergleich mit den gemeinschaftsrechtlichen Regelungen der Art. 39 ff. EGV ergeben sich grundlegend für das gesamte Assoziationsrecht mit der Türkei zunächst zwei Unterschiede: Zum einen regeln die assoziationsrechtlichen Bestimmungen lediglich die Stellung der bereits in den Arbeitsmarkt des Aufnahmestaates integrierten türkischen Wanderarbeitnehmer und gewähren daher abweichend von Art. 39 EGV kein Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt.490 Zum zweiten genießen türkische Arbeitnehmer keine Freizügigkeit im Gemeinschaftsgebiet, ihnen werden lediglich bestimmte Rechte im Aufnahmemitgliedstaat eingeräumt.491 Eine Besonderheit gegenüber anderen Assoziierungsabkommen besteht zudem darin, dass sich die Rechtsstellung des türkischen Arbeitnehmers, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehört, etappenweise verbessert. Der türkische Arbeitnehmer erlangt nach einem Jahr rechtmäßiger Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung der Arbeitserlaubnis beim gleichen Arbeitgeber (Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 1 ARB 1/80) und nach drei Jahren das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem anderen Arbeitgeber bzw. beim Arbeitsamt um eine andere Stelle zu bewerben (Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 2 ARB 1/80). Erst nach vier Jahren rechtmäßiger Beschäftigung wird der freie Zugang zu jeder vom Arbeitnehmer gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis gewährt (Art. 6 Abs. 1 Spiegelstrich 3 ARB 1/80). Neben der sukzessiven Verbesserung der Stellung am Arbeitsmarkt bestehen allerdings keine weiteren, hier relevanten Vorteile zugunsten der bereits längerfristig in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft beschäftigten türkischen Arbeitnehmer. Vielmehr gilt Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 vollumfänglich schon im ersten Beschäftigungsjahr, so dass die Beschäftigungsdauer für den sachlichen und persönlichen Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbotes grundsätzlich keine Rolle spielt. 488
Vgl. Weber, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 310, Rn. 50. Zur Bedeutung dieser Unterscheidung vgl. oben, a) bb). 490 Ständige Rechtsprechung des EuGH, vgl. etwa Urteil vom 23.01.1997 (Rs. C171/95), Slg. 1997, I-329 (348). 491 Ebd. 489
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Inhaltlich verbietet Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 jede Diskriminierung türkischer Arbeitnehmer im Hinblick auf Arbeitsentgelt und sonstige Arbeitsbedingungen. Diese begriffliche Nähe zu Art. 39 Abs. 2 EGV nimmt der EuGH zum Anlass, die hierfür entwickelten Begriffsdefinitionen auf Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 zu übertragen. So ist das Vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft im Sinne von Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 nach gefestigter Rechtsprechung des Gerichtshofes anhand der für Art. 39 Abs. 2 EGV geltenden Grundsätze zu bestimmen.492 Dies ist allerdings nicht die einzige Parallele, die der Gerichtshof zum Gemeinschaftsrecht zieht. Den in Art. 14 Abs. 1 ARB 1/80 normierten Vorbehalt zugunsten der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit legt der Gerichtshof gleichermaßen aus dem Blickwinkel des Gemeinschaftsrechts aus und knüpft das Vorliegen dieses Rechtfertigungsgrundes an die gleichen Voraussetzungen wie in Art. 39 Abs. 3 EGV.493 Aber nicht allein die Verwendung identischer Begriffe in beiden Verträgen, sondern auch die Zielrichtung des Assoziationsabkommens – schrittweise Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 12 Abkommen EWG-Türkei) – gebietet nach Auffassung des Gerichtshofes die Übertragung der zu Art. 39 EGV entwickelten Grundsätze494, so dass unter Berücksichtigung der oben aufgezeigten Besonderheiten im Assoziationsrecht von einem grundsätzlich gleichen Verständnis auszugehen ist. Die Auffassung des EuGH verdient Zustimmung.495 Zwar ist zuzugeben, dass die Wortlaute der Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 und 39 Abs. 2 EGV nicht vollends identisch sind – Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 bezieht sich lediglich auf Diskriminierungen hinsichtlich des Arbeitsentgelts und der sonstigen Arbeitsbedingungen, Art. 39 Abs.2 EGV darüber hinaus auch auf die Beschäftigung – und deshalb nicht ohne weiteres von einem kongruenten Schutzumfang auszugehen ist. Dies kann jedoch vorliegend nicht das allein entscheidende Argument für die Annahme einer unterschiedlichen Reichweite beider Regelungen geben.496 Vielmehr ist ein Vergleich von Gegenstand und Kontext des Assozi492 Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 06.06.1995 (Rs. C-434/95), Slg. 1995, I-1475 (1501). 493 Siehe die Urteile des EuGH vom 16.12.1992 (Rs. C-237/91), Slg. 1992, I-6781 (6818) und vom 10.02.2000 (Rs. C-340/97), Slg. 2000, I-957 (990). 494 Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 08.05.2003 (Rs. C-171/01), Slg. 2003, I-4301 (4345 f.). 495 Im Ergebnis so auch die wohl h. M., vgl. BAG, NZA 2000, 831 (832); Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 67; Brechmann, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 25; Holzke, SpuRt 2004, 1 (3); Laubach, S. 128; wohl auch Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Vorbem. zu den Art. 39 bis 41, Rn. 67 und Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 29 f. kritisch Hailbronner, Ausländerrecht, D 5.2. Art. 10, Rn. 9 ff. 496 Demgegenüber sehen Weber, Assoziationsstatus, S. 69 und Kahlenberg, SpuRt 1997, 171 hierin ein ganz wesentliches Indiz für eine unterschiedliche Reichweite beider Regelungen.
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ierungsabkommens einerseits und des EGV andererseits unter Berücksichtigung des Zweckes der Bestimmungen sowie dem Wesen des jeweiligen Gemeinschaftsabkommens vorzunehmen.497 Eine solche Betrachtung spricht vorliegend allerdings für die Auffassung des EuGH. Der Gerichtshof betont zutreffend das in Art. 12 des Abkommens verankerte Vertragsziel und die von den Vertragsparteien selbst gewählte Bindung an die Art. 48, 49 und 50 EWG-Vertrag (heute Art. 39, 40 und 41 EGV).498 Es entsprach gerade dem Willen der Vertragsstaaten, diese gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Bezug zu nehmen und die zukünftige Entwicklung ihrer Wirtschaftsbeziehungen hieran auszurichten.499 Insbesondere vor dem Hintergrund des nach wie vor angestrebten Beitritts der Türkei zur Europäischen Gemeinschaft ist es zudem unerlässlich, für eine homogene Entwicklung des Personenverkehrs zu sorgen, die sich notwendig am gemeinschaftsrechtlichen Standard zu orientieren hat und die nur dann zu gewährleisten ist, wenn das selbst noch im Entwicklungsprozess befindliche Verständnis zur Arbeitnehmerfreizügigkeit im Assoziationsrecht seine Umsetzung findet. Gestützt wird diese Auffassung auch durch den Umstand, dass nach der zeitlichen Zielsetzung der Vertragsparteien die vollständige Einführung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer seit nunmehr fast 18 Jahren abgeschlossen sein sollte. Die Vertragspartner hatten sich hierfür in Art. 36 des Zusatzprotokolls selbst eine Frist bis zum Ende des Jahres 1986 gesetzt. Auch insofern geht die Rechtsprechung nicht über die eigenen Erwartungen der Beteiligten hinaus. Ferner hindert der Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 – trotz des aufgezeigten Unterschiedes zu Art. 39 Abs. 2 EGV – ein solches Verständnis nicht. Dies folgt schon aus der offenen und damit konkretisierungsbedürftigen Formulierung „sonstige Arbeitsbedingungen“. Ob diese Grundsätze allerdings auf die Bereiche der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit übertragen werden können, ist fraglich. Der ARB 1/80 bezieht sich allein auf die Herstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Für den Personenverkehr der selbstständig Erwerbstätigen existiert daneben kein Assoziationsratsbeschluss. Ebenso wie Art.12 des Abkommens sind auch die vergleichbaren Vorschriften der Art. 13 und 14 selbst nicht unmittelbar anwend497 Insofern dürfte Übereinstimmung bestehen, vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2002 (Rs. C-162/00), Slg. 2002, I-1049 (1084); Kreis/Schmid, NZA 2003, 1013 (1016); Weber, Assoziationsstatus, S. 66. 498 Vgl. EuGH vom 06.06.1995 (Rs. C-434/95), Slg. 1995, I-1475 (1501) und vom 10.02.2000 (Rs. C-340/97), Slg. 2000, I-957 (990). 499 Art. 12 des Abkommens EWG-Türkei hat folgenden Wortlaut: „Die Vertragsparteien vereinbaren, sich von den Artikeln 52 bis 56 und 58 des Vertrages zur Gründung der Gemeinschaft leiten zu lassen, um untereinander die Freizügigkeit der Arbeitnehmer schrittweise herzustellen.“
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bar, sondern haben lediglich programmatischen Charakter.500 Allenfalls Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls kann unmittelbare Wirkung zugesprochen werden. Dieser enthält jedoch lediglich die sog. Stillhalteklausel, in der sich die Vertragsparteien untereinander verpflichten, keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einzuführen. Zwar wendet der EuGH die von ihm selbst im Rahmen der Auslegung des Assoziationsrechts zur Arbeitnehmerfreizügigkeit aufgestellten Grundsätze analog auch hier an501; allerdings richtet sich der Wortlaut eindeutig allein an die Vertragsstaaten502.
(3) Zur unmittelbaren Anwendung von Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 im Privatrechtsverhältnis Nach Auffassung des EuGH enthält auch Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 innerstaatlich unmittelbar anwendbares Recht.503 Hieran ändere auch die fehlende Veröffentlichung der Assoziationsratsbeschlüsse nichts, denn diese „mag zwar der Begründung von Verpflichtungen für den einzelnen entgegenstehen; sie nimmt ihm jedoch nicht die Möglichkeit, sich gegenüber einer Behörde auf die ihm durch diese Beschlüsse zuerkannten Rechte zu berufen.“504
Dies erscheint zunächst durchaus überzeugend, allerdings wird schnell klar, dass diese Argumentation nicht ohne weiteres auf die zwischen türkischem Sportler und deutschem Verband bestehende Rechtsbeziehung übertragen werden kann, denn hier stellt sich unmittelbar anschließend die Frage der Geltung assoziationsrechtlicher Beschlüsse im Privatrechtsverhältnis. Die fehlende Veröffentlichung der Assoziationsratsbeschlüsse wird dabei weniger für den Sportler, als vielmehr auf Seiten des Verbandes zum Problem, denn hier würde – bei 500 Vgl. bereits oben, vor aa). Ausdrücklich auch EuGH, Urteil vom 11.05.2000 (Rs. C-37/98), Slg. 2000, I-2927 (2960 ff.), sowie Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, vor Art. 39-55, Rn. 32 (Stand: EL 18, Mai 2001). 501 Vgl. EuGH, Urteil vom 11.05.2000 (Rs. C-37/98), Slg. 2000, I-2927 (2967). 502 Siehe hierzu sogleich unter (3). 503 Vgl. die Urteile des EuGH vom 08.05.2003 (Rs. C-171/01), Slg. 2003, I-4301 (4344) und vom 02.03.1999 (Rs. C-416/96), Slg. 1999, I-1209 (1237 f.) betreffend die im Wesentlichen identische Bestimmung im Assoziierungsabkommen mit Marokko. Diese Auffassung dürfte auch der h. M. entsprechen., vgl. Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 67; Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 118 (Stand: EL 18, Mai 2001); Hailbronner, Ausländerrecht, D 5.2, Art. 10, Rn. 3; Lauchbach, S. 127; Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 81; Yagli, ZEuS 2000, 507 (536 f.); Meier, RIW 1986, 192 (194); ausdrücklich auch BAG, BB 2001, 991 (992). A. A. Weber, Assoziationsstatus, S. 65 ff. 504 Vgl. EuGH, Urteil vom 20.09.1990 (Rs. C-192/89), Slg. 1990, I-3461 (3504).
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Annahme einer Drittwirkung – eine Bindung erzeugt, deren Zulässigkeit auch vom EuGH in Frage gestellt wird. Lässt sich dieses Problem noch durch ein Ausweichen auf den nahezu identischen und damit ebenfalls unmittelbar anwendbaren Art. 37 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen lösen505, so tritt hinzu, dass sich die Wortlaute beider Regelungen unmittelbar an die Mitgliedstaaten richten und einer Drittwirkung damit grundsätzlich entgegenstehen.506 Aber nicht allein wegen des klaren Wortlautes wird vielfach die Anwendung assoziationsrechtlicher Vorschriften im Privatrechtsverhältnis abgelehnt, denn gegen eine Drittwirkung spreche auch die Vergleichbarkeit des Assoziationsrechts mit Richtlinien im Sinne von Art. 249 EGV.507 Beide richten sich grundsätzlich an die Vertragsstaaten und bedürften regelmäßig weiterer Durchführungsmaßnahmen. Richtlinien komme aber nach allgemeiner Ansicht keine horizontale Wirkung zu508, was angesichts der Gleichartigkeit auch für das Assoziationsrecht zu gelten habe. Schließlich sei auch einzuwenden, dass der EGV selbst – im Gegensatz zum Assoziationsrecht – unmittelbar drittwirkendes Recht, etwa die wettbewerbsrechtlichen Vorschriften in Art. 81 ff., enthält.509 Dem kann im Ergebnis allenfalls für die auf Grundlage des Assoziationsabkommens erlassenen Ratsbeschlüsse, nicht aber für Bestimmungen des Assoziationsabkommens selbst, gefolgt werden. Zunächst sind die Assoziierungsabkommen Teil des völkervertraglichen Primärrechts. Innerhalb der Gemeinschaftsrechtsordnung erfolgt eine Einordnung dieser Abkommen nach ganz überwiegender Ansicht zwischen Primär- und Sekundärrecht, da Assoziationsrecht nach Art. 300 Abs. 7 EGV auch für die Organe der Gemeinschaft bei Er505 Das Zusatzprotokoll vom 23.11.1970 wurde veröffentlicht im ABl. 1972, Nr. L 293, 4 und im BGBl. 1972 II, 387. 506 Art. 37 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen lautet: „Jeder Mitgliedstaat sieht für die in der Gemeinschaft beschäftigten Arbeitnehmer türkischer Staatsangehörigkeit eine Regelung vor, die in bezug auf die Arbeitsbedingungen und das Entgelt keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung gegenüber Arbeitnehmern enthält, die Staatsangehörige der anderen Mitgliedstaaten sind.“ Das Zusatzprotokoll findet sich auszugsweise abgedruckt bei Gutmann, Assoziationsfreizügigkeit, S. 155. Für eine unmittelbare Anwendbarkeit von Art. 37 Abs. 1 Zusatzprotokoll auch Randelzhofer/Forsthoff, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 118 (Stand: EL 18, Mai 2001); Gutmann, VBlBW 2004, 45 (50) mwN.; ders., SpuRt 1997, 38 (39 f.) Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 81; Weber, RdA 1996, 107 (109); Dienelt, NVwZ 2003, 54 (54 f.); a. A. Kirschenhofer, S. 236. 507 So Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 112. Für eine Vergleichbarkeit lediglich der ARB mit Richtlinien Kirschenhofer, S. 237; Gutmann, SpuRt 1997, 37 (49). 508 So der EuGH etwa in den Urteilen vom 16.07.1998 (Rs. C-355/96), Slg. 1998, I4799 (4834); vom 07.03.1996 (Rs. C-192/94), Slg. 1996, I-1281(1303) und vom 14.07.1994 (Rs. C-91/92), Slg. 1994, I-3325 (3356). 509 Vgl. Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 112.
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lass abgeleiteter Rechtshandlungen bindend ist.510 Bereits diese Stellung im gemeinschaftsrechtlichen Normgefüge macht deutlich, dass die Natur der Assoziierungsabkommen nicht ohne weiteres den gängigen Rechtshandlungsformen des Gemeinschaftsrechts gleichgesetzt werden kann, zumal die Vertragsparteien bei Abschluss des Assoziierungsabkommens nicht gehalten sind, sich hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer Regelungen am Katalog des Art. 249 EGV zu orientieren. Es liegen insoweit auch keine Hinweise darauf vor, dass die Vertragsparteien dem Abkommen den Charakter einer Richtlinie im Sinne des Art. 249 Abs. 3 EGV geben wollten. Daneben ist die Parallele zur Richtlinie im Sinne von Art. 249 Abs. 3 Abs. EGV keineswegs zwingend. Ebenso lässt sich ein Bezug zur Verordnung im Sinne von Art. 249 Abs. 2 EGV herstellen. Verordnungen richten sich ebenfalls an die Mitgliedstaaten, entfalten im Gegensatz zur Richtlinie aber auch horizontale Wirkung.511 Der maßgebliche Unterschied zwischen beiden Handlungsformen besteht darin, dass Verordnungen in allen Teilen, Richtlinien lediglich hinsichtlich des zu erreichenden Zieles verbindlich sind, den Mitgliedstaaten im Übrigen die Wahl der Form und Mittel zur Erreichung dieses Zieles verbleibt. Richtlinien bedürfen daher regelmäßig der Umsetzung in innerstaatliches Recht. Insoweit verleitet etwa Art. 6 Abs. 3 ARB 1/80 – nach dem die Vertragsstaaten die zur Durchführung der Abs. 1 und 2 erforderlichen Vorschriften erlassen – durchaus zu einem Vergleich mit der Richtlinie im Sinne von Art. 249 Abs. 3 EGV.512 Die Notwendigkeit weiterer Durchführungsmaßnahmen schließt allerdings ebenso wenig das Vorliegen einer Verordnung aus, denn das Gemeinschaftsrecht kennt auch die Handlungsform der unvollständigen, sog. hinkenden Verordnung, die ebenfalls der Vervollständigung durch den nationalen Gesetzgeber bedarf.513 Zudem lohnt ein Blick auf die Gründe, aus denen eine horizontale Wirkung von Richtlinien abgelehnt wird. Nach Auffassung des EuGH würde bei Annahme einer Drittwirkung der Gemeinschaft die Befugnis zuerkannt, „mit unmittelbarer Wirkung zu Lasten der Bürger Verpflichtungen anzuordnen, obwohl sie dies nur dort darf, wo ihr die Befugnis zum Erlass von Verordnungen zugewiesen ist.“514
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Vgl. etwa Mögele, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 300, Rn. 82. So die allgemeine Meinung, siehe etwa Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, EU-/EGV, Art. 249, Rn. 7. 512 So Kirschenhofer, S. 236. 513 Vgl. Schroeder, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 249, Rn. 61. 514 Vgl. EuGH, Urteil vom 14.07.1994 (Rs. C-91/92), Slg. 1994, I-3325 (3356). 511
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Von maßgeblicher Bedeutung ist demnach die systematische Abgrenzung der einzelnen Rechtshandlungsformen innerhalb der Gemeinschaft. Sowohl die Definitionsmerkmale der Richtlinie als auch die innere Organisationsstruktur der EG beruhen aber allein auf den Festlegungen der Mitgliedstaaten und sind im Außenverhältnis zu Assoziierungsstaaten nicht bindend, solange die Vertragspartner nichts Gegenteiliges vereinbaren. Auch wenn sich Gemeinsamkeiten zwischen Assoziierungsabkommen und Richtlinien feststellen lassen, so rechtfertigt dieser Umstand noch nicht den Schluss auch auf eine identische Wirkung im Horizontalverhältnis. Einer Drittwirkung entgegenstehen könnte allerdings der bereits angesprochene Wortlaut des Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 bzw. 37 Abs. 1 Zusatzprotokoll, der den Adressatenkreis auf die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft begrenzt. Nach Auffassung des EuGH hindert dies nicht zwingend eine Ausweitung des Diskriminierungsverbotes auf Private. Wie der Gerichtshof bereits 1976 in einem Urteil zu Art. 141 EGV ausführte – dessen Abs. 1 richtet sich ebenfalls allein an die Mitgliedstaaten –, lässt dieser Umstand die Anwendung der Vorschrift im Privatrechtsverhältnis jedenfalls dann unberührt, wenn sie dem Staat eine Ergebnispflicht auferlegt, die zwingend innerhalb einer bestimmten Frist zu erfüllen war.515 Der EuGH begründet seine Auffassung damit, dass der Verstoß eines Mitgliedstaates gegen diese Verpflichtung andernfalls dazu führen würde, dem Einzelnen, dessen Begünstigung angestrebt ist, unter Hinweis auf das gemeinschaftsrechtswidrige Verhalten des Staates den an sich längst fälligen Schutz zu versagen. Hieran sehe sich das Gericht schon deshalb gehindert, weil es sich in diesem Fall zu der ihm von Art. 220 EGV zugewiesenen Aufgabe in Widerspruch setzen würde.516 Die Argumentation des EuGH ist nachvollziehbar517, verhält sich aber dennoch contra legem.518 Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Gerichtshof die Drittwirkung der Vorschrift von zwei wesentlichen Voraussetzungen abhängig macht: zum einen vom Bestehen einer mitgliedstaatlichen Handlungs- und Ergebnispflicht und zum anderen vom Ablauf der vertraglich hierfür vorgesehenen Umsetzungsfrist. In Anbetracht dieser Einschränkungen wird man die Auffassung des EuGH daher nicht so verstehen dürfen, dass der Wortlaut einer Vorschrift für deren horizontale Wirkung grundsätzlich ohne Bedeutung ist. Zutreffend erscheint vielmehr die umgekehrte Schlussfolgerung. Die Ausrichtung der Vorschrift allein auf Mitgliedstaaten steht der Drittwirkung grundsätzlich entgegen, 515 Vgl. EuGH, Urteil vom 08.04.1976 (Rs. 43/75), Slg. 1976, 455 (475). Siehe auch das Urteil des EuGH vom 06.06.2000 (Rs. C-281/98), Slg. 2000, I-4139 (4172). 516 Ebd. 517 So wohl auch die h. M., vgl. Krebber, in: Calliess/Ruffert, EUV/EGV, Art. 141, Rn. 5 f. mwN. 518 Darauf weist zutreffend Birk, in: Hdb. zum Arbeitsrecht, § 19, Rn. 312, hin.
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es sei denn, die Verletzung staatlicher Schutzpflichten rechtfertigt eine Ausnahme.519 In diesen Fällen, in denen ein stures Beharren auf der Textfassung dem Sinn und Zweck der Vorschrift zuwider laufen würde, erscheint das Wortlautargument zu formalistisch. Bei Übertragung dieser Rechtsprechung auf das Abkommen EWG-Türkei kann von einer Drittwirkung ausgegangen werden. Die Art. 10 Abs. 1 ARB 1/80 und 37 Abs. 1 Zusatzprotokoll enthalten einen nicht weniger klaren Auftrag als Art. 141 Abs. 1 EGV an die Mitgliedstaaten, eine Gleichbehandlung in Bezug auf Arbeitsentgelt und sonstige Arbeitsbedingungen zu gewährleisten. Ferner ist die zwischen den Vertragsstaaten in Art. 36 des Zusatzprotokolls vereinbarte Frist zur Herstellung der Freizügigkeit bereits am 01.12.1986 abgelaufen, so dass die Voraussetzungen für eine horizontale Wirkung kumulativ vorliegen. Zur Begründung dieses Ergebnisses können im Übrigen die oben aufgezeigten Argumente für eine Anwendung der Grundfreiheiten im Privatrechtsverhältnis ins Feld geführt werden.520 Es wäre unzweckmäßig und in Anbetracht der Vertragsziele des Abkommens EWG-Türkei auch ineffektiv, das Diskriminierungsverbot nicht auch auf die in der überwiegenden Zahl privatrechtlich ausgestalteten Arbeitsverhältnisse auszuweiten. Ebenso darf in diesem Zusammenhang nicht die überragende soziale Machtstellung der Sportverbände übersehen werden, deren autonome Befugnisse auf der von staatlicher Seite geübten Zurückhaltung beruhen und die andernfalls – unter Berufung auf diese Autonomie – Beschränkungen errichten könnten, die dem Staat selbst untersagt wären. In Anbetracht dieser Umstände ist es daher gerechtfertigt, – entgegen dem Wortlaut – ausnahmsweise von einer Drittwirkung auszugehen.521 Infolge der fehlenden Veröffentlichung der Assoziationsratsbeschlüsse wird man dies allerdings einschränkend nur für Art. 37 Abs. 1 des Zusatzprotokolls annehmen können, denn die Publikation des Rechtsaktes ist schon unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten unerlässliche Voraussetzung für die Begründung individueller Pflichten522.
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Für eine Charakterisierung als Ausnahme auch Langenfeld, DöV 1992, 955 (959). Vgl. oben, 2. b) bb) (1). 521 Für eine Drittwirkung des Abkommens EWG-Türkei Holzke, SpuRt 2004, 1 (5); Gramlich/Niese, SpuRt 1998, 61 (64); Heidersdorf, S. 78; Wassmer, S. 118; a. A. Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 112; Gutmann, SpuRt 1997, 38 (40); Kirschenhofer, S. 237; Weber, RdA 1996, 107 (109); zweifelnd Streinz, SpuRt 1998, 45 (47 f.). 522 So die h. M., vgl. etwa EuGH, Urteil vom 20.09.1990 (Rs. C-192/89), Slg. 1990, I-3461 (3504); Herrnfeld, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 310, Rn. 19; Petersmann, ZaöRV 35 (1975), 213 (273); Fischer, S. 242 mwN. 520
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bb) Zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit türkischer Staatsangehöriger Auf die in den Art. 41 und 42 des Zusatzprotokolls angesprochenen Freiheiten der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs dürften diese Grundsätze nicht übertragbar sein. Wie bereits oben aufgezeigt523, kommt insoweit allein der Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll unmittelbare Wirkung zu. Diese richtet sich ausschließlich an die Vertragsparteien – was einer horizontalen Wirkung zwar nicht zwingend entgegensteht –, begründet jedoch keine Handlungs-, sondern lediglich eine Unterlassungspflicht. Darüber hinaus fehlt es an einer Umsetzungsfrist zur Herstellung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit. Art. 37 Abs. 1 des Zusatzprotokolls bezieht sich insoweit eindeutig allein auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit. Assoziationsratsbeschlüsse auf Grundlage des Art. 41 Abs. 2 Zusatzprotokoll zur schrittweisen Beseitigung bestehender Beschränkungen sind bisher ebenfalls nicht ergangen. Die Rechtsprechung des EuGH zur Drittwirkung von Vorschriften, deren Wortlaut sich ausschließlich an die Mitgliedstaaten richtet, kann daher nicht herangezogen werden.
d) Die sog. Europa-Abkommen mit den ehemaligen Ostblockstaaten An Bedeutung verloren haben die sog. Europa-Abkommen der Gemeinschaft mit Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn, nachdem diese Staaten zum 01.05.2004 den Verträgen der Europäischen Union beigetreten sind.524 In Bezug auf die Staatsangehörigen dieser Länder sind nunmehr – allerdings modifiziert durch eine Reihe von Übergangsregelungen525 – die Vorschriften des EGV anwendbar. Aus der früheren Vielzahl dieser Europa-Abkommen sind lediglich die Assoziierungen mit Bulgarien526 und Rumänien527 verblieben, deren Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft bzw. den Verträgen der Europäischen Union für das Jahr 2007 avisiert ist. Ebenso wie die außer Kraft getretenen Abkommen enthalten auch die Verträge mit Bulgarien und Rumänien ein Diskriminierungsverbot für ausländische Arbeitnehmer mit folgendem Wortlaut: 523
Siehe oben, aa) (2). Vgl. ABl. 2003, Nr. L 236, 1; BGBl. 2003 II, 1408. 525 Siehe hierzu sogleich unter dd). 526 Vgl. ABl. 1994, Nr. L 358, 3; BGBl. 1994 II, 2754. 527 Vgl. ABl. 1994, Nr. L 357, 2; BGBl. 1994 II, 2958. 524
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
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„Vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten wird den Arbeitnehmern rumänischer (bzw. bulgarischer) Staatsangehörigkeit, die im Gebiet eines Mitgliedstaates rechtmäßig beschäftigt sind, eine Behandlung gewährt, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung oder der Entlassung keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber den eigenen Staatsangehörigen bewirkt;…“528
aa) Unmittelbare Anwendung und Drittwirkung Die Diskriminierungsverbote der Europa-Abkommen – im speziellen Art. 37 Abs. 1 des Abkommens mit Polen529 und Art. 38 Abs. 1 des Abkommens mit der Slowakei530 – waren mehrfach Gegenstand von Entscheidungen nationaler Gerichte mit sportrechtlichem Hintergrund.531 Auf dem Prüfstand standen hier die Ausländerklauseln des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB), des Deutschen Handball-Bundes (DHB), aber auch des Deutschen Ringer-Bundes (DRB) im Hinblick auf den Einsatz von ausländischen Berufssportlern. Problematisiert und kontrovers beurteilt wurde von den Gerichten insbesondere die Frage der horizontalen Wirkung des assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbotes.532 Diese Diskussion hat der EuGH nunmehr, nach Vorlage durch das OLG Hamm im Hinblick auf das Verfahren des slowakischen Handballspielers Maros Kolpak gegen den Deutschen Handball-Bund, mit Urteil vom 08.05.2003533, zumindest für die Rechtspraxis, beendet. Ein Vergleich von Gegenstand und Kontext des Assoziierungsabkommens einerseits und des EGV andererseits zeige, dass kein Grund bestehe, Art. 38 Abs. 1 des Abkommens mit der Slowakei eine andere Bedeutung zu geben als Art. 39 Abs. 2 EGV.534 In Anbetracht dieses Umstandes könnten die im Bosman-Urteil zur Drittwirkung aufgestellten Grundsätze übertragen werden. 528
Vgl. Art. 38 Abs. 1 der Abkommen mit Bulgarien und Rumänien. Vgl. ABl. 1993, Nr. L 348, 2; BGBl. 1993 II, 1317. 530 Vgl. ABl. 1994, Nr. L 359, 2; BGBl. 1994 II, 3127. 531 Siehe etwa die Entscheidungen des LG Dortmund vom 29.08.1997, SpuRt 1998, 32; und vom 15.01.1998, SpuRt 1999, 31 mit Anmerkung von Krogmann; des LG Frankfurt a. M. vom 28.07.1997, SpuRt 1997, 170 mit Anmerkung von Kahlenberg und vom 25.11.1997, SpuRt 1998, 77; sowie des LG Hannover vom 17.10.1997, SpuRt 1998, 74 mit Anmerkung von Tschirner. 532 Vgl. LG Dortmund, SpuRt 1999, 31 (32) und LG Frankfurt a. M., SpuRt 1998, 77 (79). 533 Vgl. EuGH, Urteil vom 08.05.2003 (Rs. C-438/00), Slg. 2003, I-4135. 534 AaO., I-4135 (4167). 529
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
Der EuGH greift damit nicht direkt auf die im Bosman-Urteil geführte Argumentation zurück, sondern nimmt hier den „Umweg“ über einen Vergleich der beiden Abkommen, dessen Ergebnis nach Auffassung des Gerichtshofes eine Übertragung der sachlichen Gründe, auf die im Einzelnen nicht näher eingegangen wird, rechtfertigt. Aber auch ohne diesen Brückenschlag lassen sich die aus dem Bosman-Urteil bekannten Argumente zur Begründung einer horizontalen Wirkung auch der assoziationsrechtlichen Gleichbehandlungsgebote heranziehen.535 Unter dem Gesichtspunkt der Effizienz des Diskriminierungsverbotes erscheint eine Bindung Privater ebenso angezeigt wie im Anwendungsbereich des Art. 39 Abs. 2 EGV. Gerade im Hinblick auf die überwiegend privatrechtliche Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse bestünde andernfalls eine beachtliche Schutzlücke.536 Auch lässt der Wortlaut der Norm den Adressatenkreis offen und steht damit einer Drittwirkung nicht entgegen.537 Nach alledem verdient die Auffassung des EuGH und der herrschenden Meinung538 Zustimmung. Ob sich die im Inland beschäftigten Staatsangehörigen der ehemaligen Ostblockstaaten auf das jeweilige vertragliche Gleichbehandlungsgebot berufen können, hängt weiterhin davon ab, ob diese unmittelbare Wirkung entfalten oder aber eines innerstaatlichen Umsetzungsaktes bedürfen. Erstmals im Jahre 2002 hat der Gerichtshof diese Frage zu Art. 37 Abs. 1 des Abkommens mit Polen539 entschieden und sich für eine unmittelbare Wirkung ausgesprochen.540 Nach Auffassung des Gerichtshofes enthalten die Diskriminierungsverbote der Europa-Abkommen damit eine klare und eindeutige Verpflichtung, deren Erfüllung oder Wirkung gerade nicht vom Erlass eines weiteren Aktes abhängt.541 Zweifel hieran lässt allerdings der Vorbehalt zugunsten „der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten“. Teilweise wird daher die Ansicht vertreten, dieser Vorbehalt stelle eine Bedingung dar, die einer unmittelbaren Anwendung der Vorschrift grundsätzlich entgegenstehe.542 Der EuGH vermag allerdings in dem Vorbehalt keine Bedingung zu erkennen, denn er formuliert in seiner Entscheidung: 535
Zu den Argumenten im Rahmen des Art. 39 Abs. 2 EGV siehe oben, 2. b) bb) (1). Vgl. Holzke, SpuRt 2004, 1 (5). 537 So auch Kirschenhofer, S. 128. 538 Vgl. Gramlich/Niese, SpuRt 1998, 61 (64); De Kepper, in: Freizügigkeit im europäischen Sport, S. 43 (49); Gutmann, SpuRt 1997, 38 (39 f.); Heidersdorf, S. 78; Kirschenhofer, S. 238; Tschirner, SpuRt 1998, 75 (77); Holzke, SpuRt 2004, 1 (5); Zinger, S. 138 (Fn. 64). 539 Vgl. ABl. 1993, Nr. L 348, 2; BGBl. 1993 II, 1317. 540 Vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2002 (Rs. C-162/00), Slg. 2002, I-1049 (1079 ff.). 541 Siehe oben, Fn. 427. 542 Vgl. Streinz, SpuRt 1998, 45 (48); Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 93. 536
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
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„Artikel 37 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Europa-Abkommens verbietet den Mitgliedstaaten klar, eindeutig und unbedingt, die unter diese Bestimmung fallenden polnischen Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen … zu benachteiligen.“543
Unklar ist jedoch bereits, worauf sich der Vorbehalt tatsächlich bezieht. Zunächst liegt es nahe anzunehmen, dass nationale Regelungen, die einer Gleichbehandlung entgegenstehen, Vorrang genießen, Einschränkungen des Diskriminierungsverbotes damit in das Ermessen der einzelnen Vertragsstaaten fallen.544 Dieser Auslegung hat der EuGH allerdings zutreffend eine Absage erteilt, denn andernfalls könnte das Diskriminierungsverbot beliebig umgangen werden und wäre im Ergebnis ohne jede praktische Wirksamkeit.545 Ein ganz wesentliches Argument gegen eine solche Interpretation des Vorbehalts ergibt sich im Übrigen bereits aus den Europa-Abkommen selbst. Art. 58 Abs. S. 1 des Abkommens mit Polen546 lässt eine Anwendung der einzelstaatlichen Regelungen nämlich nur insoweit unberührt, als hierdurch nicht die „Vorteile, die einer Vertragspartei aus einer Abkommensbestimmung erwachsen, zunichte gemacht oder verringert werden.“547 Nach anderer Auffassung findet das Diskriminierungsverbot infolge des formulierten Vorbehaltes nur dann Anwendung, soweit es in den genannten Bestimmungen – also in den nationalen Regelungen – Verankerung findet.548 Mit dem Vorrang zugunsten der mitgliedstaatlichen Regelungen werde die Geltung des Diskriminierungsverbotes vorbehalten und stehe damit unter der Bedingung einer zwar nicht inhaltlichen, aber die Geltung betreffenden Aktualisierung.549 Allerdings deutet der Wortlaut des Vorbehaltes („Vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Bedingungen und Modalitäten…“) nicht unbedingt auf diese Auslegung hin, sondern erweckt eher den Eindruck eines generellen Regelungsvorranges zugunsten der nationalen Vorschriften, wie er jedoch gleichwohl aus vorstehend geschilderten Gründen keine Berechtigung haben kann. Sollte mit dieser Formulierung tatsächlich beabsichtigt gewesen sein, 543 Vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2002 (Rs. C-162/00), Slg. 2002, I-1049 (1079). Die Hervorhebung erfolgte durch den Verfasser. 544 So wohl Kahlenberg, SpuRt 1997, 171. 545 Vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2002 (Rs. C-162/00), Slg. 2002, I-1049 (1080). Auch die Bundesregierung geht in ihrer unveröffentlichten Stellungnahme in der Rechtssache Kolpak vom 29.03.2001 davon aus, dass der Vorbehalt lediglich als Hinweis auf die unterschiedlichen Rechtssysteme zu verstehen ist, nicht aber als Relativierung der Pflicht zur Gleichbehandlung. 546 Art. 59 Abs. 1 S. 1 der Abkommen mit Bulgarien und Rumänien enthalten entsprechende Bestimmungen. 547 Hierauf weist zutreffend auch Holzke, SpuRt 2004, 1 (4) hin. 548 So Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 93. 549 Ebd.
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
die Notwendigkeit einer innerstaatlichen Umsetzung zu konstituieren, so hätte es nahe gelegen, dies durch eine deutlichere Wortwahl zum Ausdruck zu bringen.550 Diese Auffassung läuft zudem darauf hinaus, dass es die einzelnen Mitgliedstaaten selbst in der Hand hätten und darüber entscheiden könnten, ob sie das Diskriminierungsverbot – zu dem sie sich auf internationaler Ebene bereits verpflichtet haben – in ihre Rechtsordnung integrieren und damit innerstaatlich die Voraussetzungen einer Anwendbarkeit schaffen. Dem steht allerdings mit dem EuGH entgegen, dass die Diskriminierungsverbote der einzelnen EuropaAbkommen eine klare, an alle Vertragspartner gerichtete Ergebnispflicht enthalten.551 Insofern bringt auch der Hinweis auf die Begründungserwägungen des Deutschen Bundestages zum Vertragsgesetz für das Abkommen mit der Republik Polen wenig Klarheit.552 Dort heißt es: „Da die Freizügigkeitsrechte der Artikel 48 bis 51 EWG-Vertrag nur für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten Geltung haben, enthält das Europa-Abkommen Verpflichtungen der einzelnen Mitgliedstaaten, deren Durchsetzung nach dem jeweiligen nationalen Recht erfolgt.“553
Hierin kommt freilich lediglich zum Ausdruck, dass die Durchsetzung des Diskriminierungsverbotes nationalen Regelungen folgt, nicht aber, dass deren Anwendung die Umsetzung in nationales Recht erfordert. Eine deutlichere Aussage wäre auch hier wünschenswert gewesen. Letztlich will auch nicht einleuchten, weshalb eine vertragliche Regelung, die im Übrigen hinreichend bestimmt554 und daher sowohl nach völkerrechtlichen als auch nach gemeinschaftsrechtlichen Standards bereits unmittelbar anwendbar ist, noch einer Integration in die nationale Rechtsordnung bedürfen soll, damit sich der Einzelne auf sie berufen kann. Die Übernahme des Diskri-
550
So auch Generalanwalt Jacobs in seinem Schlussantrag vom 20.09.2001 in der Rs. C-162/00, Slg. 2002, I-1049 (1061). 551 Vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2002 (Rs. C-162/00), Slg. 2002, I-1049 (1080). 552 Anders aber Streinz, SpuRt 1998, 45 (48), der hieraus auf die fehlende unmittelbare Wirkung der Diskriminierungsverbote in den Europa-Abkommen schließen will. 553 Vgl. BT-Drucks. 12/4275, S. 177. Die Denkschriften zu den Abkommen mit Rumänien (BT-Drucks. 12/7010, S. 175) und Bulgarien (BT-Drucks. 12/7012, S. 212) sind im Wesentlichen inhaltsgleich. Soweit im Folgenden auf die Denkschrift zum Abkommen mit Polen verwiesen wird, gelten die Ausführungen daher entsprechend für die Abkommen mit Rumänien und Bulgarien. 554 Dies verkennen auch Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 93 und Streinz, SpuRt 1998, 45 (48) nicht.
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
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minierungsverbotes in die nationale Rechtsordnung wäre in diesem Fall reiner Selbstzweck. Den Sinn des Vorbehaltes zugunsten mitgliedstaatlicher Regelungen lässt allerdings das in den Europa-Abkommen enthaltene und bereits angesprochene Umgehungsverbot, etwa in Art. 58 Abs. 1 des Abkommens mit Polen, erkennen. Bleiben hiernach die nationalen Vorschriften insoweit anwendbar, als sie das Diskriminierungsverbot nicht unterlaufen, so kann sich der Vorbehalt nur auf Regelungen beziehen, die für Inländer und Ausländer gleichermaßen gelten, andernfalls wäre die jeweilige nationale Regelung nicht anwendbar. Der Vorbehalt erlaubt daher eine unterschiedliche Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen in den einzelnen Vertragsstaaten mit der Maßgabe eines Verbotes von Ungleichbehandlungen. Dies macht zugleich deutlich, dass die Diskriminierungsverbote der Europa-Abkommen keine Beschränkungsverbote darstellen und damit nicht jede Form der Freizügigkeitsbeschränkung, sondern lediglich diskriminierende Maßnahmen erfassen. Individuelle Regelungen der Mitgliedstaaten bleiben daher möglich, etwa auch im Hinblick auf den Zugang zum inländischen Arbeitsmarkt. Derartige Regelungen werden von den Diskriminierungsverboten ebenfalls nicht erfasst, denn tatbestandlich wird ein existentes Beschäftigungsverhältnis im Hoheitsgebiet eines anderen Vertragsstaates vorausgesetzt. Es unterliegt folglich allein der Regelungsgewalt jedes einzelnen Vertragsstaates, die Modalitäten und Bedingungen für einen Zugang zum Arbeitsmarkt des eigenen Hoheitsgebietes festzulegen.555 Der Vorbehalt bezieht sich daher im Kern auf Fragen der inhaltlichen Ausgestaltung von Teilbereichen der Freizügigkeit, auf die sich die Diskriminierungsverbote von vornherein nicht erstrecken.556 Damit ist er jedoch für die Anwendung des Diskriminierungsverbotes im engeren Sinne unbeachtlich und hindert dessen unmittelbare Wirkung nicht.557
555 So die einhellige Meinung, vgl. nur Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/ EG-Vertrag, Vorbem. zu den Art. 39 bis 41, Rn. 69; Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 37. 556 So auch Generalanwalt Jacobs, Slg. 2002, I-1049 (1063). 557 Für eine unmittelbare Wirkung neben dem EuGH auch Gramlich/Niese, SpuRt 1998, 61 (64); De Kepper, in: Freizügigkeit im europäischen Sport, S. 43 (49); Gutmann, SpuRt 1997, 38 (39 f.); Heidersdorf, S. 76; Kirschenhofer, S. 238; Holzke, SpuRt 2004, 1 (4).
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bb) Zur inhaltlichen Reichweite des Diskriminierungsverbotes Wie die vorstehenden Ausführungen zeigen, räumen die Europa-Abkommen keine Freizügigkeit im Umfang des Art. 39 Abs. 2 EGV558 ein. Der wohl signifikanteste Unterschied wurde mit dem Fehlen eines Zugangsrechtes zur Beschäftigung bereits aufgezeigt. Trotz fehlender vollständiger Kongruenz fällt jedoch auf, dass sich die Diskriminierungsverbote der Europa-Abkommen stark an den Vorschriften über die Arbeitnehmerfreizügigkeit des EGV anlehnen559, so dass eine Übertragung der dort geltenden Grundsätze im Übrigen nicht ausgeschlossen erscheint. Folgerichtig unterzieht der EuGH die Diskriminierungsverbote in Bezug auf Kontext und Gegenstand einem Vergleich mit den Vorschriften des EGV und gelangt hierbei zu dem Ergebnis, dass Art. 37 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Europa-Abkommens mit Polen den polnischen Staatsangehörigen ein Recht auf Gleichbehandlung hinsichtlich der Arbeitsbedingungen gewährt, das „den gleichen Umfang hat wie das den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten durch Artikel 48 Absatz 2 EG-Vertrag in ähnlichen Worten zuerkannte Recht.“560
Der Gerichtshof stützt sich zur Begründung sowohl auf den Wortlaut des Art. 37 Abs. 1 erster Gedankenstrich als auch auf die vertragliche Zielsetzung, nach der das Abkommen den geeigneten Rahmen einer schrittweisen Integration Polens in die Gemeinschaft schaffen soll. Gerade letzteres wird vom EuGH zu Recht betont, denn die Vorbereitung des Beitritts der mittel- und osteuropäischen Vertragspartner zur Europäischen Gemeinschaft bildet einen zentralen Schwerpunkt der Europa-Abkommen, wie unmissverständlich in den jeweiligen Zielbestimmungen zum Ausdruck kommt.561 Bestätigung findet dies auch in der Denkschrift zum deutschen Vertragsgesetz betreffend das Abkommen mit Polen:
558 So die ganz h. M., vgl. etwa Zinger, S. 137 f.; Gramlich/Niese, SpuRt 1998, 61 (64); Holzke, SpuRt 2004, 1 (2). 559 Vgl. Verny, in: Hdb. EU-Wirtschaftsrecht, K. IV., Rn. 35. 560 Vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2002 (Rs. C-162/00), Slg. 2002, I-1049 (1084). Vgl. zuletzt für Art. 38 Abs. 1 erster Gedankenstrich des Abkommens mit der Slowakischen Republik, EuGH, Urteil vom 08.05.2003 (Rs. C-438/00), Slg. 2003, I-4135 (4170). Diese Rechtssprechung dürfte auf die wortlautidentischen Diskriminierungsverbote der übrigen Europa-Abkommen, insbesondere mit Bulgarien und Rumänien, übertragbar sein. So auch Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Vorbem. zu den Art. 39 bis 41, Rn. 69. 561 Siehe Art. 1 sechster Spiegelstrich Abkommen EG-Rumänien und Art. 1 Abs. 2 sechster Spiegelstrich Abkommen EG-Bulgarien.
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„…von besonderer politischer Bedeutung ist, dass in der Präambel das Ziel Polens anerkannt wird, der EG beizutreten.“562
Der Beitritt zur Gemeinschaft wird u. a. durch eine Angleichung der in den zukünftigen Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften an das Gemeinschaftsrecht vorbereitet563, wobei die Vertragsparteien hierin eine wesentliche Grundbedingung für eine Integration in die Gemeinschaft sehen.564 Auch in Anbetracht dessen erscheint es wenig sinnvoll, den Diskriminierungsverboten der Europa-Abkommen ein eigenes, vom Standard des Art. 39 Abs. 2 EGV abweichendes Verständnis zugrunde zu legen. Richtschnur für die Angleichung der nationalen Vorschriften über die Rechte ausländischer Arbeitnehmer wären dann nicht mehr die Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts, sondern die in ihrem Anwendungsbereich enger zu fassenden assoziationsrechtlichen Diskriminierungsverbote. Sinn und Zweck der Europa-Abkommen weisen daher in Richtung einer übereinstimmenden Auslegung mit den Bestimmungen des EGV. Vor dem Hintergrund eines angestrebten Beitritts zur Gemeinschaft ist kein Grund für einen weniger weit reichenden Anwendungsbereich der assoziationsrechtlichen Gleichbehandlungsgebote ersichtlich. Dieses Verständnis findet sich wiederum dokumentiert in den Gesetzesentwürfen der Bundesregierung zu den nationalen Vertragsgesetzen. Hiernach sind die Zugeständnisse im Bereich der Arbeitnehmerfreizügigkeit zwar begrenzt, Arbeitnehmern, die jedoch bereits „…in einem EG-Mitgliedstaat rechtmäßig beschäftigt sind, werden hinsichtlich Arbeitsbedingungen, Entlohnung und Entlassung die gleichen Rechte wie Staatsangehörigen der EG-Mitgliedstaaten eingeräumt.“565
Nach alledem ist – abgesehen von Besonderheiten, etwa dem Fehlen eines Zugangsrechtes zum inländischen Arbeitsmarkt – davon auszugehen, dass die Anwendungsbereiche der Diskriminierungsverbote der Europa-Abkommen deckungsgleich mit Art. 39 Abs. 2 EGV sind.566 Die Rechtsprechung des EuGH, nach der Freizeitbetätigungen Folgeerscheinung der Arbeitnehmerfreizügigkeit sind und diskriminierende Maßnahmen daher auch hier gegen Gemeinschaftsrecht verstoßen567, ist folglich auf die Europa-Abkommen übertragbar.
562
Vgl. BT-Drucks. 12/4275, S. 175 a. E. Vgl. Art. 69 der Abkommen mit Rumänien und Bulgarien. 564 Vgl. BT-Drucks. 12/4275, S. 179. 565 Vgl. die Gesetzentwürfe zu den Abkommen mit Polen, BT-Drucks. 12/4275, S. 2, Rumänien, BT-Drucks. 12/7010, S. 2 sowie Bulgarien, BT-Drucks. 12/7012, S. 2. 566 So auch die Auffassung der Europäischen Kommission. Vgl. die Antwort auf die schriftliche Anfrage von Herrn Glyn Ford vom 12.10.1999, ABl. 2000, Nr. C 219 E, 11. 567 Siehe oben, 2. b) bb) (2) (c). 563
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
Die vorstehenden Grundsätze dürften ebenfalls im Bereich der Niederlassungsfreiheit gelten. Die Europa-Abkommen beinhalten auch insoweit ein Gebot zur Gleichbehandlung nach dem Vorbild des EGV.568 Dies bringt etwa die Denkschrift zum Abkommen mit Polen klar zum Ausdruck: „Die Niederlassungsfreiheit im Assoziationsabkommen richtet sich nach der Definition der Artikel 52 ff. EWG-Vertrag.“569
Die Auslegung der Diskriminierungsverbote hat sich daher auch im Bereich der Niederlassungsfreiheit an den Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zu orientieren.570
cc) Die Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit Mazedonien und Kroatien Auch mit den Balkanstaaten, Albanien, Bosnien und Herzegowina, Serbien und Montenegro, Kroatien und Mazedonien forciert die Europäische Union ihre vertraglichen Beziehungen, um diesen Ländern perspektivisch eine Integration in die Gemeinschaft zu ermöglichen. Im Rahmen dieses sog. „Stabilisierungsund Assoziierungsprozesses“ stehen zunächst die Schwerpunkte der Krisenbewältigung und der Verhinderung neuer Konflikte im Vordergrund. Die Stabilisierung der politischen Situation in den einzelnen Staaten bildet dabei die Grundlage der schrittweisen Anbindung an die EU und ist wesentliche Voraussetzung für den Abschluss der den Beitritt vorbereitenden Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA). Zu diesem Zweck prüft die Union periodisch u. a. die demokratische Entwicklung der Balkanstaaten und unterstützt diese.571 Während mit den übrigen Balkanstaaten Vertragsverhandlungen über den Abschluss eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens aufgenommen wurden bzw. avisiert sind, konnten mit Mazedonien am 09.04.2001572 und Kroatien am 29.10.2001573 entsprechende Abkommen bereits abgeschlossen werden, nachdem in diesen Ländern von einer gefestigten innenpolitischen Si568
Vgl. Art. 45 Abs. 1 der Abkommen mit Rumänien und Bulgarien. Vgl. BT-Drucks. 12/4275, S. 178. 570 Zur Auslegung der in den Europa-Abkommen enthaltenen Bestimmungen über die Niederlassungsfreiheit siehe auch die Entscheidungen des EuGH vom 27.09.2001 in den Rs. C-63/99, Slg. 2001, I-6369 und C-257/99, Slg. 2001, I-6557 sowie das Urteil vom 20.11.2001 (Rs. C-268/99), Slg. 2001, I-8615. 571 Siehe zum Ganzen den Bericht der Bundesregierung über die Ergebnisse ihrer Bemühungen um die Weiterentwicklung der politischen und ökonomischen Gesamtstrategie für die Balkanstaaten und ganz Südosteuropa, BT-Drucks. 15/508, S. 1. 572 Vgl. ABl. 2004, Nr. L 83, 13; BGBl. 2002 II, 1210. 573 Vgl. ABl. 2001, Nr. C 332 E, 6; BGBl. 2002 II, 1914. 569
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
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tuation ausgegangen werden kann. Das Abkommen mit Mazedonien ist nach Ratifikation durch alle Mitgliedstaaten offiziell zum 01.04.2004 in Kraft getreten. Für das Übereinkommen mit Kroatien steht allerdings noch die Genehmigung einiger nationaler Parlamente aus, so dass eine Verbindlichkeit bislang nicht gegeben ist.574 Beide Abkommen enthalten die Verpflichtung der EG-Mitgliedstaaten zur Gleichbehandlung der legal in ihrem Hoheitsgebiet beschäftigten mazedonischen und kroatischen Staatsangehörigen mit inländischen Arbeitnehmern hinsichtlich der Arbeits-, Entlohnungs- und Kündigungsbedingungen.575 Diese Diskriminierungsverbote sind willentlich denen der Europa-Abkommen nachgebildet576 und unterscheiden sich im Wortlaut von diesen nur unwesentlich. Die Abkommen sehen zudem die Übernahme eines großen Teils des Acquis communautaire577 sowie eine fortschreitende Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften an das Gemeinschaftsrecht vor. Die Verträge spiegeln daher anschaulich die Bereitschaft und Bestrebungen der Europäischen Union um eine Osterweiterung wider. Beide Staaten, Kroatien am 21.02.2003 und Mazedonien am 22.03.2004, haben ihren Wunsch nach Aufnahme in die Europäische Staatengemeinschaft bereits durch Abgabe der entsprechenden Beitrittsgesuche signalisiert. Die unübersehbare Nähe zu den Europa-Abkommen erlaubt den Schluss auf eine entsprechende Auslegung auch der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen. dd) Übergangsregelungen für die zum 01.05.2004 der EU beigetretenen Staaten Wie eingangs bereits angedeutet578, sind die zum 01.05.2004 den Verträgen der Europäischen Union beigetretenen Staaten ab diesem Zeitpunkt grundsätzlich vollwertige Mitglieder der Gemeinschaft. Dennoch sind die Vorschriften des EGV auf die im Inland beschäftigten Arbeitnehmer aus acht der zehn neuen Mitgliedstaaten – ausgenommen sind lediglich Malta und Zypern – noch nicht uneingeschränkt anwendbar. Vor dem Hintergrund möglicher Migrationsbewe574 Vgl. Art. 129 Abs. 2 SAA-Kroatien. Informationen zum Stand der EUOsterweiterung können u. a. über die Homepage des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland unter www.auswaertiges-amt.de/www/de/laenderinfos oder über die Seiten der Europäischen Union unter http://europa.eu.int/prelex/apcnet.cfm?CL=de abgerufen werden. 575 Vgl. Art. 44 Abs. 1 SAA-Mazedonien und Art. 45 Abs. 1 SAA-Kroatien. 576 Vgl. BT-Drucks. 15/508, S. 2. 577 Ebd. S. 7. 578 Siehe oben, vor aa).
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II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
gungen wurde in den Beitrittsvertrag vom 16.04.2003, insbesondere auf Initiative der Bundesrepublik579, ein Übergangsmodell für die Dauer von längstens sieben Jahren aufgenommen.580 Dieses zeitlich gestaffelte sog. 2+3+2-Modell ermöglicht es den Mitgliedstaaten, ihre bisher für den Zugang zum nationalen Arbeitsmarkt geltenden Regelungen während dieses Übergangszeitraumes beizubehalten, lässt allerdings auch die Anwendung des vollen gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsstandards vor Ablauf der siebenjährigen Frist zu. Den ursprünglichen Mitgliedstaaten steht es zunächst für die Dauer von zwei Jahren frei, an ihren alten Regelungen, in Abweichung von den Art. 1 bis 6 der VO 1612/68, festzuhalten. Neue Zugangsbeschränkungen dürfen allerdings nach Unterzeichnung des Beitrittsvertrages nicht errichtet werden. Der Rat überwacht die Funktionsweise der Übergangsregelungen und erstattet hierzu vor Ablauf dieser zwei Jahre ein Gutachten, auf dessen Grundlage die Mitgliedstaaten der Kommission zum Ende dieses Zeitraumes mitteilen, ob sie weiterhin ihre nationalen Vorschriften anwenden wollen. Erfolgt keine Mitteilung, so gilt der volle gemeinschaftliche Besitzstand. Entscheiden sich die Mitgliedstaaten hingegen für eine Weitergeltung der nationalen Vorschriften betreffend den Zugang zum Arbeitsmarkt, so finden diese zunächst für drei weitere Jahre Anwendung. Eine weitere Verlängerung kommt nur im Falle schwerwiegender Störungen des Arbeitsmarktes oder der Gefahr derartiger Störungen, jedoch wiederum nur für zwei Jahre, in Betracht. Spätestens mit Ablauf des siebenten Jahres nach Beitritt zu den Europäischen Verträgen, d. h. am 01.05.2011, sind die Vorschriften des EGV zur Arbeitnehmerfreizügigkeit uneingeschränkt auf die Staatsangehörigen der neu beigetretenen Länder anwendbar. Vor Ablauf dieser Übergangsfristen sind die Angehörigen der Beitrittsstaaten deutschen Arbeitnehmern jedenfalls dann gleichgestellt, wenn sie am Tag des Beitritts mindestens 12 Monate ununterbrochen rechtmäßig im Inland beschäftigt waren. In diesem Fall genießen sie das Recht auf ungehinderten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Dies gilt gleichermaßen für Arbeitnehmer, die diese Voraussetzungen nach dem Beitritt, aber vor dem 01.05.2011 erfüllen. Im Übrigen ergeben sich außerhalb der aufgezeigten Übergangslösung Erleichterungen nur insoweit, als die Vertragsparteien den Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates hinsichtlich des Zugangs zum Arbeitsmarkt den Vorrang gegenüber Staatsangehörigen eines Drittstaates einräumen. Nachdem Deutschland als Mitinitiator des 2+3+2-Modells dieses auf erster Stufe bereits in Anspruch nimmt, hat sich die Burndesregierung im Frühjahr 579
Vgl. BT-Drucks. 15/1100, S. 80. Vgl. Art. 24 des Beitrittsvertrages vom 16.04.2003 in Verbindung mit dem Anhängen V bis XIV. Vgl. ABl. 2003, Nr. L 236, 1 (803 ff.). 580
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2006 – entgegen den Empfehlungen der EU-Kommission und dem Trend in anderen EU-Mitgliedstaaten – dafür entschieden, auch die hieran auf zweiter Stufe anknüpfende Übergangsfrist auszuschöpfen.581 Damit bleibt es für die Staatsangehörigen aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn jedenfalls bis zum 30.04.2009 bei den allgemeinen arbeits- und aufenthaltsrechtlichen Genehmigungserfordernissen. Ob die Bundesrepublik darüber hinaus von ihrem Optionsrecht auf Verlängerung der Geltungsdauer dieser Vorschriften um zwei weitere Jahre Gebrauch macht, ist bisher noch nicht absehbar.
e) Das AKP-EG-Partnerschaftsabkommen vom 23.06.2000 Ebenfalls ein Diskriminierungsverbot enthält das am 23.06.2000 in Cotonou (Benin) unterzeichnete und am 01.04.2003 in Kraft getretene AKP-EGPartnerschaftsabkommen.582 Das Abkommen ersetzt das vierte LoméAbkommen aus dem Jahre 1989583 und regelt die Rechtsbeziehungen der EG zu mittlerweile 78 Staaten aus dem afrikanischen, karibischen und pazifischen Raum (sog. AKP-Staaten) unter anderem in den Bereichen des Umweltschutzes, der kulturellen Entwicklung und der wirtschaftlichen und handelspolitischen Zusammenarbeit. Bereits das vierte Lomé-Abkommen enthielt im Anhang VI „Gemeinsame Erklärung betreffend die Arbeitskräfte, die Staatsangehörige einer der Vertragsparteien sind und sich rechtmäßig im Gebiet eines Mitgliedstaates aufhalten“584 ein Diskriminierungsverbot585, dessen Fortschreibung sich nunmehr in 581 Siehe zu den Veränderungen das Gesetz über den Arbeitsmarktzugang im Rahmen der EU-Erweiterung vom 23.04.2004, BGBl. 2004 I, 602. Vgl. nach Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes am 01.01.2005 (BGBl. 2004 I, 1950) auch § 13 FreizügG/EU und § 284 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Zur Verlängerung der Übergangsregelung um weitere 3 Jahre vgl. EU-Nachrichten Nr. 12 vom 23.03.2006, S. 2, abrufbar unter www.eu-kommission.de/pdf/eunachrichten/12-06_internet.pdf. 582 Vgl. ABl. 2000, Nr. L 317, 3; BGBl. 2002 II, 325. 583 Vgl. ABl. 1991, Nr. L 229, 3; BGBl. 1991 II, 2. 584 Vgl. ABl. 1991, Nr. L 229, 249. 585 So heißt es im Anhang VI: „1. Jeder Mitgliedstaat gewährt Arbeitnehmern, die die Staatsangehörigkeit eines AKP-Staates besitzen und in seinem Gebiet rechtmäßig gegen Entgelt beschäftigt sind, eine Regelung, die hinsichtlich der Arbeits- und Entgeltbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen beinhaltet. … 2. Die Arbeitnehmer, die die Staatsangehörigkeit eines AKP-Staates besitzen und im Gebiet eines Mitgliedstaates rechtmäßig gegen Entgelt beschäftigt sind, und die mit ihnen lebenden Familienangehörigen genießen hinsichtlich der an die Beschäftigung geknüpften Leistungen aus der sozialen Sicherheit in diesem Mitgliedstaat eine Regelung,
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Art. 13 Abs. 3 des Partnerschaftsabkommens findet. Demnach gewähren die Mitgliedstaaten „…den Arbeitnehmern aus AKP-Staaten, die legal in ihrem Hoheitsgebiet beschäftigt sind, eine Behandlung, die hinsichtlich der Arbeits-, Entlohnungs- und Kündigungsbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung gegenüber ihren eigenen Staatsangehörigen bewirkt.“
Ähnlich wie bei den Bestimmungen der Europa-Abkommens wird man allerdings nicht von einer umfassend gewährten Freizügigkeit ausgehen können, da sich die Vorschrift lediglich auf die bereits im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates beschäftigten Arbeitnehmer bezieht. Nicht gewährleistet wird hingegen der freie Zugang zur Beschäftigung.
aa) Unmittelbare Anwendbarkeit und Drittwirkung Gemessen an den Grundsätzen zur innerstaatlichen Anwendbarkeit assoziationsrechtlicher Regelungen586 kommt Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen unmittelbare Wirkung zu.587 Die Vorschrift ähnelt stark Art. 37 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen EWG-Türkei, der nach überwiegender Meinung588 ebenfalls innerstaatlich unmittelbar anwendbares Recht enthält. Die äußerst geringfügigen Unterschiede im Wortlaut – Art. 37 Abs. 1 Zusatzprotokoll ordnet eine Gleichbehandlung in Bezug auf die „Arbeitsbedingungen und das Entgelt“, Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen hinsichtlich der „Arbeits-, Entlohnungs- und Kündigungsbedingungen“ an – zwingen nicht zu einem anderen Verständnis. Allerdings stellt sich wiederum die Frage nach der horizontalen Wirkung der Vorschrift sowie der Übertragbarkeit der Rechtsprechung des EuGH zu Art. 39 Abs. 2 EGV. In Anbetracht des zunächst fest umrissenen Adressatenkreises – nach dem Wortlaut gewährleisten allein die Mitgliedstaaten eine Gleichbehandlung – kann eine Drittwirkung allenfalls bei Vorliegen des oben beschriebenen Aus-
die keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Diskriminierung gegenüber den Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaates beinhaltet.“ 586 Vgl. hierzu oben, a) bb). 587 So auch Kreis/Schmid, NZA 2003, 1013 (1015); Holzke, SpuRt 2004, 1 (5); für die Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen vorausgehende Regelung im Anhang VI Nr. 1 des vierten Lomé-Abkommens ebenfalls Laubach, S. 146 f.; a. A. Kirschenhofer, S. 232. 588 Siehe oben, Fn. 506.
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nahmefalles erwogen werden.589 Dieser bedingt zunächst eine konkrete, aus der Vorschrift selbst folgende Ergebnispflicht der Mitgliedstaaten sowie deren unterbliebene Umsetzung innerhalb einer hierfür vorgegebenen Frist. Eine erfolgsbezogene Handlungspflicht lässt Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen erkennen, denn die Vertragsstaaten sind verpflichtet, die Gleichbehandlung der einem AKP-Staat angehörigen Staatsbürger mit den eigenen Staatsangehörigen zu gewährleisten. Allerdings sieht das Partnerschaftsabkommen hierfür keine Umsetzungsfrist vor, die Vorschrift gilt vielmehr uneingeschränkt seit Inkrafttreten des Abkommens. Das generelle Fehlen einer Umsetzungsfrist dürfte aber der Annahme einer Drittwirkung auf Grundlage der zitierten Rechtsprechung des EuGH nicht entgegenstehen, denn der vom Gerichtshof angesprochene Schutzgedanke bleibt hiervon unberührt. Vermittelt eine Vorschrift dem Einzelnen ein subjektives Recht und könnte sich dieser nur deshalb nicht hierauf berufen, weil der Staat, entgegen seiner Verpflichtung und damit rechtswidrig, nicht die hierfür notwendigen Vorkehrungen getroffen hat, so soll dieser Umstand einer Anwendung der Vorschrift im Privatrechtsverhältnis nicht entgegenstehen, denn andernfalls müsste dem Einzelnen der Rechtsschutz unter Hinweis auf das rechtswidrige Verhalten des Staates versagt werden. Hieran ändert sich aber nichts, wenn dem Staat die Handlungspflicht fristlos schon mit Inkrafttreten der Vorschrift erwächst und er dieser nicht nachkommt. Nach Holzke lässt sich die Drittwirkung ferner dem Wortlaut des Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen entnehmen. Denn soweit die Mitgliedstaaten eine Gleichbehandlung zu „gewähren“ haben, sei ihnen dies auch durch ihre Rechtsprechung möglich.590 Dem wird unter Hinweis auf den Charakter des Partnerschaftsabkommens entgegengehalten, dass es sich um eine Entwicklungsassoziierung handle, deren Ziel nicht die vollständige Übernahme des gemeinschaftlichen Rechtsstandards sei, wie dies etwa bei den auf einen Beitritt zur Europäischen Union ausgerichteten Assoziierungen, z. B. mit der Türkei, der Fall ist.591 Rückschlüsse auf die fehlende Vergleichbarkeit mit Art. 39 EGV könnten ferner bereits der textlichen Fassung des Partnerschaftsabkommens entnommen werden. So findet sich das Diskriminierungsverbot des Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen unter der Überschrift „Einwanderung“. Dem gegenüber erfolgt eine Einordnung des Diskriminierungsverbotes etwa im Abkommen mit Polen im Abschnitt „Freizügigkeit der Arbeitnehmer“ und weist damit schon seinem Wortlaut nach einen näheren Bezug zur Grundfreiheit des Art. 39 EGV auf. Angesichts dieser Umstände könne nicht von einer Drittwirkung ausgegangen werden, zumal Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen innerhalb der vertrag589
Siehe oben, c) aa) (3). Vgl. Holzke, SpuRt 2004, 1 (5). 591 Vgl. Kreis/Schmid, NZA 2003, 1013 (1016 f.). 590
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lichen Zielsetzung nicht das gleiche Gewicht zukommt wie den Grundfreiheiten für die Errichtung des Binnenmarktes.592 Diese Einwände sind durchaus berechtigt. Allerdings ist wiederum zu bedenken, dass der Anwendungsbereich von Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen bei fehlender horizontaler Wirkung auf ein Minimum reduziert wird, denn die überwiegende Anzahl der hiervon erfassten Arbeitsverhältnisse dürfte privatrechtlich ausgestaltet sein. Das Diskriminierungsverbot wäre damit letztlich äußerst ineffizient, wenn nicht gar wirkungslos. Auch lassen sich die übrigen, bereits oben angeführten Argumente heranziehen.593 So wäre es im Verhältnis zu den AKP-Staaten ebenso widersinnig, wenn private, über autonome Befugnisse verfügende Rechtsträger Beschränkungen wieder errichten könnten, zu deren Abschaffung sich die Vertragsstaaten gerade verpflichtet haben. Allerdings wird der Hinweis auf die Besonderheiten des Assoziierungsabkommens mit den AKP-Staaten damit nicht irrelevant, sondern muss an anderer Stelle Berücksichtigung finden. Bei Bestimmung der konkreten Reichweite einer assoziationsrechtlichen Vorschrift prüft der EuGH regelmäßig594, inwiefern die bereits zu einer vergleichbaren Vertragsnorm des EGV ergangene Rechtsprechung auf diese Bestimmung übertragen werden kann. Nach Auffassung des Gerichtshofes genügt dabei nicht schon die schlicht ähnliche Fassung beider Regelungen, um der Bestimmung des völkerrechtlichen Vertrages die Bedeutung zu geben, die der Norm des Gründungsvertrages zukommt.595 Eine Übertragbarkeit hängt vielmehr davon ab, „… welchen Zweck diese Bestimmungen in dem ihnen je eigenen Rahmen verfolgen. Insoweit kommt dem Vergleich von Gegenstand und Kontext des Abkommens einerseits und des EG-Vertrages andererseits erhebliche Bedeutung zu.“596
Im Rahmen dieser Gegenüberstellung kommen die Unterschiede zwischen Assoziierungsabkommen und EGV zum Tragen.
592
Ebd. Vgl. oben, 2. b) bb) (1). 594 Siehe etwa EuGH, Urteil vom 01.07.1993 (Rs. C-312/91), Slg. 1993, I-3751 (3772 f.). 595 Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 27.09.2001 (Rs. C-63/99), Slg. 2001, I-6369 (6411 f.) mwN. 596 Vgl. EuGH, Urteil vom 29.01.2002 (Rs. C-162/00), Slg. 2002, I-1049 (1082). 593
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bb) Zum Anwendungsbereich des Diskriminierungsverbotes Mittel zur Verwirklichung der in Art. 2 EGV formulierten Gemeinschaftsaufgaben – und damit zugleich selbst Ziel597 – ist die Errichtung eines Gemeinsamen Marktes. Nach zutreffender Ansicht des EuGH bildet dieses Ziel einen wesentlichen Gegenstand des Vertrages.598 Der Gemeinsame Markt bedeutet dabei Einheit nach außen und Freiheit nach innen599, wobei letztere maßgeblich durch die Grundfreiheiten verwirklicht wird. Deren Schutzbereich bestimmt die Reichweite der inneren Freiheit. Der EuGH rechnet die Freizügigkeit folglich zu den fundamentalen Grundsätzen der Gemeinschaft und geht – ihrer Bedeutung entsprechend – von einem grundsätzlich extensiven Verständnis aus.600 Dies kommt etwa dadurch zum Ausdruck, dass der Gerichtshof die Grundfreiheiten ganz überwiegend als Beschränkungsverbote begreift.601 Es ist daher die Stellung der Grundfreiheiten als wichtigstes Instrument zur Verwirklichung der vertraglichen Zielvorgaben, die es rechtfertigt, die Freizügigkeit auch auf Bereiche des sozialen Umfeldes zu erstrecken, die nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Beschäftigungsverhältnis stehen. Ob Art. 13 Abs. 3 Partnerschaftsabkommen eine gleichermaßen herausragende Stellung für die mit der Assoziation angestrebten Ziele zukommt, erscheint indes fraglich. Das AKP-EG Partnerschaftsabkommen ist bereits grundsätzlich anders angelegt als der EG-Vertrag. Beabsichtigt ist nicht die Errichtung eines Binnenmarktes oder einer privilegierten Handelszone, im Vordergrund stehen vielmehr entwicklungspolitische Bestrebungen. Dies geht bereits aus unter den in Teil 1, Titel I, Kap. 1 verankerten Zielen und Grundsätzen der Partnerschaft klar hervor. Hier heißt es in Art. 1: „Die Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten einerseits und die AKP-Staaten andererseits schließen dieses Abkommen, um … die wirtschaftliche, kulturelle und soziale Entwicklung der AKP-Staaten zu fördern und zu beschleunigen.“
und weiter „Die Partnerschaft ist auf das Ziel ausgerichtet, in Einklang mit den Zielen der nachhaltigen Entwicklung und der schrittweisen Integration der AKP-Staaten in die Weltwirtschaft die Armut einzudämmen und schließlich zu besiegen.“ 597
Vgl. Streinz, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 2, Rn. 6. Vgl. EuGH, Urteil vom 29.09.1987 (Rs. 126/86), Slg. 1987, 3697 (3715 f.). 599 Vgl. Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, S. 551. 600 Vgl. etwa EuGH, Urteil vom 03.06.1986 (Rs. 139/85), Slg. 1986, 1741 (1759) und Urteil vom 26.02.1991 (Rs. C-292/89), Slg. 1991, I-745 (777). 601 Für die Arbeitnehmerfreizügigkeit dürfte hiervon spätestens seit der Entscheidung in der Rechtssache Bosman auszugehen sein, vgl. Urteil vom 15.12.1995 (Rs. C415/93), Slg. 1995, I-4921 (5068 f.). 598
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Bemerkenswert hieran ist, dass Ziel des Abkommens nicht die stärkere wirtschaftliche Bindung der AKP-Staaten an die Gemeinschaft ist, vielmehr generell die Integration in die Weltwirtschaft angestrebt wird. Das Abkommen von Cotonou knüpft zudem mit Art. 4 an die vorhergehenden Lomé-Abkommen an, deren Ziel die Förderung einer eigenständigen Entwicklung nach eigenen Entscheidungen und Programmen der AKP-Staaten war.602 So legen die AKP-Staaten „… souverän die Grundsätze, Strategien und Modelle für die Entwicklung ihrer Wirtschaft und Gesellschaft fest.“
Im Unterschied zu den bereits angesprochenen Abkommen, etwa mit der Türkei, handelt es sich auch nicht um eine so genannte Beitrittsassoziierung, deren Ziel die Aufnahme des Vertragspartners in die Gemeinschaft ist und für die deshalb eine Übernahme des gemeinschaftsrechtlichen Freizügigkeitsstandards geboten sein kann.603 Das Verhältnis der Gemeinschaft zu den AKPStaaten stellt sich demgegenüber als reine Außenbeziehung dar. Die besondere Bedeutung der Grundfreiheiten besteht aber wie gezeigt darin, die innere Binnenmarktfreiheit zu gewährleisten, deren Verwirklichung vorliegend aber gerade nicht – auch nicht perspektivisch – in Rede steht. So bleibt Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen in seiner Bedeutung auch hinter den Diskriminierungsverboten der Beitrittsassoziierungen zurück, denn zumindest die potentielle Zugehörigkeit dieser Vertragsstaaten zum Binnenmarkt gibt das ausschlaggebende Argument dafür, den Schutzbereich nach dem Vorbild der Grundfreiheiten abzustecken. Ohne einen vergleichbaren Bezug zum Binnenmarkt fehlt jedoch der für eine Übertragung des grundfreiheitlichen Verständnisses erforderliche Anknüpfungspunkt. Auch ein Vergleich der Grundfreiheiten mit Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen im Hinblick auf deren Bedeutung für das Erreichen der jeweiligen Vertragsziele zeigt deutliche Unterschiede. Während die Freiheit des Waren- und Personenverkehrs nach Art. 14 Abs. 2 EGV den Binnenmarkt im Wesentlichen ausmacht, ist das Diskriminierungsverbot des Partnerschaftsabkommens lediglich Teilaspekt in einem Gesamtprogramm zur Entwicklungshilfe und erscheint daher im Gegensatz zu den Grundfreiheiten nicht unverzichtbar. Unter Berücksichtigung der Beurteilungsmaßstäbe des EuGH wird man den Schutzbereich von Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen daher nicht gleichermaßen extensiv auslegen können wie die Freizügigkeitsregelung in Art. 39 Abs.2 EGV. Für eine Übertragung der dort geltenden Grundsätze fehlt 602 603
Siehe hierzu Vedder, in: Grabitz/Hilf, EUV/EGV (Maastricht), Art. 238, Rn. 49. So zutreffend Kreis/Schmid, NZA 2003, 1013 (1017).
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es vielmehr an der notwendigen Kongruenz der Vertragsziele. Das Diskriminierungsverbot in Art. 13 Abs. 3 S. 1 Partnerschaftsabkommen ist beschränkt auf die unmittelbar mit dem Arbeitsverhältnis in Zusammenhang stehenden Modalitäten. Diskriminierungen in anderen Bereichen, die keinen direkten Bezug zum Beschäftigungsverhältnis aufweisen, werden hingegen nicht erfasst. Ausländerklauseln, die den Einsatz von Staatsangehörigen der einzelnen AKPStaaten im Freizeitsport beschränken, verstoßen daher nicht gegen Art. 13 Abs. 3 S. 1 AKP-EG Partnerschaftsabkommen. f) Die Abkommen mit Tunesien, Algerien und Marokko (sog. Maghreb-Staaten) Vergleichbar stellt sich die Rechtslage in Bezug auf die vertraglichen Beziehungen der Gemeinschaft zu den sog Maghreb-Staaten Tunesien604, Marokko605 und Algerien606 dar. Die einzelnen Abkommen enthalten ein Diskriminierungsverbot mit identischer Textfassung, dessen Wortlaut bezogen auf das Abkommen mit Marokko wie folgt lautet: „Jeder Mitgliedstaat gewährt den Arbeitnehmern marokkanischer Staatsangehörigkeit, die in seinem Hoheitsgebiet beschäftigt sind, eine Behandlung, die hinsichtlich der Arbeits-, Entlohnungs- und Kündigungsbedingungen keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber seinen eigenen Staatsangehörigen bewirkt.“607
In seiner bisherigen Rechtsprechung hat der EuGH zwar die unmittelbare Wirkung der Vorschrift anerkannt608, und auch eine Drittwirkung ließe sich unter Zugrundelegung der oben angesprochenen Auffassung des Gerichtshofes 604 Vgl. ABl. 1998, Nr. L 97, 2, zuletzt geändert durch Briefwechsel vom 22.12.2000, ABl. 2000, Nr. L 336, 93; BGBl. 1997 II, 342. 605 Vgl. ABl. 2000, Nr. L 70, 2; BGBl. 1998 II, 1810. 606 Vgl. ABl. 1978, Nr. L 263, 2; BGBl. 1978 II, 509. 607 Vgl. Art. 64 Abs. 1 Abkommen EG-Marokko ; Art. 64 Abs. 1 Abkommen EGTunesien; Art. 38 Abkommen EWG-Algerien. Ebenso wie bereits im Verhältnis zu Marokko und Tunesien geschehen, strebt die Gemeinschaft eine Aktualisierung ihrer vertraglichen Beziehungen zur Demokratischen Volksrepublik Algerien an. Ein entsprechender Vorschlag wurde dem Rat von der Kommission am 22.03.2002 vorgelegt und von diesem am 22.04.2004 formell angenommen, ABl. 2002, Nr. C 262 E, 32; COM 2002, 157. Die Bundesrepublik hat diesem Vorschlag bereits zugestimmt, BGBl. 2003 II, 1138. Eine Änderung der Bestimmungen über die Arbeitskräfte ist allerdings nicht vorgesehen, diese werden im Wesentlichen unverändert übernommen. 608 Vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.1999 (Rs. C-416/96), Slg. 1999, I-1209 (1238) für das Art. 64 Abkommen EG-Marokko vorhergehende und wortlautidentische Diskriminierungsverbot in Art. 40 des Abkommens EWG-Marokko vom 27.04.1976.
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noch annehmen609, allerdings hängt die Reichweite des Diskriminierungsverbotes wiederum vom Ergebnis eines Vergleiches von Gegenstand und Kontext des Abkommens einerseits und des EG-Vertrages andererseits ab.610 Hier muss ebenso wie beim Abkommen mit den afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten die Überlegung zum Tragen kommen, dass die vertraglichen Beziehungen nicht auf einen Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft angelegt sind und in ihrer Zielsetzung daher einen evidenten Unterschied etwa zu den Europa-Abkommen aufweisen. Auch wenn die Beziehungen der Gemeinschaft zu den Maghreb-Staaten zwischenzeitlich eine Entwicklung vollzogen haben, nach der nicht mehr allein das Ziel der Entwicklungshilfe im Mittelpunkt steht611, sondern nunmehr sogar die etappenweise Errichtung einer Freihandelszone angestrebt wird612, liegen die Schwerpunkte der Zusammenarbeit auf den Gebieten eines typischen Außenhandelsabkommens. Den handelsvertraglichen Charakter verdeutlichen bereits die umfangreichen, unmittelbar den Bestimmungen zum politischen Dialog nachfolgenden Regelungen zum freien Warenverkehr, die nahezu ein Viertel aller Vertragsbestimmungen ausmachen. Äußerst verhalten agierten die Vertragspartner hingegen auf den Gebieten des Personenverkehrs. Die Einführung eines Rechtes auf freie Niederlassung wird lediglich als Ziel formuliert und bezieht sich zudem allein auf Gesellschaften.613 Ein eigener Abschnitt mit Gewährleistungen für Arbeitnehmer findet sich im Abkommen nicht. Diese Bestimmungen werden vielmehr unter Titel VI „Zusammenarbeit im sozialen und kulturellen Bereich“ zusammengefasst.614 609
Vgl. oben, c) aa) (3). Vgl. oben, Fn. 596. 611 Die Kooperationsabkommen mit den Maghreb-Staaten aus dem Jahre 1976 sind zur Gruppe der Entwicklungsassoziationen zu zählen. Vgl. etwa Art. 1 S. 1 Abkommen EWG-Algerien, in dem es heißt: „Ziel dieses Abkommens zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Algerien ist es, eine globale Zusammenarbeit zwischen den Vertragsparteien zu fördern, um zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung Algeriens beizutragen …“. So auch Bleckmann, Europarecht, Rn. 1370. 612 Vgl. etwa Art. 6 Abkommen EG-Marokko. 613 Vgl. Art. 31 Abs. 1 Abkommen EG-Marokko; Art. 31 Abs. 1 Abkommen EGTunesien. Etwas präzisere Vorschriften enthält der Vorschlag der Kommission für ein Abkommen der Gemeinschaft mit Algerien (vgl. COM 2002, 157). So lautet etwa Art. 30 Abs. 2: „Die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten gewähren den algerischen Dienstleistungserbringern eine Behandlung, die nicht weniger günstig ist als die Behandlung, die sie nach der dem GATS als Anlage beigefügten Liste der spezifischen Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten den Erbringern gleichartiger Dienstleistungen gewähren.“ Allerdings besteht offenkundig keine Verpflichtung zur Gleichbehandlung mit eigenen Staatsangehörigen. 614 So jedenfalls in den neueren Abkommen der Gemeinschaft mit Marokko und Tunesien. 610
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
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Diese Verhältnisse spiegeln durchaus die Intention der Vertragsparteien wider, denn Ziel der neueren Abkommen mit Marokko und Tunesien ist es, „– die Bedingungen für eine schrittweise Liberalisierung des Waren-, des Dienstleistungs- und des Kapitalverkehrs festzulegen; – den Handel auszuweiten und die Entwicklung ausgewogener Wirtschafts- und Sozialbeziehungen zwischen den Vertragsparteien insbesondere im Wege des Dialogs und der Zusammenarbeit zu fördern…“615
Für diese Vertragsziele sind Personenverkehrsfreiheiten aber nicht gleichermaßen konstituierend, wie dies im Anwendungsbereich des EGV für die Verwirklichung des Binnenmarktes der Fall ist. Die Diskriminierungsverbote in den Abkommen der Gemeinschaft mit Tunesien, Marokko und Algerien nehmen daher im Rahmen der Kooperationsabkommen keinen den Grundfreiheiten im EGV vergleichbaren Stellenwert ein und können hinsichtlich ihrer Bedeutung diesen nicht gleichgesetzt werden. Da ein Beitritt der Maghreb-Staaten zur Europäischen Gemeinschaft ohnehin nicht beabsichtigt ist, besteht zudem keine Notwendigkeit zur Angleichung der kooperationsrechtlichen Vorschriften an die der Gemeinschaft. Der Anwendungsbereich der Diskriminierungsverbote in Art. 64 EG-Marokko/Tunesien bzw. Art. 38 EG-Algerien ist daher auf den engen gegenständlichen Bereich des Arbeitsverhältnisses beschränkt. In Anbetracht der aufgezeigten rechtsqualitativen Unterschiede zum EGV und zu den sog. Beitrittsassoziationen scheidet eine Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereiches auf freizeitsportliche Aktivitäten aus.
g) Die Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit (APZ) mit den Staaten der ehemaligen UdSSR Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 hat die Europäische Gemeinschaft zunehmend auch ihre vertraglichen Beziehungen zu deren ehemaligen Mitgliedstaaten intensiviert und eine Reihe von Abkommen mit teilweise unterschiedlicher Zielsetzung geschlossen. Neben den Beitrittsassoziationen zu den baltischen Staaten Estland616, Lettland617 und Litauen618 – die infolge der Aufnahme dieser Staaten in die Europäische Union am 01.05.2004 nunmehr bedeutungslos geworden sind – existieren sog. Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit mit Armenien619, Aserbaidschan620, Georgien621, Kasachs615
Vgl. Art. 1 Abs. 2 ersten und zweiten Spiegelstrich des jeweiligen Abkommens. Vgl. ABl. 1998, Nr. L 68, 3; BGBl. 1996 II, 1667. 617 Vgl. ABl. 1998, Nr. L 26, 3; BGBl. 1996 II, 1880. 618 Vgl. ABl. 1998, Nr. L 51, 3; BGBl. 1996 II, 2187. 619 Vgl. ABl. 1999, Nr. L 239, 3; BGBl. 1998 II, 2379. 616
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tan622, der Kirgisischen Republik623, Moldawien624, der Russischen Föderation625, der Ukraine626, Usbekistan627 sowie Weißrussland628. Diese Verträge sind überwiegend auf eine Förderung der Wirtschaftsbeziehungen insbesondere durch Ausweitung von Handel und Investitionen gerichtet629 und enthalten besondere Bestimmungen über die Arbeitsbedingungen der rechtmäßig in einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft beschäftigten Arbeitnehmer. Im Wortlaut übereinstimmend findet sich in nahezu allen Vertragstexten die folgende Regelung: Vorbehaltlich der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Rechtsvorschriften, Bedingungen und Verfahren bemühen sich die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten sicherzustellen, dass den Staatsangehörigen der Republik Usbekistan (bzw. der übrigen Vertragspartner), die im Gebiet eines Mitgliedstaates rechtmäßig beschäftigt sind, eine Behandlung gewährt wird, die hinsichtlich der Arbeitsbedingungen, der Entlohnung oder der Entlassung keine auf der Staatsangehörigkeit beruhende Benachteiligung gegenüber den eigenen Staatsangehörigen bewirkt.“630
Einzig das Abkommen mit der Russischen Föderation weicht hiervon insoweit ab, als nicht lediglich das Bemühen um eine Gleichbehandlung, sondern diese selbst von den Vertragspartnern sichergestellt wird.631 Angesichts dieser Formulierungen ist bereits die unmittelbare Anwendbarkeit der jeweiligen Regelung zweifelhaft. Allerdings wird man dies wiederum
620
Vgl. ABl. 1999, Nr. L 246, 3; BGBl. 1998 II, 691. Vgl. ABl. 1999, Nr. L 205, 3; BGBl. 1998 II, 1699. 622 Vgl. ABl. 1999, Nr. L 196, 3; BGBl. 1998 II, 907. 623 Vgl. ABl. 1999, Nr. L 196, 48; BGBl. 1997 II, 247. 624 Vgl. ABl. 1998, Nr. L 181, 3; BGBl. 1998 II, 931. 625 Vgl. ABl. 1997, Nr. L 327, 3; BGBl. 1997 II, 847. 626 Vgl. ABl. 1998, Nr. L 49, 3; BGBl. 1997 II, 269. 627 Vgl. ABl. 1999, Nr. L 229, 3; BGBl. 1998 II, 720. 628 Das Abkommen mit Weißrussland ist allerdings noch nicht in Kraft getreten. Zwar liegt ein endgültiger Kommissionsvorschlag vor, COM 1995, 137, dem von Deutschland bereits zugestimmt wurde, BGBl. 1997 II, 297, allerdings wurde der Ratifikationsprozess aufgrund der politischen Situation in Weißrussland durch Ratsbeschluss vom 24.02.1997 ausgesetzt. Mit Turkmenistan ist ebenfalls der Abschluss eines Partnerschafts- und Kooperationsabkommens geplant. Siehe hierzu den Vorschlag der Kommission, COM 1997, 693. 629 Siehe etwa Art. 1 Spiegelstrich 4 des APZ EG-Usbekistan. 630 Vgl. Art. 20 Abs. 1 EG-Armenien; Art. 20 Abs. 1 EG-Aserbaidschan; Art. Art. 20 Abs. 1 EG-Georgien; Art. 19 Abs. 1 EG-Kasachstan; Art. 19 Abs. 1 EG-Kirgisische Republik; Art. 24 Abs. 1 EG-Moldawien; Art. 24 Abs. 1 EG-Ukraine; Art. 19 Abs. 1 EGUsbekistan. 631 Vgl. Art. 23 Abs. 1 EG-Russische Föderation. 621
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
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nicht unter Hinweis auf den Vorbehalt zugunsten der einzelnen mitgliedstaatlichen Regelungen annehmen können, da es sich hierbei – vor dem Hintergrund der sonst drohenden Wirkungslosigkeit des Diskriminierungsverbotes – nicht um eine Bedingung handelt, die den Mitgliedstaaten eine in ihrem Ermessen stehende Beschränkung erlaubt.632 Jedoch spricht der Vertragstext lediglich von einem Bemühen der Vertragspartner um eine Gleichbehandlung mit den eigenen Staatsangehörigen, was das Vorliegen einer bloßen Absichtserklärung ohne konkret bindende Verpflichtung indiziert.633 Auch wird man in Anbetracht dieses Umstandes keine Drittwirkung der Vorschriften annehmen können. Ausgehend vom Wortlaut, der sich allein an die Vertragsstaaten richtet, kommt eine Bindung Privater allenfalls in dem vom EuGH formulierten Ausnahmefall unter den Voraussetzungen in Betracht, dass die Mitgliedstaaten ihrer normierten Handlungspflicht nicht innerhalb der hierfür vorgesehenen Fristen nachkommen und dem Betroffenen deshalb eine Begünstigung verwehrt bleibt.634 Die vorliegend betrachteten Normen der APZAbkommen erfüllen schon die erste Bedingung nicht, denn in dem Bemühen um eine Gleichbehandlung kommt keine Ergebnispflicht zum Ausdruck. Etwas anderes könnte zunächst allenfalls für Art. 23 Abs. 1 des Abkommens mit der Russischen Föderation gelten, nach dem die Vertragspartner sicherstellen, dass den Staatsangehörigen Russlands eine gleiche Behandlung gewährt wird. Allerdings deutet auch diese Formulierung eher auf ein Bedürfnis nach weiteren Umsetzungsakten hin. Dem ließe sich noch entgegenhalten, dass die Vertragspartner – der Begründung für ein deutsches Vertragsgesetz folgend – selbst ein Diskriminierungsverbot konstituieren wollten.635 Bei Bestimmung der Reichweite dieses Diskriminierungsverbotes darf jedoch wiederum nicht übersehen werden, dass die Assoziierung mit der Russischen Föderation – dies gilt gleichermaßen für die übrigen APZ-Abkommen – ebenso wenig einen Beitritt zur Europäischen Gemeinschaft bezweckt, wie dies bei den Abkommen mit
632
Siehe oben, d) aa) sowie Fn. 545. So auch Kahlenberg, SpuRt 1997, 170 (171); Weiß, Personenverkehrsfreiheiten, S. 99; ders., SpuRt 2003, 157 (157); Streinz, SpuRt 1998, 45 (48 f.); Kirschenhofer, S. 241; Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 75; im Ergebnis auch Holzke, SpuRt 2004, 1 (2 f.). 634 Siehe oben, c) aa) (3). 635 So Holzke, SpuRt 2004, 1 (4) unter Hinweis auf die Denkschrift zum Abkommen. Hierin heißt es: „Die Vertragsparteien verpflichten sich, Arbeitnehmer der anderen Vertragspartei….nicht zu diskriminieren.“ Vgl. BT-Drucks. 13/6201, S. 57. Ferner die Generalanwältin Stix-Hackl im Schlußantrag vom 11.01.2005 in der Rs. C-265/03, dort Rn. 22. Der Schlussantrag kann über die Homepage des EuGH unter http://curia.eu.int/ jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de abgerufen werden. 633
218
II. Ausländerklauseln im Lichte der geltenden Rechtsordnung
den AKP- oder aber auch mit den Maghreb-Staaten der Fall ist. Auch dieser Gedanke findet in der Denkschrift zum Abkommen seinen Niederschlag, denn: „Eine volle Gleichstellung im Arbeits- und Sozialrecht ist nicht vorgesehen.“636
Eine deutlich andere Zielsetzung verfolgten die Vertragsstaaten mit dem Abschluss der Europa-Abkommen. Exemplarisch heißt es in der Denkschrift zum Abkommen mit der Tschechischen Republik: „Die im Kapitel I (Art. 38 bis 44) enthaltenen Regelungen zur Freizügigkeit der Arbeitnehmer stellen einen ersten Schritt auf dem Weg zu einem europäischen Arbeitsmarkt unter Einbeziehung der Arbeitnehmer der beteiligten Staaten dar. Da die Freizügigkeitsrechte der Art. 48 bis 51 EWG-Vertrag nur für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten Geltung haben, enthält das Europa-Abkommen Verpflichtungen der einzelnen Mitgliedstaaten…“637
Ganz offenkundig wurde hier ein Freizügigkeitsniveau nach dem Vorbild des EGV angestrebt. Es kann nach alledem nicht davon ausgegangen werden, dass die Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit mit den ehemaligen Mitgliedstaaten der UdSSR einen dem Umfang der Arbeitnehmerfreizügigkeit des EGV entsprechenden Standard gewährleisten. Sofern überhaupt eine unmittelbare Anwendbarkeit der Diskriminierungsverbote im Privatrechtsverhältnis anzunehmen ist, ergibt ein Vergleich mit Art. 39 Abs. 2 EGV einen auf den unmittelbar gegenständlichen Bereich des Arbeitsverhältnisses begrenzten und damit verkürzten Schutzbereich. Sachverhalte ohne derartigen Bezug, so auch der neben dem Arbeitsverhältnis ausgeübte Freizeitsport, werden nicht erfasst.638 Dies trifft im Ergebnis auch auf Personen zu, die im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Dies folgt neben dem klaren Wortlaut der einzelnen Regelungen – die im Übrigen keine Inlän636
Vgl. BT-Drucks. 13/6201, S. 57. Vgl. BT-Drucks. 12/7621, S. 205 f. 638 Im Berufssport dürften Ausländerklauseln allerdings, sofern man eine unmittelbare Wirkung annimmt, gegen die insoweit einschlägigen Diskriminierungsverbote verstoßen. So hat etwa ein spanisches Gericht im Jahr 2001 im Fall des russischen FußballNationalspielers Valeri Karpin entschieden, dass dieser aufgrund des bestehenden Kooperationsvertrages mit der EU Unionsbürgern gleichgestellt werden müsse. Vgl. De Kepper, SpuRt 2001, 11 (12). Diese Auffassung wird auch von der Generalanwältin Stix-Hackl geteilt, die sich zuletzt im Fall des russischen Fußballspielers Igor Simutenkov für eine Unvereinbarkeit der in den spanischen Profiligen geltenden Ausländerklausel mit Art. 23 Abs. 1 EG-Russische Föderation aussprach. Vgl. den Schlussantrag vom 11.01.2005 in der Rs. C-265/03, abrufbar unter http://curia.eu.int/jurisp/cgibin/form.pl? lang=de. Dem hat sich der EuGH in seiner Entscheidung am 12.04.2005 angeschlossen. Siehe hierzu die Pressemitteilung des Gerichtshofes vom 12.04.2005 unter www.curia. eu.int/de/actu/communiques/cp05/aff/cp050032de.pdf. 637
3. Vorgaben aus Verträgen mit Drittstaaten
219
dergleichbehandlung gewähren639 – bereits aus der Überschrift des jeweiligen Abschnitts. Demnach regeln die nachfolgenden Vorschriften lediglich die „Bedingungen für die Niederlassung und die Geschäftstätigkeit von Unternehmen“. Ein darüber hinausgehendes Verbot diskriminierender Maßnahmen gegenüber selbstständig erwerbstätigen natürlichen Personen mit der Staatsangehörigkeit eines Vertragsstaates beinhalten die APZ-Abkommen nicht. Dies ergibt sich etwa auch aus der Denkschrift zum Abkommen mit der kirgisischen Republik. Hierin heißt es unmissverständlich: „Für die Tätigkeit von Selbstständigen enthält das Abkommen keine Regelung.“640
h) Die Rechtsstellung der Staatsangehörigen anderer Drittstaaten Die übrigen, von der Gemeinschaft mit Drittstaaten geschlossenen Abkommen enthalten entweder keine oder lediglich unverbindliche Verpflichtungen zur Gleichbehandlung der im Inland beschäftigten Staatsangehörigen dieser Länder. Dies gilt etwa für die zum Teil schon älteren Abkommen mit den sog. Mashrek-Staaten Ägypten641, Jordanien642, Libanon643, Syrien644 sowie die reinen Handelsabkommen mit Israel645 und Chile646. Die teilweisen politischen Absichtserklärungen – wie etwa in Art. 62 des Abkommens mit Ägypten – stellen allerdings offenkundig keine ausreichende Grundlage für einen Anspruch auf Gleichbehandlung dar. Die Angehörigen der vorgenannten Staaten können sich daher ebenso wie Arbeitnehmer aus Ländern ohne vertragliche Beziehung zur Gemeinschaft lediglich auf die einschlägigen nationalen Grundrechte im Gastland berufen.
639 Vgl. Art. 23 Abs. 1 EG-Armenien, Art. 23 Abs. 1 EG-Aserbaidschan, Art. 23 Abs. 1 EG-Georgien, Art. 23 Abs. 1 a) EG-Kasachstan, Art. 23 Abs. 1 EG-Kirgisistan, Art. 29 Abs. 1 a) EG-Moldawien, Art. 28 Abs. 1 EG-Russische Föderation; Art. 30 Abs. 1 a) EG-Ukraine; Art. 22 Abs. 1 EG-Usbekistan. 640 Vgl. BT-Drucks. 13/4173, S. 32. 641 Vgl. ABl. 2004, Nr. L 304, 39; BGBl. 2002 II, 2546. 642 Vgl. ABl. 2002, Nr. L 129, 3; BGBl. 2000 II, 246. 643 Vgl. ABl. 2002, Nr. L 262, 3 (Interimsabkommen); BGBl. 2003 II, 970. 644 Vgl. ABl. 1978, Nr. L 269, 2. Die Gemeinschaft strebt eine Neustrukturierung ihrer Beziehung zu Syrien nach dem Vorbild des Abkommens mit Jordanien an. Die Verhandlungen über ein solches Europa-Mittelmeer-Abkommen wurden am 19.10.2004 förmlich abgeschlossen. 645 Vgl. ABl. 2000, Nr. L 147, 3; BGBl. 1997 II, 1169. Siehe auch die Antwort der Kommission auf die Anfrage des Abgeordneten Wieland, ABl. 2001, Nr. C 235 E, 77. 646 Vgl. ABl. 2002, Nr. L 352, 3.
III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln Im vorstehenden Teil wurde aufgezeigt, dass Ausländersperrklauseln sowohl mit nationalen als auch internationalen Rechtsstandards kollidieren können. Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, welche Ziele die Sportverbände mit Ausländerklauseln konkret verfolgen und inwiefern diese zu einer Rechtfertigung beitragen können.
1. Vorbemerkung Da Ausländerklauseln den sachlichen Anwendungsbereich verschiedener Freiheits- bzw. Gleichheitsrechte des Sportlers berühren, ergeben sich nicht notwendig einheitliche Voraussetzungen für die Rechtfertigung eines Eingriffs. Im Hinblick darauf ist es notwendig, sich die Anforderungen der einzelnen Rechtfertigungsgründe nochmals in den wesentlichen Zügen vor Augen zu führen. Auf nationaler Ebene wurde eine Kollision von Ausländerklauseln mit den Grundrechten des Sportlers aus Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG herausgearbeitet.1 Die von Art. 2 Abs.1 GG gewährte allgemeine Handlungsfreiheit besteht allerdings nicht vorbehaltlos, sondern wird durch die „Rechte anderer“ beschränkt, denen ebenfalls Grundrechtsqualität zukommen kann.2 Ins Blickfeld gerät dabei auf Seiten der Sportverbände das unmittelbar aus Art. 9 Abs. 1 GG abgeleitete Recht auf Verfolgung eines autonom gesetzten Zweckes und der Aufstellung hierfür notwendiger Regelungen in Form von Satzungen und Ordnungen. Hingegen wird auch die kollektive Komponente der Vereinigungsfreiheit nicht uneingeschränkt gewährleistet, sondern findet ihre Grenze u. a. in den Grundrechten Dritter3 und hat daher wiederum die allgemeine Handlungsfreiheit des Sportlers zu berücksichtigen. Diese wechselseitige Beschränkung macht die Frage der Wirksamkeit von Ausländerklauseln vom Ergebnis einer Güterabwägung zwischen den beiden widerstreitenden Grundrechtspositionen 1
Siehe oben, II. 1. b) und c). Vgl. oben, II. 1. c). bb). 3 So die ganz h. M. zu den sog. verfassungsimmanenten Schranken des Art. 9 Abs. 1 GG. Vgl. etwa v. Münch, in: v. Münch/Kunig, Vorbem. Art. 1-19, Rn. 56; Dreier, in: Dreier I, Vorbem., Rn. 139 mwN. Grundlegend BVerfGE 30, 173 (193). 2
1. Vorbemerkung
221
abhängig. Die Abwägung erfolgt dabei üblicherweise im Wege praktischer Konkordanz, d. h. mit dem Ziel einer größtmöglich verbleibenden Wirksamkeit beider Grundrechte.4 Als Instrument zur Konfliktlösung dienen hierbei die Kriterien des Übermaßverbotes.5 Demnach kann durch eine Grundrechtsbetätigung ein anderes Grundrecht bereits dann nicht wirksam beschränkt werden, wenn hiermit zwar der Schutz eines grundrechtlich anerkannten Rechtsgutes beabsichtigt ist, dem gewählten Mittel aber jede Eignung zur Herbeiführung dieses Zieles fehlt. In diesem Fall ist auch die nur teilweise Verdrängung des anderen Grundrechtes nicht gerechtfertigt, denn es kann kein rechtlich geschütztes Interesse an der Vornahme wirkungsloser Maßnahmen geben, die in den Rechtskreis anderer eingreifen und daher auf deren Kosten erfolgen. Ebenso wie die allgemeine Handlungsfreiheit ist auch das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 3 Abs. 1 GG Schranken unterworfen und eine Ungleichbehandlung damit einer Rechtfertigung zugänglich. Art. 3 Abs. 1 GG verlangt insoweit das Vorliegen eines sachlichen Grundes. Allerdings ist hier nicht schon die Existenz irgendeines, nicht bloß nicht willkürlichen Grundes ausreichend, vielmehr ergeben sich im Einzelfall unterschiedliche Anforderungen in Abhängigkeit vom Unterscheidungsmerkmal, an das eine Ungleichbehandlung anknüpft. Je nach dem, ob es sich um ein sach- oder personenbezogenes Differenzierungskriterium handelt, reicht die Anforderungsbreite vom bloßen Verbot willkürlichen Handelns bis hin zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Ebenso spielt der Umstand eine Rolle, ob es sich um ein grundsätzlich veränderbares Unterscheidungsmerkmal handelt und ob hierauf vom Betroffenen Einfluss genommen werden kann.6 In Bezug auf Ausländerklauseln wurde festgestellt, dass diese zumindest formal am nur schwer veränderlichen personenbezogenen Kriterium der Staatsangehörigkeit anknüpfen und der sachliche Grund daher an den Grundsätzen des Verhältnismäßigkeitsprinzips zu messen ist.7 Auf Seiten der Sportverbände setzt die Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von ausländischen und deutschen Sportlern demnach die Verfolgung eines verfassungsrechtlich zulässigen Differenzierungszieles und im Übrigen die Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit von Ausländerklauseln zur Erreichung dieses Zieles voraus. Neben nationalen Grundrechten wird auf europäischer Ebene das Diskriminierungsverbot des Art. 39 Abs. 2 EGV tangiert. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass sich der in Art. 39 Abs. 3 EGV verankerte Vorbehalt zuguns-
4
Vgl. Stern, Staatsrecht Bd. III/2, S. 625 f. Vgl. Hesse, Verfassungsrecht, Rn. 318. 6 Siehe zum Ganzen oben, II. 1. b). 7 Ebd. 5
222
III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
ten der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht zugleich auf Abs. 2 bezieht8 und weitere ungeschriebene Rechtfertigungsgründe bei Vorliegen direkt diskriminierender Regelungen grundsätzlich nicht herangezogen werden können9. Hiervon macht der EuGH allerdings speziell für die von Sportverbänden aufgestellten Ausländerklauseln eine Ausnahme, soweit diese ausländische Sportler von bestimmten Begegnungen aus nichtwirtschaftlichen Gründen ausschließen. In diesem Fall könne auch eine unmittelbare Diskriminierung gerechtfertigt sein, sofern diese mit dem spezifischen Charakter und Rahmen dieser Begegnungen zusammenhängt und im Übrigen nicht weiter geht, als ihr Zweck es erfordert.10 Die Begrenzung durch den Zweck verdeutlicht, dass auch dieser Rechtfertigungsgrund seine Schranke im Übermaßverbot findet.11 Weiterhin gilt es das auf Seiten der Sportverbände streitende Gemeinschaftsgrundrecht der Vereinigungsfreiheit gebührend zu berücksichtigen. Das Recht auf freie Wahl des Verbandszweckes und die damit einhergehende Befugnis zur autonomen Ausgestaltung der eigenen Regelwerke bilden einen in allen Staaten der Gemeinschaft bestehenden Standard und sind damit zugleich Teil der kollektiven Ausprägung dieser Vereinigungsfreiheit auf europäischer Ebene.12 Diese Position der Verbände und der Anspruch des Sportlers auf Nichtdiskriminierung sind im Rahmen einer Interessenabwägung zum Ausgleich zu bringen, wobei die Kriterien des Übermaßverbotes hierfür den geeigneten Prüfungsmaßstab bilden.13 Zusammenfassend kann daher festgestellt werden, dass die mit Ausländerklauseln verbundenen Eingriffe in den Schutzbereich nationaler Freiheits- und Gleichheitsrechte, aber auch in gemeinschaftsrechtliche Grundfreiheiten einer Bindung an das Verhältnismäßigkeitsprinzip unterliegen. Eine wirksame Beschränkung der Rechte des Sportlers durch Ausländerklauseln verlangt daher auf Seiten der Sportverbände zunächst die Verfolgung eines legitimen Zwecks. Darüber hinaus müssen Ausländerklauseln ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel für das Erreichen dieses Zieles darstellen. Die Zulässigkeit des verfolgten Zieles und die Eignung von Ausländerklauseln bei Verwirklichung dieser Vorgaben bilden folglich den Ausgangspunkt der nachfolgenden Überlegungen.
8
Vgl. oben, II. 2. b) dd) (1) (b) und (c). Siehe oben, II. 2. b) dd) (2) (a). 10 Ebd. 11 Vgl. Streinz, SpuRt 1998, 89 (90). 12 Vgl. hierzu näher oben, II. 2. b) dd) (3) (b). 13 Vgl. oben, II. 2. b) dd) (3) (c). 9
2. Ermittlung des „deutschen Meisters“ und Repräsentationsfunktion
223
2. Ermittlung des „deutschen Meisters“ und Repräsentationsfunktion Zur Rechtfertigung wird zunächst das Argument angeführt, durch die Existenz von Ausländerklauseln könne die Ermittlung des deutschen Meisters gewährleistet werden, denn diese Bezeichnung setze zumindest voraus, dass eine Mindestanzahl der einer Mannschaft angehörenden Spieler die deutsche Staatsangehörigkeit besitze.14 Andernfalls sei vorstellbar, dass eine Mannschaft den Titel eines deutschen Meisters erringe, in der kein einziger deutscher Spieler mitwirke. Unabhängig davon, ob man sich dieser Argumentation anschließt, ist zunächst evident, dass der deutsche Meister in der jeweiligen obersten Spielklasse ermittelt wird, die sich – zumindest in den populärsten Sportarten – durch ein professionelles Umfeld auszeichnet. Hier in Rede stehender Freizeitsport wird unterklassig auf Landes-, Bezirks- oder Kreisebene betrieben. Eine Übertragung der Argumentation auf diese Spielebenen würde voraussetzen, dass die Ermittlung etwa des Kreismeisters von der Teilnahme einer Mindestanzahl von Spielern je Mannschaft aus diesem Kreis abhängt, denn nur dann wäre nach vorstehender Argumentation der Titel eines Kreismeisters noch aussagekräftig. Auch deutsche Spieler müssten daher Zugangsbeschränkungen unterliegen, sofern sie nicht aus dem jeweiligen Kreis stammen. Derartige Regelungen existieren jedoch nicht. In den übrigen Sportarten, die auch in der höchsten Spielklasse (noch) nicht als Beruf ausgeübt werden, müssten bei Ermittlung des deutschen Meisters Ausländer konsequenterweise generell ausgeschlossen sein, denn es lässt sich – auch bei einem begrenzten Zugang von Ausländern – nicht verlässlich feststellen, in welchem Umfang deutsche oder ausländische Spieler am Titelgewinn mitgewirkt haben, so dass auch keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob der Titelgewinn überwiegend auf der Leistung der Spieler mit deutscher Staatsangehörigkeit – nur dann wäre die Vergabe des Titels eines deutschen Meisters berechtigt – beruht. Die beschränkte Zulassung von Ausländern hindert zwar nicht die Vergabe des Titels Deutscher Meister, entzieht aber dem Argument die Grundlage, man könne nur eine begrenzte Anzahl von Ausländern teilnehmen lassen, da man den deutschen Meister ermitteln wolle. Auch muss dieser Begründungsversuch letztlich deshalb scheitern, weil er weder eine fundierte noch überprüfbare Grenze aufzeigen kann, bei deren Überschreitung der Charakter einer nationalen Meisterschaft verloren geht.15 14 So Kahlenberg, EWS 1994, 423 (429), ders., SpuRt 1994, 129 (130); Renz, in: Sportrecht in Europa, S. 191 (198); Schweitzer, in: Einbindung des Sportrechts, S. 71 (85). 15 Vgl. Marticke, in: Sport und Recht in Europa, S. 53 (62).
224
III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
Im Übrigen kann nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden, der Begriff deutscher Meister beziehe sich auf die Zusammensetzung der teilnehmenden Mannschaften und verlange daher ein Mindestmaß an deutschen Spielern. Ebenso denkbar ist eine Auslegung, nach der eine Meisterschaft für ausschließlich im Bundesgebiet ansässige Vereine ausgerichtet wird. Dies liegt insbesondere für Mannschaftssportarten nahe, bei denen weniger die Leistung des einzelnen Sportlers als vielmehr das Auftreten der gesamten Mannschaft im Vordergrund steht.16 Gerade hier werden Siege und Titel – so auch der des deutschen Meisters – unter dem Vereinsnamen errungen. Es ist daher auch der Verein selbst – und nicht die ihm angehörigen Spieler oder deren Herkunft –, dem eine repräsentative Wirkung für eine bestimmte Stadt oder Region zukommt.17 Die Identität der einzelnen Spieler ist hier von eher untergeordneter Bedeutung. Folgerichtig beziehen sich bei der Austragung von Mannschaftssportarten die zu erfüllenden Teilnahmevoraussetzungen auf den Verein, denn dieser ist Wettbewerber um die nationale Meisterschaft.18 Die Wahrung der nationalen Identität des Wettkampfes ist daher kein geeigneter Ansatzpunkt für eine Rechtfertigung von Ausländerklauseln.19 In engem Zusammenhang mit dem vorstehenden Begründungsversuch steht auch das Argument, Ausländerklauseln wären im Hinblick auf die Teilnahme deutscher Mannschaften in internationalen Wettbewerben erforderlich.20 In derartigen Wettbewerben repräsentiere der deutsche Teilnehmer den nationalen Sportverband und Titelträger. Dieser Funktion werde es jedoch nicht mehr gerecht, wenn der überwiegende Teil der Mannschaft mit ausländischen Spielern besetzt werden kann. Untermauert wird diese Auffassung immer wieder mit dem denkbaren Szenario, dass es ohne Ausländerklauseln möglich wäre, dass der deutsche Fußballmeister, bestehend aus 11 französischen Spielern, gegen den französischen Meister, bestehend aus 11 deutschen Spielern, das Endspiel um die Trophäe der UEFA Champions League bestreitet.21 Abgesehen davon, dass es sich hierbei um eine rein theoretische Situation handelt22, die auch zehn Jahre nach dem richtungweisenden Bosman-Urteil des EuGH noch nicht zur 16
So zutreffend Klose, S. 150. Vgl. Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (95 f.). 18 Vgl. Plath, S. 133. 19 So auch Krogmann, Sport und Europarecht, S. 18; Wassmer, S. 99; Plath, S. 133; Dinkelmeier, S. 110 f.; Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (96); Heidersdorf, S. 64; wohl auch Palme/Hepp-Schwab/Wilske, JZ 1994, 343 (345). 20 Vgl. Kahlenberg, EWS 1994, 423 (429); ders., SpuRt 1994, 129 (130 f.); Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, 44 (45); wohl auch Palme/Hepp-Schwab/Wilske, JZ 1994, 343 (345); offen gelassen von Schroeder, JZ 1996, 254 (256); ders., S. 159 f. 21 Diese theoretische Möglichkeit wurde bereits von Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (95) aufgezeigt. 22 Vgl. etwa Wassmer, S. 102. 17
2. Ermittlung des „deutschen Meisters“ und Repräsentationsfunktion
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Realität geworden ist, dürfte schon in Zweifel zu ziehen sein, dass die Repräsentationswirkung der Vereine in internationalen Wettbewerben von der Anzahl der mitwirkenden Ausländer abhängig ist.23 Im Vordergrund stehen zunächst die Herkunft des Vereines und der sportliche Erfolg, denn maßgeblich darauf bezieht sich das Interesse der Zuschauer.24 Schließlich sind internationale Vereinswettbewerbe keine den Wettkämpfen unter Nationalmannschaften vergleichbaren Ereignisse. Die Vereine repräsentieren zwar durchaus eine bestimmte Region, jedoch hängt die Teilnahmeberechtigung des Vereines weder im nationalen noch im internationalen Wettbewerb – im Gegensatz zu Nationalmannschaftswettkämpfen – davon ab, ob die zum Einsatz gebrachten Spieler tatsächlich aus der jeweiligen Region stammen. Dass internationale Wettbewerbe häufig nicht den Charakter einer echten internationalen Vereinsmeisterschaft haben, wird schon daran deutlich, dass die Regelwerke der internationalen Verbände für ihre Wettbewerbe teilweise überhaupt keine Zugangsbeschränkung für Ausländer vorsehen.25 Die Argumentation des nationalen Verbandes geht dann allerdings ins Leere, denn die Vereine sind in diesem Fall natürlich nicht daran gehindert, eine beliebige Anzahl von ausländischen Spielern einzusetzen. Aus Sicht der europäischen Spitzenverbände haben internationale Vereinswettbewerbe damit offensichtlich keine oder jedenfalls nur eine untergeordnete repräsentative Funktion. Abgesehen davon kann das Argument der repräsentativen Wirkung schon im Grundsatz überhaupt nur dort greifen, wo mit dem Gewinn des nationalen zugleich die Qualifikation für einen internationalen Wettkampf verbunden ist. Dies dürfte regelmäßig nur in den höchsten nationalen Spielklassen der Fall sein, in denen die sportliche Betätigung jedoch ganz überwiegend gegen Entgelt erfolgt. Allenfalls ein Außenseitersieg in einem nationalen Pokalwettbewerb bietet einer unterklassigen, aus Freizeitsportlern bestehenden Mannschaft die Möglichkeit, in einen europäischen Wettbewerb vorzustoßen. Über die Häufigkeit derartiger Erfolge gibt beispielsweise die Historie zum Pokalwettbewerb des Deutschen Fußball-Bundes Aufschluss: In der nahezu 70-jährigen Geschichte des Wettbewerbes gelang es erstmals 1970 dem Offenbacher FC Kickers 1901 e. V. – damals in der 2. Liga aktiv –, einen höherklassigen Verein im Finale zu bezwingen. Diesen Erfolg konnte einzig im Jahre 1992 der damalige Zweitligist Hannover 96 mit dem Ergebnis von 4:3 Toren nach Elfmeterschießen über Borussia VfL 1900 Mönchengladbach wiederholen. Die Mannschaft aus der niedrigsten Spielklasse, die jemals das DFB-Pokalfinale erreich23
Vgl. Krogmann, Sport und Europarecht, S. 19. Vgl. Wassmer, S. 102. Siehe hierzu sogleich näher, Kap. 4. 25 So etwa das Regelwerk zur Durchführung der UEFA Champions League im Fußball. Das Reglement der UEFA Champions League für die Saison 2005/2006 findet sich im Internet unter http://de.uefa.com/newsfiles/178319.pdf. 24
226
III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
te, kam aus der 4. Liga, der damaligen Oberliga Nord-Nordost. Überraschenderweise qualifizierte sich 1993 die Amateurmannschaft von Hertha BSC Berlin. Letztlich unterlagen die Berliner der Bundesligamannschaft von Bayer 04 Leverkusen mit 0:1.26 Allerdings dürften die Spieler der Amateurmannschaft angesichts einer vereinbarten Siegprämie von 400.000 DM – wie auch die Spieler der beiden Zweitligamannschaften, die den Pokal errangen – wohl kaum mehr als Freizeitsportler anzusehen sein. Sofern unterklassige Vereine daneben aus eigenem Antrieb an internationalen Sportveranstaltungen teilnehmen, repräsentieren sie dabei in aller Regel weder den Verband noch nehmen sie in ihrer Funktion als Titelträger teil, sondern suchen schlicht den sportlichen Wettstreit mit ausländischen Vereinen. Hier einen Willen der Vereine zur Repräsentation ihres nationalen Verbandes anzunehmen, dürfte Fiktion sein.27
3. Drohender Verlust des Zuschauerinteresses Weiterhin wird die Ansicht vertreten, Ausländerklauseln wären notwendig, um das Interesse des Publikums an den sportlichen Wettkämpfen zu erhalten. Die Identifikation des Zuschauers mit dem Verein erfolge regelmäßig über die einheimischen Spieler und würde verloren gehen, wenn der Einsatz einer unbegrenzten Anzahl ausländischer Spieler möglich wäre. Durch Ausländerklauseln werde eine Mindestanzahl deutscher Staatsangehöriger pro Mannschaft festgeschrieben und daher die Identifikation mit dem Verein gewährleistet.28 Ob dies letztlich den Tatsachen entspricht, darf ernsthaft bezweifelt werden.29 Dabei ist zunächst wiederum festzuhalten, dass sich die vorliegende Untersuchung auf freizeitsportliche Aktivitäten in ganz überwiegend unterklassigen Ligen bezieht. Hier hält sich das Zuschaueraufkommen zumeist ohnehin in Grenzen. In anziehungskräftigen Sportarten – wie etwa beim Fußball – kann 26 Ebenfalls erst im Finale scheiterten die Zweitligamannschaften SC Fortuna Köln (1983), SV Stuttgarter Kickers (1987), Rot Weiß Essen (1994), Hannover 96 (1995), sowie die im selben Jahr in die zweite Fußball-Bundesliga aufgestiegene Mannschaft des FC Energie Cottbus (1997). 27 Gegen das Argument auch Fischer, SpuRt 1996, 34 (37); Heidersdorf, S. 65 f.; PHB-Sportrecht/Summerer, 7. Teil, Rn. 108; Krogmann, Sport und Europarecht, S. 19; Westermann, DZWiR 1996, 82 (85); Dinkelmeier, S. 111; offen gelassen bei Hobe/Tietje, JuS 1996, 486 (491); a. A. wohl Palme/Hepp-Schwab/Wilske, JZ 1994, 343 (345). 28 In diesem Sinne etwa Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, 44 (45). 29 So auch die h. M., etwa Plath, S. 128 f; Heidersdorf, S. 64; Krogmann, Sport und Europarecht, S. 18; Wassmer, S. 99; Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (95); Kirschenhofer, S. 189; Klose, S. 150.
3. Drohender Verlust des Zuschauerinteresses
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es zwar auch in tieferen Spielklassen durchaus vorkommen, dass sich zu einem Lokalderby benachbarter Städte mehrere hundert Zuschauer einfinden, allerdings dürfte es sich dabei um eine Ausnahme handeln.30 In anderen Sportarten – so bspw. beim Schach – tendiert das Zuschauerinteresse auch in Spitzenbegegnungen gegen Null. In Anbetracht der Tatsache, dass der Publikumsgunst als solcher kein unmittelbarer Einfluss auf die sportliche Entscheidung zukommt, fragt sich zudem, welchem Zweck eine Identifikation des Zuschauers mit dem Verein letztlich dient. Dabei drängt sich unweigerlich der Gedanke an einen wirtschaftlichen Hintergrund auf, denn ein größerer Zuschauerzuspruch zieht in aller Regel finanzielle Mehreinnahmen nach sich.31 Zumindest mit Blick auf Art. 39 Abs. 2 EGV ist dabei festzustellen, dass es sich hierbei um ein wirtschaftliches – nicht sportliches – Motiv handelt, mit dem eine Diskriminierung von Ausländern nicht zu rechtfertigen ist.32 Dies vernachlässigt und die Richtigkeit der Argumentation – weniger teilnehmende Ausländer bedeuten eine höhere Identifikation mit dem Verein – unterstellt, kann nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass Aus30 Die von erheblichem medialen Interesse begleiteten Fußballspiele des Kreisligisten 1. FC Lokomotive Leipzig e. V. in der Saison 2004/2005 vor bis zu 12.400 Zuschauern stellen eine absolute Ausnahme dar, die nicht annähernd den Zuschauerdurchschnitt dieser Spielklasse widerspiegelt und zudem das Ergebnis einer erfolgreichen Marketingstrategie sein dürfte. Der Verein wurde erstmals 1966 gegründet und konnte in der DDR, aber auch international beachtliche Erfolge erringen. So stand die Mannschaft 1987 im Finale um den von der UEFA ausgetragenen Europapokal der Pokalsieger, das jedoch knapp mit 0:1 gegen Ajax Amsterdam verloren wurde. Im Jahr 1991 wurde der Verein in VfB Leipzig umbenannt. Nach einem zwischenzeitlichen Gastspiel in der ersten Fußball-Bundesliga geriet der Verein in finanzielle Schwierigkeiten und musste im Jahr 2004 innerhalb kurzer Zeit zum zweiten Mal Insolvenz anmelden. Nachdem Sanierungspläne scheiterten, befindet sich der Verein in Liquidation. Bereits im Jahr 2003 gründeten Anhänger den Verein 1. FC Lokomotive Leipzig e. V. neu, und versuchen seit der Spielzeit 2004/2005 an die Tradition und den Erfolg vergangener Jahre anzuknüpfen. Dabei verstärkt sich der Klub für einzelne Spiele mit ehemals dem Verein angehörigen Bundesliga- und früheren DDR-Nationalspielern. Die Begeisterung der Zuschauer führte mittlerweile dazu, dass sich der Trainer der griechischen Fußballnationalmannschaft, Otto Rehhagel, bereit erklärte, die Betreuung der Mannschaft für ein Spiel zu übernehmen. In Anbetracht der Tatsache, dass bis zu einem Aufstieg in die erste Fußball-Bundesliga im günstigsten Fall 10 Spielzeiten zu absolvieren sind, dürfte allerdings fraglich sein, ob der Zuschauerandrang in den folgenden Jahren anhält. 31 Dass hinter vermeintlich sportlich motivierten Entscheidungen der Dachverbände häufig wirtschaftliche Interessen stehen, veranschaulicht Weatherill anhand verschiedener Beispiele. So ist etwa die Erstellung des internationalen Spielkalenders durch die FIFA erkennbar von der Überlegung dominiert, die Spielansetzungen weltweit derart aufeinander abzustimmen, dass eine möglichst effiziente Vermarktung aller Veranstaltungen – die im Übrigen die FIFA ebenso wie die UEFA weitestgehend für sich beansprucht – möglich ist. Vgl. ISLJ 2005, 3 (7). 32 Darauf weist zutreffend etwa Heidersdorf, S. 64 hin.
228
III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
länderklauseln zur Verwirklichung dieses Zieles unbedingt erforderlich sind.33 Es kann nämlich nicht unberücksichtigt bleiben, dass Sportvereine bei Abschaffung der Ausländerklauseln keineswegs verpflichtet sind, in ihren Mannschaften eine größtmögliche Zahl ausländischer Spieler zum Einsatz zu bringen. Es bliebe diesen vielmehr selbst überlassen, ob sie verstärkt auf in- oder ausländische Spieler zurückgreifen. Es ist daher keineswegs sicher, dass es zu einem Verlust an Zuschaueridentifikation käme. Zudem krankt die Argumentation auch daran, dass sie dem heimischen Publikum per se unterstellt, eine Identifikation über ausländische Spielern fände nicht statt, was mit dem Phänomen sog. Publikumslieblinge, die häufig durch besondere Fertigkeiten aus der Mannschaft hervorstechen und nicht selten talentierte Ausländer sind34, kaum vereinbar ist. Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass es weniger die Anzahl der ausländischen Spieler im Verein ist, die eine Identifikation der Zuschauer erschwert, als vielmehr die ständige Spielerfluktuation.35 So wird es als anstößig empfunden, wenn Spieler zu Beginn einer Spielzeit vom Verein verpflichtet werden und diesen bereits nach Ablauf dieser Saison wieder verlassen. Über einen derart kurzen Zeitraum besteht für das Publikum kaum Gelegenheit, sich an den Spieler zu gewöhnen und sich mit ihm zu identifizieren.36 Für die Akzeptanz beim Zuschauer ist daher eher von Bedeutung, ob sich die Spieler – unabhängig von ihrer Nationalität – mit dem Verein identifizieren und diesen unterstützen. Allerdings ist auch zu hinterfragen, ob die Gunst des Publikums wirklich derart stark von der Anwesenheit einzelner Spieler abhängt oder ob nicht vielmehr die Identifikation mit dem Verein im Vordergrund steht.37 Häufig beruht die Zuneigung zu einem bestimmten Verein auf traditioneller Verbundenheit, die ihren Ursprung etwa in der Herkunft der Anhänger aus einer bestimmten Stadt oder einem Stadtteil findet und die nicht mit dem Vereinswechsel eines Spielers – etwa zum Ortsrivalen – endet. In derartigen Fällen wird vielmehr eher der Spieler „verstoßen“, was sich im Fußball häufig an dem Umstand dokumentiert, dass der betreffende Akteur spätestens bei seinem nächsten Auftritt im heimischen Stadion ausgepfiffen wird. Auch dürfte es der Vereinstreue des 33
Vgl. Plath, S. 129. Als Beispiel kann etwa der Nigerianer Jay Jay Okocha dienen, der mehrere Jahre in der ersten Fußball-Bundesliga für Eintracht Frankfurt aktiv war und vom Publikum für seine technischen Fertigkeiten bewundert wurde. Weitere Beispiele gibt etwa Wassmer, S. 100, Fn. 300. 35 Vgl. Riedl/Cachay, S. 114. 36 Ebd. 37 So auch Zuck, NJW 1998, 2190 (2190); Westermann, DZWiR 1996, 82 (85); Zuleeg, in: Sportrecht in Europa, S. 1 (6); Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (95); Dinkelmeier, S. 110; Streinz, ZEuP 2005, (340) 361. 34
3. Drohender Verlust des Zuschauerinteresses
229
ganz überwiegenden Teils der Anhänger keinen Abbruch tun, wenn etwa ein Schlüsselspieler seine Karriere beendet. Es steht insoweit nicht ernsthaft zu befürchten, dass die Anhänger in einem solchen Fall den künftigen Spielen „ihres“ Vereins fernbleiben. Dass die Gunst des Publikums im Übrigen wohl letztlich überhaupt nicht von der Herkunft der Spieler abhängt, belegen instruktiv die Fans des wohl beliebtesten und anhängerstärksten deutschen Fußballclubs, dem FC Bayern München.38 Neben einer Reihe von Ausländern finden sich im gesamten Mannschaftskader für die Bundesligasaison 2004/2005 lediglich zwei deutsche Spieler mit bayerischer Herkunft39, ohne dass an dieser geringen Zahl jemand Anstoß nimmt.40 Anschaulich wird dies auch am Beispiel des früheren Erstligisten FC Energie Cottbus, der häufig auf die Dienste ausländischer Spieler zurückgreift. Am 06.04.2001, im Bundesligaspiel gegen die Mannschaft des VfL Wolfsburg, trat Cottbus mit elf ausländischen Akteuren an und wechselte zudem noch drei ausländische Spieler ein. Während des gesamten Spiels befand sich daher nicht ein einziger Spieler mit deutscher Staatsangehörigkeit für den FC Energie auf dem Spielfeld. Trotz dieses hohen Ausländeranteils – der freilich nicht über die gesamte Spielzeit in dieser extremen Form durchgehalten wurde – konnte Cottbus in dieser Saison nach eigenen Angaben41 den zweithöchsten Zuschauerschnitt seiner gesamten Bundesligageschichte verzeichnen. Dies dürfte einen Grund darin finden, dass sich das Interesse des Publikums vorrangig auf den Erfolg des Vereins und die Darbietung hochklassiger Wettkämpfe bezieht.42 Insbesondere Letzteres ist für die Anziehungskraft einer Sportveranstaltung von maßgebender Bedeutung. So hat es auch dem Ansehen des spanischen Fußballspitzenklubs Real Madrid C. F. keineswegs geschadet, dass in der jüngeren Vergangenheit eine ganze Reihe international hochklassiger Spieler, etwa die Brasilianer Roberto Carlos und Ronaldo, die Engländer Michael Owen und David Beckham, der Portugiese Luis Figo oder aber der 38 Die Bezeichnung als Verein ist allerdings streng juristisch nicht korrekt, denn die Lizenzspielerabteilung des Klubs wurde zwischenzeitlich in die Rechtsform der Aktiengesellschaft umgewandelt. 39 Der Mannschaftskader des FC Bayern München umfasste zu Beginn dieser Spielzeit 26 Spieler, von denen 13 deutsche Staatsangehörige waren. Aus München selbst stammt kein einziger von ihnen. In früheren Spielzeiten befand sich sogar im gesamten Kader kein Spieler bayerischen Ursprungs. Vgl. Plath, S. 129. 40 Ebd.; PHB-Sportrecht/Summerer, 7. Teil, Rn. 108. In diesem Sinne auch Gutmann, SpuRt 1997, 38 (39). Dass Vereine auf die örtliche Verwurzlung ihrer Spieler Wert legen, dürfte im gesamten Profisport die Ausnahme sein. Eines der seltenen Beispiele stellt der in der ersten spanischen Fußballliga Primera División vertretene Verein Athletic Club Bilbao dar, in dessen Mannschaft traditionell ausschließlich Basken zum Einsatz kommen. 41 Vgl. die Angaben auf der Homepage des Vereins unter www.fcenergie.de. 42 Vgl. Klose, S. 150.
230
III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
französische Ausnahmespieler Zinedine Zidane unter Vertrag genommen wurden. Vielmehr scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Die Euphorie bei den Anhängern ist ungebrochen und reicht – dank einer erfolgreichen Vermarktungsstrategie – mittlerweile bis nach Asien. Im Übrigen ist es selbstverständlich und nachvollziehbar das Ziel eines jeden Vereins, die besten Spieler in seinen Reihen zu haben. Insofern verhält es sich im Sport nicht anders als in anderen Lebensbereichen. So käme bei der Besetzung eines Musikorchesters wohl kaum jemand auf die Idee, eine Mindestanzahl deutscher Musiker im Ensemble zu fordern.43 Dass im Bewusstsein der Sympathisanten – jedenfalls im Spitzensport – die örtliche Herkunft der Spieler, aber auch des Vereins kaum eine Rolle spielt, dürfte zudem auf der Tatsache basieren, dass ein Großteil der Anhänger meist selbst nicht aus der Region des Vereins stammt. Ferner ergeben sich gerade in den Vereinen im Spitzenbereich, aufgrund der Kurzlebigkeit einer Sportlerkarriere, häufige Änderungen im Personalbestand, ohne dass dieser Umstand nennenswert Einfluss auf den Andrang der Zuschauer nimmt.44 Als Beispiel sei hier die Bundesligamannschaft des BV 09 Borussia Dortmund genannt. Der Verein vergrößert seit Jahren kontinuierlich die Zuschauerkapazitäten seines Stadions, das mittlerweile ein Fassungsvermögen von 81.264 Zuschauern erreicht hat. Während dieses Zeitraumes hat sich mehrfach das Gesicht der Mannschaft grundlegend verändert – dem wachsenden Zuschauerzuspruch hat dies keinen Abbruch getan.45
4. Schutz des sportlichen Wettbewerbs Im Übrigen sei es ein Anliegen der Sportverbände, durch Statuierung von Ausländerklauseln den sportlichen Wettbewerb unter den Vereinen aufrecht zu erhalten. Die Aufgabe der Zugangsbeschränkungen für Ausländer würde dazu führen, dass sich die finanzkräftigen Vereine die Dienste der stärksten ausländischen Spieler sichern und hierdurch nachhaltig ihre wirtschaftliche Hegemonie ausbauen und festigen könnten. Für kleinere Vereine bestünde – da sie aufgrund ihrer finanziellen Unterlegenheit keine sportliche Konkurrenz bieten 43 So das überzeugende Argument von Rauball, in: Der Spiegel, Nr. 3, vom 15.01.1996, S. 139. Zitiert nach Krogmann, Sport und Europarecht, S. 19, Fn. 49. 44 Dass ein erhöhter Ausländeranteil nicht zu einer Abnahme der Zuschauerzahlen führt, bestätigen auch die Aussagen einiger Manager, Herren- und Jugendtrainer aus dem Spitzensport. Vgl. Riedl/Cachay, S. 112. 45 Nach eigenen Angaben des Vereins haben fast 1,4 Mio. Zuschauer in der Saison 2004/2005 die Heimspiele des BV 09 Borussia Dortmund besucht. Dies bedeutet einen Zuwachs gegenüber dem Rekordvorjahr von 200.000 Zuschauern. Vgl. http://borussiadortmund.lycos.de/?%99%5B%1B%E7%F4%9D. Bei 22 Heimspielen in nationalen und internationalen Wettbewerben in dieser Saison betrug der Zuschauerdurchschnitt damit annähernd 64.000 pro Spiel.
4. Schutz des sportlichen Wettbewerbs
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könnten – kaum eine Chance, in diese Phalanx einzubrechen, so dass sich der Ausgang der sportlichen Wettbewerbe zwingend einseitig zugunsten der stärkeren Vereine entwickeln würde.46 Dieses Argument ist erkennbar ungeeignet, zur Rechtfertigung von Ausländerklauseln in Freizeitligen beizutragen, denn es bezieht sich klar auf den Bereich des professionellen Sports. In unteren Ligen spielen Spielertransfers – insbesondere in wirtschaftlichen Dimensionen, wie sie teilweise aus dem Profisport bekannt sind – keine entscheidende Rolle. Über die gesamte Breite der Sportarten betrachtet, dürfte in der überwiegenden Zahl der Fälle ein Vereinswechsel aus persönlichen Motiven oder aufgrund der größeren sportlichen Perspektive im neuen Verein erfolgen.47 Zudem fluktuiert der Personalbestand im Spielerkader nicht in einer dem Profisport vergleichbaren Weise. Dies ist schon dadurch bedingt, dass unterklassige Vereine im Gegensatz zu Spitzenklubs nicht mit Gewinnerzielungsabsicht geführt werden und daher zumeist nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen. Im Freizeitbereich sind die Spielgemeinschaften tatsächlich noch klassische, im Vereinsregister eingetragene, nichtwirtschaftliche Vereine im Sinne des § 21 BGB, während die Profiklubs in den letzten Jahren zunehmend dazu übergegangen sind, ihre Lizenzspielerabteilungen auszugliedern und in Kapitalgesellschaften umzuwandeln.48 In Freizeitligen besteht in aller Regel kein krasses wirtschaftliches Gefälle zwischen den Vereinen, das zwingend eines Ausgleiches bedarf, denn auch über den sportlichen Erfolg erschließen sich häufig nur geringe Einnahmequellen. Dies kann sich im Berufssport durchaus anders darstellen, in dem das Erreichen des internationalen Wettbewerbs und die dort vereinnahmten Mittel für die Finanzierung des Spielerkaders unerlässlich sein oder zur weiteren Verstärkung der Mannschaft genutzt werden können. Die Gefahr, dass die Schere zwischen finanzschwachen und -starken Vereinen auseinanderklafft und sich auf den sportlichen Wettbewerb niederschlägt, ist daher im Freizeit- und Profisport nicht in gleichem Maße gegeben. Überhaupt spielen finanzielle Erwägungen im
46 So die Argumentation der UEFA im Verfahren Bosman. Vgl. den offenen Brief der Präsidenten der 49 europäischen Fußball-Nationalverbände vom 03.11.1995, abgedruckt bei Heidersdorf, S. 135 ff. 47 Allerdings sind auch Fälle bekannt – insbesondere aus dem Bereich des Fußballs –, in denen bereits in unteren Spielklassen nicht unerhebliche finanzielle Anreize für einen Spielerwechsel geschaffen werden. Die Palette reicht hier vom Angebot eines Arbeitsplatzes über einmalige Sachleistungen bzw. Handgelder bis hin zu laufenden Prämienzahlungen über die gesamte Saison, die durchaus die Höhe eines zweiten Einkommens erreichen können. In derartigen Fällen ist bereits fraglich, ob es sich noch um Freizeitsport handelt. Siehe hierzu unten, 7. 48 Dies gilt insbesondere für eine Vielzahl von Vereinen der ersten FußballBundesliga. Häufig wird hier die Gesellschaftsform der GmbH gewählt, etwa von Bayer 04 Leverkusen oder dem VfL Wolfsburg.
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III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
Freizeitsport eine (noch) deutlich geringere Rolle, auch wenn die Kommerzialisierung hier ebenfalls erheblich voranschreitet. Doch selbst wenn man einen solchen Effekt auch in unteren Spielklassen unterstellt, ist nicht erkennbar, inwiefern Ausländerklauseln geeignet sein sollen, dem entgegen zu wirken. Dabei ist nämlich schon zu beachten, dass Ausländerklauseln für alle Vereine gleichermaßen gelten und nicht etwa nur für die gut situierten, so dass den kleineren Klubs hieraus letztlich kein Vorteil erwächst, der es ihnen ermöglichen würde, sportlich zu den finanzkräftigen Vereinen aufzuschließen. Das apostrophierte Problem verlagert sich insoweit lediglich. Wären es ohne Ausländerklauseln die international besten Spieler, deren Dienste sich die finanzstärksten Klubs sichern wollten, sind es nun die spielstärksten einheimischen Akteure, denen das besondere Interesse dieser Vereine gilt. Am Ergebnis ändert sich hierdurch nichts: Die besten Spieler, ob Deutsche oder Ausländer, erbringen ihre Leistung bei den wirtschaftlich leistungsfähigsten Vereinen. Ausländerklauseln nehmen darauf keinen Einfluss.49 Ferner garantiert das größte finanzielle Budget nicht zwingend auch den sportlichen Erfolg.50 Gerade im Fehlen einer solchen Gesetzmäßigkeit liegt der Reiz sportlicher Wettkämpfe, auf dem letztlich auch das Interesse der Zuschauer beruht. Mit der Forderung nach einem finanziellen Gleichgewicht zwischen den Vereinen enthält die Argumentation zugleich einen wirtschaftlichen Aspekt, der zumindest nicht geeignet ist, einen Eingriff in Art. 39 Abs. 2 EGV zu rechtfertigen.51 Nicht zuletzt lässt sich auch die Ansicht vertreten, die Öffnung der deutschen Ligen für ausländische Spieler fördere gerade die Wettbewerbsfähigkeit der kleineren Vereine, denn es steht in diesem Fall ein deutlich größerer Pool an qualifizierten Spielern zur Verfügung, der auch kleinen Vereinen die Möglichkeit bietet, sich günstig zu verstärken.52 Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich der Marktwert eines Spielers in der heutigen Zeit nicht mehr ausschließlich nach dessen sportlicher Leistungsfähigkeit bestimmt, sondern auch durch eine Reihe anderer Faktoren – etwa Vermarktungsmöglichkeiten – beeinflusst wird.53 Spieler, die (noch) nicht über einen 49
So auch Wassmer, S. 100. Vgl. Palme/Hepp-Schwab/Wilske, JZ 1994, 343 (345). 51 Siehe oben, II. 2. b) dd) (2) (c). 52 Vgl. etwa Kirschenhofer, S. 190. 53 Das wohl eindrucksvollste Beispiel aus jüngerer Zeit liefert der Wechsel des englischen Fußballnationalspielers David Beckham im Jahre 2003 von Manchester United zum spanischen Rekordmeister Real Madrid C. F. für die Ablösesumme von 35 Millionen Euro. Ganz offensichtlich wollte die Clubführung von Real Madrid unter Ausnut50
5. Das Nationalmannschaftsargument
233
derartigen Status verfügen, können in aller Regel zu günstigeren Konditionen unter Vertrag genommen werden.54
5. Das Nationalmannschaftsargument Zur Rechtfertigung von Ausländerklauseln wird ferner das sog. Nationalmannschaftsargument angeführt. Demnach könne der unbegrenzte Einsatz von ausländischen Sportlern negative Auswirkungen auf die Bildung der Nationalmannschaft haben. Es sei zu befürchten, dass in diesem Fall nicht genügend Spieler mit ausreichender Spielpraxis in der höchsten Spielklasse für die Nationalmannschaft zur Verfügung stehen.55 So hätten Erfahrungen einzelner Sportverbände gezeigt, dass die deutschen Spieler in ihrer Spitzenliga zur Verfügung stehenden Kapazitäten kaum ausreichten, um in einem Jahrzehnt mehr als eine Handvoll Spieler hervorzubringen, die das für Nationalmannschaften erforderliche Spielniveau erreichen.56 Hier ist anzumerken, dass ein solches Spielniveau nicht existiert. Die sportliche Qualität einer Nationalmannschaft bestimmt sich vielmehr allein nach den Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder. Verfehlt ist daher die These, es gäbe in Bezug auf die Spielstärke einen imaginären Schwellenwert, dessen Überschreitung einen Spieler zur Teilnahme an Nationalmannschaftswettkämpfen befähigt. Aus der Beobachtung der Sportverbände lässt sich allenfalls der Schluss ziehen, dass in den letzten Jahren nicht ausreichend viele Spieler mit deutscher Herkunft ausgebildet werden konnten, die in der Lage sind, mit den besten internationalen Akteuren konkurrieren zu können.57 Insgesamt überzeugt das Begründungsmodell jedoch schon für den Berufssport nicht und kann auch im Freizeitsport nicht zur Rechtfertigung von Ausländerklauseln herangezogen werden. Die Argumentation versagt im Breizung der Popularität Beckhams in Asien den Absatz der Merchandising-Artikel des Vereins forcieren. Vgl. hierzu auch Feess, ZEuP 2005, 365 (369, Fn. 10). 54 Gegen das Argument des sportlichen Wettbewerbsschutzes auch Wassmer, S. 100; Heidersdorf, S. 65; PHB-Sportrecht/Summerer, 7. Teil, Rn. 108; Kirschenhofer, S. 190; Krogmann, Sport und Europarecht, S. 20; Imping, EWS 1996, 193 (198); a. A. Plath, S. 133 ff. 55 Vgl. LG Frankfurt a. M., NJW-RR 1994, 1270 (1271); Kahlenberg, SpuRt 1994, 129 (130); Fischer, SpuRt 1994, 174 (177 f.); Renz, in: Sportrecht in Europa, S. 191 (199); Schweitzer, in: Einbindung des Sportrechts, S. 71 (85); Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, 44 (45). 56 Vgl. Kahlenberg, EWS 1994, 423 (429, Fn. 72). 57 Dies deckt sich auch mit der Einschätzung der Manager und Trainer der Ersten Bundesliga-Mannschaften in den Sportarten Basketball, Eishockey, Fußball und Handball aus dem Jahr 2001. Vgl. Cachay/Riedl, Leistungssport 2001, Heft 3, 4 (6).
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III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
tensport dabei schon deshalb, weil Nationalmannschaften naturgemäß aus den spielstärksten einheimischen Spielern gebildet werden, die entweder in einer ausländischen Vereinsmannschaft aktiv sind oder aber jedenfalls Klubs angehören, die am Spielbetrieb der höheren nationalen Ligen teilnehmen.58 Hier wird Sport jedoch ganz überwiegend professionell betrieben, was bereits durch die Tatsache bedingt ist, dass sich das hohe sportliche Niveau in diesen Ligen nur durch einen entsprechend großen Trainingsaufwand erreichen lässt, der regelmäßig die volle Aufmerksamkeit des Sportlers erfordert. In den Reihen der verschiedenen Nationalmannschaften dürften sich daher zumindest in populären Sportarten kaum wirkliche Freizeitspieler finden. Unabhängig von einer Betrachtung unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten verliert das Nationalmannschaftsargument jedenfalls aber in den tieferen Spielklassen an Kraft. Denn Spieler aus den unteren Ligen, in denen vorrangig Breitensport betrieben wird, kommen für die Bildung von Nationalteams ohnehin nicht in Betracht, sofern Akteure aus einer höheren Spielklasse zur Verfügung stehen, die regelmäßig über das größere sportliche Potential verfügen und daher den Anforderungen im internationalen Wettbewerb eher gerecht werden. Unter diesen Gegebenheiten spielen Sportler aus Spielklassen unterhalb der dritten Liga keine Rolle mehr bei Aufstellung des Nationalmannschaftskaders. Das Nationalmannschaftsargument hat daher von vornherein nicht für alle Ligen gleichermaßen, sondern allenfalls in den oberen Ligen eine Berechtigung.59 Aber auch für Sportarten, die sogar in der höchsten Spielklasse noch nicht professionell betrieben werden, kann das Nationalmannschaftsargument nicht überzeugen.60 Es ist durch keinen empirischen Befund nachgewiesen und im Übrigen wohl auch nicht nachweisbar, dass die Einsatzberechtigung von Ausländern in den höchsten deutschen Spielklassen zu einem ungebremsten Zustrom von ausländischen Sportlern in deutsche Vereine und damit zu einer übermäßigen Verdrängung der deutschen Spieler führt.61 Hingegen darf man unterstellen, dass jeder Verein darum bemüht ist, die stärksten Spieler – unabhängig von ihrer Nationalität – aufzubieten und einzusetzen. Hieraus folgt weitergehend, dass ein ausländischer Spieler gegenüber dem deutschen Akteur jedenfalls dann den Vorzug erhält, wenn er – was sich zugegeben durchaus nicht immer objektiv belegen lässt – als der sportlich Stärkere anzusehen ist. Diesem 58 In der Bundesligaspielzeit 2003/2004 standen sämtliche Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft bei einem Verein der ersten englischen bzw. deutschen Liga unter Vertrag. 59 So auch Schroeder, S. 203. 60 So ebenfalls Wassmer, S. 97; Dinkelmeier, S. 111; Heidersdorf, S. 62; PHBSportrecht/Summerer, 7. Teil, Rn. 108; wohl auch Klose, S. 149 f.; Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (96) und Plath, S. 128. 61 Darauf weist zutreffend schon Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (96) hin.
5. Das Nationalmannschaftsargument
235
Grundsatz folgend, ergeben sich naturgemäß zwischen den einzelnen Spielklassen qualitative Abstufungen hinsichtlich der dargebotenen sportlichen Leistung. So zeichnet sich die erste Liga gegenüber der zweiten und den nachfolgenden Spielklassen durchgängig als die spielstärkere aus. Haben diese Umstände und der unbeschränkte Zugang für Ausländer zur Folge, dass in den oberen Spielkassen weniger Deutsche zum Einsatz kommen, so lässt sich hieran letztlich nicht mehr ablesen als die Tatsache, dass sich das sportliche Niveau gegenüber einer Liga mit Zugangsbeschränkung für Ausländer erhöht hat. Auf die Zusammenstellung der Nationalmannschaft nimmt dieser Umstand jedoch in keiner Weise Einfluss. Spieler, die früher in einer Mannschaft der ersten Liga aktiv waren und infolge des gestiegenen sportlichen Niveaus nunmehr am Spielbetrieb der zweiten Liga teilnehmen, kommen für die Nationalmannschaft deshalb nicht weniger in Frage als vorher, denn sie bleiben die besten nationalen Spieler. Hieran wird deutlich, dass die Bildung der Nationalmannschaft völlig unabhängig vom Ausländeranteil der Liga ist. Der Ausländeranteil führt allenfalls zu einer Neustrukturierung der Mannschaften. Die Situation, dass ein Spieler infolge des unbeschränkten Ausländerzugangs überhaupt keine seiner tatsächlichen Spielstärke entsprechende Einsatzmöglichkeit findet, darf wohl als unrealistisch angesehen werden. Es mag letztlich dahinstehen, ob die Aufrechterhaltung von Ausländerklauseln deutschen Athleten Spielpraxis in der höchsten nationalen Spielklasse sichert, der sportliche Wert dieses Umstandes dürfte jedenfalls zweifelhaft sein, wenn das spielerische Niveau dieser Liga hierdurch erheblich sinkt. Auch die Besorgnis, die uneingeschränkte Abwanderungsmöglichkeit würde notwendigerweise zu einer Schwächung und nachfolgenden Bedeutungslosigkeit einzelner Nationalmannschaften führen62, hat sich in dieser krassen Form praktisch wohl nicht bestätigt.63 So standen beim Gewinn der Fußballweltmeisterschaft im Jahre 1998 13 der 22 Spieler des französischen Nationalteams in einer ausländischen Liga unter Vertrag. Beim Gewinn des Europameistertitels zwei Jahre später waren es sogar 14 Spieler. Der Einsatz von Ausländern erscheint zudem geeignet, das Fortkommen der jüngeren einheimischen Spieler positiv zu beeinflussen, denn es wird kaum zu bestreiten sein, dass ausländische Spieler zur Entwicklung und Anhebung des Spielniveaus beitragen können und damit zugleich die Entwicklung des Nachwuchses – der sich regelmäßig an den besten Akteuren orientiert – fördern.64 Abgesehen davon dürfte es ohnehin mit Blick auf die Erfolgsaussichten der Na62
So Renz, in: Sportrecht in Europa, S. 191 (199). So auch Wassmer, S. 98. 64 Vgl. Dinkelmeier, S. 112; Schroeder, S. 160; Klose, S. 150; Paefgen, EWiR 1995, 987 (988); Krogmann, Sport und Europarecht, S. 20 mwN. 63
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III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
tionalmannschaft bei internationalen Bewährungsproben nicht förderlich sein, wenn die Spieler weitestgehend unter sich in einer national abgeschotteten Liga aktiv sind. Es erscheint insofern eher vorteilhaft, wenn einheimische Akteure durch die Teilnahme von Ausländern in ihrer ständigen Wettkampfpraxis mit internationalen Standards konfrontiert und auf die Anforderungen in Nationalmannschaftswettkämpfen vorbereitet werden.65 Letztlich darf nicht übersehen werden, dass die nationalen Sportverbände ihrerseits ein Interesse daran haben, ihre Spieler in ausländischen Spitzenklubs unterzubringen, um von deren Erfahrungen und Wissen zu profitieren. Unter diesem Gesichtspunkt erscheinen Ausländerklauseln eher widersprüchlich. Dass man sich zur Verstärkung der eigenen Nationalmannschaft zuweilen auch direkt am Fundus des ausländischen Spitzensports bedient, zeigt die Einbürgerungspraxis der deutschen Behörden in Zusammenarbeit mit den nationalen Spitzenfachverbänden.66 Beispielhaft sind hier die Einbürgerungen des südafrikanischen Fußballspielers Sean Dundee und der rumänische Hochspringerin Alina Astafei zu nennen67.
6. Das Argument der Nachwuchsförderung Eng verknüpft ist das Nationalmannschaftsargument mit dem Interesse der nationalen Sportverbände an einer effektiven Förderung des sportlichen Nachwuchses. Auch insoweit gehen die Befürchtungen dahin, dass eine Nachwuchsarbeit nicht mehr erfolgreich durchzuführen sei, wenn sich die Vereine durch eine unbegrenzte Anzahl voll ausgebildeter Spieler aus dem Ausland verstärken könnten. Zum einen bestünde für die Vereine kein Interesse mehr, junge Spieler auszubilden und an höhere sportliche Aufgaben heranzuführen, da sie sich jederzeit auf dem „Spielermarkt“ mit ausländischen Akteuren versorgen könnten. Zum anderen werde eine effektive Jugendarbeit dadurch behindert, dass die Einsatzmöglichkeiten für hoffnungsvolle Nachwuchstalente in den obersten 65 66
Vgl. Plath, S. 128. Zur erleichterten Einbürgerung von Spitzensportlern vgl. etwa Fritz, SpuRt 2000,
137. 67 Die Einbürgerung von Spitzensportlern wird auch international immer mehr zur Gewohnheit. So bestritt etwa der gebürtige Argentinier Mauro Camoranesi im Februar des Jahres 2003 sein erstes Länderspiel im Trikot der italienischen Fußballnationalmannschaft. Erst in jüngerer Zeit durch die Presse (Medien) gegangen ist das Vorhaben des brasilianischen Fußballspielers Ailton, der gegen Zahlung eines Betrages in Höhe von angeblich einer Millionen EURO die Staatsbürgerschaft des Wüstenstaates Katar annehmen wollte, um für das Nationalteam des Scheichtums spielberechtigt zu sein. Der Wechsel wurde jedoch im Frühjahr des Jahres 2004 vom Weltfußballverband FIFA untersagt. Siehe etwa www.stern.de/sport-motor/fussball/521673.html?eid=519455&&nv=ex_rt. Bei einer weiteren Verbreitung dieser Praxis dürfte die Attraktivität von Nationalmannschaftswettbewerben erheblich leiden.
6. Das Argument der Nachwuchsförderung
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Spielklassen erheblich durch die Anwesenheit von Ausländern eingeschränkt werden und es jungen Spielern hierdurch erschwert wird, die für einen späteren Einsatz in der Nationalmannschaft erforderliche Spielpraxis in der höchsten nationalen Liga zu sammeln.68 Fest steht zunächst zweifelsfrei, dass die Förderung des Nachwuchses und die Heranführung der Jugend an den Sport ein wichtiges gesellschaftspolitisches Anliegen darstellt, zu deren Umsetzung die Sportverbände und -vereine, durch eine Vielzahl von Aktivitäten, einen ganz erheblichen Beitrag leisten. Im Hinblick auf das im Zusammenhang mit Ausländerklauseln vorgebrachte Argument der Nachwuchsförderung darf allerdings nicht übersehen werden, dass diese Argumentation nicht auf die Förderung des Nachwuchses in der Breite, sondern in der Spitze angelegt ist.69 Es geht maßgeblich darum, den Anschluss der Spitzennachwuchsspieler an die höchsten Spielklassen und die Nationalmannschaft herzustellen. Das Potential an derart talentierten Spielern ist naturgemäß sehr begrenzt und bedarf einer frühzeitigen Sichtung und Förderung. Kinder und Jugendliche mit entsprechenden Entwicklungschancen werden daher bereits im frühen Kindesalter vielfältig gefördert, etwa durch die Aufnahme in Leistungs- oder gar den Jugendnationalmannschaftskader, und finanziell unterstützt. Die individuelle Betreuung der Athleten erfolgt ebenso frühzeitig in Trainingsleistungszentren, auf die häufig auch die schulische Ausbildung – beispielsweise an Sportgymnasien – zugeschnitten ist. Ausländerklauseln dienen daher vornehmlich der Förderung einer kleinen, elitären Anzahl von Sportlern. In Anbetracht dieser Tatsache erscheint es zumindest zweifelhaft und bedarf daher einer näheren Prüfung, ob die Förderung eines derart kleinen Personenkreises noch in einem angemessenen Verhältnis zu den erheblichen Restriktionen für ausländische Sportler auch auf unteren Spielebenen steht. Vorab zu klären ist allerdings die Frage, ob Ausländerklauseln überhaupt geeignet und insbesondere erforderlich sind, um den sportlichen Nachwuchs effizient und nachhaltig zu fördern. Beispielhaft für die Auswirkungen von Ausländerklauseln auf die Nachwuchsförderung wird häufig der Gewinn der Fußballweltmeisterschaft durch die italienische Nationalmannschaft im Jahr 1982 angeführt.70 Erst zur Spielzeit 68 Vgl. LG Frankfurt a. M., NJW-RR 1994, 1270 (1271); Kahlenberg, SpuRt 1994, 129 (130); ders., EWS 1994, 423 428 f.; Renz, in: Sportrecht in Europa, S. 191 (200); Kirschenhofer, S. 187 f.; Scholz/Aulehner, SpuRt 1996, 44 (45); Plath, S. 124 ff.; wohl auch Schroeder, S. 160. Ebenso OLG Frankfurt a. M., MDR 1993, 1250 (1251), allerdings ohne Abdruck der insoweit maßgeblichen Begründung. 69 Dass sich die Ausländerklauseln zugrunde liegenden Motive nahezu ausschließlich auf den Hochleistungssport beziehen, belegen schon die bisherigen Ausführungen. Zu dieser Auffälligkeit auch Klose, S. 149. 70 Vgl. Klose, S. 149; Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (87); Schweitzer, in: Einbindung des Sportrechts, S. 71 (85 f.).
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III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
1982/1983 wurden die Ausländerbeschränkungen vom nationalen Fußballverband Italiens gelockert, der bis zu diesem Zeitpunkt nicht den Einsatz eines einzigen ausländischen Spielers gestattete.71 Sofern man sich diese These zu Eigen macht, wird man nicht unberücksichtigt lassen können, dass sich die Beschränkungen des italienischen Fußballverbandes ganz überwiegend auf Berufsspieler bezogen. Die Bestimmungen über die Teilnahme von ausländischen Jugendlichen, Freizeitspielern und Amateuren waren hingegen weniger restriktiv.72 Es spricht daher auch bei Anerkennung dieser Argumentation grundsätzlich nichts dagegen, Ausländerklauseln in unteren Spielklassen aufzugeben. Ob der Titelgewinn des italienischen Nationalteams allerdings überhaupt eine Schlussfolgerung auf die Eignung von Ausländerklauseln für die Nachwuchsförderung zulässt, dürfte fraglich und zudem kaum nachweisbar sein.73 Jedenfalls aber lassen sich eine Reihe von Beispielen anführen, die auch einen gegenteiligen Schluss erlauben.74 So erreichte die italienische Nationalmannschaft im Jahre 1994 wiederum das Finale um die Fußballweltmeisterschaft und verlor dieses unglücklich erst im Elfmeterschießen gegen die Auswahl Brasiliens. Bemerkenswert an dem Finaleinzug der Italiener ist, dass alle Nationalspieler – trotz des zulässigen Einsatzes von Ausländern in der nationalen Liga – bei Klubs der Serie A unter Vertrag standen75, die zu dieser Zeit als eine der stärksten Ligen der Welt galt und durch die Verpflichtung der international besten Akteure zu exorbitant hohen Ablösesummen auf sich aufmerksam machte.76 Dieser Umstand verdeutlicht zunächst, dass die Teilnahme ausländischer Spieler am Ligabetrieb einem Erfolg der Nationalmannschaft nicht zwingend entgegensteht. Zudem kann das erfolgreiche Abschneiden der Italiener bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1994 als Hinweis darauf verstanden werden, dass es weniger die Blockade der wenigen Plätze in der ersten Liga durch Ausländer ist, die zu einer geringen Berücksichtigung von Nachwuchsspielern führt, als vielmehr das gestiegene Leistungsniveau, dem die Nachwuchsakteure häufig
71 Vgl. Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (87). Für die Spielzeit der Jahre 1984/1985 wurden die Regelungen allerdings wieder verschärft. Vgl. Klose, S. 149. Erst ab der Saison 1988/1989 erlaubte der italienische Fußballverband den Einsatz von bis zu drei ausländischen Spielern pro Mannschaft. Vgl. Marticke, in: Sport und Recht in Europa, S. 53 (64 f.). 72 Vgl. Karpenstein, in: Sportrecht in Europa, S. 171 (173). 73 Zum Problem der Nachweisbarkeit schon Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (95). 74 So auch Klose, S. 149 f. 75 Vgl. Valérien, S. 89. 76 So verpflichtete etwa der italienische Spitzenklub Inter Mailand im Jahr 1992 den holländischen Stürmer Dennis Bergkamp von Ajax Amsterdam für die zum damaligen Zeitpunkt außergewöhnlich hohe Ablösesumme von 20 Mio. DM.
6. Das Argument der Nachwuchsförderung
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nicht gewachsen sind.77 Offensichtlich verfolgten die italienischen Spieler über die notwendigen sportlichen Qualitäten, um sich in ihren Klubmannschaften auch gegenüber starken ausländischen Spielern durchzusetzen. Zweifel an einem Zusammenhang zwischen Ausländerklauseln und der sportlichen Klasse des Nachwuchses lässt ebenfalls das Abschneiden der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea aufkommen. Bekanntlich errang das deutsche Nationalteam – nach eher bescheidenen Vorstellungen bei den beiden Weltmeisterschaftsendrunden zuvor – etwas überraschend den zweiten Platz. Ähnlich wie im Team der Italiener von 1994 waren fast alle deutschen Nationalspieler bei Vereinen in der ersten Fußball-Bundesliga aktiv78 und dies zu einem Zeitpunkt, in dem infolge der Bosman-Entscheidung des EuGH der Einsatz von Spielern aus den Staaten der Europäischen Gemeinschaft seit nunmehr sechs Jahren uneingeschränkt zulässig war und die oberste deutsche Spielklasse zudem den höchsten Ausländeranteil unter den renommiertesten europäischen Ligen aufwies.79 Diese Umstände sprechen nicht unbedingt dafür, dass sich die Aufhebung der Ausländerklauseln negativ auf die Nachwuchsförderung und weitergehend auf die Nationalmannschaft ausgewirkt hat.80 Von der vermeintlichen Plausibilität des Argumentes der Nachwuchsförderung lassen sich häufig auch die bisher mit Ausländerklauseln befassten Gerichte überzeugen. So führte etwa das LG Frankfurt a.M. in seinem Urteil vom 18.01.1994, das die Ausländerklausel im Regelwerk des DTTB zum Gegenstand hatte, aus:
77
Vgl. Cachay/Riedl, Leistungssport 2001, Heft 3, 4 (6). Siehe hierzu bereits oben, 5. Lediglich drei des 23 Spieler umfassenden Kaders standen bei einem ausländischen Klub unter Vertrag. Dies betraf die Spieler Oliver Bierhoff (AS Monaco), Dietmar Hamann (FC Liverpool) und Christian Ziege (Tottenham Hotspur). 79 Der Ausländeranteil betrug in der ersten Fußball-Bundesliga etwa im Jahr 2003 60,61 %, gegenüber 46,82 % in England, 40,00 % in Spanien, 39,55 % in Frankreich und 32,83 in Italien. So auch die Einschätzung des damaligen Teamchefs der deutschen Fußballnationalmannschaft Rudi Völler, der von einem Ausländeranteil in der FußballBundesliga von 60 % sprach, vgl. Süddeutsche Zeitung vom 01.10.2003, S. 33. In der Spielzeit 2005/2006 lag der Ausländeranteil nach Angaben des Ligaverbandes e.V. in der ersten Fußball-Bundesliga bei 43 % und in der zweiten Bundesliga bei 37 %. Vgl. www.bundesliga.de/intern/hilfe/index.php. 80 Beispielhaft können auch die Erfolge der Deutschen Handballnationalmannschaft angeführt werden. Die erste Handball-Bundesliga rühmt sich seit Jahren als „die stärkste Liga der Welt“, in der erfahrungsgemäß ein hoher Ausländeranteil besteht und teilweise komplette Nationalteams anderer Länder aktiv sind. Vgl. Riedl/Cachay, S. 109. Dennoch konnte die Deutsche Nationalmannschaft zuletzt beachtliche Erfolge, etwa den Europameistertitel im Jahr 2004 sowie zweite Plätze bei der Weltmeisterschaft 2003 und den Olympischen Spielen in Athen 2004, erringen. 78
240
III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
„Die hier streitgegenständliche Ausländerklausel beruht ersichtlich nicht auf wirtschaftlichen, sondern zulässigen sportlichen Erwägungen, die der Beklagte nachvollziehbar und überzeugend dargetan hat. Insbesondere ist es zur Erreichung des satzungsmäßigen Zieles der Förderung des Tischtennissports erforderlich, dass kontinuierlich talentierte Nachwuchsspieler trainiert und an höhere Aufgaben herangeführt werden. Das Ziel, Nachwuchsspielern ausreichende Wettkampferfahrung zu vermitteln, wäre ersichtlich gefährdet, wenn von vier Plätzen in einer Mannschaft zwei oder mehr durch erfahrene Spieler aus dem Ausland besetzt wären. In diesem Fall hätten nur sehr wenige deutsche Nachwuchsspieler die Chance, sich in die Spitzenklasse hineinzuspielen. Dies hätte gleichzeitig negative Auswirkungen auf die Bildung der Nationalmannschaften, für deren Kader dann weniger Spieler mit ausreichender Spielerfahrung in der Spitzenklasse zur Verfügung stehen.“81
Allerdings sind die Auswirkungen eines unbegrenzten Zugangs von Ausländern auf die Nachwuchsförderung keineswegs so klar und eindeutig, wie später etwa auch das OLG Dresden ausführte.82 Dabei stoßen die Sportverbände häufig schon auf unüberwindliche Schwierigkeiten im Hinblick auf ihre prozessuale Darlegungslast. So sind die Verbände wohl regelmäßig außerstande, nachvollziehbar darzulegen, weshalb ein einheimischer Spieler aufgrund des Einsatzes eines ausländischen Spielers nicht mehr entsprechend seiner Spielstärke eingesetzt werden konnte.83 Zudem hängt die sportliche Entwicklung eines talentierten Nachwuchsspielers von einer solchen Vielzahl unterschiedlicher Faktoren ab, dass es ausgeschlossen erscheint, ein negatives Abweichen von der ohnehin nur erhofften sportlichen Entwicklung hinreichend sicher auf den Einsatz ausländischer Spieler zurückzuführen. Nur verständlich ist daher – soweit ersichtlich – kein Beispiel aus der Praxis bekannt, in dem die sportliche Karriere eines deutschen Nachwuchsspielers nachweislich durch den Einsatz eines oder mehrerer ausländischer Spieler behindert wurde. Insoweit basiert die Annahme, die Ausbildung des Nachwuchses werde durch Ausländerklauseln positiv beeinflusst, auf einer Mutmaßung, da sich schon nicht belegen lässt, dass der Einsatz von Ausländern der Nachwuchsförderung entgegensteht. Ebenso wenig überzeugend erscheint die implizit getroffene Aussage, nur durch den Einsatz in der höchsten nationalen Spielkasse könne die für Natio-
81 Vgl. NJW-RR 1994, 1271 (1272). Das Gericht war zudem der Auffassung, einer Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung habe es nicht bedurft, da die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den Gerichtshof bereits durch das Urteil vom 12.12.1975 hinreichend klar erfolgt sei, was sich im Nachhinein jedoch – wie die BosmanEntscheidung des EuGH verdeutlicht – als unzutreffend herausstellte. 82 Vgl. Urteil vom 06.03.2002, (Az.: 9 U 2587/01) – unveröffentlicht. 83 Ebd., siehe auch Hilf, in: Rechtsprobleme beim Vereinswechsel, S. 84 (95).
6. Das Argument der Nachwuchsförderung
241
nalmannschaftswettkämpfe notwendige Spielpraxis gesammelt werden.84 Im Grunde zutreffend ist sicherlich der Ansatz, dass sportliche Höchstleistungen einer ständigen Wettkampfpraxis auf hohem Niveau bedürfen. Allerdings ist nicht recht erkennbar, weshalb diese ausschließlich in der ersten Liga und nicht etwa auch in der zweiten Liga zu gewinnen sein sollte. Maßgebend und unabhängig von der jeweiligen Spielklasse sollte der Umstand sein, dass der Nachwuchsspieler entsprechend seiner Leistungsstärke eingesetzt und in einer Art und Weise gefordert wird, die seinem sportlichen Fortkommen dient. Hierfür kommt allerdings nicht allein der Einsatz in einer Mannschaft der ersten Liga in Betracht. Insoweit ist auch auf eine bereits oben angestellte Überlegung zurückzukommen: Der sportliche Wert eines Einsatzes in der ersten Liga ist fraglich, wenn das Spielniveau infolge des Ausschlusses spielstarker Ausländer absinkt. Ein höheres Leistungsniveau durch die Teilnahme von Ausländern kann der Entwicklung junger Spieler gerade förderlich sein.85 Sofern hinter der Forderung nach Einsatzzeiten in der obersten Spielkasse die nachvollziehbare Überlegung steht, dass sich Nachwuchsspieler dort regelmäßig mit den sportlich besten Akteuren messen können, so sind Ausländerklauseln hierfür eher hinderlich, denn das sportliche Niveau in den obersten Spielklassen dürfte bei einem unbeschränkten Zugang von Ausländern höher sein.86 Dies würde sich auch in den nachfolgenden Ligen auswirken, so dass ein Nachwuchsspieler, selbst für den Fall, dass er (noch) nicht über die notwendige sportliche Stärke verfügt und deshalb lediglich in der zweiten oder dritten Liga zum Einsatz kommt, bei der Zulassung von Ausländern noch am ehesten mit der Wettkampfsituation konfrontiert wird, die ihn bei Einsätzen in der Nationalmannschaft erwartet.87 Durch den Ausschluss von Ausländern wird daher wohl eher verhindert, jedenfalls aber beschränkt, dass Nachwuchsspieler mit den besten Akteuren konkurrieren. Ausländerklauseln bewirken insoweit allenfalls einen Konkurrenzschutz für einheimische Spieler. Dieser Gedanke drängt sich insbesondere auch bei einer Betrachtung der unmittelbaren Folgen des Bosman-Urteils auf. Nach der Entscheidung des EuGH im Jahre 1995 setzte in 84 So deutlich Kahlenberg, SpuRt 1994, 129 (130) und das LG Frankfurt a. M., NJWRR 1994, 1270 (1271). 85 Vgl. die Nachweise in Fn. 64. Kahlenberg, EWS 1994, 423 (429), wendet ein, dass dieser Effekt nicht nachweisbar sei, was freilich auch auf die von ihm vertretene These, der Einsatz von Ausländern behindere den Nachwuchs, zutrifft. Siehe Schroeder, S. 160. Ebenso Heidersdorf, S. 61 f. 86 So auch Cachay/Riedl, Leistungssport 2001, Heft 3, 4 (5). Von einer Niveauverbesserung infolge der Teilnahme ausländischer Spieler gehen teilweise auch die Sportverbände aus. Vgl. Niese, in: Sport im Schnittfeld, S. 53 (60). 87 Auch einige Sportverbände bewerten das regelmäßige Aufeinandertreffen von deutschen und ausländischen Topspielern als positiv und erkennen hierin einen Vorteil, der sich auch auf die Nationalmannschaft auswirkt. Vgl. Niese, in: Sport im Schnittfeld, S. 53 (60 f.).
242
III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
den Bundesligen ein regelrechter Ausländerboom ein, der seinen wesentlichen Grund darin fand, dass die Nachfrage von Seiten der Vereine nach leistungsstarken deutschen Spielern nicht befriedigt werden konnte.88 Das nationale Nachwuchsförderungssystem war offensichtlich auch in Zeiten existierender Ausländerklauseln nicht in der Lage, in ausreichendem Umfang spielstarke deutsche Nachwuchssportler hervorzubringen.89 Dieser Umstand weckt zudem Zweifel an der Geeignetheit von Ausländerklauseln. So wird der Grund für die geringen Einsatzchancen von Nachwuchsspielern auch weniger in der hohen Anzahl ausländischer Spieler in den Ligen gesehen, als vielmehr im generell gestiegenen Leistungsniveau.90 Ausländerklauseln leiden zudem häufig an dem Mangel, dass sie das Anliegen der Nachwuchsförderung nicht mit der gebotenen Konsequenz verfolgen. Neben einer Beschränkung für Ausländer müsste nämlich folgerichtig auch der Zugang für ältere deutsche Spieler beschränkt werden, denn deren Einsatz steht der notwendigen Spielpraxis für Nachwuchsakteure nicht weniger entgegen, als dies beim Einsatz von Ausländern der Fall ist. Damit ist zugleich die sicherlich nicht einheitlich zu beantwortende Frage aufgeworfen, bis zu welchem Alter Sportler förderungsbedürftig sind und das Argument der Nachwuchsförderung daher überhaupt zur Rechtfertigung herangezogen werden kann. In einer Seniorenliga werden derartige Aspekte sicherlich kaum mehr eine Rolle spielen. Auch wird man einem dreißigjährigen Fußballspieler keine Förderung mehr zuteil werden lassen müssen. Es wäre daher im Hinblick auf das Ziel der Nachwuchsförderung nur konsequent gewesen, wenn die Sportverbände ihre Zugangsbeschränkungen nicht nur auf Ausländer, sondern auch auf einheimische, jedoch nicht mehr förderungsbedürftige Sportler bezogen hätten, etwa indem sie verlangten, dass im Startaufgebot einer Mannschaft eine Mindestanzahl von einheimischen Spielern steht, deren Alter eine bestimmte Grenze nicht überschreitet. Ob eine solche Regelung europarechtlichen Vorgaben standhält, dürfte gleichwohl zu bezweifeln sein. Zwar werden Ausländer, deren Alter diese Grenze überschreitet, gegenüber vergleichbaren deutschen Spielern nicht diskriminiert, da die Regelung auf beide Gruppen gleichermaßen Anwendung findet, allerdings enthält Art. 39 Abs. 2 EGV nach Auffassung des EuGH nicht lediglich ein Diskriminierungs-, sondern ein Beschränkungsverbot91, so dass dieser Umstand einen Verstoß gegen Freizügigkeitsvorschriften nicht notwen88
Vgl. Riedl/Cachay, S. 133. Nach den Untersuchungen von Riedl/Cachay, S. 149, sehen Manager und Trainer von Spitzenklubs bei der Ausbildung des Nachwuchses im Jugendbereich erhebliche Defizite. 90 AaO., S. 134. 91 Siehe hierzu die Urteile vom 15.12.1995 (Rs. C-415/93), Slg. 1995, I-4921 (5069) und vom 27.01.2000 (Rs. C-190/98), 2000, I-493 (523). 89
6. Das Argument der Nachwuchsförderung
243
dig ausräumt. In Bezug auf die ausländischen Spieler unterhalb dieser Altersgrenze dürfte allerdings nach wie vor eine Diskriminierung gegeben sein, sofern diesen nicht ein gleiches Zugangsrecht wie gleichaltrigen deutschen Spielern eingeräumt wird. Darüber hinaus hat auch die Befürchtung, Vereine würden ohne Ausländerklauseln die Förderung des Nachwuchses vernachlässigen und müssten deshalb hierzu vom Verband angehalten werden, in der Praxis wohl keine Bestätigung gefunden. So haben Untersuchungen zu den Auswirkungen des Bosman-Urteils im Jahre 2001 gezeigt, dass sich die Vereine der Bedeutung einer nachhaltigen Nachwuchsförderung durchaus bewusst sind und diese auch ernst nehmen.92 Vereine erkennen hierin die Möglichkeit, für eine höhere Identifikation des Publikums zu sorgen und begreifen die Nachwuchsförderung als gesellschaftliche Aufgabe, der sie sich traditionell verbunden fühlen.93 Ganz ähnliche Überlegungen spielen gerade auch in kleineren Breitensportvereinen eine große Rolle, deren langfristige Existenz von einer beständigen Jugendarbeit abhängt. Die Möglichkeit der Vereine, aus einem internationalen Spielerpool zu schöpfen, führt also keineswegs zwangsläufig zu einer Vernachlässigung des inländischen Nachwuchses. Die vorstehenden Ausführungen betreffen vorrangig die Mannschaften und Vereine der Spitzenligen, in denen – unabhängig vom Grad der Professionalisierung – das Bedürfnis nach leistungsstarken Spielern am größten ist und in denen daher eher auf ausländische Akteure zurückgegriffen wird. Mit abnehmender Spielklasse verändert sich dieses Bild allerdings. Hier steht weniger die sportliche Höchstleistung und der damit verbundene Erfolg als vielmehr generell die sportliche Betätigung im Vordergrund. Entsprechend geringer ist das Interesse der Vereine an der Verpflichtung ausländischer Spieler, die zudem in aller Regel einen finanziellen Aufwand erfordern. Betrachtet man die Spielklassen, in denen Breitensport betrieben wird – und dies dürfte in der ganz überwiegenden Anzahl der Ligen der Fall sein –, so wird deutlich, dass sich das Argument der Nachwuchsförderung zur Rechtfertigung von Ausländerklauseln hier nicht ohne weiteres aufrechterhalten lässt. Denn Ausländerklauseln sind 92 Vgl. Cachay/Riedl, Leistungssport 2001, Heft 3, 4 (7). Interessanterweise werden im Inland zum Teil auch ausländische Spitzenakteure ausgebildet, wie die Entwicklung des Ghanaers Sammy Kuffour und auch die des englischen Nationalspielers Owen Hargreaves beim FC Bayern München belegt. Vgl. Streinz, ZEuP 2005, 340 (355, Fn. 93). Den umgekehrten Weg ist der deutsche Fußball-Nationalspieler Robert Huth gegangen, der bereits im Alter von 16 Jahren zum englischen Erstligisten FC Chelsea London wechselte. 93 Vgl. Cachay/Riedl, Leistungssport 2001, Heft 3, 4 (7). Von den Clubs der FußballBundesligen wird eine konzentrierte Nachwuchsarbeit und –förderung auch als Instrument zur Eindämmung der Kostenexplosion im Bereich der Spielergehälter verstanden. Vgl. Born, ZEuP 2005, 378 (380).
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III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
auf die Bedürfnisse des Leistungssports zugeschnitten, der in unteren Ligen keine Rolle spielt. Bezweckt ist die Förderung zukünftiger Spitzenathleten, deren sportliches Betätigungsfeld sich in höheren Ligen findet.94 Man wird daher davon ausgehen können, dass die Teilnahme von Ausländern in unteren Spielklassen dem mit Ausländerklauseln verfolgten Ziel der Nachwuchsförderung kaum mehr, jedenfalls aber zunehmend weniger entgegensteht. Hält man trotz der vorstehend geäußerten Bedenken an der Eignung von Ausländerklauseln als unabkömmlichem Bestandteil einer effizienten Nachwuchsförderung fest, stellt sich die bereits aufgeworfene Frage nach dem Vorhandensein weniger einschneidender, aber doch gleichermaßen wirksamer Mittel zur Erreichung dieses Zieles. Ein denkbarer Ansatzpunkt könnte das im Fußball bereits praktizierte Modell sein, nach dem der Aufstieg in eine höhere Spielklasse zwingend an ein Engagement im Nachwuchsbereich gekoppelt ist, um hier auf einer breiteren Basis Talentförderung zu betreiben. Konkret sind etwa die Vereine der FußballRegionalligen verpflichtet, fünf Nachwuchsmannschaften zu unterhalten, wobei die Bereiche der A-, B- und C-Jugend abgedeckt werden müssen.95 Nun ist zuzugeben, dass ein solches Konzept dem Nachwuchs keine Einsatzzeiten in den Mannschaften der oberen Spielkassen sichert96, aber gerade der Versuch, diese zu erzwingen, begegnet mit Blick auf Art. 39 Abs. 2 EGV und die vergleichbaren Diskriminierungsverbote in Assoziierungsabkommen schier unüberwindbaren rechtlichen Bedenken. Das Festschreiben von Stammplätzen für deutsche Sportler zieht zwangsläufig eine Diskriminierung von Ausländern nach sich und kann daher – über die bereits aufgezeigten Bedenken hinaus – nicht der richtige Lösungsansatz sein. Für die erforderliche Spielpraxis könnte etwa der Aufbau eines Nachwuchsteams sorgen, das – im Einvernehmen mit den übrigen Ligateilnehmern – außer Konkurrenz am Spielbetrieb der höchsten oder zweithöchsten Spielklasse teilnimmt und ausschließlich aus einheimischen Nachwuchsakteuren besteht. Hierdurch würde gewährleistet, dass hoffnungsvolle Talente, die sich in ihrem Verein bisher noch nicht durchsetzen konnten, Einsatzzeiten erhalten und zugleich gegen sportlich starke Gegner antreten. Eine Kehrseite dieses Modells 94 So wurde der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes Gerhard Mayer-Vorfelder mit den Worten zitiert: „Die Regionalliga ist die erste Stufe in der Karriere eines Nachwuchsspielers.“. Vgl. Eilers, in: Freizügigkeit im europäischen Sport, S. 129 (136). Den Regionalligen übergeordnet sind lediglich die Spielklassen der zweiten und ersten Fußball-Bundesliga. 95 Vgl. lit. C. I. 2. e) der Richtlinien für das Zulassungsverfahren zur Regionalliga. Abrufbar unter www.dfb.de/dfb-info/interna/statuten/Zulassung.pdf. Ein ähnliches Modell existiert auch im Eishockeysport. 96 So auch Riedl/Cachay, S. 162.
6. Das Argument der Nachwuchsförderung
245
dürfte sicherlich der damit verbundene enorme finanzielle Aufwand sein. Ebenfalls denkbar wäre die verstärkte Ausrichtung von Länderspielen der Nachwuchsnationalmannschaften, wobei hier die Frage ist, ob sich genügend spielstarke Mannschaften als Gegner zur Verfügung stellen. In Betracht kommt auch die Erweiterung des Nachwuchsbereiches um eine Altersklasse, etwa die Einführung einer Spielklasse ausschließlich für Spieler im Alter unter 23 Jahren, wobei sich häufig gerade der Wechsel vom Jugend- in den Erwachsenbereich als schwierig erweist und die Einführung einer solchen Liga dieses Problem lediglich zeitlich verlagert. Ein Vorteil besteht allerdings offenkundig darin, dass allein Nachwuchsspieler miteinander um Einsatzzeiten konkurrieren und sich ohne Wettbewerbsdruck mit älteren, bereits fertig ausgebildeten Spielern sportlich weiterentwickeln könnten. Wie Befragungen ergaben, findet ein solcher Vorschlag durchaus Zustimmung bei Trainern und Managern der Spitzenligen.97 Bei einer zweckmäßigen Durchführung eines solchen Wettbewerbes auf Bundesebene ergibt sich allerdings wiederum eine nicht unerhebliche Kostenlast.98 Als tauglicher Kompromiss wird teilweise auch der sog. Dutzendparagraph in § 5 Nr. 4 der Lizenzierungsordnung des Ligaverbandes e.V.99 – dem Zusammenschluss der lizenzierten Vereine und Kapitalgesellschaften der Fußballlizenzligen Bundesliga und zweite Bundesliga – angesehen.100 Demnach ist Voraussetzung für die Erteilung der zur Teilnahme am Spielbetrieb in diesen Ligen berechtigenden Lizenz, dass sich der bewerbende Verein „… verpflichtet, zu jedem Pflicht-Bundesspiel mindestens zwölf Nicht-Amateure mit Lizenz deutscher Staatsangehörigkeit unter Vertrag zu halten“.
Mangels Festlegung einer Obergrenze, die es den Vereinen verbietet, eine bestimmte personelle Kaderstärke zu überschreiten, werden diese nicht an der Verpflichtung einer beliebigen Anzahl ausländischer Spieler gehindert, so dass eine unmittelbare Diskriminierung zunächst nicht gegeben scheint. Eine Grenze wird ausschließlich durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Vereins gezogen. Bedenken – auf die hier nicht im Einzelnen, weil den Berufssport betreffend, eingegangen werden soll – könnten sich allerdings wiederum daraus ergeben, dass Art. 39 Abs. 2 EGV ein über das Verbot von Diskriminierung hinausgehendes Beschränkungsverbot beinhaltet, mit dem Regelungen kollidie97
Vgl. Riedl/Cachay, S. 270 ff. Daneben ziehen Riedl/Cachay auch die Einführung eines Zweifachspielrechtes in Betracht, bei dem Spieler während derselben Spielzeit in mehreren Mannschaften auch verschiedener Vereine eingesetzt werden können. AaO., S. 273. 99 Die Lizenzierungsordnung kann unter eingesehen werden unter: www.bundesliga.de/imperia/md/content/transferlistepdfs/satzung/ligastatut/24.pdf. 100 So etwa Kirschenhofer, S. 187 ff, 215 f. 98
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III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
ren, die den Zugang für ausländische Staatsangehörige erschweren.101 Sind Vereine gezwungen, zunächst zwölf deutsche Spieler unter Vertrag zu nehmen, so bleiben naturgemäß weniger finanzielle Mittel für die Verpflichtung ausländischer Akteure.102 Aber auch darüber hinaus leidet die Regelung in der existierenden Form an zwei bereits benannten Defiziten: Zunächst kann auch sie nicht gewährleisten, dass der zwar nunmehr vertraglich gebundene Spieler in Punktspielen zum Einsatz kommt.103 Hierin aber besteht ein wesentliches Anliegen des zur Rechtfertigung von Ausländerklauseln herangezogenen Argumentes der Nachwuchsförderung, denn die durch ständige Spielpraxis gewonnene Erfahrung bildet die Grundlage für den späteren Einsatz in der Nationalmannschaft. Zum Zweiten ist es wiederum wenig konsequent, einen Vorteil pauschal Spielern mit deutscher Staatsangehörigkeit einzuräumen, wenn die Förderung jüngerer Spieler notwendig ist. Denn Nachwuchsspieler konkurrieren nicht nur mit ausländischen, sondern ebenso mit erfahrenen und bereits profilierten deutschen Akteuren um Stammplätze in der Mannschaft. Hier hätte eine Regelung, die eine Mindestanzahl an Mannschaftsmitgliedern unterhalb einer bestimmten Altersgrenze vorschreibt, näher gelegen, so wie dies etwa für die Amateurvereine der Fußball-Regionalligen der Fall ist.104 Allerdings, so scheint es jedenfalls, wird die Regelung von Seiten der Verantwortlichen als nicht besonders wirkungsvoll eingeschätzt. Anders ist jedenfalls kaum zu erklären, weshalb auch in der Folgezeit auf die Wiedereinführung einer Ausländerklausel in den FußballBundesligen gedrängt wurde.105 101
Siehe die Nachweise in Fn. 91. Ob derartige „Arbeitsplatzgarantien“ für deutsche Staatsangehörige nicht letztlich doch Diskriminierungen darstellen, dürfte ebenfalls zu prüfen sein. Bedenken bestehen hier vor allem deshalb, weil es sich mit Blick auf Art. 39 Abs. 2 EGV um ein wirtschaftliches Motiv handelt. Vgl. Krogmann, Grundrechte, S. 213. Für eine Arbeitsplatzsicherung zugunsten deutscher Spieler wohl Renz, in: Sportrecht in Europa, S. 191 (199). 103 Dies findet in der Praxis seine Bestätigung. Im Rahmen der von Cachay/Riedl durchgeführten Umfrage gaben 81,8 % der bei einem Verein der Fußball-Bundesligen angestellten Nachwuchsspieler an, überhaupt nicht zum Einsatz zu kommen. In anderen Sportarten ist die Situation ähnlich, auch wenn die Prozentzahlen nicht ganz so hoch liegen. Vgl. Leistungssport 2001, Heft 3, 4 (6). 104 Der DFB verlangt hier, dass von 18 auf dem Spielberichtsbogen bekannt zu gebenden Akteuren mindestens vier Spieler das 24. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Vgl. 12a Nr. 4.1 SpielO. Die Spielordnung kann im Internet unter www.dfb.de/dfbinfo/interna/statuten/spielordnung.pdf abgerufen werden. 105 Siehe etwa den Vorstoß des DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder aus dem Jahr 2003, der sich bei der Exekutive des europäischen Fußballverbandes UEFA für die Einführung von Ausländerbeschränkungen aussprach. Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 22.08.2003, S. 31. Ähnlich der damalige Teamchef der deutschen Fußballnationalmannschaft Rudi Völler in einem Interview gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Vgl. die Ausgabe vom 01.10.2003, S. 33. Bestrebungen, in der Fußball-Bundesliga eine Auslän102
6. Das Argument der Nachwuchsförderung
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Ob eine solche Regelung auch in unteren Spielklassen – bisher bezieht sich § 5 Nr. 4 der Lizenzierungsordnung lediglich auf die Teilnehmer der ersten und zweiten Fußball-Bundesliga – überhaupt Sinn macht, erscheint fraglich, da davon auszugehen sein dürfte, dass – abgesehen von reinen Ausländervereinen – die Mehrzahl der Vereinsmitglieder ohnehin die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt. Die vorstehenden Ausführungen skizzieren das Kernproblem für Nachwuchsspieler in Spitzenligen bei der Aufgabe von Ausländerklauseln. Zwar ist nicht ausgeschlossen und wohl auch zu erwarten, dass Spitzenvereine auch dann noch Nachwuchsspieler unter Vertrag nehmen, allerdings dürfte ein regelmäßiger Spieleinsatz kaum erfolgen. Maßgeblich hierfür ist der Umstand, dass die Vereine infolge des finanziellen und sportlichen Erfolgsdrucks eher auf fertige, den Umgang mit der sportlichen Situation gewohnte Spieler auch aus dem Ausland zurückgreifen, die bereits als solche verpflichtet werden können. Im Gegensatz hierzu ist die Entwicklung der Nachwuchsspieler gerade noch nicht abgeschlossen. Ein Einsatz jüngerer Spieler stellt sich für den Verein daher als sportliches Risiko dar und führt für die Spieler zu einer unbefriedigenden und nahezu ausweglosen Situation. Zur Vervollkommnung ihrer sportlichen Fertigkeiten sind sie auf Spielpraxis angewiesen, die sie jedoch in Spitzenklubs wiederum wegen ihrer noch fortschreitenden Entwicklung kaum erhalten. Die Spitzenklubs bieten damit keine ausreichende sportliche Perspektive für Nachwuchsakteure, die sich dauerhaft im Spitzensport etablieren wollen.106 Folgerichtige Lösung dieses Problems – außerhalb von Zugangsbeschränkungen für Ausländer – wäre, dass Nachwuchsspieler ihren sportlichen Reifeprozess zunächst in einer unteren Liga bei einer geringeren Leistungsdichte beenden und sich hier zu fertigen Spielern entwickeln. Sofern es Spielern auch in diesen Spielklassen nicht gelingt, sich gegen ausländische Sportler durchzusetzen, so erscheint ihre Eignung für eine leistungsfähige Nationalmannschaft wohl ohnehin eher fraglich. Die Aufgabe von Ausländerklauseln derklausel für nicht-europäische Akteure einzuführen, wurden zwischenzeitlich allerdings wieder aufgegeben. Vgl. www.zeit.de/online/2006/02/bundesliga_nachwuchs. Es stellt sich ohnehin die Frage, ob eine solche Beschränkung überhaupt noch zweckmäßig wäre, da die Vereine im Übrigen unbegrenzt auf Spieler aus europäischen Ländern zurückgreifen können und der deutsche Spielermarkt damit bereits weitgehend liberalisiert ist. Zu diesem Aspekt auch Riedl/Cachay, S. 269. 106 Ein zwar notgedrungenes aber dennoch erfreuliches Gegenbeispiel lieferte der Fußball-Bundesligist BV 09 Borussia Dortmund in der Saison 2005/2006. Aufgrund der angespannten finanziellen Situation musste die sportliche Führung in dieser Saison verstärkt auf Nachwuchsspieler zurückgreifen und stellte mit einem Durchschnittsalter von 24,84 Jahren die jüngste aller Bundesligamannschaften. Vgl. www.bundesliga.de/ liga/statistik/verein.php. Dabei konnte die Mannschaft an den sportlichen Erfolg der vergangenen Saison durchaus anknüpfen. Zu dieser allgemeinen Entwicklung auch Streinz, ZEuP 2005, 340 (361).
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III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
erschwert Nachwuchsspielern im Ergebnis daher lediglich den Sprung aus dem Jugendbereich direkt in die höchste nationale Spielklasse. Dieser wird allein herausragenden Akteuren gelingen. Jedoch ist damit auch den übrigen Spielern der Weg in die Bundesligen nicht verschlossen. Dieser führt vielmehr zunächst über den Einsatz in einer Mannschaft der zweiten oder dritten Liga. Ein weiteres, generelles Problem von Ausländerklauseln tritt zu Tage, wenn man sich nochmals die vom EuGH aufgestellten und im nationalen Recht vergleichbar geltenden Grundsätze zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung vor Augen führt. Der Gerichtshof verlangt nicht lediglich das Vorliegen eines nichtwirtschaftlichen, ausschließlich sportlich motivierten Grundes, sondern fordert weitergehend, dass auch in diesem Fall eine Diskriminierung nicht weiter gehen darf, als ihr Zweck es erfordert. Auch dann, wenn Ausländerklauseln geeignet und erforderlich sind, dem hiermit verfolgten Ziel der Nachwuchsförderung zur Durchsetzung zu verhelfen, bleibt es bei der Pflicht zur möglichst zurückhaltenden und damit angemessenen Verdrängung der Individualrechte des ausländischen Sportlers. Es stellt sich daher die Frage, ob die Belange der Nachwuchsförderung den Zugang von nicht mehr als beispielsweise drei ausländischen Fußballspielern in der Startformation erfordern oder ob diesen Bedürfnissen nicht auch schon bei Zulassung von vier ausländischen Akteuren genüge getan wird. Ähnliche Überlegungen kann man zu § 5 Nr. 4 der Lizenzierungsordnung des Ligaverbandes anstellen. Bedarf eine funktionsfähige Nachwuchsförderung zwingend einer Mindestanzahl von zwölf deutschen Spielern im Kader oder genügen hierfür nicht bereits elf oder gar zehn deutsche Akteure? Der unscharfe Zusammenhang zwischen Ausländeranteil und sportlicher Qualität des Nachwuchses lässt insoweit jede zahlenmäßige Begrenzung als willkürlich erscheinen.107 Allerdings wird man den Sportverbänden einen gewissen Ermessensspielraum bei einer Quotierung nicht absprechen können. Stellt man die vorstehenden Bedenken zurück und wendet sich wieder dem Ausgangspunkt der Untersuchung – Ausländerbeschränkungen im Freizeitsport – zu, bleibt die Frage, ob Ausländerklauseln auch in diesen Spielklassen noch in einem angemessenen Verhältnis zum damit verfolgten Zweck – Förderung eines kleinen, auf die Anforderungen des überwiegend professionellen Spitzensports ausgerichteten Personenkreises – stehen. Hierbei darf nicht übersehen werden, dass die sportliche Betätigung ohne wirtschaftlichen Hintergrund immer noch den „Normalfall“ bildet. Die deutlich überwiegende Anzahl der Spielklassen, auch in stark kommerzialisierten Sportarten wie dem Fußball, ist dem Bereich der Freizeitgestaltung zuzuordnen. Umso wichtiger ist daher, dass auch in diesen Spielklassen, die für ambitionierte Nachwuchsspieler lediglich eine Vorstufe darstellen, für Freizeitspieler aber wesentliches sportliches Betä107
So auch Fischer, SpuRt 1996, 34 (37).
7. Das Problem des sog. „Sporttourismus“
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tigungsfeld sind, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Interessen der von Ausländerklauseln betroffenen und begünstigten Personen besteht. Dabei zwingt schon die eigene Zielsetzung der Sportverbände, die gerade nicht ausschließlich die Förderung des Leistungssports zum Gegenstand hat108, auf die Belange der nicht nach sportlichen Höchstleistungen strebenden Akteure Rücksicht zu nehmen, und steht damit Regelungen entgegen, die einseitig die Bedürfnisse des professionellen Spitzensports in den Vordergrund stellen. Als unangemessen wäre daher sicherlich eine Regelung anzusehen, die zu einer Verdrängung des überwiegenden Anteils der Freizeitspieler mit ausländischer Staatsangehörigkeit führt, um die Förderung einer lediglich kleinen Personengruppe zu gewährleisten. Die Ausgewogenheit dieses Verhältnisses wird sich allerdings nur im Einzelfall unter Berücksichtigung des konkreten Ausländeranteiles und im Einklang mit den Bedürfnissen der Nachwuchsförderung in der jeweiligen Sportart ermitteln lassen. Allgemeingültige Kriterien lassen sich hier kaum aufstellen, wobei allerdings gerade das Kriterium der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne der Einzelfallgerechtigkeit dient. In die Abwägung einzubeziehen ist etwa die Überlegung, dass talentierte Nachwuchsspieler, die ernsthaft für eine Karriere im Spitzensport und in der Nationalmannschaft in Betracht kommen, aufgrund ihres sportlichen Potentials in unteren Klassen weniger Schwierigkeiten haben werden, sich auch gegen ausländische Konkurrenz durchzusetzen. Dieser Umstand mag zunächst für eine eher großzügige Handhabung des Zugangsrechts für Ausländer sprechen. Beachtung verdient ferner die bereits mehrfach angesprochene, hier wiederum relevante Tatsache, dass ausländische Sportler infolge des Ein-Platz-Prinzips109 und dem damit verbundenen Fehlen adäquater Ausweichmöglichkeiten auf die von Seiten der nationalen Sportverbände angebotenen Wettkampfmöglichkeiten angewiesen sind. Unter Berücksichtigung dieser individuellen Interessen auf der einen und des berechtigten Anliegens der Sportverbände an einer effektiven Nachwuchsförderung auf der anderen Seite wäre daher ein geeigneter Kompromiss zu suchen.
7. Das Problem des sog. „Sporttourismus“ Vielfach in der Diskussion steht auch das in grenznahen Regionen auftretende Problem des sog. „Sporttourismus“. Hierbei greifen lokale unterklassige Vereine um des sportlichen Erfolges willen auf die Dienste von Spielern mit ständigem Wohnsitz im benachbarten Ausland zurück, die lediglich zum Wett108 109
Siehe hierzu schon oben, II. 2. b) dd) (1) (c). Siehe hierzu oben, I. 4. c). und 5. c) bb).
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III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
kampf anreisen, darüber hinaus jedoch nicht am Vereinsleben teilnehmen. Von Seiten der Sportverbände wird hierin, nicht zu Unrecht, eine Verzerrung des sportlichen Wettbewerbes gesehen, die zu einer Vernachlässigung des nationalen Nachwuchses führen kann.110 Ein Dorn im Auge ist diese Praxis auch denjenigen Vereinen, die aufgrund ihres örtlichen Einzugsgebietes nicht in der Lage sind, sich entsprechend zu verstärken und im Wettkampf daher häufig Mannschaften gegenüberstehen, die zum Teil mit ausländischen Spielern besetzt sind, deren Spielstärke nicht selten die Teilnahme in einer höheren Spielklasse zulässt. Dieser Umstand wirkt sich verständlicherweise auch auf die Motivation der einheimischen Spieler aus, die kaum mehr Chancen auf einen sportlichen Erfolg aus eigener Kraft sehen. Angesichts dieser Situation dürften sich die Beweggründe der ausländischen Sportler weniger im sportlichen als vielmehr im materiellen Bereich finden. Die Vereine setzen hier offenkundig finanzielle Anreize in einer Höhe, die sportliche Ambitionen zurücktreten lässt. Ganz abgesehen davon, dass Leistungen wohl häufig unter Außerachtlassung der nationalen sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Vorschriften erbracht werden, stellt dies eine von den Verbänden kaum zu kontrollierende Praxis dar. Unter rechtlichen Gesichtspunkten ist dabei auch von Bedeutung, dass es sich hierbei nicht mehr um Freizeitsport in der vorliegend untersuchten Form, sondern um die grenzüberschreitende Erbringung von Dienst- bzw. Arbeitsleistungen gegen Entgelt handelt. Hieran vermag auch die von Seiten der Sportverbände in den eigenen Statuten vorgenommene Abgrenzung von Berufs-, Amateur- und Freizeitsport nichts zu ändern, denn dieses Verständnis ist nicht maßgebend für die Auslegung etwa des Arbeitnehmerbegriffes im Sinne des Art. 39 Abs. 2 EGV.111 Der EuGH legt hier vielmehr andere Maßstäbe an, denen die ausländischen Sportler auch bei nur geringen Verdienstmöglichkeiten genügen. Notwendig, aber auch ausreichend ist eine Vergütung, die über einen bloßen symbolischen Charakter hinausgeht, selbst wenn diese nicht zur Deckung des Lebensbedarfes ausreicht.112 So kann schon die Gewährung von freier Kost und Logis, wenn dieses Entgelt im Verhältnis zu Art und Umfang der Beschäftigung nicht völlig unangemessen 110 Vgl. zu diesem Aspekt auch Plath, S. 125, Fn. 43. Auf die meist unausgesprochene Angst vor einer Überfremdung und dem Aufweichen des traditionellen Vereinslebens weist Klose, S. 145 hin. 111 So der EuGH ausdrücklich im Fall der belgischen Judoka Christelle Deliège für das Vorliegen einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne des Art. 2 EGV. Vgl. Urteil vom 11.04.2000 (Rs. C-51/96 und C-191/97), Slg. 2000, I-2549 (2614). Der Gerichtshof bestätigte diese Auffassung zuletzt im Urteil vom 26.01.2005 (Rs. T-192/02), dort Rn. 70. Die Entscheidung kann über die Homepage des Gerichtshofes unter http://curia.eu.int/ jurisp/cgi-bin/form.pl?lang=de abgerufen werden. Siehe auch oben, I. 1. a). 112 Vgl. die Urteile des EuGH vom 03.06.1986 (Rs. 139/85), Slg. 1986, 1741 (1750) und vom 19.11.2002 (Rs. C-188/00) 2002, I-10691 (10724).
7. Das Problem des sog. „Sporttourismus“
251
ist, als Entschädigung genügen.113 In einer nicht unerheblichen Anzahl der Fälle dürfte somit davon auszugehen sein, dass die sportliche Leistung bereits unterklassig professionell erbracht wird. Von Seiten der Sportverbände wird versucht, dem Phänomen des Sporttourismus etwa dadurch zu begegnen, dass neben der grundsätzlichen Zugangsbeschränkung für Ausländer – die freilich auch Sportler mit ständigem Wohnsitz im Bundesgebiet trifft – als notwendige Voraussetzung für die Erteilung der Spielberechtigung das Vorliegen einer Aufenthaltsgenehmigung über die gesamte Dauer der Spielzeit verlangt wird.114 Diese Praxis erfährt eine Verschärfung dadurch, dass auf der 167. Sitzung der ständigen Innenministerkonferenz der Länder am 09./10.05.2001 eine Änderung der Arbeitsaufenthalteverordnung (AAV) beschlossen wurde, nach der eine Aufenthaltserlaubnis für Berufssportler, deren Einsatz in deutschen Sportvereinen, soweit sie am Wettkampfsport teilnehmen, vorgesehen ist, nur dann erteilt wird, wenn die sportliche Qualifikation des Bewerbers durch den für diese Sportart zuständigen Spitzenverband im Einvernehmen mit dem Deutschen Sportbund bestätigt wird.115 Dabei entspricht es der ständigen Verwaltungspraxis der Sportverbände, eine solche Bestätigung für Spieler, deren Einsatz in einer Spielkasse unterhalb der ersten Liga geplant ist, nicht zu erteilen.116 An diesen Gegebenheiten hat auch die Neustrukturierung des Aufenthaltsrechts durch das Zuwanderungsgesetz vom 30.07.2004117 im Wesentlichen nichts geändert. Zwar ist die Arbeitsaufenthalteverordnung hierdurch zum 01.01.2005 außer Kraft getreten118, jedoch findet sich eine § 5 Nr. 10 AAV entsprechende Bestimmung nunmehr in § 7 Nr. 4 der Beschäftigungsverordnung vom 22.11.2004119. Demnach ist für die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Zwecke der Ausübung einer Erwerbstätigkeit die nach den §§ 18 ff., 39 Abs. 1, 42 Abs. 1, 2 AufenthG erforderliche Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit wiederum nur dann entbehrlich, wenn die sportliche Qualifikation des Bewerbers vom Fachverband attestiert wird. Da die Einführung des § 5 Nr. 10 AAV maßgeblich auf einem Konsens zwischen den Spitzenfachverbänden und dem Bundesministerium des Innern beruhte, dürfte nicht davon auszugehen sein, dass sich die Bundesagentur für Arbeit, im Falle des nicht erteilten Einverneh113
Vgl. Franzen, in: Streinz, EUV/EGV, Art. 39, Rn. 27. So etwa Abschnitt B Nr. 9.3. WO des DTTB. 115 Vgl. § 5 Nr. 10 AAV, BGBl. 2002 I, 578. In diesem Fall benötigen die Sportler keine Arbeitsgenehmigung, § 9 Nr. 12 ArGV. 116 Siehe etwa das Schreiben des DSB vom 08.05.2003 unter www.hvshandball.de/_Verbandsinfo/html540.htm. 117 Vgl. BGBl. I, 1950. 118 Vgl. Art. 15 Abs. 3 Nr. 7 des Zuwanderungsgesetzes. 119 Vgl. BGBl. I, 2937. 114
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III. Sachliche Gründe für Ausländerklauseln
mens durch den zuständigen Sportverband, über dessen Entscheidung hinwegsetzt und ihre Zustimmung auch dann erteilt, wenn ein Einsatz des Sportlers unterhalb der Spitzenligen vorgesehen ist. Durch die Koppelung der Spielberechtigung an eine Aufenthaltsgenehmigung und deren Abhängigkeit wiederum von der Zustimmung der Sportverbände, steht diesen ein gewichtiges Instrument zur Regulierung des Einsatzes von ausländischen Berufssportlern in nationalen Spielklassen zur Verfügung. Ob dies allerdings auch zukünftig ein geeignetes Mittel zur Eindämmung des Sporttourismus darstellt, muss bezweifelt werden. Mit Blick auf die westeuropäischen Nachbarstaaten, die bereits überwiegend Mitglied der Europäischen Union sind, geben die nationalen ausländerrechtlichen Vorschriften bereits heute nichts her120, denn für die Angehörigen dieser Länder sind Arbeitserlaubnis und Aufenthaltstitel aufgrund der Freizügigkeitsvorschriften des EGV lediglich von deklaratorischer Bedeutung.121 Dem wird die Rechtslage in Bezug auf die Angehörigen der osteuropäischen Anrainerstaaten, die zum 01.05.2004 der Europäischen Union beigetreten sind, spätestens nach Ablauf der Übergangsfristen zum 01.05.2011 entsprechen.122
120 Auf die Staatsangehörigen eines Vollmitgliedes der EU findet das AufenthG nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 keine Anwendung. 121 Vgl. Wölker/Grill, in: Groeben/Schwarze, EU-/EG-Vertrag, Art. 39, Rn.32. Dies stellen § 2 Abs. 4 FreizügG/EU und § 284 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB III klar. 122 Siehe hierzu oben, II. 3. d) dd).
Zusammenfassung 1. Als wertneutrales Gemeinschaftserlebnis ohne sprachliche Grenzen bietet der Sport einen geeigneten Rahmen für das Zusammentreffen verschiedener Kulturkreise und Nationalitäten und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Integration der in Deutschland lebenden Ausländer. Gerade im Bereich des Freizeitsports besteht ein erhebliches Potential, da hier noch überwiegend das Spielelement im Vordergrund steht.1 2. Kennzeichnend für die Organisationsstruktur im deutschen Sport ist das Ein-Platz-Prinzip, aus dem sich eine fachlich-räumliche Monopolstellung der Spitzenfachverbände ergibt.2 Als Ausrichter des Spielbetriebes obliegt ihnen zugleich die Statuierung der verbindlichen Regelwerke.3 Ihre Organisation als Vereinsverband steht dabei einer Mitgliedschaft des einzelnen Sportlers entgegen.4 3. Die Zugehörigkeit einer Regelung zur Vereinsverfassung bestimmt sich grundsätzlich nach dem Ergebnis einer Abwägung von Vereins- und Mitgliederinteressen an einer Aufnahme in die Satzung.5 Hiernach zählen Ausländerklauseln zu den das Vereinsleben bestimmenden Grundsatzentscheidungen. Die schwerwiegenden Folgen für die betroffenen Sportler, die bis hin zum völligen Ausschluss vom Wettkampf reichen, und die fehlenden Alternativen zum Angebot der Sportverbände aufgrund des Ein-Platz-Prinzips, lassen das Interesse des Verbandes an einer flexiblen Normhandhabung zurücktreten.6 Aufgrund der strukturellen Besonderheiten im deutschen Sportverbandswesen steht dem nicht das Fehlen einer echten mitgliedschaftlichen Bindung entgegen.7 4. Die Staatsangehörigkeit des Sportlers ist formaler Anknüpfungspunkt für die mit Ausländerklauseln bezweckte Ungleichbehandlung. In den Regelwerken der Sportverbände werden (häufig) Sportler mit fremder Staatsangehörig-
1
Siehe oben, I. 2. Vgl. oben, I. 4. c) und 5. c) bb). 3 Vgl. oben, I. 4. f) ff) (1). 4 Vgl. oben, I. 4. b). 5 Siehe oben, I. 4. f) ff) (2) (c). 6 Vgl. oben, I. 4. f) ff) (4). 7 Vgl. oben, I. 4. f) ff) (3). 2
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keit aber starker örtlicher Verwurzelung privilegiert und damit ein eigener Staatsangehörigkeitsbegriff statuiert.8 5. Die Staatsangehörigkeit als Unterscheidungsmerkmal wird nicht von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG erfasst.9 Der Staatsangehörigkeitsbegriff der Sportverbände kann sich jedoch mit dem Merkmal der Heimat überschneiden.10 6. Das personenbezogene Unterscheidungsmerkmal der Staatsangehörigkeit steht grundsätzlich nicht zur Disposition des betroffenen Sportlers und weist nach der Ausgestaltung durch die Sportverbände einen deutlichen Bezug zum Begriff der Heimat im Sinne des Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG auf. Im System der abgestuften Rechtfertigungsprüfung des Art. 3 Abs. 1 GG ist daher ein strenger Prüfungsmaßstab anzulegen.11 7. Freizeitaktivitäten scheiden nicht bereits deshalb aus dem Anwendungsbereich der Grundfreiheiten des EGV aus, weil sie isoliert betrachtet keinen wirtschaftlichen Bezug aufweisen. Liegen die Voraussetzungen einer der Grundfreiheiten im Übrigen vor, etwa weil ein Unionsbürger grenzüberschreitend einer selbst- oder unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, so beurteilt sich die Frage, ob das Diskriminierungsverbot auch Maßnahmen außerhalb der entgeltlichen Beschäftigung erfasst, nach der Reichweite der Grundfreiheit.12 8. Eine Bereichsausnahme für sportliche Betätigungen ist nicht anzunehmen.13 9. Der Begriff der Arbeitsbedingungen im Sinne des Art. 39 Abs. 2 EGV ist weit auszulegen. Er bezieht sich auch auf Sachverhalte aus dem Beschäftigungsumfeld – etwa auf Zugangsbeschränkungen im Freizeitsport –, die sich mittelbar auf die Attraktivität eines Arbeitsverhältnisses und damit auf die Verwirklichung der Vertragsziele auswirken. Ein funktionaler Zusammenhang mit dem konkreten Arbeitsverhältnis ist nicht erforderlich.14 10. Ob eine Maßnahme mit diskriminierendem Charakter in den Anwendungsbereich des Vertrages im Sinne von Art. 12 EGV fällt, beurteilt sich grundsätzlich nach der Kompetenzverteilung zwischen der Gemeinschaft und den Mitgliedstaaten in Abhängigkeit von der Bedeutung des Regelungsgegenstandes für die Verwirklichung der Vertragsziele.15 Ausländerklauseln im Frei8
Vgl. oben, II. 1. a) cc). Vgl. oben, II. 1. a) aa) und bb). 10 Vgl. oben, II. 1. a) cc). 11 Vgl. oben, II. 1. b). 12 Vgl. oben, II. 2. b) aa) (2). 13 Vgl. oben, II. 2. b) aa) (3). 14 Vgl. oben, II. 2. b) bb) (2) (d). 15 Vgl. oben, II. 2. b) bb) (2) (f). 9
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zeitsport beeinflussen die soziale Situation wirtschaftlich mobiler Unionsbürger im Aufnahmemitgliedstaat und berühren mit den Personenverkehrsfreiheiten eines der wichtigsten Instrumente zur Verwirklichung dieses Vertragszieles.16 Art. 12 EGV ist daher einschlägig. 11. Der Anwendungsbereich von Art. 18 Abs. 1 EGV erschöpft sich in der Gewährleistung eines allgemeinen Bewegungs- und Aufenthaltsrechtes. Der mittelbare Zusammenhang mit diesem Aufenthaltsrecht genügt nicht, um Rahmenbedingungen und Begleitumstände des Aufenthaltes in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 12 EGV einzubeziehen. Ausländerklauseln sind daher, soweit sie Unionsbürger betreffen, die nicht am Wirtschaftsleben teilnehmen, grundsätzlich nicht an Art. 12 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 EGV zu messen.17 12. Im Schrankensystem der Grundfreiheiten sind ungeschriebene Gründe zur Rechtfertigung diskriminierender Regelungen grundsätzlich abzulehnen.18 Eine Ausnahme gilt für sportlich motivierte Regelungen, die Ausländer von bestimmten Begegnungen ausschließen, weil der Zweck des Wettkampfes dies erfordert.19 13. Eine weitere Schranke finden die Grundfreiheiten in den Gemeinschaftsgrundrechten.20 Das Gemeinschaftsgrundrecht der Vereinigungsfreiheit schützt die kollektive Betätigung der Sportverbände auch auf europäischer Ebene und erlaubt diesen eine autonome Ausgestaltung der verbandseigenen Regelwerke.21 Ein Ausgleich mit der grundfreiheitlich geschützten Position des Sportlers erfolgt im Rahmen einer umfassenden Güter- und Interessenabwägung.22 14. Auf den Freizügigkeitsstandard des EGV können sich grundsätzlich auch Drittstaatenangehörige berufen, sofern dieser in einem Assoziierungsabkommen zwischen ihrem Heimatland und der EG bzw. deren Mitgliedstaaten übernommen wurde23 oder der von den Vertragsparteien verfolgte Zweck der Abkommensbestimmungen dies rechtfertigt. Bei dieser Zweckbetrachtung kommt einem Vergleich von Gegenstand und Kontext des Abkommens einerseits und des EGV andererseits maßgebliche Bedeutung zu. Sofern das Assoziierungsabkommen der Vorbereitung eines späteren Beitritts des Partnerstaates zur Euro16
Vgl. oben, II. 2. b) bb) (2) (g). Vgl. oben, II. 2. b) cc). 18 Siehe oben, II, 2. b). dd) (2) (a) und (b). 19 Vgl. oben, II. 2. b) aa) (3) und dd) (2) (c). 20 Vgl. oben, II. 2. b) dd) (3). 21 Vgl. oben, II. 2. b) dd) (3) (b). 22 Vgl. oben, II. 2. b) dd) (3) (c). 23 Dies gilt für die Staaten des Europäischen Wirtschaftsraumes und die Schweiz. Vgl. oben, II. 3. a) aa) und b) aa). 17
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päischen Gemeinschaft dient, ist grundsätzlich von einer Übertragbarkeit des grundfreiheitlichen Verständnisses auf das vertraglich vereinbarte Diskriminierungsverbot auszugehen.24 15. Die von Sportverbänden zur Rechtfertigung von Ausländerklauseln herangezogenen Argumente sind überwiegend auf die Bedürfnisse im (professionellen) Spitzenssport zugeschnitten und nicht ohne weiteres auf den Bereich des Freizeitsports übertragbar.25 16. Mangels Nachweis eines kausalen Zusammenhanges erscheint es darüber hinaus nicht hinreichend gesichert, dass die von den Sportverbänden befürchteten negativen Auswirkungen – etwa im Nachwuchsbereich – bei Aufgabe der Ausländerklauseln auch tatsächlich eintreten.26 Allein vor dem Hintergrund einer solchen Möglichkeit sind die mit Ausländerklauseln verbundenen erheblichen Eingriffe in die Freiheitsbereiche ausländischer Sportler nicht zu rechtfertigen.
24 Dies trifft auf die Türkei sowie die Staaten des ehemaligen Ostblocks zu, mit denen sog. Europa-Abkommen geschlossen wurden. Siehe oben, II. 3. c) aa) (2) und d) bb) und cc). 25 Siehe oben, III. 1., 3., 4. und 5. 26 Vgl. oben, III. 5.
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Sachverzeichnis Abkommen Maghreb-Staaten – Drittwirkung 207 – Reichweite 208 f., 211 Abkommen über Partnerschaft und Zusammenarbeit (APZ) – Drittwirkung 210 f. – Reichweite 211 f. – unmittelbare Anwendbarkeit 210 Abkommen von Cotonou siehe Partnerschaftsabkommen AKP-EG Allgemeine Geschäftsbedingungen siehe Inhaltskontrolle von Vereinsregelwerken Allgemeine Handlungsfreiheit 86 ff. – Schrankentrias 90 – verfassungsmäßige Ordnung 89 f. Amateur siehe Arbeitnehmer Anwendungsbereich des EG-Vertrages siehe Arbeitnehmerfreizügigkeit Arbeitnehmer – Abgrenzung Amateur- bzw. Freizeitsport 23 ff., 243 – Begriff 24, 243 f. Arbeitnehmerfreizügigkeit – Bereichsausnahme Sport 98 ff. – Bereichsausnahme öffentliche Verwaltung 94, 136 ff. – Beschränkungsverbot 102, 151, 205, 236, 239 – Diskriminierungsverbot 91 ff. – Drittwirkung 114 ff. – immanente Schranken 156 ff. – ordre-public-Vorbehalt 115, 144 ff. – sonstige Arbeitsbedingungen 118 ff., 146
– ungeschriebene Rechtfertigungsgründe 151 ff. Assoziationsratsbeschluss Nr. 1/80 – Drittwirkung 186 f. – Rechtsnatur 181 f. – Reichweite 182 ff. – unmittelbare Anwendbarkeit 185 ff. Aufenthaltsgenehmigung 244 f. Aufenthaltsrecht – allgemeines (Art. 18 EGV) 138 ff. – besonderes 105 Ausländerklausel – Begriff 26 Bereichsausnahme siehe Arbeitnehmerfreizügigkeit Berufssport siehe Arbeitnehmer Beschränkungsverbot siehe Arbeitnehmerfreizügigkeit Bindung an Vereinsregelwerke – Doppelverankerung 50 ff. – dynamische Verweisung 51 ff. – self-executing Norm 48 – statische Verweisung 51 ff. Bosman-Urteil 101, 107, 144, 157 f., 161, 192 Charta der Grundrechte der EU 157 ff. Dachverband siehe Verband Deliège-Urteil 92, 100, 106, 243 Deutscher Fußball-Bund 21, 23, 61, 103, 151, 237, 240 Deutscher Meister 217 f. Deutscher Sportbund 28 f., 40 f., 65 f., 244
Sachverzeichnis Deutscher Tischtennis Bund 48 f., 82, 150, 191, 233 Dienstleistungsfreiheit 102, 129, 144, 148, 153, 165 ff., 180, 185, 190 Diskriminierungsverbot siehe auch Arbeitnehmerfreizügigkeit – des Art. 3 GG siehe Gleichheitssatz – des Art. 12 EGV 105, 130 ff. Donà-Urteil 94 f., 100 106 Doppelgrundrecht siehe Vereinigungsfreiheit Doppelmitgliedschaft siehe Mitgliedschaft Doppelverankerung siehe Bindung an Vereinsregelwerke Dynamische Verweisung siehe Bindung an Vereinsregelwerke Effet utile 116 f., 129 ff. Ein-Platz-Prinzip 65 ff., 69, 74, 164 EU-Osterweiterung siehe EuropaAbkommen Europa-Abkommen – Drittwirkung 191 ff. – Reichweite 196 ff. – Übergangsregelung nach Beitritt 199 ff. – unmittelbare Anwendbarkeit 191 ff. Europa der Bürger 127 f. EU-Verfassung 113, 128, 163 ff. EWR-Abkommen – Drittwirkung 168 – Reichweite 166 ff. – unmittelbare Anwendbarkeit 169 ff. Freizeitsport siehe Arbeitnehmer Freizügigkeitsabkommen Schweiz – Drittwirkung 177 ff. – Rechtsnatur und Inhalt 172 ff. – unmittelbare Anwendbarkeit 176 f. Gemeinschaftsgrundrechte – Abwägungsmaßstab Grundfreiheiten 161 ff.
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– immanente Schranke 156 ff. – in der EU-Verfassung 164 Gemeinschaftskompetenz siehe auch Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung – kulturelle 112 f. – soziale 107 ff. Geschäftsordnung 35 ff. Gleichheitssatz (Art 3 GG) – mittelbare Diskriminierung 81 ff. – neue Formel 83 f. – System der abgestuften Rechtfertigung 83 ff. Grundrechtskatalog siehe Charta der Grundrechte der EU Idealverein 26 Implied powers 129 ff. Inhaltskontrolle von Vereinsregelwerken 65 ff. Inländerdiskriminierung 103 Interessenabwägung – im Rahmen der Inhaltskontrolle anhand von § 242 BGB 68 – im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG 84 – Vereinsverfassung 56 ff. Kollektive Betätigungsfreiheit siehe Vereinigungsfreiheit Kolpak-Urteil 192 Kompetenz siehe Gemeinschaftskompetenz Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten 157 ff. Landessportbund 41 Lawrie Blum-Urteil 97 Lehtonen-Urteil 106 Lizenz siehe Spielerpass Maghreb-Staaten, Abkommen 207 ff. Majcen, Igor 101 Meca-Medina, David 101 Mehrspartenverein 61
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Sachverzeichnis
Mitgliedschaft – Doppelmitgliedschaft 50 – mittelbare 42, 48, 59 Mittelbare Diskriminierung siehe Gleichheitssatz Mittelbare Drittwirkung 63 f. Mittelbare Mitgliedschaft siehe Mitgliedschaft Monopolstellung der Sportverbände siehe Ein-Platz-Prinzip Nachwuchsförderung 80, 150, 230 ff. Nationalmannschaft – Bereichsausnahme für 103 – und Rechtfertigung von Ausländerklauseln 227 ff. Nebenordnung siehe Vereinsordnung Neue Formel siehe Gleichheitssatz Niederlassungsfreiheit 129, 165 ff., 185, 198 Normtheorie 37 ff. Öffentliche Sicherheit und Ordnung siehe Arbeitnehmerfreizügigkeit, ordrepublic-Vorbehalt Öffnungsklausel 71 Ordre-public-Vorbehalt siehe Arbeitnehmerfreizügigkeit Partnerschaftsabkommen AKP-EG 201 ff. Persönlichkeitsentfaltung siehe allgemeine Handlungsfreiheit Personenverkehrsfreiheiten siehe Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungsund Niederlassungsfreiheit Praktische Konkordanz 90, 161 Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung 107 ff., 111, 130 ff. Privatautonomie 44, 63, 115 f. Repräsentationsfunktion 217 ff. Satzungsänderung 36, 38, 48 f., 52 f.
Satzungszwang siehe auch Vereinsverfassung – gegenüber mittelbaren Mitgliedern 59 f. Schrankentrias siehe allgemeine Handlungsfreiheit self-executing Norm siehe Bindung an Vereinsregelwerke Simutenkov-Urteil 212 Sonstige Arbeitsbedingungen siehe Arbeitnehmerfreizügigkeit Spielerpass 44, 128 f. Sporttourismus 243 ff. Sportverband siehe Verband Staatsangehörigkeit – Begriff 77 – Kriterium im Sinne des Art. 3 Abs. 3 GG 76 ff. – Verständnis der Sportverbände 79 ff. Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen 198 f. Statische Verweisung siehe Bindung an Vereinsregelwerke Subsidiaritätsprinzip 113 Übermaßverbot siehe Verhältnismäßigkeitsprinzip Ungeschriebene Rechtfertigungsgründe siehe Arbeitnehmerfreizügigkeit Verband – Begriff 40 – Verbandspyramide 41 – Vereinsverband 40 Verbandsautonomie siehe Vereinigungsfreiheit Verbandspyramide siehe Verband Vereinigungsfreiheit – Doppelgrundrecht 72 – Gemeinschaftsgrundrecht 158 ff., 216 – kollektive Betätigungsfreiheit 72, 159 – Vereins-, Verbandsautonomie 32, 56, 63, 65 ff., 69, 149, 151, 160
Sachverzeichnis Vereinsautonomie siehe Vereinigungsfreiheit Vereinsordnung 35 f., 53 Vereinsverband siehe Verband Vereinsverfassung 35 ff., 56 Verfassungsmäßige Ordnung siehe allgemeine Handlungsfreiheit Verhältnismäßigkeitsprinzip 84, ff., 154, 161, 216 Vertragsrevision – von Amsterdam 127
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– von Maastricht 126 – von Nizza 91, 127, 157 Vertragstheorie 37 ff. Walrave-Urteil 97, 101, 105 f., 115, 168 Willkürformel 83 f. Zuschauerinteresse 220 ff. Zuständigkeit der Gemeinschaft siehe Gemeinschaftskompetenz